Deutscher Ethikrat - Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise AD-HOC-EMPFEHLUNG
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Deutscher Ethikrat Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise AD-HOC-EMPFEHLUNG
SEITE 2 Berlin, 27. März 2020 1 Einleitung einfachgesetzliche Grundlagen existieren – damit jedenfalls zur Zeit Freiheitsbeschränkungen vertretbar. Auch erheblich belasten- Die gegenwärtige Pandemie fordert unsere Gesellschaft in beispiel- de Begleitschäden sind zumutbar. Je länger die Pandemie andauert, loser Form heraus. Zumindest aus der jüngeren Geschichte gibt es desto stärker sind allerdings nicht nur die unmittelbaren, sondern keine Erfahrungen mit entsprechenden gesundheitlichen Gefah- auch die vielfältigen, über den nationalen Kontext hinausweisen- ren. Gleiches gilt für die aktuellen rigorosen, massiv und flächende- den Folgelasten sozialer und ökonomischer Art zu berücksichtigen. ckend freiheitsbeschränkenden staatlichen Maßnahmen. Sie sollen dazu dienen, den exponentiellen Anstieg der Zahl infizierter und erkrankter Personen zu verhindern. Andernfalls könnte das Ge- 2 Zielsetzung der Ad-hoc-Empfehlung sundheitssystem an seine Kapazitätsgrenzen gelangen. Bei rascher Zunahme schwerer Erkrankungsfälle könnte es zu einer Unterver- Vor diesem Hintergrund ist zunächst der epidemiologisch be- sorgung behandlungsbedürftiger Personen kommen – unabhängig gründete Imperativ zu bekräftigen, dass die Ausbreitung des davon, ob diese an der durch das neuartige Coronavirus verursach- Virus jedenfalls erheblich verlangsamt, also die Infektionskurve ten Lungenerkrankung Covid-19 oder einer anderen Krankheit abgeflacht werden muss (flatten the curve). Noch ist allerdings un- leiden. Allerdings haben die bereits ergriffenen Maßnahmen schon klar, ob dies im angestrebten Maße gelingen und den erwünsch- jetzt unvermeidliche Nebenfolgen für die wirtschaftliche und psy- ten Effekt haben wird. Daher muss zugleich darüber nachgedacht chosoziale Lage, und bei besonders vulnerablen Personengruppen werden, in welchem Ausmaß und wie lange die Gesellschaft er- auch für deren gesundheitliche Situation. hebliche Einschränkungen ihres Alltagslebens verkraften kann. Der ethische Kernkonflikt besteht in Folgendem: Ein dau- Zu klären ist, welche Maßnahmen in welchem Umfang und von erhaft hochwertiges, leistungsfähiges Gesundheitssystem muss welcher Dauer aus sozialer (rechtlicher, ökonomischer, politi- gesichert und zugleich müssen schwerwiegende Nebenfolgen scher) und medizinischer Perspektive angemessen und auf län- für Bevölkerung und Gesellschaft durch die Maßnahmen abge- gere Sicht vertretbar sind. Es geht um die Frage, wie die dann wendet oder gemildert werden. Garantiert bleiben muss ferner nahezu zwangsläufig entstehenden Normkollisionen und Kon- die Stabilität des Gesellschaftssystems. Hinzu kommt, dass noch flikte aufzulösen oder wenigstens in ihren Folgen zu mildern unsicher ist, wann Impfstoffe, Medikamente, Therapien und sind. Hierzu will der Deutsche Ethikrat mit der vorliegenden Ad- Testverfahren zur Verfügung stehen werden, die eine nachhaltige hoc-Empfehlung einen Beitrag leisten. Sie konzentriert sich auf Lösung ermöglichen. zwei wesentliche Aspekte: Das erfordert eine gerechte Abwägung konkurrierender mo- Zum einen leistet sie ethische Orientierungshilfe in drama- ralischer Güter, die auch Grundprinzipien von Solidarität und tischen Handlungs- und Entscheidungssituationen, vor allem Verantwortung einbezieht. Eine besondere Spannung ergibt sich solchen der sogenannten Triage. Hierzu werden basale Hand- hierbei aus der unterschiedlichen primären Risikoverteilung: lungsgebote und -verbote dargestellt. Zudem wird das Verhältnis Einerseits ist nach heutigem Wissensstand bei vielen (vor allem dieser normativen Vorgaben zu konkreteren, in der ärztlichen Jüngeren) nur ein relativ milder Krankheitsverlauf zu erwarten; Selbstregulierung entwickelten Regeln untersucht. Kinder scheinen sogar kaum gefährdet. Andererseits besteht für Zum anderen werden Kriterien und Verfahrensmaßgaben bestimmte Risikogruppen (z. B. ältere Personen, Menschen mit skizziert, wann und in welcher Weise von der gegenwärtig domi- Begleiterkrankungen bzw. chronisch Kranke) ein deutlich erhöh- nierenden Eskalations- auf eine Renormalisierungsstrategie zur tes Mortalitätsrisiko. Reduktion der Beschränkungen umgestellt werden kann. Renor- Mit Blick auf die Spezifika des neuen Erregers, die Risikover- malisierung bedeutet dabei nicht Rückkehr zur Normalität, ist teilung und die zu erwartenden Belastungen des Gesundheits- also keineswegs mit einer Rückkehr zum status quo ante oder ei- und insbesondere des Krankenhaussystems erscheint eine Stra- ner vollständigen Beseitigung der Gefahrensituation gleichzuset- tegie des „Laufenlassens“ unverantwortlich, die in der Hoffnung, zen. Vielmehr geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen die Epidemie werde zum Stillstand kommen, sobald genügend von einem wieder akzeptablen Risikolevel als zwar notwendig Personen die Infektion überstanden hätten (Gemeinschafts- unbestimmtem, aber gleichwohl gesellschaftlich nachvollziehba- schutz, auch „Herdenimmunität“), allein auf die rasche Verbrei- rem „allgemeinen Lebensrisiko“ ausgegangen werden kann. Ein tung des Virus setzte. Anders zu beurteilen ist möglicherweise solches Vorgehen setzt sinnvollerweise auf klare zeitliche und ein Vorgehen, das eine solche Strategie mit einem weitreichen- sachliche Etappenziele, um gegenüber der jetzigen Beschrän- den abschirmenden Schutz vulnerabler Gruppen verbindet. Aber kungsstrategie Öffnungsperspektiven zu bieten. auch dabei ist zu bedenken, dass es gleichwohl zu einer Überlas- Insgesamt geht es in dieser Ad-hoc-Empfehlung darum, Po- tung des Gesundheitssystems mit Gefahren für Leib und Leben litik und Gesellschaft dafür zu sensibilisieren, die dargelegten aller kommen kann. Konfliktszenarien auch als normative Probleme zu verstehen. Aus ethischer Sicht sind – ungeachtet der hier nicht zu erörtern- Deshalb können und dürfen die anstehenden Entscheidungen den, durchaus strittigen Frage, ob hinreichende verfassungs- und nicht allein auf (natur-)wissenschaftlicher Basis erfolgen. Es wäre
SEITE 3 nicht nur eine Überforderung der Wissenschaft, wollte man von Konstellationen gibt es keine rechtlich und ethisch umfassend ihr eindeutige Handlungsanweisungen für das politische System befriedigende Lösung. Die Frage, wer aus welchen Gründen eine verlangen. Es widerspräche auch dem Grundgedanken demokra- knappe Ressource erhält und wem sie verweigert wird, berührt tischer Legitimation, würden politische Entscheidungen umfas- zentrale Grundrechte der Betroffenen und wirft fundamentale send an die Wissenschaft delegiert. Wissenschaftliche Beratung Probleme der Verteilungsgerechtigkeit auf. Zur gegenwärtigen der Politik ist wichtig, sie kann und darf diese aber nicht ersetzen. Krise gibt es bislang nur wenige konkrete Richtlinien für den Denn wissenschaftliche Erkenntnisse geben keine hinreichende Ernstfall. Die dazu jüngst in verschiedenen Ländern erarbeiteten Auskunft über die Art und Weise ihrer Anwendung. Das ist eine Dokumente, darunter auch eine Stellungnahme sieben deutscher gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die im rechtlichen Rahmen von medizinischer Fachgesellschaften (siehe Link am Textende), ge- der demokratisch verantwortlichen Politik wahrzunehmen ist. hen über theoretische Analysen hinaus und schlagen praktische Handlungskorridore, Priorisierungsalgorithmen und Entschei- dungshilfen vor. In diesen spiegeln sich die angedeuteten ethi- 3 Bewältigung dilemmatischer schen und gerechtigkeitstheoretischen Probleme. Entscheidungssituationen In Situationen katastrophaler Knappheit, wie sie für die ge- genwärtige Lage auch in Deutschland nicht auszuschließen sind, Möglicherweise lässt sich mittels der bereits beschlossenen Maß- erfährt die Grundorientierung ärztlichen Bemühens eine not- nahmen (Hygiene, körperliche Distanz etc.) die Anzahl der Neu- wendige Erweiterung: von der ausschließlichen Konzentration infektionen so weit reduzieren, dass insbesondere schwere Fälle, auf das Wohl jedes einzelnen Patienten hin zur Berücksichtigung die intensivmedizinische Behandlung erfordern, für das Gesund- bestimmter Notwendigkeiten auch der öffentlichen Gesundheits- heitssystem handhabbar bleiben. Das würde es ermöglichen, in fürsorge unter den Bedingungen akuter Lebensgefahr für eine nicht allzu ferner Zukunft die Strategie körperlicher Distanz stu- unabsehbar große Zahl weiterer, schwer und gleichartig Erkrank- fenweise und kontrolliert abzubauen – zwar unter Inkaufnahme ter. Diese Öffnung des ärztlichen Pflichtenkreises kann zu Kol- vermehrter Ansteckungen, damit aber auch mit einer Steigerung lisionen zwischen fundamentalen Maßgaben der Ethik und des des Gemeinschaftsschutzes. Hierfür sollen die unten (unter 4.) Rechts führen. Im ernstesten Fall können sich diese als nahezu angestellten Überlegungen Handreichung bieten. unlösbare Dilemmata erweisen. Keineswegs fernliegend erscheint angesichts der Dynamik der Verbindlicher Rahmen auch für die ärztliche Ethik sind Entwicklung allerdings das Alternativszenario, dass sich die vor- fundamentale Vorgaben der Verfassung: Die Garantie der Men- handenen und selbst potenziell weitere, noch eingriffsintensivere schenwürde fordert eine egalitäre Basisgleichheit und statuiert Maßnahmen auch dann als nicht ausreichend erweisen, wenn damit einen entsprechenden basalen Diskriminierungsschutz parallel die Kapazitäten der Intensivmedizin ausgebaut werden. aller. Für den Staat als unmittelbaren Adressaten der Grundrech- Zwar werden in Deutschland gegenwärtig große Anstrengun- te gilt darüber hinaus der Grundsatz der Lebenswertindifferenz: gen unternommen, diese Kapazitäten aufzustocken. Dennoch Be- oder gar Abwertungen des menschlichen Lebens sind ihm erscheint auch hierzulande eine Situation möglich, in der nicht untersagt. Jede unmittelbare oder mittelbare staatliche Unter- mehr ausreichend intensivmedizinische Ressourcen für alle Pa- scheidung nach Wert oder Dauer des Lebens und jede damit ver- tienten zur Verfügung stehen, die entsprechender Maßnahmen bundene staatliche Vorgabe zur ungleichen Zuteilung von Über- akut bedürfen. Dann könnte das ärztliche Personal gezwungen lebenschancen und Sterbensrisiken in akuten Krisensituationen sein, ad hoc eine Triage vorzunehmen – also zu entscheiden, wel- ist unzulässig. Jedes menschliche Leben genießt den gleichen che unter den Personen, die intensivmedizinische Behandlung Schutz. Damit sind nicht nur Differenzierungen etwa aufgrund und Versorgung benötigen, Priorität und damit etwa Beatmung des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft untersagt. Auch oder eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) erhal- eine Klassifizierung anhand des Alters, der sozialen Rolle und ten und wer nachrangig behandelt würde. ihrer angenommenen „Wertigkeit“ oder einer prognostizierten Das zwingt zur Auseinandersetzung mit den normativen Lebensdauer muss seitens des Staates unterbleiben. Grundvorgaben, die für solche Bedingungen echter Knappheit in Diese Vorgaben widerstreiten einem rein utilitaristischen der (intensiv-)medizinischen Versorgung gelten. In einem zwei- Modus des Abwägens im Sinne einer bloßen Maximierung von ten Schritt sind diese Anforderungen mit den Vorgaben abzuglei- Menschenleben oder Lebensjahren. Stattdessen geht es um die chen, die aktuell im Bereich der Medizin entwickelt werden. Garantie fundamentaler Prinzipien des Rechts durch den Staat. Insoweit ist angesichts drohender Dilemmata in möglichen Tria- a) Grundvorgaben ge-Situationen zunächst das normative Grundprinzip aller hier- In Situationen, in denen der dringende Bedarf an lebenser- für orientierenden Maßgaben festzuhalten: Selbstverständlich ist haltenden medizinischen Ressourcen nicht für alle gedeckt alles Zulässige zu unternehmen, um so viele Menschenleben wie werden kann, die ihrer akut bedürfen, sind tragische Entschei- möglich zu retten. Doch dürfen die dafür erforderlichen Maß- dungen über Leben und Tod zu treffen. Für manche dieser nahmen den Rahmen verfassungsrechtlich zwingender Gebote
SEITE 4 nicht überschreiten. Auch persönliche ethische Überzeugungen, tragischen Unmöglichkeit vor dem krankheitsbedingten die etwa eine reine Ergebnisorientierung und mit ihr die unbe- Sterben nicht gerettet. Hier gilt der Grundsatz, dass niemand dingte Maximierung der Zahl geretteter Menschenleben fordern zu Unmöglichem verpflichtet sein kann. Das Recht bietet für mögen, können ein Handeln, das die skizzierten Grenzen des diese Entscheidung keine positiven Auswahlkriterien. Sicher- Verfassungsrechts überschritte, nicht rechtfertigen. gestellt werden muss jedoch, dass unfaire Einflüsse bei der Der Staat darf menschliches Leben nicht bewerten, und des- Entscheidung nach aller Möglichkeit ausgeschlossen werden, halb auch nicht vorschreiben, welches Leben in einer Konfliktsi- etwa solche im Hinblick auf sozialen Status, Herkunft, Alter, tuation vorrangig zu retten ist. Selbst in Ausnahmezeiten eines Behinderung usw. Aus ethischer Sicht sollte die Entscheidung flächendeckenden und katastrophalen Notstands hat er nicht nur nach wohlüberlegten, begründeten, transparenten und mög- die Pflicht, möglichst viele Menschenleben zu retten, sondern lichst einheitlich angewandten Kriterien geschehen. auch und vor allem die Grundlagen der Rechtsordnung zu ga- • Triage bei Ex-post-Konkurrenz: In diesem Szenario, in dem alle rantieren. verfügbaren Beatmungsplätze belegt sind, müsste – bei für Die Möglichkeiten des Staates, abstrakt bindende Vorgaben alle Versorgten fortbestehender Indikation, deren Feststel- für die Allokation knapper Ressourcen zu machen, sind somit lung der ärztlichen Urteilskraft obliegt – die lebenserhaltende begrenzt. Die grundrechtlichen Direktiven beschreiben im We- Behandlung eines Patienten beendet werden, um mit dem da- sentlichen negativ den Bereich des nicht mehr Zulässigen. Posi- für erforderlichen medizinischen Gerät das Leben eines an- tive Orientierung für die konkrete Auswahlentscheidung in der deren zu retten. Solche Entscheidungen sind erheblich prob- Klinik bieten sie dagegen kaum. Das bedeutet nicht, dass keine lematischer. Hier können Grenzsituationen entstehen, die für handlungsleitenden Vorgaben konzipierbar wären. Aus dem das behandelnde Personal seelisch kaum zu bewältigen sind. Verbot einer eigenen staatlichen Bewertung folgt nicht, dass ent- Wer in einer solchen Lage eine Gewissensentscheidung trifft, sprechende Entscheidungen nicht akzeptiert werden können. Es die ethisch begründbar ist und transparenten – etwa von me- ist daher sinnvoll, unterschiedliche Ebenen normativer Konkreti- dizinischen Fachgesellschaften aufgestellten – Kriterien folgt, sierung zu verbinden. Das verweist auf die Funktion zum Beispiel kann im Fall einer möglichen (straf-)rechtlichen Aufarbei- der Fachgesellschaften, die im Rahmen der vorgenannten Grund- tung des Geschehens mit einer entschuldigenden Nachsicht vorgaben wichtige Orientierungshilfen geben können und soll- der Rechtsordnung rechnen. Objektiv rechtens ist das aktive ten, welche inhaltlich über das hinausgehen, was staatlicherseits Beenden einer laufenden, weiterhin indizierten Behandlung zulässig wäre. zum Zweck der Rettung eines Dritten jedoch nicht. Hier Die damit hervorgehobene Primärverantwortung der Medi- muss an den oben formulierten prinzipiellen Imperativ er- zin für einzelne Entscheidungen und deren Umsetzung folgt aus innert werden: Auch in Katastrophenzeiten hat der Staat die den erwähnten Grenzen des staatlich Normierbaren, die dem Fundamente der Rechtsordnung zu sichern. Weniger noch Verfassungsrecht geschuldet sind. Doch sollte diese Verantwor- als selbst zahlreiche tragische Entscheidungen in Lebens- und tung keinesfalls nur „am Krankenbett“, also im Rahmen der in- Sterbensnotfällen könnten Staat und Gesellschaft eine Erosi- dividuellen Arzt-Patienten-Beziehung, wahrgenommen werden. on dieser Fundamente ertragen. Schon aus Gründen der Gleichbehandlung, aber auch um der all- gemeinen Akzeptanz willen bedarf es vielmehr weithin einheit- licher Handlungsmaximen für den klinischen Ernstfall. In der 4 Legitimitätsvoraussetzungen und Reaktion auf die aktuelle Krise sind, wie angedeutet, erste Emp- negative Auswirkungen des weitgehenden fehlungen medizinischer Fachgesellschaften erschienen. gesellschaftlichen Lockdowns b) Ethische Konflikte im Einzelfall Wie lange die teilweise gerade erst in Kraft gesetzten Maßnahmen In Notlagen, in denen weniger Beatmungsplätze vorhanden sind zur Beschränkung der Pandemie aufrechterhalten bleiben sollen, als akut gebraucht würden, sind zwei Grundszenarien zu unter- ist derzeit weder entschieden noch entscheidbar. Nach jüngs- scheiden: ten öffentlichen Auskünften von Virologen und Epidemiologen • Triage bei Ex-ante-Konkurrenz: Damit sind Fälle bezeichnet, könnte die Pandemie in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit er- in denen die Zahl der unbesetzten Beatmungsplätze kleiner forderlicher Medikamente und Impfstoffe noch ein bis zwei Jahre ist als die Zahl der Patienten, die ihrer akut bedürfen. Die hier dauern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie lange unausweichlichen Entscheidungen sind normativ weniger die Maßnahmen zur zeitlichen Verzögerung des pandemischen problematisch, wenngleich auch sie für die entscheidenden Verlaufs und dabei insbesondere die zur Reduktion körperlicher Personen mit schweren seelischen Belastungen verbunden Kontakte gerechtfertigt sind. Die Rechtfertigung dieser Maßnah- sind. Patienten, denen danach die Behandlung vorenthalten men des Lockdowns bedarf von deren Einführung an und für wird, werden von den medizinischen Entscheidern nicht jeden Zeitpunkt ihrer Dauer einer überaus komplexen Güterab- etwa durch Unterlassen „getötet“, sondern aus Gründen einer wägung unter den Bedingungen von Unsicherheit.
SEITE 5 a) Ausgangspunkt: Strategieentscheidungen im ethischen dass Angehörige von Hochrisikogruppen für sich zu entschei- Korridor von Solidarität und Verantwortung den geneigt sind, von besonderen Schutzstrategien zugunsten Der ethische Grundkonflikt erfordert die Abwägung des erhoff- anderer Optionen abzusehen. Eigenverantwortung ist immer ten Nutzens einer Strategie körperlicher Distanz für die dauer- relational. In diesem Rahmen des Relationalen müssen auch Per- haft belastbare Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems mit sonen jener wachsenden Gruppe ihre Entscheidungen abwägen, den befürchteten oder unmittelbaren Schäden für die politische, die die Infektion und Erkrankung überstanden haben und nach soziale, wirtschaftliche und kulturelle Lebenslage derjenigen derzeitigem Stand der Wissenschaft zumindest vorerst weder für Personen oder Personengruppen, die von dieser Strategie un- andere ansteckend noch selbst re-infektionsgefährdet sind. Un- mittelbar oder mittelbar betroffen sind. Solche Abwägungen, die abhängig davon, ob dies staatlicherseits verordnet werden kann, immer auch Nützlichkeitserwägungen einschließen, sind ethisch ist es Ausdruck solidarischer Eigenverantwortung derjenigen, die einerseits unabdingbar, andererseits nur insofern zulässig, als sie nach einer Infektion immun sind, die wiedererlangte Freiheit und keine Grund- und Menschenrechte oder weitere fundamentale Handlungsmöglichkeit im Sinne der Solidargemeinschaft auch Güter auf Dauer aushöhlen oder sogar zerstören. Auch der ge- für die Überwindung dieser schweren Krise einzusetzen. Dies botene Schutz menschlichen Lebens gilt nicht absolut. Ihm dür- birgt zugleich die Chance, das gesellschaftliche Miteinander auch fen nicht alle anderen Freiheits- und Partizipationsrechte sowie mit langfristiger Wirkung zu stärken. Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrechte bedingungslos nach- bzw. Über solidarische Eigenverantwortung hinaus darf der Staat untergeordnet werden. Ein allgemeines Lebensrisiko ist von je- auch Risikofestlegungen und Verantwortungszuweisungen vor- dem zu akzeptieren. nehmen, um die elementaren Funktionsbedingungen des ge- sellschaftlichen Lebens zu sichern. Dazu gehört die Einbindung aa) Solidaritätskonflikte unterschiedlicher Akteure (Einzelpersonen, Gruppen, Verbände Gerade in diesen Tagen der Krise zeigt sich, wie groß die Soli- des öffentlichen Lebens, staatliche Institutionen) im Rahmen ei- daritätsressourcen in unserem Lande sind. Solidarität bedeutet ner Multiakteursverantwortung. In den Grenzen der Verfassung die Bereitschaft zu prosozialen Handlungen auf der Grundlage darf der Staat auch über das Maß des vom Einzelnen und der Ge- relevanter Gemeinsamkeit, die der solidarbereiten Person etwas sellschaft hinzunehmenden Risikos entscheiden. Schon jetzt be- abverlangen. Sie besteht weder automatisch noch unbegrenzt. darf es einer breitangelegten öffentlichen Diskussion, um aus der Mag der Impuls zur solidarischen Hilfsbereitschaft am Anfang gegenwärtigen Krise zu lernen und entsprechende Konsequenzen von jenem elementarmenschlichen Mitgefühl ausgehen, das zu ziehen. nahezu jede Person angesichts schwerer Bedrohungen anderer empfindet, so muss solches Mitempfinden immer noch übersetzt b) Voraussetzungen und Folgen eines strukturierten werden in konkretes Handeln. Solidarität hängt von verschie- Renormalisierungsprozesses denen Faktoren ab: Es muss ein Grundgefühl von Zusammen- Viele Stellungnahmen zum Thema konzentrieren sich derzeit auf gehörigkeit oder wenigstens gemeinsamer Betroffenheit in einer die Frage der Legalität und moralischen Legitimität der aktuellen Gefährdungssituation bestehen. Es müssen den Solidarbereiten Maßnahmen. Diese berechtigte Frage nach dem „Wie weit?“ ist ausreichende materielle oder immaterielle Mittel zur Verfügung indes um die mittel- und langfristig bedeutsamere Frage zu er- stehen, ihren Wunsch zur Hilfe auch in die Tat umzusetzen. Die gänzen, unter welchen Voraussetzungen ein gesellschaftlich erör- solidarisch handelnden Personen müssen unter Umständen so- terter und möglichst breit konsentierter Wechsel vom Lockdown gar bereit sein, in zumutbaren Grenzen sich selbst zu gefährden. zur Wiederaufnahme des „Normalbetriebs“ erfolgen kann. Über Dies geschieht allerdings regelmäßig in der Erwartung, Nutzen das grundlegende Ziel hinaus, die Infektionsrate zu reduzieren, und Lasten würden jedenfalls auf lange Sicht fair und gerecht geht es schon jetzt darum zu überlegen, wie eine geordnete Rück- verteilt. Alle an solidarischen Praxisformen beteiligten Personen kehr zu einem einigermaßen „normalen“ gesellschaftlichen und sollten sich fragen, welche Einbußen und Kosten man wem mit privaten Leben sowie zu regulären wirtschaftlichen Aktivitäten Gründen ansinnen darf – im aktuellen Fall also etwa, wem welche erfolgen kann, um die ökonomischen, kulturellen, politischen Einbußen in der politischen, sozialen, wirtschaftlichen oder kul- und psychosozialen Schäden möglichst gering zu halten. turellen Lebensweise zugemutet werden dürfen. Dabei kommt der Bereitschaft, die Maßnahmen des Lock- downs im Sinne einer gemeinschaftsstiftenden Solidarität zu ak- bb) Verantwortungszuweisung und Risikoakzeptanz zeptieren, besondere Bedeutung zu. Sie ist im wesentlichen Um- Entsprechende Entscheidungen müssen zunächst von jeder fang abhängig von zwei Faktoren: einzelnen Person getroffen werden. In den Gestaltungsbereich • Der permanenten Kontrolle von Erforderlichkeit und An- dieser höchstpersönlichen Eigenverantwortung gehört auch das gemessenheit der ergriffenen Maßnahmen. Das Verhältnis- Bewusstsein, dass die eigenen Entscheidungen und die eigene Le- mäßigkeitsprinzip verlangt insoweit auch, und in der gegen- bensführung immer Konsequenzen auf die Entscheidungen und wärtigen Situation im besonderen Maße, ein Einbeziehen der die Lebensführung anderer zeitigen. Das gilt etwa für den Fall, Zeitdimension.
SEITE 6 • Damit eng verknüpft ist das Postulat, der Öffentlichkeit zu Arbeitsverhältnissen, ihre Arbeit. Neben absehbaren Wohl- erläutern, wie und unter welchen Voraussetzungen Wege zu- standsverlusten für jedermann durch eine drohende weltwei- rück in einen Zustand der „Normalität“ beschritten werden te Rezession sind außerdem Probleme der Versorgung mit können. Gütern des täglichen Bedarfs und die Sicherung der Kapazi- Beide Faktoren lassen sich zusammenführen im Begriff der Öff- täten und des Know-hows in der Produktion zu bedenken. nungsperspektiven. In normativer Hinsicht wird damit zum Nicht zuletzt hängen die unmittelbare Versorgung medizi- Ausdruck gebracht, dass jede Grundrechtseinschränkung zu je- nischer Einrichtungen mit der für die klinische Behandlung dem Zeitpunkt rechtfertigungsbedürftig ist. Sozialpsychologisch notwendigen Ausrüstung und die Sicherung gebotener Hygi- ermöglicht die Öffnungsperspektive, dass die von ihr projizierte enestandards von funktionierenden Versorgungsstrukturen zeitliche Begrenzung die Akzeptanz der Freiheitsbeschränkungen ab. Vor allem zu befürchten ist aber ein Zusammenbruch in der Ist-Situation erhöhen kann. Umgekehrt gilt: Ungewissheit des marktwirtschaftlichen Gesamtsystems, wenn in Deutsch- über das Ende solcher Maßnahmen führt mit zunehmender Dau- land zu viele Unternehmen der mittelständischen Industrie er zur Entsolidarisierung und Demotivation. Zu betonen ist, dass aufgrund naturgemäß meist geringer Kapitalreserven Insol- die genannten sozialpsychologischen Aspekte durchaus auch venz anmelden müssen. Dabei genügt es aus strukturellen Einfluss haben auf die normative Bewertung der Angemessenheit Gründen nicht, solche Insolvenzen zu verhindern; vielmehr bzw. Zumutbarkeit von Freiheitsbeschränkungen. sollte es auch darum gehen, das operative Geschäft wieder zu Systemgefährdungen durch die Beschränkungen lassen sich ermöglichen. Dies ist nur erreichbar, wenn die komplex ver- in nahezu allen gesellschaftlichen Teilsystemen prognostizieren: netzte Interaktion von Produzenten untereinander und mit In der Wissenschaft etwa, wenn weder die Forschungsinfrastruk- den Konsumenten im Rahmen der Rechtsordnung wieder turen aufrecht erhalten werden können noch der fachliche Aus- hinreichend in Gang kommen kann und ein jedenfalls teil- tausch im erforderlichen Maß gepflegt werden kann. Auch das weise normalisiertes Konsumverhalten wieder möglich wird. Bildungssystem wird seiner gesamtgesellschaftlich bedeutsamen • Elementare Bedingungen demokratischer Kultur: Auf länge- Funktion nicht mehr gerecht. Sport und Kultur sind erheblich re Sicht ist es selbst für eine gefestigte Demokratie problema- beeinträchtigt. Von besonderer Bedeutung sind darüber hinaus: tisch, in einem Zustand zu verharren, in dem insbesondere • Sozialpsychologische Folgen: Der Lockdown zielt darauf ab, die gerade als Korrektiv und Impulsgeber für die demokrati- den Anstieg der Infektionen zu bremsen, um eine Überforde- schen Prozesse gedachten Grundrechtsgarantien weitgehend rung der Gesundheitsversorgung zu verhindern. Zur Rettung außer Kraft gesetzt sind, oder wenn etwa Wahlen verschoben des Lebens schwer Erkrankter ist dies notwendig. Aber auch werden oder auf Briefwahl gesetzt wird. Für den Rechtsstaat erwartete Nebenwirkungen bedrohen die Gesundheit, mög- ist es zudem elementar wichtig, nicht in ein Denken in Kate- licherweise sogar das Leben insbesondere solcher Personen, gorien des Ausnahmezustands zu verfallen. die vulnerablen Gruppen angehören. Dazu gehören: Diese Überlegungen zu den Nebenfolgen des Lockdowns müssen -- Patienten, deren medizinische Behandlung als derzeit ergänzt werden durch Kriterien, die politische Entscheidungen nicht zwingend notwendig ausgesetzt wird, über die Fortsetzung, Lockerung oder Beendigung der Strategie -- Personen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, der sozialen Distanzierung anleiten können. Dafür lassen sich zu- der Behindertenhilfe, der Sozialpsychiatrie und in Pflege- nächst drei Konstellationen unterscheiden: heimen, denen Besuche weitgehend vorenthalten und für I Die Strategie ist insoweit erfolgreich, als eine Überlastung die nahezu sämtliche Freizeit-, Arbeits-, Bildungs- und des Gesundheitssystems vermieden werden kann und andere Therapie-Angebote eingestellt werden, gesundheitliche, wirtschaftliche und politische Schäden nicht -- Frauen und Kinder, die von häuslicher, durch sozialen überwiegen. Eine solche Situation ist erreicht, wenn die Zahl Stress induzierter Gewalt bedroht sind, der Menschen, die eine infektiöse Person ansteckt, statistisch -- Personen, denen Vereinsamung droht. betrachtet dauerhaft unter eins liegt. Wenn und soweit dieser • Ökonomische Folgen: Die Krise macht, worauf von verschie- Zustand erreicht wird, ist der schrittweise und epidemiolo- dener Seite zu Recht hingewiesen wird, nicht nur deutlich, gisch evaluierte Abbau der Restriktionen nicht nur möglich, dass in solchen Fällen mehr als lediglich ein handlungsfähi- sondern geboten. ger Staat, nämlich mittel- bis langfristig auch eine funktio- II Die Strategie führt innerhalb eines gesetzten Zeitraums nierende Marktwirtschaft für die Bewältigung der Situation – dessen Länge zu bemessen wäre nach der unsicheren epi- gebraucht wird. In bestimmten Branchen – etwa der Hotel- demiologischen Prognose, wann die ergriffenen Maßnahmen lerie, dem Gastgewerbe, dem Kulturbereich – wird gegen- Wirkung zeigen sollten – nicht zu dem gewünschten Erfolg wärtig die wirtschaftliche Existenz vor allem von Kleinunter- der Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitssystems, nehmern und Selbstständigen gefährdet, die für ihr tägliches oder es überwiegen andere gesundheitliche, wirtschaftliche Auskommen auf regelmäßige Einnahmen angewiesen sind. und psychosoziale Schäden. In dieser Situation endet die Le- Zugleich verlieren viele Menschen, gerade auch in prekären gitimität der Strategie.
SEITE 7 III Es gibt die begründete Hoffnung, dass die Fortsetzung der Verläufen von Covid-19 etc., weitere Modellentwicklung, um Strategie über einen definierten Zeitraum dazu führt, dass Effektivität von Interventionen abschätzen zu können. der bereits eingetretene Zustand der Überlastung des Ge- • Breite Förderung/Unterstützung von Forschung zu Impfstof- sundheitssystems revidiert wird. Auch in einer solchen Situ- fen und Therapeutika sowie Vorbereitung von Förderstruk- ation sind zumindest Lockerungen des Restriktionsregimes turen für deren massenhafte Produktion und Einführung. angezeigt. Kollidierende Interessen gewinnen zunehmend an • Unterstützung von interdisziplinärer Forschung unter ande- Gewicht. rem zu sozialen und psychischen Folgen der Covid-19-Pan- Soweit man diese Interessen überhaupt für einen bestimmten demie, einschließlich zukünftiger Risikowahrnehmungen. Zeitraum (Konstellation I) als nachrangig einzustufen bereit ist, • Kontinuierliche Re-Evaluation von freiheitsbeschränkenden dürften sie sich jetzt als starke Gründe für die Durchbrechung der Maßnahmen; wo vertretbar, deren schrittweise Zurücknah- Strategie erweisen. Entsprechende Überlegungen gelten für die me und eine Wiederaufnahme sozialer und ökonomischer Berücksichtigung ökonomischer Folgeerwägungen. Die absehba- Aktivität. re weltweite Rezession, der massive Rückgang des Bruttoinland- • Entwicklung von effektiven und erträglichen Schutz-/Isolati- produkts und die damit verbundenen Belastungen der öffentli- onsstrategien für Risikogruppen (Vorerkrankte, ältere Men- chen Haushalte lassen sich nämlich mit quantitativen Kennziffern schen) und in bestimmten Institutionen (etwa Einrichtungen nicht hinreichend erfassen. Sie haben, wie die skizzenhafte Zu- der Alten- und Langzeitpflege). sammenstellung deutlich gemacht hat, Auswirkungen auf exis- • Insbesondere für jüngere Hochrisikogruppen ist zu beach- tenzielle Funktionsbedingungen eines Gemeinwesens, dessen ten, dass eine wirksame Selbstisolation die Möglichkeit zur sozialstaatliche Solidarität auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (präventiven) Krankschreibung oder zur sonstigen Freistel- angewiesen ist. lung der jeweils Betroffenen und ihrer Haushaltsangehörigen Solche und ähnliche Überlegungen bedürfen der ernsthaften zwingend voraussetzt. gesellschaftlichen Debatte auch schon in Zeiten der Krise. Dabei • Fundierte Informationsstrategie: Transparente und regelmä- wird auch zu erörtern sein, welche Lebensrisiken eine Gesellschaft ßige Kommunikation über die ergriffenen Maßnahmen und als akzeptabel einzustufen gewillt ist und welche nicht. Die in den zur politischen Entscheidungsfindung im Zusammenhang kommenden Monaten erforderliche Bestandsaufnahme und Eva- mit hochinfektiösen Erkrankungen. luation wird dabei auch den rechtlichen Ordnungsrahmen ein- • Konkrete Berechnungen der zu erwartenden Kosten durch gehend zu analysieren haben – nicht zuletzt mit kritischem Blick ergriffene Maßnahmen und Alternativszenarien. auf die neuetablierten Eingriffsbefugnisse. Krisen, so heißt es oft, seien die „Stunde der Exekutive“. Das greift zu kurz. Gerade in der Krise ist auf das Zusammenwirken des ge- c) Mögliche Elemente des Vorgehens waltengegliederten und zudem föderal differenzierten Staates mit Wesentlicher Orientierungspunkt für das Vorgehen in der kom- der Vielfalt gesellschaftlicher und namentlich wissenschaftlicher menden Zeit ist die weitgehende Vermeidung der beschriebenen Stimmen zu setzen. Die aktuell zu klärenden Fragen berühren die Triage-Situationen. Zugleich sollten ergriffene Maßnahmen in gesamte Gesellschaft; sie dürfen nicht an einzelne Personen oder einem dynamischen Prozess regelmäßig re-evaluiert werden, um Institutionen delegiert werden. Gerade schmerzhafte Entschei- Belastungen und Folgeschäden so gering wie möglich zu halten. dungen müssen von den Organen getroffen werden, die hierfür Und schließlich sollten parallel Anstrengungen unternommen durch das Volk mandatiert sind und dementsprechend auch in werden, langfristige Lösungen möglichst bald verfügbar zu ma- politischer Verantwortung stehen. Die Corona-Krise ist die Stun- chen. Im Folgenden wird daher, ohne eine Priorisierung andeu- de der demokratisch legimitierten Politik. ten zu wollen, eine Reihe von Vorgehensweisen und Maßnahmen empfohlen, die in der nächsten Zeit im Vordergrund stehen soll- ten: • Stärkung und Stabilisierung der Kapazitäten des Gesund- heitswesens insbesondere der Pflege, Einführung eines flä- chendeckenden Systems zur Erfassung und optimierten Nut- zung von Intensivkapazitäten. • Bessere Vernetzung der Akteure im Gesundheitssystem und mit anderen relevanten Gesellschaftsbereichen. • Weiterer Ausbau der Testkapazitäten zur Diagnostik und zum Nachweis von (vorläufiger) Immunität (serologisch, derzeit in Entwicklung). Die Akademie für Ethik in der Medizin pflegt eine laufend aktuali- sierte Liste mit „Empfehlungen und Materialien zu ethischen Fra- • Weitere kontinuierliche Datensammlung zu individuel- gen der Patientenversorgung angesichts der COVID-19-Pandemie“: ler und Gruppenimmunität, (Gemeinschaftsschutz), zu https://www.aem-online.de/index.php?id=163 [26.03.2020].
MITGLIEDER DES GESCHÄFTSSTELLE DEUTSCHEN ETHIKRATES Dr. rer. nat. Joachim Vetter (Leiter) Carola Böhm Prof. Dr. theol. Peter Dabrock (Vorsitzender) Ulrike Florian Prof. Dr. med. Katrin Amunts Dr. phil. Thorsten Galert (Stellvertretende Vorsitzende) Steffen Hering Prof. Dr. iur. Dr. h. c. Volker Lipp Petra Hohmann (Stellvertretender Vorsitzender) Torsten Kulick Prof. Dr. med. Claudia Wiesemann Dr. Nora Schultz (Stellvertretende Vorsitzende) Dr. phil. Stephanie Siewert Constanze Angerer Prof. Dr. iur. Steffen Augsberg Prof. Dr. theol. Franz-Josef Bormann Prof. Dr. med. Alena M. Buyx KONTAKT Prof. em. Dr. iur. Dr. h. c. Dagmar Coester-Waltjen Dr. med. Christiane Fischer Prof. em. Dr. phil. habil. Dr. phil. h. c. lic. phil. Carl Deutscher Ethikrat Friedrich Gethmann Geschäftsstelle Prof. Dr. theol. Elisabeth Gräb-Schmidt Jägerstraße 22/23 Prof. Dr. rer. nat. Dr. phil. Sigrid Graumann D-10117 Berlin Prof. Dr. med. Wolfram Henn Telefon: : +49 30 20370-242 Prof. Dr. iur. Wolfram Höfling Fax: +49 30 20370-252 Prof. Dr. (TR) Dr. phil. et med. habil. Ilhan Ilkilic E-Mail: kontakt@ethikrat.org Prof. Dr. rer. nat. Ursula Klingmüller Stephan Kruip Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Dipl.-Psych. Andreas Kruse Prof. Dr. phil. Adelheid Kuhlmey Prof. Dr. med. Leo Latasch Prof. Dr. theol. Andreas Lob-Hüdepohl © 2020 Deutscher Ethikrat, Berlin Prof. em. Dr. iur. Reinhard Merkel Alle Rechte vorbehalten. Prof. Dr. phil. Judith Simon Eine Abdruckgenehmigung wird auf Anfrage gern Prof. Dr. med. Elisabeth Steinhagen-Thiessen erteilt. Dr. phil. Petra Thorn Layout: Torsten Kulick
Sie können auch lesen