DGKTJournal der Deutschen Gesellschaft - für künstlerische Therapieformen e.V.
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DGKT Journal der Deutschen Gesellschaft für künstlerische Therapieformen e.V. 01.2020 Georg Franzen Brigitte Michels Karl-Heinz Menzen Camille Claudel - Kunsttherapeutische Gedanken im Verlauf eines Eine kunstpsychologische Interventionen in schwierigen dreijährigen Arbeitsprozesses Betrachtung Prüfungssituationen Therapie mit Bildern
Inhalt Editorial 3 Camille Claudel- Eine kunstpsychologische Betrachtung 4 Georg Franzen Ich schaffe es !!! Kunsherapeusche Intervenonen in schwierigen Prüfungssituaonen 15 Brigitte Michels Gedanken im Verlauf eines dreijährigen Arbeitsprozesses - Zu einer Therapie mit Bildern 18 Karl-Heinz Menzen Im Memoriam PETER RECH 1943-2019 († 5.12.2019) 26 Karl-Heinz Menzen Veranstaltungen Online Tagung: Rezepve Kunsherapie 30 Das künstlerische Bild im Leidenszusammenhang des Patienten DGKT Mitgliederversammlung 2020 31 Tagung der DGKT in Kooperaon mit der SFU Wien 2021 31 Die Psyche als Ort der Gestaltung – Wenn Bilder zu Bewusstsein kommen Neuerscheinungen 32 Upgrading zum Master of Arts in Kunsherapie 33 Impressum 34 Titelbild: Die Meere bergen die Erde – Peter Rech
Editorial Liebe Leser*Innen, viele von uns sind ja auf Grund der Covid-19 Pandemie in den therapeutischen Berufen in den letzten Mo- naten besonders gefordert. Unsicherheiten, Ängste und sorgenvolle Prognosen scheinen oft den individu- ellen Alltag unseres Klienten*innen fest im Griff zu haben, Einsamkeit wird durch den verordneten sozialen Rückzug gesamtgesellschaftlich zu einer spürbaren Belastung. Diejenigen von uns die tagtäglich in der Klinik oder in der Praxis tätig sind, haben erlebt wie manche Therapieprozesse stagnierten oder Symptome sich wieder verstärkten. Sicherheitsabstände müssen eingehalten werden, Hygieneauflagen müssen streng be- achtet werden. Die Nähe zum Patienten, das Anleiten einer kunsttherapeutischen Übung wird immer noch durch die Hygieneauflagen bestimmt. So gibt es auf allen Ebenen neue Herausforderungen für uns Kunsttherapeuten. Derzeit befinden wir uns inmitten des Übergangs. Auch diese bringen neue und ungewohnte Herausforderung mit sich. Nach der Krise wird vieles anders sein. Wir alle wissen noch nicht genau wie sein wird, aber eines ist ganz gewiss die Kunst und die kunsttherapeutischen Verfahren werden es vielen Menschen ermöglichen das Unsagbare; das erfahrene Leid aber auch die Hoffnung gestalterisch Ausdruck zu verleihen! Dem künstlerischen Werk und dem symbolischen Bildinhalt eine eigenständige therapeutische Ressource zugewiesen, die aus sich heraus Heilkräfte aktiviert und kann dann wie ein homöopathisches Mittel Wirkkräfte entfalten (vgl. Rech 1994, S.110), die einen heilenden Prozess einleiten oder auslösen können. Peter Rech, einer der bedeutenden deutschen Kunsttherapeuten, hat die Kraft der Kunsttherapie immer wieder hervorgehoben. Er hat auch mit dazu beigetragen, dass mittlerweile fundierte und qualifizierte Aus- bildungsstandards für die Kunsttherapie vorliegen und dass die Kunsttherapeut*Innen sich in einem Dach- verband wie der DGKT organisieren und austauschen können. Wir bedauern sehr, dass wir von ihm als Menschen Abschied nehmen müssen. Seine wertvollen Gedanken und seine Verdienste werden uns erhalten bleiben. Zwei Beiträge von Karl-Heinz Menzen, Hiltrud Zierl, Rolf Schank u. Claus Richter würdigen seine Persönlichkeit und seine Verdienste. Ein Artikel „Ich schaffe es“ zur kunsttherapeutischen Praxis von Brigitte Michels und ein Beitrag zur ange- wandten Kunstpsychologie über ,Camille Claudel‘ von Georg Franzen bilden den praktisch-theoretischen Rahmen der vorliegenden Ausgabe. Hinweise auf Veranstaltungen und Neuerscheinungen finden Sie am Ende des Journals. Ich wünsche Ihnen eine informative und hilfreiche Lektüre unserer Ausgabe 2020! Georg Franzen DGKT - JOURNAL 01.2020 3
Camille Claudel- Eine kunstpsychologische Betrachtung Georg Franzen 1 Einleitung Die Kunstpsychologie ist einerseits Teilgebiet der Psychologie, dessen Aufgabe die psychologische „Wir sind immer in einem Ermatten, Analyse von Sachverhalten ist, die dem Bereich der ob wir rüstig sind oder ruhn, Kunst zugeordnet werden. Dazu gehört unter ande- aber wir haben strahlende Schatten, rem die Analyse über das Erleben und Verhalten des welche die ewigen Gesten tun.“ Künstlers, Interpreten und Kunstbetrachters. Ande- rerseits kann die Kunstpsychologie auch als ein Teil- Rainer Maria Rilke gebiet der Kunstwissenschaft verstanden werden, weil sie über die ikonographische und ikonologische Betrachtung hinaus, wichtige Beiträge zur Psycho- Es geht darum, sich auf den künstlerischen Gegen- logie des Kunstwerkes und zur psychohistorischen stand einzulassen und in der Gruppe das szenische/ Analyse liefern kann. symbolische Verstehen einzuüben. Emotional durch das Zulassen von Assoziationen am künstlerischen Einen psychohistorisch orientierten Ansatz vertritt Ausdruck teilzuhaben. der Psychoanalytiker Heinz Kohut. Für ihn spiegeln künstlerische Werke psychologische Gegebenheiten Kunstwerke sind aus tiefenpsychologischer Sicht so- der Epoche: „Dieser Hypothese zufolge spiegelt das wohl auf manifeste, bewusste Weise wie auch latent Werk des großen Künstlers die dominierenden psycho- und unbewusst organisiert. „Um den unbewussten, logischen Gegebenheiten seiner Epoche. Der Künstler latenten Inhalt zu entdecken, müssen wir herausfin- fungiert gleichsam als Stellvertreter seiner Generati- den, wie er vom manifesten Inhalt angezeigt, sym- on: nicht nur der allgemeinen Bevölkerung, sondern bolisiert und indirekt angedeutet ist (Kuhns, 1993, sogar der wissenschaftliche Erforscher der sozialpsy- 199). chologischen Szene.“ (Kohut, 1993, S. 279). • Tiefenpsychologie Vermittelt werden können bei der Betrachtung von • Ästhetik Kunstwerken folgende Wirkungsweisen: • Ikonologie • Szenisches Verstehens durch die Gruppe Bei der tiefenpsychologischen Betrachtung geht es • Symbolisches - phänomenologisches Verstehen um ein ,Sinn-Verstehen´ der unbewussten Bedeu- • Emotionale Teilhabe tung von Kunst. Dieser unbewusste Inhalt gibt dann • Inszenierung von Lebensentwürfen bei genauer Analyse Aufschlüsse über mögliche Per- • Selbstobjektbeziehungen sönlichkeitsaspekte des Künstlers und über die psy- chologisch-gesellschaftliche Situation seiner Zeit. 1 Prof. Dr. phil. habil. Georg Franzen, Psychologischer Psychotherapeut Anschrift: Bahnhofsplatz 9, D-29221 Celle, www.kunstpsychologie.de, DrGeorgFranzen@gmail.com 4 DGKT - JOURNAL 01.2020
In der ästhetischen Kategorie verlangt der Gebrauch „Da aber diese, wie jedes von der Intuition abhän- des Kunstwerks, der Gebrauch der Symbolik, Prozes- giges Verfahren, subjektiv gefärbt, also von der se des symbolischen Verstehens. Das szenische Ver- persönlichen Psychologie und Weltanschauung des stehen im Sinne Lorenzers setzt die Einbeziehung Interpreten beeinflusst ist, bedarf es hier besonders eigener Lebensentwürfe voraus und das symboli- dringend eines Korrektivs. Das hat die sogenannte sche Verstehen, die Reflektion des künstlerischen Geschichte kulturelle Symptome zu leisten.“; laut Prozesses. Panofsky ist dies die „Einsicht in die Art und Weise, wie unter wechselnden historischen Bedingungen Klaus Matthies (1988, 48) verweist darauf, dass wesentliche Tendenzen des menschlichen Geistes es in den Künsten um sinnliche Erfahrung und ih- durch Themen und Vorstellungen ausgedrückt wur- ren Ausdruck in sinnlich erfahrbaren Werken geht. den.“ (Panofsky, 1978, 48, in: P. Schmidt,1989,16). „Dass damit Einsicht in die Wirklichkeit und Zusam- menfassung von Wirklichkeitserfahrung und ‚Ent- Symbolisches Verstehen ist in der Gesamtheit mög- würfe von Erfahrungshorizonten’ vermittelt werden, lich, wenn die genannten drei Ebenen Tiefenpsy- macht die Tiefendimension des Künstlerischen aus.“ chologie, Ästhetik und Ikonologie sich vernetzen (Matthies, 1988, 48). und verzahnen, damit der manifeste und latente Sinn-Gehalt eines Kunstwerkes erschlossen werden Schließlich spricht Wilhelm Salber (1999, 39) von kann. Zugleich ist es dabei notwendig auf eine The- der „Psychästhetik“ und versteht diesen Begriff als orie der Symbole zurückgreifen zu können. ein globaler Hinweis darauf, dass hier Seelisches und Kunst zusammengebracht werden: sie verdeut- In der Definition der Neopsychoanalyse und den lichen sich gegenseitig, sie haben eine gemeinsame Konzepten der humanistischen Psychologie, steht Struktur. „Das Seelische folgt ‚ästhetischen’ Geset- das Symbol für etwas, was wir fühlen. Für Erich zen – so wie Kunst den gleichen Sinnzusammenhang Fromm (1982, 18) ist die Symbolsprache, die Spra- von Wirklichkeit voraussetzt wie das Seelische. ‚Vor- che, in der wir innere Erfahrungen so zum Ausdruck gestaltliches’, Vages, Komplexes, Verdichtetes sind bringen, als ob es sich dabei um Sinneswahrneh- nicht Mängel, sondern lebenswichtige Wirklichkei- mungen handelt, um etwas, was wir tun, oder um ten; sie sind unumgänglich, wenn wir mit der Vielfalt etwas, was uns in der Welt der Dinge widerfährt. und dem Werden von Wirklichkeit zurande kommen Hinter dem Symbol stehen vielfältige Beziehungs- wollen – wenn wir Leben gestalten wollen.“ (Salber, muster, die stets einen subjektiven-individuellen 1999, 40). biographischen Hintergrund haben. Als dritte Kategorie kommt der Begriff der „synthe- tischen Intuition“, zum Tragen, der durch Panofsky (1980, 43) definiert wurde und auch als eine psy- chologisch-philosophisch kunstwissenschaftliche Methode verstanden werden kann. Panofsky be- zeichnet die „synthetische Intuition“ als das Hand- werkszeug für die ikonologische Interpretation und umschreibt diese mit einer „Vertrautheit mit we- sentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes.“ DGKT - JOURNAL 01.2020 5
Die Flehende Oft bleibt das letzte ,Flehen´ ungehört, auch in un- serem alltäglichen Umgang miteinander, weil die Im Rahmen meiner gruppentherapeutischen Tätig- Sensibilität für den oder die andere fehlt. Die Kunst keit mit Patient*Innen einer psychiatrischen Tages- hat diese große Gabe uns diese Brüche vor Augen zu klinik lag es für mich nahe, einmal des Lebenswerk führen und zum Nachdenken anzuregen. Camille Claudels vorzustellen, da die Künstlerin selbst die letzten dreißig Jahre ihres Lebens unter Camille Claudel ist eine der großen Künstlerinnen den schwersten Bedingungen in der Psychiatrie ver- unseres Jahrhunderts. In ihren Werken vermischen brachte. Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, sich verschiedene Ebenen. Hier soll der Versuch wo die Psychiatrie in Europa von Reformen noch unternommen werden, sich ihr von einem kunstan- weit entfernt war. thropologischen Blickwinkel zu nähern. Gemeint ist ein tiefenhermeneutischer (Lorenzer 1986) Zugang Besonders angetan waren die Klient*Innen ,Die Fle- zum Werk. Unbewusste Bedeutungsinhalte zu ent- hende´ (Abb. 1). Ohne die Vorgeschichte der Künst- decken und diese aber auch mit den bereits unter- lerin zu kennen, charakterisierten sie diese als einen nommenen kunsthistorischen Untersuchungen zu ,Hilferuf´ ein ,Flehen´ in einer schweren Lebenskrise. vergleichen. Eine kunstpsychologische Deutung soll Tatsächlich charakterisiert diese Skulptur hier nicht die Künstlerin in Frage stellen, vielmehr einen großen Bruch im Leben dieser Ebenen des symbolischen Verstehens eröffnen. begabten Künstlerin. Ein letztes ,Flehen´, das ungehört blieb und zu einer psychischen Erkran- kung führte, die letztendlich zum größten Teil aus den persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Bedin- gungen resultierte, de- Hinter jedem Kunstwerk steht ein Künstlerleben, nen die Künstlerin ein komplexer Versuch, ein Ringen um Ausdruck. unterlag. All das hat bei dem bedeutenden Künstler*Innen letztendlich auch eine seismographische Funktion (Schelling, 1988, 262), die Ebenen des gesellschaft- lichen Erlebens spiegeln, ebenso wie das individuel- le Leiden an der Zeit. Abb. 1: Ohne mit dem Werk Camille Claudels groß vertraut zu sein, besuchte ich in Düsseldorf eine Ausstellung des bedeutenden französischen Bildhauers Auguste Rodin (1840-1917). Einige wenige Skulpturen schie- nen mir einen tiefen geistig-seelischen Aspekt zu vermitteln. Erst beim näheren Hinsehen entdeck- te ich den Unterschied zu den körperlich-erotisch orientierten Skulpturen Rodins: Es waren die Wer- ke seiner Schülerin und Geliebten Camille Claudel. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch die Einbeziehung eines geistig-seelischen Aspektes aus. Sie themati- 6 DGKT - JOURNAL 01.2020
siert zugleich das eigene Leiden und Erleben, der 312). Francois Lhermitte und Jean-Francois Allilaire unbewusste Bedeutungsinhalt liegt näher an der schließen aus, dass der „Fall Camille Claudel“ un- Oberfläche als bei Rodin. ter heutigen Bedingungen anders verlaufen wäre: „Wir kommen zur gleichen Schlussfolgerung: selbst Von ihrem wirklichen Talent überzeugt, versucht wenn durch einen glücklichen und unwahrschein- Camille Claudel durch eine erste Trennung Rodin zu lichen Zufall die Umstände mitgespielt hätten und entkommen, „und formt ‚eine kniende Frau mit aus- die Chance (!) eines Vertrauensverhältnisses zu ei- gestreckten Händen, schön in jeder Bewegung ihres nem Arzt und vielleicht auch die Einnahme von rein Körpers, mit nach hinten geneigten Oberkörper, das sedierenden Medikamenten genutzt worden wäre, Gesicht erhoben“, die diese Trennung verkörpert, hätte Camille, weil der Wahn mit ihr ‚durchging’, aber auch die Trauer, sich eingestehen zu müssen, sich früher oder später von allem abgeschottet. Ein- dass Rodin ihren Absolutheitsanspruch nicht erwi- halt geboten hätte ihr auch in diesem Fall nur (...) dern kann. Diese Figur wird unter dem Titel „Der die öffentliche Gewalt“ (Paris, 1987, 182). entflogene Gott oder Die Flehende 1894“ in der SNBA ausgestellt und Camille nimmt das Motiv in Camille Claudel wird 19 Jahre nach der Beendigung ihrem Meisterwerk „Das reife Alter“, einer Allegorie ihrer Skulptur „Die Flehende“ am 10. März 1913 in ihres endgültigen Bruchs mit Rodin, wieder auf“ (Ri- die Nervenheilanstalt Ville-Evrard eingeliefert. Dr. vière, 1986, 30). Maurice Ducoste diagnostiziert einen systemati- schen Verfolgungswahn. Die Einweisung erfolgt auf „In ihrer Suche nach der absoluten Liebe enttäuscht“, Veranlassung ihres Bruders Paul Claudel. Am 19. arbeitet Camille unterdessen für ihren ersten staat- September 1913 erscheint ein Artikel in einer Pro- lichen Auftrag an einer Gruppe, die später „Der Weg vinzzeitung aus der Heimat der Claudels, L‘Avenir de des Lebens“ heißen wird. Der resignierte Mann gibt L‘Aisne, der Camille Claudel als Künstlerin vorstellt der drängenden alten Frau nach, die ihn mit ihren und ihre Internierung als unrechtmäßig anklagt Armen umfängt, während die junge Frau, flehend, (Flagmeier, 1990, 65). mit ausgestreckten Armen zurückgelassen wird. Der Bruder von Camille, Paul Claudel skizziert die Situa- Die Psychiater Lhermitte und Allilaire (1987, 156) tion: „Meine Schwester Camille, flehend, erniedrigt, sprechen von einer paranoiden Psychose bei Ca- kniend, nackt! Alles zu Ende! Das hat sie uns für im- mille Claudel: „Im November 1905 wurde der psy- mer zum Betrachten hinterlassen! Und wissen Sie, chotische Zustand offenkundig. Sie berichtet Asselin was sich ihr, gerade in diesem Moment, von ihren streng vertraulich, zwei Individuen hätten versucht, Augen, entreißt, ist ihre Seele! Alles auf einmal, die ihre Fensterläden aufzubrechen, und sie habe sie Seele, das Genie, die Vernunft, die Schönheit, das identifiziert als zwei italienische Modelle Rodins, der Leben, ja selbst der Name“ (Rivière, 1986, 44). ihnen befohlen habe, sie zu töten. Für sie war die Situation klar: Sie stand Rodin im Wege; also setzte Renate Flagmeier (1988, 36) sieht jedoch die Re- er alles daran, sie beseitigen zu lassen.“ (1987, 161). zeption von Camille Claudels Werken auf der Basis „Nach außen offenkundig wurde Camilles Wahn einer persönlichen Biographie, wie ihr Bruder oder 1904. Begonnen hatte er schon früher: schon gegen R. M. Paris, die 1984 eine Monographie über Leben 1899 oder 1900 waren gewisse Anzeichen erkenn- und Werk Claudels veröffentlichte als zu einfach an, bar, aber das ist unwichtig“ (1987, 164). und sie schreibt: „Meines Erachtens wird die psy- chische Erkrankung Claudels nicht im Sinne eines Unwichtig? In der Skulptur „Die Flehende“ scheint traditionellen Künstlerbildes gewertet, sondern als mir die Krise, d. h. die Kränkung, schon angedeutet. rein biographische Problematik.“ (Flagmeier, 1989, Es fehlte die Sensibilität ihres Umfelds damit umzu- DGKT - JOURNAL 01.2020 7
gehen. Wenn noch heute von Psychiatern nur der andauern und manchmal lebenslang bestehen. Als Ausbruch einer schweren seelischen Krankheit be- diagnostische Leitlinien sind die Wahnvorstellungen deutsam ist, wenn man wie Lhermitte und Allilaire das auffälligste oder einzige klinische Charakteris- (1987, 177) psychische Erkrankungen nur persönlich tikum. Sie müssen mindestens seit 3 Monaten be- betrachtet, dann soll uns das Drama und Leiden psy- stehen, eindeutig auf die Person bezogen und nicht chisch Kranker in unserer heutigen Zeit nicht wun- subkulturell bedingt sein. dern. Viel naheliegender ist es jedoch, von einer paranoi- Die Erfahrungen der Sozialpsychiatrie lehren uns et- den Persönlichkeitsstörung zu sprechen. Menschen was anderes: es ist möglich, seelischen Krisen durch mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, so Akzeptanz und Verständnis zu begegnen, und den C. Rohde-Dachser (1991,107), tendieren zu pro- Ausbruch einer psychischen Erkrankung bestimmt jektiven Verarbeitungen vor allem im aggressiven nicht nur der Einzelne, sondern das gesellschaftlich- Bereich. Sie sind dauernd auf der Hut vor Angrif- familiäre Umfeld ist dabei in einem großen Maße fen, wobei sie dazu neigen, das Verhalten anderer beteiligt. als feindlich oder verächtlich zu missdeuten. „Der Versuch des Gegenübers, diese Wahrnehmung zu Zwei Psychiater scheinen uns Camille Claudel hier korrigieren wird in der Regel als Bestätigung der ur- vorzuführen als müssten wir trennen zwischen Kunst, sprünglichen Befürchtungen gewertet (paranoider Mensch und seelischer Erkrankung. Unabhängig von Denkstil). Fanatismus, Querulantentum, pathologi- den sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen sche Eifersucht, chronische Streitsucht und Recht- sollen wir glauben, dass Camille Claudel letztendlich haberei können das Erscheinungsbild prägen. Die Opfer ihrer persönlichen Entwicklung war. ICD-10 Klassifikation findet sich unter F 60.0 und meint eine deutliche Unausgeglichenheit in den Ein- Es steht außer Zweifel, dass Camille Claudel seelisch stellungen und im Verhalten in mehreren Funktions- erkrankte, doch die Dimension, die Diagnose, kann bereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, in ihrer Heftigkeit und in ihrem Ausmaß angezwei- Wahrnehmen und Denken sowie in Beziehungen zu felt werden. anderen. Was einhergeht mit übertriebener Emp- findsamkeit bei Rückschlägen und Zurücksetzung. Diagnose Hier liegt eine schwere Störung der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens vor, die mehrere Bei Camille Claudel wird als Krankheitsform eine Bereiche der Persönlichkeit betrifft. Sie geht meis- paranoide Psychose, d.h. wahnhafte Störung ange- tens mit persönlichen uns sozialen Beeinträchtigun- nommen. Diese Bezeichnung wird heute in der Inter- gen einher. Persönlichkeitsstörungen treten häufig nationalen Klassifikation psychischer Störungen der erstmals in der Kindheit oder in der Adoleszenz in Weltgesundheitsorganisation ICD-10 unter F20-F29 Erscheinung und manifestieren sich endgültig im Er- geführt. Dabei wird zwischen Schizophrenie, schizo- wachsenenalter (ICD 10). type und wahnhaften Störungen unterschieden. Die Frage, die sich nun im Zusammenhang mit der Dia- Dies beinhaltet jedoch auch, sich der Kränkung, die gnose des Krankheitszustandes der Künstlerin erge- Camille Claudel erlitt, von einem psychologischen ben, ist, ob es sich hier wirklich um eine paranoide Standpunkt zu nähern. Denn Kränkungen erleiden Psychose gehandelt hat. Diese Gruppe von Störun- wir alle. Die Dimension und Ausprägung sind un- gen ist charakterisiert durch die Entwicklung einer terschiedlich. Gewiss, psychische Erkrankungen einzelnen Wahnidee oder mehrerer aufeinander sollten wir aber keinesfalls als eine Ebene von Aus- bezogenen Wahninhalte, die im Allgemeinen lange grenzung, Unfähigkeit etc. begreifen. Leider wird 8 DGKT - JOURNAL 01.2020
dies allzu häufig getan, und macht das Leiden daran Psychobiografie um so schwieriger. Der Ausgrenzung von psychisch Kranken begegnen wir täglich, letztendlich scheint Wenden wir uns jetzt dem Kunstwerk nochmals zu, dies der Grund auch für Camille Claudels Isolation, dann wird deutlich, dass die Geste des ,Flehens´ den welche sie die letzten dreißig Jahre auf allen Ebenen gesamten Raum umgreift. Kniend ringt die Künstle- ihres Lebens begleiteten. rin um Verständnis, um Akzeptanz ihrer individuellen und gesellschaftlichen Situation. Eine seelische Krise Das mangelnde Verständnis für eine schwere see- scheint angedeutet. lische Kränkung und der Umgang damit, der An- gehörigen und der Gesellschaft, scheint mit einem Hinter diesem Flehen steht zunächst, die Anerken- weiteren wichtigen Aspekt, um die Tragödie der nung durch die Mutter. Nach der Biografie von An- Künstlerin zu verstehen. Die Analyse „psychisch drea Schwers (1994, S. 148) sind Pflichtgefühl und krank“ reicht schon aus, um einen gesamten Le- moralische Strenge die hauptsächlichen Charak- bensentwurf zu zertrümmern, weil der Begriff falsch terzüge der Mutter. Ihr Bruder Paul beklagt sich als verstanden wird. Erwachsener über fehlende Zärtlichkeit in der Kin- dererziehung, und Camille Claudels herzzerreißende Ein psychisch Kranker „ist ein Mensch, der bei der Briefe aus der Anstalt werden noch im hohen Alter Lösung seiner Lebensprobleme in eine Sackgasse um Verständnis und Liebe der Mutter. Für die künst- geraten ist. Diese Sackgasse nennen wir Krankheit, lerischen Ambitionen ihrer Kinder, der energischen Kränkung, Störung, Leiden oder Abweichung. Sie und aus der Rolle fallenden Camille, die schon im sind grundsätzlich allgemein-menschliche Möglich- Alter von zwölf Jahren umfangreiche hochwertige keiten; d. h. sie sind für uns alle unter bestimmten künstlerische Arbeiten anfertigte und des einsamen Bedingungen Ausdrucksformen der Situation: ,So und etwas schüchternen Paul, hat sie wenig Ver- geht es nicht mehr weiter´. Daher sind sie grund- ständnis. Camille Claudel beschreibt ein Porträt, das sätzlich uns allen innerlich zugänglich und bekannt.“ sie von ihrer Mutter gemalt hat: „Die großen Augen, (Dörner u. a., 1980,10). in denen ein geheimer Schmerz zu lesen war, das von Resignation geprägte Gesicht, ihre in völliger Entsa- Camille Claudel hat einen Lebensmoment tiefster gung im Schoß gefalteten Hände: als Ausdruck von Kränkung in ihrer Skulptur festgehalten, das seeli- Bescheidenheit, von übersteigertem Pflichtgefühl.“ sche Drama ist hier Impuls und vermittelt eine ei- gentümliche Spannung, die uns herausfordert. Die Hinter diesem Flehen steht zunächst, die Anerken- Reaktion bei der Betrachtung des Kunstwerks waren nung durch die Mutter. Camille Claudel wurde am sehr impulsiv. Einige Klientinnen und Klienten zeig- 8.12.1864 als älteste von drei Kindern in Villeneuve- ten ihre Wut, ihren Zorn, weil die Skulptur genau sur Fére geboren. „Ihrer Geburt ging der Tod des ers- ihr eigenes Drama skizzierte: nie gehört zu werden, ten Sohnes voraus, den die Mutter nicht verschmer- nicht verstanden zu werden. Als ich ihnen etwas zen konnte (Fuchs, 1993, S.101).“ Irmgard Fuchs und über die Lebensgeschichte Claudels erzählte, ver- Alfred Lévy (1993,101/102) vermuten, dass die Ent- stärkten sich die Sympathien für die Künstlerin. Es täuschung über den Verlust des ,Stammhalters´, der kamen spontane Vergleiche mit den eigenen Lebens- damit verbundene Prestigeverlust und andere unbe- situationen, besonders wurden partnerschaftliche kannte Faktoren zur Ablehnung der erstgeborenen Beziehungen thematisiert, die an der Entstehung der Tochter nicht unerheblich beigetragen haben. eigenen Kränkung mitgewirkt hatten. DGKT - JOURNAL 01.2020 9
Ganz anders der Vater, der als cholerisch, leicht er- ,Das Flehen´ der Künstlerin, eröffnet somit Erfah- regbar, stolz und ungesellig geschildert wird, alles rungsräume und hilft aus der visuellen Betrachtung Eigenschaften, die ihn seiner ältesten Tochter sehr heraus, das eigene subjektive Erleben im Umgang ähnlich machen und zugleich ihr gespaltenes Ver- mit einer psychischen Erkrankung und das Erleben hältnis erklären- es ist geprägt von Liebe und Ver- des sozialen Umfelds zu verbalisieren, wobei in einer ständnis für ihre künstlerische Tätigkeit, aber auch späteren Phase dann nach eigenen kreativen Mög- erschüttert durch Verstöße der Tochter gegen die lichkeiten gesucht wird. Sei es in der Auseinander- väterliche Autorität (Schwers, 1995, 148). setzung mit Literatur, Kunst und Musik oder eigenen gestalterischen Tätigkeiten. Kohut hat insbesonde- In der Familie wird viel gestritten, wobei sie bei die- re auf das Hervortreten schöpferischer Betätigun- sen häuslichen Auseinandersetzungen wahrschein- gen in den Endphasen von Analysen hingewiesen. lich schon früh die Rolle des schwarzen Schafes zu- (Kraft, 1984, S. 249). Dadurch wird es möglich die gewiesen bekam (Schwers, 1995, 149). nun freigesetzten schöpferischen Energien in einen sozialen Bezug einzufügen. Bei der Betrachtung von Camille Claudels Skulptur erinnerte sich eine Klientin an eine Situation in ih- Wie Benedetti (1975, S. 17) formuliert kann uns das rer Kindheit, an die schmerzhafte Ablehnung durch Kunstwerk jener Autoren, die in ihrem Leben an De- ihre Mutter. Auch ihr Flehen um Empathie blieb pressionen gelitten haben oder gar an geisteskran- in der Kindheit unerhört. Das Verstehen hat eben ken Symptomen gelitten haben, helfen dem inneren nicht nur Bedeutung für den therapeutischen Pro- Erleben des kranken näher zu kommen. Unter die- zess, sondern begleitet uns von Kindheit an. Wenn sem „inneren Erleben“ versteht Benedetti (1975, S. jemand also in einer schweren Krise dieses Nicht- 18) jene Innenseite des Erlebens, welche sich in den Verstehen verbalisiert, kann ich diesen Prozess am Selbstzeugnissen, die uns zur Verfügung stehen, Beispiel von Kunst erläutern. nicht immer voll ausspricht, sondern erst im Dialog mit ihnen spürbar wird. Camille Claudel beschreibt Martina Holterhof spricht bei Camille Claudel von von ihrem Kunstwerk aus der psychologischen Situ- einer Rollendiffusion, „die durch die mangelnde Ab- ation, d. h. die Leiden ihrer Zeit. grenzung der Rollen untereinander auftrat. In den Augen Rodins war sie Gehilfin und Schülerin, Gelieb- te Rodins, Modell, Muse und Bildhauerin in einem, oder einfach: ‚Mädchen für alles’, eine Gehilfin, die überall zur Stelle war und in ihrer Vielseitigkeit Ge- nialität aufwies. Ihre vollständige Eingliederung in den Wirkungsbereich Rodin, stellte die Eigenstän- digkeit der Person Claudel in Frage. Unabwendbare Kränkungen waren die Folge für eine Künstlerin, de- ren stärkstes Bestreben die Bestätigung der eigenen Individualität war.“ (1993, 55/56). Gerade der Bruch der Beziehung mit Rodin hatte für Camille Claudel fatale Auswirkungen, durch die Frustration notwendiger Selbstobjektbedürfnisse kam es zu einer drohenden Auflösung des Selbst. 10 DGKT - JOURNAL 01.2020
Sozialpsychologische Szene nung; am Ende stand das Gefühl des Ungenügens.“ (Corbin, 1992, 579). Camille Claudel musste sich besonders auch als Frau in einer von Männern beherrschten Künstlerwelt Renate Flagmeier beschreibt die gesellschaftliche behaupten. Die Kunsthistorikerin Renate Flagmei- Dimension und den Widerspruch, indem sich Camil- er, die sich umfassend mit dem Werk der Künstlerin le Claudel befand, aus verschiedenen Perspektiven. auseinandergesetzt hat, folgert richtungsweisend, „Camille Claudel war wie die meisten Künstlerinnen dass die Kränkung, welche Camille Claudel erlitt, gezwungen, sich mit dem gesellschaftlich behaup- nicht nur auf ihre unverarbeiteten Gefühle gegen- teten Widerspruch zwischen ihrem Geschlecht und über Rodin zurückzuführen sind, sondern „ihre ihrer Existenz als Künstlerin auseinander zu setzen. Stellung zwischen den Geschlechtern und vor allem Das Genie wurde männlich gedacht. Einer Frau wur- zwischen den kulturpolitischen Fronten, spielen eine de Genialität nur in Verleugnung ihrer Weiblichkeit ebenso wichtige, wenn nicht entscheidende Rolle.“ zugestanden.“ (1988, 42), und: „sie war als Künst- (Flagmeier, 1988, 42). „Im Kampf um ihre künst- lerin ständig mit dem Widerspruch konfrontiert, lerische Identität musste sich Claudel nicht nur als gleichzeitig kunstproduzierendes Subjekt zu sein wie Frau in einem von Männern dominierten Metier auch als Darstellungsobjekt zu dienen (konkret für behaupten, sondern auch als Schülerin eines bedeu- Rodin aber auch durch die Funktion des weiblichen tenden Bildhauers. Rodin hat um seine Durchset- Körpers in der Kunst überhaupt). Die Künstlerin hat zung zwar lange und hart kämpfen müssen, spielte gegen dieses Zerrissenwerden gearbeitet, hat in der aber ab 1880 in der kulturellen Auseinandersetzung ‚Clotho’ den Widerspruch von Subjekt- und Objekt- eine immer einflussreichere Rolle. Um 1900 hatte Sein gestaltet.“ (Flagmeier, 1988, 311). er schließlich den Rang eines unbestrittenen, nati- onal und international gefeierten Staatskünstlers In dem Gespräch über die Skulptur mit psychisch erreicht. Für die Bildhauer/-innen seiner Zeit wur- Kranken, kann insbesondere die spätere Themati- de es zunehmend schwieriger und fast unmöglich, sierung der epochalkulturellen Bedeutung und der sich neben seiner dominanten Persönlichkeit Gel- sozialen Situation neue Erfahrungsräume öffnen. tung zu verschaffen. Claudel war besonders davon Für Klaus Matthies (1988, S.83) liegt es nahe, „die betroffen. Bekannt nicht nur als Schülerin, sondern Gefühlswelten, die alle Künste enthalten (von de- als Geliebte des Künstlers wurde die Unterstellung, nen die Künste ausgehen, auf die sie sich beziehen) als Frau zu keinen eigenständigen Leistungen fähig mit den Gefühlswelten des täglichen Lebens, wie zu sein, noch verstärkt. Auch wenn einige Skulptu- sie besonders in therapeutischer Sicht und Absicht ren als originale Schöpfungen angesehen wurden, bedeutsam sind, in Beziehung zu setzen.“ „Darüber musste sie bei den meisten ihrer Arbeiten ständig di- hinaus bestimmt er eine doppelte Bedeutung der rekte oder indirekte Plagiatsvorwürfe hinnehmen.“ Katharsis, da sie daran beteiligt ist, dass „ästheti- (Flagmeier, 1988, 431). scher Genuss (ästhetisches Erleben) einen substan- ziellen geistigen Anteil hat. (...) In diesem Sinne ist Darüber hinaus beinhaltet meines Erachtens das Katharsis ein wichtiger „purgierender“ Vorgang: Werk Camille Claudels einen weiteren Aspekt, der Prozess der Aufarbeitung, Reinigung, Erneuerung“ die gesamte historische Epoche umgreift. „Die fort- (Matthies 1988, S. 90). schreitende Individuation des Menschen erzeugte neue Formen subjektiven Leidens. (...) Die Bemühun- In einem Kunstwerk sind tatsächlich alle Emotions- gen des Einzelnen um die Formung seiner Persön- erfahrungen angelegt- und es finden immer auch lichkeit und die Rücksicht auf das Urteil der anderen diejenigen von ihnen den Weg zum Betrachter, die mündeten in Unzufriedenheit, ja, in Selbstvernei- ihm vielleicht am Fernsten liegen (Hecht 2014, S.7). DGKT - JOURNAL 01.2020 11
„Kunstwerke sind aufgrund ihrer Vielschichtigkeit in del wieder aufmerksam, die offensichtlich aufgrund der Lage, eine reichhaltige Palette an Assoziationen einer willkürlichen Familienentscheidung interniert und Reaktionen für Patient*Innen zur Verfügung zu wurden, weil man den Ruf der ‚großen Männer’ ret- stellen“ (Sarbia 2015, S.193). ten wollte.“ (Perrot, 1992, 286). Klaus Dörner und Ursula Plog (1980) fordern zu ei- Hierüber ist dann auch eine Annäherung an die psy- ner Übung auf, die obwohl in keiner Weise bezogen chohistorische Bedeutung möglich. Denn Michelle auf Camille Claudel, uns auf einen zentralen Kern Perrot (1992, 285) weist darauf hin, dass es meh- hinweisen: „Denken Sie gemeinsam darüber nach, rere Beispiele für den Missbrauch der Medizin gab. was in unserer Gesellschaft um 1900 passiert sein Es gab Fälle in denen medizinische Autorität miss- muss, dass man plötzlich Spalten, Zerreißen, Tren- braucht und abweichende Verhaltensweisen unbe- nen, Sich-Unverfügbar-Machen so scharf wahrnahm rechtigt in ‚Verrücktheit’ umdefiniert wurden. (so bedrohlich fand), dass man die Krankheitseinheit ‚Schizophrenie’ erfand, obwohl es vorher genauso „Ähnlich verhielt es sich bei Hersilie Rouy, die 1854 viele ‚schizophrene’ Menschen gab, für die man sich auf Betreiben ihres Halbbruders, der auf ihr Erbe bis dahin mit den Diagnosen ‚Manie’ oder ‚Depressi- spekulierte, ‚freiwillig interniert‘ wurde; unter dem on’ begnügte.“ (1980, 121). Vorwand, ihre exzentrische Lebensführung – sie war eine unverheiratete Künstlerin und versuchte, unab- Camille Claudel kämpfte mit einer immensen Ener- hängig und allein zu leben, sei Ausdruck einer ‚aku- gie um die Anerkennung als Künstlerin gegen die be- ten Manomanie’, stellte ein gewisser Dr. Pelletan stehenden sozialen und gesellschaftlichen Ressenti- eine Bescheinigung aus, die ihr vierzehn Jahre An- ments. Diese Energie spiegelt sich in ihrem Werk ,Die stalt eintrug. (...) In jüngster Zeit wurde man auf die Flehende´, zugleich aber auch der Widerspruch der Persönlichkeiten wie Adèle Hugo oder Camille Clau- sich widerstreitenden Kräfte. Die Künstlerin skizziert Abb. 2: 12 DGKT - JOURNAL 01.2020
sich selbst in der Skulptur und genau das bleibt un- eine tiefe Kränkung, die wir bei uns bis in die tiefs- erkannt. Ein letzter Versuch, die letzte Energie wird ten Schichten verfolgen können. gebunden, um die seelische Krise darzustellen. Wie oben schon angeführt, bestimmt natürlich das Renate Flagmeier kommt zu dem Schluss, dass Clau- gesamte sozial-gesellschaftliche Umfeld die Ent- del zwar in ihrer Arbeit bestätigt wurde, aber nicht wicklung mit. „So sehr es stimmt, dass der Mensch in ihrer Eigenständigkeit anerkannt wurde (Flag- den Forderungen der Gesellschaft, in der er lebt, meier, 1988, 43). gerecht wird, sosehr stimmt es auch, dass die Ge- sellschaft so konstruiert und strukturiert sein muss, Diese Feststellung erscheint mir von besonderer Be- dass sie den Bedürfnissen des Menschen gerecht deutung, wenn wir uns dem Werk von einem umfas- wird.“ (Fromm, 1992, 108). senden Aspekt nähern wollen. „Nicht die Deutung, sondern der ganze Zusammenhang von Vorausset- Dies gilt zum einen für die gesellschaftliche Situati- zungen, Vorgang, demonstrativer Evokation im Le- on der Künstlerin, zum anderen für die soziale Ak- bensprozess ist wichtig.“ (Matthies, 1990, 38). zeptanz von psychischen Erkrankungen. Das Kunstwerk ,Die Flehende´ scheint mir nun Aus- Camille Claudel beschreibt von ihrem Kunstwerk druck für eine solche Sackgasse, wie Dörner und aus, die psychologische Situation, d. h. die Leiden Plog sie umschreiben. ihrer Zeit. Was Klaus Matthies für die ästhetische Erziehung Dies führt uns zurück in unsere Zeit und die Frage definiert, „dass die Wahrnehmung isolierter künst- nach der Bedeutung und dem Interesse an dem lerischer Werke der Rückbindung in die Alltagswelt Werk Camille Claudels. Das Gefühl des Ungenügens und -wahrnehmung bedarf.“ (Matthies, 1987, 34), ist ist gerade in unseren Tagen bedeutsam. Die Reiz- auch eine grundsätzliche Möglichkeit der Arbeit mit überflutung durch die digitalen Medien, die Aus- Kunst im psychosozialen Bereich. Wenn ein Kunst- grenzung derjenigen, die dem Leistungsdruck nicht werk Gefühle auslöst, d. h. eine Lebenssituation re- standhalten können, Orientierungslosigkeit sind flektiert, die schon an der Oberfläche nachvollzogen Themen unserer Zeit. werden kann, dann ist eine wichtige Funktion von Kunst erfüllt: „An ihnen, den künstlerischen Men- Camille Claudels Skulptur ,Die Flehende´ bringt eine schen und den künstlerischen Werken haben wir seelische Krise zum Ausdruck, die in einem hohen nichts als die Herausforderung. Das ist alles. Und das Maße neben dem persönlichen Aspekt aus den gesell- ist sehr viel. Wo sonst im Leben begegnet uns diese schaftlichen und sozialen Ressentiments resultiert. Herausforderung in dieser Intensität: selbst und gera- de da, wo wir sie nicht gleich verstehen, nicht verste- Camille Claudel muss in ihrer Zeit um die Akzeptanz hen wollen oder dürfen.“ (Matthies, 1988, 34). als Künstlerin und Frau hart kämpfen. Hinzu kommt das Abhängigkeitsverhältnis zu Rodin, der ihre An- Wie Rudolf zur Lippe ausführt, ist das Ästhetische in sprüche und Erwartungen nicht erfüllen kann. Die vielfältiger Weise eine Funktion des Seelischen. „Es Trennung von Rodin schränkt Camille Claudel in ih- ist abhängig von ihm, etwa indem es ihm zum Aus- rer Entwicklungsfähigkeit als Künstlerin deutlich ein. druck wird. Umgekehrt hat das Ästhetische selbst Die Tiefendimension ihrer Skulptur ,Die Flehende´ entscheidende Bedeutung indem von ihm Wirkun- wird von ihrem Umfeld nicht verstanden. Dies führt gen, Anregungen, Aufforderungen an das Seelische in den folgenden Jahren zu einer seelischen Erkran- ausgehen.“ (zur Lippe, 1987, 235). kung, die einen ungerechtfertigten lebenslangen Claudels ,Die Flehende´ symbolisiert einen Verlust, Psychiatrieaufenthalt zur Folge hat. DGKT - JOURNAL 01.2020 13
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Ich schaffe es !!! Kunsttherapeutische Interventionen in schwierigen Prüfungssituationen Brigitte Michels Als Kunsttherapeutin nutze ich täglich Bilder in mei- Ariane kommt in die Praxis, nachdem sie zweimal ner Arbeit. Dadurch sind neue Zugänge möglich. bei der Heilpraktikerprüfung durchfallen ist.Sie ist Wir kennen es alle aus unserer Arbeit, die Klienten seit 25 Jahren Lehrerin an einer Fachschule. Im Ge- kommen unter großem Druck. spräch wird klar, sie hatte ausreichend gelernt und noch nie vorher in einer Prüfung versagt. So bot ich Klienten, die ihre Situation schildern, verlieren sich ihr an, in einer Früherinnerung altes biographisches oft in emotionsgeladenen Themen: Diese bringen Erleben zu spüren. Ich führte sie in einer Meditation den Prozess zum Stocken, denn je mehr die Klienten in Kind- oder Jugendjahre zurück und bat sie einfach uns erzählen, umso diffuser wird es. Lange Schilde- zu zulassen, was kommt. rungen bringen keine Klarheit, sie vernebeln eher. Hier ist es hilfreich, von der verbalen in die nonver- Als sie die Augen wieder aufmachte, stößt sie den bale Ebene zu wechseln. Satz aus: „Das steht dir nicht zu!“ Sie schreibt ihn auf. Sie schaut erschrocken. Dann erzählt sie mir, Das schreit förmlich nach dem Bild! dass sie nach dem Abitur gerne Medizin studiert hätte, doch ihre Mutter verbot es. Dabei setze ich bildnerische Mittel ein und gebe den Auftrag, die Prüfungssituation konkret zu malen, so- wohl de verpatzte Situation wie die Angst vor der Prüfung. Die Aufgabe an die Klienten lautet nach einer kurzen Meditation, die sie in Kontakt bringt mit dem Erleben der Prüfungssituation: ,,skizzieren Sie ihre Prüfungssituation ganz konkret.“ Und um es niederschwellig zu halten, sage ich dazu, es dürfen Strichmännchen sein. Als Material bietet sich ein DIN A 4 oder DIN A5 Blatt an und ein kräftiger Filz- stift. Bild 1: Prüfungssituation Hier entsteht das Bild - als lnitialbild. Es zeigt die Prüfungssituation und lässt sich besprechen. Oft zeigen die Bilder eine ungleiche Situation: der klei- ne Prüfling und übermächtigen Prüfer. Im Gespräch erkennt die Klienten, das Prüfer und Situation i.d.R. freundlich waren, so dass die Frage kommt: Was ist der Grund für das Versagen. Wenn dann noch beim Abfragen der Lernstrategien keine Auffälligkeiten sind, wenden wir den Blick auf die Lebensgeschich- Bild 2: te und die frühen Aufträge an das damalige Kind Prüfungssituation DGKT - JOURNAL 01.2020 15
„Das steht dir nicht zu!“ Sie solle Pädagogik studie- Der nächste Auftrag lautet: ,,Wie soll es sein in der ren oder etwas Kaufmännisches machen. Als sie nächsten Prüfung. Gilt der Satz noch heute? Sie erkannte, dass die Heilpraktikerin wie der Arzt, hei- ist erschrocken über dieses abwertende Urteil des lend tätig werden darf, strafft sie die Schultern. „Ich Vaters und merkt, dass es immer noch wirksam schaffe es!“ Der Rest war einfach, ein halbes Jahr ist. Dann schüttelt sie den Kopf. ,,Nein.“, sagt sie. später hat sie es geschafft. Schnell nimmt sie einen dicken roten Stift, streicht das Prüfungsbild durch und schreibt drüber: ,,Vor- Bei Kathrin war es ähnlich. Sie ist gut vorbereitet bei!“ Kathrins Stimme ist klar und fest, sie strafft die und kann die Prüfungsthematik sicher erklären. Schultern. Trotzdem hat sie große Angst. Ich bitte sie, sich die kommende Situation vorzustellen und dieses innere Der nächste Auftrag lautet: ,,Wie soll es sein in der Bild in einer kleinen Skizze festzuhalten. Es dauert Prüfung?“ Sie stellt eine große rote Figur auf ein nur wenige Momente. Dann bitte ich sie, sich selber Blatt und sagt: ,,Ich schaffe es!“ als Holzfigur ins Bild zu stellen. 5ie wählt die kleinste Holzfigur für sich aus und stellt sie in die Prüfungs- situation, um sie herum fünf riesige Prüfer. Die kom- mende Prüfung ist für sie eine Horrorvorstellung. So beschreibt sie es. Bild 3: Kathrins Prüfungscoaching als Bildergeschichte Es gibt eine Diskrepanz zwischen ihrer Sicherheit Kathrin bekommt den Auftrag, die Bilder als Bilder- in der Materie und ihrer Angst. Das deutet auf bio- geschichte auf der Zeit und Entwicklungslinie zu grafische Muster und ich bitte sie, ihre Ursprungs- platzieren. Die Ursprungsfamilie ist links vom Initial- familie aufzustellen. Wieder auf einem kleinen bild, das Blatt mit der großen Figur und der Zielsatz Blatt, Sie ist wieder die Kleinste. Dabei erinnert sie „Ich schaffe es!“ liegt rechts. Das ist die Zukunft für sich an den Satz des Vaters: ,,Mädchen sind hübsch Kathrin. Kathrin spürt sich wieder als erwachsene und dumm.“ ,,Gilt der Satz noch heute? „ Sie ist Frau. Um den Prozess zu festigen, schlage ich ihr vor, erschrocken über dieses abwertende Urteil des Va- zu dieser Bildergeschichte ein Märchen zu erzählen ters und merkt, dass es immer noch wirksam ist. und gebe den Einsatz: „…es war einmal…“ Ich bitte sie das Prüfungsgeschehen, das bisher passiert ist, auf einer Zeit- und Entwicklung Linie zu …es war einmal ein kleines Mädchen, das durfte sei- legen. Da kommt zuerst das Bild in der Ursprungs- ne bunten Schmetterlingsflügel nicht zeigen. familie. Und wir legen die biografischen Blockaden Und wenn die Anderen die bunten Flügel erkannten, dann wurde sie noch mehr „zer – drückt“. daneben. Sie wirken bis heute. Eines Tages, als sie größer war, beschloss sie, ihre bunten Flügel zu leben, denn ein Schmetterling ist etwas Besonderes. Seit dem geht sie guten Mutes durch ihr Leben. 16 DGKT - JOURNAL 01.2020
Kathrin erzählt das Märchen, sie schlägt den Bogen geschichte, entsteht eine Bildergeschichte des Kon- von dem kleinen Mädchen zur erwachsenen Frau. fliktes. Hier erkennen Klienten oft schon Analogien Sie besteht die Prüfung. zum aktuellen Geschehen, Zugänge, die wir nutzen können, um eine Lösung zu erarbeiten. Sie fotografiert ihre Reihe und geht an die nächste Prüfung, die sie besteht. Das entstandene Bild über die Konfliktsituation enthält mehr Informationen, als über Sprache transportiert wird. Die Erweiterung mit dem Bild Wirkung der Lebensgeschichte auf den fokussiert den Konflikt und gibt neue Klarheit. Da- Konflikt durch werden Denken und Handeln in Bezug auf die Konfliktsituation flexibel. Ein Konflikt, der im Heute passiert und noch nicht gelöst ist, blockiert weitere Entwicklung in Richtung Zukunft. So zeigt das Initalbild den Konflikt und hat auf dem Feld Konflikt seinen Platz. Viele Konflikte werden gespeist aus der vertikalen Linie, das sind die alten Muster, Einschärfungen, Aufträge, Glau- Aktualgeschichte Lösung des Klienten KONFLIKT Zeit- und Entwicklungslinie Bild 4: Lebensgeschichte des Klienten •Erfahrungen Wirkung der Lebensgeschichte •Muster auf den Konflikt •Denk- und Handlungsmodelle benssätze usw. aus der Kindheit. Sie sind oft schon in vorsprachlicher Zeit entstanden. Das macht sie schwer zugänglich. Sie bleiben meist unbewusst, aber sie sind wirksam. Erst wenn wir einen Zugang FAZIT dazu bekommen, ist der Weg zur Lösung leichter geworden. Eine Möglichkeit, die alten Muster zu Bilder fördern Lösungen, denn Malen bringt das „in- erkennen, ist das Aufstellen der Ursprungsfamilie. nere“ Bild vom Konflikt in die äußere Welt Auf einer separaten DIN-A5-Karte gestellt, gehört • das Geschehene wird klarer es links neben das Konfliktbild, da es eine frühere • es kann bearbeitet werden, Situation zeigt. Mit diesem zeitlichen Anordnen der • aus passiver Ohnmacht führt malen ins Bilder - erst die Ursprungsfamilie, dann die Konflikt- • Handeln und damit zu Veränderung. DGKT - JOURNAL 01.2020 17
Gedanken im Verlauf eines dreijährigen Arbeitsprozesses - Zu einer Therapie mit Bildern Karl-Heinz Menzen 1 Es ist noch nicht lange her, da suchte ich nach Bil- dern, die mein Buch Heil-Kunst (2017) illustrieren sollten. Und es fiel mir dieses Bild in die Hände, 1 welches Jacob Eberhard Gailer 1839 gleichermaßen Die Geschichte jener Bewegung, an der ich schrieb, zur Illustration für sein Buch „Neuer Orbis Pictus“ eines Faches, das wir ‚Kunsttherapie‘ nennen und verwenden sollte. In seinem Untertitel stand sozu- dem wir uns verpflichtet fühlen, ist tatsächlich ein sagen dessen Verwendungszweck: „Für die Jugend Vorgang, in dem die menschliche Natur sich un- oder Schauplatz der Natur, der Kunst und des Men- aufhörlich preisgibt. Es ist die Geschichte eines schenlebens“. Ob ich wollte oder nicht, ich musste Vorgangs, in dem Menschen, die in physischer und darüber nachdenken, zu welchem Zweck ich per- psychischer Not sind, Einblicke in ihr alltägliches sönlich schreibe. Und die Antwort, ich weiß nicht, Leben geben, uns diese Blicke tun lassen, im Ver- ob sie mir gefiel, war schnell zur Hand, – zunächst trauen, dass wir nicht so schnell mit unseren Wor- einmal für mich selbst, musste ich gestehen. „Schau- ten kommentierend dabei sind. Wie oft war ich mit platz der Natur“, quasi eine Zuschreibung, der ich in Menschen zusammen, die am Rande ihrer Existenz der Absicht meines Schreibens gerne folgen woll- standen; und wie oft zeigten sie mir ihre Bilder in te. Das, was uns in den Bildern zufällt, die unsere dem mit der Zeit erlangten Wissen, dass ich diese Patient*Innen vor uns hinlegen, um zu warten, was nicht kommentieren würde. Sie wussten, und sie uns dazu einfällt, – das war ich gerade dabei zu be- hatten dies in der Regel aus der sich selbst angeeig- schreiben.1 neten psychotherapeutischen Literatur erfahren, dass Kommentare hier nicht am Platz, eher hinder- lich waren. Und so suchten sie meine Mimiken wie meine Gesten zu er- gründen, meine Kör- perhaltungen abzu- suchen nach dem, Abb. 1: was die Sprachfor- Jacob Eberhard Gailer, schung als „Konno- Ausschnitt, 1839; aus: tation“, als etwas Neuer Orbis Pictus bezeichnet, das für die Jugend oder man umschreibend Schauplatz der Natur, hinterfragen könnte der Kunst und des Men- nach dem, ‚was-es-denn- schenlebens. Reutlingen: noch-bedeute‘? Die Ant- J. C. Mäcken. wortlosigkeit, das wussten sie, würde nicht Bedeutungslosigkeit 1 Karl-Heinz.Menzen@t-online.de heißen. Würde eher bedeuten, in einen 18 DGKT - JOURNAL 01.2020
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