Stiftungen wirken durch Haltung und Vertrauen - Kreuzberger ...
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Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten 03.21 Stiftungen wirken durch Haltung und Vertrauen Schlaglichter dazu, wie sich das Wie des Gebens verändert Zusammengestellt von der Wider Sense GmbH (Berlin) Editorial – Die Frage der Stunde: Wie geben Stiftungen? DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 Gesellschaftliche Diskurse regen zum Handeln an Anne Marie Jacob und Michael Alberg-Seberich Handlungsbedarf im Bildungswesen Projekt Bürgerrat Bildung und Lernen Vertrauen in der Praxis der Philanthropie Ulli Sommer und Sarah Winkler im Gespräch Dimensionen, Prinzipien und mit Dr. Karl-Heinz Imhäuser Erfahrungsaustausch als Lernprozess Rolf Alter und Timo Unger Partizipation Jugendlicher Wie die Macht des Geldes in Macht in der Kreuzberger Kinderstiftung Ein Beispiel für aktuelle Herausforderungen für viele wandeln? in der Jugendarbeit © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) Geben mit Vertrauen – wie Philanthropie Janina Lehmann transformativ wird Ise Bosch Partizipation als Bildungsziel und als Teil Geben für soziale Gerechtigkeit der (Ur-)Kultur der Stiftung Bildung Engagement stärken – Bildung mitgestalten Handlungsspielräume für aktives Umverteilen öffnen Katja Hintze und Lisa Paetz Renée Paula Horster Diversität als Führungsaufgabe Förderarbeit kollektiv weiterentwickeln Praxiserfahrungen im Stiftungswesen Grundsätze und Ziele der Initiative Grant Givers’ Anne Marie Jacob und Joline Rosado Movement im Gespräch mit Çiğdem Uzunoğlu Anne Marie Jacob im Gespräch mit Chrissy Cattle und Ciorsdan Brown Zusammenarbeit auf Augenhöhe!? Reflexionen und Perspektiven Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser! einer Migrant*innenselbstorganisation auf Förderpartnerschaften mit Stiftungen Wie eine Pandemie das Zuhören in einer Förderstiftung verbessert hat Ahmet Sinoplu und Christian Gollmer Sønke Burmeister Mehr als ein Lippenbekenntnis Zuhören mittels Partnerbefragung Anna Häßlin und Dorothee Vogt Stiftung&Sponsoring RS 03.21 1 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten Stiftungen wirken durch Haltung und Vertrauen Schlaglichter dazu, wie sich das Wie des Gebens verändert Zusammengestellt von der Wider Sense GmbH (Berlin) akuter. Kein Ereignis der letzten Jahre hat uns mehr Editorial – den Spiegel für die Probleme unserer Zeit vor Augen geführt und somit eine bessere Notwendigkeit für Stif- Die Frage der Stunde: tungen geboten, erneut über die eigene gesellschaftliche Verantwortung nachzudenken und vielleicht sogar mit Wie geben Stiftungen? traditionellen Sichtweisen und gewohnten Praktiken zu brechen. Hierfür stehen beispielhaft u. a. die unge- bundenen Förderungen oder Nothilfefonds, die einige DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 Gesellschaftliche Diskurse regen Stiftungen in Deutschland als Reaktion auf die Krise er- möglicht haben. Wie der kürzlich erschienene „Ariadne zum Handeln an Forecast for European Social Change and Human Rights Funders“ hervorhebt, wird erwartet, dass sich der Trend von Anne Marie Jacob und Michael Alberg-Seberich langfristiger und ungebundener Fördermittel sowie (Berlin) Infrastrukturförderungen auch in Zukunft fortsetzen wird.1 Angesichts der kritischen Lage, in der sich viele Auf den folgenden Seiten begegnen Sie Jugendbeiräten, zivilgesellschaftliche Organisationen nach wie vor be- Partnerbefragungen, Diversitätsstrategien, Bürgerräten, finden, und vor dem Hintergrund einer gleichzeitig Manifesten zum Verhältnis von Geben und Macht, der noch größeren Bedeutung ihrer Arbeit heute ist diese Vertrauensfrage, vielen Zuhörenden und Nothilfefonds. Entwicklung äußerst begrüßenswert. Wie der Ariadne Es bewegt sich etwas in der Welt des Spendens und Stif- Forecast außerdem aufweist, wurde der Wandel hin zu tens und dabei dreht sich viel um die Frage, wie wir ge- inklusiveren und partizipatorischen Fördermodellen © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) ben. Die Fragen nach dem Warum des Gebens und des durch die Ereignisse des vergangenen Jahres ebenfalls Was sind weiterhin Kern einer guten inhaltlichen Stif- befeuert.2 tungsstrategie. Das Wie spiegelt jedoch wider, wie sehr Eine Initiative, die durch gemeinsame Sensibilisierung Stiftungen an den Bedürfnissen von Mitmenschen inter- und Diskussion mit Stiftungsvertreter/-innen zu Themen essiert sind, wie sehr sie die Vielfalt der Gesellschaft re- wie präsentieren und wie sehr sie Machthierarchien adres- ⁄ Partizipation, sieren, transparent machen. Das Wie drückt die Haltung ⁄ Diversität, einer Stiftung aus! ⁄ Macht, Die Beispiele in dieser Ausgabe der Roten Seiten zeigen, ⁄ Förderung mit Weitblick und auf Augenhöhe, dass Stiftungen und Spender/-innen weltweit auf gesell- ⁄ Transparenz und schaftliche Veränderungen und Debatten reagieren und ⁄ Fehlerkultur sich auf den Weg gemacht haben, ihre Arbeit partizipa- tiver, inklusiver, f lexibler und selbstkritischer zu gestal- auf genau solche langfristigen Haltungs- und Praxisver- ten. In einer Gesellschaft, die von wachsender sozialer änderungen von Stiftungen und somit mehr Glaubwür- und wirtschaftlicher Ungleichheit, politischer Spaltung digkeit und Wirkung des Sektors insgesamt hinarbei- und zunehmendem Misstrauen geprägt ist und in der tet, ist #VertrauenMachtWirkung3. 2019 in Kooperation die Rolle von Stiftungen immer öfter kritisch hinterfragt von Ise Bosch, PHINEO und Wider Sense TraFo ins Le- wird, sind solche Prozesse wichtig. Denn nur wenn Stif- ben gerufen und heute bereits über 25 Mitgliedsstiftun- tungen offen sind, sich mit den gesellschaftlichen Bedar- gen zählend, versteht sich die Initiative als Sprachrohr fen und Veränderungen mit- und weiterzuentwickeln, der Stiftung der Zukunft und möchte als Plattform die- marginalisierte Gruppen in das Zentrum ihrer Arbeit rücken und zugleich unsere vielfältige Gesellschaft auch nach innen abbilden, können sie zukunftsfähig bleiben 1 Vgl. Broome, Ariadne Forecast for European Social Change and Human und gesellschaftlichen Schief lagen tatsächlich mit Wir- Rights Funders, 2021, S. 25 (online abrufbar unter www.ariadne-net- kung begegnen. work.eu/wp-content/uploads/2015/03/2021-Ariadne-Forecast-For-Eu- ropean-Social-Change-and-Human-Rights-Funders.pdf). Mit der Pandemie wurde die Erkenntnis, dass „busi- 2 Vgl. ebenda. ness as usual“ einfach nicht mehr angemessen ist, noch 3 Siehe unter www.vertrauen-macht-wirkung.de/. 2 Stiftung&Sponsoring RS 03.21 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten nen, auf der sich Stiftungen auf Augenhöhe begegnen © klinkenborg GbR und gemeinsam weiterentwickeln können. #Vertrauen- MachtWirkung liegen neun Leitthesen für die Stiftung der Zukunft zugrunde, die zugleich das Kernstück der Initiative ausmachen und als Kompass für das Engage- ment der mitstreitenden und interessierten Stiftungen dienen. Gemeinsam mit Stiftungen erarbeitet und kon- zipiert #VertrauenMachtWirkung Informationsmaterial und Veranstaltungs-/ Workshopangebote, um zusammen aus der Praxis für die Praxis zu lernen und neue Wege der Stiftungsarbeit kennenzulernen, auszuprobieren und nachhaltig im Sektor zu verankern. Besonders intensiv hat sich #VertrauenMachtWirkung weiten. Beides, Zuhören und sich mit Fehlern und Kritik im letzten Jahr mit den Themen Partizipation (These #1) konstruktiv auseinandersetzen, begünstigt die Qualität und Diversität (These #3) auseinandergesetzt. Auf der der eigenen Arbeit und kann das notwendige Vertrauen Grundlage der Diskussion im Rahmen verschiedener the- zwischen Förderinstitution und Förderpartner/-innen menspezifischer Veranstaltungen und Zusammenarbeit schaffen. mit vielen Stiftungen sind 2020 zwei Handreichungen zu Wenn Sie diese Roten Seiten gelesen haben, dann ma- den Themen Partizipation und Diversität entstanden, die chen Sie einmal selbst den Test: Sammeln Sie die fünf mit Interviews, Erfahrungsberichten, Checklisten und Eigenschaften, die das Wie des Gebens in Ihrer Stiftung DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 Praxistipps erste thematische Einstiege und Handlungs- ausmachen. Spiegelt dieses Wie die in den Artikeln an- inspiration für die Stiftungsarbeit bieten. Aufgrund der gesprochenen Themen wider? Nehmen Sie sich die Zeit großen Anschlussfähigkeit zu den bisher bearbeiteten und denken Sie erneut über die eigene gesellschaftliche Themen und ihrer zunehmenden Bedeutung für den Sek- Verantwortung nach. Brechen Sie mit traditionellen Sicht- tor werden in der nächsten Zeit die Thesen #2 – „Stif- weisen und gewohnten Praktiken. #VertrauenMachtWir- tungen der Zukunft hören zu“ und #3 „Stiftungen der kung möchte durch gemeinsame Diskussionen mit Stif- Zukunft leben eine moderne Fehlerkultur“ im Vorder- tungsvertreter/-innen auf der Grundlage von neun Thesen grund der Arbeit und Angebote von #VertrauenMacht- für die Stiftung der Zukunft auf genau solche langfristi- Wirkung stehen. Denn nur wer auf Augenhöhe zuhört gen Haltungs- und Praxisveränderungen hinarbeiten und und bereit ist, aus der eigenen Komfortzone herauszu- somit die Glaubwürdigkeit und Wirkung des Sektors ins- treten und Kritik zu begegnen, kann den eigenen Blick gesamt fördern. © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) PIAT baut darauf auf, dass Vertrauen mehrdimensional ist1 Vertrauen in der Praxis und daher nur ebenso vielfältig operationalisiert werden kann. Im Zentrum stehen zwei Fragen: der Philanthropie 1. Wem ist Vertrauen entgegenzubringen und wem gegenüber soll Vertrauen aufgebaut bzw. gestärkt wer- den? Dimensionen, Prinzipien und 2. Welche Prinzipien können einer Praxis des Vertrau- ens der Philanthropie behilf lich sein? Erfahrungsaustausch als Lern- prozess 1. Drei Dimensionen des Vertrauens philanthropischer Organisationen von Rolf Alter und Timo Unger (Berlin) 1.1 Intraorganisationales Vertrauen bezieht sich auf das Vertrauen innerhalb einer PO, d. h. auf das Verhält- Gesellschaftliche Institutionen und ihre Akteure stecken in nis zwischen Führung und Mitarbeiterinnen und Mit- einer Vertrauenskrise, die nicht erst die Pandemie ausgelöst arbeitern einerseits und die Beziehungen zwischen den hat. Auch für philanthropische Organisationen (POs) gilt es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern andererseits. Intra- daher mehr denn je, die Ressource Vertrauen nicht nur zu organisationales Vertrauen zieht zum einen weniger hie- beschwören, sondern das eigene Handeln in der Praxis ge- rarchisch gekoppelte Arbeitsprozesse nach sich,2 zum an- zielt auf Vertrauensbildung auszurichten. Das in der Maece- nata Stiftung entwickelte Philanthropy.Insight Assessment 1 Vgl. Greiling, Trust and Performance Management in Non-profit Organi- Tool (PIAT) bietet dazu einen Leitfaden an, der Selbsteinschät- zations, in: Public Sector Innovation Journal 3/2007, S. 6. zung und Erfahrungsaustausch als Lernprozess in den Mit- 2 Vgl. Weick, Organizational culture as a source of high reliability, in: telpunkt rückt. California Management Review 1987, S. 12. Stiftung&Sponsoring RS 03.21 3 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten deren fördert es Zusammenarbeit, Kreativität und Inno- tig zum Gemeinwohl beizutragen. Aus einer eher quantita- vationsbereitschaft.3 tiven Perspektive heraus betrachtet Leistung den tatsächlich 1.2 Interorganisationales Vertrauen richtet sich auf geleisteten Beitrag einer PO. Rechenschaftspflicht zielt darauf das Verhältnis zwischen POs, den POs und Begünstig- ab, die Einhaltung von Sorgfaltspf lichten, die gesellschaft- ten der Philanthropie und zu anderen Akteuren der liche Verantwortung und das dafür nötige Maß an Trans- Zivilgesellschaft. Die Beziehung zwischen POs betrifft parenz zu gewährleisten. z. B. den Informations- und Ressourcenaustausch, die Vertrauen als Ressource ist letztlich nur dann von Be- Entwicklung gemeinsamer Strategien oder die Zusam- deutung, wenn sie sich im alltäglichen Handeln philan- menarbeit bei der Umsetzung. Zum Verhältnis mit den thropischer Organisationen niederschlägt. Der Austausch Begünstigten hat sich das trust-based philanthropy project4 von Erfahrungen mit gleichgesinnten philanthropischen geäußert. Organisationen in einem gemeinsamen Lernprozess er- 1.3 Intersektorales Vertrauen richtet den Blick auf die scheint als ein vielversprechender Weg, weitere Hand- Beziehungen von POs zu privatwirtschaftlichen und lungsfelder einer Praxis des Vertrauens der Philanthro- staatlichen Akteuren, wo POs häufig als Geldautoma- pie zu identifizieren und auszugestalten. ten5 angesehen werden. Ein unzureichendes Vertrauen in die Absichten, Kapazitäten und Kompetenzen philan- Hinweis: Das Philanthropy.Insight-Projekt wird vom Toc- thropisch agierender Organisationen könnte ein Faktor queville Forum der Maecenata Stiftung ausgerichtet und dieser Fehleinschätzung sein. Intersektorales Vertrauen erhält Unterstützung durch den Carnegie UK Trust sowie zielt darauf ab, das Wissen und die Expertise philan- die Fundação Calouste Gulbenkian. thropischer Organisationen sichtbar zu machen, um sich DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 so als epistemische Gemeinschaft6 zu etablieren. 3. Kurz & knapp 2. Fünf Prinzipien des Vertrauens (1) Philanthropische Organisationen stecken in einer Vertrauenskrise. Eine Praxis des Vertrauens der Philan- im Zentrum gemeinsamen Lernens thropie könnte dies ändern. Ein kohärenter Ansatz einer PO, Vertrauen aufzubauen (2) Eine Praxis des Vertrauens der Philanthropie sollte und zu vergrößern, sollte mit einer Standortbestimmung sich an den unterschiedlichen Dimensionen – intraorga- beginnen. Eine authentische Selbsteinschätzung, wie sie nisational, interorganisational, intersektoral – von Ver- das Philanthropy.Insight Assessment Tool (PIAT) vorsieht, trauen orientieren, die sich aus dem komplexen Umfeld erlaubt in einem zweiten Schritt, Handlungsbedarf für ergeben, in dem philanthropische Organisationen han- eine Praxis des Vertrauens abzuleiten und Strategien so- deln. wie Projekt- bzw. Programmauswahl und -gestaltung ent- (3) Eine authentische Selbsteinschätzung, wie sie das sprechend neu auszurichten. Philanthropy.Insight Assessment Tool vorsieht, stellt einen © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) PIAT sieht fünf Prinzipien vor – drei qualitative, zwei ersten Schritt zur Standortbestimmung dar. Ein gemeinsa- eher quantitative –, um POs den Weg zu einer Praxis des mer Lernprozess unter gleichgesinnten philanthropischen Vertrauens zu erleichtern.7 Während Verpflichtung Fragen Organisationen erscheint als vielversprechender Weg, um zur intrinsischen Motivation der Stifterin/des Stifters und weitere Handlungsfelder für Vertrauensbildung zu identi- zum Grad der Einbindung der Begünstigten in Strategie fizieren und auszugestalten. und Projekt- bzw. Programmauswahl und -gestaltung stellt, hinterfragt Öffentlicher Zweck, inwieweit sich die gegenwär- tige Praxis am Gemeinwohl ausrichtet; das Prinzip der Re- Zum Thema levanz hingegen beleuchtet, inwiefern gegenwärtige Pro- Alter / Strachwitz / Unger, Philanthropy.Insight – Work in Progress, jekte bzw. Programme darauf ausgerichtet sind, nachhal- Maecenata Observatorium, 2019, S. 31. Anheier /Toepler, Policy Neglect: The True Challenge to the Nonprofit Sector. Nonprofit Policy Forum 2019, S. 1–9. 3 Vgl. Edmondson, The Fearless Organization: Creating Psychological Edmondson, The Fearless Organization: Creating Psychological Safety Safety in the Workplace for Learning, Innovation, and Growth, 2018, in the Workplace for Learning, Innovation, and Growth, 2018. Kap. 5, S. 103–124. Greiling, Trust and Performance Management in Non-profit Organiza- 4 Vgl. Whitman Institute, How can philanthropy redistribute power? tions, in: Public Sector Innovation Journal 3/2007. Trust-Based Philanthropy Project, 2013, online abrufbar unter trustbasedphilanthropy.org, 2013. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Policy 5 Vgl. Anheier/Toepler, Policy Neglect: The True Challenge to the Non- Coordination, in: International Organization 1992, S. 1–35. profit Sector, in: Nonprofit Policy Forum 2019, S. 7. 6 Vgl. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Im Internet Policy Coordination, in: International Organization 1992, S. 3. The Whitman Institute (2013): How can philanthropy redistribute 7 Vgl. Alter/Strachwitz/Unger, Philanthropy.Insight – Work in Progress, power? Trust-Based Philanthropy Project (online abrufbar unter Maecenata Observatorium, 2019, S. 4 ff. trustbasedphilanthropy.org/) 4 Stiftung&Sponsoring RS 03.21 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten die persönlichen Fähigkeiten, Beziehungen auch mit den Wie die Macht des Geldes Förderpartner/-innen sehr gut zu pf legen, müssen bereit sein, zuzuhören, uns persönlich einzubringen, uns den in Macht für viele Umständen auszusetzen und uns selbst durch das, was wir erfahren, verändern zu lassen. wandeln? Die Situation ist und bleibt ambivalent: Ich suche Part- nerschaften auf Augenhöhe und arbeite gleichzeitig mit dem Mittel sozialer Ungleichheit, mit privatem Vermögen. Geben mit Vertrauen – wie Genau diese Ambivalenz hält mich wach. Wenn die Dinge recht gut gehen, dann bringt die Philanthropie nicht nur Philanthropie transformativ wird sozialen Wandel, sie lässt uns auch persönlich wachsen. Dann ist Philanthropie in jeder Hinsicht transformativ. von Ise Bosch (Hamburg) 3. Kurz & knapp 1. Solidarisches Handeln ist gefragt Das vorstehend besprochene Buch „Geben mit Vertrauen – Wie können Geld und die damit verbundenen Privilegien wie Philanthropie transformativ wird“ setzt sich in auto- so eingesetzt werden, dass ein tiefgehender sozialer Wan- biografischen und evaluativen Beiträgen mit dem Macht- del möglich wird? Mit dieser Fragestellung beschäftigt gefälle zwischen Gebenden und geförderten Projekten sich das Buch „Geben mit Vertrauen – wie Philanthro- auseinander. Es stellt eigenverantwortliche, partizipato- DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 pie transformativ wird“, das Justus Eisfeld, Claudia Boll- rische und inklusive Ansätze vor, die denjenigen Men- winkel und die Verfasserin 2018 gemeinsam geschrieben schen Macht geben, denen die Förderung dient. haben. Angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Kritik Zum Thema an sozialer Ungleichheit ist die Philanthropie aufgefor- In Stiftung & Sponsoring dert, ihre Relevanz zu erhöhen. Am besten geht dies unse- Milke, Klaus: Stiftungen sind Teil der Lösung globaler Probleme, in rer Meinung durch eine ref lektierte Zusammenarbeit mit S&S 03/2018, S. 6–8, doi.org/10.37307/j.2366-2913.2018.03.04 marginalisierten Gruppen. Auch wer viel Geld besitzt, ist Milke, Klaus: Wir sind Teil der Lösung für globale Probleme, in auf gesellschaftliche Solidarität angewiesen. Gerade wer S&S 04/2017, S. 14–15, doi.org/10.37307/j.2366-2913.2017.04.08 viel Geld besitzt, muss selbst solidarisch handeln. Im Internet Was bedeutet Solidarität? Solidarität bedeutet den frei- www.geben-mit-vertrauen.de willigen, ideellen Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe. Somit ist Geben, genauso wie Nehmen, der Kern von So- © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) lidarität – eine Art von Geben und Nehmen auf der hori- zontalen Ebene, im Schulterschluss mit denen, die es an- geht. Wenn so geteilt wird, kann daraus eine besondere Art von Macht entstehen – eine Art von Macht, die Res- sourcen zusammenführt. 2. Vertrauen schaffen durch Partnerschaften auf Augenhöhe Eine Philanthropie, die den sozialen Wandel ernst nimmt, muss offene Rückmeldungen suchen. Besser noch: Sie sollte ihre Ziele gemeinsam mit Menschen set- zen, die näher an den zu lösenden Problemen sind als die herkömmlichen philanthropischen Institutionen. Um eine größere Nähe zu den sozialen Belangen und den be- troffenen Menschen zu erreichen, müssen wir Vertrauen schaffen. Grundlegend ist eine Verbindlichkeit in der Be- ziehung und diese Verbindlichkeit kommt vor anderen Verbindlichkeiten. Wir müssen langfristige Zusagen ma- chen und diese auch klar kommunizieren. Wir brauchen Stiftung&Sponsoring RS 03.21 5 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten dass wir Organisationen, Bewegungen und Initiativen Geben für soziale unterstützen, die die Ursachen von sozialer Ungleichheit in den Fokus nehmen und nicht nur ihre Symptome lin- Gerechtigkeit dern. (2) Wir folgen den Lösungsvorschlägen von Menschen, die am meisten von sozialen und ökologischen Problemen Handlungsspielräume betroffen sind, respektieren sie in ihrer Selbstbestimmt- heit und vertrauen ihren Entscheidungen. D. h., dass wir für aktives Umverteilen öffnen finanzielle Unterstützung ohne Bedingungen und Zwang zur Berichterstattung geben. Renée Paula Horster (Berlin) (3) Wir versuchen, geldgebende Strukturen (z. B. Stif- tungen, Vereine, Banken), auf die wir Einf luss nehmen Resource Transformation ist eine Gemeinschaft von können, darauf auszurichten, dass sie zuverlässig, trans- hauptsächlich jungen Menschen mit (selbstidentifizier- parent und ansprechbar sind. Z. B. geht es uns um klare, ten) Klassenprivilegien und/oder Zugang zu Vermögen. niederschwellige und – wo es möglich ist – vergütete Be- Gemeinsam bilden wir uns über die Ursachen von Ver- werbungsprozesse, um explizite und transparente För- mögensungleichheit – auch in ihrer Verschränkung zu derungskriterien, um ein offenes Ohr für Feedback von Rassismus, Klassismus und anderen Diskriminierungs- unterstützen Projekten. formen – weiter, um Handlungsspielräume für aktives (4) Wir handeln solidarisch mit sozialen Bewegungen, Umverteilen zu öffnen. Wir orientieren uns an Prinzi- die für sozial-ökologischen Wandel kämpfen, indem wir DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 pien der social justice philanthropy1 und sind der Über- nicht nur Geld, sondern auch Zeit, Wissen, Fähigkeiten zeugung, dass eine Welt, in der Ressourcen, Land und und Kontakte beitragen (Beispiele: Fundraising für eine Macht gerecht verteilt sind, nötig und möglich ist. Letzt- Kampagne, Aktivisten Zugang zu relevanten Netzwerken endlich finden wir, dass Philanthropie sich selbst abschaf- verschaffen). fen sollte. In der Welt, die wir uns wünschen, wird Vertei- (5) Neben umverteiltem Geld nutzen wir unser Kapital lungsgerechtigkeit durch demokratisch organisierte und und unsere Investitionen, um sozial-ökologischen Wan- transparente Prozesse (wie z. B. ein gerechtes Steuersys- del voranzutreiben, konkret: nur in nachhaltige Firmen tem) erreicht. Niemand hat zu viel oder zu wenig. Bis es investieren, nicht an der Börse investieren oder nur mit so weit ist, ethischen Ausschlusskriterien, in Gemeinschaftsfonds in- ⁄ verteilen wir aktiv um und minimieren unsere Ver- vestieren, mit nachhaltigen Banken zusammenarbeiten. mögen, ⁄ hören wir auf, mit Geld Geld verdienen zu wollen 2. Kurz & knapp und das bestehende System zu reproduzieren © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) ⁄ und fragen wir uns nicht nur, wie ein gutes Leben Resource Transformation versteht sich als eine Gemein- für uns und unsere Familien aussehen kann, son- schaft von hauptsächlich jungen Menschen mit (selbst- dern für alle Menschen. idenzifizierten) Klassenprivilegien und/oder Zugang zu Vermögen, die sich gemeinsam über die Ursachen von Was das im Einzelnen bedeutet, legen wir nun ausführ- Vermögensungleichheit weiterbilden, um Handlungs- lich offen. spielräume für aktives Umverteilen zu öffnen. Diese Gemeinschaft organisiert sich nach dem Vorbild von 1. Prinzipien des Gebens Resource Generation aus den USA und will dessen Prin- zipien des Gebens für soziale Gerechtigkeit nun für den für soziale Gerechtigkeit DACH-Raum anwenden. Das Agieren der in Resource Transformation verbunde- nen Menschen prägen fünf Prinzipien (1) Als Menschen mit Zugang zu Vermögen geben wir, um systemische Veränderung zu fördern. Das bedeutet, Zum Thema Im Internet resourcegeneration.org/ 1 Siehe auch: resourcegeneration.org/social-justice-philanthropy-and- www.resourcejustice.co.uk/ giving/ und justicefunders.org/resonance/. www.resourcemovement.org/ 6 Stiftung&Sponsoring RS 03.21 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten angestoßen werden und wie kann die Philanthropie bei Förderarbeit kollektiv der Bewältigung einiger der drängendsten und systemi- schen Probleme der Gesellschaft helfen? Unsere Aktivi- weiterentwickeln täten setzen auf drei Ebenen an: ⁄ Austausch: Wir vernetzen Personen aus fördernden Organisationen und stoßen lösungsorientierte Dis- Grundsätze und Ziele der Initiative kussionen zu den Herausforderungen des Sektors an. ⁄ Forschung: Auf der Grundlage von „Sektor-Puls-Um- Grant Givers’ Movement fragen“ und sich daran anschließenden Fokusgrup- pen und Interviews erforschen wir die wichtigsten Anne Marie Jacob von Themen, die unseren Sektor beschäftigen. Die Ergeb- #VertrauenMachtWirkung (Berlin) nisse veröffentlichen wir, verbreiten sie und setzen im Gespräch mit Chrissy Cattle und Ciorsdan Brown uns für kollektive Maßnahmen ein. von Grant Givers’ Movement (GGM) ⁄ Kollaboration: Wir treffen uns regelmäßig mit Dach- verbänden, anderen Initiativen, Aufsichtsbehörden, Was ist Grant Givers’ Movement und was war der Anstoß, die einf lussreichen Geldgeber/-innen und fördernden Or- Initiative zu gründen? ganisationen und meinungsführenden Organisatio- Grant Giver’s Movement (GGM): Grant Givers’ Movement nen, um die Ergebnisse unserer Forschung zu teilen ist ein Zusammenschluss von Menschen, die in Förder- und Druck auf unseren Sektor auszuüben. organisationen aktiv sind. Es ist ein Raum für diejenigen, DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 die sich durch und innerhalb des Stiftungssektors leiden- Letztlich geht es darum, sich zusammenzuschließen und schaftlich für einen positiven gesellschaftlichen Wandel die Förderarbeit von innen heraus zu verbessern. einsetzen und Teil eines Kollektivs sein möchten. Wir haben das Grant Givers’ Movement gegründet, weil GGM hat verschiedene Studien z. B. zu Diversität, Inklusion und Ge- wir fest an die Kraft von Stiftungen glauben, positive Ver- rechtigkeit und Macht & Vertrauen in der Förderarbeit veröffent- änderungen in der Welt zu bewirken. Wir wissen jedoch, licht. Was sind die wichtigsten Schlussfolgerungen aus den Studien? dass viele von ihnen nicht so effektiv sind, wie sie es eigent- GGM: Unsere erste Studie hatte die Themen Diskriminie- lich sein könnten. Eine Reihe von grundlegenden, inhä- rung, Vorurteile und Isomorphismus zum Gegenstand. renten Problemen, gegen die wir vorgehen möchten, hin- Diese Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch alle dert sie daran, positiven Wandel umzusetzen. unsere Studien und stehen im Mittelpunkt unseres Ethos Aufgrund der Hierarchien in Stiftungen und der oft von Antirassismus, Inklusion und sozialer Gerechtigkeit. voneinander isolierten Aufgabenbereiche findet nur sel- Unsere letzte Studie konzentrierte sich auf die unglei- ten der notwendige Austausch zwischen Mitarbeitenden chen Machtverhältnisse, die innerhalb unseres Sektors © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) auf den verschiedenen Ebenen der Stiftungsarbeit statt. bestehen. Die nächste Analyse, die voraussichtlich im Grant Givers’ Movement möchte deshalb einen Raum bie- kommenden Herbst veröffentlicht wird, wird sich mit ten, indem über Probleme und Herausforderungen ge- der Ethik von und in der institutionellen Philanthropie sprochen und ein Kollektiv geschaffen werden kann, um befassen. Durch die Untersuchung der Ursprünge der Phi- mit schlechter Stiftungspraxis zu brechen, gemeinsames lanthropie möchten wir verstehen, warum und wie Reich- Wissen zu generieren und Veränderungen im Stiftungs- tum entsteht und wie entsprechende Veränderungen an- sektor zum Besseren zu katalysieren. gestoßen werden können. Dabei wird es auch um Fragen der Investition von Stiftungsgeldern, Werte der Stiftungs- Bis heute zählt Grant Givers’ Movement 250 Mitglieder – Wer arbeit, Transparenz und Rechenschaftspf licht gehen. sind die Mitglieder der Initiative? Die übergreifende Schlussfolgerung aus unseren GGM: Etwa 70 % der Personen, die sich uns angeschlos- bisherigen Untersuchungen ist, dass ein großer Teil des sen haben, arbeiten in Förderorganisationen als leitende Förderwesens massive Problemfelder aufweist und dass Angestellte, Manager/-innen oder in anderen Funktio- diejenigen, die im Sektor arbeiten, dies zwar wissen, die nen wie Kommunikation oder Finanzen. Eine kleine Probleme aber nicht mit der nötigen Dringlichkeit an- Anzahl unserer Mitglieder sind Treuhänder/-innen und gegangen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig und Vorstandsvorsitzende von Stiftungen. Andere sind unab- komplex – aber sie werden durch die hierarchischen Struk- hängige Berater/-innen, Akademiker/-innen und einige turen und den Mangel an Transparenz und Rechenschafts- Fundraiser/-innen. Da unsere Mitgliedschaft grundsätz- pf licht, die den Sektor durchdringen, noch verschärft. lich anonym ist, können wir einen geschützten Raum schaffen, der es ermöglicht, auch provokative und kriti- Warum werden Initiativen wie das Grant Givers’ Movement heute sche Stimmen zu Wort kommen zu lassen. mehr denn je benötigt? Wo sehen Sie den dringendsten Bedarf nach Veränderung? Was sind die Herausforderungen des philanthropischen Sektors, GGM: Das ist eine große Frage, denn wir sind der Meinung, die die Initiative adressiert und wie? dass es viele Bereiche gibt, die einer Reform bedürfen. GGM: Gemeinsam versuchen wir, den Status quo in Frage Wenn die Philanthropie relevant bleiben soll, insbeson- zu stellen: Wo werden Stiftungsgelder investiert? Wo liegt dere die institutionelle Philanthropie, und wenn sie wirk- die Entscheidungsmacht? Wie kann ein Systemwandel lich einen positiven Beitrag zu einer „besseren Welt“ leis- Stiftung&Sponsoring RS 03.21 7 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten ten will, dann brauchen wir Reformen auf verschiedenen Lieferkette, Rohstoffgewinnung usw.). Der Zugang zu In- Ebenen, einschließlich Governance und Führung. Es gibt formationen ist heute einfacher denn je und mit der zu- einen großen Mangel an Diversität und ein zu stilles Be- nehmenden Transparenz und dem Wunsch nach schnellen kenntnis zu Antirassismus bei einigen wenigen Stiftun- Antworten müssen auch philanthropische Institutionen gen. Aber um wirklich etwas zu verändern, brauchen wir mithalten. Zu Recht gibt es also viel Frustration und da- diese Stimmen jetzt mehr denn je. Die Jahre des „Trum- mit eine Welle von Bewegungen, die eine radikale Macht- pismus“ in den USA und ein Politikwechsel in der briti- verschiebung anstreben und – anstelle der Wohltätigkeit – schen Regierung, der die Gesellschaft zunehmend spaltet die Gerechtigkeit in den Vordergrund rücken. (um nur zwei Beispiele zu nennen), stehen beispielhaft für Rückschrittlichkeit. Um diese Schäden in der Gesell- Kurz & knapp schaft zu beheben, bleibt viel zu tun, wobei insbesondere Stiftungen eine wichtige Rolle zukommt. Da aber noch Grant Givers’ Movement ist ein Zusammenschluss von viele Stiftungen zu selten ihrer gesellschaftlichen Verant- Menschen, die in Förderorganisationen arbeiten. Mit wortung wirkungsvoll gerecht werden, drängen wir wei- einem starken Kollektiv möchte die Initiative eine Diskus- terhin auf Veränderungen. sion über die Herausforderungen des Sektors ermöglichen Unsere verschiedenen Lebensrealitäten müssen mehr und so die Förderarbeit von innen heraus verbessern. Anerkennung und Wertschätzung erhalten und gleichzei- tig muss das Bestreben, Ressourcen für das Gemeinwohl Zum Thema aufzuwenden, deutlicher werden. Wir glauben, dass dies Cattle, Chrissi / Brown, Ciorsdan: Funders know how to rebalance die Art und Weise widerspiegeln sollte, wie Unternehmen power, so why are we still not acting?, 2020 (online abrufbar unter: DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 aktuell zunehmend (von den Verbraucher/-innen) dazu ge- www.alliancemagazine.org/blog/beyond-words-funders- drängt werden, die negativen und positiven Auswirkun- know-how-to-rebalance-power-so-why-are-we-still-not-acting/) gen ihrer Geschäftspraktiken zu erkennen (sei es durch Im Internet die Ausbeutung von Arbeitenden, Probleme innerhalb der www.grantgiversmovement.org/ ⁄ Hilfe und Unterstützungen stehen vor Selbstdarstel- Kontrolle ist gut, lung. Die Stiftung ist in diesem Sinne „nur“ Dienst- leisterin. Vertrauen ist besser! ⁄ Ohne die Arbeit der Projektträger wäre die Erfüllung © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) der Satzungszwecke kaum möglich. Wie eine Pandemie das Zuhören in Kommunikation und Gespräche mit den Projektträgern sind der Stiftung daher immer wichtig gewesen – Zu- einer Förderstiftung verbessert hat hören und das Wissen um die Problemlage. Dies, um die Möglichkeiten des eigenen Förderns zu optimieren, von Sønke Burmeister (Hannover) die passenden Fördertöpfe zu finden, weitere fördernde Personen anzusprechen oder auch nur, um das Vorhaben Die Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung fördert auf ganz gegenüber den Gremien und anderen Projekten angemes- traditionelle Art Projekte in den Satzungsfeldern Sport so- sen zu vertreten. Beratungsgespräche, Projektbesuche wie Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte: oder Präsentationen der Fördermöglichkeiten im Zuge Mit entsprechenden Anträgen werden Projektideen vorge- von sog. „Roadshows“ in ganz Niedersachsen standen da- stellt, über die die Gremien der Stiftung befinden. Aus den her vor der Pandemie auf der Tagesordnung. aktuell der Stiftung vorgelegten rund 1.200 Anträgen wählen die Gremien ca. 800 Projekte zur Förderung mit einer Spann- 2. Corona: An der Seite der Partner und breite von weniger als 100 € bis zu mehreren 100.000 € aus. Partnerinnen 1. Ansprüche in der Förderstiftung Die Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung hat wie andere Stiftungen auch auf die problematische Situation der Pan- Die hohe Anzahl der Förderanfragen an sich und die nur demie mit der Einrichtung von Sonderfonds und Sonder- begrenzt zur Verfügung stehende Zeit für eine (sach-)ge- programmen und zusätzlichen Fördermitteln reagiert. rechte Beurteilung und Entscheidung stehen dabei stets Gleichzeitig hat auch sie ihre aktuellen Projektträger in einer Spannung mit Ansprüchen und Prämissen, die angeschrieben und angekündigt, hinsichtlich Verschie- der Stiftung besonders wichtig sind: bungen, Prolongierungen, Änderungen, Umwidmungen ⁄ Die beantragten Projekte und ihr Erfolg stehen im oder ergänzenden Anträgen an der Seite der Stiftungen Vordergrund der Stiftungsarbeit. Jedes Projekt wird zu stehen und äußerst f lexibel zu agieren. Diese sehr gleich ernstgenommen. frühe und einfache (und eigentlich selbstverständliche) 8 Stiftung&Sponsoring RS 03.21 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten Mitteilung hat ein durchgehend positives Echo hervor- die regelmäßigen Angebote und Konferenzreihen lassen gerufen. Sie hat viel dazu beigetragen, das als Lippen- sich damit nun auch deutlich öfter vermeintlich abgele- bekenntnis wahrgenommene „auf Augenhöhe mit den gene Regionen erreichen. Und auch die wichtige Frage, Partner/-innen stehen“ mancher Stiftung Wahrheit wer- bei der Entwicklung möglicher künftiger (Förder-)Schwer- den zu lassen. punkte möglichst alle Betroffenen und Argumente vorab Mit Beginn der Pandemie und der abzusehenden Un- zu hören, lässt sich auf diesem Weg noch einmal optimie- möglichkeit der Umsetzung zahlloser Projekte wurden ren – allerdings auf Kosten des persönlichen Gesprächs die Kommunikationsangebote für und mit Projektträgern und echten Dialogs. oder Antragstellenden aber noch einmal deutlich forciert: Die Stiftung wird die positiven Erfahrungen der Pan- Im Zuge weiterer direkter Kontaktaufnahmen mit den demie (insbesondere die spürbare Offenheit für neue di- Projektträgern wurde nicht nur nach dem Stand der Pro- gitale Austauschformate) in die Zeit danach mitnehmen jekte und des dahinterstehenden Vereins gefragt, sondern und hat bereits damit begonnen, sie auch als festen Be- vor allem auch nach notwendigen Hilfen durch die Stiftung. standteil ihrer Struktur beizubehalten. Regelmäßige digitale Sprechstunden wurden eingeführt – nebst Erklärung der notwendigen Antragsformalien. Be- 3. Kurz & knapp stehende Förderprogramme und Förderschwerpunkte so- wie die digitale Antragstellung werden jetzt per Video Wissen, Zuhören und Verstehen der Belange und Pro- erklärt und stehen ergänzend auf der Homepage zur bleme der Projektträger war der Lotto-Sport-Stiftung Verfügung. immer wichtig, wurde mit Beginn der Pandemie aber Die bis dato kaum genutzten Formate Videokonferen- noch einmal deutlich forciert: Mit direkten Ansprachen, DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 zen und Onlinebefragungen wurden für die Ansprache Nachfragen und eigenen Sprechstunden für besondere auch kleinerer Zielgruppen genutzt – deutlich unabhän- Zielgruppen. Die Maßnahmen hält die Stiftung für ebenso giger hinsichtlich Reisen und Terminen als vorher. Durch wichtig wie finanzielle Unterstützung. verbessern will, muss eigene Schwachstellen und Ent- Mehr als ein Lippen- wicklungspotenziale erkennen. bekenntnis 2. Die Partnerbefragung als zentrales © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) Instrument einer lernenden Organisation Zuhören mittels Partner- Wer diese Dynamik also überwinden möchte, muss sich befragung auf das Zuhören spezialisieren. Zuhören, was die eigenen Partner/-innen zu sagen haben, aber auch zuhören, was von Anna Häßlin und Dorothee Vogt (Lörrach) in den jeweiligen Wirkungsgebieten aktuell ist. Um dies zu erreichen, hat die Schöpf lin Stiftung die „lernende Or- 1. Ein Machtgefälle mit Folgen ganisation“ für sich als zentralen Wert formuliert. Damit dies kein leerer Slogan bleibt, wurden verschiedene Me- Anders als ihre Förderpartner-/innen haben fördernde thoden und Prozesse in den Arbeitsalltag integriert. Als Stiftungen i.d.R. eine langfristige finanziell gesicherte zentrales und hilfreiches Instrument hat sich dabei die Perspektive. Für sie ist die Mittelbeschaffung eine dau- Partnerbefragung erwiesen. Diese wurde 2019 zum ersten ernde Herausforderung. Sie müssen sich immer und im- Mal mit Hilfe eines externen unabhängigen Beratungs- mer wieder unter Beweis stellen, ihre Wirksamkeit bele- unternehmen durchgeführt. gen und Netzwerke pf legen, um Finanzierungspartner-/ Ziel war es, die Außenwahrnehmung der eigenen För- innen von ihrer Arbeit zu überzeugen. Fördernde Stiftun- derpraxis und -methodik mit der internen Wahrnehmung gen hingegen müssen sich erst einmal nur den eigenen auf Kongruenz abzugleichen. Abgesehen von der Ref- Gremien gegenüber rechtfertigen. Ihr Überleben hängt lektion über unsere Rolle als Stiftung und die Optimie- kaum davon ab, die Welt da draußen von sich zu über- rung unserer Arbeitsweise hatte die Partnerbefragung zeugen und zu beweisen, dass ihre Arbeit wirkungsvoll jedoch noch einen anderen wichtigen Zweck: die Schaf- ist. Da ihre Förderpartner-/innen in Teilen von ihnen ab- fung von Vertrauen und einer ehrlichen Feedbackmög- hängig sind, haben sie von außen nicht notwendiger- lichkeit. Zentral war dabei die Möglichkeit der anonymen weise ein Korrektiv. Denn wer beißt schon die Hand, die Teilnahme. Auch richtete sich die Befragung nicht nur füttert? Diese Konstellation kann dazu führen, dass Stif- an unsere aktuellen Förderpartner/-innen, sondern be- tungen aus einem Elfenbeinturm heraus agieren und zog auch Ehemalige und abgelehnte Partnerschaften so- Förderentscheidungen treffen, die keine positive gesell- wie sog. „kritische Freunde bzw. Freundinnen“ aus unse- schaftliche Veränderung bewirken. Doch wer sich stetig rem Netzwerk mit ein. Stiftung&Sponsoring RS 03.21 9 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten Die positiven Rückmeldungen aus der Befragung haben 3. Kurz & knapp uns auf unserem Weg bestärkt und unser Team stark motiviert. Sie haben aber auch blinde Flecke insbeson- Die Schöpflin Stiftung, die sich als lernende Stiftung ver- dere im Bereich der transparenten Kommunikation und steht, hat sich 2019 für das Instrument einer Partnerbefra- Begleitung auf Augenhöhe aufgezeigt. Eine Partner- gung entschieden, um die Außenwahrnehmung der eige- befragung darf daher immer nur ein Anfang sein. Ein nen Förderpraxis und -methodik zu verstehen, Vertrauen vertrauensstiftender Umgang bedeutet schließlich, Er- zu stärken und Bedarfe zu identifizieren. Ziel der Partner- gebnisse auch in Gänze zu teilen und einen regelmäßi- befragung war es nicht nur, die Rolle der Stiftung zu reflek- gen Austausch zu schaffen, in dem sichtbar wird, dass tieren und die eigene Arbeitsweise zu optimieren, sondern Verbesserungsprozesse in Gang gesetzt worden sind. Das vielmehr auch ein Signal an die Förderpartner-/innen zu Machtgefälle, das zwischen Fördergebenden und Geför- senden, dass sie gehört werden und ihre Meinung zählt. derten besteht, ließ sich zwar auch in der Schöpf lin Stiftung nicht grundsätzlich auf lösen. Aber es konnten Zum Thema mit Instrumenten wie einer anonymen, durch einen Im Internet externen Dienstleister begleiteten Partnerbefragung Die Ergebnisse der Partnerbefragung sind auf der Website der Schöpf- Räume geschaffen werden, in denen ein aktives Zuhören lin Stiftung hier abrufbar: www.schoepflin-stiftung.de/ möglich ist. methodik/#lernende-stiftung DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 Ergebnis ist der Bürgerrat Bildung und Lernen, ein zu- Handlungsbedarf nächst auf drei Jahre angelegtes Projekt, das im Oktober 2020 gestartet ist. im Bildungswesen Die Gründe liegen auf der Hand: Bildung gehört zu den gesellschaftlichen Bereichen, in denen die diskursi- ven Verhärtungen am stärksten sind. Die Corona-Krise hat Projekt Bürgerrat Bildung nun schonungslos offengelegt, was seit den 1970er Jahren bekannt und durch die PISA-Studien seit 2000 noch ein- und Lernen mal unverändert bis heute festzustellen ist: Bildungser- folg ist in Deutschland sehr stark von sozialer Herkunft Ulli Sommer und Sarah Winkler (Wider Sense GmbH, und familiären Möglichkeiten abhängig. Mangelnde digi- © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) Berlin) im Gespräch mit Dr. Karl-Heinz Imhäuser tale Ausstattung an Schulen, unzureichende Kenntnisse (Montag Stiftungen, Bonn) der Lehrkräfte und fehlende Konzepte rund um virtuel- les Lernen treffen auf unterschiedliche familiäre Voraus- setzungen bei Schülerinnen und Schülern. Im Bildungs- Seit vielen Jahren wird über die Reform des Bildungswesens system insgesamt sind Versäumnisse von Jahrzehnten zu gesprochen – erst die Pandemie hat jedoch gezeigt, wie groß konstatieren, die von Innovations- und Veränderungsresis- und wie dringlich der Handlungs- und Veränderungsbedarf tenz, von Ideenlosigkeit und von der Mutlosigkeit, Neues nicht nur beim Thema Digitalisierung ist. Der Bürgerrat Bil- zu wagen, geprägt sind. dung und Lernen möchte Ideen für ein zukunftsfähiges Bil- Hinzu kommen Kompetenzstreitigkeiten im föderalen dungssystem entwickeln und diese als Empfehlungen an poli- System, innerhalb der Kultusministerkonferenz sowie zwi- tisch Verantwortliche auf den unterschiedlichen föderalen schen Bund, Ländern und Kommunen, die die Sachdiskus- Ebenen weitergeben. Ins Leben gerufen wurde der Bürger- sion zusätzlich erschweren. Dazu passt, dass ein im letzten rat Bildung und Lernen von der Montag Stiftung Denkwerk- Koalitionsvertrag geplanter „Nationaler Bildungsrat“ ge- statt in Bonn. Mit deren Vorstand Dr. Karl-Heinz Imhäuser scheitert und auf eine „Ständige Wissenschaftliche Kom- konnten Ulli Sommer und Sarah Winkler von der Wider Sense mission der KMK“ verengt worden ist. Will man die Pro- GmbH sowohl über das Format als auch über seine Entste- bleme im Bildungsbereich ernsthaft angehen, muss der hungsgeschichte und die Bedeutung des Projekts für die Stif- konventionelle Schulblick überwunden werden. Gerade tung sprechen. die Bildungspolitik braucht neue und vor allem viele Per- spektiven. Jeder Mensch hat mit Bildung und Lernen zu Wie und warum sind die Montag Stiftungen auf die Idee gekom- tun – ein Leben lang, nicht nur in der Schule. Diese Pers- men, einen solchen Bürgerrat zu initiieren? pektiven und Erfahrungen mit dem Bildungssystem müs- Dr. Karl-Heinz Imhäuser (KHI): Die Initiative, ein Format sen wahrgenommen und gehört werden. zur Bürgerbeteiligung zum Thema Bildung und Lernen ins Leben zu rufen, ist schon vor längerer Zeit entstan- Welche Ziele verfolgen die Montag Stiftungen mit dieser Idee? den. Die Montag Stiftungen stehen seit etwa drei Jahren KHI: Vorangestellt sei ganz ausdrücklich, dass die The- im Austausch mit verschiedenen Organisationen, Verbän- menfestlegung den Bürgerinnen und Bürgern obliegt. Die den, Ministerien, Bildungs- und Beteiligungsexperten. Das Montag Stiftung Denkwerkstatt versteht sich als Initia- 10 Stiftung&Sponsoring RS 03.21 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten torin und Gastgeberin des Bürgerrats Bildung und Ler- Nach welchen Prinzipien werden die beteiligten Bürgerinnen und nen und steht für die Prozessqualität, setzt jedoch selbst Bürger ausgewählt? keine Themen. Im Sinne des Leitbilds der Montag Stif- KHI: Die Zufallsauswahl erfolgt nach soziodemografi- tungen „Handeln und Gestalten in sozialer Verantwor- schen Kriterien, um eine möglichst heterogene Zusam- tung” geht es für uns besonders darum, Perspektiven- mensetzung des Bürgerdialogs zu gewährleisten, nach vielfalt zu fördern. Der Bürgerrat Bildung und Lernen Geschlecht, Alter, Bildungsstand und Regionen aus ganz soll neue, nachhaltige Impulse und Empfehlungen in die Deutschland. Ein Schwerpunkt liegt auf der jungen Gene- Bildungspolitik tragen. Ein Hauptziel ist es, möglichst al- ration für die Bürgerforen und das Jugendforum (im Al- len Menschen – auch Kindern und Jugendlichen – Teil- ter von 16 bis 27 Jahren). Ein zweiter Schwerpunkt liegt habe an gesellschaftlich relevanten Diskursen zum Bil- auf der Gewinnung von Bevölkerungsgruppen, die wenig dungswesen zu ermöglichen, um gemeinsam Lösungen oder keine Erfahrung mit Beteiligung haben. Ziel der Zu- und Ideen für eine demokratische, chancengerechte, zu- fallsauswahl ist (in jedem Durchgang der drei Jahre) ein kunftsfähige Bildung zu gestalten und den Verantwort- Querschnitt von über 500 Bürgerinnen und Bürgern aus lichen zuzuspielen. ganz Deutschland, die als sog. „Mini-Publik“ die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln. Welcher Ablauf ist für den Bürgerrat vorgesehen? KHI: Beim Bürgerrat Bildung und Lernen beraten über Und dieser Prozess sichert dann auch, dass die Perspektivenviel- 500 zufällig ausgeloste Teilnehmende aus ganz Deutsch- falt der Bürgerinnen und Bürger abgebildet wird bzw. Eingang land in mehreren Veranstaltungen, was getan werden findet in den Prozess? muss, um die Situation in den verschiedensten Bildungs- KHI: Ja, das ist eines der charakteristischen Merkmale in DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 einrichtungen zu verbessern. Ein Durchlauf vom Online- einem dialogischen Meinungsbildungsprozess. Das sog. Dialog über den Vorbereitungsworkshop, die Bürger- und deliberative Verfahren setzt voraus, dass die Beteiligten Jugendforen, den Bürgerrat bis zum Bürgergipfel dauert gut informiert sind und unterschiedliche Blickwinkel ver- jeweils ein Jahr. Der nächste Meilenstein in diesem Jahr treten. So wird ein Urteil möglich, worüber in der Sa- ist – nach einem Online-Dialog und einem Vorbereitungs- che Einigkeit besteht, aber auch was keine breite Über- workshop – das große virtuelle Bürger- und Jugendfo- einstimmung findet. Nach diesem Aushandlungsprozess rum Ende Mai mit 500 zufällig ausgewählten Menschen. sprechen die Bürgerinnen und Bürger informierte und Der Bürgerrat mit 100 Teilnehmenden tagt im September, abgewogene Empfehlungen aus. Demokratie schließt und im November werden die Ideen und Empfehlungen nach dem Grundgesetz nicht nur Mehrheitsentscheidun- den Verantwortlichen auf Bundes-, Länder- und kommu- gen, sondern gleichwertig einen Minderheitenschutz ein. naler Ebene übergeben. Auch das kann vielleicht ein Bürgerrat ermöglichen: Eine offenere Gesellschaft, die nicht ständig auf die Stimme derjenigen hört, die sich am besten artikulieren können, © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) sondern wirklich daran arbeitet, allen Teilhabe am Dis- kurs und am Zustandekommen von Entscheidungen zu ermöglichen. Wie genau kann das beispielsweise für Kinder und Jugendliche ge- lingen, die die zentralen Zielgruppen des Bildungssystems sind? KHI: Jugendliche ab 16 Jahren werden ebenso wie die voll- jährigen Bürgerinnen und Bürger per Zufallsauswahl ge- funden und nehmen am Bürger- und Jugendforum teil. Für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sind ab Sommer in Kooperation mit verschiedenen Schulen fünf Werkstätten geplant, in deren Rahmen die Kinder und Jugendlichen in einem moderierten Prozess eigene Per- spektiven zum Thema Bildung und Lernen entwickeln. Auch wird es einen eigenen Ergebnisbericht der Kinder- und Jugendbeteiligung geben. Außerdem hatten Kinder und Jugendliche aller Altersstufen die Möglichkeit, sich am offenen Online-Dialog zu beteiligen, der bis Ende Fe- bruar 2021 lief. © Montag Stiftung Denkwerkstatt / Elke Hanisch Warum wurde von Beginn an ein dreijähriger Prozess für den Bürgerrat Bildung und Lernen angelegt? KHI: Langfristig ist es unser Ziel, den Bürgerrat Bildung und Lernen als feste Größe in der Bildungslandschaft zu verankern: Als neuen Akteur, der „gehört“ wird und der Empfehlungen ausspricht, die auch in laufenden Legis- laturperioden Debattenthema sein können. Stiftung&Sponsoring RS 03.21 11 587013053879
Lizenziert für Frau Anne Marie Jacob Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Rote Seiten Anders als andere Bürgerräte ist der Bürgerrat Bildung und Ler- Wenn wir ein wenig in die Zukunft schauen – was wäre Ihr Wunsch nen nicht durch einen parlamentarischen Auftrag entstanden und für das Projekt Bürgerrat Bildung und Lernen, wo möchten Sie nicht in ein parlamentarisches Verfahren eingebunden. Wie schät- und die Stiftung gerne heute in einem Jahr stehen? zen Sie die Chancen ein, Gehör und Interesse für die Ergebnisse bei KHI: Ich würde mir wünschen, dass es uns in Zusammen- verantwortlichen politischen Akteuren zu finden? arbeit mit unseren enorm engagierten Dienstleister-/ KHI: Welche Aus- und Nebenwirkungen zu erwarten sind, innen, die die Beteiligungsprozesse organisieren und lässt sich nicht pauschal vorhersagen, dazu ist das Thema moderieren, kommunikativ begleiten und evaluieren, ge- viel zu komplex. Eine Einbindung des Bürgerrats Bildung lungen ist, den Bürgerrat Bildung und Lernen so bekannt und Lernen in die parlamentarischen Entscheidungspro- zu machen, dass dieser neue Diskursakteur von nieman- zeduren von 16 Bundesländern wäre gar nicht möglich. dem mehr ignoriert werden kann, Doch das Thema ist für alle Menschen relevant und le- ⁄ weil er mit seinen Empfehlungen einen wichtigen bensnah – unabhängig vom Bundesland. Und wenn ein Beitrag zur Weiterentwicklung unseres Bildungssys- Bürgerrat „Bildung und Lernen“ neue Blicke auf den Bil- tems für die Zeit nach der Corona-Pandemie leistet; dungsalltag und seine Schwächen eröffnet und fundierte ⁄ weil seine Empfehlungen bisher zu wenig oder gar Empfehlungen ausspricht, stellt sich die Frage, inwieweit nicht beachtete Perspektiven in die „Arenen“ der politische Akteur/-innen diese ignorieren können. Auch Auseinandersetzung über die Frage der Zukunftsge- kann das Verfahren eine Blaupause für Beratungen von staltung unseres Bildungssystems einbringt; Landesparlamenten sein, die für Bürgerbeteiligung auf- ⁄ weil er substanzielle Beiträge zur Frage der Gerech- geschlossen sind. tigkeit unseres Bildungssystems für die nachfolgende Generation vorschlägt, die die sozialen, ökonomi- DOI: 10.37307/j.2366-2913.2021.03.24 Wie hoch ist der Stellenwert, den Sie dem Vorhaben im Kontext schen, ökologischen und kulturellen Träger/-innen der Stiftungsaktivitäten beimessen? für die Zukunft unserer Gesellschaft hervorbringen KHI: Die Projekte in allen Handlungsfeldern der Montag wird. Stiftungen sind grundsätzlich so konzipiert, dass sie pro- zessorientiert gemeinsam mit allen Beteiligten entwickelt Kurz & knapp werden, denn gesellschaftliche Teilhabe und Inklusion sind wesentliche Werte unserer Stiftungsgruppe. Allein Im Sinne des Leitbilds „Handeln und Gestalten in sozia- deshalb sind wir an der Weiterentwicklung von Beteili- ler Verantwortung” ist die Förderung von Perspektiven- gungsformaten interessiert. Der Bürgerrat Bildung und vielfalt ein wichtiges Anliegen der Montag Stiftungen, das Lernen ist hier wiederum die konsequente Fortsetzung sich insbesondere in dem auf zunächst drei Jahre ange- der Ideenwerkstatt „Wie wollen wir leben“ – ein Format, legten Projekt Bürgerrat Bildung und Lernen widerspie- das die Montag Stiftung Denkwerkstatt bereits 2018 er- gelt. Der Bürgerrat soll neue, nachhaltige Impulse und probt hat. Empfehlungen in die Bildungspolitik tragen. Ein Haupt- © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 - (myesv.info) - 15.06.2021 - 13:20 - (ds) Das berührt im Übrigen auch zentral die Thematik von ziel ist es, möglichst allen Menschen – auch Kindern und Stiftungsgovernance. Im Kontext des Bürgerrats Bildung Jugendlichen – Teilhabe an gesellschaftlich relevanten und Lernen wird ja bewusst darauf verzichtet, seitens der Diskursen zum Bildungswesen zu ermöglichen. Dabei Stiftung eine Agenda zu setzen und deren Durchbringung erfolgt die Zufallsauswahl der Beteiligten nach soziode- von A bis Z zu planen, zu strukturieren und zu steuern. mografischen Kriterien, um eine möglichst heterogene Wir sehen uns eher als Türöffner, um damit zusammen- Zusammensetzung des Bürgerdialogs zu gewährleisten, hängende Fragestellungen aufzuwerfen und in den Dis- nach Geschlecht, Alter, Bildungsstand und Regionen aus kurs über Stiftungsgovernance einzubringen. ganz Deutschland. Webinar 9. September 2021, 10-12 Uhr Digitalisierung in und von Stiftungen O Verstetigung der Digitalisierung O Lektionen aus der pandemiebedingten Digitalisierung für die Zukunft O Technik, Schulung, Expertise O Perspektiven O Rahmenbedingungen: Arbeitsrecht, Datenschutz, … O Auswirkungen auf die Stiftungsarbeit im Alltag www.ESV-Akademie.de/newsletter Jetzt zum S&S-Sonderpreis anmelden: twitter.com/ESV_Akademie www.ESV-Akademie.de/stiftungdigital 12 Stiftung&Sponsoring RS 03.21 587013053879
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