KULTUR-KONZEPT 2021 - Appenzell Ausserrhoden
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INHALT 3 Ouvertüre Vorwort 7 Repertoire Grundsätze der Kulturpolitik, Leitsätze der Fördertätigkeit 13 Reprise Schwerpunkte und Meilensteine der letzten vier Jahre, Evaluation 2019 25 Entr’acte Schlüsselthemen und Spannungsfelder der staatlichen Kulturpolitik aus Sicht des Kulturrates 31 Orchestrierung Zusammenspiel von Partner*innen, Strukturen und Finanzen der Kultur- förderung von Appenzell Ausserrhoden 35 Instrumentierung Rundgang durch die Instanzen 41 Zukunftsmusik Sieben Schwerpunkte für die Jahre 2021 bis 2024 45 Anhang / Register
E O U V E RT Ü R
Vo r w o r t Geschätzte Damen und Herren In den Grundzügen wird viel Bewährtes weitergeführt. So setzt das vorliegende Das vierte Kulturkonzept liegt in Ihrer Konzept wie bisher auf sieben Kapitel. In- Hand und es freut mich sehr, Sie mit einlei- haltliche Orientierung geben Begriffe aus tenden Worten darauf einzustimmen. der Welt der Musik. Das Kulturkonzept kon- kretisiert, was in den gesetzlichen Grund- Im Regierungsprogramm 2020 bis 2023 lagen festgehalten ist. Kulturförderungsge- sind Ziele für das gesellschaftliche Zusam- setz und Kulturförderungsverordnung sind menleben formuliert. Begriffe wie Partizi- so geschaffen, dass sie auf einen längeren pation, Offenheit, Vielfalt oder Individuali- Zeitraum Bestand haben. Das ergänzende tät werden dabei direkt mit dem kulturellen Kulturkonzept hingegen ist bewusst auf Leben in Appenzell Ausserhoden in Ver eine vierjährige Legislatur ausgerichtet bindung gebracht. Ausgehend von dieser und lässt damit Weichenstellungen für ei- übergeordneten Zielsetzung formuliert das nen begrenzten Zeitraum zu. Vier Jahre Kulturkonzept 2021 die Umsetzung der Kul- sind ein guter Horizont, um Schwerpunkte turpolitik des Regierungsrates. zu formulieren, sie umzusetzen und allen- falls für das nächste Kulturkonzept wiede- rum neue Akzente zu setzen. Vieles, was beim ersten Kulturkonzept 2008 noch Behauptung war, hat sich mitt- lerweile als zielführend und zukunftsge- richtet erwiesen. Zum Beispiel, dass für freie Projekte genügend Mittel zur Verfü- gung stehen müssen, oder dass es keinen Sinn macht, Fördergefässe nach Sparten aufzuteilen oder differenzierte Ausschluss- kriterien zu schaffen. Die bestehenden Grundlagen ermöglichen, auf aktuelle Ent- wicklungen zeitgerecht zu reagieren, las- sen auch unkonventionelle Projekte zu und setzen damit Impulse für die Zukunft. 3 OU VERTÜ RE
Nachdem ich im letzten Kulturkonzept zum ersten Mal als Vorsteher des damals neuen Departementes Bildung und Kultur zu Wort kam, darf ich heute auf eine gelungene Neuausrichtung des Departementes zu- rückblicken. Die damals erhofften Syner- gien zwischen Bildung und Kultur sind zu- stande gekommen, und es zeigt sich ver- Neu kommt auch die Lagebeurteilung des mehrt, dass Künstlerinnen und Künstler Kulturrates in einem eigenen Kapitel zum bereits während ihrer Schulzeit zum ersten Zug. Der Rat benennt dort Spannungs- Mal in Erscheinung treten. Damit wird deut- felder, denen wir uns nicht verschliessen lich, dass sowohl Bildungs- wie auch Kultur- können und die gerade in den Zeiten der ausgaben Investitionen in die Zukunft sind. Corona-Pandemie viel stärker zu Tage tre- ten. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass Kultur ist im Alltag von Appenzell Ausser gerade in dieser Ausnahmesituation die da- rhoden stark präsent. Wir sind stolz auf un- für zur Verfügung gestellten Fördergelder ser Brauchtum, auf unsere Traditionen, auf eine enorm wichtige Unterstützung für die Gesang und Volksmusik, die bei verschie- Kulturschaffenden und die Kulturunterneh- denen Gelegenheiten eine tragende Atmo- men im Kanton sind. Kultur ist systemrele- sphäre schaffen. Dies ist Teil der appenzel- vant. Sie nimmt im gesellschaftlichen Zu- lischen Identität. Weniger präsent im Alltag sammenhang eine zentrale Position ein. ist die Tatsache, dass Appenzell Ausserrho- Kultur ist eine wichtige Trägerin für soziale den im Verhältnis zur Grösse des Kantons Kontakte. Diese sind die ganz grundsätz- liche Basis für den Zusammenhalt der Be- völkerung und deren gesellschaftliche Ent- wicklung. Darum ist mir die Unterstützung der Kultur, der Kulturschaffenden und der Kulturunternehmen, die in dieser Krise be- sonders betroffen sind, ein grosses Anliegen. OU V E RTÜ R E 4
Für die Realisierung des Projektes war die Kultur förderung neben einer namhaften Sponsoring- zusage wohl der entscheidende Kick. Vom Moment des positiven Bescheides an wussten wir, dass wir es stemmen können. (…) Ich wünsche mir, dass die Kulturförderung nicht ausschliesslich mit Professionalisierung und damit mit einer stets wach senden Administration einhergeht, sondern dass sie im Alltag Platz hat. W ER N ER H U G EN ER , SC H Ö TZ E- C H Ö R LI ST EI N AR eine hohe Zahl Künstlerinnen und Künstler vorzuweisen hat, die mit ihrem Schaffen wesentliche Impulse setzen und auch auf nationalem und internationalem Parkett immer wieder viel Anerkennung finden. Auf beides bin ich stolz, beides gibt mir die Legitimation, als Kulturdirektor im kanto- nalen, nationalen und internationalen Kon- text den Kanton selbstbewusst zu vertre- ten. Eines der im Kulturkonzept formu- lierten Hauptanliegen, nämlich das Span- nungsfeld zwischen traditioneller Kultur und Den roten Faden durch das Kulturkonzept zeitgenössischem künstlerischen Schaffen bilden Statements von Kulturschaffenden, als Quelle der Energie und der Bereiche- wie sie die Zusammenarbeit mit dem Amt rung zu verstehen, wird hierzulande ganz für Kultur erleben. Diese Zitate wie auch die einfach umgesetzt und praktisch gelebt; umfassende Evaluation der Kulturförde- ein stimmiges Gleichgewicht, meine ich. rung der Aufbauphase von 2007 bis 2017 zeigen, dass die kantonale Kulturförderung Die zehn Leitsätze und die drei Hauptanlie- wirkt und insbesondere der einfache und gen, die vor über zehn Jahren formuliert persönliche Zugang zur Verwaltung ge- wurden, haben im Kern bis heute Bestand schätzt wird. Er erlaubt einen offenen und und sind eine gute Grundlage, um auf die gegenseitig befruchtenden Austausch. Ich Herausforderungen der Zeit zu reagieren. bin überzeugt, dass es sich lohnt, diesen Hoffen wir, dass auch die sieben Schwer- Weg gemeinsam, konsequent und mit Res punkte, die für die nächsten vier Jahre ge- pekt weiterzugehen. setzt sind, sich als ebenso wirksam und richtig erweisen werden. Im November 2020, Alfred Stricker, Landammann und Departementsvorsteher Bildung und Kultur 5 OU VERTÜ RE
E R E P E R T O IR
ig k e it L e it s ä tz e d e r F ö rd e r t ä t , der Ku lt u r p o li t ik G r u n d s ä tz e Die Rolle des Kantons Appenzell Ausser rhoden in der Kulturförderung ist durch das Kulturförderungsgesetz und die Kul- turförderungsverordnung festgeschrieben. Sie verpflichten den Kanton zu drei kon- kreten Hauptaufgaben: Dies hier ist – nach 2008, 2012 und 2016 – – Kulturpflege das vierte Kulturkonzept von Appenzell – Förderung des aktuellen Kulturschaffens Ausserrhoden. Und wie der Evaluationsbe- – Förderung der Kulturvermittlung richt vom Mai 2019 aufzeigt, der im nächs ten Kapitel etwas ausführlicher betrachtet Dieses vierte Kulturkonzept, das wegen der Der Kanton setzt sich für eine lebendige wird, haben sich die rechtlichen und struk- Abstimmung auf die Legislatur erst 2021 Auseinandersetzung mit dem überlieferten turellen Grundlagen bewährt und es drän- erscheint, setzt auf ein bewährtes Reper- Kulturgut und für ein vielfältiges kultu- gen sich keine grundlegenden Änderungen toire. Es entspringt den kulturpolitischen relles Leben ein. Denn Kunst und Kultur des Fördersystems auf. Was sich also in den Leitlinien, die seit 2006 im Kulturförde- spielen eine zentrale Rolle für jede Gesell- vergangenen vierzehn Jahren gesund ent- rungsgesetz und in der Kulturförderungs- schaft und also auch für Appenzell Ausser wickelt, sukzessive eingespielt, moderat verordnung formuliert sind, und zeigt auf, rhoden. Diese drei Hauptaufgaben nimmt angepasst und in der alltäglichen Praxis wie diese Gesetzesgrundlagen umgesetzt der Kanton in Partnerschaft mit den Ge- gut bewährt hat, ist nahezu eine Selbstver- werden. Zudem formuliert das Kulturkon- meinden, mit den umliegenden Kantonen ständlichkeit geworden. Dass dies alles an- zept 2021 erneut die Leitsätze und die und dem Bund sowie mit privaten Kultur dere als selbstverständlich ist, zeigen die Schwerpunkte der Kulturförderung der förderern auf mehreren Ebenen wahr. teils hitzigen Diskussionen um die Struk- nächsten vier Jahre. Es prüft, inwiefern die turen und Entscheide der Kulturförderung Schwerpunkte der vergangenen fünf Jahre in anderen Kantonen und Gemeinden der erfüllt und welche Meilensteine realisiert Schweiz in jüngerer Vergangenheit. wurden. Es definiert und erläutert das or- chestrierte Zusammenspiel der Kulturför- derung mit all ihren Gremien, Strukturen und Instrumenten. Darum ist es auch kon- sequent, dass das Kulturkonzept als Pla- nungsinstrument rechtlich in der Kulturför- derungsverordnung verankert wurde. 7 R E P ERTOIRE
Das Eindrücklichste und Bemerkenswerteste in der Zusammenarbeit mit der Kulturförderung Appenzell Ausserrhoden sind für mich der Umgang und die Offenheit gegenüber dem Fremden, dem in die Ferne Gezogenen und dem anders Gewordenen. Vor über dreissig Jahren habe ich meine St. Galler und Appenzeller Heimat verlassen. Sowohl auf privater und als auch auf beruflicher Ebene habe ich mich stets bemüht, dieses Beziehungsgeflecht auf- rechtzuerhalten und auszudehnen. Nirgendwo ist mir das aber so leicht gemacht worden wie mit den Beteiligten im Kanton Appenzell Ausserrhoden, vor allem in den letzten Jahren. Der Umstand des Abtrünnigen, des in die Welt Gezogenen wurde nicht beleidigt aufgenommen, sondern als eine grosse ER STL KÜN Bereicherung aufgefasst. ER, ICK S STR Aktuelles Kulturschaffen TH OMA Für ein Gemeinwesen wie Appenzell Ausser rhoden trägt ein vielfältiges, engagiertes Kulturleben entscheidend zur Orientierung und Diskussion über gesellschaftliche Werte bei. Es fördert die Attraktivität des Stand- ortes und regt den Tourismus ebenso an wie den Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturpflege Bevölkerungsgruppen. Und nicht zuletzt Die Pflege des kulturellen Erbes ist eine bietet ein attraktives Kulturleben auch Un- zentrale Aufgabe. Kultur blickt hier zurück, terhaltung und bereitet Freude. Den keines- leistet Erinnerungsarbeit, hält fest und falls zu unterschätzenden wirtschaftlichen pflegt das Althergebrachte. Sie fördert Aus- Nutzen von Kultur bezeugen zahlreiche Stu- einandersetzung und Diskurs, regt uns für dien. Jeder staatliche Kulturfranken, der die Gegenwart, aber auch die Zukunft an. ausgegeben wird, kommt mehrfach zurück. Der Kanton führt in eigener Verantwortung Darum betreiben auch Gemeinwesen in drei Institutionen unter dem Dach des Amts ländlichen Regionen der Schweiz längst für Kultur: die Kantonsbibliothek und die eine aktive Kulturpolitik. Denkmalpflege sowie das Staatsarchiv, das Die Mittel für die Förderung des aktuellen organisatorisch bei der Kantonskanzlei an- Kulturschaffens stehen mit dem Kultur- gesiedelt ist. Im Rahmen von Leistungsver- fonds zur Verfügung. Dieser wird in erster einbarungen, die auf vier Jahre ausgelegt Linie aus Lotteriefonds-Geldern gespiesen. sind, erhalten zudem mehrere Institutionen Der Kanton unterstützt damit Kulturpro- jährliche Beiträge, welche sich teils der jekte nach festgelegten Kriterien und ist so Pflege des Kulturerbes, teils dem zeitgenös- gemeinsam mit den Gemeinden ein Garant sischen Schaffen widmen (vgl. Anhang 4). für eine kulturelle Vielfalt. R E PE RTOI R E 8
Auf Gesuche kam mir nie nur ein Ja oder Nein zur Ant wort, vielmehr wurde ich auch für das weitere Vor- g ehen beraten. Ich habe das sehr geschätzt. Bei aller Kulturdichte nahm man sich Zeit für meine Anliegen. Ich bin auf Interesse, Verständnis und Offenheit für meine künstlerischen Kurven und Wege gestossen. TE JEK NZ P RO , TA F R ANK G I SA Kulturvermittlung Das Bestreben, Kultur möglichst breiten Teilen der Bevölkerung nicht nur zugäng- lich, sondern vertraut zu machen, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewon- nen. Auch national gehört die Kulturver- mittlung zu den wichtigen Pfeilern der Kul- turpolitik. Appenzell Ausserrhoden hat die- sem Anliegen eine zentrale Rolle gegeben, indem die Kulturvermittlung in allen voran- gegangenen Kulturkonzepten als einer von sieben Schwerpunkten definiert war; aus HAUPTANLIEGEN guten Gründen hat sie wiederum Eingang DER KULTURFÖRDERUNG in die formulierten Ziele bis 2024 gefunden. Die zehn Leitsätze der Kulturförderung, wie Auf einer mehr ideellen Ebene versteht sie seit dem ersten Kulturkonzept festgelegt sich der Kanton als ein Kompetenzzentrum wurden, sind vom aktuellen Kulturrat kri- in Kulturfragen und als Anwalt der Kultur. tisch geprüft und bestätigt worden. Sie bil- Das Amt für Kultur ist Anlaufstelle für den die entscheidenden Leitplanken der För- Fachfragen, fungiert als Schnittstelle zu derpraxis für die Legislatur 2021 bis 2024. den Gemeinden, zum Bund und zu Privaten und ist für Kooperationen unter den Kan- Die Leitsätze und Hauptanliegen gelten tonen und im Bodenseeraum zuständig. Es praktisch unverändert weiter. Gemeinsam vermittelt zwischen Kulturschaffenden, In- bilden sie die entscheidenden Leitplanken stitutionen und Veranstaltern (auch über für die Förderpraxis. Die Kulturförderung un- die Kantonsgrenzen hinweg), koordiniert terstützt ideell und materiell Kulturschaffen- Informationen und trägt so zur Vernetzung de und Kulturinstitutionen. Sie ist in den Be- der Kulturlandschaft bei. Das Amt für Kul- reichen Vermittlung, Vernetzung, Koordina- tur pflegt die Zusammenarbeit auch inner- tion und Beratung tätig. halb der Verwaltung. Im Auftrag der Regie- Drei Hauptanliegen stehen dabei im Zentrum: rung legen Amt für Kultur und Kulturrat die – Die «kulturelle Streusiedlung», als das Grundzüge der Kulturpolitik fest und kön- charakteristische Merkmal des Kulturle- nen thematische Schwerpunkte setzen. bens im Kanton, durch Kooperationen und Netzwerke zu erhalten und zu stärken. – Dem inspirierenden Spannungsfeld zwi- schen Volkskultur und zeitgenössischen Kunstformen besondere Beachtung zu schenken. – Möglichst viele Bevölkerungsgruppen zur Auseinandersetzung mit Kultur anzure- gen und kooperative Modelle kultureller Eigenaktivitäten zu unterstützen. 9 R E P E RTOIRE
Meine Zusammenarbeit mit dem Amt für Kultur war sehr zufriedenstellend und vor allem notwendig. Ich erhielt einen grosszügigen Produktionsbeitrag für die Fertigstellung meiner Publikation «Signal The Future», an der ich knapp zehn Jahre gearbeitet hatte. Der Aufwand, um das gesamte Budget der Publikation aufzutreiben, war immens. Denn das Buch erfüllte aufgrund des komplexen und binationalen Inhaltes (UK, Schweiz) bei vielen Förderstiftungen die Eingabekriterien nicht. Weitaus offener hingegen zeigte sich das Amt für Kultur Appenzell Ausserrhoden. Ich erhielt die Zusage zur finanziellen Unterstützung – die Arbeit zu meinem Buch konnte beginnen. G EO R G GATSAS , KÜNS T LER Die 10 Leitsätze 1 Der Kanton sichert die kulturelle Grund- versorgung (Service public). 2 Der Kanton fördert die Pflege der kultu- rellen Eigenart und Vielfalt. 3 Der Kanton fördert das künstlerische Schaffen sowie die Pflege des kulturel- len Erbes und unterstützt die Auseinan- dersetzung mit Kunst und Kultur. 4 Der Kanton fördert die Kulturvermitt- All dies trägt aktiv dazu bei, die individuelle lung, den Kulturaustausch und die Ver- kulturelle Wachheit und Bewegung zu stär- netzung aller Akteur*innen der Kultur- ken und das kollektive kulturelle Profil des landschaft. Kantons zu schärfen. Zugleich ist es Vor 5 Die Kulturförderung schafft und ermög- aussetzung dafür, dass wir als Gesellschaft licht Freiräume. mit dem hohen Tempo der Veränderungen 6 Die Kulturförderung trägt zu einem Kli- und Tendenzen der Gegenwart geistig mit- ma der Kreativität und der Auseinan- halten können. dersetzung bei. 7 Die Kulturförderung setzt auf künstle- Eine Reihe von institutionellen Förderins- rische Qualität und fördert diese nach trumenten gehören mittlerweile zum festen ausgewiesenen Kriterien. Bestand des hiesigen Kulturlebens: die Pu- 8 Die Kulturförderung achtet die gesell- blikation «Obacht Kultur», die alljährliche schaftliche Diversität und unterstützt ins- Kulturbegegnung im November oder die besondere Projekte, die den gesellschaft- Museumskoordination. Die Entwicklung die- lichen Zusammenhalt und das nichtkom- ser Instrumente sowie die Pflege der inner- merzielle Kunstschaffen fördern. und ausserkantonalen Netzwerke werden 9 Der Kanton kann eigene kulturelle Auf- weiterhin eine wichtige Rolle spielen. tritte und Projekte realisieren. Ein zentrales Anliegen bleibt der Anspruch, 10 Die Kulturförderung stärkt das kulturelle auch jene Bevölkerungskreise anzuspre- Profil des Kantons und trägt damit zur chen, die bisher dem Kulturbetrieb eher Standortattraktivität und touristischen ferngeblieben sind. Dahinter steht die Anziehungskraft bei. Überzeugung, dass Kultur ein vorzügliches R E PE RTOI R E 10
Vor zehn Jahren durfte ich fürs Radio SRF das grossartige Buch «Vo Ärbet, Gsang ond Liebi» vom Herisauer Walter Rotach lesen. Die Geschichte vom armen Mädchen Hatili aus Schwellbrunn, das während der Hungersnot 1817 auswandern musste, hat mich nicht mehr losgelassen. Es entstand die Idee einer Lesung und einer Tournee durch die Schweiz. Doch ich hatte keine Ahnung von Förderung, Anträgen usw. (…) So setzte ich mich nach einem Telefongespräch «mit dem Amt» hoffnungsvoll an mein erstes Unterstützungsgesuch. Mit der Zusage hatte ich den Mut, mit Musik und Geschichte im Rucksack auf Wanderschaft zu gehen. Als Greenhorn. Daraus wiederum wurde einiges wiederbelebt: die Mundart literatur sowie das vergriffene Buch, das Marcel Steiner vom Appenzeller Verlag prompt neu auflegte. Ganz nach dem Zitat aus dem Buch: «Defriili, wa nötzet di fiinschte Sächeli, wemme s nüd abbringt?» P H IL IP P LANG ENE G G E R, S C H AU S P IE L E R Medium ist, um gesellschaftliche Grenzen zu überwinden und der Gefahr ökonomisch- politischer Ausschlüsse entgegenzuwirken. Kunst und Kultur schaffen immer wieder neue Orte, an denen sich eine Gesellschaft ausprobieren und ihre Themen aushandeln kann. Orte des Diskurses und der Begeg- nung, Orte, die jüngst als «systemrelevant» erfahren wurden. Investitionen in solche Orte der Kultur sind somit nachhaltig und wichtig für den Zusammenhalt in der Ge- sellschaft. 11 R E PERTOIRE
E REPRIS
, t e n v i e r J a h re tz n s t e i n e der le dM eile w e r p u n kte u n DIE SCHWERPUNKTE 2016 BIS 2019 Sch 9 i o n 20 1 AUF DEM PRÜFSTAND E v a l u a t Ziel 1: Die Kulturförderung setzt einen Schwerpunkt im Bereich der Kulturver mittlung. Dieses Kapitel blickt auf die kulturpoli- Die Kulturvermittlungsplattform «kklick» tischen Schwerpunkte der letzten zwanzig ist aufgebaut und beispielhaft. Die Zugriffe Jahre zurück. Es evaluiert die sieben Ziele, sind stetig gewachsen. Glarus ist neu bei die im Kulturkonzept für die Jahre 2016 bis getreten und Vorarlberg sucht die Koopera- 2019 formuliert wurden. Ausserdem wird in tion. Die Integration von Freizeitangebo- diesem Kapitel an Meilensteine der letzten ten mittels «kkalender» musste aus Res- fünf Jahre erinnert und es werden die Er- sourcengründen wieder eingestellt werden. gebnisse und das Fazit zum Evaluationsbe- Doch mit der Teilnahme der Kantone Appen richt 2019 rekapituliert. Dieser stellt fest, zell Ausserrhoden, Thurgau und St. Gallen dass die Zahl der kulturellen Aktivitäten im am umfangreichen Projekt «Kulturagent* Kanton erfreulicherweise weiterhin zu- innen für kreative Schulen» der Stiftung nimmt. Landauf, landab findet Kunst und Mercator erfährt sowohl die Kultur in der Kultur statt, lokal verankert und von enga- Schule wie auch die Zusammenarbeit mit gierten Veranstalter*innen vermittelt. Das den beiden Kantonen eine weitere Stärkung. Engagement von Gemeinden und Privaten Die Bilanz fällt positiv aus. Der Schwer- trägt entscheidend zu einer dynamischen punkt soll fortgeführt werden und noch ei- Kulturpolitik bei, darum gehorcht die kan- nen Schritt weiter gehen. Die Kulturver- tonale Kulturförderung weiterhin dem be- mittlung soll aktiv Menschen mit besonde- währten Grundsatz der Subsidiarität. Das ren Bedürfnissen ansprechen. Damit soll heisst: Priorität haben im Bereich der Kul- die Teilhabe aller an der Kultur besonders turförderung die Privaten und die Gemein- unterstützt werden. den. Der Kanton engagiert sich ergänzend, koordinierend, vermittelnd sowie dort, wo es um überlokale und überregionale kultu- relle Initiativen geht. 13 R E PRIS E
Ziel 2: Die Kulturförderung setzt einen Ziel 3: Die Kulturförderung setzt einen Schwerpunkt im Bereich der Literatur. Schwerpunkt im Bereich der Musik. Zwei erfolgreiche Schreibwettbewerbe wur- Es zeigte sich, dass die Vernetzung zwi- den durchgeführt, wobei es in Kooperation schen unterschiedlichen Musiksparten und mit den Regionalbibliotheken zu schönen Formationen auch ohne Zutun des Amts Begegnungen zwischen Publikum und Au stattfindet. Die Kompositionsförderung hat tor*innen kam. Erste Erfahrungen mit dem eine Verzögerung erfahren, wurde aber in neuen, kooperativen Fördermodell «Buch der zweiten Hälfte 2019 umgesetzt. Die und Literatur Ost+» der KBK-Ost sind sehr Überprüfung der Förderpraxis hat zu einer positiv. Die Kooperationen unter Akteur* Veränderung der Unterstützung von CDs Ziel 5: Die Kulturförderung unterstützt innen des Literaturbetriebs wurden durch und von Einzelkonzerten geführt. Analog den Aufbau von Räumen für künstleri die Unterstützung von konkreten Projekten zur Literatur soll die Kreation in der Musik sches Schaffen und Präsentationen. gefördert, unter anderem «Buch und Lite- künftig weiter gefördert werden. Die Umsetzung dieses Schwerpunktes ist ratur Ost+» und das Festival «Wortlaut». an verschiedenen Umständen gescheitert, Innerhalb des Schwerpunkts scheint be Ziel 4: Die Kulturförderung stärkt und darunter das Fehlen geeigneter Räumlich- sonders die Kreation wichtig. Diese soll wei vertieft die Kooperation unter den Mu keiten. Mit der Ausstellung «Tu was du ter gefördert werden und in einen neuen seen. willst. Sinnsuche in Stein» wurden Bestän- Schwerpunkt münden. Darin integriert wer- Die Kooperation unter den Museen wurde de der Kantonsbibliothek öffentlich ge- den kann unter anderem auch die Initiative mit konkreten Projekten gefördert und un- macht. Ein Ausstellungsprojekt mit Bestän- «Literaturland». Wünschenswert wären in terstützt, insbesondere der erfolgreichen den der kantonalen Kunstsammlung wurde diesem Rahmen auch Workshop-Program Ausstellung «iigfädlet» inklusive einer Be- mangels geeigneter Räume noch nicht ver- me für Autor*innen. gleitpublikation. Die Auswertung der Mu wirklicht. Hingegen werden die Ankäufe seumsstrategie von 2011 bis 2017 kommt seit 2006 in einem «Obacht Kultur» vorge- insgesamt zu einem positiven Ergebnis, stellt. Der Schwerpunkt soll gestrichen und darauf aufbauend hat der Regierungsrat erst wieder aufgenommen werden, wenn die Fortsetzung der Museumsstrategie von ein konkretes Projekt beziehungsweise 2018 bis 2023 verabschiedet; sie sieht in Haus da ist oder eine Personengruppe sich den grossen Linien primär eine Konsolidie- aktiv darum bemüht. Die Absicht soll aber rung vor. Das beabsichtigte gemeinsame im neuen Kulturkonzept weiterhin formu- Kuratorium von Stein und Urnäsch ist nach liert sein. mehreren gescheiterten Versuchen been- det worden. Hingegen wurde eine Mach- barkeitsstudie für ein kantonales oder kan- tonsnahes Museum durchgeführt. Mitte 2020 gab das Departement Bildung und Kultur dazu eine Vorstudie in Auftrag. Der Schwerpunkt soll deshalb fortgeführt wer- den, eine weitere Gemeinschaftsausstel- lung wäre wünschenswert. R E PR I SE 14
Die Unterstützung geht über das Finanzielle hinaus. Wir nehmen das Amt als eigentliches Kompetenzzentrum wahr, das auch Informationen liefert, die nicht direkt mit seinen Aufgaben zu tun haben. (…) Wir ziehen auch unseren Hut davor, wie das Amt während der Corona- Krise reagiert hat. Auch da erlebte man, wie sehr die Kultur den Mitarbeiter*innen eine Herzensangelegenheit ist und nicht bloss eine Verwaltungsaufgabe. Dieses Engagement spüren wir in jeder Art der Kommunikation mit dem Amt, und das finden wir sehr berührend. D E D E UX O M PAG N IE PAS TO R R E , C N D M A R T IN D E L A L IN E U Ziel 6: Die Kulturförderung setzt sich für Ziel 7: Die Kulturförderung sensibilisiert die Weiterführung und den Ausbau der für die Bedeutung der Kultur, die den Zu Kulturlandsgemeinde als einzigartiges sammenhalt der Gesellschaft stärkt. Fest ival ein. Der Schwerpunkt brachte vor allem indi- Die Konsolidierung ist erfolgt, ebenso wie rekte Ergebnisse wie beispielsweise den die Klärung der Strukturen und der Rolle Beitrag an das Projekt «Begegnung mit ge- des Amts für Kultur. Die neue Organisation flüchteten Kunstschaffenden». Die Sensi- wurde implementiert. Die Klärung der Fi- bilisierung des Verständnisses von Kunst nanzierung nach 2019 steht noch aus. Das und Kultur wird unter anderem mit «Obacht Ziel soll in einem neuen Schwerpunkt inte- Kultur» kontinuierlich geleistet. Wo immer griert werden. Der Kulturrat spricht sich möglich werden Zugewanderte im «Obacht» einstimmig dafür aus, dass die Kulturlands- oder in der Kulturlandsgemeinde einbe gemeinde weiterbestehen soll. Sie ist wich- zogen. Der Schwerpunkt soll fortgeführt tig für den Kanton und besitzt eine überre- werden. gionale Ausstrahlung. Das Festival ist ein Leuchtturm mit einer einzigartigen Atmo- sphäre und soll mindestens im gleichen Rahmen weitergeführt werden. 15 R E PRIS E
16,1 % Staatsarchiv 23,5 % IKZAV 13,6 % Kantonsbibliothek 10,9 % Denkmalpflege AUFGEWENDETE MITTEL 28,5 % Kulturförderung FÜR DIE KULTUR UND DIE KULTUR- 7,4 % FÖRDERUNG 2016 BIS 2019 Amt für Kultur Bei den Kulturausgaben gilt es zu unter- Kulturausgaben 2016 bis 2019 auf Aufgabenbereiche verteilt scheiden zwischen den Aufwendungen, die (Zahlen aus Staatsrechnung einerseits alle Einrichtungen des Kantons 2016 bis 2019) zur Kulturförderung und Kulturerhaltung umfassen, und den Ausgaben, die anderer- seits reine Kulturfördermittel sind, also für die Unterstützung von Vorhaben und Insti- tutionen Dritter eingesetzt werden. Der Kanton hat in den vier Jahren (2016 bis 2019) insgesamt 20 348 883 Franken für die Kultur aufgewendet, was einen jähr- lichen Durchschnitt von 5 087 220.27 Fran- ken ergibt. Aufgeschlüsselt nach Aufga- benbereichen verteilen sich die kantonalen Verwendung der Kulturausgaben für die Jahre 2016 bis 2019 Kulturfördermittel (inklusive Lohnkosten) wie folgt: Das Staatsarchiv ist im Kulturförderungs- Betrachtet man den Bereich der direkten Staatsarchiv CHF 2 026 346 gesetz als kulturelle Einrichtung des Kan- Kulturförderung (ohne Lohnkosten) wäh- Kantonsbibliothek CHF 3 443 425 tons aufgeführt, folglich werden auch die rend der vier Jahre näher, zeigt sich, dass Denkmalpflege CHF 2 749 536 Ausgaben des Staatsarchivs bei den Kultur- das angestrebte Verhältnis von freien und Amt für Kultur CHF 1 878 251 ausgaben einberechnet. Aufgeführt ist gebundenen Mitteln umgesetzt wurde, und Kulturförderung CHF 7 224 912 auch der Beitrag, den der Kanton an den der Grundsatz, dass für freie Projekte 30 IKZAV CHF 3 026 412 Kanton St. Gallen im Rahmen des Interkan- bis 40 Prozent der Fördermittel verfügbar tonalen Kulturlastenausgleichs (IKZAV) für sein sollen, eingehalten wurde. 38 Prozent Konzert und Theater St. Gallen leistet. der Fördermittel wurden für freie Projekte gesprochen. 62,1 Prozent gingen in Form gebundener Beiträge an Bibliotheken, Mu- seen sowie Kulturinstitutionen. Mit dem vorgegebenen Verteilschlüssel gelingt es weiterhin, den Raum für freie Projekte zu wahren und damit angemessen auf die Ent- wicklungen in der Kulturlandschaft reagie- ren zu können. R E PR I SE 16
3,6 % Leistungsvereinbarung (LV) Bibliotheken Verhältnis der freien zu den gebundenen Mitteln (Zahlen aus Rechenschaftsbericht 2016 bis 2019) 38 % Freie Projekte 38,6 % LV Museen 1,5 % LV Ausserkantonale 1,8 % 18,3 % Kulturinstitutionen Dokumentation / Kommunikation LV Kulturinstitutionen von 3,4 % kantonaler Bedeutung Austausch 27,1 % Kreation 36,1 % Verbreitung 6% Kulturpflege 2,8 % Betriebs- / Strukturförderung 8,1 % 10 % Ankäufe und Vermittlung Aufträge, Preise 4,7 % Beleuchtet man die Verteilung der Förder- Schwerpunkt mittel genauer, steht die Verbreitung – sie umfasst alle Massnahmen und Prozesse, die Private Kulturförderung Fördermittel 2016 bis 2019 ermöglichen, dass das Werk zum Publikum Eine sehr grosse Bedeutung bei der Kul- auf Förderbereiche gelangt – an erster Stelle (36,1 Prozent). An turförderung kommt den privaten Stif- (Zahlen aus Rechenschaftsbericht zweiter Stelle folgt mit 27,1 Prozent die Kre- tungen zu, die namhaft zum Kulturleben 2016 bis 2019) ation. In die Kulturvermittlung fliessen drit- beitragen. Ohne ihre Unterstützung kön tens 10 Prozent der Fördermittel. nten viele Projekte nicht realisiert werden. Es sind dies unter anderem folgende Insti- Anmerkung zu den Zahlen aus dem Re tutionen und Stiftungen: Appenzellische chenschaftsbericht und der Staatsrech Gemeinnützige Gesellschaft (AGG), Bertold- nung: Im Rechenschaftsbericht werden die Suhner-Stiftung, Dr. Fred Styger Stiftung, verfügten Fördermittel ausgewiesen und Lienhard-Stiftung, Friedrich und Anita Frey- nach Förderbereichen gegliedert. Die Bücheler-Stiftung, Hans und Wilma Stutz Staatsrechnung gibt Auskunft über die ef- Stiftung, Huber+Suhner Stiftung, Johannes fektiv ausbezahlten Förderbeiträge und und Hanna Baumann-Stiftung, Johannes gliedert diese nach freien und gebundenen Waldburger Stiftung, Metrohm Stiftung, Beiträgen. Da zwischen der Zusprechung Rudolf und Gertrud Bünzli-Scherrer-Stif- von Fördermitteln und deren Auszahlung tung, Steinegg Stiftung und Tisca/Tiara- einige Zeit vergeht (oft auch über ein Jahr Stiftung. Die Mehrheit der Kulturprojekte hinaus) bestehen zwischen den Zahlen aus kann durch ein Zusammenspiel von öffent- der Staatsrechnung und dem Rechen- licher und privater Unterstützung realisiert schaftsbericht erklärbare Differenzen. werden. 17 R E PRIS E
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 0 0,5 1 1,5 2 Verfügbare Kulturfördermittel von 2007 bis 2017 in Millionen Franken Vortrag Beitrag aus Staatsrechnung Beitrag aus Lotteriefonds Aufwandsentschädigung DER EVALUATIONSBERICHT 2019 Heimfall (Projekte, die nicht realisiert wurden oder bei denen die Defizitgarantie Was lässt sich über die Kulturförderung «Die Kriterien und das Vorgehen bezie- nicht in Anspruch genommen wurde) von Appenzell Ausserrhoden sagen, wenn hungsweise die Verfahrenswege bei der Be- man sie über einen längeren Zeitraum ana- urteilung der Fördergesuche haben sich lysiert? Diese Frage hat den Regierungsrat bewährt», heisst es im Evaluationsbericht. interessiert, als er das Departement Bil- Bewährt habe sich die Speisung des Kultur- dung und Kultur beauftragte, eine retro- fonds mit Mitteln aus dem Staatshaushalt spektive Evaluation zu erarbeiten. einerseits und den Beiträgen aus dem Lot- teriefonds andererseits. Allerdings wurden Ziel des Evaluationsberichts war es, folgen auch drei Problemstellungen erkannt: de Fragen zu beantworten: – Die stetig wachsende Anzahl an Förder- – Braucht es Anpassungen der gesetz- gesuchen steht den stagnierenden re- lichen Grundlagen? spektive im Jahr 2015 gekürzten Förder – Braucht es Anpassungen für die zukünf- mitteln gegenüber. tige Finanzierung? – Der Kulturfonds hat keine Mittel, mit de- – Wie soll das Kulturkonzept in Zukunft nen Schwankungen unter den Jahren aufgebaut sein? begegnet werden könnte. – Es fehlt an verbindlichen Regeln für eine Der ausführliche Bericht, der im Mai 2019 angemessene Aufgabenteilung zwischen dem Regierungsrat vorgelegt wurde, infor- Kanton und Gemeinden, insbesondere miert unter anderem über die Methodik der bei Betriebsbeiträgen von Kulturinsti Evaluation, die bislang geltenden rechtli- tutionen wie beispielsweise Museen und chen Grundlagen und gibt einen Überblick Bibliotheken. über die Kulturförderung und die Finanzie- rung der Kulturförderung seit 2007 und wertet diese aus. Das Fazit der detaillierten Analyse, die auch den Handlungsbedarf aus Sicht des Departements Bildung und Kultur skizziert, soll hier kurz zusammen- gefasst werden. R E PR I SE 18
250 200 150 100 50 0 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Entwicklung Gesuche von 2007 bis 2017 Total Gesuche Zusagen Ablehungen Die Auswertung der bisherigen Finanzie- schneidende Kürzungen nötig werden.» rung der Kulturförderung hat sich laut dem Das würde auf längere Sicht aber auch Kür- Bericht bewährt und deren Grundlagen und zungen der Betriebsbeiträge an die Institu- Vorgehen werden als «zielführend» be- tionen zur Folge haben müssen, damit das zeichnet. «Es besteht nach Ansicht des De- festgelegte Verhältnis (dreissig Prozent / partements Bildung und Kultur keine Not- vierzig Prozent) der Fördermittel zwischen wendigkeit, die Finanzierung der kanto- freien Projekten und gebundenen Mitteln nalen Kulturförderung grundlegend zu än- an Institutionen eingehalten werden kann. dern. Ein neues Finanzierungsmodell ist aktuell auch nicht realistisch … Die bishe- rige Finanzierung der Kulturförderung soll auch die zukünftige sein», hält der Evalua- tionsbericht klar fest. Der Kulturrat hatte ob der wachsenden Mit- telknappheit aufgrund der gestiegenen An- zahl von Gesuchen im Verlauf des Jahres 2017 einige Veränderungen gegenüber der bisherigen Förderpraxis empfohlen, mit dem Ziel, die Kriterien enger zu fassen. Der Kultur braucht eine Förderlandschaft, die visionär, Regierungsrat hat diesen Anpassungen zu- zuversichtlich und mutig ist und die Vertrauen schafft. gestimmt, die im vorliegenden Kulturkon- Appenzell Ausserrhoden hat eine reiche Vergangen- zept Eingang gefunden haben. Allerdings: heit, ein Netzwerk an grosszügigen Stiftungen und eine «Hält der Trend der steigenden Gesuche gut strukturierte kantonale Kulturförderung. Hier an, werden zum einen die durchschnitt- haben die Amtsträger*innen nicht nur Namen, sondern lichen Förderbeiträge pro Gesuch weiter Gesichter, und durch ein Gespräch lassen sich die sinken und zum andern die Quote der ab- Wege kurz und unkompliziert gestalten. Danke. gelehnten Gesuche steigen. Zudem werden M PA N O PT IKU ER, VE RE IN bei umfangreicheren Projektvorhaben ein- KA RI N BU CH 19 R E PRIS E
Fazit der Evaluation der Kulturförderung 2007 bis 2017 Der Bericht zieht ein positives Fazit: «Ins- gesamt lässt sich festhalten, dass die Auf- bauarbeit des Amts für Kultur erfolgreich abgeschlossen ist. Die Kulturförderung funk- tioniert wirkungsvoll, die Grundlagen und Strukturen sind auf Appenzell Ausserrho- den zugeschnitten, sie sind klar, nachvoll- ziehbar und haben sich bewährt. Die Arbeit des Amts für Kultur strahlt aus und wird wahrgenommen. Ein wichtiger Erfolgsfak- tor ist darin begründet, dass die Kultur förderung des Kantons von Grund auf neu konzipiert werden konnte und dabei die Basierend auf der Evaluation wurde Fol- verschiedenen Anspruchsgruppen einbe- gendes umgesetzt und die Kulturförde- zogen wurden.» Da sich zudem sowohl die rungsverordnung entsprechend angepasst: Amtszeitbeschränkung des Kulturrates wie – Die seit April 2012 eingerichtete Muse- auch dessen Förderkriterien, der Verzicht umskoordination ist neu in der Kultur auf festgelegte Sparten-Fördertöpfe, das förderungsverordnung aufgenommen. festgelegte Verhältnis der Fördermittel für – Das Kulturkonzept ist neu in der Kul- freie Projekte und gebundene Mittel be- turförderungsverordnung verankert. währt haben, «drängt sich keine grundle- – Die Entscheidbefugnis des Departe- gende Änderung des Fördersystems auf». ments Bildung und Kultur beträgt neu Zudem würden die gesetzlichen Grundla- 10 000 Franken. Bei Entscheiden über gen eine solide Basis bilden: «Das Zusam- 5000 Franken wird der Kulturrat bera- menspiel der drei Ebenen (Gesetz, Verord- tend beigezogen. nung, Konzept) hat sich bewährt. Es be- – Einführung eines Anerkennungspreises; steht keine Überregulierung. Das Kul ergänzend zum kantonalen Kulturpreis turkonzept ermöglicht eine Feinjustierung soll der Anerkennungspreis das Engage- und strategische Weichenstellungen.» ment im Bereich der Vermittlung oder der Kulturpflege von Personen, Gruppen oder Institutionen, welche nicht selbst als Kulturschaffende tätig sind, ehren. R E PR I SE 20
MEILENSTEINE DER KULTURFÖRDERUNG 2016 BIS 2020 2 0 17 2 0 16 Januar 2016 April bis Oktober 2017 Juli 2017 Umzug des Amts für Kultur nach Trogen. Ausstellung «iigfädlet. Ostschweizer Textil- Start des Pilotförderprogramms «Buch und geschichten». Die erste, erfolgreich durch- Literatur Ost+» der KBK-Ost. Verabschiedung des Konzepts der Kultur- geführte Gemeinschaftsausstellung, unter Mit dem auf vier Jahre angelegten Pilot- landsgemeinde 2016 bis 2019 und Beschluss der Projektleitung der Museumskoordina- programm wollen die Ostschweizer Kan- über den Unterstützungsbeitrag des Kan- tion. Das Ausstellungsprojekt ist kantons- tone und das Fürstentum Liechtenstein das tons. übergreifend und wird national wahrge- Buchwesen und die literarischen Netz- nommen. werke durch disziplinübergreifende künst- März 2016 lerische Zusammenarbeit rund um das Koordinierte Tanzförderung für «TanzPlan Mai 2017 Buch fördern. Eine Fachjury wählt die Pro- Ost» 2017 bis 2020 durch KBK-Ost. Die Stiftung «Erbprozent Kultur» feiert im jekte von Annette Hug, Schriftstellerin aus «TanzPlan Ost» ist schweizweit ein einzig- Rahmen der Kulturlandsgemeinde im Sport Zürich, Anna Hilti, Kunstschaffende aus artiges Projekt. Die acht Ostschweizer Kan- zentrum in Herisau ihre erste Vergabe. Liechtenstein und Zürich, sowie von Künst- tone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Die Stiftung wurde anlässlich der Kultur- ler und Verleger Josef Felix Müller aus Innerrhoden, Glarus, Graubünden, Schaff- landsgemeinde 2015 lanciert mit der Grund- St. Gallen aus. hausen, St. Gallen, Thurgau, Zürich sowie idee, dass jede Person – unabhängig von das Fürstentum Liechtenstein haben sich Herkunft, Status oder Höhe des Vermö- November 2017 zum Ziel gesetzt, mit einem gemeinsamen gens – freiwillig ein Prozent ihres persön- Beschluss der Leistungsvereinbarungen Modell die Tanzförderung zu koordinieren. lichen Erbes für die Kultur stiftet. 2018 bis 2020 durch den Regierungsrat Entstanden ist 2009 der «TanzPlan Ost». Die nach Überprüfung und auf Empfehlung des Trägerschaft liegt beim Verein IG Tanz Ost. Die Schriftstellerin Helen Meier erhält den Kulturrates (vgl. Anhang 3 und 4). mit 25 000 Franken dotierten Kulturpreis Mai 2016 des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Preisverleihung des ersten Schreibwettbe- werbs des Amts für Kultur zum Thema «Aussicht». Der Gewinner des Jury- sowie des Publikumspreises ist Ralf Bruggmann aus Speicher, geboren 1977. November 2016 Verabschiedung des dritten Kulturkonzepts 2016 durch den Regierungsrat. Kulturbegegnung im Kursaal Heiden zum Thema «Ein Jahrzehnt Kulturförderung». 21 R E PRIS E
2 0 18 2 0 19 2018 – Kulturerbejahr November 2018 Mai 2019 Im Rahmen des Internationalen Jahres des Preisverleihung des zweiten Schreibwett- Zum 15. Mal findet die Kulturlandsgemeinde Kulturerbes haben die Kantone Appenzell bewerbs des Amts für Kultur. statt. Das zweitägige Festival im und vor dem Ausserrhoden und St. Gallen zahlreiche Ver- Den Preis der Jury in der Kategorie Er- Zeughaus Teufen steht unter dem Thema anstaltungen lanciert, welche die regio- wachsene gewinnt Jessica Jurassica, ge- «Macht.Gemein.Sinn» und stellt eine der nalen Schätze – ob beweglich, unbeweglich boren 1993. Gewinnerin des Preises der grossen Fragen: Was hält die Gesellschaft oder immateriell – ins Zentrum stellen. Or- Jury in der Kategorie Jugendliche (14 bis heute und in Zukunft zusammen? ganisiert werden die Anlässe durch die Äm- 18 Jahre) ist Lea Sager, geboren 2001. Ge- ter für Kultur und Denkmalpflege-Fachstel- winnerin des Publikumspreises ist Ruth Juni 2019 len der Kantone St. Gallen und Appenzell Weber-Zeller, geboren 1971. Das Amt für Kultur von Appenzell Ausserrho- Ausserrhoden, die Heimatschutzvereine, den hat einen Schwerpunkt in der Förderung die Architektenverbände BSA, sia sowie der Musik gesetzt und dazu einen Komposi- MUSA, Museen Kanton St. Gallen und die tions-Wettbewerb ausgeschrieben. Bis zum Museumskoordination Appenzell Ausser 31. August 2019 gehen 17 Bewerbungen ein. rhoden. Juni 2019 Mai 2018 Puppenspielerin Kathrin Bosshard erhält Lancierung «TaDA» (Textile and Design Al- den Kulturpreis 2019 des Kantons Appenzell liance), ein Pilotprojekt der Kantone Appen- Ausserrhoden. zell Ausserrhoden, Thurgau und St. Gallen. Das Projekt fördert den kreativen Aus- August 2019 tausch zwischen dem zeitgenössischen «kklick – Kulturvermittlung Ostschweiz» er- künstlerischen Schaffen und der gleicher- hält eine Geschäftsstelle in Glarus. massen traditionsreichen und von Hightech Die gemeinsame Kulturvermittlungs-Platt- geprägten Textilproduktion der Ostschweiz. form der Kantone Appenzell Ausserrhoden, Es wird ein Residenzprogramm für regio- St. Gallen und Thurgau hat sich seit ihrer nale und internationale Kunstschaffende Lancierung 2014 etabliert und wird rege ge- sowie eine jährliche Sommerakademie an- nutzt. Auf kklick.ch sind rund 300 Kulturver- geboten. mittlungsangebote aller Sparten einfach und attraktiv zugänglich. Die dreissigste Ausgabe von «Obacht Kul- tur» erscheint zum Schwerpunktthema November 2019 «Frieden». «Obacht Kultur», das dreimal Die Ausserrhodische Kulturstiftung feiert ihr jährlich erscheint, hat sich seit seiner Lan- 30-Jahre-Jubiläum im Zeughaus Teufen mit cierung im August 2008 zu einer vielbe- einem grossen Fest. Künstler*innen, die in achteten Visitenkarte des kulturellen Le- den vergangenen dreissig Jahren von der bens in Appenzell Ausserrhoden entwickelt Kulturstiftung ausgezeichnet wurden, sind und wird schweizweit, ja sogar über die in Kurzauftritten zu erleben. Zum Fest er- Landesgrenzen hinaus gelesen und in Fach- scheint eine Jubiläumsedition in limitierter kreisen sehr beachtet. Die Zahl der Abon- Auflage von hundert Stück, mit Beiträgen nent*innen hat sich seit der Gründung ver- von ausgezeichneten Kulturschaffenden al- doppelt, auf aktuell 2032. ler Sparten. R E PE RTOI R E 22
2020 März 2020 August 2020 Dezember 2020 «TaDA» stösst bereits bei der ersten Aus- Aufgrund der hohen Gesuche auf Ausfall- Der Kantonsrat genehmigt den Kredit zum schreibung auf enormes Interesse. 176 Be- entschädigung stellt der Regierungsrat Vollzug der Verordnung über die Abfede- werbungen aus über 40 Ländern sind ein- weitere 518 300 Franken aus dem Lotterie- rung der wirtschaftlichen Auswirkungen gegangen. fonds bereit. Mit den Mitteln des Bundes des Coronavirus (Covid-19) im Kultursektor stehen damit insgesamt 1 936 600 Franken (Covid-Verordnung Kultur) am 7. Dezember. Am 17. März beschliesst der Bundesrat auf- für Ausfallentschädigungen für Kultur- grund der Corona-Pandemie den natio- schaffende und Kulturinstitutionen zur Zum Vollzug der eidgenössischen Covid-19- nalen Lockdown. Alle Kulturbetriebe wer- Verfügung. Kulturverordnung stellt der Regierungsrat den geschlossen. Im Kanton Appenzell Aus- Mittel im Umfang von 490 000 Franken aus serrhoden sind davon bis zu 120 Kultur September 2020 dem Lotteriefonds bereit. Damit können veranstalter*innen und Kulturinstitutionen Das Residenz-Programm «TaDA» kann nach rückwirkend ab November 2020 Finanz und gegen 100 Kulturschaffende betroffen. Verschiebungen infolge der Corona-Pande- hilfen in Form von Ausfallentschädigungen mie endlich starten. Sechs Künstler*innen und an Transformationsprojekte gewährt April 2020 nehmen ihre Arbeiten in Arbon und den be- werden. Rund fünfzig Prozent der Kulturschaffen- teiligten Textilunternehmen auf. den beantragen auf Grund der Verschie- bungen und Absagen von Projekten und Oktober 2020 Veranstaltungen eine Ausfallentschädigung. Die Vorstudie für eine kantonal getragene Der Regierungsrat stellt 450 000 Franken oder kantonsnahe museale Institution be- aus dem Lotteriefonds zur Verfügung. Mit ginnt. Sie soll das inhaltliche und strate- den Mitteln des Bundes stehen damit ins- gische Profil einer möglichen künftigen In- gesamt 900 000 Franken für Ausfallent- stitution schärfen und strukturelle Fragen schädigungen für Kulturschaffende und klären. Der Prozess der Vorstudie soll das Kulturinstitutionen zur Verfügung. künftige Funktionieren des Museums abbil- den, indem Stimmen aus der Bevölkerung Juni 2020 einfliessen. Der Regierungsrat nimmt die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zu einer kantonal November 2020 getragenen oder kantonsnahen musealen Der Kulturrat verabschiedet den Entwurf Institution zur Kenntnis. Das Departement des vierten Kulturkonzepts. Bildung und Kultur gibt dem Amt für Kultur einen Auftrag für eine konkretisierende Vorstudie. Die Machbarkeitsstudie emp- fiehlt das Szenario «kantonales Museum mit starkem Fokus auf die Bevölkerung». 23 R E PERTOIRE
E N T R ’AC T E
S c h lü s s e lt h e men und Sp d e r s ta a t li c h a n n u n g s fe ld e n Ku lt u r fö r er derung aus S ic h t d e s Ku lt u r ra te s CORONA – UND DIE FOLGEN FÜR DIE KULTUR UND DIE KULTURFÖRDERUNG Corona bedrängt das kulturelle Leben – DAS PUBLIKUM: VON EUPHORISCH vermutlich auf Jahre hinaus ist der Kultur- BIS SKEPTISCH ABWARTEND betrieb nicht mehr derselbe, der er vor der Pandemie gewesen ist. Das gilt allerdings Mitte März 2020 stand die Kultur still: weit über das Kulturgeschehen im enge- Lockdown als Folge der stark steigenden ren Sinn hinaus. Es gilt für den zwischen- Covid-19-Infektionen. Nach den vorsich- menschlichen Umgang generell, für die Art tigen und experimentellen Lockerungen und Weise des Zusammenkommens, des nach dem Lockdown im Frühsommer 2020 Austausches, der Debatten, der Nähe. Pla- gab es in einer ersten Phase teils eupho- kativ gesagt: Corona bringt uns auseinander. rische «Wiedersehensfreude» mit der Kul- Die Folgen für die Kultur sind momentan, tur. Der Wiederanstieg der Infektionsfälle beim Schreiben dieses Kulturkonzepts rund im Sommer 2020 dämpfte dann weitherum ein Dreivierteljahr nach dem Beginn der die Hoffnungen auf eine rasche Rückkehr Pandemie, noch offen und schwer einzu- zum kulturellen «Normalbetrieb». Grossan- schätzen. Nachstehend einige notgedrun- lässe wie Kleintheater meldeten unisono: gen provisorische Stichworte zu vier The- Zukunft ungewiss. Eine vom Bundesamt für men: Verunsicherung im Publikum, Verän- Kultur (BAK) im September unter dem Titel derungen im künstlerischen Schaffen, He- «Kulturbesuche in Zeiten von Corona» pu- rausforderungen für die Kulturförderung blizierte Befragung ergab: Ein Drittel der sowie neue Aufgaben im Bereich der kultu- Kulturinteressierten will Kulturbesuche rellen Teilhabe. erst wieder aufnehmen, wenn die Corona- krise «endgültig vorbei ist». Nur 18 Prozent sind bereit, «ohne grosse Bedenken» wie- der ins Konzert, Theater oder Kino zu ge- hen. Zwei Drittel wollen künftig «weniger frequentierte» Kulturorte bevorzugen. Rund die Hälfte der Befragten gibt an, ge- nerell «weniger kulturelle Veranstaltungen 25 E N TR’ACTE
Ich weiss von kulturell interessierten Personen anderer Kantone, die mit neidischem Blick auf die sehr pro- fessionelle, in der öffentlichen Wahrnehmung «sichtbare» und gegenüber berechtigten Anliegen auch gross- zügige Kulturförderung blicken. Auch innerhalb des Kantons schätzen wir die kurzen Wege sehr und auch die verschiedenen Möglichkeiten, an Anlässen des Amtes für Kultur den Austausch zu pflegen. PETER A B EG G L E N , P R Ä S ID E NT SONN E N G ES E L LSCHAFT S P E IC H E R besuchen» zu wollen. Contact tracing, Mas- kenpflicht und Platzreduktionen werden grossmehrheitlich akzeptiert und unter- stützt, ebenso die finanziellen Stützungs- massnahmen, welche Bund und Kantone bis dahin aufgegleist hatten. nehmen soll? Das Thema trifft aber Men- Will ich mir ein klassisches Konzert mit schen allen Alters. Die zitierte Befragung Maske anhören? Wie fühlt sich ein Theater- des BAK hat gezeigt, dass nur ein kleiner saal an, wenn jeder zweite Platz unbesetzt Teil des Publikums mit derselben Unbe- bleibt? Überwiegt die Lust auf Kino, die schwertheit wie in der Vor-Pandemie-Zeit Neugier auf einen neuen Film gegenüber wieder in den Kulturbetrieb einzusteigen dem Risiko einer allfälligen Ansteckung? bereit ist. Das ist verständlich: Distanz ist Das Kulturpublikum ist verunsichert, es hat angesagt, Abstandhalten, Minimierung der Entscheidungen zu fällen, die noch vor Sozialkontakte – dem fallen naheliegender- kurzem kein Thema waren. Und in einem weise all jene Aktivitäten zum Opfer, die hohen Mass betrifft dies ausgerechnet die nicht um jeden Preis sein müssen. Zum Bei- ältere Generation, die im Bereich der Klas- spiel der Opernbesuch oder der Kabarett sik, aber auch in den Kinos, an Vernissagen abend im Kleintheater. etc. einen gewichtigen Teil der Besucher* Der muss tatsächlich vielleicht nicht um je- innen ausmacht. Das wirft ganz neue Fra- den Preis sein … aber umgekehrt hat der gen der «kulturellen Teilhabe» auf: Was Lockdown im Frühjahr 2020 einer breiten passiert, wenn eine ganze Generation mit Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerufen, wie dem Stigma der «Vulnerabilität» gestem- selbstverständlich ein vitales Kulturleben pelt ist und, ob freiwillig oder gezwungen, zum täglichen Leben, zum geschätzten und Abstand vom gesellschaftlichen Leben viel genutzten Angebot dazugehört. Und «wie es ist, wenn nichts ist». Vor Corona drehte der Kulturmotor auf hohen Touren. Es war viel los, an gewissen «neuralgi schen» Terminen manchmal fast zu viel, aus der Optik der vielfältig interessierten, neu- gierigen und die Arbeit der Kulturschaffen- den wertschätzenden Kulturfreund*innen. E N TR ’ACTE 26
DIE KULTURSCHAFFENDEN UND IHRE PROJEKTE: VON GEFORDERT BIS GEFÄHRDET Schutzmassnahmen, Publikumsskepsis, die Verschiebung oder Absage von Veranstal- tungen und Projekten beeinträchtigen eine Vielzahl von Institutionen und Kulturschaf- fenden. Das ist gravierend, auch wenn sich Künstler*innen gewohnt sind, Risiken ein- Dann kam Corona, die grosse Bremse – zugehen und neue Wege zu finden. Risiko- plötzlich war Stille, die Kulturagenda leer, bereitschaft ist geradezu ein konstituie- das gesellschaftliche Leben annulliert. Der rendes Merkmal künstlerischer Betätigung. eine und die andere atmete auf, schätzte Eine grosse Zahl der Musikerinnen, Filmer, die aufgezwungene Entschleunigung, kam Theaterleute, Autorinnen, Tanz- oder Kunst- vielleicht sogar auf den Geschmack des schaffenden, Zeichnerinnen und Komödi- auffangen, aber das analoge Kulturerleb- «Weniger ist mehr» – andere litten unter anten erfindet sich mit jedem ihrer Pro- nis, hier und jetzt und im Beisein anderer, Entzugserscheinungen, vermissten Inspira- jekte neu. Täglich Premiere: Das gilt quer ist durch virtuelle Formate allenfalls zu er- tion und Kommunikation, merkten buch- durch alle Sparten (und natürlich nicht nur gänzen, aber nicht zu ersetzen. stäblich am eigenen Leib, wie unverzichtbar in der Kultur, sondern auch in vielen ande- Pessimistische Stimmen befürchten, dass die Angebote der Theater, Kinos, Konzert- ren innovationsfreudigen Berufen). diese Veränderungen so einschneidend hallen, Museen, Verlage und all der anderen In der Kultur kommt allerdings hinzu, dass und langfristig sein könnten, dass das Be- Veranstalter*innen für sie sind. die Löhne tief, die Honorare häufig prekär, rufsfeld Kultur insgesamt in Frage gestellt Was aus Sicht des Publikums im Zuschau- die soziale Absicherung vielfach ungenü- wird. Kann ich als freischaffende, sogar als erraum eine freie Entscheidung ist, ein Ab- gend ist – selbst Publikumserfolg und volle etablierte, erfolgreiche Künstlerin unter wägen, ein individuelles Suchen nach der Kassen garantieren noch kein gesichertes Coronabedingungen meinen Beruf noch eigenen Einstellung gegenüber der epide- Einkommen. Die Coronakrise hat auch in wie bisher ausüben? Oder muss ich mir, miologischen Gefahrenzone namens Kul- dieser Hinsicht gnadenlos die Realitäten wenn die Auftrittsmöglichkeiten rar wer- turbetrieb – das wird für die Kulturschaf- aufgezeigt. Zum einen finanziell: Der Lock- den, wenn Veranstalter*innen die Türe für fenden existentiell. Für die Künstler*innen down hat klar gemacht, wie viele Kultur- immer schliessen oder das Publikum aus- auf der Bühne, im Atelier, im Bandraum und schaffende ohne finanzielles Polster, ohne bleibt, eine neue Berufsexistenz aufbauen? Tanzsaal, für Chöre und Orchester, für die ausreichende Sozialversicherung und un- Die optimistischere Perspektive heisst: Veranstalterinnen und Vermittler, für Tech- ter teils selbstausbeuterischen Arbeitsbe- Transformation. Sie kann alle Ebenen der nikerin, Grafiker, Kamerafrau, Caterer und dingungen ihr «täglich Brot» verdienen – künstlerischen Arbeit mit einbeziehen. Zum so weiter. Corona wirft ganze Branchen aus und auf einen Schlag eben nicht mehr ver- einen die Veranstaltungsformen: Projekt- dem Gleis. dienen konnten. Zum andern inhaltlich: konzepte müssen den Schutzmassnahmen Kultur lebt vom Live-Erlebnis – und genau Genüge tragen – openair statt indoor, kür- dieses ist mit den virusbedingten Regle- zere Spielsequenzen, kleinere Formationen, mentierungen vielerorts in Frage gestellt. offene Spielorte, Sitz- statt Stehplätze ... Digital lässt sich, wie diverse Anstren- Zum andern die Medien: Virtuelle Kanäle gungen und Experimente während des werden an Bedeutung noch zulegen, neue Lockdowns gezeigt haben, einiges davon technische Fertigkeiten sind gefragt, die 27 E N TR’ACTE
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