Dichte und Verkehr Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen - EBP

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Dichte und Verkehr Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen - EBP
Kanton Zürich
Volkswirtschaftsdirektion   Baudirektion
Amt für Verkehr             Amt für Raumentwicklung

Dichte und Verkehr
Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei
Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen
Dichte und Verkehr Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen - EBP
Dichte und Verkehr Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen - EBP
Inhaltsverzeichnis
1 Dichte und Verkehr aufeinander abstimmen                5
2 Massnahmen der Mobilitäts- und Verkehrsplanung          7
3 Blick zurück: Umgang mit Wachstum in den 70er-Jahren    8
4 Beispiele                                              10
   Europaallee, Zürich                                    12
   Sulzerareal Werk 1, Winterthur                         14
   Glattpark, Opfikon                                     16
   Hürlimann-Areal, Zürich                                18
   Richti-Areal, Wallisellen                              20
   Giesserei, Winterthur                                  22
   Limmatfeld, Dietikon                                   24
   Sihlcity, Zürich                                       26
   Sihlbogen, Zürich                                      28
   Färberei, Thalwil                                      30
   Toblerstrasse, Zürich                                  32
5 Das Mobilitätsver­halten beeinflussen                  34
Dichte und Verkehr Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen - EBP
Dichte und Verkehr

Der Kanton Zürich blickt auf Jahre starken Wachstums zurück. Allein in
den Jahren zwischen 2007 und 2013 wuchs der Kanton um rund 100 000
auf 1 422 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Und auch für das kommen-
de Jahrzehnt lassen die Prognosen ein stetes Bevölkerungswachstum
erwarten.

Wie soll der Kanton Zürich diesen Zuwachs bewältigen, ohne die intakten
Naturlandschaften zu überbauen und die Verkehrsdichte im ganzen Kan-
tonsgebiet noch mehr zu erhöhen? Das Rezept heisst Siedlungsentwick-
lung nach innen. An geeigneten Lagen sollen bestehende Siedlungsstruk-
turen nachverdichtet und Siedlungsreserven dicht überbaut werden. Das
Raumordnungskonzept des Kantons Zürich, das kürzlich vom Kantonsrat
im Rahmen des Richtplanes beschlossen wurde, gibt als Ziel vor, dass
80 Prozent des Zuwachses in den urbanen Gebieten erfolgen soll.

Doch diese Gebiete müssen attraktiv bleiben oder attraktiver werden, da-
mit die Umsetzung des Ziels Akzeptanz findet. Oft handelt es sich um
Wohngebiete, die bereits durch starke Verkehrsströme belastet sind.
Pläne für Verdichtungen bzw. Umnutzungen von grossen Arealen lösen
deshalb oft Bedenken aus. Kann das Verkehrssystem den zusätzlichen
Verkehr noch aufnehmen? Stehen wir dann noch mehr im Stau?

Erste Grosssiedlungen wurden in den 70er-Jahren an den Stadträndern
gebaut, als sich die Schweiz ebenfalls auf ein starkes Bevölkerungs-
wachstum vorbereitete. Doch damals wurde der Problematik mit dem Ver-
kehrswachstum noch anders entgegen geblickt, mit einem grosszügigen
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Diesem sind heute aus verschiedenen
Gründen enge Grenzen gesetzt.

Die vorliegende Publikation möchte aufzeigen, dass es durchaus möglich
ist zu verdichten, ohne dass dabei ein Verkehrskollaps erzeugt wird. In den
letzten Jahren wurden Gebiete neu überbaut, bei denen Grundeigentümer
und Gemeinden auf die bereits hohe Verkehrsbelastung reagiert haben.
So konnten z. B. durch die Nähe dieser Entwicklungen zu leistungsfä-
higen Haltestellen des öffentlichen Verkehrs günstige Voraussetzungen
geschaffen werden. Durch die Nähe von Wohnen und Arbeiten wurden
kurze Wege begünstigt. Auch konnten mit umfassenden Beratungen im
Rahmen des Mobilitätsmanagements Firmen wie Arbeitnehmende sen-
sibilisiert werden. Doch steht immer der Einzelfall im Vordergrund. Die
hier beschriebenen Beispiele illustrieren, wie bei konkreten Vorhaben mit
Dichte und Verkehr umgegangen wurde.

Markus Traber
Chef Amt für Verkehr

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Dichte und Verkehr Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen - EBP
Dichte und Verkehr aufeinander abstimmen

1	Dichte und Verkehr
   aufeinander abstimmen
Zusätzliche Dichte ermöglicht mehr Wohn-            In den letzten 20 Jahren wurden an verschie-
raum in städtischen Gebieten. Damit kann der        denen Orten im Kanton Zürich Industrie- oder
Wunsch vieler Menschen nach urbanem Leben           Bahnbrachen zu verdichteten Stadtquartieren
erfüllt werden. Mit dem Fokus auf eine Entwick-     umgenutzt. Fast immer spielten dabei Verkehrs-
lung nach innen kann gleichzeitig auch das Ziel     fragen eine bedeutende Rolle. Oft stand am
eines haushälterischen Umgangs mit dem Bo-          Anfang der Entwicklung der Vorbehalt, dass an
den gemäss kantonalem Richtplan erreicht wer-       dieser Stelle doch gar keine zusätzliche Nutzung
den.                                                möglich sei, da das Verkehrssystem ohnehin
                                                    schon stark belastet ist. Genau an diesen Lagen
Zusätzliche Dichte führt aber auch zu zusätz-       muss der gordische Knoten im Spannungsfeld
lichem Verkehr. Dies zumeist in Gebieten mit be-    zwischen Dichte und Verkehr durchschlagen
reits grossem Verkehrsaufkommen. Es gehört          werden.
zu den Herausforderungen der Siedlungsent-
wicklung nach innen, dafür zu sorgen, dass Mo-      Ziel ist die Kombination von baulicher Verdich-
bilitätsbedürfnisse befriedigt werden können,       tung und geeigneten Massnahmen zur Beein-
ohne dass mehr Verkehr die Attraktivität der öf-    flussung des Mobilitätsverhaltens und des Ver-
fentlichen Räume beeinträchtigt. Dies gilt in be-   kehrs. Kein Stadtentwicklungskonzept kann und
sonderem Masse in städtischen Gebieten. Was         will verhindern, dass die zusätzlichen Einwohne-
in der Architektur bereits allgemein anerkannt      rinnen und Einwohner bzw. Beschäftigten eben-
ist, gilt zunehmend auch für den Verkehr: Hohe      falls Mobilitätsbedürfnisse haben und Verkehr
Dichte muss qualitätsvoll realisiert werden.        auslösen. Die Auswirkungen des zusätzlichen
Massnahmen gegen eine zu hohe Verkehrsbe-           Verkehrs lassen sich jedoch mit geeigneten
lastung erhalten grosse Bedeutung. Denn viele       Massnahmen minimieren, wie die in dieser Pu-
Vorbehalte gegenüber hoher Dichte haben ihre        blikation beschriebenen Beispiele illustrieren.
Wurzeln in der Angst vor Stau auf der Strasse
und vor übervollen S-Bahnen, vor zusätzlichen       Wenn die Verdichtung verträglich erfolgt, rü-
Lärm- und Luftbelastungen.                          cken ihre Vorteile in den Vordergrund. Dichte
                                                    Quartiere mit gemischter Nutzung sind attraktiv.
Dichte wird zuerst einmal wahrgenommen als          Der Alltag lässt sich viel eher mit kurzen We-
Bauvolumen, also als bauliche Dichte. Wenn          gen innerhalb des Quartiers bewältigen. Und
zum Beispiel eine Wohnsiedlung aus den 20er-        die attraktiv gestalteten öffentlichen Räume
Jahren des vorigen Jahrhunderts einer neuen         ermöglichen es, die neuen Bewohnerinnen und
Überbauung weichen muss, dann wird damit            Bewohner nicht nur als Konkurrenten um einen
typischerweise auch eine höhere Ausnützung          Sitzplatz im Bus zu erleben, sondern ihnen per-
angestrebt. Gleichzeitig werden jedoch die          sönlich zu begegnen.
Wohnungsgrundrisse grosszügiger. Die Nut-
zungsdichte nimmt deshalb nicht immer im            Die ausgewählten Beispiele repräsentieren drei
­selben Mass zu wie die bauliche Dichte. So         Standorttypen, die unterschiedliche Vorausset-
 kann das Bauvolumen beispielsweise verdop-         zungen für den Umgang mit Mobilität und Ver-
 pelt werden, die Zahl der Wohnungen und ihrer      kehr aufweisen. Alle drei Standorttypen befin-
 Bewohnerinnen und Bewohner steigt aber nur         den sich innerhalb der urbanen Gebiete.
 um die Hälfte.

                                                                                                  5
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Dichte und Verkehr aufeinander abstimmen

Standortabhängiger Umgang                               Je nach Standort, dem Nutzungsmix, der Er-
mit Mobilität                                           schliessungsqualität und der individuellen Prä-
    Innerstädtische Standorte: Diese Standorte         gung der Nutzerinnen und Nutzer kann ein un-
     liegen innerhalb des Stadtgefüges. Die Er-         terschiedliches Mobilitätsverhalten resultieren.
     schliessung mit dem ÖV ist in der Regel sehr       Dieses kann sich über die Zeit auch verändern
     gut. Gleichzeitig ist die Leistungsfähigkeit des   und ist bis zu einem gewissen Grad durch An-
     Strassennetzes bereits stark beansprucht,          passungen des Verkehrsangebots und Anstren-
     so dass Befürchtungen vor zusätzlichem Au-         gungen im Bereich des Mobilitätsmanagements
     toverkehr bestehen. Vom Standort aus las-          beeinflussbar. Das Mobilitätsverhalten der Men-
     sen sich viele Nutzungen auch zu Fuss oder         schen ist keine Konstante.
     mit dem Velo erreichen. Bewohnerinnen und
     Bewohner dieser Standorte bewältigen ihre          Eindrücklich zeigt sich dies bei der Autover-
     Verkehrswege überdurchschnittlich häufig zu        fügbarkeit städtischer Haushalte: Immer mehr
     Fuss, mit dem Velo und dem öffentlichen Ver-       Haushalte verzichten auf ein eigenes Auto,
     kehr.                                              wenn sie in einem durchmischten Umfeld mit
                                                        guter ÖV-Erschliessung, attraktiven öffentlichen
    Standorte an einer Verkehrsachse: Diese            Räumen und beschränkt verfügbarem Park-
     Standorte liegen an Zufahrtsachsen der Städ-       platzangebot leben.
     te, die bereits stark mit Individualverkehr und
     ÖV belastet sind. Je nach Nutzungsmix in den       Die vorliegende Publikation dient dazu, aus den
     neuen Quartieren und der Qualität der Anbin-       bisher gemachten Erfahrungen zu lernen und
     dung an ÖV oder Strasse unterscheiden sich         Anregungen für künftige Planungen zu geben.
     das Mobilitätsverhalten und die Verkehrsmit-       Sie richtet sich an Gemeinden, Planerinnen und
     telwahl der Nutzerinnen und Nutzer.                Planer sowie an Vertreterinnen und Vertreter der
                                                        Immobilienbranche.
    Andere Standorte im urbanen Gebiet: Es ist
     davon auszugehen, dass immer häufiger              Nachfolgend werden in einem ersten Teil Mass-
     auch Standorte an weniger zentralen Lagen          nahmen und Instrumente der Mobilitäts- und
     innerhalb der urbanen Gebiete eine Verdich-        Verkehrsplanung entlang der einzelnen Pla-
     tung erfahren. Es handelt sich in der heutigen     nungsphasen aufgezeigt. Nach einem kurzen
     Wahrnehmung um Standorte, die weniger gut          Rückblick in die 70er-Jahre wird anhand von
     mit dem ÖV erschlossen sind und einen hö-          vertiefenden Fallbeispielen dargestellt, wie sich
     heren Anteil Autoverkehr aufweisen.                diese Massnahmen und Instrumente in inno-
                                                        vative Verkehrskonzepte umsetzen lassen und
                                                        damit ein Ausgleich der Interessen und gute Lö-
                                                        sungen erreicht werden können.

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Massnahmen der Mobilitäts- und Verkehrsplanung

   2 Massnahmen der Mobili-
     täts-­und Verkehrsplanung
   Das Verkehrsaufkommen neuer dichter Siedlungen hängt             Akteure der Entwicklung sind Politik, Grundeigentümer, Be-
   stark vom Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer ab. Dieses        hörden, Entwickler sowie Planerinnen und Planer. Die Politik
   kann durch eine abgestimmte Mobilitäts- und Verkehrspla-         schafft die Rahmenbedingungen, innerhalb welcher Grund­-
   nung beeinflusst werden. Ziel ist die Verträglichkeit des Ver-   eigentümer und Behörden das Projekt entwickeln.
   kehrs für das Umfeld und das Verkehrssystem.                     Die nachfolgende Tabelle zeigt für jede Planungsphase den
                                                                    Massnahmenfächer auf.

                    Phasen der Arealentwicklung                     Massnahmen Mobilität und Verkehr
     Erste Ideen    Standort-/ Marktanalyse                          Kapazitäten übergeordnetes Strassennetz beurteilen
                    Nutzungskonzepte                                 Erschliessung ÖV beurteilen
                    Testplanung                                      Einbindung in Wegnetze Fuss- und Veloverkehr beurteilen
                                                                     Erreichbarkeit Standort beurteilen
                                                                     Verkehrskapazität mit Nutzungskonzept abstimmen

   Von den Ideen    Städtebauliche Vision                            Anschlusspunkte ans Strassennetz bestimmen
       zur Vision   Masterplanung                                    Layout Strassennetz im Areal entwerfen
                    Leitbild                                         Verkehrsregime Strassennetz entwerfen
                    Erschliessungskonzept                            Parkplätze (privat und öffentlich zugänglich) anordnen
                                                                     Erschliessung ÖV verbessern (z.B. zusätzliche Halte­stelle,
                                                                     ­Linienverlängerung, Taktverdichtung)
                                                                     Fuss- und Veloverkehrskonzept entwerfen
                                                                     Anlieferungspunkte Güterverkehr und Zufahrtsrouten entwerfen

    Vertiefungen    Machbarkeitsanalyse                              Geometrische Machbarkeit Erschliessung prüfen
                    Markt- und Konkurrenzanalyse                     Betriebsstudie ÖV
                    Zielgruppen- und Produktdefinition               Verkehrstechnische Machbarkeit prüfen (Gutachten)
                                                                     Umweltverträglichkeit Verkehrsaufkommen prüfen

     Planerische    Revision Nutzungsplanung bzw.                    Berechnung der Anzahl Parkplätze
       Rahmen-      Sondernutzungsplanung                            MIV-Aufkommen regeln (z.B. Mobilitätsmanagement)
    bedingungen     (z.B. Gestaltungsplan oder                       ÖV-Haltestellen anordnen
                    Sonderbauvorschriften)                           Attraktive Zugänge zu den ÖV-Haltestellen sichern
                                                                     Berechnung Anzahl Veloabstellplätze regeln
                                                                     Umschlagspunkte Güter bestimmen

   Von der Vision   Architekturwettbewerb                            Rahmenbedingungen Mobilität und Verkehr formulieren
  zum konkreten     Vorprojekt                                       Qualitätsanforderungen an den öffentlichen Raum festlegen
          Projekt                                                    Bedürfnisse der Nutzer berücksichtigen

 Vom Projekt zur    Bauprojekt                                       Parkplätze anordnen, differenziert nach Besuchern und Mietern
     Umsetzung      Baueingabe                                       ÖV-Haltestellen attraktiv gestalten
                    Realisierung                                     Veloabstellplätze anordnen
                                                                     Mobilitätskonzept festlegen

Überbauung steht    Betrieb                                          Umsetzung Mobilitätskonzept mittels Controlling sicherstellen
                    Vermarktung

                                                                                                            7
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Blick zurück: Umgang mit Wachstum in den 70er-Jahren

                3 Blick zurück: Umgang
                   mit Wachstum in den
                   70er-Jahren
                        Bevor wir uns aktuellen Beispielen zuwenden,         nell herstellbaren Scheiben- und Punkthoch-
                        schauen wir zurück. Denn nicht zum ersten Mal        häusern mit grosszügigem Umschwung. Das
                        bereitet sich die Schweiz auf ein starkes Be-        grundsätzliche Lebensmodell heisst Mutter und
                        völkerungswachstum vor. Letztmals war dies           Kinder zuhause, Vater arbeitstätig auswärts.
                        in den 70er-Jahren der Fall. Damals wie heute        Dazu kommt ein Auto pro Wohnung bzw. Fami-
                        wurde neuer Wohnraum in und um die Städte            lie. Das Verkehrsproblem scheint mit dem Bau
                        bereitgestellt, allerdings mit ganz unterschied-     von Autobahnen gelöst zu sein. Die grossen Un-
                        lichen städtebaulichen Rezepten.                     terniveaugaragen mit einem Parkplatz für jede
                                                                             Wohnung funktionieren. Es existiert ein minima-
                        In den 70er-Jahren steht die Schweiz mitten          les Angebot an ÖV.
                        in einem starken Entwicklungsschub. Die Kin-
                        der des Babybooms der Nachkriegszeit sind            Die Wohnungen sind modern, relativ geräumig
                        erwachsen geworden. Es braucht Wohnungen             und die Belegungsdichten hoch. Der öffentliche
                        für die Familiengründung und den Existenzauf-        Freiraum ist anfänglich kein zentrales Thema.
                        bau. Die 10-Millionen-Schweiz winkt am Prog-         Auf den Quartierstrassen kann noch gespielt
                        nosehorizont. Ein eidgenössisches Raumpla-           werden. Allerdings entwickelt sich der Stras-
                        nungsgesetz ist noch nicht in Kraft. Bauen ist       senraum zunehmend monofunktional und ver-
                        relativ günstig. Die Charta von Athen zur funk-      kehrsorientiert. Die Freiraumqualität hängt von
                        tionsgetrennten Stadt gilt noch. Der Begriff Ur-     der Anfangsinvestition ab. Manchmal gibt es
                        banität ist eher negativ belastet. Überall auf der   Spielplätze, Brunnen oder Bassins.
                        Welt entstehen Satellitenstädte. Man möchte
                        der Dichte der Innenstadt entrinnen und träumt       Grosse Mehrfamilienhaus-Überbauungen am
                        von der Stadt im Grünen. Nachfrageerfüllung ist      Stadtrand oder in der Agglomeration gelten we-
                        oberstes Ziel, nachhaltige Entwicklung existiert     gen ihrer schieren Grösse als dicht. Ihre Ausnüt-
                        als Begriff noch nicht.                              zung ist jedoch selten höher als 1,0. Bekannte
                                                                             Beispiele gibt es in Bern (Tscharnergut, Gäbel-
                        Prägende Leitideen                                   bach), Zürich (Affoltern, Schwamendingen, Wi-
                        Die grüne Wiese am Stadtrand wird für die ma-        tikon), Genf (Le Lignon, Meyrin), Aarau (Telli), im
                        nifesten Siedlungsbedürfnisse erschlossen.           Agglomerationsgürtel in Fällanden (Benglen),
                        Massgebliche Vorstellung ist die licht-, luft- und   Adlikon, Volketswil oder Spreitenbach.
                        sonnendurchflutete Wohnung in grossen, ratio­

Bern, Tscharnergut 1972

                        8
Dichte und Verkehr Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen - EBP
Blick zurück: Umgang mit Wachstum in den 70er-Jahren

Entwicklung der Gross­                               Beurteilung heute
siedlungen                                           Die Neubau-Areale der 70er-Jahre haben sich in
Die neuen Quartiere sind das Ziel von Zuwan-         der Zwischenzeit mit dem Stadtkörper verbun-
dernden. Anfänglich setzt sich die Bewohner-         den. Meist haben sie die Herausforderungen
struktur recht einseitig zusammen. Die Fluktuati-    der damaligen Zeit gut bestanden und sind
on ist hoch. Die Siedlungen gelten als gestaltlos    heute trotz anfänglicher Skepsis geschätzte
und unpersönlich. Mit dem Älterwerden der            Wohnquartiere. So unproblematisch sie heute
Bewohnerinnen und Bewohner nimmt die Be-             erscheinen, so wenig können sie Vorbild für die
legungsdichte ab. Das Verkehrsaufkommen              Stadtentwicklung des 21. Jahrhunderts sein.
nimmt hingegen zu, der Motorisierungsgrad            Die Grosskörnigkeit der Bebauung, die niedrige
­erhöht sich. Relativ zum Einkommen werden           Dichte und die Monofunktionalität tragen we-
 die Wohnungen günstiger. Die Zusammenset-           nig zur Stadt der Zukunft und zu einem haus-
 zung der Bewohnerinnen und Bewohner ver-            hälterischen Umgang mit dem Boden bei. Auch
 ändert sich, sie wird vorübergehend vielfältiger.   was die Verkehrslösungen angeht, können die
 Verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen        Siedlungen heute keine Referenz sein. Die He-
 überlagern sich.                                    rausforderung heutiger Gebietsentwicklungen
                                                     besteht darin, sie in engem Bezug zum umge-
Dichter und freundlicher                             benden Stadtgefüge zu planen und Lösungen
Die Bauten der 70er-Jahre müssen heute ener-         für die Mobilitätsbedürfnisse in einem bereits
getisch saniert werden. Gleichzeitig stehen sie      stark ausgelasteten Verkehrsnetz zu finden. Im
im Visier des Denkmalschutzes (Le Lignon, Gä-        Vergleich zu den Siedlungen der 70er-Jahre sol-
belbach). Oft ist eine gewisse Durchmischung         len sie feinkörniger, aber deutlich dichter sein
mit Arbeitsplätzen möglich. Manchmal wird mit        und gute Voraussetzungen für eine stadtver-
einem kleinen Einkaufszentrum nachverdichtet.        trägliche Mobilität bieten. Die nachfolgenden
Das ÖV-Angebot wurde schon vor einiger Zeit          aktuellen Beispiele zeigen, mit welchen Lö-
stark verbessert.                                    sungsansätzen auf die heutigen Herausforde-
                                                     rungen reagiert werden kann.
Vielfach wird versucht, die Bauten den heutigen
Wohnbedürfnissen anzupassen. Mit dem Aus-
bau von Terrassen zu Wintergärten oder durch
das Vorverschieben von Fassaden mit neuen
Balkonen wird die Wohnfläche pro Wohnung
erhöht. Diese baulichen Anpassungen bringen
zwar den heutigen Komfort und erfüllen die
Nachfrage nach grösserem Wohnraum pro Be-
wohner, erhöhen aber häufig die Nutzungsdich-
te nicht.

                                                                                                   9
Dichte und Verkehr Beispiele zum Umgang mit Mobilität und Verkehr bei Gebietsentwicklungen in urbanen Räumen - EBP
Beispiele

            4 Beispiele

                   Giesserei, Winterthur

Sulzerareal Werk 1, Winterthur

                   Limmatfeld, Dietikon

                                      Glattpark, Opfikon

Europaallee, Zürich                                       Richti-Areal, Wallisellen

Sihlcity, Zürich                      Toblerstrasse, Zürich

                                      Hürlimann-Areal, Zürich

Färberei, Thalwil                     Sihlbogen, Zürich

                     10
Beispiele

Europaallee                       Sulzerareal Werk 1                     Glattpark
Zürich                            Winterthur                             Opfikon

Hürlimann-Areal                   Richti-Areal                           Giesserei
Zürich                            Wallisellen                            Winterthur

Limmatfeld                        Sihlcity                               Sihlbogen
Dietikon                          Zürich                                 Zürich

Färberei                          Toblerstrasse
Thalwil                           Zürich

Legenden zu den Beispielen:

ÖV-Güteklassen                                   Dichteklassen (Regionalplanung Zürich u. U.)

Klasse A (sehr gute ÖV-Erschliessung) bis F      Dichte:
                                                 (Einwohner + Arbeitsplätze) / Hektare Bauzone
gemäss:
                                                 Sehr hohe Dichte: > 300
http://www.geolion.zh.ch/
geodatensatz/show?nbid=1989                      Hohe Dichte: 150 bis 300

                                                 Mittlere Dichte: 100 bis 150

                                                 Geringe Dichte: 50 bis 100

                                                 Geringe Dichte: < 50

                                                                                             11
Beispiele

         Beispiel                 Europaallee Zürich
                                  www. europaallee.ch

1980                              Im Zentrum der Stadt Zürich entsteht mit der Europaallee ein multifunktionales und
Beginn erster Planungen
HB-Südwest                        urbanes Quartier, das als Bindeglied zwischen Innenstadt, Hauptbahnhof und den
                                  angrenzenden Wohnquartieren wirkt. Ein Mix aus Dienstleistungs-, Wohn-, Kultur- und
1996                              Bildungsnutzungen sowie kommerziellen Angeboten sorgen für ein belebtes Umfeld.
Einstieg der UBS als Investor;
­Umbenennung zu Eurogate,         Hochwertige öffentliche Räume unterstützen dieses Ziel.
 ­Wohnüberbauung Lagerstrasse

2001                              Was lange währt…                                 zu 40 m ab. Die Qualität des Areals wird auch
Aufgabe des
Projektes Eurogate                Das Projekt ist das Ergebnis eines wechsel-      über die Gestaltung des öffentlichen Raums
                                  vollen Planungsprozesses. Die Planungen der      definiert. Die Entwicklung richtet sich insbeson-
2003                              80er- und 90er-Jahre sahen unter dem Namen       dere an wertschöpfungsstarke Dienstleistungs-
Beginn der Planungen für ­­
Stadtraum HB, städtebauliches     HB-Südwest bzw. später Eurogate eine umfang-     unternehmen, Kommerz und hochwertige Woh-
Konzept durch KCAP                reiche Überbauung der Gleisanlagen und die       nungen. Darüber hinaus wurde ein Neubau für
                                  Wohnüberbauung Lagerstrasse vor. Eurogate        die Pädagogische Hochschule (PH) realisiert.
2006                              wurde von Teilen der Bevölkerung als «überris-   Die Realisierung läuft sehr rasch ab.
Beschluss Gestaltungsplan durch
­Gemeinderat sowie Zustimmung ­   sen» beurteilt. Es waren unter anderem Wirt-
 des Stimmvolks                   schaftlichkeitsüberlegungen, die zum Abbruch     Neuer Stadtteil am grössten
                                  der Planungen führten. 2003 wurde der Weg        Bahnhof der Schweiz
2009                              für einen Neustart frei: Die Planung des neuen   Das Areal Europaallee liegt im Herzen Zürichs.
Beginn der Bauarbeiten
Baufelder A und C                 Quartiers Stadtraum HB, heute Europaallee, sah   Die unmittelbare Nähe zum Hauptbahnhof Zü-
                                  von einer Überbauung der Gleise ab.              rich sorgt für die bestmögliche Erschliessung
2012                                                                               mit dem ÖV: Nicht nur der internationale und
Bezug Baufeld A ­                 Das Areal Europaallee befindet sich in der       nationale Fernverkehr laufen dort zusammen,
(u.a. Pädagogische Hochschule)
                                  Zentrumszone, was zusammen mit den Be-           sondern auch 16 S-Bahnlinien sowie ein we-
bis 2020                          stimmungen des Gestaltungsplans eine Mi-         sentlicher Teil des städtischen Tramnetzes. Da-
Fertigstellung und ­              schnutzung mit sehr hoher Dichte ermöglichte.    rüber hinaus ist der Bahnhof Ausgangspunkt
Bezug aller Baufelder
                                  Gegenüber dem Umfeld setzt es sich durch         der Fussgängerzone zur Innenstadt. Die sehr
                                  eine städtebauliche Akzentuierung mit gross-     hohe Erschliessungsqualität macht das Areal
                                  volumigen Gebäuden und Gebäudehöhen bis          auch zum ­Bindeglied zwischen Bahnhof und
                                                                                   Langstrassenquartier.

                                                                                           Grundfläche:      78 000 m2
                                                                                        Geschossfläche:      300 000 m2
                                                                                             Einwohner:      1000
                                                                                            Beschäftigte:    6000
                                                                                            Studierende:     2500
                                                                                    Publikumsorientierte
                                                                                                Fläche:      21 500 m2
                                                                                             Parkplätze:     650
                                                                                    Autofahrten pro Tag:     2100, 350 pro ha
                                                                                         ÖV-Güteklasse:      A
                                                                                          Dichteklasse:      sehr hohe Dichte (900)

                                  12                                                   Grundeigentümer:      SBB, UBS
Beispiele

Die Ausgangslage bezüglich Verkehr und Um-            ist die Europaallee an die Hallengleise und die
welt hat sich dadurch verbessert, dass das            beiden Tiefbahnhöfe des Hauptbahnhofs ange-
Briefverteilzentrum aus der Sihlpost auszog und       bunden. Die neue Velostation am Europaplatz
damit zahlreiche Lastwagenfahrten entfielen.          und die Passerelle über die Gleise werden zu
Auch wurden betrieblich notwendige Parkplätze         zusätzlicher Attraktivität für den Fuss- und Velo-
der SBB und der Post aus dem Areal verlagert.         verkehr führen. Zur besseren Feinerschliessung
                                                      in Richtung Langstrasse soll künftig die Buslinie
Damit die grossen zusätzlichen Personenströ-          31 neu in der Lagerstrasse verkehren.
me von Einwohnerinnen und Einwohnern und
Beschäftigten das Verkehrsnetz nicht übermäs-         Bis anhin zeigt sich, dass die Fussgängerströme
sig belasten, konzentriert sich das Verkehrskon-      stärker als erwartet sind. Wenn nach Eröffnung
zept stark auf den öffentlichen Verkehr sowie         des Tiefbahnhofs Löwenstrasse auch die gleis-
den Fuss- und Veloverkehr. Parkplätze stehen          seitigen Gebäude realisiert sind, könnte sich
nur sehr wenige zur Verfügung. Kernstück ist          die Querung der Fuss- und Veloverkehrsachse
die Achse der Europa­allee als neue Fussgän-          Europaallee durch Autos und Anlieferungsfahr-
gerzone. Über die ausgebaute Passage Sihlquai         zeuge als problematisch erweisen.

Das Filetstück schmeckt auch
mit wenigen Parkplätzen
«Wohnungskäufern zu sagen, dass Sie zu ihrer          Dennoch: Mieterinnen und Mieter von Büroflä-
Wohnung keinen eigenen Parkplatz haben kön-           chen müssen leer schlucken, wenn sie realisie-
nen, ist nicht einfach», sagt Andreas Steiger, Pro-   ren, wie wenige Parkplätze sie zur Verfügung
jektleiter für die Europaallee bei SBB Immobilien.    haben. Abhilfe dafür bietet ein durchdachtes
Dies seien jedoch Ausnahmefälle. Der Umgang           Mobilitätsmanagement: Die Stadt und die SBB
mit der tiefen Parkplatzzahl ist jedoch eine He-      haben ein Paket von Massnahmen entwickelt,
rausforderung: Auf 6000 Beschäftigte und 1000         welches Anreize für Verhaltensänderungen der
Bewohnerinnen und Bewohner ­kommen maxi-              Menschen schafft. Beispiele dafür sind Mobi-
mal 650 Parkplätze. Denn der ­Autoverkehr, der        lity-Parkplätze, ein Begrüssungsset mit Infor-
vom Areal ausgeht, sollte im Stadtzentrum nicht       mationen zum Verkehrssystem und Hausliefer-          «Die sehr tiefe An-
zu Problemen führen. Selbstverständlich waren         dienste von Geschäften.                              zahl Parkplätze ist
während der Planung längere Diskussionen zwi-                                                              bei der Vermietung
schen SBB, Die Post und der Stadt nötig, bis          Unter dem Strich erweist sich der Standort als       zwar oft ein Thema,
das richtige Mass gefunden war. Daran erinnert        so attraktiv, dass der Mangel an Parkplätzen von     aber am Schluss
sich auch Andy Fellmann, Leiter Mobilität und         den meisten Interessentinnen und Interessen-         überzeugt die
Verkehr beim städtischen Tiefbauamt: «An die-         ten in Kauf genommen wird. «Wir haben kaum           Standortqualität.»
sem einmalig gut erschlossenen Standort kann          Absagen wegen der Parkplätze», sagt Andreas
eine starke Ausrichtung auf den öffentlichen          Steiger. Das Gesamtpaket aus zentraler Lage,         Andreas Steiger, Leiter
                                                                                                           Development Europaallee,
Verkehr vorausgesetzt werden. Urbanität und           ÖV-Erschliessung und den unterschiedlichsten         SBB Immobilien
die Funktionsfähigkeit der Überbauung hängen          Nutzungen, die in Fussdistanz erreichbar sind,
nicht a priori von der Autoerschliessung ab.»         scheint zu überzeugen. Und so wird die Euro-
                                                      paallee auch im Vollausbau die Strassen im
                                                      Stadtzentrum nicht stärker belasten.

                                                                                                     13
Beispiele

         Beispiel                 Sulzerareal Werk 1,
                                  Winterthur
                                  www.sulzerareal.ch

1988
Sulzer gibt Produktionsstandort
Stadtmitte auf                    Das Werk 1 ist ein Teil des 22 Hektaren grossen Sulzerareals Stadtmitte. Seine Identität
                                  ist stark geprägt von der industriellen Vergangenheit. Nun soll auf dem Areal des Werk 1
90er-Jahre                        ein lebendiger und attraktiver Stadtteil entstehen, der sich an den Prinzipien der Nach-
Zwischennutzungen
nisten sich ein                   haltigkeit orientiert. Das gilt für die soziale Durchmischung, für die Energieversorgung
                                  und für die Bewältigung des Verkehrs, wo als wichtiges Instrument ein Fahrtenmodell
2001 bis 2009                     zur Anwendung gelangt.
Private Gestaltungspläne für ­
die an das Werk 1 angrenzenden
Bereiche 1 bis 3                  Das ehemals industriell genutzte Sulzer-Areal      Die angepasste Bau- und Zonenordnung der
                                  Stadtmitte, wo die Geschichte der Giesserei        Stadt Winterthur und ein öffentlicher Gestal-
2009                              der Gebrüder Sulzer 1834 begonnen hat, wird        tungsplan setzen den rechtlichen Rahmen für
Stiftung Abendrot übernimmt
benachbartes Lagerplatzareal      schrittweise in ein durchmischtes Stadtquartier    die bauliche Entwicklung. Der zulässige Wohn-
                                  transformiert. Nach dem Ende der industriellen     anteil bewegt sich zwischen 20 und 55 Prozent.
2010                              Produktion 1988 entstanden zuerst Pläne für        Falls Hochhäuser realisiert werden, ist ein hö-
Leitbild für Werk 1 von Gigon
Guyer als Ergebnis des Testpla-   die Bereiche 1 bis 3 zwischen Gleisen und Zür-     herer Wohnanteil möglich. Für weitere Baufelder
nungsverfahrens                   cherstrasse, dann für das Lagerplatzareal und      steht eine Nutzung durch die zhaw in Aussicht.
                                  das Werk 1. Die zentrale Lage des Standorts so     Die bauliche Dichte kann gegenüber dem aktu-
2011                              nahe beim Hauptbahnhof Winterthur macht ihn        ellen Bestand etwa verdreifacht werden.
Einstimmige Verabschiedung des
städtischen Gesamtverkehrs-       attraktiv für unterschiedliche Nutzungen.
konzepts durch den Grossen                                                           Fahrtenbegrenzung zu
Gemeinderat
                                  Vielfalt in grossen Baukörpern                     ­Spitzen­verkehrszeiten
2013                              Das Leitbild zeigt die mögliche Entwicklung für    Das Areal befindet sich nahe am Hauptbahnhof
Vorlage BZO-Teilrevision und
Öffentlicher Gestaltungsplan      das Areal Werk 1 auf. Grossvolumige Baukörper      von Winterthur und ist mit ÖV, zu Fuss und mit
«Werk 1»                          ergänzen die bestehenden Hallenbauten. Acht        dem Velo hervorragend erreichbar. Die Zürcher-
                                  unterschiedlich grosse Baufelder mit je eigenen    strasse, das Rückgrat der Strassenerschlies-
                                  Nutzungsvorstellungen geben dem Areal die          sung, ist hingegen bereits stark mit Verkehr
                                  räumliche Struktur. Bereits neu genutzt sind die   belastet. Diese Erkenntnis stellte die Planung
                                  Baufelder 7 und 8 (Technopark und Geschäfts-       für das Areal Werk 1 vor eine grosse Heraus-
                                  haus Drehscheibe). In den Baufeldern 1 und 4b      forderung.
                                  sind drei Hochhäuser möglich.

                                                                                             Grundfläche:     61 000 m2
                                                                                          Geschossfläche:     148 000 m2 (inkl.
                                                                                                              Hochhäuser)

                                                                                              Einwohner:      500 bis 1000
                                                                                             Beschäftigte:    5000
                                                                                               Parkplätze:    786 (inkl. Bestand)
                                                                                      Autofahrten pro Tag:    2400, 400 pro ha
                                                                                           ÖV-Güteklasse:     A
                                                                                            Dichteklasse:     sehr hohe Dichte (900)

                                                                                       Grundeigentümerin:     Implenia

                                  14
Beispiele

Wie im Rest des Sulzerareals gilt für das           Uhr an Samstagen dürfen höchstens 200 Zu-
Werk 1 das «Altstadt-Prinzip»: Das Gebiet steht     und Wegfahrten pro Stunde erfolgen. Wenn die
­vornehmlich dem Fuss- und Veloverkehr zur          Zürcherstrasse am stärksten durch den Auto-
 Verfügung. Der Motorfahrzeugverkehr wird auf       verkehr belastet ist, soll der zusätzliche Verkehr
 Garagenzufahrten und Anlieferung beschränkt.       des Areals Werk 1 den Verkehrsfluss nicht be-
 Oberirdische Parkplätze werden nicht angebo-       einträchtigen. Damit wird auch sichergestellt,
 ten.                                               dass die Zu- und Wegfahrten von der Zürcher-
                                                    strasse aufgenommen werden können und die
Mit höchstens 630 Parkplätzen für die Baufelder     Erreichbarkeit des Areals gewährleistet ist. Ein
1 bis 6 ist das Parkplatzangebot vergleichswei-     Mobilitätsmanagement muss aufzeigen, wie
se niedrig. Dennoch ist es notwendig, zusätz-       die Mobilitätsbedürfnisse der Nutzerinnen und
lich das Verkehrsaufkommen zu begrenzen: Von        Nutzer unter diesen Voraussetzungen befriedigt
16 bis 19 Uhr an Werktagen und von 11 bis 15        werden können.

Den letzten beissen die Hunde
«Heute würden den Bereichen 1 bis 3 des Sul-        te. Die Beschränkung der Parkplatzzahl allein
zerareals Stadtmitte wohl nicht mehr so viele       würde nicht reichen, um den Verkehrsfluss auf
Parkplätze zugestanden», sagt Nicolas Perrez        der Zürcherstrasse zu garantieren. Die Fahrten-
vom Winterthurer Amt für Städtebau. Als die er-     regelung bezieht sich auf die Tageszeiten, zu
sten Gestaltungspläne für diesen Teil des Areals    denen die Verkehrsbelastung besonders hoch
2001 unterzeichnet wurden, stand man noch am        ist: im abendlichen Spitzenstundenverkehr und
Anfang der Entwicklung des Sulzerareals. Die        Samstagmittag. Wird die Zahl von 200 Zu- oder
Stadt und Sulzer vereinbarten einen Rahmen          Wegfahrten pro Stunde überschritten, wird von
von insgesamt 1300 Parkplätzen für die Be-          der Grundeigentümerschaft eine Abgabe pro
reiche 1 bis 3. Für andere Teile des Gesamtare-     überzählige Fahrt erhoben und in letzter Konse-      «Der Erfolg des
als gab es noch keine konkreten Nutzungsvor-        quenz droht der Abbau von Parkplätzen.               Sulzer­areals Stadt-
stellungen und damit auch keine Gesamtschau.                                                             mitte soll nicht dazu
Bei der Planung des Areals Werk 1 zehn Jahre        Bei den Vorhaben im benachbarten Bereich der         führen, dass die
später zeigte sich, dass es eng wird mit der Ver-   Hallen 52/53 wird aufgrund einer Vereinbarung        Zürcherstrasse ihre
kehrskapazität der Zürcherstrasse.                  zwischen Stadt und Implenia auf ca. 300 Park-        Aufgabe als Rückgrat
                                                    plätze verzichtet. Damit reduziert sich die Park-    der Erschliessung
Dabei hatten die Verantwortlichen Glück mit         platzzahl für die Bereiche 1 bis 3 auf ca. 1000.     nicht mehr erfüllen
dem benachbarten Lagerplatzareal. Die Stiftung      Diese Reduktion ist zwingende Voraussetzung          kann.»
Abendrot, die dieses Areal 2009 übernommen          dafür, dass die Regelungen für das Areal Werk
hat, möchte Nischen für Kleingewerbe, Freizeit,     1 ausreichen. So kann zum Schluss dort eine          Nicolas Perrez, Amt für
                                                                                                         ­Städtebau Stadt Winterthur
Kunst und Kultur erhalten und plant höchstens       Korrektur angebracht werden, wo zu Beginn der
350 Parkplätze.                                     Planung aus heutiger Sicht eher grosszügig mit
                                                    der freien Verkehrskapazität umgegangen wor-
Dennoch war für die Stadt klar, dass der Gestal-    den war.
tungsplan für das Areal Werk 1 auch eine Rege-
lung des Fahrtenaufkommens umfassen muss-

                                                                                                   15
Beispiele

          Beispiel                     Glattpark, Opfikon
                                       www.glattpark.ch

1938 und später                        Bereits über 70 Jahre ist es her, dass der Planungsstart für die Bebauung des dama-
Landerwerb durch Stadt Zürich,
Erstellung Kläranlage, Zivilschutz-    ligen Oberhauserriets in Opfikon erfolgte. Erst die Volksabstimmung im Jahr 1991
zentrum, Asylantenheim etc.            ebnete jedoch den Weg für eine massvolle, finanziell verkraftbare, umwelt- und sozial-
                                       verträgliche Entwicklung – und damit dem heutigen Stadtteil Glattpark. Seit 2002 wird
1952 / 1961                            gebaut und Raum geschaffen für mindestens 6000 Bewohnerinnen und Bewohner und
Einleitung Quartierplanverfahren
/ Genehmigung Zonenplan mit            bis zu 10 000 Beschäftigte. Verkehrliche Überlegungen waren bei der Planung zentral.
grosszügigem Industriebereich

1986 bis 1988                          Das früher «Oberhauserriet» genannte Gebiet       wicklung unter anderem auf die Kapazitäten des
Sistierung Quartierplan / Auftrag
für Neuplanung / Volksinitiative zur   zwischen der Stadt Zürich und dem Zentrum         Verkehrssystems abstimmen. Die Neuplanung
Schaffung einer Reservezone im         Opfikons war eine der grössten Siedlungsre-       mündete in den Gegenvorschlag «revidierte
Oberhauserriet
                                       serven im Norden Zürichs. Der starke Entwick-     Richt- und Nutzungsplanung im Oberhauser-
1991                                   lungsdruck während der Hochkonjunkturphase        riet», der 1991 von den Stimmberechtigten an-
Volksabstimmung: Ablehnung
Volksinitiative und Annahme des        der 80er-Jahre trieb die Preise in die Höhe. Es   genommen wurde.
Gegenvorschlags Gesamtplanung          wurde von der «teuersten Wiese Europas» ge-
Oberhauserriet
                                       sprochen. Die Behörden befürchteten ungün-        Die Neuplanung beinhaltete die Änderung der
1992 bis 2000                          stige Auswirkungen des enormen Wachstums          Bau- und Zonenordnung (BZO) und den Erlass
Ausarbeitung Quartierplan auf
Basis der neuen Sonderbauvor-          auf Verkehr und Umwelt. Insbesondere an der       von Sonderbauvorschriften. Sie ermöglichte
schriften                              Thurgauerstrasse rechneten sie mit einem Ver-     den Grundeigentümern eine auf zwei Drittel der
                                       kehrskollaps.                                     Fläche beschränkte, aber verdichtete Überbau-
2002 bis 2009                                                                            ung. Ein Drittel der Fläche blieb einem öffentlich
Erste Revision BZO und Sonder-
bauvorschriften / Erste Bauetappe      Planung im Wandel der Zeit                        zugänglichen Park vorbehalten. Ziel war ein be-
Glattpark                              Vor diesem Hintergrund wurde 1988 eine Volk-      lebtes, durchmischtes Quartier mit Wohn- und
                                       sinitiative zur Schaffung einer Reservezone im    Dienstleistungsnutzungen, das in drei Etappen
2011                                   Oberhauserriet lanciert. Kurz zuvor hatte die     entstehen sollte. Zur Erlangung der Baureife
Zweite Revision von BZO und Son-
derbauvorschriften / Teilrevision      Stadt Opfikon die Neuplanung für das Gebiet an    wurde ein Quartierplan erarbeitet. Wegen ver-
Quartierplan                           die Hand genommen. Diese sollte dessen Ent-       schiedener Rekurse konnte der Quartierplan
                                                                                         erst im Jahr 2000 in Kraft gesetzt werden.
2011 bis ?
Zweite Bauetappe Glattpark

                                                                                                  Grundfläche:     674 000 m2
                                                                                                  Park mit See:    205 000 m2
                                                                                                   Nutzfläche:     514 000 m2
                                                                                                   Einwohner:      6000 bis 7000
                                                                                                  Beschäftigte:    7000 bis 10 000
                                                                                                   Parkplätze:     4800 bis 5200
                                                                                          Autofahrten pro Tag:     12 000 bis 13 000
                                                                                                                   185 pro ha
                                                                                               ÖV-Güteklasse:      A, B
                                                                                                Dichteklasse:      hohe Dichte (200 bis 250)

                                                                                             Grundeigentümer:      25, Stadt Zürich als
                                                                                                                   grösste Grundeigentümerin
                                       16
Beispiele

Konzeptwechsel auch ­                               Die Aufgabe der zentralen Parkhäuser und die
beim Verkehr                                        daraus resultierende Verteilung der Parkplätze
Das Strassennetz im Umfeld des Oberhauser-          auf die einzelnen Baufelder machten Anpas-
riets war bereits in den 80er-Jahren mit viel       sungen am Verkehrsregime notwendig.
Verkehr belastet. Die Neuplanung legte die
Grundlagen für ein reduziertes Aufkommen an         Mit der Veränderung des Nutzungsmixes hin
motorisiertem Individualverkehr. Für die Dienst-    zu mehr Wohnraum wären deutlich mehr Park-
leistungsnutzungen blieb man mit 1300 bis 1500      plätze entstanden, da pro Wohnung 1 Parkplatz
Parkplätzen um zwei Drittel unter den Wer-          zulässig war. Um das Verkehrssystem nicht zu
ten der gültigen kommunalen Regelung. Diese         gefährden, wurde mit einer Revision der BZO
Parkplätze sollten in zwei zentralen Parkhäusern    und der Sonderbauvorschriften 2011 die Zahl
am nördlichen und südlichen Rand des Gebiets        der zulässigen Parkplätze für die Wohnnutzung
untergebracht werden. Eine Monorail-Bahn hät-       in Teilbereichen um 50 Prozent reduziert.
te sie miteinander verbunden.
                                                    Die Rahmenbedingungen für das Gebiet haben
Während sich der Baubeginn verzögerte, verän-       sich auch durch den Bau der Glattalbahn (Tram-
derten sich die Rahmenbedingungen: Der Markt        linien 10, 11 und 12) fundamental verbessert. Die
verlangte Ende der 90er-Jahre keine Dienstlei-      Buslinie 781 sichert die Feinerschliessung im
stungsflächen mehr, sondern Wohnraum. Des-          Innern des Gebiets. Noch nicht ausgereift sind
halb verlangten die Grundeigentümer einen Ver-      hingegen die Anschlüsse an das übergeordnete
zicht auf das Konzept der Sammelparkhäuser.         Weg- und Veloroutennetz.

Marschhalt zwischen Bauetappen
zur kritischen Reflexion
«Kreative Zwischenstopps zwischen den Etap-         reitschaft der Grundeigentümer, dem Nutzungs-
pen von grösseren Entwicklungsprojekten bie-        wandel sowie bestehender Finanzierungs-
ten die Möglichkeit, kritisch auf die gesteckten    schwierigkeiten sistiert worden. Gleichzeitig
Projektziele und die Rahmenbedingungen zu           hatte sich die Nachfrage der Zuzügerinnen und
schauen und zu beurteilen, ob das gewählte          Zuzüger nach Parkplätzen verringert. Nicht nur
Vorgehen weiterhin sinnvoll und zielführend ist»,   in der Stadt Zürich, auch im Gebiet Glattpark
erläutert Stephan Schubert von Planpartner. Im      benötigt nicht mehr jede Wohnung einen Park-
Glattpark kam es zu diesem «kritisch-kreativen      platz. Die Ziele für Parkierung und Nutzungsmix
Zwischenstopp», nachdem die erste Bauetappe         sowie der Umgang mit der Wohnnutzung muss-
schnell überbaut war und den Beteiligten kaum       ten neu definiert werden. Der Prozess mündete       «Mitte der 80er-Jah-
Zeit zur Reflexion gelassen hatte.                  2011 in der Anpassung von BZO und Sonder-           re befürchtete die
                                                    bauvorschriften, mit denen der Parkplatzbedarf      Stadt Opfikon den
Mit der Neuplanung Ende der 80er-Jahre war          für Wohnungen stark reduziert wurde.                Verkehrs­kollaps.»
das Gebiet überhaupt erst für die Wohnnutzung
geöffnet worden. In den 90er-Jahren brach der       Gerade angesichts des langen Planungspro-           Walter Gottschall, dipl. Arch.
                                                                                                        ETH/SIA, lic.phil.I
Markt für Dienstleistungsflächen so stark ein,      zesses in Glattpark bewährte sich das Einle-
dass in der ersten Etappe deutlich mehr Wohn-       gen eines Marschhaltes. Korrigierende Eingriffe
raum erstellt wurde als geplant.                    in das Planungswerk ohne Marschhalt wären
                                                    kaum möglich gewesen. Die Änderungen wur-
Mit der kritischen Reflexion zwischen der ersten    den jedoch mit Blick auf die Planungssicherheit
und zweiten Etappe wurde die bestehende Par-        der Grundeigentümer sorgfältig abgewogen.
kierungssituation neu beurteilt. Die Realisierung
der Parkhäuser war aufgrund der fehlenden Be-

                                                                                                  17
Beispiele

          Beispiel                  Hürlimann-Areal,
                                    Zürich
                                    www.huerlimann-areal.ch

1996                                Die 1836 gegründete Brauerei der Familie Hürlimann etablierte sich ab 1880 als grösste
Einstellung des Brauereibetriebs
                                    Brauerei der Schweiz. Durch die Marktliberalisierung bedrängt, musste sie 1996 den
1997 bis 1998                       Betrieb einstellen. Übrig blieb eine grosse, innerstädtische Industriebrache. Mit einem
Entwicklungsleitbild (Althammer +
Hochuli, Volk, Architekten)         Gestaltungsplan konnte 2003 die Umnutzung und Erneuerung des Hürlimann Areals zü-
                                    gig vorangetrieben werden. Heute präsentiert sich das Areal mit attraktiver Mischnut-
2000                                zung in alten und neuen Gebäuden.
Inkrafttreten Gestaltungsplan	­

2001
Baubeginn auf den ersten
­Baufeldern                         In einem kooperativen Planungsverfahren erar-        Von der Bierbrauerei zum
                                    beiteten die Hürlimann Immobilien AG als dama-       Stadtquartier
2003                                lige Grundeigentümerin und das Amt für Städte-       Über eine Dauer von zehn Jahren wurden be-
Pläne der Migros für ein
­Erlebnisthermalbad «Aqui Park»     bau der Stadt Zürich ein Entwicklungsleitbild für    stehende Gebäude umgebaut und Neubauten
                                    die Industriebrache der ehemaligen Brauerei.         erstellt. Wo früher Bier gebraut wurde, wird nun
2006                                Auf der Basis von städtebaulichen Entwürfen          gewohnt, gearbeitet, eingekauft und gebadet.
Migros verwirft Pläne für ­
«Aqui Park»                         sollte das Hürlimann Areal in die Stadt integriert   Im Nordwesten stehen stattliche Wohnhäuser
                                    werden. Der Gestaltungsplan liess einen Wohn-        inkl. Altersresidenz, im Südwesten das erhöht
2008                                anteil von 25 Prozent sowie mässig störende          gelegene Themalbad & Spa Zürich mit Hotel und
Eröffnung des Thermalbad & Spa
Zürich
                                    Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe zu. Nach        dazwischen Gewerbenutzungen sowie grosse
                                    nur vier Jahren Planungszeit konnten bereits die     Bürobauten. Unter anderem befinden sich hier
2010                                ersten Bauten in Angriff genommen werden.            1100 Arbeitsplätze von Google.
Bezug der letzten realisierten
Gebäude                             Bei der Transformation der Industriebrache zum
                                    Areal nahm der Erhalt zentraler historischer Ge-     Spagat zwischen Zentrums-
                                    bäude eine wichtige Rolle ein. Die Backstein-        und Randlage
                                    bauten der Brauereieinrichtungen sind charak-        Das Hürlimann Areal liegt nur wenige hundert
                                    terstiftend für das gesamte Areal.                   Meter von zwei S-Bahnstationen (Bahnhof
                                                                                         Enge, Bahnhof Giesshübel) und einer Tramhal-
                                                                                         testelle (Waffenplatzstrasse) entfernt. Trotzdem
                                                                                         ist es durch eine Art innerstädtischer Randlage
                                                                                         geprägt, da die SZU-Gleise entlang der Sihl das

                                                                                                 Grundfläche:     64 000 m2
                                                                                              Geschossfläche:     87 000 m2
                                                                                                   Einwohner:     300
                                                                                                  Beschäftigte:   2600
                                                                                          Publikumsorientierte
                                                                                                      Fläche:     Verkauf, Thermalbad

                                                                                                   Parkplätze:    429
                                                                                          Autofahrten pro Tag:    1852 bis 2970
                                                                                                                  290 bis 465 pro ha
                                                                                               ÖV-Güteklasse:     A, B
                                                                                                Dichteklasse:     sehr hohe Dichte (450)

                                    18                                                       Grundeigentümer:     PSP Swiss Property,
                                                                                                                  Stockwerkeigentümer
Beispiele

Areal auf der ganzen Längsseite begrenzen. Die     dung, dass die Groberschliessung des Areals
SZU-Haltestelle wird von einer Buslinie von un-    mit drei Bahnhöfen im Umkreis von 750m be-
tergeordneter Bedeutung bedient.                   reits gewährleistet sei.

Mit der Umnutzung des Hürlimann-Areals hat         Für den motorisierten Individualverkehr ist das
die Stadt zwei neue Fussgänger- und Velobrü-       Areal nur über einen Zugang von der Brand-
cken über die Sihl und die SZU-Gleise gebaut.      schenkestrasse her erreichbar. Die Parkplätze
Die 2005 eröffneten Brücken (Hertersteg, Her-      sind auf Basis des Umweltverträglichkeitsbe-
terbrücke) dienen der Erschliessung des Areals     richts und des angenommenen Nutzungsmixes
und schaffen eine öffentliche Fussgänger- und      auf 429 begrenzt. Die Regelungen des Gestal-
Veloverbindung. Ein neuer Liftturm verbindet die   tungsplanes wurden gegenüber der Parkplatz-
Berganlage mit dem tiefer gelegenen Sihlufer-      verordnung der Stadt verschärft, indem im Ge-
weg und der S-Bahnstation Giesshübel.              staltungsplan das Reduktionsgebiet C gemäss
                                                   Parkplatzverordnung zugrunde gelegt wurde,
Um die ÖV-Erschliessung zu verbessern, schlug      obschon das Gebiet eigentlich im Reduktions-
die Stadt eine neue SZU-Haltestelle beim Hürli-    gebiet D liegt. Grund dafür war für die Stadt
mann Areal vor. Der Kanton sprach sich jedoch      die beschränkte Verkehrskapazität des umlie-
dagegen aus, einerseits aus wirtschaftlichen       genden Strassennetzes. Die heute realisierten
Überlegungen, andererseits mit der Begrün-         Nutzungen nehmen mit ihrem Verkehrsaufkom-
                                                   men auf diese Situation Rücksicht.

Verkehrsintensive Nutzung droht
den Rahmen zu sprengen
Eine weit über die Region hinausreichende At-      «Die Stadt schlug die Einrichtung eines Fahrten-
traktion plante die Migros Zürich mit dem «Aqui    modells vor, womit die zur Verfügung stehenden
Park» auf dem Hürlimann Areal. Das Mineral-        Parkplätze flexibler nutzbar geworden wären»,
und Thermalwasser wäre nicht nur in einer tradi-   sagt Christoph Suter, Projektleiter beim Tiefbau-
tionellen Bad- und Saunalandschaft mit Freibad     amt der Stadt Zürich. Aufgrund der komplexen
auf dem Dach, sondern auch in einem Innenbad       Eigentümerstruktur erwies es sich jedoch als zu
für ein junges Publikum genutzt worden. Die Mi-    schwierig, das Fahrtenmodell im Nachhinein zu
gros rechnete mit 500 000 Besucherinnen und        etablieren.
Besuchern pro Jahr.
                                                   Die verkehrliche Erschliessung und das Park-        «Die Parkierungs-
So wünschenswert für verkehrsintensive Ein-        platzangebot blieben für einen Publikumsma-         vorschriften im Ge-
richtungen ein zentraler, gut erschlossener        gneten vom Kaliber des «Aqui Park» unzurei-         staltungsplan hatten
Standort ist, stellte das Projekt doch alle Pla-   chend. Die Migros liess das Projekt fallen. Die     grossen Einfluss auf
nungsbeteiligten vor eine grosse Herausfor-        heutige Eigentümerin PSP Swiss Property ver-        die heutige Nutzung.»
derung: Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten       anstaltete daraufhin einen Ideenwettbewerb
Baufelder bereits überbaut und weitere stan-       und entschied sich für die Nutzungskombina-         Thomas W. Kraft, Direktor,
                                                                                                       Asset Manager PSP Swiss
den in Realisierung. Ein Grossteil der zuläs-      tion Thermalbad /Hotel. Das Bad liess sich im       Property
sigen Parkplätze war damit bereits zugeteilt.      Rahmen des rechtsgültigen Gestaltungsplans
Die Grundeigentümer konnten dem «Aqui Park»        realisieren. Es positioniert sich als modernes
nicht so viele Parkplätze zur Verfügung stellen,   Thermalbad für den Grossraum Zürich ohne
wie gemäss Berechnungen erforderlich gewe-         Fun- und Kidsangebote. Dennoch ist die Besu-
sen wären. Eine Anpassung der Bestimmungen         cherzahl mit jährlich rund 150 000 beachtlich.
des Gestaltungsplans wollten sie vermeiden, da
dies grosse Verfahrensrisiken mit sich gebracht
hätte.

                                                                                                 19
Beispiele

          Beispiel                     Richti-Areal,
                                       Wallisellen
                                       www.richti.ch

bis 1989                               Die 2014 fertiggestellte Überbauung des Richti-Areals hat ein dichtes, gemischt ge-
Beton- und Zementwarenfabrik
Favre                                  nutztes Quartier hervorgebracht. Die Blockrandbebauung schafft klar definierte Innen-
                                       und Aussenräume. Die Durchlässigkeit des Gebiets und der einzelnen Blöcke sowie die
1990 bis 1993                          Verbindung zwischen Bahnhof Wallisellen und Einkaufzentrum Glatt prägen das Areal.
Architekturwettbewerb und Projekt
für Bankenzentrum                      Arkaden und ein zentraler Platz werten den neuen öffentlichen Raum auf.

2001
Übernahme von 1/3 des Grund-
stücks durch Allreal, Überarbei-       Seit Ende der 80er-Jahre entstanden unter-         Die insgesamt sieben Gebäude dienen in erster
tung Projekt                           schiedliche Projekte zur Entwicklung des ehe-      Linien Wohn- und Dienstleistungsnutzungen,
                                       mals industriell genutzten Gebiets zwischen        wobei im Norden und Westen Wohnen den
2004                                   Bahnhof Wallisellen und Glattzentrum. Sowohl       Schwerpunkt bildet und im Süden die Dienst-
Baubewilligung erlischt ungenutzt
                                       ein Projekt mit architektonischen Grossformen      leistungsnutzung. Der Gestaltungsplan definiert
                                       für ein Bankenzentrum als auch eine Überbau-       das Ausmass der Wohn- und der Verkaufsnut-
2006                                   ung mit mehreren Hochhäusern wurden nicht          zung über Bandbreiten. Wichtiger Bestandteil
Implenia plant neun Hochhäuser
                                       weiterverfolgt. Eine Lösung fand sich erst nach    des Bebauungskonzepts ist die Publikumsori-
                                       20 Jahren Planungszeit. Allreal, Entwicklerin      entierung der Erdgeschosse entlang der über-
2007 bis 2008                          und inzwischen auch Grundeigentümerin des          geordneten öffentlichen Räume – dort, wo mit
Allreal kauft Rest des Areals. Test-
planungsverfahren, Richtprojekt        ganzen Gebiets, realisierte mit dem Richti-Areal   ausreichenden Fussgängerfrequenzen zu rech-
(Prof. Lampugnani) und UVB             ein Stadtquartier mit gemischter Nutzung.          nen ist. Läden haben sich im Quartier angesie-
                                                                                          delt. Arkaden unterstreichen die Bedeutung des
2009                                   Urbane Insel an guter Lage                         öffentlichen Raums als Aufenthaltsort.
Gestaltungsplan tritt in Kraft
                                       Eine hohe bauliche Dichte liess sich durch die
                                       Blockrandstruktur und ein Hochhaus erreichen.      Städtisches Verkehrskonzept ­
2010 bis 2014                          Damit hebt sich das Areal deutlich von seinem      für ein neues Quartier
Realisierung
                                       Umfeld ab. Die grosszügige Richtiarkade und        Das Richti-Areal verbindet die beiden Knoten-
                                       eher schmale untergeordnete Strassen durch-        punkte Bahnhof Wallisellen und Glattzentrum
                                       ziehen das Innere des Quartiers. Die öffentlich    durch eine zentrale Achse, die Richtiarkade. Mit
                                       zugänglichen Innenhöfe der Blöcke weit gefasst.    der Glattalbahn (Tramlinie 12), den zwei regio-

                                                                                                  Grundfläche:     72 000 m2
                                                                                               Geschossfläche:     180 000 m2
                                                                                                    Einwohner:     1200
                                                                                                   Beschäftigte:   3500
                                                                                           Publikumsorientierte
                                                                                                       Fläche:     3740 m2
                                                                                                    Parkplätze:    1090
                                                                                           Autofahrten pro Tag:    3600 bis 4400
                                                                                                                   500 bis 600 pro ha
                                                                                                ÖV-Güteklasse:     A
                                                                                                 Dichteklasse:     sehr hohe Dichte (650)

                                       20                                                     Grundeigentümer:     Allreal, Stockwerkeigentümer
Beispiele

nalen Buslinien und dem Bahnhof Wallisellen        Durchgangsverkehr durch das Quartier wird
verfügt das Areal über eine sehr gute ÖV-Er-       durch eine Hierarchisierung des Strassennetzes
schliessung.                                       vermieden – jedoch ohne dass die Erschlies-
                                                   sungsqualität für die Nutzerinnen und Nutzer
Die Anzahl Parkplätze wurde nach der kanto-        geschmälert würde: Die leistungsfähigen Stras-
nalen Wegleitung bestimmt und liegt tiefer, als    sen umfahren das Areal. An ihnen liegen die
nach den gültigen kommunalen Regelungen            meisten Zufahrten zu den Tiefgaragen der Blö-
möglich wäre. In der Ausführung wurde die          cke. Die siedlungsorientiert gestaltete Richtiar-
Anzahl Parkplätze gegenüber dem Gestal-            kade durchquert das Quartier als Hauptstrasse.
tungsplan nochmals reduziert. Parkplätze für       Von ihr gehen schmalere Erschliessungsstras-
Besucherinnen und Besucher sind teilweise          sen aus, die für den Fuss- und Veloverkehr at-
oberirdisch im Strassenraum angeordnet.            traktiv sind.

Ein Stück Innenstadt
ausserhalb von Zürich
«Wenn wir mit Interessentinnen und Interessen-     zungen waren Teil des Bebauungskonzepts,
ten aus Zürich sprechen, so können wir ihnen       aber damit diese kostendeckende Mietpreise
mehr Parkplätze als in der Zürcher Innenstadt      zahlen können, müssen sie an den am stärksten
anbieten», erzählt Nigel Woolfson, Leiter Pro-     frequentierten Lagen angeordnet sein, meint Ni-
jektentwicklung bei Allreal. Zuzügerinnen und      gel Woolfson.
Zuzüger aus Zürich sind sich eher tiefe Park-
platzzahlen gewohnt und haben ihr Mobilitäts-      Auf dem Richti-Areal ist ein Quartier entstan-
verhalten entsprechend angepasst. Hingegen         den, das an ein Stück der Zürcher Innenstadt
kommen Interessenten aus der Agglomeration         erinnert. Das zeigt sich auch bei der Erschlies-
die Anzahl Parkplätze tief vor.                    sung. Nach dem Prinzip einer Ringerschlies-         «Die sehr gute Anbin-
                                                   sung von aussen entstehen im Inneren Stras-         dung an den öffent-
«Die Erstvermietung ist gut gelaufen, wir haben    senräume mit einer hohen Aufenthaltsqualität.       lichen Verkehr trägt
aber wegen der Parkplätze auch Mietinteres-        Dies hilft, dass die für die Geschäfte notwen-      viel zur Attraktivität
senten verloren», ergänzt Marcel Meier von Si-     dige Belebung mit Fussgängerinnen und Fuss-         des Richti-Areals
denzia, dem Immobilienmanager des Quartiers.       gängern zustande kommt. Im neuen Quartier           bei.»
Der Standort und die städtebauliche Lösung         wurde auch der Gestaltung der Strassenräume
erweisen sich aber als so attraktiv, dass keine    viel Aufmerksamkeit geschenkt, insbesondere         Nigel Woolfson, Leiter Projekt-
                                                                                                       entwicklung Allreal
Vermietungsprobleme drohen. An weniger privi-      bei der Richtiarkade. Mittels Arkaden, Alleebäu-
legierten Standorten wäre wohl mit wirtschaftli-   men und unterschiedlicher Strassenbeläge soll
chen Einbussen zu rechnen.                         der Eindruck der Urbanität zusätzlich verstärkt
                                                   werden.
Einzelne Ladenbesitzer klagen über einen Man-
gel an oberirdischen Parkplätzen für Besucher­
innen und Besucher. Publikumsorientierte Nut-

                                                                                                 21
Beispiele

          Beispiel                  Giesserei, Winterthur
                                    www.giesserei-gesewo.ch

1958 bis 1993                       Im letzten Jahrhundert wurden in der Giesserei Winterthur noch Motorblöcke für
Betrieb der Grossgiesserei ­
Sulzer am Standort                  Schiffs­motoren, Turbinenräder für Kraftwerke, Pumpenteile oder Lokomotivräder ge-
                                    gossen. Heute steht dort eine Siedlung, die gleich in verschiedener Hinsicht Aufsehen
2002                                erregt: Mit der Giesserei im neu entstehenden Winterthurer Stadtteil Neuhegi wurde ein
Städtebaulicher Rahmenplan,
Sulzer Areal, Oberwinterthur,       genossenschaftlich organisiertes, komplett selbstverwaltetes Mehrgenerationenhaus
Dürig AG                            realisiert. Und als Velo-Siedlung ist sie weitgehend autofrei.

2005
Hans Suter sucht via Inserat nach
Interessenten für ein selbstver­    Geeigneter Standort für                             Die Architekten realisierten 155 Wohneinheiten
waltetes Mehrgenerationenhaus       ambitioniertes Projekt                              für unterschiedliche Bedürfnisse und Lebens-
                                    Ein Mehrgenerationenhaus, dessen Bewohne-           phasen. Die Einwohnerinnen und Einwohner
2006                                rinnen und Bewohner es selbst verwalten – die-      müssen ihr Miteinander selber regeln. So wäh-
Gründung Verein
­Mehrgenerationenhaus               se Vision schwebte dem Architekten Hans Suter       len sie auch Neumieter selbst aus. Die Siedlung
                                    vor. 2005 schaltete er ein Inserat, um weitere      bietet öffentlich zugängliche Infrastrukturen wie
2007                                Interessierte zu finden. Die Resonanz war gross.    eine Bibliothek oder ein Restaurant und trägt
Verhandlungen mit Sulzer
­Immobilien für Übernahme ihres     23 Personen gründeten 2006 zusammen mit             damit zur Identität des Quartiers bei.
 ehemaligen Standorts               Suter den Verein Mehrgenerationenhaus. Als
                                    schwierig erwies sich die Suche nach einem ge-      Pionierleistung für autofreies
2008 bis 2009                       eigneten Grundstück. Nach zwei Jahren wurde         Wohnen
Architekturwettbewerb: Projekt
von Galli Rudolf Architekten        der Verein im Winterthurer Stadtteil Neuhegi auf    Die Siedlung Giesserei Winterthur liegt prak-
                                    einer Parzelle der ehemaligen Sulzer Grossgies-     tisch in der Mitte zwischen den S-Bahnstationen
2010                                serei fündig. Das Areal war allerdings dreimal so   Oberwinterthur und Winterthur Hegi. Letztere
Baubewilligung rechtskräftig        gross wie gewünscht. Plötzlich waren über 150       wurde erst 2006 zur besseren Erschliessung
2013                                Wohnungen realistisch. Die Angliederung an die      des Entwicklungsgebiets Neuhegi in Betrieb
Bezug der Mehrgenerationen­
siedlung                            Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen         genommen. Beide sind für die Entwicklung des
                                    (Gesewo) sicherte dem Verein Zugang zu pro-         Stadtteils Neuhegi von herausragender Bedeu-
                                    fessionellem Wissen im Bereich des selbstver-       tung. Eine Bushaltestelle in der Nähe der Sied-
                                    walteten Wohnens.                                   lung besteht, das Angebot befindet sich jedoch
                                                                                        noch im Aufbau.

                                                                                                Grundfläche:      10 000 m2
                                                                                             Geschossfläche:      29 400 m2
                                                                                                  Einwohner:      280
                                                                                                 Beschäftigte:    25
                                                                                         Publikums­orientierte
                                                                                                      Fläche:     1400 m2
                                                                                                  Parkplätze:     30
                                                                                         Autofahrten pro Tag:     60, 60 pro ha
                                                                                              ÖV-Güteklasse:      B, C
                                                                                               Dichteklasse:      hohe Dichte (300)

                                                                                          Grundeigentümerin:      Genossenschaft für
                                    22                                                                            selbstverwaltetes Wohnen
                                                                                                                  (Gesewo)
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