Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
EDITORAL Sonderausgabe Inhaltsverzeichnis Impressum Seite 4 Impressum Aufgrund der grossen Nachfrage Editorial / In eigener Sache Seite 5 haben wir das vergriffene „Sonder- heft Zöliakie“ in der hier Ihnen vor- Zöliakie – ein lebenslanger Zustand Seite 6-9 liegenden Neuauflage vollständig Seite 10-12 überarbeitet und aktualisiert. Es Zöliakie-Screening wird in einer Auflage von 10‘000 Diagnose & Management bei Erwachsenen Seite 13-16 Exemplaren im Februar 2015 pu- bliziert. Diese Publikation ergänzt Zöliakie bei Kindern und Jugendlichen Seite 16-17 die Mitgliederzeitschrift „Zölia- kie-Info“, welche vier Mal pro Jahr Nicht-Zöliakie Glutensensitivität Seite 18 erscheint. Ernährungstherapie bei Zöliakie Seite 19-22 Herausgeber: Diätfehler Seite 23-24 IG Zöliakie der Deutschen Schweiz Auswärts essen mit Zöliakie Seite 24-25 Güterstrasse 141 4053 Basel Häufige Vitaminmängel bei Zöliakie Seite 25-26 Seite 27-29 Redaktionsteam: Zöliakie und Osteoporose Anita Dimas, Barbara Oneta-Busz, Zahnschäden als Folge von Zöliakie Seite 30-31 Diana Studerus, Meltem Kutlar Joss, Petra Geissmann Zöliakie und Schwangerschaft Seite 32-33 Gestaltung und Layout: Glossar Seite 34 Carmen Böhler, webconsult GmbH Druck: Kreis Druck, Basel Einzelpreis: Fr. 5.00 4
Editoral Silvia Baumann, Präsidentin & Diana Studerus, können. Je besser Sie sich auskennen, Erkrankung, die noch immer häufig Vorstand Ressort Medizin & Ernährung desto einfacher werden Sie Ihren glu- übersehen wird. Die aktuellen Emp- Liebe Interessierte tenfreien Alltag bestreiten können. fehlungen zu Screening und Diagno- am Thema Zöliakie Falls Sie nicht selbst betroffen sind severfahren haben wir darum für Sie hoffen wir, dass wir mit diesem Heft zusammengefasst und hoffen damit, Endlich ist sie da: die Neuauflage dazu beitragen können, das Verständ- die Diagnoselatenz der Zöliakie künf- unseres Sonderhefts „Zöliakie & glu- nis für Zöliakie und die glutenfreie tig verkürzen zu können. tenfreie Ernährung – die Fakten“! Mit Ernährung zu fördern. Für Betroffene neuem Namen und in modernem ist es teilweise schwierig, ihre beson- Wir danken an dieser Stelle allen Au- Gewand erwarten Sie aktuelle Texte deren Bedürfnisse an ihre Ernährung torinnen und Autoren für ihr Engage- zu Vorkommen, Diagnose, zur medi- gegen Aussen zu vertreten. Mit Ihrem ment. Dass Sie ein solches Heft in der zinischen Begleitung bis zu Ernäh- Verständnis helfen Sie den Betroffe- Hand halten können ist ausserdem rungsempfehlungen und weiteren nen, sich selbstverständlicher und si- den Mitgliedern der IG Zöliakie zu ver- Aspekten der Zöliakie. Wir hoffen, Ih- cher glutenfrei zu ernähren. danken. Mit ihrem Mitgliederbeitrag nen mit dieser Zusammenstellung ei- und dem ehrenamtlichen Einsatz des nen guten Einstieg in die Zöliakie und Mit diesem Sonderheft möchten wir Vorstandes war diese Arbeit erst mög- die glutenfreie Ernährung geben zu auch Fachpersonen aus Medizin und lich. können. Falls Sie selbst betroffen sind, Ernährungsberatung eine Übersicht möchten wir Sie ermutigen, in die Di- über den aktuellen Stand der Wis- Wir wünschen Ihnen eine interessante agnose Zöliakie einzutauchen und zu senschaft und Forschung ermögli- Lektüre. verstehen, wie Sie damit umgehen chen. Zöliakie ist eine facettenreiche In eigener Sache Meltem Kutlar-Joss Kurzvorstellung IG Zöliakie Die IG Zöliakie ist eine anerkannte bedingungen zu schaffen, die den formationstag für Neudiagnostizierte, Nonprofit-Organisation im Diens- Zöliakie-Betroffenen den Alltag er- und wir fördern den gegenseitigen te von Menschen, die sich aus ge- leichtern, z.B. mit der Schulung und Austausch der Betroffenen beispiels- sundheitlichen Gründen glutenfrei Vergabe der Gastronomiemitglied- weise in Regionalgruppen oder dem ernähren müssen (u.a. Zöliakie). Der schaft für Restaurants, die auf die glu- Zölikids Sommerlager. Die vielfältigen Vorstand, verschiedene Arbeitsgrup- tenfreie Ernährung eingestellt sind, Aufgaben werden zum grössten Teil pen und unser Sekretariat erledigen oder der Kontrolle und Lizenzierung durch Mitgliederbeiträge finanziert. die laufenden Arbeiten. Der Verein des glutenfrei Symbols für Hersteller Wir freuen uns daher sehr über jede ist über Regionalgruppen, Zölikids glutenfreier (Spezial-)Lebensmittel Art von Unterstützung, sei dies als und Zöliakie Youth in der gesamten oder der Öffentlichkeitsarbeit. Ander- Mitglied für 80.- Franken im Jahr oder Deutschschweiz tätig und auf alle Al- seits unterstützen wir die Betroffenen mit einer Spende. tersgruppen ausgerichtet. Wir setzen direkt, z.B. mit unserem Beratungste- uns einerseits dafür ein, Rahmen- lefon, Veranstaltungen wie dem In- Für Spenden: IG Zöliakie der Deutschen Schweiz Konto PC 40-9766-2 Güterstrasse 141 IBAN CH 18 0900 0000 4000 9766 2 4053 Basel Tel. 061 271 62 17 Informationen französische Schweiz: www.coeliakie.ch Fax 061 271 62 18 Informationen italienische Schweiz: www.celiachia.ch sekretariat@zoeliakie.ch www.zoeliakie.ch 5
GRUNDLAGEN Sonderausgabe Zöliakie – ein lebenslanger Zustand Regula Patscheider, Meilen sind Gewichtsverlust, Wachstumsstill- Fachrichtungen. Die erhöhte Neigung Zöliakie, die häufigste chronische stand, Entwicklungsverzögerungen, von unbehandelten, unerkannten Dünndarmerkrankung, kommt welt- Durchfall, Blähbauch, Weinerlichkeit Zöliakiepatienten zur Depression hat weit vor und kann in jedem Alter und Gereiztheit zu beobachten. Bei in der Vergangenheit manchmal zu auftreten. Grössere Studien gehen grösseren Kindern und Jugendlichen tragischen Fehlbehandlungen bis hin davon aus, dass durchschnittlich jede treten diese Symptome weniger deut- zur psychiatrischen Hospitalisation hundertste Person davon betroffen lich auf. Oft ist die Symptomatik ähn- geführt. ist. Die Erkrankung äussert sich als lich wie bei Erwachsenen, von denen Unverträglichkeit gegenüber dem über 60 Prozent atypische Sympto- Noch heute erschwert die grosse Klebereiweiss Gluten, das in bestimm- me wie Müdigkeit, Blutarmut, Eisen- Bandbreite von möglichen Symp- ten Getreiden wie Weizen, Gerste, mangel, andere Mangelzustände, tomen eine schnelle Diagnose. Man Dinkel und Roggen enthalten ist. Bei Gewichtsverlust, Knochenschmerzen schätzt deshalb auf eine diagnosti- Personen mit der entsprechenden und psychische Veränderungen oder zierte Person mindestens zwei Perso- genetischen Veranlagung (HLA-DQ2 auch gar keine Symptome haben. Bei nen mit unerkannter Zöliakie. und/oder DQ8 sowie weitere Gene) letzteren wird die Zöliakie dann nur kommt es durch die Einnahme glu- zufällig durch ein Screening entdeckt. Diagnosestellung tenhaltiger Nahrungsmittel zu einer Die Die Diagnose kann heute mittels Autoimmunreaktion gegen die eige- Neuere Studien berichten auch Antikörper-Bluttests und Dünndarm- ne Dünndarmschleimhaut. Zusätzli- von einer Form von Glutensensiti- biopsie zuverlässig gestellt werden. che Faktoren wie eine Infektion oder vität (Nonceliac Gluten Sensitivity Bei Verdacht auf Zöliakie nach gründ- Schwangerschaft können die Krank- resp. Nicht-Zöliakie Glutensensiti- licher Anamnese und klinischer Unter- heitsauslösung begünstigen. Die län- vität), die mit Magen-Darm- oder suchung sollte der behandelnde Arzt gerfristige Glutenaufnahme führt zur anderen Symptomen bei gesun- die spezifischen Antikörper-Bluttests Zerstörung der Dünndarmzotten, wel- der Dünndarmschleimhaut und vornehmen: Anti-Tissue-Transgluta- che die Nährstoffe aufnehmen. Folgen negativem Antikörpertest auftritt minase-IgA und -IgG, Anti-Endomysi- davon sind Mangelernährung, Ma- und in der Allgemeinbevölkerung um-IgA sowie Antideaminiertes-Gli- gen-Darm-Beschwerden oder vielerlei mehrfach häufiger vorkommt als adin-IgA . Da häufig ein selektiver andere Symptome. Gluten kann auch die Zöliakie (siehe dazu Beitrag IgA-Mangel vorkommt, sollte zusätz- die Hauterkrankung Dermatitis her- von Dr. med. Greidel, Nicht-Zölia- lich das Total-IgA bestimmt werden petiformis Duhring – die «Zöliakie der kie Glutensensitivität, S. 18). (Siehe auch Beitrag von Dr. C. Oneta, Haut» – auslösen. Bisher ist die einzige Abklärungsuntersuchungen bei Ver- Therapie eine lebenslange glutenfreie An Zöliakie denken dacht auf Zöliakie, S. 13). Bei positi- Ernährung. Mit der Einführung von Lange Zeit wurde die Zöliakie fälsch- vem oder unklarem Befund ist der Antikörper-Bluttests wurde die Zölia- licherweise als Krankheit des Kindes- Patient zur weiteren Abklärung an kie immer häufiger diagnostiziert und alters eingestuft und oft wussten nur den Facharzt zu überweisen. Ver- das klassische Krankheitsbild änder- gerade Kinderärzte mehr oder we- wandte 1. und 2. Grades sollten sich te sich markant: Signifikant häufiger niger Bescheid. Die Aufmerksamkeit ebenfalls untersuchen lassen sowie wurden Patienten mit atypischen oder war auf die klassische Krankheitsform Personen mit anderen Autoimmu- gar keinen Symptomen erfasst. Kom- mit Magen-Darm-Symptomatik, Ge- nerkrankungen oder auch bei Eisen- plexer wurde die Diagnosestellung deihstörungen und Misslaunigkeit ge- mangel, Laktoseintoleranz, Osteo- und anspruchsvoller die Aufgabe, richtet, bis diese sich mit den neuen porose und Down-Syndrom, da bei Patienten ohne schlimme Symptome Screening-Methoden nur als die «Spit- diesen Zöliakie gehäuft beobachtet zur glutenfreien Ernährung zu moti- ze des Eisbergs» erwies (Siehe dazu wird (Siehe auch Beitrag von Dr. med. vieren, die notwendig ist, um schwer- auch Beitrag von Dr. med. Spalinger/ W. Fierz, Zöliakie-Screening, S. 10). wiegende Spätfolgen zu vermeiden. Dr. med. Schibli, Zöliakie bei Kindern und Jugendlichen, S. 16). Mit atypi- Folgen unbehandelter Zöliakie Erkrankung mit schen Symptomen wie Aphthen, Mig- Unerkannte Zöliakie bedeutet für «Chamäleon-Charakter» räne oder neurologischen Störungen den Patienten einen langen Leidens- Die Die Erkrankung kann sich auf viel- unbekannter Art wandten sich Betrof- weg, denn unbehandelte Zöliakie fältige Art zeigen: Bei Kleinkindern fene an Ärzte der unterschiedlichsten genauso wie mangelhafte Einhaltung 6
der glutenfreien Diät können sich wird wieder gesund. Da sich unter troffener nachweislich auf das Avenin schwerwiegend auf die verschiede- der Diät auch die Antikörper zurück- im Hafer reagiert, lässt sich zum Hafer- nen Organsysteme auswirken. So bilden, ist es wichtig, dass der Arzt konsum keine generelle Empfehlung kann zum Beispiel die Fruchtbarkeit zuerst die Diagnose bestätigt, bevor abgegeben (Siehe auch Beitrag von beeinträchtigt und das Risiko für die Ernährungsumstellung erfolgt! Dr. clin. nutr. C. Kiss , S. 19). Osteoporose, Autoimmunerkran- Andernfalls wird eine sichere Diagno- kungen (besonders Diabetes Typ I, se erschwert oder gar verunmöglicht. Diäthandhabung im Alltag Schilddrüsen- und Lebererkrankun- In der glutenfreien Ernährung sind Als idealer technischer Hilfsstoff ist gen) und Dünndarm-Lymphom er- Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Quinoa Gluten in über 70 Prozent aller indust- höht werden. Nichteinhalten der Diät und Amaranth erlaubt. Geeignet sind riell hergestellten Nahrungsmittel ent- durch Zöliakiebetroffene während auch Kartoffeln, Kastanien, Buchwei- halten und kann auch in Medikamen- Quelle: Entsprechend der Marsh-Klassifikation. Quelle DZG / wikipedia der Schwangerschaft und Stillzeit zen, Soja und Hülsenfrüchte. Hinge- ten «versteckt» vorhanden sein. Beim wirkt sich zudem negativ auf die Ent- gen müssen sämtliche glutenhaltigen Einkaufen muss jede Deklaration ge- wicklung des Kindes aus. Werdende Getreide sowie alle daraus hergestell- lesen und auf glutenhaltige Zutaten Mütter mit Zöliakie, welche die Diät ten Nahrungsmittel konsequent und geprüft werden. Im Zweifelsfall soll nicht einhalten, haben im Vergleich lebenslang vermieden werden. Kleins- man auf das Produkt verzichten. Ge- zu den Diätbefolgenden mehr Abor- te Mengen Gluten sind schädlich: Die währ bieten die kontrollierten Spezial- te und häufiger Kinder mit niedrigem Einnahme von 100 mg Gliadin täglich produkte, die mit dem Warenzeichen Geburtsgewicht und es zeigen sich während vier Wochen verändert be- „Glutenfrei-Symbol“ (durchgestriche- auch fünfmal häufiger Wachstums- reits die Dünndarmschleimhaut. ne Ähre in Kreis) gekennzeichnet sind: verzögerungen bereits beim Fötus. Sie halten den Grenzwert von max. 2 Diversen Studien und Erfahrungen mg Gluten pro 100 g Trockenmasse Glutenfreie Ernährung - aus Skandinavien und England zufol- ein, sind allerdings vier bis sieben Mal lebensbegleitend ge können die meisten Betroffenen teurer als die vergleichbaren gluten- Statt von einer «lebenslangen Er- den sogenannt glutenfreien Hafer haltigen Produkte. Ein Hauptproblem krankung» müsste man von einem unter ärztlicher Betreuung in die Er- bleibt das Essen auswärts und der Of- «lebenslangen Zustand» sprechen, nährung integrieren, also garantiert fenverkauf von Produkten. denn unter glutenfreier Ernährung ohne Kontamination mit glutenhalti- verschwinden in der Regel die Symp- gen Getreiden produzierter Hafer. Da Eine weitere Herausforderung besteht tome und die Dünndarmschleimhaut jedoch eine kleine Anzahl Zöliakiebe- darin, spät Diagnostizierte sowie Be- 7
GRUNDLAGEN Sonderausgabe troffene ohne schwere Symptome zur Produkten in ihrer heutigen Qualität burtstag einen jährlichen Zuschuss Diäteinhaltung (Adherence) zu mo- und Vielfalt. Seit längerem sind glu- an die Mehrkosten der glutenfreien tivieren. Zum eigenverantwortlichen tenhaltige Zutaten inzwischen nach Ernährung aus. In der Steuererklärung Handeln ist Wissen das beste Rezept. Schweizerischer Lebensmittelgesetz- können heute in der Regel in allen Erwiesenermassen sind eine fach- gebung in jedem Fall deklarations- Kantonen die Mehrkosten der glu- kompetente Ernährungsberatung, pflichtig. Immer umfangreicher wird tenfreien Ernährung im Rahmen der regelmässige ärztliche Kontrollen und das Produktsortiment auch bei den Krankheitskosten geltend gemacht die Mitgliedschaft bei einer Zöliakie- Grossverteilern. Es gibt Kochbücher werden. Detailinformationen zu den gesellschaft die wirksamsten Hilfeleis- mit erprobten Rezepten wie das an einzelnen kantonalen Richtlinien sind tungen (Siehe dazu auch die Beiträge der Frankfurter Buchmesse 2005 mit erhältlich bei der IG Zöliakie. Nach von Dr. med. C. Oneta und Dr. clin. einer Goldmedaille ausgezeichnete wie vor ist eine genaue Beobachtung nutr. C. Kiss, S. 19 + 27). und heute in 5. Auflage vorliegende der Entwicklungen in der Lebensmit- vollständig überarbeitete und aktua- telbranche notwendig und Aufklä- Zöliakiemanagement lisierte Buch «Glutenfrei kochen und rungsarbeit in der Gastronomie, bei in der Schweiz backen» von Carine Buhmann. Koch- den Nahrungsmittelherstellern und Während sich das Wissen über Zölia- kurse für die glutenfreie Küche kön- bei der allgemeinen Bevölkerung zu kie vor 35 Jahren auf wenige Fachärz- nen bei verschiedensten Anbietern leisten. Finnland hat für die Schweiz te und die betroffenen Familien be- gebucht werden. Vorbildcharakter: Zöliakie ist dort viel schränkt hatte, gibt es heute in der bekannter, glutenfreie Produkte gibt Schweiz drei sprachregionale Patien- Als Basis zur Vereinheitlichung des es in jedem Supermarkt, viele Restau- tenorganisationen mit wachsendem Diagnose- und Therapieverfahrens rants und Schulen haben glutenfreie Informationsangebot unter gemein- erschien im Jahr 2005 die Erstausgabe Menüs auf der Speisekarte und für die samen Dach (www.coeliac.ch und der Informationsbroschüre über Zöli- medizinische Behandlung der Zöliakie www.celiac.ch) und internationaler akie für Arztpraxen mit den entspre- gibt es einen landesweiten Standard. Mitwirkung in der AOECS (Associa- chenden Empfehlungen für Abklä- Ähnliche Bestrebungen sind z.B. auch tion of European Coeliac Societies). rungs- und Kontrolluntersuchungen in England und Kanada im Gange. Die Pioniere von einst, die sich auf bei Erwachsenen mit Zöliakie. eigene Faust um Ersatzmehle für die glutenhaltigen Brotgetreide küm- Die IV anerkennt Zöliakie als Geburts- Merkblätter der IG Zöliakie: mern mussten, haben die Basis ge- gebrechen und richtet Betroffenen Zöliakie in der Schweiz legt für das Angebot an glutenfreien bzw. deren Eltern bis zum 20. Ge- Bericht der EEK Zöliakie seit 2200 Jahren dokumentiert Die Bezeichnung Zöliakie geht auf den medizinischen Schriftsteller Aretaeus von Kappadozien (heute Türkei) zu- rück, der im 2. Jh. vor Chr. eine chronische Krankheit mit Fettstühlen, Gewichtsverlust, Blässe und ungenügender Verdauung des Essens sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen beschrieb und die Betroffenen als «koiliakos» – die an den Gedärmen Leidenden – nannte. Der griechische Text wurde ins Englische übersetzt und 1856 veröf- fentlicht. Auf diese englische Vorlage stützte sich 1888 der englische Arzt, Samuel J. Gee, für seinen Bericht «On the Coeliac Affection» (Über die Zöliakie-Erkrankung). Gees Bericht gilt als erste medizinische Beschreibung der Zöliakie. Er hebt die Ernährungsumstellung mit möglichst geringem Getreidekonsum als wichtigste Therapiemass- nahme hervor. Weitere Begriffe wie der Fachausdruck glutensensitive Enteropathie oder einheimische Sprue im Unterschied zur «tropischen» Sprue zur Bezeichnung derselben Erkrankung wurden geprägt (Der Name Sprue geht auf Katalaer 1969 zurück). Niederländisch «Sprouw» bezeichnet kleine Bläschen (Aphthen) in der Mundschleimhaut. Diese tre- ten häufig bei erwachsenen Patienten auf, so dass sich dieser Begriff in der Erwachsenenmedizin durchsetzte, während die Erkrankung im Kindesalter als Zöliakie bezeichnet wurde. Der Name Zöliakie wird heute, in Analogie zum angelsächsischen „coeliac bzw. celiac disease“, als Begriff für jedes Erkrankungsalter verwendet. 8
Meilensteine in der Zöliakieforschung 1888 beschreibt Samuel J. Gee erstmals das Krankheitsbild der Zöliakie. 1953 entdeckt der Holländer Willem K. Dicke das Berlin, das Autoantigen der Zöliakie, die Ge- Gliadin, den alkohollöslichen Anteil des Weizen- webstransglutaminase (tissuetransglutaminase proteins, als «toxische» Substanz und somit Aus- oder tTG), gegen die diagnostisch bedeutsa- löser der Erkrankung. Dicke und seine Ärztekolle- me IgA-Antikörper gebildet werden (tTG-IgA). gen beobachten während der Getreideknappheit im zweiten Weltkrieg, dass die Kinder mehr Kar- Bisher sind diverse Studien zur genaueren Er- toffeln als Weizen zu essen bekommen und in mittlung der Zöliakiehäufigkeit vor allem an dieser Zeit weniger Symptome haben. Diesen Zu- der «Basis des Eisbergs» (Symptomarmut oder sammenhang können sie auch in kontrollierten –freiheit) und Arbeiten zur Verbesserung der Diätexperimenten mit Kindern (Ernährung mit Labordiagnostik erschienen. Die genetischen Früchten, Kartoffeln, Bananen, Milch oder Fleisch) und immunologischen Vorgänge der Krank- nachweisen und zeigen, dass besonders Brot so- heitsentstehung werden laufend erforscht im wie Weizen, Gerste und Roggen krank machen. Bestreben, medikamentöse Behandlungen zu finden, die ebenso effektiv sind wie die gluten- 1954 werden die typischen Dünndarm- freie Ernährung oder diese unterstützen. Wie schädigungen erstmals beschrieben zum Beispiel eine Enzymtherapie mit sogenann- (Schleimhautentzündung, Krypten- ten Glutenasen, welche Gluten vollständig in verlängerung und Zottenabflachung). seine einzelnen Aminosäuren aufspalten sollte, bevor es in den Dünndarm gelangt. Einen ähn- 1957 beschreibt Margot Shiner, London, die ge- lichen Ansatz verfolgt die ETH Zürich mit einem schädigte Dünndarmschleimhaut aufgrund der sogenannten „Glutenbinder“; Medikamente, Saugbiopsien (Watson-Kapsel). Die Gewebepro- welche Gluten so verpacken sollen, dass es das ben zeigen, dass die 1932 vom Dänen Thorvald Immunsystem nicht mehr erkennt. Momentan Einar Hess Thaysen erstmals näher beschriebe- ist das Ziel dieser Präparate eine gewisse Glu- ne «einheimische Sprue» beim Erwachsenen tentoleranz von 2 bis 3 Gramm pro Tag zu er- mit der «Zöliakie» bei Kindern identisch ist. reichen – um die glutenfreie Ernährung kommt man in näherer Zukunft (noch?) nicht herum. 1958 beginnt die Geschichte der Zölia- kie-Bluttest mit der Erstbeschreibung der Seit einigen Jahren wird auch an einer Art Imp- Gliadinantikörper durch E. Berger aus Basel. fung geforscht, die die Immunreaktion auf Glu- ten unterbinden soll. Gemäss den Forschern In den 1960-er Jahren finden Dermatologen sollte mit dieser Therapieform gar eine „norma- heraus, dass die glutenfreie Diät auch die le“ Ernährung möglich sein. Weiter wird auch Dermatitis herpetiformis Duhring bessert. nach Therapiemöglichkeiten für Patienten mit refraktärer Zöliakie gesucht. Hingegen ist die 1969 werden in Interlaken von der ESPG- Züchtung glutenfreien Weizens als Ansatz ver- HAN (European Society for Paediatric Gast- worfen worden, da die Versuche erfolglos waren. roenterology and Nutrition) erstmals dia- Wir dürfen also gespannt sein, wie sich die The- gnostische Kriterien formuliert, die 1990 rapie der Zöliakie künftig entwickeln wird! und nochmals 2012 überarbeitet werden. Im Jahr 2011 traf sich ein Ärzteteam bestehend aus Chorzelski und Mitarbeiter finden den hoch- 16 Teilnehmern in Oslo um sicherzustellen, dass sich spezifischen endomysialen IgA-Antikör- die Forschung einheitlich verwendeter Definitionen per EMA (1983 bei Dermatitis herpetiformis zu Zöliakie bedienen kann. Hierzu trugen sie auf Zöli- Duhring und 1987 bei Zöliakie), der mit dem akie bezogene Begriffe aus Fachliteratur und Internet von der Gruppe um Prof. M. Mäki gefunde- zusammen und schufen daraus die sogenannte „Oslo nen Antiretikulumantikörper identisch ist. Klassifikation der Zöliakie“. Diese wurden in einer 1994 entdeckt die Gruppe um Detlef Schuppan, Studie von Jonas Ludvigsson 2012 veröffentlicht. 9
SCREEENING Sonderausgabe Dermatitis herpetiformis Duhring – die „Zöliakie der Haut“ Die Dermatitis herpetiformis Duhring ist eine sehr seltene, stark juckende Hauterkrankung, welche stets mit einer Zöliakie assoziiert ist. Meistens ist bei Betroffenen jedoch die Zöliakie nur gering ausgeprägt. Das Krankheits- bild wurde von Louis Adolphus Duhring im Jahre 1884 beschrieben und betrifft nur wenige Prozent aller Zölia- kie-Betroffenen. Die Erkrankung verläuft stets schubweise. Primär treten dabei kleine, stark juckende Bläschen auf, welche mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind. Diese werden auf Grund der Juckreizes schnell aufgekratzt, so dass Erosionen (Hautabschürfungen) und Knötchen (Papeln) auf der Haut entstehen. Auch lassen sich bei Betroffenen granuläre IgA-Ablagerungen (Immunglobuline vom Typ A) in der Haut nachweisen. Diese Ablagerungen gelten als Goldstandard zur Sicherung der Diagnose. Weiter lassen sich im Blut auch die Zöliakie-spezifischen Antikörper nachweisen. Unter der glutenfreien Diät regeneriert sich die Dünndarmschleimhaut rasch und die Antikörper im Blut sinken in kurzer Zeit ab. In der Regel muss jedoch von mindestens sechs Monaten bis hin zu zwei Jahren ausgegangen werden, bis es langsam zu einer Verbesserung des Hautbildes kommt. Dabei können auch Sulfo- namide als wirksames Mittel zur Behandlung des Juckreizes nebst der glutenfreien Diät eingesetzt werden. Zöliakie-Screening – wann und bei wem? Dr. med. W. Fierz. labormedizinisches Mangelerscheinungen zum Ausdruck le gefunden, von welchen nur 3 schon Zentrum, und Dr. Risch, Schaan kommen, die sich in den unterschied- diagnostiziert, aber unbehandelt wa- Zöliakie ist eine weit verbreitete lichsten Symptomen äussern. lm Fol- ren. Vier der 12 Geburten waren vor- Krankheit und wird trotzdem oft nicht genden sollen einige neuere Studien zeitig (vor der 37. Woche) und drei der erkannt. Sie versteckt sich hinter Sym- erwähnt werden, die dies belegen. Babies starben (7). In einer grösseren ptomen, die häufig sehr unspezifisch So wurden in einer Studie bei 266 Studie der gleichen Forschergruppe sind, oder betroffene Personen kön- Patienten mit Osteoporose bei 4.5% an über 5000 Schwangeren konnte nen sich ganz und gar gesund fühlen. ein positiver Zöliakie-Screeningtest dann allerdings keine statistisch sig- So wurden in einer im Jahr 2000 breit gefunden und bei 3.4% durch Biopsie nifikante Häufung von ungünstigen angelegten Screening-Studie in der bestätigt (2). Allerdings scheinen Frak- Schwangerschaftsverläufen bei 51 Ostschweiz unter 1450 gesunden, turen bei Zöliakie-Patienten nur leicht neu entdeckten «gesunden» Zöliakie- 11- bis 18-jährigen Schulkindern, 11 häufiger zu sein (3) als bei gesunden fällen festgestellt werden (8). Zöliakiefälle gefunden, von welchen Kontrollpersonen. ln einer anderen 8 auch durch Darmbiopsie bestätigt Studie wurden bei 258 Patienten mit Einzig ein Trend zu einer erhöhten wurden (1). Zusammen mit 20 an- Eisen- oder Folsäuremangel in 11% Abortrate und tieferem Geburtsge- deren, international durchgeführten ein positiver Zöliakie-Screeningtest wicht wurde festgestellt. Auch der Studien an insgesamt fast 90‘000 Teil- gefunden und bei 4.7% durch Biop- Zusammenhang mit Infertilität (Un- nehmern zeigt sich ein durchschnittli- sie bestätigt (4). Etwa 20% der unbe- fruchtbarkeit) bleibt vorderhand noch ches Vorkommen der Zöliakie bei ca. handelten Zöliakie-Patienten weisen unklar. Die neueste Studie bei 200 1% der Bevölkerung. Warum ist die- eine verlängerte Prothrombinzeit auf Patienten einer Reproduktionsklinik ses häufige Vorkommen der Zöliakie Grund eines Vitamin K-Mangels auf und 200 Kontrollpatienten fand 5 Zöli- bei «Gesunden» ein Problem? Sollen (5). Die Zöliakie wurde in mehreren akie-Fälle (2.5%) bei den Frauen mit diese Fälle durch Screening-Untersu- Studien auch in Zusammenhang mit Reproduktionsproblemen und 2 Fälle chungen gesucht werden? Und was Sterilität, hoher Abortrate und nied- (1%) bei der Kontrollgruppe, was aber dann? rigem Geburtsgewicht in Verbindung statistisch noch nicht signifikant un- gebracht und der positive Einfluss der terschiedlich ist, das heisst der Unter- Keine Symptome, Diät beschrieben (6). Ob dies auch für schied steht nicht zweifelsfrei fest und trotzdem Zöliakie? „gesunde“ Zöliakiefälle (symptomfreie könnte auch rein zufällig sein (9) (Sie- Auch wenn der Betroffene sich noch Betroffene) gilt, ist aber noch fraglich. he auch Beitrag von Dr. Hösli, Zöliakie gesund fühlt, können nach Jahren Bei einem Screening bei 845 Schwan- und Schwangerschaft, S. 32). durch Malabsorption verursachte geren in Italien wurden 12 Zöliakiefäl- 10
Screening lohnt sich die mit ca. 7000 Probanden fand über Flächendeckendes Ein Hauptargument für ein Zölia- 20 Jahre kein erhöhtes Lymphomri- Zöliakie-Screening? kie-Screening wäre ein erhöhtes Ri- siko bei den ca. 1% serologisch po- Auf Grund der Häufigkeit der asymp- siko für gastrointestinale Tumore, sitiven, aber symptomlosen Fällen tomatischen Zöliakie, der möglichen hauptsächlich Lymphome, bei Zöli- (12). Somit ist die Faktenlage bisher Komplikationen und der zu Verfü- akie-Betroffenen. In einer schwedi- nicht eindeutig.Die Zöliakie ist auch gung stehenden guten diagnosti- schen Kohorten-Studie mit 11‘650 mit einer Reihe von anderen Erkran- schen Tests sowie der Möglichkeit Zöliakie-Patienten war das Risiko, an kungen vergesellschaftet, wobei die einer spezifischen und effektiven Be- einem Lymphom zu erkranken 6-fach ursächliche Verknüpfung meist nicht handlung mittels glutenfreier Diät ist erhöht (10). In einer finnischen Stu- klar ist. Verschiedenste Organsyste- es naheliegend die Frage zu stellen, die mit 1147 Patienten und 30 Jahren me können betroffen sein. Es handelt ob ein Screening für die Zöliakie zu Beobachtungszeit war das Lympho- sich zum Beispiel um gastrointestina- empfehlen ist. Die Frage des Zölia- mrisiko bei Zöliakie-Patienten 3-fach le, endokrinologische, neurologisch/ kie-Screenings muss auf verschiede- erhöht, bei Patienten mit Dermatitis psychiatrische, hämatologische und nen Indikationsebenen diskutiert wer- herpetiformis Duhring 6-fach (11). Es dermatologische Krankheiten. Eine den und Vor- und Nachteile müssen bleibt allerdings noch unklar, wie weit vollständige Aufzählung ist hier nicht gegeneinander abgewogen werden. die Diät das Risiko vermindern kann möglich. Oft sind es Autoimmun- Als Richtlinie für eine Empfehlung soll und ob das Lymphomrisiko auch bei krankheiten wie der Diabetes mellitus die Publikation der finnischen Zölia- «gesunden» Zöliakie-Betroffenen er- Typ I, Schilddrüsenerkrankungen oder kie-Expertin Pekka Collin dienen (18): höht ist. Eine finnische Kohorten-Stu- das Sjögren-Syndrom. Einige der häu- figsten neuropsychiatrischen Symp- 1. Ein breites Screening der Bevöl- tome, die in Zusammenhang mit der kerung ist nicht indiziert. Der Lang- Zöliakie auftreten, sind die Depressi- zeitverlauf von symptomlosen Zöli- on und Epilepsie, aber auch Migräne, akie-Betroffenen und ein möglicher Gangstörungen (Ataxie) und Neuro- positiver Effekt der Diät sind noch pathien. Bei alleiniger peripherer Neu- nicht bekannt. Andererseits ist die ropathie ohne andere neurologische Diät selbst einschränkend für die Le- Symptome scheint allerdings die Zöli- bensqualität. Das Kosten-Nutzen-Ver- akie nicht gehäuft zu sein (13). Bei den hältnis für ein Massenscreening ist gastrointestinalen Beschwerden kön- nicht geklärt. nen neben dem klassischen Durchfall eine Reihe von weiteren Symptomen 2. Bei Verdacht auf Malabsorption wie z.B. die rezidivierende Aphthose oder einer speziellen Form der Zölia- und andere ulzerative Erkrankungen kie ist ein Screening indiziert. Eigent- des Magen-Darm-Traktes in den Vor- lich handelt es sich hier um eine Diffe- dergrund treten. Auch Leberfunkti- rentialdiagnose. onsstörungen und -erkrankungen können mit Zöliakie vergesellschaftet 3. Bei Vorkommen von Zöliakie in sein. Auf der Haut hängt neben der der Familie oder Vorliegen einer Zöli- Dermatitis herpetiformis Duhring, der akie-assoziierten Erkrankung ist ein klassischen Hautform der Zöliakie, oft Screening bedingt indiziert, wenn die Psoriasis mit der Zöliakie zusam- zusätzliche Verdachtssymptome vor- men. Eine überraschende und inter- liegen. essante Beobachtung wurde bezüg- lich Hepatitis B-Impfung gemacht: Es Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung hat sich in mehreren Studien gezeigt, kommt ein neuerer Review von eng- dass Kinder mit Zöliakie häufiger als lischen Gastroenterologen zu diesem andere keinen Impferfolg aufweisen Thema (19). (14). Dieses Defizit wurde zum Teil un- ter Diätbehandlung (15) oder durch Ein Vorschlag für ein Screening von Er- intradermale Impfstoffapplikation wachsenen auf Grund der vorgängig (16) vermindert. Der Grund für dieses diskutierten Datenlage und in Anleh- Hepatitis B-Impfversagen bei Zölia- nung an Collins Empfehlungen ist in kie-Betroffenen ist aber immer noch folgender Tabelle formuliert (18): unklar (17). 11
EMPFEHLUNG Sonderausgabe Screening empfohlen Screening empfohlen bei zusätzlichen Verdachts- symptomen oder geplanter • Verdacht auf Malabsorption: Eisenmangel Schwangerschaft ungeklärter Ursache, Osteoporose, Verlängerte Prothrombinzeit ungeklärter Ursache, Lakto- • Fälle von Zöliakie in der Familie se-Intoleranz ungeklärter Ursache, • Unfruchtbarkeit, gehäufte Fehlgeburten Hypocholesterolämie, tiefes HDL • Autoimmmunerkrankung: • Verdacht auf Dermatitis herpetiformis Autoimmun-Thyreoiditis, Diabetes mellitus Typ I, • Chronische gastrointestinale Sjögren-Syndrom, Addison-Erkrankung Symptome, Colon irritabile • Periphere Polyneuropathie • Occipitale Epilepsie mit bilateralen zerebralen • Zerebelläre Ataxie Verkalkungen • Chronische Lebererkrankung • Impfversager bei Hepatitis B-Impfung • Leberenzym-Erhöhung ungeklärter Ursache Referenzen (7) Martinelli P, Troncone R, Paparo F, Torre (13) Rosenberg NR, Vermeulen M. Should (1) Rutz R, Ritzler E, Fierz W, Herzog D. Pre- P, Trapanese E, Fasano C, et al. Coeliac coeliac disease be considered in the work valence of asymptomatic celiac disease in disease and unfavourable outcome of up of patients with chronic peripheral neu- adolescents of eastern Switzerland. Swiss pregnancy. Gut 2000 Mar 1;46(3):332-5. ropathy? J Neurol Neurosurg Psychiatry Med Wkly 2002 Jan 26;132(3-4):43-7. 2005 Oct 1;76(10):1415-9. (8) Greco L, Veneziano A, Di Donato L, (2) Stenson WF, Newberry R, Lorenz R, Zarnpella C, Pecoraro M, Paladini D, et al. (14) Park SD, Markowitz J, Pettei M, Baldus C, Civitelli R. Increased Prevalence Undiagnosed coeliac disease does not Weinstein T, Sison CP, Swiss SR, Levine J. of Celiac Disease and Need for Routine appear to be associated with unfavourab- Failure to Respond to Hepatitis B Vaccine Screening Among Patients With Osteopo- le outcome of pregnancy. Gut 2004 Jan in Children With Celiac Disease. J Pediatric rosis. Archives of internal Medicine 2005 1;53(1):149-51. Gastroenterol. & Nutrition. 2007; 44(4):431- Feb 28;165(4):393-9. 5. (9) Tiboni GM, de Vita MG, Faricelli R, Gi- (3) Thomason K, West j, Logan RFA, ampietro F, Liberati M. Serological testing (15) Nemes, E. et al. Gluten Intake Interfe- Coupland C, Holmes GKT. Fracture expe- for celiac disease in women undergoing res With the Humoral Immune Response rience of patients with coeliac disease: a assisted reproduction techniques. Hum to Recombinant Hepatitis B Vaccine in population based survey. Gut 2003 Apr Reprod 2006 Feb 1;21(2):376-9. Patients With Celiac Disease. Pediatrics 1;52(4):518B-22. 2008;121:e1570-76. (10) Smedby KE, Akerman M, Hilde- (4) Howard MR, Tumbull AJ, Morley P, brand H, Glimelius B, Ekbom A, Askling J. (16) Leonardi S, Praticò AD, Lionetti E, Hollier P, Webb R, Clarke A. A prospective Malignant lymphomas in coellac disease: Spina M, Vitaliti G, Rosa ML. Intramuscular study of the prevalence of undiagnosed evidence of increased risks for Iymphoma vs intradermal route for hepatitis B booster coeliac disease in laboratory defined iron types other than enteropathy-type T cell vaccine in celiac children. World J Gast- and folate deficiency. J Clin Pathol 2002 lymphoma. Gut 2005 Jan 1;54(1):54-9. roenterol. 2012;18(40):5729-33. Oct 1;55(10):754-7. (11) Viliamaa M, Kaukinen K, Pukkala E, (17) Vitaliti G et al. Hepatitis B vaccine in (5) Cavallaro R, lovino P, Castiglione F, Hervonen K, Reunala T, Collin P. Malignan- celiac disease: Yesterday, today and to- Palumbo A, Marino M, Di Bella S. et al. cies and mortality in patients with coeliac morrow. World J Gastroenterol. 2013;19(6): Prevalence and clinical associations of disease and dermatitis herpetiformis: 838–845. prolonged prothrombin time in adult un- 30-year population-based study. Dig Liver treated coeliac disease. Eur J Gastroenterol Dis, Jun 2006;38(6): 374-80. (18) Collin P. Should adults be screened Hepatol 2004 Feb 1;16(2):219-23. for celiac disease? What are the benefits (12) Lohi S, Mäki M, Montonen J, Knekt P, and harms of screening? Gastroenterology (6) Rostami K, Steegers EAP, Wong WY, Pukkala E, Reunanen A, Kaukinen K. Malig- 2005 Apr:128(4. Supplement 1):S104-S108. Braat DD, Steegers-Theunissen RPM. Coe- nancies in cases with screening-identified liac disease and reproductive disorders: a evidence of coeliac disease: a long-term (19) Evans KE, Hadjivassiliou M, Sanders neglected association. European Journal population-based cohort study. Gut DS. Is it time to screen for adult coeliac di- of Obstetrics & Gynecology and Reproduc- 2009;58 (5): 643-7. sease? European J Gastroenterol & Hepatol tive Biology 2001 Jun;96(2):146-9. 2011; 23 (10):833-8. 12
Abklärungsuntersuchungen bei Verdacht auf Zöliakie und Kontrolluntersuchungen bei etablierter Zöliakie bei Erwachsenen Dr. med. Carl M. Oneta, Facharzt FMH für Innere Fälle mit unkompliziertem, beschwer- Kontrollen bei „schlechten“ Werten Medizin und Gastroenterologie, spez. Hepatologie defreiem Verlauf unter glutenfreier auf mögliche Ernährungsfehler oder in Winterthur, im Namen des wissenschaftlichen Ernährung nachkontrolliert werden, auf eventuelle Komplikationen hin- Beirates der IG Zöliakie weil sich unbemerkt Komplikationen weisen. Im Folgenden sind Empfehlungen einschleichen können. Dies betrifft für die Abklärungen bei Verdacht auf auch Jugendliche, bei denen die im Diese Empfehlungen sollen die häufig Zöliakie sowie für die Nachkontrollen Kindesalter diagnostizierte Zöliakie sehr lange Latenzzeit und Leidenszeit bei etablierter Zöliakie aufgeführt. Sie asymptomatisch geworden ist und bis zur definitiven Diagnosestellung gelten primär für Ärzte, sind aber auch die nicht mehr von einem lebenslan- verkürzen helfen und ein effektiveres für Zöliakiebetroffene von Interesse. gen Fortfahren der glutenfreien Er- Management von Zöliakiebetroffenen Eine klare Diagnose der Zöliakie ver- nährung überzeugt werden können. ermöglichen. Der Klarheit Willen sind einfacht das weitere Management des Es gilt: „Einmal Zöliakie, immer Zölia- die Empfehlungen in Stichworten ver- Patienten. Regelmässige Nachkont- kie“. Die Kontrollen geben den Betrof- fasst. Die Betreuung Zöliakiebetroffe- rollen sind in jedem Fall von Zöliakie fenen bei „guten“ Werten Sicherheit ner ist eine interdisziplinäre Angele- lebenslang notwendig. Über deren und zeigen auch, dass die glutenfreie genheit und wird optimal, wenn die Häufigkeit entscheidet der Verlauf Ernährung korrekt durchgeführt wird. verschiedenen Berufsgruppen eng zu- der Erkrankung. Es sollten aber auch Auf der anderen Seite können die sammenarbeiten (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: 13
EMPFEHLUNG Sonderausgabe Empfehlungen bei eindeutig diagnostizierter Zöliakie: 1. Anmeldung • Anmeldung zur Ernährungsberatung bezüglich glutenfreier Ernährung 2. Empfehlung der Mitgliedschaft bei der IG Zöliakie • Neudiagnostizierten-Seminare, relevante Informationen über glutenfreie Ernährung, Krankheit und Management Empfehlungen für Abklärungsuntersuchungen bei Verdacht auf Zöliakie: 1. Klinik • Anamnese inkl. Familienanamnese • Klinischer Status (inkl. BMI = body mass index) 2. Labor Bestimmung der Zöliakie-spezifischen Antikörper inkl. totales IgA: • Anti-deaminiertes Gliadin AK IgA • Anti-Endomysium AK IgA (anti-EMA) • Anti-human-tissue-Transglutaminase AK IgA (anti-tTG) • Als Suchtest genügt in aller Regel die Bestimmung von anti-tTG-IgA Antikörper inkl. des totalen IgA. Bei IgA Man- gel: IgG-Antikörper bestimmen lassen und bei hochgradigem Verdacht auf Zöliakie immer Duodenalbiopsien. Hämatogramm inkl. Indices, Ferritin, ion. Ca, Albumin, Thrombinzeit, Folsäure, Vitamin B12, ALAT, AP, TSH Gastroskopie mit 6 Duodenalbiopsien (inkl. 1-2 Biopsien aus dem Bulbus Duodeni) 3. Gastroskopie Gastroskopie mit 6 Duodenalbiopsien (inkl. 1-2 Biopsien aus dem Bulbus Duodeni) 4. Osteodensitometrie Osteodensitometrie (DEXA): nur empfohlen, wenn: • „klassische Form“ der Zöliakie mit Malabsorptionszeichen vorliegt und/oder • weitere Osteoporose-Risikofaktoren (siehe Artikel Zöliakie und Osteoporose, S. 26) vorhanden sind und/oder • radiologische Zeichen der Osteoporose gesehen werden 5. Abdomen-Ultrasonographie • Abdomen-Ultrasonographie (vor allem zum Ausschluss anderer Pathologien) 6. Verdacht auf Gluten-Unverträglichkeit • Bei hochgradigem Verdacht auf Gluten-Unverträglichkeit, jedoch fehlenden Hinweisen für eine Zöliakie (negative Antikörper und unauffällige Dünndarmschleimhaut) sowie auch fehlenden Hinweisen für anderweitige relevante gastrointestinale Erkrankung: an mögliche Nicht-Zöliakie Glutensensitivität denken, welche ebenfalls eine gluten- freie Ernährung verlangt (siehe Artikel Dr. med. Geidel S. 17) Wächst sich Zöliakie aus? Dr. med. C. Oneta Es wird immer wieder über Heilungen von Zöliakiebetroffenen Verlauf auch eine flache Dünndarmschleimhaut nachweisbar. berichtet. Typischerweise geschieht dies bei jungen Erwachse- Es gibt aber auch solche, bei denen die wiedergewonnene To- nen, bei denen die Diagnose der Zöliakie bereits im Kleinkindes- leranz gegenüber Gluten Jahre oder sogar Jahrzehnte anhalten alter gestellt worden ist. Diese Personen berichten gelegentlich, kann. Symptomfreiheit bedeutet aber nicht zwangsläufig, frei dass sie sich nach jahrelanger glutenfreier Ernährung problem- sein von Zöliakie. Solche Personen können sich in falscher Si- los und ohne Beschwerden wieder glutenhaltig ernähren kön- cherheit wiegen, weil bekanntlicherweise unbemerkt erneute nen. Sie seien von der Zöliakie geheilt! Diese Annahme ist aber Dünndarmschleimhautschäden mit Folgeerscheinungen wie leider ein Trugschluss. Die vermeintlich Geheilten befinden sich z.B. ein Eisenmangel, eine Osteoporose oder anderes entstehen lediglich in einem Toleranzstadium, während dessen das wie- können. Aufgrund unseres heutigen Wissens gilt: „Einmal Zöli- dereingenommene Gluten vom Immunsystem des Darmes vor- akie, immer Zöliakie“. Sollte sich ein Zöliakiebetroffener trotz übergehend toleriert wird. Sie entwickeln früher oder später er- Information über die möglichen Gefahren einer Wiedereinfüh- neut eine Zöliakie mit Symptomen und Mangelerscheinungen. rung glutenhaltiger Speisen nicht davon abhalten lassen, so In der Regel sind bei diesen nach Wochen bis wenigen Monaten sollte er regelmässig ärztlich kontrolliert werden, um ein Wie- wieder positive Zöliakie-spezifische Antikörper und im weiteren deraufflackern der Erkrankung rechtzeitig zu entdecken. 14
Empfehlungen für Nachkontrollen bei Erwachsenen mit Zöliakie: Bei unkomplizierten Fällen (mit gutem Ansprechen auf glutenfreie Ernährung): Im 1. Jahr nach der Diagnosestellung: nach (3), 6 und 12 Monaten 1. Klinik • v.a. Anamnese und BMI-Verlauf 2. Besprechung der glutenfreien Ernährung • Ernährungsberatung? 3. Labor nur von Parametern, die zum Zeitpunkt der Zöliakie-Diagnosestellung pathologisch waren: • Verlauf der Zöliakie-spezifischen AK (frühestens nach 6 Monaten) • Hämatogramm inkl. Indices, Ferritin, ion. Ca, Albumin, Thrombinzeit, Folsäure, Vitamin B12, ALAT, AP: generell nach 12 Monaten: • Schilddrüsenfunktion (TSH): bei suspekter Klinik 4. Gastroskopie mit Duodenalbiopsien nach 12 bis 18 Monaten Aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz kann die generelle Durchführung einer Ver- laufsgastroskopie nach 12 Monaten nicht empfohlen werden! Die Notwendigkeit sollte individuell erwogen werden: • Ja, bei Antikörper-negativer Zöliakie (z.B. IgA-Mangel) • Ja, bei Patienten mit nicht klarem klinischem Ansprechen auf glutenfreie Ernährung und/oder fehlender Antikör- per-Antwort auf glutenfreie Ernährung trotz durch die Ernährungsberatung bestätigter, korrekt durchgeführter glutenfreier Ernährung • Ja, bei Wunsch des Patienten 5. Erneute Ernährungsberatung bei Bedarf Im 2. Jahr der Diagnosestellung: individuell, je nach Befinden (lebenslang) 1. Klinik • v.a. Anamnese und BMI-Verlauf 2. Besprechung der Diät • Ernährungsberatung? • Mitgliedschaft IGZ? 3. Labor • Verlauf der Zöliakie-spezifischen AK: lediglich Bestimmung der initial erhöhten AK • Hämatogramm inkl. Indices, Ferritin, • Nur wenn zum Zeitpunkt der Zöliakie-Diagnose pathologisch, oder bei neuer spezifischer Fragestellung: ion. Ca, Albumin, Thrombinzeit, EC-Folsäure, Vitamin B12, ALAT, AP • Schilddrüsenfunktion (TSH): bei suspekter Klinik 4. Osteodensitometrie (DEXA) • Ja, wenn zum Zeitpunkt der Zöliakiediagnose eine Osteopenie/-porose bestanden hat: nach 2 Jahren • Ja bei Persistenz einer Dünndarmentzündung trotz glutenfreier Ernährung (wenn Voruntersuchung vorhanden, frühestens nach 2 Jahren) • Ja, bei nicht strikter Einhaltung der glutenfreien Ernährung (wenn Voruntersuchung vorhanden, frühestens nach 2 Jahren) Osteoporose-Risikofaktoren: siehe dazu Zöliakie und Osteoporose S. 27-29 15
KINDER Sonderausgabe Bei komplizierteren Fällen (anhaltenden oder rezidiverenden Beschwerden trotz glutenfreier Diät): 1. Betreuung durch Gastroenterologen (Reevaluation der Diagnose) 2. Ernährungsberatung (Ernährungsfehler?) Indikationen für eine Ernährungsberatung im Rahmen der Nachkontrollen: • Wenn bei Verlaufskontrollen positive Antikörper oder Beschwerden vorliegen (Überprüfung der korrekten glutenfreien Ernährung) • Bei geplanter Schwangerschaft oder in der Schwangerschaft • Bei zusätzlichen Erkrankungen, die einer spezifischen Ernährung bedürfen (z.B. Diabetes mellitus, Adipositas, Obstipation u.a.m.) Zöliakie bei Kindern und Jugendlichen Dr. med. Johannes Spalinger, Dr. med. Susanne alle anderen berichteten über nor- Abklärung - Bestätigung Schibli, Pädiatrische Gastroenterologie male Stuhlgewohnheiten, teilweise der Zöliakie Kinderspital Luzern und Medizinische sogar über Verstopfung. Ungefähr Das Vorgehen zur Sicherung der Dia- Universitätskinderkliniken Bern jedes dritte Kind hat bei der Diagno- gnose Zöliakie hat sich in den letzen Zöliakie ist eine der häufigsten nich- sestellung Zöliakie überhaupt keine Jahren stark gewandelt. Während vor tinfektiösen Darmerkrankungen bei Verdauungsbeschwerden (Bauch- 20 Jahren noch 2 und mehr Magen- Kindern und Jugendlichen. „Kleinkind schmerzen, Stuhlveränderungen, spiegelung mit Dünndarmbiopsien mit ausladendem Bauch, Durchfall, Übelkeit, Blähungen). Auch das Alter notwendig waren, erlauben die heu- schlechtem Gedeihen und Missmu- der Kinder zum Zeitpunkt der Diag- tigen Blutuntersuchungen, die Zahl tigkeit“ – so lautete die klassische nose Zöliakie hat sich verändert. War der Dünndarmbiopsien zu reduzieren. Beschreibung des Krankheitsbildes es früher eine Diagnose des Kleinkin- Zöliakie, und so präsentierten sich die des, so zeigen verschiedene Studien, Ärztliche Kontrollen Patienten mit Zöliakie vor 30 Jahren. dass die Symptome immer häufiger Um frühzeitig versteckte Diätfehler zu Trifft dies heute noch zu? Selten, zeigt erst im Kindergarten- oder Schulalter erkennen, Abweichungen von Wachs- unsere Erfahrung. Obwohl diese Sym- auftreten und bei einer grossen An- tum und Gewicht zu sehen und die ptome immer noch gefunden werden, zahl die Zöliakie erst in der Jugend Betroffenen über allfällige neue me- wird eine Zöliakie heute oft aufgrund oder beim Erwachsenen gestellt wird. dizinische Erkenntnisse zu informie- subtiler und weniger augenfälliger ren, sehen wir die betroffenen Kinder Symptome vermutet und mit Hilfe Diagnose in unseren Spezialsprechstunden im von Blutuntersuchungen gesucht. Die Diagnose „Zöliakie“ führt zu gros- Abstand von 1-2 Jahre. Insbesonde- sen Verunsicherungen und Ängsten in re im Jugendalter hat sich gezeigt, Symptome der ganzen Familie. Fragen tauchen dass regelmässige ärztliche Kontrol- Die meisten der betroffenen Kinder ha- auf wie: „Was darf das Kind über- len und Gespräche die Einsicht einer ben nur wenige oder gar keine Krank- haupt noch essen, was passiert wenn lebenslänglich notwendigen, glu- heitszeichen. Häufig erfolgt die Abklä- doch mal „Verbotenes“ genascht wird tenfreien Diät günstig beeinflussen. rung auf der Suche einer Zöliakie z.B. oder die Jugendlichen sich nicht an aufgrund einer leichten Blutarmut als die Ernährungsempfehlungen hal- Prävention Folge eines Eisenmangels oder einer ten?“ Unsere Erfahrungen zeigen, Da die Zöliakie bekanntlich familiär vermehrten Müdigkeit. Kinder fallen dass sich die Kinder meist sehr rasch gehäuft vorkommt, werden wir oft auf, weil sie nicht altersentsprechend an die neue Situation gewöhnen, nach Präventionsmöglichkeiten ge- wachsen oder zuwenig an Gewicht die Nahrungsumstellung gut be- fragt: Es gibt keine Möglichkeiten, die zunehmen. Nur knapp die Hälfte der wältigen und sich ihr Zustand inner- Entstehung einer Zöliakie zu verhin- Kinder haben wiederholt Durchfälle, halb kurzer Zeit deutlich verbessert. dern. Allerdings scheint, dass Stillen 16
einen gewissen Schutz bietet. Wir empfehlen den Müttern nach Mög- Symptome bei Diagnose Zöliakie im Kindesalter lichkeit zu stillen und die getreide- haltige Beikost einzuführen, solange das Kind noch gestillt wird (zwischen In einer Analyse der Daten von 125 Kindern, die zwischen 2003 und Beginn 5. – und Ende 6. Lebensmonat) 2006 in den Kinderspitälern Bern und Luzern wegen Zöliakieverdacht (siehe dazu Beitrag von Dr. med. Hösli, abgeklärt wurden, konnte der im Text erwähnte Trend bestätigt wer- Schwangerschaft und Stillzeit bei Zöli- den, dass sich die Symptome im Wandel der Zeit verändert haben: Die akie, S. 32). meisten Kinder waren bei Diagnosestellung älter als 2 Jahre (im Durch- schnitt 6 ½ Jahre), und sie zeigten oft wenige oder untypische Sympto- Häufigkeit me (s. Tabelle) Nimmt die Zahl der betroffenen Kin- der und Erwachsenen zu? Diese Fra- Blutarmut / Eisenmangel 70% ge kann nicht eindeutig beantwortet werden. Folgende Aspekte gilt es aber Gedeih-/ Wachstumsstörung 53% zu beachten: Zunahme Autoimmunkrankheiten: Durchfall 45% die Zahl der Autoimmunkrankheiten hat in den letzten Jahren deutlich Bauchschmerzen 37% zugenommen. Die Zöliakie gehört in die Gruppe dieser Autoimmunkrank- Geblähter Bauch 17% heiten. Fortschritte in der Diagnostik: Wäh- Verstopfung 8% rend die Untersuchung einer Geweb- sprobe (Biopsie) aus dem Dünndarm überhaupt keine Beschwerden 8% der Goldstandard zur Diagnosesi- cherung einer Zöliakie ist, gibt es zuverlässige Testmethoden im Blut, Fazit betreffen. Die Diagnose Zöliakie be- die starke Hinweise für das Vorlie- Die Zöliakie ist eine der häufigsten deutet für die betroffenen Kinder und gen einer Zöliakie liefern. So ist es chronischen Erkrankungen des Ma- ihre Familien zu Beginn eine grosse möglich, bereits bei sehr geringem gen-Darm-Traktes im Kindesalter. Die Verunsicherung und Belastung. Innert Zöliakieverdacht, mit einem Blut- Symptome sind bei den betroffenen weniger Wochen verbessert sich der test nach einer Zöliakie zu suchen. Kindern sehr unterschiedlich und Zustand des Kindes und der Umgang können verschiedene Organsysteme mit den neuen Ernährungsempfeh- lungen wird zum Alltag. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die betroffenen Kinder und ihre Familien mit grosser Motivation und Sorgfalt die Ernährungsempfehlungen umset- zen. Dies bestätigt sich bei den regel- mässigen ärztlichen Untersuchungen, wo Wachstum, Gewichtszunahme und die Laboruntersuchungen bei der Mehrzahl der Kinder normal sind. Mit einer konsequenten Einhaltung der glutenfreien Diät in der Kindheit wird der Grundstein für eine gute Akzep- tanz im späteren Leben gelegt. Hinweis: Auf Angebot der Zölikids und Zöliakiejugend 17
NICHT ZÖLIAKIE Sonderausgabe Nicht-Zöliakie Glutensensitivität Dr. med. Ch. Geidel, Wetzlar (D) werden können. Kreuzreaktionen Sensibilisierung sollten keine Allergie- In den letzten Jahren wurden immer der Gluten-Antikörper mit Hirnzellen hinweise in Form von IgE- Antikörpern mehr Menschen identifiziert, die trotz (Purkinje-Fasern) scheinen bei der gegenüber Weizen/Gluten vorhanden negativer Autoimmun- und Aller- Gluten-Ataxie zur Schädigung des sein und ein Prick-Test (am besten mit gie-Diagnostik – also keine Kriterien Kleinhirns zu führen und die meist im nativen Allergenen) negativ sein. einer Zöliakie aufweisen – von einer höheren Lebensalter Betroffenen zei- glutenfreien Diät profitieren. gen vorwiegend eine Gangunsicher- Ca. 50 Prozent der N-ZGS-Betroffe- Zuletzt wird zur besseren Untertei- heit. nen zeigen Zell-Oberflächenmarker, lung nun meist die Bezeichnung die sonst auch bei den meisten Zöli- Nicht-Zöliakie Glutensensitivität Die N-ZGS-betroffenen Menschen akie-Patienten identifiziert werden (nachstehend mit N-ZGS) verwendet. reagieren Stunden bis Tage nach (HLA-DQ2/HLA-DQ8). Hier kann also Im Gegensatz zur Zöliakie und der Aufnahme von glutenhaltigen eine diagnostische Rest-Unsicherheit zur Weizen-Allergie, wo u.a. eine Speisen oder Getränken mit Zölia- bleiben. Natürlich müssen zuvor auch T-Zell-Aktivierung in der gastrointesti- kie-ähnlichen Symptomen im Magen- weitere Erkrankungen wie Diabetes nalen Schleimhaut stattfindet, scheint Darm-Trakt – typischerweise ohne mellitus, Chronisch entzündliche Dar- bei der N-ZGS primär das angebore- Schädigungen des Dünndarmes, aber merkrankungen und eine Helicobac- ne Immunsystem aktiviert zu werden auch häufig mit Symptomen ausser- ter pylori-Infektion ausgeschlossen und die Darm-Integrität bleibt im halb des Magen-Darm-Traktes wie Ver- werden. Bleibt der Verdacht auf eine Gegensatz zur Zöliakie eher unbe- haltensänderungen, Knochen- oder N-ZGS, sollte zunächst eine gluten- einträchtigt (1 ),das heisst die es fin- Gelenkschmerzen, Muskelkrämpfen, freie Diät eingehalten werden. Sind den sich keine Veränderungen in der Gefühlsstörungen der Beine, Ge- die Symptome hierunter innerhalb Darmschleimhaut. wichtsverlust und chronischer Müdig- einiger Tage rückläufig, sollte im An- Eine Expertengruppe hat 2012 ein keit. Bei den im Zöliakie-Zentrum der schluss eine Provokation erfolgen, Konsensus-Papier erstellt (2) und Universität Maryland zwischen 2004 welche doppelblind – weder Unter- schlägt die Unterteilung der Glu- und 2010 vorgestellten 347 Patienten sucher noch Patienten wissen, wann ten-abhängigen Erkrankungen nach mit Hinweisen auf eine N-ZGS zeigten Gluten gegeben wird – durchgeführt den drei Hauptursachen der Sympto- sich bei 68 % der Betroffenen Bauch- werden sollte und bei Wiederbeginn me vor: schmerzen, bei 40 % Ekzeme oder der Symptome den Verdacht erhärtet. Ausschlag, bei 35 % Kopfschmerzen, • Autoimmun bedingte Erkrankun- bei 34 % Konzentrationsstörungen, Die Therapie der N-ZGS erfolgt durch gen: Zöliakie, Gluten-Ataxie, Der- bei je 33 % Müdigkeit und Durchfälle, eine glutenfreie Ernährung – wie lan- matitis herpetiformis Duhring bei 22 Prozent Depression, bei je 20 ge diese erfolgen muss, ist derzeit • Allergisch bedingte Erkrankun- Prozent Blutarmut, Taubheit in Beinen, noch nicht eindeutig geklärt – am gen: Nahrungsmittelallergie, Armen oder Fingern und bei 11 Pro- ehesten lebenslang, aber wahrschein- Weizen-abhängige belastungsin- zent Gelenkschmerzen. Die Diagnose lich nicht so strikt, wie bei Zöliakie. Um dizierte Anaphylaxie, Bäcker-Ast- der N-ZGS ist vorwiegend eine Aus- dies, den Verlauf und mögliche Fol- hma, Kontakt-Allergie schlussdiagnose – derzeit gibt es kei- geerkrankungen mit und ohne Diät • Nicht-autoimmun/nicht-aller- ne spezifischen Tests, vielmehr muss bei N-ZGS besser abschätzen zu kön- gisch bedingte Erkrankungen: zunächst eine Zöliakie und eine Wei- nen, sind weitere Studien erforderlich. Nicht-Zöliakie Glutensensitivität zen-Allergie ausgeschlossen werden. Dies bedeutet, dass zum Ausschluss Referenzen: Die variable Magen-Darm-Sympto- einer Zöliakie keine Anti-deaminiertes (1) Sapone et al. BMC Medicine 2011 9:23 matik der Zöliakie muss hier nicht Gliadin IgA Antikörper, keine Anti-En- (2) Sapone et al. BMC Medicine 2012 10:13 nochmals beschrieben werden (siehe domysium IgA Antikörper (anti-EMA) dazu Beitrag von Dr. med. Patscheider, und keine Anti-human-tissue-Transg- Zöliakie – ein lebenslanger Zustand, lutaminase IgA (anti-tTG) Antikörper S. 6). Bei der Dermatitis herpetiformis nachweisbar sein sollten. Ein mögli- Duhring – der Haut-Manifestation der cher IgA-Mangel muss dabei ebenso Zöliakie – kommt es zu einem Aus- bedacht werden. Bei unklaren Anti- schlag mit Bläschen, wobei neben körperbefunden muss zudem eine den Zöliakie-Serum-Markern IgA-Ab- Dünndarm-Biopsie erwogen werden. lagerungen in der Haut festgestellt Zum Ausschluss einer allergischen 18
Sie können auch lesen