Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz

 
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Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
Sonderausgabe
 IG Zöliakie der Deutschen Schweiz

Zöliakie & glutenfreie Ernährung

               - die Fakten
Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
Sonderausgabe

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Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
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Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
EDITORAL                                                            Sonderausgabe

    Inhaltsverzeichnis
      Impressum                               Seite   4       Impressum
                                                              Aufgrund der grossen Nachfrage
      Editorial / In eigener Sache            Seite   5       haben wir das vergriffene „Sonder-
                                                              heft Zöliakie“ in der hier Ihnen vor-
      Zöliakie – ein lebenslanger Zustand     Seite   6-9
                                                              liegenden Neuauflage vollständig
                                              Seite   10-12   überarbeitet und aktualisiert. Es
      Zöliakie-Screening
                                                              wird in einer Auflage von 10‘000
      Diagnose & Management bei Erwachsenen   Seite   13-16   Exemplaren im Februar 2015 pu-
                                                              bliziert. Diese Publikation ergänzt
      Zöliakie bei Kindern und Jugendlichen   Seite   16-17   die Mitgliederzeitschrift „Zölia-
                                                              kie-Info“, welche vier Mal pro Jahr
      Nicht-Zöliakie Glutensensitivität       Seite   18
                                                              erscheint.
      Ernährungstherapie bei Zöliakie         Seite   19-22
                                                              Herausgeber:
      Diätfehler                              Seite   23-24   IG Zöliakie
                                                              der Deutschen Schweiz
      Auswärts essen mit Zöliakie             Seite   24-25   Güterstrasse 141
                                                              4053 Basel
      Häufige Vitaminmängel bei Zöliakie      Seite   25-26

                                              Seite   27-29   Redaktionsteam:
      Zöliakie und Osteoporose                                Anita Dimas, Barbara Oneta-Busz,
      Zahnschäden als Folge von Zöliakie      Seite   30-31   Diana Studerus, Meltem Kutlar Joss,
                                                              Petra Geissmann
      Zöliakie und Schwangerschaft            Seite   32-33
                                                              Gestaltung und Layout:
      Glossar                                 Seite   34      Carmen Böhler, webconsult GmbH

                                                              Druck:
                                                              Kreis Druck, Basel

                                                              Einzelpreis:
                                                              Fr. 5.00

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Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
Editoral
Silvia Baumann, Präsidentin & Diana Studerus,   können. Je besser Sie sich auskennen,      Erkrankung, die noch immer häufig
Vorstand Ressort Medizin & Ernährung            desto einfacher werden Sie Ihren glu-      übersehen wird. Die aktuellen Emp-
Liebe Interessierte                             tenfreien Alltag bestreiten können.        fehlungen zu Screening und Diagno-
am Thema Zöliakie                               Falls Sie nicht selbst betroffen sind      severfahren haben wir darum für Sie
                                                hoffen wir, dass wir mit diesem Heft       zusammengefasst und hoffen damit,
Endlich ist sie da: die Neuauflage              dazu beitragen können, das Verständ-       die Diagnoselatenz der Zöliakie künf-
unseres Sonderhefts „Zöliakie & glu-            nis für Zöliakie und die glutenfreie       tig verkürzen zu können.
tenfreie Ernährung – die Fakten“! Mit           Ernährung zu fördern. Für Betroffene
neuem Namen und in modernem                     ist es teilweise schwierig, ihre beson-    Wir danken an dieser Stelle allen Au-
Gewand erwarten Sie aktuelle Texte              deren Bedürfnisse an ihre Ernährung        torinnen und Autoren für ihr Engage-
zu Vorkommen, Diagnose, zur medi-               gegen Aussen zu vertreten. Mit Ihrem       ment. Dass Sie ein solches Heft in der
zinischen Begleitung bis zu Ernäh-              Verständnis helfen Sie den Betroffe-       Hand halten können ist ausserdem
rungsempfehlungen und weiteren                  nen, sich selbstverständlicher und si-     den Mitgliedern der IG Zöliakie zu ver-
Aspekten der Zöliakie. Wir hoffen, Ih-          cher glutenfrei zu ernähren.               danken. Mit ihrem Mitgliederbeitrag
nen mit dieser Zusammenstellung ei-                                                        und dem ehrenamtlichen Einsatz des
nen guten Einstieg in die Zöliakie und          Mit diesem Sonderheft möchten wir          Vorstandes war diese Arbeit erst mög-
die glutenfreie Ernährung geben zu              auch Fachpersonen aus Medizin und          lich.
können. Falls Sie selbst betroffen sind,        Ernährungsberatung eine Übersicht
möchten wir Sie ermutigen, in die Di-           über den aktuellen Stand der Wis-          Wir wünschen Ihnen eine interessante
agnose Zöliakie einzutauchen und zu             senschaft und Forschung ermögli-           Lektüre.
verstehen, wie Sie damit umgehen                chen. Zöliakie ist eine facettenreiche

In eigener Sache
Meltem Kutlar-Joss
Kurzvorstellung IG Zöliakie
Die IG Zöliakie ist eine anerkannte             bedingungen zu schaffen, die den           formationstag für Neudiagnostizierte,
Nonprofit-Organisation im Diens-                Zöliakie-Betroffenen den Alltag er-        und wir fördern den gegenseitigen
te von Menschen, die sich aus ge-               leichtern, z.B. mit der Schulung und       Austausch der Betroffenen beispiels-
sundheitlichen Gründen glutenfrei               Vergabe der Gastronomiemitglied-           weise in Regionalgruppen oder dem
ernähren müssen (u.a. Zöliakie). Der            schaft für Restaurants, die auf die glu-   Zölikids Sommerlager. Die vielfältigen
Vorstand, verschiedene Arbeitsgrup-             tenfreie Ernährung eingestellt sind,       Aufgaben werden zum grössten Teil
pen und unser Sekretariat erledigen             oder der Kontrolle und Lizenzierung        durch Mitgliederbeiträge finanziert.
die laufenden Arbeiten. Der Verein              des glutenfrei Symbols für Hersteller      Wir freuen uns daher sehr über jede
ist über Regionalgruppen, Zölikids              glutenfreier     (Spezial-)Lebensmittel    Art von Unterstützung, sei dies als
und Zöliakie Youth in der gesamten              oder der Öffentlichkeitsarbeit. Ander-     Mitglied für 80.- Franken im Jahr oder
Deutschschweiz tätig und auf alle Al-           seits unterstützen wir die Betroffenen     mit einer Spende.
tersgruppen ausgerichtet. Wir setzen            direkt, z.B. mit unserem Beratungste-
uns einerseits dafür ein, Rahmen-               lefon, Veranstaltungen wie dem In-

                             Für Spenden:
                                                                                              IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
            Konto PC 40-9766-2                                                                                  Güterstrasse 141
      IBAN CH 18 0900 0000 4000 9766 2                                                                                 4053 Basel
                                                                                                               Tel. 061 271 62 17
  Informationen französische Schweiz: www.coeliakie.ch                                                         Fax 061 271 62 18
   Informationen italienische Schweiz: www.celiachia.ch                                                  sekretariat@zoeliakie.ch
                                                                                                               www.zoeliakie.ch

                                                                                                                                     5
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GRUNDLAGEN                                                                                     Sonderausgabe

    Zöliakie –
    ein lebenslanger Zustand
    Regula Patscheider, Meilen                 sind Gewichtsverlust, Wachstumsstill-    Fachrichtungen. Die erhöhte Neigung
    Zöliakie, die häufigste chronische         stand, Entwicklungsverzögerungen,        von unbehandelten, unerkannten
    Dünndarmerkrankung, kommt welt-            Durchfall, Blähbauch, Weinerlichkeit     Zöliakiepatienten zur Depression hat
    weit vor und kann in jedem Alter           und Gereiztheit zu beobachten. Bei       in der Vergangenheit manchmal zu
    auftreten. Grössere Studien gehen          grösseren Kindern und Jugendlichen       tragischen Fehlbehandlungen bis hin
    davon aus, dass durchschnittlich jede      treten diese Symptome weniger deut-      zur psychiatrischen Hospitalisation
    hundertste Person davon betroffen          lich auf. Oft ist die Symptomatik ähn-   geführt.
    ist. Die Erkrankung äussert sich als       lich wie bei Erwachsenen, von denen
    Unverträglichkeit gegenüber dem            über 60 Prozent atypische Sympto-        Noch heute erschwert die grosse
    Klebereiweiss Gluten, das in bestimm-      me wie Müdigkeit, Blutarmut, Eisen-      Bandbreite von möglichen Symp-
    ten Getreiden wie Weizen, Gerste,          mangel, andere Mangelzustände,           tomen eine schnelle Diagnose. Man
    Dinkel und Roggen enthalten ist. Bei       Gewichtsverlust, Knochenschmerzen        schätzt deshalb auf eine diagnosti-
    Personen mit der entsprechenden            und psychische Veränderungen oder        zierte Person mindestens zwei Perso-
    genetischen Veranlagung (HLA-DQ2           auch gar keine Symptome haben. Bei       nen mit unerkannter Zöliakie.
    und/oder DQ8 sowie weitere Gene)           letzteren wird die Zöliakie dann nur
    kommt es durch die Einnahme glu-           zufällig durch ein Screening entdeckt.   Diagnosestellung
    tenhaltiger Nahrungsmittel zu einer                                                 Die Die Diagnose kann heute mittels
    Autoimmunreaktion gegen die eige-          Neuere Studien berichten auch            Antikörper-Bluttests und Dünndarm-
    ne Dünndarmschleimhaut. Zusätzli-          von einer Form von Glutensensiti-        biopsie zuverlässig gestellt werden.
    che Faktoren wie eine Infektion oder       vität (Nonceliac Gluten Sensitivity      Bei Verdacht auf Zöliakie nach gründ-
    Schwangerschaft können die Krank-          resp. Nicht-Zöliakie Glutensensiti-      licher Anamnese und klinischer Unter-
    heitsauslösung begünstigen. Die län-       vität), die mit Magen-Darm- oder         suchung sollte der behandelnde Arzt
    gerfristige Glutenaufnahme führt zur       anderen Symptomen bei gesun-             die spezifischen Antikörper-Bluttests
    Zerstörung der Dünndarmzotten, wel-        der     Dünndarmschleimhaut   und        vornehmen: Anti-Tissue-Transgluta-
    che die Nährstoffe aufnehmen. Folgen       negativem Antikörpertest auftritt        minase-IgA und -IgG, Anti-Endomysi-
    davon sind Mangelernährung, Ma-            und in der Allgemeinbevölkerung          um-IgA sowie Antideaminiertes-Gli-
    gen-Darm-Beschwerden oder vielerlei        mehrfach häufiger vorkommt als           adin-IgA . Da häufig ein selektiver
    andere Symptome. Gluten kann auch          die Zöliakie (siehe dazu Beitrag         IgA-Mangel vorkommt, sollte zusätz-
    die Hauterkrankung Dermatitis her-         von Dr. med. Greidel, Nicht-Zölia-       lich das Total-IgA bestimmt werden
    petiformis Duhring – die «Zöliakie der     kie Glutensensitivität,   S. 18).        (Siehe auch Beitrag von Dr. C. Oneta,
    Haut» – auslösen. Bisher ist die einzige                                            Abklärungsuntersuchungen bei Ver-
    Therapie eine lebenslange glutenfreie      An Zöliakie denken                       dacht auf Zöliakie, S. 13). Bei positi-
    Ernährung. Mit der Einführung von          Lange Zeit wurde die Zöliakie fälsch-    vem oder unklarem Befund ist der
    Antikörper-Bluttests wurde die Zölia-      licherweise als Krankheit des Kindes-    Patient zur weiteren Abklärung an
    kie immer häufiger diagnostiziert und      alters eingestuft und oft wussten nur    den Facharzt zu überweisen. Ver-
    das klassische Krankheitsbild änder-       gerade Kinderärzte mehr oder we-         wandte 1. und 2. Grades sollten sich
    te sich markant: Signifikant häufiger      niger Bescheid. Die Aufmerksamkeit       ebenfalls untersuchen lassen sowie
    wurden Patienten mit atypischen oder       war auf die klassische Krankheitsform    Personen mit anderen Autoimmu-
    gar keinen Symptomen erfasst. Kom-         mit Magen-Darm-Symptomatik, Ge-          nerkrankungen oder auch bei Eisen-
    plexer wurde die Diagnosestellung          deihstörungen und Misslaunigkeit ge-     mangel, Laktoseintoleranz, Osteo-
    und anspruchsvoller die Aufgabe,           richtet, bis diese sich mit den neuen    porose und Down-Syndrom, da bei
    Patienten ohne schlimme Symptome           Screening-Methoden nur als die «Spit-    diesen Zöliakie gehäuft beobachtet
    zur glutenfreien Ernährung zu moti-        ze des Eisbergs» erwies (Siehe dazu      wird (Siehe auch Beitrag von Dr. med.
    vieren, die notwendig ist, um schwer-      auch Beitrag von Dr. med. Spalinger/     W. Fierz, Zöliakie-Screening, S. 10).
    wiegende Spätfolgen zu vermeiden.          Dr. med. Schibli, Zöliakie bei Kindern
                                               und Jugendlichen, S. 16). Mit atypi-     Folgen unbehandelter Zöliakie
    Erkrankung mit                             schen Symptomen wie Aphthen, Mig-        Unerkannte Zöliakie bedeutet für
    «Chamäleon-Charakter»                      räne oder neurologischen Störungen       den Patienten einen langen Leidens-
    Die Die Erkrankung kann sich auf viel-     unbekannter Art wandten sich Betrof-     weg, denn unbehandelte Zöliakie
    fältige Art zeigen: Bei Kleinkindern       fene an Ärzte der unterschiedlichsten    genauso wie mangelhafte Einhaltung

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der glutenfreien Diät können sich             wird wieder gesund. Da sich unter        troffener nachweislich auf das Avenin
schwerwiegend auf die verschiede-             der Diät auch die Antikörper zurück-     im Hafer reagiert, lässt sich zum Hafer-
nen Organsysteme auswirken. So                bilden, ist es wichtig, dass der Arzt    konsum keine generelle Empfehlung
kann zum Beispiel die Fruchtbarkeit           zuerst die Diagnose bestätigt, bevor     abgegeben (Siehe auch Beitrag von
beeinträchtigt und das Risiko für             die Ernährungsumstellung erfolgt!        Dr. clin. nutr. C. Kiss , S. 19).
Osteoporose,     Autoimmunerkran-             Andernfalls wird eine sichere Diagno-
kungen (besonders Diabetes Typ I,             se erschwert oder gar verunmöglicht.     Diäthandhabung im Alltag
Schilddrüsen- und Lebererkrankun-             In der glutenfreien Ernährung sind       Als idealer technischer Hilfsstoff ist
gen) und Dünndarm-Lymphom er-                 Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Quinoa    Gluten in über 70 Prozent aller indust-
höht werden. Nichteinhalten der Diät          und Amaranth erlaubt. Geeignet sind      riell hergestellten Nahrungsmittel ent-
durch Zöliakiebetroffene während              auch Kartoffeln, Kastanien, Buchwei-     halten und kann auch in Medikamen-

 Quelle: Entsprechend der Marsh-Klassifikation. Quelle DZG / wikipedia

der Schwangerschaft und Stillzeit             zen, Soja und Hülsenfrüchte. Hinge-      ten «versteckt» vorhanden sein. Beim
wirkt sich zudem negativ auf die Ent-         gen müssen sämtliche glutenhaltigen      Einkaufen muss jede Deklaration ge-
wicklung des Kindes aus. Werdende             Getreide sowie alle daraus hergestell-   lesen und auf glutenhaltige Zutaten
Mütter mit Zöliakie, welche die Diät          ten Nahrungsmittel konsequent und        geprüft werden. Im Zweifelsfall soll
nicht einhalten, haben im Vergleich           lebenslang vermieden werden. Kleins-     man auf das Produkt verzichten. Ge-
zu den Diätbefolgenden mehr Abor-             te Mengen Gluten sind schädlich: Die     währ bieten die kontrollierten Spezial-
te und häufiger Kinder mit niedrigem          Einnahme von 100 mg Gliadin täglich      produkte, die mit dem Warenzeichen
Geburtsgewicht und es zeigen sich             während vier Wochen verändert be-        „Glutenfrei-Symbol“ (durchgestriche-
auch fünfmal häufiger Wachstums-              reits die Dünndarmschleimhaut.           ne Ähre in Kreis) gekennzeichnet sind:
verzögerungen bereits beim Fötus.                                                      Sie halten den Grenzwert von max. 2
                                              Diversen Studien und Erfahrungen         mg Gluten pro 100 g Trockenmasse
Glutenfreie Ernährung -                       aus Skandinavien und England zufol-      ein, sind allerdings vier bis sieben Mal
lebensbegleitend                              ge können die meisten Betroffenen        teurer als die vergleichbaren gluten-
Statt von einer «lebenslangen Er-             den sogenannt glutenfreien Hafer         haltigen Produkte. Ein Hauptproblem
krankung» müsste man von einem                unter ärztlicher Betreuung in die Er-    bleibt das Essen auswärts und der Of-
«lebenslangen Zustand» sprechen,              nährung integrieren, also garantiert     fenverkauf von Produkten.
denn unter glutenfreier Ernährung             ohne Kontamination mit glutenhalti-
verschwinden in der Regel die Symp-           gen Getreiden produzierter Hafer. Da     Eine weitere Herausforderung besteht
tome und die Dünndarmschleimhaut              jedoch eine kleine Anzahl Zöliakiebe-    darin, spät Diagnostizierte sowie Be-

                                                                                                                                  7
Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
GRUNDLAGEN                                                                                       Sonderausgabe

    troffene ohne schwere Symptome zur        Produkten in ihrer heutigen Qualität       burtstag einen jährlichen Zuschuss
    Diäteinhaltung (Adherence) zu mo-         und Vielfalt. Seit längerem sind glu-      an die Mehrkosten der glutenfreien
    tivieren. Zum eigenverantwortlichen       tenhaltige Zutaten inzwischen nach         Ernährung aus. In der Steuererklärung
    Handeln ist Wissen das beste Rezept.      Schweizerischer Lebensmittelgesetz-        können heute in der Regel in allen
    Erwiesenermassen sind eine fach-          gebung in jedem Fall deklarations-         Kantonen die Mehrkosten der glu-
    kompetente          Ernährungsberatung,   pflichtig. Immer umfangreicher wird        tenfreien Ernährung im Rahmen der
    regelmässige ärztliche Kontrollen und     das Produktsortiment auch bei den          Krankheitskosten geltend gemacht
    die Mitgliedschaft bei einer Zöliakie-    Grossverteilern. Es gibt Kochbücher        werden. Detailinformationen zu den
    gesellschaft die wirksamsten Hilfeleis-   mit erprobten Rezepten wie das an          einzelnen kantonalen Richtlinien sind
    tungen (Siehe dazu auch die Beiträge      der Frankfurter Buchmesse 2005 mit         erhältlich bei der IG Zöliakie. Nach
    von Dr. med. C. Oneta und Dr. clin.       einer Goldmedaille ausgezeichnete          wie vor ist eine genaue Beobachtung
    nutr. C. Kiss, S. 19 + 27).               und heute in 5. Auflage vorliegende        der Entwicklungen in der Lebensmit-
                                              vollständig überarbeitete und aktua-       telbranche notwendig und Aufklä-
    Zöliakiemanagement                        lisierte Buch «Glutenfrei kochen und       rungsarbeit in der Gastronomie, bei
    in der Schweiz                            backen» von Carine Buhmann. Koch-          den Nahrungsmittelherstellern und
    Während sich das Wissen über Zölia-       kurse für die glutenfreie Küche kön-       bei der allgemeinen Bevölkerung zu
    kie vor 35 Jahren auf wenige Fachärz-     nen bei verschiedensten Anbietern          leisten. Finnland hat für die Schweiz
    te und die betroffenen Familien be-       gebucht werden.                            Vorbildcharakter: Zöliakie ist dort viel
    schränkt hatte, gibt es heute in der                                                 bekannter, glutenfreie Produkte gibt
    Schweiz drei sprachregionale Patien-      Als Basis zur Vereinheitlichung des        es in jedem Supermarkt, viele Restau-
    tenorganisationen mit wachsendem          Diagnose- und Therapieverfahrens           rants und Schulen haben glutenfreie
    Informationsangebot unter gemein-         erschien im Jahr 2005 die Erstausgabe      Menüs auf der Speisekarte und für die
    samen Dach (www.coeliac.ch und            der Informationsbroschüre über Zöli-       medizinische Behandlung der Zöliakie
    www.celiac.ch) und internationaler        akie für Arztpraxen mit den entspre-       gibt es einen landesweiten Standard.
    Mitwirkung in der AOECS (Associa-         chenden Empfehlungen für Abklä-            Ähnliche Bestrebungen sind z.B. auch
    tion of European Coeliac Societies).      rungs- und Kontrolluntersuchungen          in England und Kanada im Gange.
    Die Pioniere von einst, die sich auf      bei Erwachsenen mit Zöliakie.
    eigene Faust um Ersatzmehle für die
    glutenhaltigen Brotgetreide küm-          Die IV anerkennt Zöliakie als Geburts-        Merkblätter der IG Zöliakie:
    mern mussten, haben die Basis ge-         gebrechen und richtet Betroffenen             Zöliakie in der Schweiz
    legt für das Angebot an glutenfreien      bzw. deren Eltern bis zum 20. Ge-             Bericht der EEK

                  Zöliakie seit 2200 Jahren dokumentiert

         Die Bezeichnung Zöliakie geht auf den medizinischen Schriftsteller Aretaeus von Kappadozien (heute Türkei) zu-
         rück, der im 2. Jh. vor Chr. eine chronische Krankheit mit Fettstühlen, Gewichtsverlust, Blässe und ungenügender
         Verdauung des Essens sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen beschrieb und die Betroffenen als «koiliakos»
         – die an den Gedärmen Leidenden – nannte. Der griechische Text wurde ins Englische übersetzt und 1856 veröf-
         fentlicht. Auf diese englische Vorlage stützte sich 1888 der englische Arzt, Samuel J. Gee, für seinen Bericht «On
         the Coeliac Affection» (Über die Zöliakie-Erkrankung). Gees Bericht gilt als erste medizinische Beschreibung der
         Zöliakie. Er hebt die Ernährungsumstellung mit möglichst geringem Getreidekonsum als wichtigste Therapiemass-
         nahme hervor.

         Weitere Begriffe wie der Fachausdruck glutensensitive Enteropathie oder einheimische Sprue im Unterschied zur
         «tropischen» Sprue zur Bezeichnung derselben Erkrankung wurden geprägt (Der Name Sprue geht auf Katalaer
         1969 zurück). Niederländisch «Sprouw» bezeichnet kleine Bläschen (Aphthen) in der Mundschleimhaut. Diese tre-
         ten häufig bei erwachsenen Patienten auf, so dass sich dieser Begriff in der Erwachsenenmedizin durchsetzte,
         während die Erkrankung im Kindesalter als Zöliakie bezeichnet wurde. Der Name Zöliakie wird heute, in Analogie
         zum angelsächsischen „coeliac bzw. celiac disease“, als Begriff für jedes Erkrankungsalter verwendet.

8
Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
Meilensteine in der
Zöliakieforschung

1888 beschreibt Samuel J. Gee erstmals das
Krankheitsbild der Zöliakie.

1953 entdeckt der Holländer Willem K. Dicke das               Berlin, das Autoantigen der Zöliakie, die Ge-
Gliadin, den alkohollöslichen Anteil des Weizen-              webstransglutaminase (tissuetransglutaminase
proteins, als «toxische» Substanz und somit Aus-              oder tTG), gegen die diagnostisch bedeutsa-
löser der Erkrankung. Dicke und seine Ärztekolle-             me IgA-Antikörper gebildet werden (tTG-IgA).
gen beobachten während der Getreideknappheit
im zweiten Weltkrieg, dass die Kinder mehr Kar-               Bisher sind diverse Studien zur genaueren Er-
toffeln als Weizen zu essen bekommen und in                   mittlung der Zöliakiehäufigkeit vor allem an
dieser Zeit weniger Symptome haben. Diesen Zu-                der «Basis des Eisbergs» (Symptomarmut oder
sammenhang können sie auch in kontrollierten                  –freiheit) und Arbeiten zur Verbesserung der
Diätexperimenten mit Kindern (Ernährung mit                   Labordiagnostik erschienen. Die genetischen
Früchten, Kartoffeln, Bananen, Milch oder Fleisch)            und immunologischen Vorgänge der Krank-
nachweisen und zeigen, dass besonders Brot so-                heitsentstehung werden laufend erforscht im
wie Weizen, Gerste und Roggen krank machen.                   Bestreben, medikamentöse Behandlungen zu
                                                              finden, die ebenso effektiv sind wie die gluten-
1954   werden        die     typischen      Dünndarm-         freie Ernährung oder diese unterstützen. Wie
schädigungen               erstmals         beschrieben       zum Beispiel eine Enzymtherapie mit sogenann-
(Schleimhautentzündung,                         Krypten-      ten Glutenasen, welche Gluten vollständig in
verlängerung           und        Zottenabflachung).          seine einzelnen Aminosäuren aufspalten sollte,
                                                              bevor es in den Dünndarm gelangt. Einen ähn-
1957 beschreibt Margot Shiner, London, die ge-                lichen Ansatz verfolgt die ETH Zürich mit einem
schädigte Dünndarmschleimhaut aufgrund der                    sogenannten      „Glutenbinder“;     Medikamente,
Saugbiopsien (Watson-Kapsel). Die Gewebepro-                  welche Gluten so verpacken sollen, dass es das
ben zeigen, dass die 1932 vom Dänen Thorvald                  Immunsystem nicht mehr erkennt. Momentan
Einar Hess Thaysen erstmals näher beschriebe-                 ist das Ziel dieser Präparate eine gewisse Glu-
ne «einheimische Sprue» beim Erwachsenen                      tentoleranz von 2 bis 3 Gramm pro Tag zu er-
mit der «Zöliakie» bei Kindern identisch ist.                 reichen – um die glutenfreie Ernährung kommt
                                                              man in näherer Zukunft (noch?) nicht herum.
1958 beginnt      die        Geschichte     der     Zölia-
kie-Bluttest   mit     der     Erstbeschreibung       der     Seit einigen Jahren wird auch an einer Art Imp-
Gliadinantikörper durch E. Berger aus Basel.                  fung geforscht, die die Immunreaktion auf Glu-
                                                              ten unterbinden soll. Gemäss        den    Forschern
In den 1960-er Jahren finden Dermatologen                     sollte mit dieser Therapieform gar eine „norma-
heraus, dass die glutenfreie Diät auch die                    le“ Ernährung möglich sein. Weiter wird auch
Dermatitis     herpetiformis          Duhring     bessert.    nach Therapiemöglichkeiten für Patienten mit
                                                              refraktärer Zöliakie gesucht. Hingegen ist die
1969 werden in Interlaken von der ESPG-                       Züchtung glutenfreien Weizens als Ansatz ver-
HAN (European Society for Paediatric Gast-                    worfen worden, da die Versuche erfolglos waren.
roenterology     and       Nutrition)    erstmals     dia-    Wir dürfen also gespannt sein, wie sich die The-
gnostische     Kriterien      formuliert,    die     1990     rapie der Zöliakie künftig entwickeln wird!
und    nochmals      2012      überarbeitet       werden.
                                                              Im Jahr 2011 traf sich ein Ärzteteam bestehend aus
Chorzelski und Mitarbeiter finden den hoch-                   16 Teilnehmern in Oslo um sicherzustellen, dass sich
spezifischen         endomysialen           IgA-Antikör-      die Forschung einheitlich verwendeter Definitionen
per EMA (1983 bei Dermatitis herpetiformis                    zu Zöliakie bedienen kann. Hierzu trugen sie auf Zöli-
Duhring und 1987 bei Zöliakie), der mit dem                   akie bezogene Begriffe aus Fachliteratur und Internet
von der Gruppe um Prof. M. Mäki gefunde-                      zusammen und schufen daraus die sogenannte „Oslo
nen    Antiretikulumantikörper           identisch     ist.   Klassifikation der Zöliakie“. Diese wurden in einer
1994 entdeckt die Gruppe um Detlef Schuppan,                  Studie von Jonas Ludvigsson 2012 veröffentlicht.

                                                                                                                       9
Die Fakten Zöliakie & glutenfreie Ernährung - IG Zöliakie der Deutschen Schweiz
SCREEENING                                                                                        Sonderausgabe

                   Dermatitis herpetiformis Duhring – die „Zöliakie der Haut“

          Die Dermatitis herpetiformis Duhring ist eine sehr seltene, stark juckende Hauterkrankung, welche stets mit einer
          Zöliakie assoziiert ist. Meistens ist bei Betroffenen jedoch die Zöliakie nur gering ausgeprägt. Das Krankheits-
          bild wurde von Louis Adolphus Duhring im Jahre 1884 beschrieben und betrifft nur wenige Prozent aller Zölia-
          kie-Betroffenen. Die Erkrankung verläuft stets schubweise. Primär treten dabei kleine, stark juckende Bläschen
          auf, welche mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind. Diese werden auf Grund der Juckreizes schnell aufgekratzt, so dass
          Erosionen (Hautabschürfungen) und Knötchen (Papeln) auf der Haut entstehen. Auch lassen sich bei Betroffenen
          granuläre IgA-Ablagerungen (Immunglobuline vom Typ A) in der Haut nachweisen. Diese Ablagerungen gelten
          als Goldstandard zur Sicherung der Diagnose. Weiter lassen sich im Blut auch die Zöliakie-spezifischen Antikörper
          nachweisen. Unter der glutenfreien Diät regeneriert sich die Dünndarmschleimhaut rasch und die Antikörper
          im Blut sinken in kurzer Zeit ab. In der Regel muss jedoch von mindestens sechs Monaten bis hin zu zwei Jahren
          ausgegangen werden, bis es langsam zu einer Verbesserung des Hautbildes kommt. Dabei können auch Sulfo-
          namide als wirksames Mittel zur Behandlung des Juckreizes nebst der glutenfreien Diät eingesetzt werden.

     Zöliakie-Screening – wann und bei wem?
     Dr. med. W. Fierz. labormedizinisches     Mangelerscheinungen zum Ausdruck            le gefunden, von welchen nur 3 schon
     Zentrum, und Dr. Risch, Schaan            kommen, die sich in den unterschied-        diagnostiziert, aber unbehandelt wa-
     Zöliakie ist eine weit verbreitete        lichsten Symptomen äussern. lm Fol-         ren. Vier der 12 Geburten waren vor-
     Krankheit und wird trotzdem oft nicht     genden sollen einige neuere Studien         zeitig (vor der 37. Woche) und drei der
     erkannt. Sie versteckt sich hinter Sym-   erwähnt werden, die dies belegen.           Babies starben (7). In einer grösseren
     ptomen, die häufig sehr unspezifisch      So wurden in einer Studie bei 266           Studie der gleichen Forschergruppe
     sind, oder betroffene Personen kön-       Patienten mit Osteoporose bei 4.5%          an über 5000 Schwangeren konnte
     nen sich ganz und gar gesund fühlen.      ein positiver Zöliakie-Screeningtest        dann allerdings keine statistisch sig-
     So wurden in einer im Jahr 2000 breit     gefunden und bei 3.4% durch Biopsie         nifikante Häufung von ungünstigen
     angelegten Screening-Studie in der        bestätigt (2). Allerdings scheinen Frak-    Schwangerschaftsverläufen bei 51
     Ostschweiz unter 1450 gesunden,           turen bei Zöliakie-Patienten nur leicht     neu entdeckten «gesunden» Zöliakie-
     11- bis 18-jährigen Schulkindern, 11      häufiger zu sein (3) als bei gesunden       fällen festgestellt werden (8).
     Zöliakiefälle gefunden, von welchen       Kontrollpersonen. ln einer anderen
     8 auch durch Darmbiopsie bestätigt        Studie wurden bei 258 Patienten mit         Einzig ein Trend zu einer erhöhten
     wurden (1). Zusammen mit 20 an-           Eisen- oder Folsäuremangel in 11%           Abortrate und tieferem Geburtsge-
     deren, international durchgeführten       ein positiver Zöliakie-Screeningtest        wicht wurde festgestellt. Auch der
     Studien an insgesamt fast 90‘000 Teil-    gefunden und bei 4.7% durch Biop-           Zusammenhang mit Infertilität (Un-
     nehmern zeigt sich ein durchschnittli-    sie bestätigt (4). Etwa 20% der unbe-       fruchtbarkeit) bleibt vorderhand noch
     ches Vorkommen der Zöliakie bei ca.       handelten Zöliakie-Patienten weisen         unklar. Die neueste Studie bei 200
     1% der Bevölkerung. Warum ist die-        eine verlängerte Prothrombinzeit auf        Patienten einer Reproduktionsklinik
     ses häufige Vorkommen der Zöliakie        Grund eines Vitamin K-Mangels auf           und 200 Kontrollpatienten fand 5 Zöli-
     bei «Gesunden» ein Problem? Sollen        (5). Die Zöliakie wurde in mehreren         akie-Fälle (2.5%) bei den Frauen mit
     diese Fälle durch Screening-Untersu-      Studien auch in Zusammenhang mit            Reproduktionsproblemen und 2 Fälle
     chungen gesucht werden? Und was           Sterilität, hoher Abortrate und nied-       (1%) bei der Kontrollgruppe, was aber
     dann?                                     rigem Geburtsgewicht in Verbindung          statistisch noch nicht signifikant un-
                                               gebracht und der positive Einfluss der      terschiedlich ist, das heisst der Unter-
     Keine Symptome,                           Diät beschrieben (6). Ob dies auch für      schied steht nicht zweifelsfrei fest und
     trotzdem Zöliakie?                        „gesunde“ Zöliakiefälle (symptomfreie       könnte auch rein zufällig sein (9) (Sie-
     Auch wenn der Betroffene sich noch        Betroffene) gilt, ist aber noch fraglich.   he auch Beitrag von Dr. Hösli, Zöliakie
     gesund fühlt, können nach Jahren          Bei einem Screening bei 845 Schwan-         und Schwangerschaft, S. 32).
     durch Malabsorption verursachte           geren in Italien wurden 12 Zöliakiefäl-

10
Screening lohnt sich                      die mit ca. 7000 Probanden fand über       Flächendeckendes
Ein Hauptargument für ein Zölia-          20 Jahre kein erhöhtes Lymphomri-          Zöliakie-Screening?
kie-Screening wäre ein erhöhtes Ri-       siko bei den ca. 1% serologisch po-        Auf Grund der Häufigkeit der asymp-
siko für gastrointestinale Tumore,        sitiven, aber symptomlosen Fällen          tomatischen Zöliakie, der möglichen
hauptsächlich Lymphome, bei Zöli-         (12). Somit ist die Faktenlage bisher      Komplikationen und der zu Verfü-
akie-Betroffenen. In einer schwedi-       nicht eindeutig.Die Zöliakie ist auch      gung stehenden guten diagnosti-
schen Kohorten-Studie mit 11‘650          mit einer Reihe von anderen Erkran-        schen Tests sowie der Möglichkeit
Zöliakie-Patienten war das Risiko, an     kungen vergesellschaftet, wobei die        einer spezifischen und effektiven Be-
einem Lymphom zu erkranken 6-fach         ursächliche Verknüpfung meist nicht        handlung mittels glutenfreier Diät ist
erhöht (10). In einer finnischen Stu-     klar ist. Verschiedenste Organsyste-       es naheliegend die Frage zu stellen,
die mit 1147 Patienten und 30 Jahren      me können betroffen sein. Es handelt       ob ein Screening für die Zöliakie zu
Beobachtungszeit war das Lympho-          sich zum Beispiel um gastrointestina-      empfehlen ist. Die Frage des Zölia-
mrisiko bei Zöliakie-Patienten 3-fach     le, endokrinologische, neurologisch/       kie-Screenings muss auf verschiede-
erhöht, bei Patienten mit Dermatitis      psychiatrische, hämatologische und         nen Indikationsebenen diskutiert wer-
herpetiformis Duhring 6-fach (11). Es     dermatologische Krankheiten. Eine          den und Vor- und Nachteile müssen
bleibt allerdings noch unklar, wie weit   vollständige Aufzählung ist hier nicht     gegeneinander abgewogen werden.
die Diät das Risiko vermindern kann       möglich. Oft sind es Autoimmun-            Als Richtlinie für eine Empfehlung soll
und ob das Lymphomrisiko auch bei         krankheiten wie der Diabetes mellitus      die Publikation der finnischen Zölia-
«gesunden» Zöliakie-Betroffenen er-       Typ I, Schilddrüsenerkrankungen oder       kie-Expertin Pekka Collin dienen (18):
höht ist. Eine finnische Kohorten-Stu-    das Sjögren-Syndrom. Einige der häu-
                                          figsten neuropsychiatrischen Symp-         1. Ein breites Screening der Bevöl-
                                          tome, die in Zusammenhang mit der          kerung ist nicht indiziert. Der Lang-
                                          Zöliakie auftreten, sind die Depressi-     zeitverlauf von symptomlosen Zöli-
                                          on und Epilepsie, aber auch Migräne,       akie-Betroffenen und ein möglicher
                                          Gangstörungen (Ataxie) und Neuro-          positiver Effekt der Diät sind noch
                                          pathien. Bei alleiniger peripherer Neu-    nicht bekannt. Andererseits ist die
                                          ropathie ohne andere neurologische         Diät selbst einschränkend für die Le-
                                          Symptome scheint allerdings die Zöli-      bensqualität. Das Kosten-Nutzen-Ver-
                                          akie nicht gehäuft zu sein (13). Bei den   hältnis für ein Massenscreening ist
                                          gastrointestinalen Beschwerden kön-        nicht geklärt.
                                          nen neben dem klassischen Durchfall
                                          eine Reihe von weiteren Symptomen          2. Bei Verdacht auf Malabsorption
                                          wie z.B. die rezidivierende Aphthose       oder einer speziellen Form der Zölia-
                                          und andere ulzerative Erkrankungen         kie ist ein Screening indiziert. Eigent-
                                          des Magen-Darm-Traktes in den Vor-         lich handelt es sich hier um eine Diffe-
                                          dergrund treten. Auch Leberfunkti-         rentialdiagnose.
                                          onsstörungen und -erkrankungen
                                          können mit Zöliakie vergesellschaftet      3. Bei Vorkommen von Zöliakie in
                                          sein. Auf der Haut hängt neben der         der Familie oder Vorliegen einer Zöli-
                                          Dermatitis herpetiformis Duhring, der      akie-assoziierten Erkrankung ist ein
                                          klassischen Hautform der Zöliakie, oft     Screening bedingt indiziert, wenn
                                          die Psoriasis mit der Zöliakie zusam-      zusätzliche Verdachtssymptome vor-
                                          men. Eine überraschende und inter-         liegen.
                                          essante Beobachtung wurde bezüg-
                                          lich Hepatitis B-Impfung gemacht: Es       Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung
                                          hat sich in mehreren Studien gezeigt,      kommt ein neuerer Review von eng-
                                          dass Kinder mit Zöliakie häufiger als      lischen Gastroenterologen zu diesem
                                          andere keinen Impferfolg aufweisen         Thema (19).
                                          (14). Dieses Defizit wurde zum Teil un-
                                          ter Diätbehandlung (15) oder durch         Ein Vorschlag für ein Screening von Er-
                                          intradermale       Impfstoffapplikation    wachsenen auf Grund der vorgängig
                                          (16) vermindert. Der Grund für dieses      diskutierten Datenlage und in Anleh-
                                          Hepatitis B-Impfversagen bei Zölia-        nung an Collins Empfehlungen ist in
                                          kie-Betroffenen ist aber immer noch        folgender Tabelle formuliert (18):
                                          unklar (17).

                                                                                                                                11
EMPFEHLUNG                                                                                                    Sonderausgabe

           Screening empfohlen                                                       Screening empfohlen bei
                                                                                     zusätzlichen Verdachts-
                                                                                     symptomen oder geplanter
           •     Verdacht auf Malabsorption: Eisenmangel                             Schwangerschaft
                 ungeklärter Ursache, Osteoporose, Verlängerte
                 Prothrombinzeit ungeklärter Ursache, Lakto-                         •   Fälle von Zöliakie in der Familie
                 se-Intoleranz ungeklärter Ursache,                                  •   Unfruchtbarkeit, gehäufte Fehlgeburten
                 Hypocholesterolämie, tiefes HDL                                     •   Autoimmmunerkrankung:
           •     Verdacht auf Dermatitis herpetiformis                                   Autoimmun-Thyreoiditis, Diabetes mellitus Typ I,
           •     Chronische gastrointestinale                                            Sjögren-Syndrom, Addison-Erkrankung
                 Symptome, Colon irritabile                                          •   Periphere Polyneuropathie
           •     Occipitale Epilepsie mit bilateralen zerebralen                     •   Zerebelläre Ataxie
                 Verkalkungen                                                        •   Chronische Lebererkrankung
           •     Impfversager bei Hepatitis B-Impfung                                •   Leberenzym-Erhöhung ungeklärter Ursache

     Referenzen                                       (7) Martinelli P, Troncone R, Paparo F, Torre   (13) Rosenberg NR, Vermeulen M. Should
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     study of the prevalence of undiagnosed           evidence of increased risks for Iymphoma        vs intradermal route for hepatitis B booster
     coeliac disease in laboratory defined iron       types other than enteropathy-type T cell        vaccine in celiac children. World J Gast-
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12
Abklärungsuntersuchungen bei Verdacht
auf Zöliakie und Kontrolluntersuchungen
bei etablierter Zöliakie bei Erwachsenen
Dr. med. Carl M. Oneta, Facharzt FMH für Innere    Fälle mit unkompliziertem, beschwer-      Kontrollen bei „schlechten“ Werten
Medizin und Gastroenterologie, spez. Hepatologie   defreiem Verlauf unter glutenfreier       auf mögliche Ernährungsfehler oder
in Winterthur, im Namen des wissenschaftlichen     Ernährung nachkontrolliert werden,        auf eventuelle Komplikationen hin-
Beirates der IG Zöliakie                           weil sich unbemerkt Komplikationen        weisen.
Im Folgenden sind Empfehlungen                     einschleichen können. Dies betrifft
für die Abklärungen bei Verdacht auf               auch Jugendliche, bei denen die im        Diese Empfehlungen sollen die häufig
Zöliakie sowie für die Nachkontrollen              Kindesalter diagnostizierte Zöliakie      sehr lange Latenzzeit und Leidenszeit
bei etablierter Zöliakie aufgeführt. Sie           asymptomatisch geworden ist und           bis zur definitiven Diagnosestellung
gelten primär für Ärzte, sind aber auch            die nicht mehr von einem lebenslan-       verkürzen helfen und ein effektiveres
für Zöliakiebetroffene von Interesse.              gen Fortfahren der glutenfreien Er-       Management von Zöliakiebetroffenen
Eine klare Diagnose der Zöliakie ver-              nährung überzeugt werden können.          ermöglichen. Der Klarheit Willen sind
einfacht das weitere Management des                Es gilt: „Einmal Zöliakie, immer Zölia-   die Empfehlungen in Stichworten ver-
Patienten. Regelmässige Nachkont-                  kie“. Die Kontrollen geben den Betrof-    fasst. Die Betreuung Zöliakiebetroffe-
rollen sind in jedem Fall von Zöliakie             fenen bei „guten“ Werten Sicherheit       ner ist eine interdisziplinäre Angele-
lebenslang notwendig. Über deren                   und zeigen auch, dass die glutenfreie     genheit und wird optimal, wenn die
Häufigkeit entscheidet der Verlauf                 Ernährung korrekt durchgeführt wird.      verschiedenen Berufsgruppen eng zu-
der Erkrankung. Es sollten aber auch               Auf der anderen Seite können die          sammenarbeiten (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1:

                                                                                                                                      13
EMPFEHLUNG                                                                                                 Sonderausgabe

     Empfehlungen bei eindeutig diagnostizierter Zöliakie:

     1. Anmeldung
        • Anmeldung zur Ernährungsberatung bezüglich glutenfreier Ernährung
     2. Empfehlung der Mitgliedschaft bei der IG Zöliakie
         • Neudiagnostizierten-Seminare, relevante Informationen über glutenfreie Ernährung,
             Krankheit und Management

     Empfehlungen für Abklärungsuntersuchungen bei Verdacht auf Zöliakie:
     1. Klinik
         • Anamnese inkl. Familienanamnese
         • Klinischer Status (inkl. BMI = body mass index)
     2. Labor
         Bestimmung der Zöliakie-spezifischen Antikörper inkl. totales IgA:
         • Anti-deaminiertes Gliadin AK IgA
         • Anti-Endomysium AK IgA (anti-EMA)
         • Anti-human-tissue-Transglutaminase AK IgA (anti-tTG)
         • Als Suchtest genügt in aller Regel die Bestimmung von anti-tTG-IgA Antikörper inkl. des totalen IgA. Bei IgA Man-
              gel: IgG-Antikörper bestimmen lassen und bei hochgradigem Verdacht auf Zöliakie immer Duodenalbiopsien.
         Hämatogramm inkl. Indices, Ferritin, ion. Ca, Albumin, Thrombinzeit, Folsäure, Vitamin B12, ALAT, AP, TSH Gastroskopie
         mit 6 Duodenalbiopsien (inkl. 1-2 Biopsien aus dem Bulbus Duodeni)

     3. Gastroskopie
     Gastroskopie mit 6 Duodenalbiopsien (inkl. 1-2 Biopsien aus dem Bulbus Duodeni)

     4. Osteodensitometrie
     Osteodensitometrie (DEXA): nur empfohlen, wenn:
     • „klassische Form“ der Zöliakie mit Malabsorptionszeichen vorliegt und/oder
     • weitere Osteoporose-Risikofaktoren (siehe Artikel Zöliakie und Osteoporose, S. 26) vorhanden sind und/oder
     • radiologische Zeichen der Osteoporose gesehen werden
     5. Abdomen-Ultrasonographie
     • Abdomen-Ultrasonographie (vor allem zum Ausschluss anderer Pathologien)
     6. Verdacht auf Gluten-Unverträglichkeit
     • Bei hochgradigem Verdacht auf Gluten-Unverträglichkeit, jedoch fehlenden Hinweisen für eine Zöliakie (negative
          Antikörper und unauffällige Dünndarmschleimhaut) sowie auch fehlenden Hinweisen für anderweitige relevante
          gastrointestinale Erkrankung: an mögliche Nicht-Zöliakie Glutensensitivität denken, welche ebenfalls eine gluten-
          freie Ernährung verlangt (siehe Artikel Dr. med. Geidel S. 17)

                  Wächst sich Zöliakie aus? Dr. med. C. Oneta

      Es wird immer wieder über Heilungen von Zöliakiebetroffenen         Verlauf auch eine flache Dünndarmschleimhaut nachweisbar.
      berichtet. Typischerweise geschieht dies bei jungen Erwachse-       Es gibt aber auch solche, bei denen die wiedergewonnene To-
      nen, bei denen die Diagnose der Zöliakie bereits im Kleinkindes-    leranz gegenüber Gluten Jahre oder sogar Jahrzehnte anhalten
      alter gestellt worden ist. Diese Personen berichten gelegentlich,   kann. Symptomfreiheit bedeutet aber nicht zwangsläufig, frei
      dass sie sich nach jahrelanger glutenfreier Ernährung problem-      sein von Zöliakie. Solche Personen können sich in falscher Si-
      los und ohne Beschwerden wieder glutenhaltig ernähren kön-          cherheit wiegen, weil bekanntlicherweise unbemerkt erneute
      nen. Sie seien von der Zöliakie geheilt! Diese Annahme ist aber     Dünndarmschleimhautschäden mit Folgeerscheinungen wie
      leider ein Trugschluss. Die vermeintlich Geheilten befinden sich    z.B. ein Eisenmangel, eine Osteoporose oder anderes entstehen
      lediglich in einem Toleranzstadium, während dessen das wie-         können. Aufgrund unseres heutigen Wissens gilt: „Einmal Zöli-
      dereingenommene Gluten vom Immunsystem des Darmes vor-              akie, immer Zöliakie“. Sollte sich ein Zöliakiebetroffener trotz
      übergehend toleriert wird. Sie entwickeln früher oder später er-    Information über die möglichen Gefahren einer Wiedereinfüh-
      neut eine Zöliakie mit Symptomen und Mangelerscheinungen.           rung glutenhaltiger Speisen nicht davon abhalten lassen, so
      In der Regel sind bei diesen nach Wochen bis wenigen Monaten        sollte er regelmässig ärztlich kontrolliert werden, um ein Wie-
      wieder positive Zöliakie-spezifische Antikörper und im weiteren     deraufflackern der Erkrankung rechtzeitig zu entdecken.

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Empfehlungen für Nachkontrollen bei Erwachsenen mit Zöliakie:
Bei unkomplizierten Fällen (mit gutem Ansprechen auf glutenfreie Ernährung):
Im 1. Jahr nach der Diagnosestellung:
nach (3), 6 und 12 Monaten
1. Klinik
   • v.a. Anamnese und BMI-Verlauf
2. Besprechung der glutenfreien Ernährung
   • Ernährungsberatung?
3. Labor
nur von Parametern, die zum Zeitpunkt der Zöliakie-Diagnosestellung pathologisch waren:
    • Verlauf der Zöliakie-spezifischen AK (frühestens nach 6 Monaten)
    • Hämatogramm inkl. Indices, Ferritin, ion. Ca, Albumin, Thrombinzeit, Folsäure, Vitamin B12, ALAT, AP: generell
        nach 12 Monaten:
    • Schilddrüsenfunktion (TSH): bei suspekter Klinik
4. Gastroskopie mit Duodenalbiopsien
nach 12 bis 18 Monaten Aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz kann die generelle Durchführung einer Ver-
laufsgastroskopie nach 12 Monaten nicht empfohlen werden! Die Notwendigkeit sollte individuell erwogen werden:
    • Ja, bei Antikörper-negativer Zöliakie (z.B. IgA-Mangel)
    • Ja, bei Patienten mit nicht klarem klinischem Ansprechen auf glutenfreie Ernährung und/oder fehlender Antikör-
         per-Antwort auf glutenfreie Ernährung trotz durch die Ernährungsberatung bestätigter, korrekt durchgeführter
         glutenfreier Ernährung
    • Ja, bei Wunsch des Patienten
5. Erneute Ernährungsberatung bei Bedarf

Im 2. Jahr der Diagnosestellung:
individuell, je nach Befinden (lebenslang)
1. Klinik
   • v.a. Anamnese und BMI-Verlauf
2. Besprechung der Diät
   • Ernährungsberatung?
   • Mitgliedschaft IGZ?

3. Labor
    • Verlauf der Zöliakie-spezifischen AK: lediglich Bestimmung der initial erhöhten AK
    • Hämatogramm inkl. Indices, Ferritin,
    • Nur wenn zum Zeitpunkt der Zöliakie-Diagnose pathologisch, oder bei neuer spezifischer Fragestellung: ion. Ca,
        Albumin, Thrombinzeit, EC-Folsäure, Vitamin B12, ALAT, AP
   •    Schilddrüsenfunktion (TSH): bei suspekter Klinik

4. Osteodensitometrie (DEXA)
   • Ja, wenn zum Zeitpunkt der Zöliakiediagnose eine Osteopenie/-porose bestanden hat: nach 2 Jahren
   • Ja bei Persistenz einer Dünndarmentzündung trotz glutenfreier Ernährung (wenn Voruntersuchung vorhanden,
        frühestens nach 2 Jahren)
   •    Ja, bei nicht strikter Einhaltung der glutenfreien Ernährung (wenn Voruntersuchung vorhanden, frühestens nach
        2 Jahren)

  Osteoporose-Risikofaktoren:
  siehe dazu Zöliakie und Osteoporose S. 27-29

                                                                                                                        15
KINDER                                                                                              Sonderausgabe

                     Bei komplizierteren Fällen

           (anhaltenden oder rezidiverenden Beschwerden trotz glutenfreier Diät):

           1. Betreuung durch Gastroenterologen (Reevaluation der Diagnose)

           2. Ernährungsberatung (Ernährungsfehler?)
              Indikationen für eine Ernährungsberatung im Rahmen der Nachkontrollen:

           •     Wenn bei Verlaufskontrollen positive Antikörper oder Beschwerden vorliegen (Überprüfung der korrekten
                 glutenfreien Ernährung)
           •     Bei geplanter Schwangerschaft oder in der Schwangerschaft
           •     Bei zusätzlichen Erkrankungen, die einer spezifischen Ernährung bedürfen (z.B. Diabetes mellitus, Adipositas,
                 Obstipation u.a.m.)

     Zöliakie bei Kindern und Jugendlichen
     Dr. med. Johannes Spalinger, Dr. med. Susanne   alle anderen berichteten über nor-       Abklärung - Bestätigung
     Schibli, Pädiatrische Gastroenterologie         male Stuhlgewohnheiten, teilweise        der Zöliakie
     Kinderspital Luzern und Medizinische            sogar über Verstopfung. Ungefähr         Das Vorgehen zur Sicherung der Dia-
     Universitätskinderkliniken Bern                 jedes dritte Kind hat bei der Diagno-    gnose Zöliakie hat sich in den letzen
     Zöliakie ist eine der häufigsten nich-          sestellung Zöliakie überhaupt keine      Jahren stark gewandelt. Während vor
     tinfektiösen Darmerkrankungen bei               Verdauungsbeschwerden         (Bauch-    20 Jahren noch 2 und mehr Magen-
     Kindern und Jugendlichen. „Kleinkind            schmerzen,       Stuhlveränderungen,     spiegelung mit Dünndarmbiopsien
     mit ausladendem Bauch, Durchfall,               Übelkeit, Blähungen). Auch das Alter     notwendig waren, erlauben die heu-
     schlechtem Gedeihen und Missmu-                 der Kinder zum Zeitpunkt der Diag-       tigen Blutuntersuchungen, die Zahl
     tigkeit“ – so lautete die klassische            nose Zöliakie hat sich verändert. War    der Dünndarmbiopsien zu reduzieren.
     Beschreibung des Krankheitsbildes               es früher eine Diagnose des Kleinkin-
     Zöliakie, und so präsentierten sich die         des, so zeigen verschiedene Studien,     Ärztliche Kontrollen
     Patienten mit Zöliakie vor 30 Jahren.           dass die Symptome immer häufiger         Um frühzeitig versteckte Diätfehler zu
     Trifft dies heute noch zu? Selten, zeigt        erst im Kindergarten- oder Schulalter    erkennen, Abweichungen von Wachs-
     unsere Erfahrung. Obwohl diese Sym-             auftreten und bei einer grossen An-      tum und Gewicht zu sehen und die
     ptome immer noch gefunden werden,               zahl die Zöliakie erst in der Jugend     Betroffenen über allfällige neue me-
     wird eine Zöliakie heute oft aufgrund           oder beim Erwachsenen gestellt wird.     dizinische Erkenntnisse zu informie-
     subtiler und weniger augenfälliger                                                       ren, sehen wir die betroffenen Kinder
     Symptome vermutet und mit Hilfe                 Diagnose                                 in unseren Spezialsprechstunden im
     von Blutuntersuchungen gesucht.                 Die Diagnose „Zöliakie“ führt zu gros-   Abstand von 1-2 Jahre. Insbesonde-
                                                     sen Verunsicherungen und Ängsten in      re im Jugendalter hat sich gezeigt,
     Symptome                                        der ganzen Familie. Fragen tauchen       dass regelmässige ärztliche Kontrol-
     Die meisten der betroffenen Kinder ha-          auf wie: „Was darf das Kind über-        len und Gespräche die Einsicht einer
     ben nur wenige oder gar keine Krank-            haupt noch essen, was passiert wenn      lebenslänglich notwendigen, glu-
     heitszeichen. Häufig erfolgt die Abklä-         doch mal „Verbotenes“ genascht wird      tenfreien Diät günstig beeinflussen.
     rung auf der Suche einer Zöliakie z.B.          oder die Jugendlichen sich nicht an
     aufgrund einer leichten Blutarmut als           die Ernährungsempfehlungen hal-          Prävention
     Folge eines Eisenmangels oder einer             ten?“ Unsere Erfahrungen zeigen,         Da die Zöliakie bekanntlich familiär
     vermehrten Müdigkeit. Kinder fallen             dass sich die Kinder meist sehr rasch    gehäuft vorkommt, werden wir oft
     auf, weil sie nicht altersentsprechend          an die neue Situation gewöhnen,          nach Präventionsmöglichkeiten ge-
     wachsen oder zuwenig an Gewicht                 die Nahrungsumstellung gut be-           fragt: Es gibt keine Möglichkeiten, die
     zunehmen. Nur knapp die Hälfte der              wältigen und sich ihr Zustand inner-     Entstehung einer Zöliakie zu verhin-
     Kinder haben wiederholt Durchfälle,             halb kurzer Zeit deutlich verbessert.    dern. Allerdings scheint, dass Stillen

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einen gewissen Schutz bietet. Wir
empfehlen den Müttern nach Mög-                       Symptome bei Diagnose Zöliakie im Kindesalter
lichkeit zu stillen und die getreide-
haltige Beikost einzuführen, solange
das Kind noch gestillt wird (zwischen         In einer Analyse der Daten von 125 Kindern, die zwischen 2003 und
Beginn 5. – und Ende 6. Lebensmonat)          2006 in den Kinderspitälern Bern und Luzern wegen Zöliakieverdacht
(siehe dazu Beitrag von Dr. med. Hösli,       abgeklärt wurden, konnte der im Text erwähnte Trend bestätigt wer-
Schwangerschaft und Stillzeit bei Zöli-       den, dass sich die Symptome im Wandel der Zeit verändert haben: Die
akie, S. 32).                                 meisten Kinder waren bei Diagnosestellung älter als 2 Jahre (im Durch-
                                              schnitt 6 ½ Jahre), und sie zeigten oft wenige oder untypische Sympto-
Häufigkeit                                    me (s. Tabelle)
Nimmt die Zahl der betroffenen Kin-
der und Erwachsenen zu? Diese Fra-
                                               Blutarmut / Eisenmangel                           70%
ge kann nicht eindeutig beantwortet
werden. Folgende Aspekte gilt es aber
                                               Gedeih-/ Wachstumsstörung                         53%
zu beachten:
Zunahme Autoimmunkrankheiten:
                                               Durchfall                                         45%
die Zahl der Autoimmunkrankheiten
hat in den letzten Jahren deutlich             Bauchschmerzen                                    37%
zugenommen. Die Zöliakie gehört in
die Gruppe dieser Autoimmunkrank-              Geblähter Bauch                                   17%
heiten.
Fortschritte in der Diagnostik: Wäh-           Verstopfung                                        8%
rend die Untersuchung einer Geweb-
sprobe (Biopsie) aus dem Dünndarm              überhaupt keine Beschwerden                        8%
der Goldstandard zur Diagnosesi-
cherung einer Zöliakie ist, gibt es
zuverlässige Testmethoden im Blut,        Fazit                                    betreffen. Die Diagnose Zöliakie be-
die starke Hinweise für das Vorlie-       Die Zöliakie ist eine der häufigsten     deutet für die betroffenen Kinder und
gen einer Zöliakie liefern. So ist es     chronischen Erkrankungen des Ma-         ihre Familien zu Beginn eine grosse
möglich, bereits bei sehr geringem        gen-Darm-Traktes im Kindesalter. Die     Verunsicherung und Belastung. Innert
Zöliakieverdacht, mit einem Blut-         Symptome sind bei den betroffenen        weniger Wochen verbessert sich der
test nach einer Zöliakie zu suchen.       Kindern sehr unterschiedlich und         Zustand des Kindes und der Umgang
                                          können verschiedene Organsysteme         mit den neuen Ernährungsempfeh-
                                                                                   lungen wird zum Alltag.
                                                                                   Unsere Erfahrungen zeigen, dass die
                                                                                   betroffenen Kinder und ihre Familien
                                                                                   mit grosser Motivation und Sorgfalt
                                                                                   die Ernährungsempfehlungen umset-
                                                                                   zen. Dies bestätigt sich bei den regel-
                                                                                   mässigen ärztlichen Untersuchungen,
                                                                                   wo Wachstum, Gewichtszunahme
                                                                                   und die Laboruntersuchungen bei der
                                                                                   Mehrzahl der Kinder normal sind. Mit
                                                                                   einer konsequenten Einhaltung der
                                                                                   glutenfreien Diät in der Kindheit wird
                                                                                   der Grundstein für eine gute Akzep-
                                                                                   tanz im späteren Leben gelegt.

                                                                                      Hinweis:
                                                                                      Auf Angebot der Zölikids und
                                                                                      Zöliakiejugend

                                                                                                                             17
NICHT ZÖLIAKIE                                                                                        Sonderausgabe

     Nicht-Zöliakie Glutensensitivität
     Dr. med. Ch. Geidel, Wetzlar (D)                 werden können. Kreuzreaktionen           Sensibilisierung sollten keine Allergie-
     In den letzten Jahren wurden immer               der Gluten-Antikörper mit Hirnzellen     hinweise in Form von IgE- Antikörpern
     mehr Menschen identifiziert, die trotz           (Purkinje-Fasern) scheinen bei der       gegenüber Weizen/Gluten vorhanden
     negativer Autoimmun- und Aller-                  Gluten-Ataxie zur Schädigung des         sein und ein Prick-Test (am besten mit
     gie-Diagnostik – also keine Kriterien            Kleinhirns zu führen und die meist im    nativen Allergenen) negativ sein.
     einer Zöliakie aufweisen – von einer             höheren Lebensalter Betroffenen zei-
     glutenfreien Diät profitieren.                   gen vorwiegend eine Gangunsicher-        Ca. 50 Prozent der N-ZGS-Betroffe-
     Zuletzt wird zur besseren Untertei-              heit.                                    nen zeigen Zell-Oberflächenmarker,
     lung nun meist die Bezeichnung                                                            die sonst auch bei den meisten Zöli-
     Nicht-Zöliakie              Glutensensitivität   Die N-ZGS-betroffenen Menschen           akie-Patienten identifiziert werden
     (nachstehend mit N-ZGS) verwendet.               reagieren Stunden bis Tage nach          (HLA-DQ2/HLA-DQ8). Hier kann also
     Im Gegensatz zur Zöliakie und                    der Aufnahme von glutenhaltigen          eine diagnostische Rest-Unsicherheit
     zur Weizen-Allergie, wo u.a. eine                Speisen oder Getränken mit Zölia-        bleiben. Natürlich müssen zuvor auch
     T-Zell-Aktivierung in der gastrointesti-         kie-ähnlichen Symptomen im Magen-        weitere Erkrankungen wie Diabetes
     nalen Schleimhaut stattfindet, scheint           Darm-Trakt – typischerweise ohne         mellitus, Chronisch entzündliche Dar-
     bei der N-ZGS primär das angebore-               Schädigungen des Dünndarmes, aber        merkrankungen und eine Helicobac-
     ne Immunsystem aktiviert zu werden               auch häufig mit Symptomen ausser-        ter pylori-Infektion ausgeschlossen
     und die Darm-Integrität bleibt im                halb des Magen-Darm-Traktes wie Ver-     werden. Bleibt der Verdacht auf eine
     Gegensatz zur Zöliakie eher unbe-                haltensänderungen, Knochen- oder         N-ZGS, sollte zunächst eine gluten-
     einträchtigt (1 ),das heisst die es fin-         Gelenkschmerzen, Muskelkrämpfen,         freie Diät eingehalten werden. Sind
     den sich keine Veränderungen in der              Gefühlsstörungen der Beine, Ge-          die Symptome hierunter innerhalb
     Darmschleimhaut.                                 wichtsverlust und chronischer Müdig-     einiger Tage rückläufig, sollte im An-
     Eine Expertengruppe hat 2012 ein                 keit. Bei den im Zöliakie-Zentrum der    schluss eine Provokation erfolgen,
     Konsensus-Papier erstellt (2) und                Universität Maryland zwischen 2004       welche doppelblind – weder Unter-
     schlägt die Unterteilung der Glu-                und 2010 vorgestellten 347 Patienten     sucher noch Patienten wissen, wann
     ten-abhängigen Erkrankungen nach                 mit Hinweisen auf eine N-ZGS zeigten     Gluten gegeben wird – durchgeführt
     den drei Hauptursachen der Sympto-               sich bei 68 % der Betroffenen Bauch-     werden sollte und bei Wiederbeginn
     me vor:                                          schmerzen, bei 40 % Ekzeme oder          der Symptome den Verdacht erhärtet.
                                                      Ausschlag, bei 35 % Kopfschmerzen,
     •    Autoimmun bedingte Erkrankun-               bei 34 % Konzentrationsstörungen,        Die Therapie der N-ZGS erfolgt durch
          gen: Zöliakie, Gluten-Ataxie, Der-          bei je 33 % Müdigkeit und Durchfälle,    eine glutenfreie Ernährung – wie lan-
          matitis herpetiformis Duhring               bei 22 Prozent Depression, bei je 20     ge diese erfolgen muss, ist derzeit
     •    Allergisch bedingte Erkrankun-              Prozent Blutarmut, Taubheit in Beinen,   noch nicht eindeutig geklärt – am
          gen:      Nahrungsmittelallergie,           Armen oder Fingern und bei 11 Pro-       ehesten lebenslang, aber wahrschein-
          Weizen-abhängige belastungsin-              zent Gelenkschmerzen. Die Diagnose       lich nicht so strikt, wie bei Zöliakie. Um
          dizierte Anaphylaxie, Bäcker-Ast-           der N-ZGS ist vorwiegend eine Aus-       dies, den Verlauf und mögliche Fol-
          hma, Kontakt-Allergie                       schlussdiagnose – derzeit gibt es kei-   geerkrankungen mit und ohne Diät
     •    Nicht-autoimmun/nicht-aller-                ne spezifischen Tests, vielmehr muss     bei N-ZGS besser abschätzen zu kön-
          gisch bedingte Erkrankungen:                zunächst eine Zöliakie und eine Wei-     nen, sind weitere Studien erforderlich.
          Nicht-Zöliakie Glutensensitivität           zen-Allergie ausgeschlossen werden.
                                                      Dies bedeutet, dass zum Ausschluss       Referenzen:
     Die variable Magen-Darm-Sympto-                  einer Zöliakie keine Anti-deaminiertes   (1) Sapone et al. BMC Medicine 2011 9:23
     matik der Zöliakie muss hier nicht               Gliadin IgA Antikörper, keine Anti-En-   (2) Sapone et al. BMC Medicine 2012 10:13
     nochmals beschrieben werden (siehe               domysium IgA Antikörper (anti-EMA)
     dazu Beitrag von Dr. med. Patscheider,           und keine Anti-human-tissue-Transg-
     Zöliakie – ein lebenslanger Zustand,             lutaminase IgA (anti-tTG) Antikörper
     S. 6). Bei der Dermatitis herpetiformis          nachweisbar sein sollten. Ein mögli-
     Duhring – der Haut-Manifestation der             cher IgA-Mangel muss dabei ebenso
     Zöliakie – kommt es zu einem Aus-                bedacht werden. Bei unklaren Anti-
     schlag mit Bläschen, wobei neben                 körperbefunden muss zudem eine
     den Zöliakie-Serum-Markern IgA-Ab-               Dünndarm-Biopsie erwogen werden.
     lagerungen in der Haut festgestellt              Zum Ausschluss einer allergischen

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