Die Heidelberger Umstrukturierungsskala - Ein Modell der Veränderung in psychoanalytischen Therapien und seine Operationalisierung in einer ...

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Psychotherapeut
2000 · 45:237–246 © Springer-Verlag 2000        Originalien
                                                Gerd Rudolf · Tilman Grande · Claudia Oberbracht

                                                Die Heidelberger
                                                Umstrukturierungsskala
                                                Ein Modell der Veränderung
                                                in psychoanalytischen Therapien und seine
                                                Operationalisierung in einer Schätzskala

Zusammenfassung                                 D   ie Psychotherapeuten aller Schul-
                                                richtungen haben die evidente Erfah-
                                                                                              on eigener Entwertungstendenzen ver-
                                                                                              standen und therapeutisch in der Über-
Im Rahmen des Projekts „Praxisstudie ana-       rung, dass sie mit ihrem jeweiligen Ver-      tragungsbeziehung aufgegriffen wer-
lytische Langzeittherapie“ wurde von der        fahren Patienten bei der Bewältigung          den. Die Prozessmodelle der therapeu-
Heidelberger Arbeitsgruppe ein Instrument       und Umstrukturierung problemati-              tischen Umstrukturierung sind in bei-
entwickelt, welches dazu dient, im Verlauf      scher Lebenssituationen und beim Ab-          den Fällen sehr verschieden, auch wenn
von analytischen Psychotherapien die Stufen     bau von Beschwerden und Beeinträch-           sie, jedenfalls auf der Basis bisheriger
der Umstrukturierung der Patientenpersön-       tigungen wirksam unterstützen kön-            Untersuchungsmethoden, zu ähnlichen
lichkeit zu erfassen.Das Instrument ist im      nen. Die Feststellung der Psychothera-        Veränderungen führen. Sie sind unmit-
formalen Aufbau angelehnt an die Skala          pieforschung, dass dabei ganz unter-          telbar abhängig von den theoretisch
APES von Stiles (1992); abweichend davon        schiedliche Therapieansätze zu ähnli-         fundierten Grundannahmen über die
sind die Entwicklungsstufen der Verände-        chen Besserungsquoten führen, hat das         Persönlichkeit, ihrem Funktionieren,
rung nicht auf allgemeine Problemaneig-         wissenschaftliche Interesse auf die Frage     ihrer Beziehungsgestaltung, ihren Stö-
nung, sondern auf ein spezifisch psychoana-     gelenkt, wie die spezifischen Prozess-        rungen etc.
lytisches Prozessmodell bezogen.Die Skala       entwicklungen in den einzelnen thera-              Im Bereich der Psychoanalyse und
und das in ihr eingearbeitete Prozessmodell     peutischen Ansätzen zu verstehen sind,        der psychoanalytisch fundierten The-
wird dargestellt und theoretisch begründet;     und welches ihre wichtigsten Wirkfak-         rapien, für deren Beforschung wir uns
ferner werden die Ergebnisse einer Reliabili-   toren sind. Eine große Schwierigkeit für      engagieren, wurde in deren rund 100-
tätsuntersuchung und erste Erfahrungen bei      die Forschung liegt darin begründet,          jähriger Geschichte ein konsistentes
ihrer Anwendung im Rahmen stationärer           dass sich Symptombesserungen ver-             Modell der Störung und Therapie ent-
Psychotherapien und psychoanalytischer          gleichsweise einfach verhaltensnah            wickelt, bzw. man kann aus der Fülle
Langzeittherapien dargestellt.Es wird her-      operationalisieren und dadurch be-            der mitgeteilten Differenzierungen und
vorgehoben, dass es sich nicht nur um ein       schreiben und gewichten lassen, wäh-          Modifizierungen ein solches Kernmo-
Forschungsinstrument handelt, sondern           rend Prozesse der therapeutischen Ent-        dell extrahieren; wir kennzeichnen es
auch um ein praxisnahes Werkzeug zur            wicklung und der Umstrukturierung             wegen der größeren Breite nicht als
Planung und Evaluation psychodynamischer        der Persönlichkeit nur im Rahmen von          psychoanalytisch, sondern als „psycho-
Behandlungen und somit um einen Beitrag         Modellen – der Persönlichkeit, der Stö-       dynamisch“. Trotz der großen Verbrei-
zur Qualitätssicherung in diesem Bereich.       rung, der Therapie – beschreibbar sind.       tung psychodynamischer Therapien –
                                                Die habituelle Angst eines Patienten,         in Form von Psychoanalysen, analy-
Schlüsselwörter                                 abgelehnt zu werden, kann in einem ko-        tisch fundierten Psychotherapien, sta-
                                                gnitiven Störungsmodell als Ausdruck          tionär integrierten Psychotherapien,
Umstrukturierungsskala · Psychoanalytische      einer falschen, d. h. dysfunktionalen         Paar- und Familientherapien etc. –
Langzeittherapie · Prozessmodell                Kognition erklärt und verhaltensthera-        stieß ihre empirische Erforschung bis-
psychoanalytische Therapie ·                    peutisch durch aktives Stoppen der ne-        her auf große Schwierigkeiten. Die
Forschungsinstrument · Qualitätssicherung       gativen Gedanken und Training von             Gründe dafür sind vielfältig:
                                                positiven Selbstüberzeugungen bear-
                                                beitet werden. In einem psychoanalyti-             Prof. Dr. Gerd Rudolf
                                                schen Modell könnte der gleiche Vor-               Universitätsklinikum Heidelberg,
                                                gang z. B. als Identifizierung mit einem           Psychosomatische Klinik,Thibautstraße 2,
                                                ablehnenden Objekt oder als Projekti-              69115 Heidelberg& y
                                                                                                                     d
                                                                                                                     &
                                                                                                                     :
                                                                                                                     k
                                                                                                                     c
                                                                                                                     o
                                                                                                                     l
                                                                                                                     b
                                                                                                                     -
                                                                                                                     n
                                                                                                                     f
                                                                                                                     /

                                                                                                                         Psychotherapeut 4·2000   | 237
Psychotherapeut
    2000 · 45:237–246 © Springer-Verlag 2000           Originalien
    G.Rudolf · T.Grande · C.Oberbracht                 ●   Psychodynamische Therapien wer-          pien ein Instrument zu entwickeln, wel-
                                                           den nicht in wissenschaftlichen Insti-   ches geeignet ist, die schrittweise thera-
    The Heidelberg restructuring scale.                    tutionen, sondern bevorzugt in der       peutische Veränderung des auffälligen
    A model of changes in psychoanalytic                   Praxis durchgeführt, die für die For-    Eingangsbefunds zu erfassen. So ent-
    therapies and its operationalization on                schung schwer zugänglich ist.            stand die Heidelberger Umstrukturie-
    an estimating scale                                ●   Psychodynamische Therapien sind          rungsskala, die in ihrem formalen Auf-
                                                           wegen ihres dichten Beziehungsgefü-      bau an die Skala APES von Stiles et al.
    Summary                                                ges von Übertragung und Gegen-           (1992) angelehnt ist. Die Skala APES ba-
                                                           übertragung störanfällig für For-        siert auf Studien zu den kognitiven und
    As a part of a project for „Practical studies          schungsinterventionen Dritter (For-      emotionalen Markern, welche die effek-
    about long-term psychoanalytic therapies“              scher, Videokamera, Tonbandgerät,        tive therapeutische Arbeit des Patien-
    an instrument was developed of the Heidel-             Fragebögen).                             ten in einzelnen Therapiesitzungen
    berg Group for measuring the stages of re-         ●   Psychodynamische Therapien wer-          kennzeichnen (z. B. Elliot 1985). Die Au-
    structuring of the patient’s personality in the        den stark individualisiert geführt       toren entwickelten eine Sequenz von
    course of analytic therapies.The instrument            (über verschiedene Zeiträume, mit        therapeutischen Schritten, welche das
    relies in its formal structure on the APES-            unterschiedlicher Stundenfrequenz,       zunehmende Gewahrwerden, Verste-
    Scale of Stiles (1992).In our scale, however,          mit individuell auf den Patienten zu-    hen, Bearbeiten, Lösen und Meistern
    the stages of development not to the gene-             geschnittenen Interventionen und         von Problemen beschreibt (Field et al.
    ral requirement of problems, but rather to an          individuellen Erklärungsansätzen des     1994; Stiles et al. 1992, 1995) und kenn-
    specific model of the psychoanalytic process.          Therapeuten).                            zeichnen diesen Vorgang in Anlehnung
    The scale and the included model are pre-          ●   Es gibt unter Psychoanalytikern kei-     an Piaget als Assimilation. Dieses allge-
    sented and theoretically founded.Further-              nen theoretischen Konsens darüber,       meine, kognitiv akzentuierte Schema
    more, results of the reliability and first expe-       wie die Umstrukturierung der Per-        der therapeutischen Veränderung ha-
    riences with application in in-patient thera-          sönlichkeit aus psychoanalytischer       ben wir auf das psychodynamische
    pies are described.It should be emphasized             Sicht erforscht werden soll. Dazu Kat-   Therapiemodell übertragen, wo die
    that our scale is not only an instrument of            ryn De Witt (1997) „This lack of theo-   Vorgänge der Abwehr, der Beziehungs-
    research, but also a of practice for planing           retical consensus due to varying lev-    gestaltung, der Übertragungsentwick-
    and evaluating of psychodynamic                        els of abstraction and unclear relati-   lung, der Internalisierung die wesentli-
    treatments and therefore a contribution to             onship between constructs and ob-        chen Bezugspunkte bilden. Im Folgen-
    quality assurance in this field.                       servable behaviour has empeded the       den geben wir eine theoretische Be-
                                                           development of any general accepted      gründung der Skala, indem wir zu-
    Key words                                              measurement approach.“                   nächst das psychodynamische Modell
                                                                                                    der Störung und sodann das psychody-
    Personality restructuring scale · Long-term        Einen ersten Schritt zur Behebung die-       namische Modell der Therapie rekapi-
    psychoanalytic therapy · Process model of          ses Mangels stellt in Deutschland die        tulieren.
    psychoanalytic therapy · Instrument for            Entwicklung des Systems „Operationa-
    research and practice                              lisierte Psychodynamische Diagnostik“          Theoretische Begründung
                                                       OPD dar (Arbeitsgruppe OPD 1998). Im           der Skala aus dem
                                                       Rahmen dieser Entwicklung haben eine           psychodynamischen Modell
                                                       Anzahl von psychodynamisch orien-              der Störung und der Therapie
                                                       tierten Therapeuten und Forschern ei-
                                                       nen Konsensus über die psychodyna-             Das psychodynamische
                                                       mische Beschreibung von Störungen              Störungsmodell
                                                       herbeigeführt. In einer Reihe von Stu-
                                                       dien hat sich das Instrument als kli-          Disposition zur Störung
                                                       nisch valide und in der Handhabung als
                                                       reliabel erwiesen (Freyberger et al.         Ausgangspunkt der Überlegungen zum
                                                       1996; Rudolf et al. 1996). Bei der Anwen-    psychodynamischen Verständnis ge-
                                                       dung der OPD zur Veränderungsmes-            störter Persönlichkeitsentwicklung bil-
                                                       sung (Grande et al., im Druck) hat sich      det das Konzept der beeinträchtigten,
                                                       jedoch ähnliche wie in Studien zum           entwicklungspsychologisch frühen Rei-
                                                       Zentralen Beziehungskonflikt (Lubor-         fungsschritte des Kindes unter dem
                                                       sky u. Kächele 1988) gezeigt, dass dieses    Einfluss von familiären Belastungen,
                                                       Instrument aufgrund seiner primär            Defiziten oder Traumatisierungen. Der
                                                       diagnostischen Orientierung viele zeit-      Zusammenhang zwischen Belastungen
                                                       stabile Züge erfaßt und feinere thera-       in der Kindheit und Erkrankungsbe-
                                                       piebedingte Veränderungen nur einge-         reitschaft im Erwachsenenalter wurde
                                                       schränkt abbilden kann. Unser Anlie-         viel diskutiert, er darf insgesamt als
                                                       gen war es daher, für Prozess-Outcome-       empirisch belegt gelten (Rudolf et al.
                                                       studien im Bereich analytischer Thera-       1997).

238 |   Psychotherapeut 4·2000
Aus problematischen lebensge-           Persönlichkeit – kann unter zusätzlich       Das psychodynamische
schichtlichen Erfahrungen eines Men-         belastenden Lebensveränderungen oder         Therapiemodell
schen resultieren Dispositionen, die         Entwicklungsaufgaben an die Grenzen
sich auf mehreren Ebenen beschreiben         ihrer Regulationsfähigkeit nach innen        Entstehung der
lassen:                                      und ihrer adaptiven Möglichkeiten            Übertragungsbeziehung
                                             nach aussen gelangen. Als Notlösungen
●   Mangel an positiven Beziehungser-        oder vorläufige Bewältigungsversuche       Der Patient, der für eine Veränderung
    fahrungen,                               für die intrapsychischen und zwischen-     seiner Situation motiviert ist, und der
●   Übermass an negativen emotionalen        menschlichen Spannungen entwickeln         seine Wahl für einen Therapeuten und
    Eindrücken,                              sich krankheitswertige Erlebens- und       seine Entscheidung für eine Therapie in
●   Internalisierung negativer Bezie-        Verhaltensweisen, d. h .Symptome wie       einer Reihe von diagnostischen Gesprä-
    hungsmuster,                             z. B. Angstzustände, Essanfälle, Ver-      chen getroffen hat, gelangt nun in eine
●   Verdrängung von basalen Bedürfnis-       stimmungen, körperliche Schmerzen.         Situation, die insbesondere durch ihre
    sen und Wünschen,                        Unter der Symptombildung entsteht ein      Asymmetrie charakterisiert ist. Auf der
●   Defizitäre Entwicklung von struktu-      neues Gleichgewicht nach innen (pri-       einen Seite steht der auf Rat, Unterstüt-
    rell verankerten Funktionen (z. B. In-   märer Krankheitsgewinn) und nach           zung und Hilfe hoffende Patient, der be-
    ternalisierung),                         aussen (sekundärer Krankheitsgewinn)       müht ist, seine Sicht der Dinge überzeu-
●   Mangelnde Fähigkeit zur Lösung von       bei gleichzeitiger Zunahme des subjekti-   gend darzustellen.Auf der anderen Seite
    Konflikten,                              ven Krankheitsgefühls angesichts von       steht ein Therapeut, der eine eher rezep-
●   Vielfältige Formen der Abwehr und        eingeschränkter Lebensqualität.            tiv entgegennehmende und zugleich
    Bewältigung dieser Konflikte und                                                    nicht bewertende, gleichmäßig akzep-
    Strukturdefizite,                          Leidensdruck und Therapiemotivation      tierende Haltung einnimmt. Der Patient
                                                                                        kommt mit seinem Anliegen in eine aus
Die so entstandenen Dispositionen            Die Intensität der dysfunktionellen        seiner Sicht weitgehend unstrukturierte
hindern den Patienten daran, notwen-         Muster und der erlebten Beschwerden        Situation, in welcher er am ehesten die
dige Entwicklungsschritte in seinem          wecken beim Patienten den Wunsch           Aufmerksamkeit und das Interesse des
Leben zu vollziehen und die für die Be-      nach Veränderung. Die erlebte Unfähig-     Therapeuten für seine Person, sein Le-
wältigung des Lebensalltags erforderli-      keit, die Störung aus eigener Kraft oder   ben und seine Schwierigkeiten wahr-
chen Kompetenzen in vollem Umfang            mit Unterstützung von Angehörigen          nimmt, während er konkrete Hand-
zu erwerben. Zuweilen haben diese Ab-        und Freunden zu überwinden, führt          lungsanweisungen, Ratschläge eher ver-
wehr- und bewältigungsbedingten Ein-         letztlich dazu, dass der Patient sich an   mißt. Gerade diese Offenheit der wenig
schränkungen ihrerseits bereits Krank-       professionelle Helfer (Psychotherapeu-     strukturierten Situation ist entschei-
heitswert, häufig bleibt die Auffälligkeit   ten) wendet, um mit ihrer Hilfe eine       dend für die weitere Entwicklung. Sie
im subklinischen Bereich. Aktuelle           Veränderung der Situation zu errei-        eröffnet dem Patienten die Möglichkeit,
Darstellungen der Krankheitslehre fin-       chen. Die Motivation zu dieser Kontakt-    diese neue Beziehung nach den für ihn
den sich z. B. bei Rudolf (2000) und         aufnahme kann u. U. über lange Zeit        bisher gültigen (unbewussten) Regeln
Krause (1998). Von zentralem Interesse       heranreifen. Ein nicht geringer Teil der   zu gestalten. Er gerät dabei zwangsläufig
in der psychodynamischen Forschung           Patienten sucht nicht irgend eine Hilfe,   in einen Widerspruch: Die pathogenen
ist die aus der oben beschriebenen psy-      sondern entwickelt spezifische Vorstel-    Überzeugungen und zentralen Bezie-
chodynamischen Konstellation abgelei-        lungen von der Art der notwendigen         hungskonflikte legen es ihm nahe, die
tete Beziehungsbereitschaft bzw. Über-       therapeutischen Veränderung und von        neue Beziehungssituation negativ aus-
tragungsbereitschaft. In elaborierten        der Persönlichkeit der Therapeutin         zulegen (z.B. zu antizipieren, dass er ab-
Verfahren wird sie als „zyklisch malad-      oder des Therapeuten. Es sind daher        gelehnt, ausgenutzt, entwertet, verurteilt
aptives Muster“ (Schacht et al. 1984,        eher die Patienten, die sich ihre Thera-   etc. wird). Gleichzeitig mobilisiert die
1994), als zentraler Beziehungskonflikt      peuten aussuchen als umgekehrt die         prinzipiell akzeptierende Haltung des
(Luborsky 1977), als pathogenogenic          Therapeuten, welche Indikationen zu        Therapeuten die Hoffnung auf eine Wi-
belief (Weiss et al. 1986) oder als dys-     Therapien stellen. Therapiemotivation      derlegung der pathogenen Überzeu-
funktionales Beziehungsmuster (Grande        ist keine konstante Grösse, sie variiert   gungen (die Hoffnung, dennoch akzep-
et al. 1997) analysiert. In allen diesen     im therapeutischen Prozess. In der An-     tiert zu werden, in den eigenen Einstel-
Ansätzen geht es darum, die Auswir-          fangsphase kann die Motivation von         lungen und Überzeugungen anerkannt
kungen eines unbewussten Konflikts           außen unterstützt sein, in der Mitte       zu werden, etc.). Dieses sind die beiden
und defizitärer Beziehungsrepräsen-          wird häufig ein bewusstes starkes Enga-    wichtigen Übertragungsaspekte: Die
tanzen auf die Regulation des Selbst         gement für die therapeutische Arbeit       Übertragung der negativen Erfahrun-
und v. a. auf das zwischenmenschliche        beobachtet; während der fortgeschrit-      gen, welche in dem Therapeuten ein un-
Verhalten zu erfassen.                       tenen Therapieentwicklung können die       erreichbares, ablehnendes, strafendes
                                             emotionalen Belastungen der Behand-        und verfolgendes Gegenüber vermutet;
    Der Ausbruch der Symptomatik             lung die Motivation infrage stellen; bei   die positive Übertragung, welche den
                                             Therapieende ist nicht selten wieder ein   Anderen als zugewandtes, verständnis-
Die erwachsene Persönlichkeit – aber         starkes Interesse an der gleichberech-     volles, akzeptierendes, idealisiertes Ge-
auch die jugendliche oder kindliche          tigten Zusammenarbeit gewachsen.           genüber erwartet.

                                                                                                             Psychotherapeut 4·2000   | 239
Originalien
         Ähnlich wie für die Motivation be-     anzuleiten und bezüglich ihrer Fortfüh-
    schrieben, durchläuft auch die Übertra-     rung zu ermutigen. Der Patient, der auf       Tabelle 1
    gung einen Veränderungsprozess im           diese Weise „arbeitet“, wendet seine Auf-     Stufen des therapeutischen
    Behandlungsverlauf. Anfänglich kön-         merksamkeit den nunmehr in der thera-         Prozesses
    nen hoffnungsvolle Idealisierung oder       peutischen Beziehung aktualisierten
    misstrauische Entwertung im Vorder-         zentralen Beziehungserfahrungen zu.           Aufbau der therapeutischen Beziehung
    grund stehen; im Mittelfeld erfolgt die     Dabei kommt es zu Produktionen des            ● Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung
    Zusammenarbeit häufig auf der Grund-        Psychischen in Form von Einfällen, Erin-
                                                                                              ● Aufbau der Therapiemotivation. Konsens-
                                                                                                findung für Therapieziele
    lage einer milden positiven Übertra-        nerungen, Phantasien, Bildern, Träu-          ● Unbewusste Konstellation der zentralen
    gung; in Langzeittherapien erfolgt bei      men. Gemeinsam mit dem Therapeuten              Beziehungserfahrung (Übertragungsan-
    einem Teil der Behandlungen eine star-      reflektiert der Patient diese seine Pro-        gebot, Gegenübertragung; insbesondere
    ke Intensivierung der Übertragungsbe-       duktionen. Er sucht nach Zusammen-              initiales ″Testen″ des Therapeuten durch
    ziehung im Sinne einer Übertragungs-        hängen und versucht, unter Verwendung           die Aktualisierung negativer Übertra-
    neurose, die gegen Behandlungsende          der Deutungen des Therapeuten, den              gungsaspekte)
    wieder in ruhigere Beziehungsbahnen         Dingen einen Sinn zu geben.                   Einübung der therapeutischen Arbeit
    einmündet.                                       Hier entwickelt sich ein zirkulärer      ● Einübung der Selbstwahrnehmung
                                                Prozess von unbestimmt langer Dauer:          ● Ermutigung zur umfassenden Mitteilung
        Therapeutische Beziehung                Der Patient ist einerseits bemüht, die        ● Fokussierung auf problematische Erfah-

        und Therapieziel                        sichtbarwerdenden Probleme als seine            rungen
                                                eigenen zu akzeptieren und sich mit ih-       ● Aktualisierung problematischer Erfahrun-

    Der Aufbau einer tragfähigen Bezie-         nen auseinanderzusetzen; gleichzeitig           gen in der therapeutischen Beziehung
    hung zu dem bis dahin unbekannten,          wehrt er sich (überwiegend unbewusst)         Durcharbeiten
    aber häufig aufgrund von persönlichen       gegen diese Einblicke und versucht den        ● Produktion von psychischen Inhalten
    Empfehlungen mit positiven Erwartun-        eigenen Problemen auszuweichen. Die             (Einfälle, Erinnerungen, Phantasien, Bilder)
    gen besetzten Therapeuten stellt die        pathogenen Überzeugungen werden               ● Gemeinsame Reflexion der psychischen

    Ausgangssituation dar. In dieser Begeg-     auf diese Weise sowohl im Hier und              Produktionen durch Patient und Therapeut
    nung kommt es zu einer Aktivierung          Jetzt der therapeutischen Beziehung             (Sinnzuschreibung und Integration)
                                                                                              ● Suche nach neuen Lösungen (Neue Aspek-
    und unbewussten Inszenierung der            wie in der Erinnerung an biographi-
    zentralen Erfahrungen, die auf Seiten       sche Erfahrungen „durchgearbeitet“.             te der therapeutischen Beziehung)
                                                                                              ● Neue Ansätze des Selbstverständnisses
    des Patienten als Übertragungsange-         Die immer neuen psychischen Produk-           ● Neue Ansätze der Lebensgestaltung und
    bot, auf Seiten des Therapeuten als Ge-     tionen von Erinnerungen und Bildern             Konfliktlösung
    genübertragungserleben beschrieben          sowie die wechselnden Aspekte der the-
    werden können. Für den Patienten gilt       rapeutischen Beziehung bewirken, dass
    es, die in der Übertragung aktualisier-     nicht eine klar umrissene Wahrheit zu-
    ten, d. h. wiederbelebten konflikthaften    tage kommt, sondern dass vielfältige        Verhältnisse, zum anderen Teil in die
    Erfahrungen bewusst zu machen, zu re-       Facetten einer inneren und äußeren          Suche nach alternativen Lösungen und
    flektieren, durchzuarbeiten, anzueig-       Wirklichkeit sichtbar werden. Was für       Verhaltensmöglichkeiten. Dabei wird
    nen und zu verändern. Die therapeuti-       die Entwicklung der therapeutischen         der Internalisierung der neuen thera-
    sche Zielsetzung richtet sich also auf      Beziehung gesagt wurde, gilt auch für       peutischen Beziehungserfahrung eine
    die emotionale und kognitive Ausein-        die therapeutische Zusammenarbeit,          entscheidende Bedeutung für die Neu-
    andersetzung des Patienten mit seinen       die im Behandlungsverlauf unter-            strukturierung und Neuorientierung
    (bis dahin unbewußten) inneren und          schiedliche Qualitäten aufweisen kann.      zugeschrieben. Entsprechend der Hy-
    äußeren Erfahrungen. Dieses Gesche-                                                     pothese, dass die Symptomatik durch
    hen wird nicht nur von dem kompeten-          Das Therapieergebnis                      die unbewussten Konfliktspannungen
    ten Therapeuten und dem kooperati-                                                      aufrechterhalten waren, wird als we-
    ven Patienten aktiv „gemacht“, es wird,     Der Aufbau der therapeutischen Bezie-       sentliches Behandlungsergebnis somit
    insbesondere in Langzeittherapien, von      hung und ihre Durcharbeitung im Blick       einerseits Symptomminderung oder
    beiden Beteiligten auch erfahren und        auf die internalisierten Erfahrungen        Symptomwegfall und andererseits eine
    durchlitten im Sinne eines Beziehungs-      des Patienten und die von ihm gestalte-     weitreichende Umstrukturierung der
    prozesses, in den Patient und Thera-        te äußere Wirklichkeit bewirken eine        Persönlichkeit erwartet. Die Tabelle 1
    peut gleichermaßen hineingezogen            Reihe von möglichen Veränderungen:          resümiert nochmals die Stufen des the-
    werden.                                     Es erfolgt eine Einsicht in die bis dahin   rapeutischen Prozesses.
                                                abgewehrten und daher nicht wahr-
        Die therapeutische Arbeit               nehmbaren inneren Bedingungen (Wün-           Die Heidelberger
                                                sche und Bedürfnisse, Emotionen, Er-          Umstrukturierungsskala
    Auf der Grundlage dieser therapeuti-        innerungen, Erfahrungen, Handlungs-
    schen Beziehung entwickelt sich als         impulse). Diese Einsicht ist Vorausset-       Die Konstruktion der Skala
    zweiter bedeutsamer Aspekt die thera-       zung für die Auseinandersetzung mit
    peutische Arbeit. Es ist Aufgabe des The-   diesen inneren Bedingungen. Sie mün-        Im Rahmen der Arbeitsgruppe zur „Pra-
    rapeuten, den Patienten in dieser Arbeit    det z. T. in die Akzeptanz der inneren      xisstudie analytische Langzeittherapie“

240 |   Psychotherapeut 4·2000
Umstrukturierungsprozess beobachtet
  Tabelle 2                                                                                                      wird. In den Heidelberger Studien ge-
  Die Heidelberger Umstrukturierungsskala                                                                        winnen wir den Fokus durch die Ein-
                                                                                                                 schätzung des Befunds der Operationa-
  1. Nichtwahrnehmung           1    Völlige Abwehr bzw.Vermeidung des                                           lisierten Psychodynamischen Diagno-
  des Fokusproblems             1+   Fokusbereichs, es gibt „kein Problem“
                                                                                                                 stik (Arbeitskreis OPD 1998). Aus den
  2. Ungewollte Beschäftigung   2–   Symptomdruck, interpersonelle Schwierigkeiten:                              drei OPD-Achsen – Achse II: Bezie-
  mit dem Fokus                 2    Zumutungen, von außen kommend erlebt
                                                                                                                 hung, Achse III: Konflikt, Achse IV:
                                2+
                                                                                                                 Struktur – wählen wir fünf Punkte aus,
  3.Vage Fokuswahrnehmung       3–   Passive Beschäftigung mit dem F., ansatzw.

                                                                                      Bewältigung
                                                                                                                 die zusammengenommen die Schwie-
                                3    Anerkennung, Ahnung eigener Verantwortg.
                                3+                                                                               rigkeiten des Patienten möglichst voll-
                                                                                                                 ständig abbilden. Diese Foki haben den
  4. Anerkennung und            4–   Interessiertes Problemverstehen, Arbeits-
  Erkundung des Fokus           4    beziehung, aktive ″Bewältigung″, Handeln                                    Stellenwert einer psychodynamischen
                                4+                                                                               Hypothese, d.h. es wird von ihnen ange-
  5. Auflösung alter            5–   Abwehr wird brüchig, Prozess wird zur
                                                                                                                 nommen, dass sie die Symptome und
  Strukturen i. Fokusbereich    5    „Passion“,Trauer, Ausgeliefertsein,Verwirrung                               Schwierigkeiten des Patienten hervor-

                                                                                      Strukturelle Veränderung
                                5+                                                                               rufen und aufrechterhalten. Gleichzei-
  6. Neustrukturierung im       6–   Versöhnliches Erleben, neue Erlebens- Ver-                                  tig wird angenommen, dass sich in Be-
  Fokusbereich                  6    haltensmöglichkeiten stellen sich spontan ein                               zug auf die Foki etwas im Erleben und
                                6+                                                                               Leben des Patienten entscheidend ver-
  7. Auflösung des Fokus        7–   Integration, Selbstübereinstimmung, realitäts-                              ändern müsste, wenn es dem Patienten
                                7    gerechtes Erleben, Neugestaltungen                                          besser gehen bzw. sich in substantieller
                                7+                                                                               Weise etwas verändern soll.
                                                                                                                      Die auf der Operationalisierten
                                                                                                                 Psychodynamischen Diagnostik basie-
                                                                                                                 rende Fokusliste wird in Tabelle 3 ge-
(PAL) (Grande et al. 1997; Rudolf et al.        stimmte therapeutische Richtung. Wir                             zeigt. Sie enthält
1994, 1997) haben wir in den letzten Jah-       haben die sieben Stufen der APES-Skala
ren ein Modell zur Erfassung von Verän-         formal beibehalten und inhaltlich auf das                        a) das zentrale dysfunktionale Bezie-
derungen in Psychotherapien und Psy-            psychoanalytische Modell der therapeu-                              hungsmuster des Patienten, das so-
choanalysen entwickelt, in dem die eben         tischen Veränderung, wie es oben be-                                wohl aus dem vom Patienten be-
beschriebenen Entwicklungslinien in der         schrieben ist, bezogen. Die Formulierung                            richteten als auch aus dem im Un-
Form einer Stufenskala zur Einschätzung         der Stufen gründet auf dem Erfahrungs-                              tersuchungsgespräch         sichtbaren
des therapeutischen bzw. analytischen           wissen analytischer Psychotherapie, wie                             Beziehungsverhalten herausgear-
Prozesses konkretisiert sind. Im wissen-        es in Fallberichten, Verlaufsdarstellungen                          beitet und in standardisierter Form
schaftlichen Kontext gestattet diese Skala      und Supervisionen auf kasuistischer Ebe-                            protokolliert wird (Grande et al.
eine objektivierende Einschätzung des           ne gewonnen wurde. In der Umstruktu-                                1997).
Stands, den ein Patient bis zu einem be-        rierungsskala ist dieses Wissen unter Ein-                       b) mindestens einen, maximal drei der
stimmten Punkt der Behandlung errei-            beziehung psychoanalytischer Modellan-                              in der OPD-Konflikt-Achse defi-
chen konnte. Das Modell ist andererseits        nahmen (z.B. bezüglich Übertragungs-                                nierten lebensbestimmenden Kon-
kliniknah, so dass es auch für diagnosti-       prozessen, Abwehr, Internalisierung)                                flikte (Schüßler et al. 1996).
sche Fragestellungen, die Planung von           strukturiert. Darüber hinaus wurden in                           c) mindestens einen, maximal drei der
Behandlungen, die supervisorische Ar-           einer Pilotstudie Therapieverlaufsberich-                           aus der OPD-Struktur-Achse abge-
beit und die Einschätzung von Therapien         te aus Psychoanalysen, Psychotherapien                              leiteten (Rudolf et al. 1995, 1998)
im Kontext der Qualitätssicherung ange-         und stationären Behandlungen mit Hilfe                              und in Tabelle 3 aufgelisteten struk-
wandt werden kann.Den Kern dieses Mo-           qualitativ textanalytischer Verfahren auf                           turellen Auffälligkeiten.
dells bildet die Heidelberger Umstruktu-        die darin enthaltenen Veränderungskate-
rierungsskala, deren Aufbau und Anwen-          gorien hin untersucht. Diese aus thera-                          Die individualisierte Fokusauswahl
dung nachfolgend dargestellt wird.              peutischen Praxen gewonnenen Verände-                            setzt die Vertrautheit mit dem System
      Die Heidelberger Umstrukturie-            rungsbeschreibungen wurden in das Stu-                           OPD voraus, dort sind die genannten
rungsskala (Tabelle 2) stellt eine modifi-      fenmodell integriert.                                            Merkmale und Themen operational de-
zierte Form der „Assimilation of proble-                                                                         finiert. Die Auswahl geschieht ebenso
matic experience scale“ (APES) von Stiles         Die Erfassung des Problemfokus                                 wie die Einschätzung der Foki auf der
et al. (1992) dar. Mit dem Begriff Assimi-        (der Foki) als Voraussetzung für die                           Heidelberger Umstrukturierungsskala
lation wird in Anlehnung an Piaget ein            Anwendung der                                                  in der wissenschaftlichen Anwendung
Prozess bezeichnet, in dem schwierige             Umstrukturierungsskala                                         auf der Grundlage eines videographier-
Erfahrungen angeeignet, integriert und                                                                           ten diagnostischen Interviews, das in-
umgestaltet werden. Die Autoren konzep-         Die Anwendung der Umstrukturie-                                  itial und im Therapieverlauf wiederholt
tualisieren diesen Prozess schulenüber-         rungsskala setzt die Formulierung ei-                            durchgeführt wird, um den jeweils er-
greifend und ohne Bezug auf eine be-            nes Problemfokus voraus, an dem der                              reichten Stand der Behandlung zu er-

                                                                                                                                     Psychotherapeut 4·2000   | 241
Originalien
                                                                                                           zungen enthält und insofern eine idealty-
        Tabelle 3                                                                                          pische Vereinfachung darstellt.
        Auswahlliste für die zentralen Problembereiche (Foki)
                                                                                                               Stufe 1 – Abwehr/Nicht-Wahrnehmung
        Beziehung: Individualisierte Formulierung eines habituell-dysfunktionellen                             des Fokus:
                   Beziehungsmusters
        Lebensbestimmende Konflikte                                                                        Der Patient zeigt ein Wahrnehmungs-
        1.   Abhängigkeit /Autonomie                5.   Schuldkonflikte                                   defizit in Bezug auf seine konflikthaften
        2.   Unterwerfung/Kontrolle                 6.   Ödipal-sexuelle Konflikte                         Themen. Die psychodynamische An-
        3.   Versorgung/Autarkie                    7.   Identitätskonflikte                               nahme ist, dass er im Sinne der Abwehr
        4.   Selbstwertkonflikte                    8.   Eingeschränkte Konflikt- und Gefühlswahrnehmung   unbewusst vermeidet, mit den Konflikt-
        Strukturelle Fähigkeiten/Vulnerabilitäten                                                          themen kognitiv oder emotional in Be-
        1. Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung          4. Fähigkeit zur Objektwahrnehmung                     rührung zu kommen.
           ● Selbstreflexion                           ● Subjekt-Objekt-Differenzierung

           ● Selbstbild                                ● Empathie                                          ●   Therapeutische Beziehung: Eine Ar-
           ● Identität                                 ● Ganzheitliche Objektwahr-nehmung
                                                                                                               beitsbeziehung ist auf dieser Grund-
           ● Affektdifferenzierung                     ● Objektbezogene Affekte
                                                                                                               lage noch nicht möglich, eine zentra-
        2. Fähigkeit zur Selbststeuerung            5. Fähigkeit zur Kommunikation                             le und konturierte Übertragungsfi-
           ● Affekttoleranz                            ● Kontakt

           ● Selbstwertregulation                      ● Verstehen fremder Affekte
                                                                                                               gur existiert nicht.
           ● Impulssteuerung                           ● Mitteilen eigener Affekte
                                                                                                           ●   Affektzustände: Indifferenz, Ah-
           ● Antizipation                              ● Reziprozität                                          nungslosigkeit, evtl. diffuses Unwohl-
        3. Fähigkeit zur Abwehr                     6. Fähigkeit zur Bindung                                   sein. Unter Umständen werden die zu
           ● Intrapsychische Abwehr                    ● Internalisierung                                      den Konfliktthemen gehörenden Af-
           ● Flexibilität der Abwehr                   ● Loslösung
                                                                                                               fekte vom Gegenüber erlebt.
                                                       ● Variabilität der Bindungen
                                                                                                           ●   Fokusbezogene Veränderungen in
                                                                                                               der Realität sind noch nicht möglich,
                                                                                                               da es kein Fokusverständnis gibt.
    fassen. In der von uns durchgeführten                    im Detail diskutieren. – Die Skala be-
    Studie zur Untersuchung analytischer                     schreibt sieben aufeinanderfolgende               Stufe 2 – Ungewollte Beschäftigung
    Langzeittherapien (Praxisstudie analy-                   Stufen der therapeutischen Entwick-               mit dem Fokusbereich:
    tische Langzeittherapie PAL, Grande et                   lung. Jede Stufe kann in drei Ausprägun-
    al. 1997; Rudolf et al. 1994) geschieht                  gen markiert werden. So bedeutet die 3-       Im Unterschied zu Stufe 1 ist das Fo-
    dies im Rahmen externer Untersuchun-                     die Einordnung auf Stufe 3 mit der Ten-       kusproblem im äußeren Leben des Pa-
    gen durch die Mitarbeiter des Projekts                   denz zur vorangehenden Stufe 2. Dage-         tienten jetzt störend geworden, in der
    in Anlehnung an einen Leitfaden für                      gen bedeutet 3 die Stufe im vollsten Sin-     Begegnung mit sich selbst führt es zu
    OPD-Interviews (Schauenburg et al.                       ne der Definition, die in einem Manual        unangenehmen Gedanken, Träumen
    1998). Auf diese Weise können die Ver-                   ausgeführt und in Tabelle 2 stichwortar-      oder Fehlhandlungen. Die Störungen
    änderungen als Bewegungen der Foki                       tig angegeben wird; 3+ meint die Stufe 3      sind so deutlich, dass sie eine Reakti-
    auf der Umstrukturierungsskala erfaßt                    mit Tendenz zur nachfolgenden Stufe 4.        on des Patienten fordern. Das Stören-
    werden.                                                  Die Abbildung zeigt außerdem, dass            de wird auf dieser Stufe nicht in der
         Wir möchten ausdrücklich darauf                     zwei Bereichen der Skala – auf den Stu-       eigenen Person wahrgenommen, son-
    hinweisen, dass die Umstrukturie-                        fen 3 und 4 bzw. 5, 6 und 7 – Veränderun-     dern der Außenwelt oder anderen Per-
    rungsskala grundsätzlich auch unab-                      gen unterschiedlicher Qualität möglich        sonen zugeschrieben, wodurch eine
    hängig von der OPD und der in Tabel-                     bzw. zu erwarten sind, die wir durch die      gewisse Stabilisierung erreicht wer-
    le 3 gezeigten Fokusliste verwendet                      Begriffe Bewältigung und Umstruktu-           den kann.
    werden kann. In diesem Fall müssen                       rierung kennzeichnen. Wie noch genau-
    der oder die Foki, auf die die Skala an-                 er ausgeführt wird, können diese beiden       ●   Therapeutische Beziehung: Die The-
    gewendet wird, auf andere Weise ge-                      Veränderungsformen idealtypisch den               rapie kommt am ehesten durch äuße-
    wonnen werden, z.B. mit Hilfe alternati-                 Wirkungsweisen von Psychotherapien                ren Druck zustande, eine zentrale
    ver diagnostischer Instrumente oder                      bzw. Psychoanalysen zugeordnet wer-               und konturierte Übertragungsfigur
    auch durch „freie“ klinische Fokusfor-                   den. Diese Zusammenhänge sollen nun               hat sich in den Inszenierungen noch
    mulierungen. Damit eröffnen sich brei-                   anhand der einzelnen Stufen der Um-               nicht herauskristallisiert.
    te Verwendungsmöglichkeiten im Rah-                      strukturierungsskala im Detail erläutert      ●   Affektzustände: Ärger über die Stö-
    men von Supervision, Intervision und                     werden. Wir betonen ausdrücklich, dass            rung, Vorwürfe deswegen, Genervt-
    der Qualitätssicherung generell.                         die Skala zwar auf das Erfahrungswis-             heit und Verleugnung der Störung;
                                                             sen zu psychoanalytischen Therapien               Unwohlsein, Gequältsein, sich ent-
        Die Stufen der Umstrukturierung                      und auf textanalytische Untersuchun-              leert fühlen.
                                                             gen gegründet ist (vgl. oben), als Opera-     ●   Fokusbezogene Veränderungen in
    Im Anschluß an diese Skizze unseres                      tionalisierung eines Prozessmodells je-           der Realität sind nicht möglich, da es
    Vorgehens wollen wir nun Skalenstufen                    doch notwendigerweise bestimmte Set-              kein Fokusverständnis gibt.

242 |   Psychotherapeut 4·2000
Stufe 3 – Vage Fokuswahrnehmung:        kennen lassen (Kunst statt Handwerk).          Abschied handelt (von Selbst- und Ob-
                                            Erst solche Veränderungen stellen nach         jektbildern, von Beziehungsvorstellun-
Der Patient kann die Präsenz des Pro-       unserem Verständnis eine echte „Um-            gen und -hoffnungen). Das bedeutet
blems nicht mehr völlig ausblenden          strukturierung“ dar.                           eine zunehmend realitätsgerechtere
und vermeiden. Das Fokusproblem be-                                                        Wahrnehmung und affektive Einstel-
kommt für ihn eine kontinuierliche          ●   Therapeutische Beziehung: Sie ist auf      lung gegenüber der äußeren Welt und
Existenz; er hat eine Ahnung, dass es et-       dieser Stufe voll etabliert im Sinne ei-   den anderen Menschen. Diese Entwick-
was mit ihm zu tun haben könnte. Die            nes Arbeitsbündnisses bezogen auf          lung ist im Entstehen, d. h. noch nicht
Zuwendung zum Fokusproblem ge-                  ein umschriebenes Thema und eine           tragfähig. Im affektiven Erleben ist v. a.
schieht aber noch gezwungenermaßen              gemeinsame Zielsetzung. Es haben           die Erfahrung des Verlusts bestim-
durch den Druck äußerer Schwierigkei-           sich zentrale Übertragungsfiguren          mend, während in Bezug auf das Kom-
ten und interpersoneller Spannungen             herausgebildet, die das Thema ausge-       mende noch Unsicherheit und Ver-
(im Gegensatz zu Stufe 5, wo der Patient        stalten.                                   zweiflung vorherrschen.
das Fokusthema als etwas der eigenen        ●   Affektzustände: Interesse, Kompe-
Person zugehöriges anerkannt hat). Die          tenz, Tatkraft, (wütende) Entschlos-       ●   Therapeutische Beziehung: Die Ar-
Zuwendung geschieht deshalb eher                senheit, Optimismus.                           beitsbeziehung ist einerseits gefe-
passiv.                                     ●   Fokusbezogene Veränderungen in                 stigt, kann aber durch das jetzt sehr
                                                der Realität finden im Sinne von Co-           intensiv gewordene Übertragungsge-
●   Therapeutische Beziehung: Der Pati-         ping bzw. Bewältigung statt.                   schehen (Übertragungsneurose) und
    ent lässt sich punktuell berühren und                                                      verzweifelte Abwehrversuche passa-
    beginnt zu ahnen, dass die Therapie         Stufe 5 – Auflösung alter Strukturen           ger belastet oder sogar infrage ge-
    etwas Wertvolles für ihn enthalten          im Fokusbereich:                               stellt sein.
    könnte; es beginnen sich charakteri-                                                   ●   Affektzustände: Trauer,Verzweiflung,
    stische Übertragungsfiguren abzu-       Im Unterschied zur Aktivität der Stufe 4           krisenhafte Stimmung, Ratlosigkeit,
    zeichnen, welche die Inszenierungen     ist die Auseinandersetzung mit dem Fo-             Verunsicherung, affektkathartische
    bestimmen.                              kus dadurch bestimmt, dass der Patient             Erlebnisse. Punktuell deuten sich
●   Affektzustände: Irritation, Gereizt-    dem Thema nicht mehr aktiv und inter-              auch Versöhnlichkeit und Dankbar-
    heit, Bedrücktheit, ängstliche An-      essiert zugewandt, sondern ihm exi-                keit an.
    spannung, Betroffenheit.                stentiell ausgeliefert ist, d.h. von ihm       ●   Fokusbezogene Veränderungen in
●   Fokusbezogene Veränderungen in          überwältigt wird – er kann gewisser-               der Realität: Auf dieser Stufe hat das
    der Realität sind sporadisch denkbar.   maßen nicht mehr anders. In diesem                 Außen vorübergehend geringe Be-
                                            Zustand der Passion erfolgt die Ausein-            deutung, weil der Patient hauptsäch-
    Stufe 4 – Anerkennung und Erkundung     andersetzung nicht mehr aktiv im Sin-              lich mit sich beschäftigt ist und die
    des Fokusbereichs:                      ne einer offensiven und interessierten             Idee aufgegeben hat, dass sich das
                                            Hinwendung auf das Problem, sondern                Problem nur im Außen auflösen ließe.
Im Unterschied zu Stufe 3 verhält sich      gezwungenermaßen.
der Patient nun aktiv und offensiv im            Früher erfolgreiche Formen der                Stufe 6 – Neuordnung
Umgang mit dem Fokusthema, er ist in-       Abwehr greifen nicht mehr, sondern                 des Fokusbereichs:
teressiert und beginnt die Verantwor-       werden brüchig, so dass der Patient
tung dafür zu übernehmen; in dem Be-        Schmerz und Trauer nicht mehr von              Der Patient ist nun gewissermaßen „un-
mühen um Durchdringung gewinnt der          sich fern halten kann. Projektionen            ten angekommen“, eine Erleichterung
problematische Bereich an Kontur.           werden zurückgenommen, der Patient             und Beruhigung tritt ein, die Verzweif-
     Mit der aktiven Zuwendung zum          ist seiner Realität, seinen Beschädigun-       lung legt sich, ein versöhnliches Erleben
Problem wird ein Zugewinn an Steue-         gen und Begrenzungen ausgeliefert. Es          tritt in den Vordergrund. Das ist das
rungsmöglichkeiten erreicht, es entste-     gibt passagere und erfolglose Restituti-       Kriterium des Wechsels von Stufe 5 nach
hen Veränderungen aus „Bemühtheit“,         onsversuche des Patienten, die Abwehr          6. Der Patient erlebt, dass er das Alte, d. h.
„gutem Willen“ oder „Vernunft“. Solche      aufzurichten und das verlorene Alte            frühere Bewältigungs- und Abwehrfor-
Veränderungen sind nicht „gereift und       wiederherzustellen, z. B. durch Projek-        men, nicht mehr braucht, dass er sich
gewachsen“, sondern entspringen der         tionen und verzweifelte Anklagen.              nicht mehr so schützen muß, dass er die
bewussten Bemühtheit des Patienten,              Während der Patient auf Stufe 2           bisher unannehmbaren Erfahrungen
der dabei „wild entschlossen“ wirken        oder 3 die Schwierigkeiten gewisserma-         besser akzeptieren und tolerieren kann.
kann, die Dinge in den Griff zu bekom-      ßen als „ärgerliche Zumutung“ zurück-               In der Auseinandersetzung mit
men. Das Ergebnis dieser Bemühung ist       weisen und im Außen wahrnehmen                 dem Fokusproblem gibt es eine Wen-
im gelungenen Fall die erfolgreiche         kann, ist es auf Stufe 5 unabweisbar ge-       dung; Racheimpulse und Schuldzuwei-
„Bewältigung“ des Fokusproblems. Das        worden, dass das Schwierige zu ihm             sungen gegen wichtige Personen wer-
ist zugleich der wesentliche Unter-         selbst gehört und gerade dieses Erleben        den von Bemühungen um Ausgleich
schied zu den andersartigen Verände-        gibt seinen Klagen ihre verzweifelt-wü-        und gerechte Bewertung abgelöst, es
rungen auf Stufe 6, die eher spontane       tende Qualität.                                wird Vergebung möglich. Dabei ge-
Züge aufweisen und eine kreativ gestal-          Die Affekte des Schmerzes und der         schieht es, dass Urteile über Umstände
tende Aktivität des Unbewussten er-         Trauer zeigen an, dass es sich um einen        und Personen der Vergangenheit revi-

                                                                                                                  Psychotherapeut 4·2000   | 243
Originalien
    diert und ihre positiven Aspekte erleb-       geeignet. Im Unterschied hierzu war auf      werden in Heidelberg und Berlin in Ko-
    bar werden, was auch Gefühle der              Stufe 6 weniger ein Zustand als ein Pro-     operation mit einer Züricher Studie
    Dankbarkeit einschließt. Andererseits         zess beschrieben worden, wo sich Ver-        psychoanalytische Langzeitbehandlun-
    können vorhandene Defizite und Be-            änderungen spontan einstellen und da-        gen mit hoher Stundenfrequenz (3–4
    schädigungen anerkannt und ange-              durch „überraschend“ und „erstaun-           Sitzungen pro Woche) und psychody-
    nommen werden. Im Unterschied zu              lich“ sind.                                  namische Langzeitbehandlung mit
    Stufe 4 werden neue Lösungen nicht                                                         niedriger Stundenfrequenz (eine Sit-
    „wild entschlossen“ gesucht, sondern          ●   Therapeutische Beziehung: Das Fo-        zung pro Woche) vergleichend unter-
    sie geschehen von selbst. Der Patient er-         kusthema ist in seinen Übertra-          sucht. In Abständen von anfangs 3 Mo-
    scheint nicht mehr als der bemühte                gungsaspekten bearbeitet worden,         naten, später 6 Monaten werden die Pa-
    Handwerker, sondern der kreative                  die entsprechenden Übertragungen         tienten von einem Forschungsmitarbei-
    Künstler, der „erstaunlicherweise“ Din-           konnten aufgelöst werden. Der Pati-      ter interviewt und die Videoaufzeich-
    ge kann, die er zuvor nicht gekonnt hät-          ent hat die Verantwortung in sich zu-    nungen von zwei unabhängigen Ratern
    te oder Dinge unterlassen kann, die er            rückgenommen, das Arbeitsbündnis         hinsichtlich der Foki und der Umstruk-
    früher zwangsläufig tun musste. Der               ist gelöst.                              turierungen eingeschätzt. Erste und
    Patient kann neu aufbauen und neu             ●   Affektzustände: Selbstgewißheit, In-     aufgrund der noch nicht ausreichenden
    einrichten, dieses Neue hat den Charak-           tegrität, Bodenständigkeit, Offenheit,   Fallzahl vorläufige Beobachtungen wei-
    ter von etwas Gewachsenem, Selbstver-             Selbstübereinstimmung, Souveräni-        sen darauf hin, dass höhere Stufen der
    ständlichem, Eigenem.                             tät.                                     Umstrukturierung in höherfrequenten
                                                  ●   Fokusbezogene Veränderungen in           psychoanalytischen Behandlungen tat-
    ●   Therapeutische Beziehung: Der Ana-            der Realität mit dem Charakter freier    sächlich erreicht werden und dass es
        lytiker gewinnt zunehmend auch die            Neugestaltungen sind möglich.            z.B. im Zusammenhang mit der auf Stu-
        Position eines realen Gegenübers, der                                                  fe 5 beschriebenen produktiven thera-
        Patient kann mehr und mehr zwi-               Anwendungen des Modells                  peutischen Krise durchaus zu meßba-
        schen Übertragungsbeziehung und               in der Psychotherapieforschung           ren und vorübergehenden Symptom-
        Realbeziehung unterscheiden. Die              und Qualitätssicherung                   verschlechterungen kommen kann, die
        therapeutische Arbeit des Patienten                                                    als Zeichen der Auflösung der alten
        gestaltet sich eigenverantwortlicher.     Erste empirische Befunde entstammen          Struktur günstig zu bewerten sind. Sol-
    ●   Affektzustände: Erleichterung, Beru-      einer Vorstudie, die an 49 stationär be-     che Schwankungen in Verbindung mit
        higung, Versöhnlichkeit, Dankbar-         handelten Patienten durchgeführt wur-        regressiven Prozessen werden in Psy-
        keit, Überraschung und Erstaunen          de. Hier wurde die Umstrukturierung          choanalysen erwartet und als Voraus-
        über neue Möglichkeiten.                  am Anfang und am Ende einer dreimo-          setzung substantieller Veränderungen
    ●   Fokusbezogene Veränderungen in            natigen intensiven stationären Thera-        sogar begrüßt.
        der Realität im Sinne der gewachse-       pie eingeschätzt (Grande et al., im                Im Rahmen der beiden eben ge-
        nen und sich spontan einstellenden        Druck). Es ergab sich, dass die Patien-      nannten Studien wurden Reliabilitäts-
        neuen Lösungen und Handlungs-             ten ihre Behandlung durchschnittlich         untersuchungen durchgeführt, deren
        möglichkeiten.                            auf dem Niveau einer ungewollten oder        Ergebnisse bereits vorliegen. Die Ra-
                                                  vagen Fokuswahrnehmung beginnen              tings erfolgten in wechselnder Kombi-
        Stufe 7 – Auflösung des Fokus:            und sich im Verlaufe der 3-monatigen         nation durch mehrere Rater (bei der
                                                  stationären Therapie in Richtung auf         Umstrukturierungseinschätzung wa-
    Der Patient hat sich das Neue sicher an-      die Anerkennung und Erkundung des            ren es 5, bei der Fokusauswahl 6). Für
    geeignet, der Fokusbereich ist nicht          Fokus (Stufe 4) bewegen; etwa die Hälf-      die Beurteilung der individuell ausge-
    mehr umkämpft, das Vergangene kann            te der Patienten erreicht Stufe 4. Die       wählten Foki auf der Umstrukturie-
    im Rückblick ausgeglichen bewertet            von unabhängigen Ratern vorgenom-            rungsskala haben wir auf der Grundlage
    werden. Der Patient kann Dankbarkeit          mene Einschätzung der Umstrukturie-          von n=306 Beurteilungen einzelner
    für das Wertvolle fühlen, das er in der       rung korreliert hoch mit den globalen        Foki (die in dieser Berechnung die „Fäl-
    Vergangenheit (von Eltern, Partnern           Erfolgsbeurteilungen des Einzelthera-        le“ darstellen) eine Interraterüberein-
    und Therapeuten) bekommen hat und             peuten, des Visitenarztes und des            stimmung r=0,77 gefunden. Die Relia-
    er kann akzeptieren, dass er anderes          Schwesternteams, und zwar höher als          bilitätsprüfung für die Fokusauswahl
    nicht bekommen hat und Beschädigun-           alle symptom-bezogenen Verände-              bezieht sich auf jene 4 Foki, die aus den
    gen hinnehmen musste. Der Patient ak-         rungmaße. Diese Ergebnisse werden            Bereichen Konflikt und Struktur (Ach-
    zeptiert das Vergangene und kann es als       von uns so verstanden, dass die auf der      sen III und IV) ausgewählt wurden; wie
    Eigenes erleben und als Ressourcen            Umstrukturierungsskala gemessenen            oben bereits angemerkt wird das dys-
    nutzen. Er ist von dem Fokusthema             tiefergreifenden Veränderungen beson-        funktionelle Beziehungsmuster in je-
    nicht mehr gefangen und deshalb reali-        ders gut und besser als symptomatische       dem Fall als Fokus definiert. Auf der
    tätsgerecht in Wahrnehmung und Af-            Veränderungen das erfassen, was in sta-      Grundlage von n=161 Fokusauswahlen
    fekt. Stufe 7 beschreibt einen Zustand        tionären Behandlungen aus klinischer         ergab sich ein einfaches Kappa von 0,59
    der Integration, d. h. der Patient hat sich   Perspektive als Erfolg bewertet wird.        (ebenfalls wechselnd paarweises Rating
    das Neue als Ergebnis der Umwer-                   In der „Praxisstudie analytische        von insgesamt 6 Urteilern). Dieser Wert
    tungs- und Anerkennungsprozesse an-           Langzeittherapie“ (Grande et al., 1997)      ist annehmbar, wenn man berücksich-

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tigt, dass die 4 Merkmale aus einer Liste     Diskussion                                 tische Psychotherapie C.G. Jungs unter-
von immerhin 29 (30 abzüglich des Be-                                                    sucht, die Skala ohne Schwierigkeiten;
ziehungsfokus) möglichen Foki auszu-        Kritische Einwände sind aus unter-           in Heidelberg und Berlin sind ebenfalls
wählen waren. Zu berücksichtigen ist        schiedlichen Richtungen möglich. Eine        Psychoanalytiker unterschiedlicher Grup-
auch, dass im Bereich der Achse „Struk-     unter Psychoanalytikern oft geführte         penzugehörigkeit (DGPT, DPG, DPV)
tur“ nominell voneinander abweichen-        Diskussion gilt der Frage, ob die tentati-   beteiligt.
de Fokusangaben zum Teil verwandte          ve schrittweise Annäherung an ein Ver-            Die Bezüge zu essentiellen psycho-
psychologische Sachverhalte bezeich-        stehen des Patienten, wie es der Thera-      analytischen Konzepten sind gleich-
nen, wie z.B. die Foki „Selbstbild“ und     peut in jeder einzelnen Sitzung mög-         wohl zahlreich gegeben. Die Themen
„Identität“ innerhalb der Dimension         lichst unvoreingenommen vollzieht,           der Abwehr, des Widerstands und der
„Selbstwahrnehmung“ oder „Empa-             vereinbar ist mit einer vor Therapiebe-      Unbewusstheit z. B. spielen in den Stu-
thie“ und „ganzheitliche Objektwahr-        ginn durchgeführten Diagnostik, wel-         fen eins bis drei eine zentrale Rolle. Ihre
nehmung“ innerhalb der Dimension            che bereits den Kern der Problematik         effektive therapeutische Bearbeitung
„Objektwahrnehmung“ (vgl. Tabelle 3).       des Patienten erfasst haben soll. Nach       ist die Voraussetzung für das Fort-
Da solche Differenzen als Nichtüber-        unseren klinischen Erfahrungen und           schreiten zu Stufe vier. Dort ist auch die
einstimmung gewertet wurden, unter-         konzeptuellen Vorstellungen schliessen       therapeutische Arbeitsbeziehung defi-
schätzt der Reliabilitätswert eher die      sich beide Haltungen nicht aus: Eine         nitiv etabliert. Übertragung und Ge-
tatsächliche (klinische) Übereinstim-       diagnostische Einstellung, die das in-       genübertragung sind vom ersten Mo-
mung. Dies wird deutlich, wenn man          tersubjektive Geschehen der probatori-       ment der Begegnung zwischen Patient
die 21 Unteraspekte der Struktur den 6      schen diagnostischen Sitzungen kon-          und Therapeut existent, aber erst auf
Hauptdimensionen zuordnet und zu            zeptuell einordnet und bezüglich ihres       Stufe fünf dürfte jener Zustand voll ent-
Gruppen zusammenfasst. In diesem            Pathologiegewichts und der Verände-          wickelt sein, der als Übertragungsneu-
Fall ergibt sich ein deutlich besseres      rungsrichtung bewertet, ist die Voraus-      rose beschrieben wird: Die bedin-
Kappa von 0,70.                             setzung für die Indikationsstellung und      gungslose Aktualisierung der unbe-
      Der kliniknahe Charakter unseres      für die Erarbeitung eines Therapie-          wussten Beziehungsbereitschaften des
Konzepts ermöglicht es, dass das vorge-     plans ebenso wie die Verabredung der         Patienten im Hier und Jetzt des thera-
stellte Modell der Veränderungsmes-         Zusammenarbeit auf bestimmte Thera-          peutischen Miteinanders. Die Durchar-
sung ohne weiteres therapiepraktisch        pieziele hin. Ein solches diagnostisches     beitung der Übertragung hat ihren Ak-
im Sinne der Behandlungsplanung und         Vorwissen ist nicht gleichbedeutend          zent auf Stufe sechs, ihre Auflösung und
–evaluation und damit im Kontext der        mit einer Vorwegpathologisierung des         die Internalisierung der neuen Bezie-
Qualitätssicherung Anwendung finden         Patienten, wie gelegentlich von psycho-      hungserfahrungen ist auf Stufe sechs
kann. In den berichteten Untersuchun-       analytischer Seite als Befürchtung ge-       bis sieben anzusiedeln. Bezüglich der
gen haben die pro Patient ausgewählten      genüber jeglicher Diagnostik einge-          therapeutischen Interventionen ist an-
Problemebereiche den Stellenwert von        wandt wird. Nicht nur in der psycho-         zunehmen, dass auf Stufe 1 bis 3 am
Forschungsfoki, die dem behandelnden        analytischen Fokaltherapie konnte ge-        ehesten Klarifizierung und Konfronta-
Therapeuten nicht bekannt sind und          zeigt werden, dass ein initiales gemein-     tion, auf der Stufe 3 und 4 Konfrontation
insofern nicht auf die Therapie Einfluss    sames Verständnis für den Kern der           und fokale Deutung und auf der Stufe 5
nehmen können. Es liegt jedoch nahe,        Problematik mit besseren Behand-             bis 6 schwerpunktmäßig Deutung An-
diese Forschungsfoki praktisch zu ver-      lungsergebnissen korreliert ist als eine     wendung finden.
wenden und zu Behandlungsfoki zu            Ausgangssituation, in der vieles offen
machen, in denen eine Zielrichtung für      oder unklar geblieben ist. Zudem ist
die Behandlung impliziert ist. Die Eva-     der Wechsel zwischen einer Einstellung       Fazit für die Praxis
luation der Behandlungsergebnisse           des sich emotional und intuitiv auf die
kann anhand der Umstrukturierungs-          therapeutische Beziehung Einlassens          Diese kurzen Bemerkungen deuten nach
skala vorgenommen werden. Auch im           einerseits und der Einstellung des ra-       unserer Auffassung darauf hin, dass die
Verlauf kann im Sinne einer prozessbe-      tionalen Interpretierens innerhalb des       Heidelberger Umstrukturierungsskala
gleitenden Evaluation wiederholt ge-        Bezugsrahmens eines theoretischen            sowohl konzeptuell als auch hinsichtlich
prüft werden, ob an den ausgewählten        Konzepts für die Arbeit von Psychoana-       ihrer wissenschaftlichen und klinischen
Foki tatsächlich gearbeitet wird und        lytikern ohnehin unerlässlich.               Anwendung Potentiale aufweist, die in der
wie sich der Umgang des Patienten mit            Eine weitere Frage dürfte die theo-     Zukunft fruchtbar gemacht werden kön-
einem Fokusproblem entwickelt. Wir          retischen Annahmen und Setzungen             nen. Es ist daher unsere Hoffnung, mit
sind gegenwärtig dabei, eine leicht zu      betreffen, die in die Stufen der Skala       diesem Instrument einen Beitrag zur For-
handhabende Version unseres Instru-         eingewoben sind. Nach unserer Auffas-        schung und Qualitätssicherung innerhalb
ments für die Verwendung in der Quali-      sung sind diese Annahmen so konsens-         der Psychoanalyse und psychoanaly-
tätssicherung zu entwickeln. Ein ähnli-     fähig, dass eine breite Akzeptanz inner-     tischen Therapien leisten zu können.
cher Ansatz ist von Heuft et al. (1996)     halb der Gruppe der psychodynami-
auf der Basis einer alternativen Zusam-     schen Ansätze möglich sein sollte. So
menstellung von Behandlungsfoki und         handhabt z.B. die im Rahmen unserer
-zielen entwickelt worden (Heuft et al.     Langzeittherapiestudie kooperierende
1998).                                      Züricher Arbeitsgruppe, die die analy-

                                                                                                              Psychotherapeut 4·2000   | 245
Originalien

    Literatur                                                  Grande T, Burgmeier-Lohse M, Cierpka M,
                                                                  Dahlbender RW, Davis-Osterkamp S, Frewert G,
                                                                                                                      Rudolf G, Oberbracht C, Grande T (1998) Die Struktur-
                                                                                                                          Checkliste.Ein anwenderfreundliches Hilfsmittel
                                                                  Joraschky P, Oberbracht C, Schauenburg H,               für die Strukturdiagnostik nach OPD.
    Arbeitskreis OPD (Hrsg) (1998) Operationalisierte
                                                                  Strack M, Strauß B (1997) Die Beziehungsachse           In: Schauenburg H, Buchheim P, Cierpka M,
        Psychodynamische Diagnostik Grundlagen und
                                                                  der Operationalisierten Psychodynamischen               Freyberger HJ (Hrsg) OPD in der Praxis.Konzepte,
        Manual Huber, 2.Aufl.
                                                                  Diagnostik (OPD) – Konzept und klinische                Anwendungen, Ergebnisse der Operationalisier-
    DeWitt K (1997) Inter-rater reliability of the scales of
                                                                  Anwendung.Z Psychosom Med 43:280–296                    ten Psychodynamischen Diagnostik.Huber, Bern,
        psychological capacities support for a measure of
                                                               Grande T, Rudolf G, Oberbracht C, Jakobsen Th (2000)       S 167–181
        structural change.The IPA research conference,
                                                                  Therapeutische Veränderungen jenseits der           Schacht TE, Binder J-L, Strupp HH (1984) The
        UCL
                                                                  Symptomatik – Wirkungen stationärer Psycho-             dynamic focus.In: Strupp HH, Binder J-L (eds)
    Elliott R (1985) Helpful and nonhelpful events in
                                                                  therapie im Lichte der Heidelberger Umstruktu-          Psychotherapy in a new key.A guide to time-
        brief counseling interviews: an empirical
                                                                  rierungsskala.Z Psychosom Med (im Druck)                limited dynamic psychotherapy.Basic books,
        taxonomy.J .Couns .Psychol.32:307–322
                                                               Heuft G, Senf W,Wagener R, Pintelon Ch, Lorenzen J         New York
    Field SD, Barkham M, Shapiro DA, Stiles WB (1994)
                                                                  (1996) Individuelle Therapieziele: Zur Ergebnis-    Schacht TE, Henry WP (1994) Modeling recurrent
        Assessment of assimilation in psychotherapy:
                                                                  dokumentation stationärer Psychotherapie aus            patterns of interpersonal relationship with
        a quantitative case study of problematic expe-
                                                                  Patienten- und Therapeutensicht.                        structural analysis of social behaviour: the SASB-
        riences with a significant other.J Couns Psychol
                                                                  Z Klin Psychol Psychopathol Psychother                  CMP.Psychother Res 4:208–221
        41:397–406
                                                                  44:186–199                                          Schauenburg H, Janssen PL, Buchheim P (1998)
    Freyberger HJ, Dierse B, Schneider W, Strauß B,
                                                               Heuft G, Senf W (Hrsg) (1998) Praxis der Qualitäts-        Interviewführung in der OPD.In: Schauenburg H,
        Heuft G, Schauenburg H, Pouget-Schors D,
                                                                  sicherung in der Psychotherapie: Das Manual zur         Buchheim P, Cierpka M, Freyberger HJ (Hrsg) OPD
        Seidler GH, Küchenhoff J, Janssen PL,
                                                                  Psy-Ba-Do.Thieme, Stuttgart New York                    in der Praxis.Konzepte, Anwendungen, Ergebnis-
        Hoffmann SO (1996) Operationalisierte Psycho-
                                                               Krause R (1998) Allgemeine psychoanalytische               se der Operationalisierten Psychodynamischen
        dynamische Diagnostik (OPD) in der Erprobung –
                                                                  Krankheitslehre, Bd 2: Modelle.Kohlhammer,              Diagnostik.Huber, Bern, S 139–158
        Ergebnisse einer multizentrischen Anwendungs-
                                                                  Stuttgart                                           Schüßler G, Heuft G, Hoffmann SO, Mans E, Mentzos S
        und Praktikabilitätsstudie.PPmP 46:356–365
                                                               Luborsky, L (1977) Measuring a pervasive psychic           (1996) Operationalisierte Psychodynamische
    Freyberger HJ, Schneider W, Heuft G, Schauenburg H,
                                                                  structure in psychotherapy:The core conflictual         Diagnostik (OPD) Konfliktdiagnostik.
        Seidler GH (1998) Zu Anwendbarkeit, Praktibilität,
                                                                  relationship theme.In Freedman N, Grand S (eds)         In: Buchheim P, Cierpka M, Seifert Th (Hrsg)
        Reliabilität und zukünftigen Forschungsfragestel-
                                                                  Communicative structures and psychic structures.        Lindauer Texte.Springer, Berlin Heidelberg
        lungen der OPD.In: Schauenburg H, Freyberger
                                                                  Plenum, New York, pp 367–395                            New York, S 271–274
        HJ, Cierpka M, Buchheim P (Hrsg) OPD in der
                                                               Luborsky L, Kächele H (Hrsg) (1988) Der zentrale       Stiles WB, Elliott R, Lewelyn SP, Firth-Cozens JA,
        Praxis.Konzepte, Anwendungen, Ergebnisse der
                                                                  Beziehungskonflikt.Ein Arbeitsbuch.PSZ-Verlag,          Margison FR, Shapiro D N, Hardy G (1990)
        Operationalisierten Psychodynamischen Diagno-
                                                                  Ulm                                                     Assimilation of problematic experiences by clients
        stik.Huber, Bern, S 105–120
                                                               Rudolf G (2000) Psychotherapeutische Medizin.Ein           in psychotherapy.Psychotherapy 27:411–420
    Grande T, Rudolf G, Oberbracht C (1997) Die Praxis-
                                                                  einführendes Lehrbuch auf psychodyamischer          Stiles WB, Meshot CM, Anderson TM, Sloan WW Jr
        studie Analytische Langzeittherapie.Ein Projekt
                                                                  Grundlage.Thieme, Stuttgart, 4.Aufl.                    (1992) Assimilation of problematic experiences:
        zur prospektiven Untersuchung struktureller
                                                               Rudolf G, Grande T (1994) Effektivität und Effizienz       the case of John Jones.Psychother Res 2:81–101
        Veränderungen in Psychoanalysen.
                                                                  höherfrequenter analytischer Langzeitpsycho-        Stiles WB, Shapiro DA, Harper H, Morrison LA (1995)
        In: Leuzinger-Bohleber M, Stuhr U (Hrsg) Psycho-
                                                                  analysen.Projektantrag                                  Therapist contributions to psychotherapeutic
        analyse im Rückblick.Psychosozial, Gießen,
                                                               Rudolf G, Buchheim P, Ehlers W, Küchenhoff J,              assimilation: an alternative to the drug mataphor.
        S 415–431
                                                                  Muhs A, Pouget D, Rüger U, Seidler GH, Schwarz F        Brit J Med Psychol 68:1–13
    Grande T, Oberbracht C, Rudolf G (1998) Einige
                                                                  (1995) Struktur und strukturelle Störung.           Weiss J, Sampson H and the mount zion psycho-
        empirische Zusammenhänge zwischen den
                                                                  Z Psychosom Med 41:197–212                              therapy research group (1986) The psychoanalytic
        Achsen „Beziehung″,„Konflikt″ und „Struktur″.
                                                               Rudolf G, Grande T, Oberbracht C, Jakobsen T (1996)        process: theory, clinical observation and empirical
        In: Schauenburg H, Buchheim P, Cierpka M,
                                                                  Erste empirische Untersuchungen zu einem                research.Guilford Press, New York
        Freyberger HJ (Hrsg) OPD in der Praxis.Konzepte,
                                                                  neuen diagnostischen System: Die operation-         Wilke St (1996) Rekonstruktionen klinischer Urteils-
        Anwendungen, Ergebnisse der Operationalisier-
                                                                  lisierten psychotdynamischen Diagnostiken               bildung im Verlauf psychoanalytischer Therapien.
        ten Psychodynamischen Diagnostik.Huber, Bern,
                                                                  (OPD).Z Psychosom Med 42:343–357                        Eine textanalytische Untersuchung ausgewählter
        S 167–181
                                                               Rudolf G, Grande T, Oberbracht C (1997) A research         Stundenprotokolle.DFG-Antrag, Heidelberg
    Grande T, Rudolf G, Oberbracht C (1998) Die Struktur-
                                                                  strategy for measuring structural change in
        achse der Operationalisierten Psychodynami-
                                                                  psychoanalytic psychotherapies.In: Kächele H,
        schen Diagnostik (OPD): Forschungsergebnisse
                                                                  Krause R, Mergenthaler O (Hrsg) Psychoanalytic
        zum Konzept und zur klinischen Anwendung.
                                                                  Process Research Strategies II, 12 years later.
        Persönlichkeitsstörungen Theor Ther 2:173–182
                                                                  In: http://wwwuni-saarlandde/philfak/FB6/
                                                                  krause/Ulm97
                                                               Rudolf G, Motzkau H (1997) Die Auswirkung von
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                                                                  Z Psychosom Med 43:349–368

246 |   Psychotherapeut 4·2000
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