Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung - www.kup.at
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Neue Entwicklungen in der Homepage: Demenzdiagnostik und -behandlung www.kup.at/ Rainer M, Krüger-Rainer C JNeurolNeurochirPsychiatr Journal für Neurologie Online-Datenbank mit Autoren- Neurochirurgie und Psychiatrie und Stichwortsuche 2015; 16 (3), 111-118 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
DGfE 2022 60. Jahrestagung der DGfE 27.–30. APRIL 2022 l Leipzig © Jakob Fischer l shutterstock www.epilepsie-tagung.de AbstrAct DEADlinE 09. DEzEmbEr 2021 73. Jahrestagung Deutsche gesellschaft für neurochirurgie abstract Deadline: 04. Januar 2022 Joint Meeting mit der griechischen gesellschaft für neurochirurgie www.dgnc-kongress.de
Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung M. Rainer, C. Krüger-Rainer Kurzfassung: Um die Demenz früher diagnosti- I-FP-CIT-SPECT bleibt der „Goldstandard“ für die nitive disorders that do not cause sufficient im- zieren zu können, wurden bereits im Jahr 2007 Diagnose der Lewy-Body-Demenz. Das Konzept pairment to qualify for a diagnosis of dementia neue diagnostische Forschungskriterien etab- der diätetischen Intervention findet zunehmend are now defined as minor neurocognitive disor- liert. In den letzten 8 Jahren modifizierten die Beachtung. Neue „Medical Foods“ sind nur für ders and placed on a spectrum with the more „International Working Group“ (IWG) und die therapeutische Zwecke intendiert und die ersten severe conditions (major). Recently developed NIA diese Kriterien, um klinische Phänotypen wissenschaftlichen Studien zeigen ermutigende amyloid-PET-tracers are useful und efficient tools besser definieren zu können. Biomarker wur- Ergebnisse. Derartige Strategien mit Acutil® to depict the earliest stages of AD. New F18- den in den diagnostischen Prozess integriert, so- oder Souvenaid® zeigen ein besonders gutarti- tracers with a longer half-life of 110 minutes dass jetzt alle Stadien der Demenzentwicklung ges Nebenwirkungsprofil. may also serve to directly monitor changes of abgedeckt sind. Auch im neuen DSM-5 gibt es amyloid load due to new treatment approaches. neue diagnostische Kriterien für Demenzen und Schlüsselwörter: Neue Demenzkriterien, Bio- Dopamine transporter loss has proven to reliably andere kognitive Störungen. Kognitive Störun- Marker, neurokognitive Störungen, DSM-5, mo- differentiate dementia with Lewy-bodies from gen, die nicht ausreichend sind für eine Diag- lekulares Imaging, Amyloid-PET, Lewy-Body-De- other dementias and I-FP-CIT-SPECT remains nose Demenz, werden nun definiert als „mino- menz, Medical Foods, Acutil, Souvenaid the “gold standard” for diagnostic imaging of re neurokognitive Störungen“ und sind nun in DLB. The concept of dietetic intervention in de- einem Spektrum mit den schwereren (majoren) Abstract: New Developments in Diagnosis mentia has drawn increasing attention. New neurokognitiven Störungen. Neueste Amyloid- and Treatment of Dementia. New diagnostic medical foods are strictly intended for therapeu- PET-Tracer erweisen sich zunehmend als nützli- research criteria were established 2007. In the tic purposes and the first scientific studies with che Untersuchungsmethoden, um die frühesten past 8 years the International Working Group Acutil® and Souvenaid® show promising results Alzheimerdemenzstadien dokumentieren zu kön- (IWG) and the NIA have contributed criteria for and a very benign side effect profile. J Neurol nen. Die neuen F18-Tracer zeigen eine längere the diagnosis of AD that better define clinical Neurochir Psychiatr 2015; 16 (3): 111–8. Halbwertszeit von 110 Minuten und können so- phenotypes and integrate biomarkers into stag- mit die Amyloidbelastung des Gehirns und ein ing of the diagnostic process, covering the full Key words: new criteria, biomarkers, neuro- Therapieansprechen dokumentieren. Dopamin- staging of the disease. The newest DSM-5 intro- cognitive disorders, DSM-5, molecular imaging, transporter-Verminderungen können sehr gut duces several changes in the diagnostic criteria amyloid-PET, dementia with Lewy-bodies, medi- zwischen DLB und AD differenzieren und der for dementia and other cognitive disorders. Cog- cal foods, Acutil, Souvenaid Einleitung hierbei auf die präsenile Verlaufsform, von denen jedoch 13 % autosomal-dominant vererbt sein dürften [3]. In Österreich leben dzt. ca. 130.000 Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, und im Jahr 2050 werden ca. 250.000 Neue Demenzkriterien Menschen an einer Demenz leiden. Ca. 1 Mrd. Euro werden für die Versorgung von Demenzkranken aufgewendet, wo- Für die Diagnose einer Alzheimerdemenz (AD) nach ICD- bei 75 % für nichtmedizinische, 25 % für medizinische und 10-Kriterien müssen die kognitiven Funktionen mindestens ca. 6 % für Medikamentenkosten gerechnet werden können. 6 Monate gestört sein. Zu diesem Zeitpunkt ist es zu einem ex- Eine klinische diagnostizierte Alzheimerdemenz (AD), allei- zessiven Neuronenuntergang gekommen, so dass unsere the- ne oder in Kombination mit anderen Demenzerkrankungen, rapeutischen Strategien zu spät beginnen. Die Erforschung ist für 90 % der Demenzfälle verantwortlich. Bis zu 2/3 der neuer Biomarker ermöglicht mittlerweile die Diagnose ei- Patienten haben begleitende andere Pathologien, vor allem ner Alzheimerkrankheit (AK) im prädementiellen und präkli- zerebrovaskuläre Läsionen und Lewy-Körperchen, die zur nischen Stadium. Aus diesen Gründen konnte eine Arbeits- symptomatischen Ausgestaltung der Demenz beitragen kön- gruppe um Bruno Dubois bereits im Jahr 2007 neue Demenz- nen [1]. Sekundäre Demenzerkrankungen als Folge anderer kriterien aufstellen [4]. Grunderkrankungen dürften weniger als 5 % ausmachen [2]. Am häufigsten finden wir die sporadische Form der Alzhei- Ein Defizit des episodischen Gedächtnisses, das in einem dif- mererkrankung und wesentlich seltener können autosomal- ferenzierten verzögerten Worterinnerungstest nachweisbar ist dominante Formen dokumentiert werden. Diese machen nur (zumeist „Free and Cued Selective Reminding Test“, FCS- ca. 1 % aller Alzheimerkrankheiten (AK) aus. In der von uns RT), verbunden mit einer medialen Temporallappenatrophie noch immer verwendeten ICD-10-Diagnostik kann zwischen im MRT, reichen für die Diagnose einer AD aus. Auch abnor- präseniler (vor dem 65. Lebensjahr) und seniler (nach dem 65. me Liquorparameter (reduziertes A-Beta 42 und/oder erhöh- Lebensjahr) Form unterschieden werden. Nur 1–6 % entfallen tes Tau oder Phosphautau), eine reduzierte Glukosemetaboli- sierung im FDG-PET, ein positives Beta-Amyloid-PET oder nachgewiesene autosomal-dominante Mutationen sichern die Eingelangt am 27.03.2015, angenommen nach Review am 19.06.2015 Demenzdiagnose. Dadurch werden Patienten früher objekti- Aus dem Karl-Landsteiner-Institut für Gedächtnis- und Alzheimerforschung und viert, diagnostiziert und die Therapie kann früher beginnen. Memory Clinic im SMZ-Ost Korrespondenzadresse: OA Doz. Dr. Michael Rainer, Psychiatrische Abteilung, In den letzten zwei Jahren wurden in klinischen Studien zu Donauspital/SMZ-Ost, A-1220 Wien, Langobardenstraße 122, neuen Antidementiva diese Kriterien bereits verwendet. Eini- E-mail: michael.rainer@wienkav.at ge Jahre später wurde von der selben Arbeitsgruppe ein neues J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (3) 111 For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung Abbildung 1: Das neue Lexikon der Definitionen der Alzheimer- krankheit. Nachdruck mit Genehmigung aus [6], © Elsevier. Alzheimer-Disease-Lexikon publiziert, das nun zwischen prä- heitsmodifizierende Therapiestrategien benötigt man eine klinischen Stadien, asymptomatischen Stadien mit Risiko und möglichst 100 %ige Sicherheit, dass die Patienten auch die präsymptomatischer AK, neben einer prodromalen AK und Krankheit aufweisen, die man behandeln möchte. dem bekannten Mild-cognitive-Impairment (MCI) unterschei- det. Lt. den Autoren ist der besondere Wert dieser neuen De- Die AK kann dadurch mit einem hohen Grad an Wahrschein- finitionen die potenzielle Applikation bei klinischen Studien lichkeit in einem frühen Stadium erkannt werden. Bisher war von krankheitsmodifizierenden neuen Medikamenten und Im- die AK als klinisch-pathologische Entität definiert. Nunmehr munotherapien. Klinische Studien, deren Ziel es ist, den Be- wird sie als klinisch-biologische Entität definiert sein und ist ginn von klinischen Symptomen zu verschieben, könnten Pa- dadurch nicht mehr länger als Demenz definiert, sondern be- tienten, die „asymptomatisch hinsichtlich des Risikos für AK“ ginnt bereits mit den ersten klinischen Symptomen. Davor sind, oder „präsymptomatische Patienten in Bezug auf die kann man zwei unterschiedliche präklinische Stadien definie- AK“ integrieren. Im Sinne einer Sekundärprävention könn- ren: Zum einen die präklinische AK, bei der z. B. Patienten ten Patienten mit „prodromaler AK“ identifiziert werden und Gen-Mutations-Träger sind und definitiv die AK entwickeln in klinischen Studien mit neuen Medikamenten mit dem Ziel werden. Die zweite Gruppe sind Patienten, die „ein asympto- behandelt werden, die Weiterentwicklung zu schwereren De- matisches Risiko“ in sich tragen, die also kognitiv unauffäl- menzstadien zu verhindern. lig erscheinen, aber positive Alzheimerbiomarker aufweisen. Ob im Verlauf daraus eine AD resultiert, ist von vielen Fak- 2010 hat die „International Working Group for New Research toren abhängig. Insgesamt wird dadurch die Forschung in die Criteria for the Diagnosis of AD (Alzheimer Disease)“ ein neu- Richtung frühere Diagnose, bessere Behandlung und besse- es Lexikon als Bezugspunkt für die frühe Diagnose von Alz- res Verständnis des Demenzverlaufs und des Therapieanspre- heimerpatienten in einem Grundsatzpapier entworfen (Abb. 1) chens gelenkt werden. [6]. Auch das „American National Institute on Aging“ (NIA) – Alzheimer-Association hat neue Kriterien für die Diagno- Darüber hinaus können nun auch zwischen „typischer AD“ se der AK vorgeschlagen, die alle klinischen Phänotypen bes- und „atypischer AD“ unterschieden werden. Dadurch wer- ser definieren und die neuesten integrieren. Dadurch kann das den auch seltenere, weniger gut charakterisierte, klinische gesamte Spektrum der Alzheimerkrankheit genauer definiert Phänotypen, wie z. B. die „logopenische Aphasie“ integriert. und in Stadien unterteilt werden [5]. Studien zu Solanezumab „Mixed-AD“ liegt bei jenen Patienten vor, die die Kriterien für die Alzheimerkrankheit zeigten, dass bei 36 % eine falsche für eine typische AK aufweisen und zusätzliche zerebrovas- Diagnose vorlag. Neue Biomarker können signifikant die dia- kuläre Erkrankungen oder eine LBD (Lewy-Body-Demenz) gnostische Verlässlichkeit steigern. Vor allem für neue krank- aufweisen. 112 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (3)
Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung Das präklinische Stadium der AK umfasst sowohl das „asym- ptomatische Risikostadium“ als auch die „präsymptomatische AK“ und bezieht sich auf die sehr lange asymptomatische Phase zwischen den frühesten pathogenetischen Ereignissen und dem ersten Auftreten spezifischer kognitiver Veränderun- gen. Vor allem jene Personen, die dadurch identifiziert werden können, sind die idealen Kandidaten für künftige krankheits- modifizierende Substanzen in klinischen Studien. Neurokognitive Störungen ersetzen den Demenzbegriff im DSM-5 2013 erschien das neue „Diagnostic and Statistical Manu- al of Mental Disorders“ (DSM-5) der American Psychiatric Association. Die deutlichsten Veränderungen im Vergleich zu DSM-4 dürften im Kapitel neurokognitive Störungen zu finden sein [7]. Hier wurde der klassische Demenzbegriff nicht mehr Abbildung 2: Neukonzeptualisierung im DSM-5: „neurokognitive Störungen“. Nach- explizit angeführt, sondern nun unter der neuen umfassen- druck mit Genehmigung aus [7], © Springer Verlag. NCD = neurokognitive Störung deren Kategorie „neurokognitive Störung“ subsumiert. Dar- unter fallen nun auch die früheren Bezeichnungen Mild-cog- DSM-5 sind diese jedoch nicht Kernsymptome. Hirnentwick- nitive-Impairment (MCI), amnestische Störungen oder leich- lungsstörungen und neurodegenerative Erkrankungen im Kin- te kognitive Beeinträchtigungen. Neurokognitive Störungen desalter (z. B. Rettsyndrom) weisen ebenso kognitive Störun- umfassen nun sämtliche kognitive Beeinträchtigungen. Diese gen auf, sind jedoch nicht sekundär erworben. können auch bei anderen psychiatrischen Krankheitsbildern auftreten. Diese neue diagnostische Gruppe geht von der im Neu ist die genaue und detaillierte Beschreibung der wich- DSM-4 bekannten Bezeichnung „Delir, Demenz, amnestische tigsten kognitiven Domänen, wie oben angeführt. Für diese und andere kognitive Störungen“ aus. Neuropsychologische einzelnen Domänen werden sowohl klinische Symptome, als Merkmalsdomänen werden systematisch und umfassend ein- auch verschiedene kognitionswissenschaftliche Teilfunktio- geführt, und zwar als kategoriales Symptom und auch als nen beschrieben. Für diese stehen zumeist quantitative Tests dimensionale Variable. Innerhalb der neurokognitiven Störun- zur Verfügung. Standardisierungen zum Alter und zum Bil- gen werden 6 kognitive Domänen unterschieden: 1. komplexe dungshintergrund werden noch gefordert und sind in Zukunft Aufmerksamkeit, 2. exekutive Funktionen, 3. Lernen und Ge- vorzunehmen. Vor allem die Domänen Sprache und soziale dächtnis, 4. Sprache, 5. perzeptuell-motorische Fähigkeiten, Kognition (vor allem Empathie) werden neu beschrieben im 6. soziale Kognitionen. Vergleich zum DSM-4. Hier wurden die Bereiche Gedächt- nisstörung, Apraxie, Aphasie, Agnosie und gestörte exekutive Störungen in diesen Domänen sind – je nach dimensionaler Funktionen kategorial und global formuliert. Dies trägt vor al- Ausprägung – obligatorisch nachzuweisen. Beim Delir wird lem den frontotemporalen neurokognitiven Störungen Rech- z. B. zwischen persistierend oder akut und zwischen hyper- nung. Die Domäne komplexe Aufmerksamkeit ist wichtig für und hypoaktiv differenziert. Auch im DSM-5 versuchte man, alle vaskulären Prozesse und Ursachen. die intensiven Forschungsfortschritte der letzten Jahre und die neuen zahlreichen Diagnosedefinitionen zu integrieren. Durch Einer der Gründe für die Nicht-mehr-Verwendung des Termi- die neue Definition werden vor allem Möglichkeiten zur Früh- nus „Demenz“ war die negative Konnotation. Das Wort De- diagnostik im Vorfeld der klassischen Demenzerkrankungen menz ist stigmatisierend und wird von jüngeren Patienten mit diagnostisch erschlossen (Abb. 2). z. B. HIV-Demenz nicht mehr akzeptiert. Der neue Terminus trägt dem Absinken von einem früher höheren Funktions- Im ICD-10 und im DSM-3 wurde noch der Vorläuferbegriff niveau hin zu einem neuen Defizit Rechnung. War in der alten „organisch bedingte psychische Störungen“ verwendet. Da Demenzterminologie das Vorhandensein einer Gedächtnis- man heutzutage weiß, dass fast alle anderen psychischen Stö- störung obligat, so spielt dies nun keine so dominante Rolle rungen ebenso eine organische Grundlage besitzen, ist dieser mehr. Bei manchen Demenzformen, wie z. B. der frontotem- Vorläuferbegriff nicht mehr zeitgemäß gewesen. Im DSM-5 poralen Demenz, treten vor Gedächtnisstörungen Persönlich- wird der Versuch unternommen, für die vielen, zumeist vonei- keits- oder Verhaltensveränderungen auf. Nach neuer Termi- nander unabhängig forschenden Arbeitsgruppen einen gemein- nologie ist zunächst die Präsenz einer neurokognitiven Stö- samen Nenner zu finden. Obwohl die Biomarkerforschung in rung gefordert und danach erfolgt die Einteilung in „minore“ den letzten 10 Jahren große Fortschritte aufweist, wurde sie oder „majore neurokognitive Störungen“. für die klinische Praxis als noch nicht anwendbar angesehen. Grund dafür ist eine mangelnde Standardisierung [8]. Eine „minore neurokognitive Störung“ ist folgendermaßen definiert: Abfall der kognitiven Leistung von einem früheren Kernsymptome im DSM-5 sind vor allem erworbene kogni- Leistungsniveau, basierend auf der Beschreibung des Patien- tive Beeinträchtigungen. Allerdings werden zwei Einschrän- ten, eines Informanten oder des Klinikers. Die Testleistungen kungen gemacht: Hier finden sich kognitive Störungen auch müssen ein oder zwei Standardabweichungen unter den Nor- bei Schizophrenie, bipolaren Störungen und Psychosen. Im men der Tests oder einer klinischen Evaluation liegen. Die J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (3) 113
Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung kognitiven Defizite dürfen nicht zu einem Verlust der Unab- chen LBD gestellt. Patienten mit einer möglichen LBD wei- hängigkeit führen oder delirbedingt oder durch andere psychi- sen nur ein Kernmerkmal auf und ein oder mehr supportive atrische Erkrankungen (schwere Depression, Schizophrenie) Merkmale und dementsprechend unsicher ist die Diagnose. verursacht sein. Wie gering die diagnostische Sicherheit ist, zeigt eine Studie, wonach nur 63 % der Patienten mit einer klinisch wahrschein- Eine „majore neurokognitive Störung“ ist definiert durch die lichen LBD-Diagnose im Follow-up einen abnormalen I-FP- Evidenz eines schwerwiegenden kognitiven Abfalls von einem CIT-Scan aufweisen [10]. Die klinische Diagnose LBD weist früheren Funktionsniveau. Die neurokognitiven Tests oder die eine relativ hohe Spezifität, aber eine äußerst niedrige Sensi- klinische Evaluation müssen 2 Standardabweichungen redu- tivität auf [11]. In Langzeit-Follow-up-Serien lag die Sensi- ziert sein und ein Autonomieverlust muss objektiviert sein. tivität durch I-FP-CIT-SpECT bei 100 % und die Spezifität bei 92 % in Post-mortem-Untersuchungen [12]. In einer ers- Nach kognitiver Testung mittels der meist verwendeten neu- ten großen europäischen Studie, an der auch unsere Arbeits- rokognitiven Tests (MMSE, Montreal Cognitive Assessment, gruppe teilnahm, und bei der ein Konsensus-Panel die klini- MOCA-Test) muss der ätiologische Subtyp der neurokogni- sche Diagnose stellte, erreichte der I-FP-CIT-Scan eine Sen- tiven Störung definiert werden. Diese Subtypen der majoren sitivität von 78 % und eine Spezifität von 90 % für die LBD und minoren neurokognitiven Störungen werden unterteilt in: gegenüber einer Nicht-LBD [13]. Die Unterscheidung ist we- Alzheimerkrankheit, frontotemporal, LBD, vaskulär, Schä- sentlich, da sich der Verlauf und das klinische Management del-Hirntrauma, substanz- oder medikationsinduziert, HIV- der LBD von anderen Demenzformen unterscheidet. Vor al- Infektion, Prionenkrankheit, Parkinsonkrankheit, Huntington- lem die Therapie der Parkinsonsymptomatik, der Schlafstö- Krankheit, andere medizinische Faktoren, multiple Ätiologie. rungen und der vegetativen Dysfunktionen, als auch die Anti- psychotika-Unverträglichkeit, sowie das noch bessere Anspre- Eine Herausforderung der neuen Einteilung im DSM-5 ist das chen auf Cholinesterasehemmer gegenüber den Alzheimerde- Nicht-Vorhandensein des in den letzten 10 Jahren bereits gut menzen, stellen große Herausforderungen für den Kliniker etablierten Begriffs des MCI. Die unterschiedlichen Definitio- dar. Cholinesterasehemmer verbessern kognitive Funktionen nen und Beschreibungen im Alzheimerlexikon, der amerika- und den klinischen Gesamteindruck. Memantin verbessert nur nischen Alzheimer-Association und des NIA werden sicher- den klinischen Gesamteindruck [14]. lich zur weiteren babylonischen Sprachverwirrung beitragen. So würde z. B. die Diagnose „Demenz durch AK“ der ame- Unser Studienzentrum führte im internationalen multizentri- rikanischen Alzheimer-Association und des NIA im DSM-5 schen Verbund eine aktuelle Studie durch, die die Hypothe- nun einer „minoren neurokognitiven Störung auf Grund einer se testete, dass ein I-FP-CIT-SPECT zu einer früheren und si- AK“ entsprechen. Unklarheiten bleiben sicher nicht nur bei cheren Diagnose von wahrscheinlicher LBD oder Nicht-LBD Klinikern oder Patienten, sondern auch in der Administration führen würde. Insgesamt wurden 187 Patienten mit mögli- und Abrechnung. cher LBD oder Nicht-LBD als Kontrollgruppe im Verhält- nis 2:1 randomisiert. Wichtigster Zielparameter war eine Ver- Die Wahrscheinlichkeit für einen AK bei MCI ist sehr hoch, änderung hin zur wahrscheinlichen LBD oder Nicht-LBD. wenn sowohl Biomarker für Beta-Amyloid als auch für Neu- Bei wesentlich mehr Patienten in der Imaging-Gruppe konn- rodegeneration vorhanden sind. Beta-Amyloid-Marker sind te eine Veränderung in der Diagnose nach 8 und 24 Wochen ein positives Amyloid-PET oder der Nachweis eines Amy- auf statistisch hoch signifikantem Niveau dokumentiert wer- loidfragments A-Beta1-42 im Liquor. Marker für die Neuro- den (61 % vs. 4 % nach 8 Wochen und 71 % vs. 16 % nach degeneration sind eine Hippocampusatrophie im MRT oder 24 Wochen). Die behandelnden Ärzte veränderten ihre Diag- PET, erhöhtes Liquor-Tau und spezifische Veränderungen im nose in 82 %, wenn der Scan abnormal war im Gegensatz zu FDG-PET, sowie SPECT. Eine mittelhohe Wahrscheinlichkeit nur 46 %, wenn dieser unauffällig war. Die Hauptaussage war, für eine AK bei MCI liegt dann vor, wenn die Biomarker für dass ein rechtzeitiger I-FP-CIT-Scan wesentlich zur Diagno- Beta-Amyloid oder für die Neurodegeneration einen positi- sesicherung beitragen konnte. Die Stärke der Studie war die ven Befund ergeben. Unwahrscheinlich ist eine AK bei MCI, relativ große Anzahl von möglichen LBD-Patienten (n = 187), wenn weder Biomarker für Beta-Amyloid noch für die Neuro- im Vergleich zur bisherigen größten untersuchten Kohorte von degeneration einen positiven Befund ergeben. Sollten die Bio- nur 44 Patienten von O’Brien aus dem Jahr 2009. Gewisse Li- marker divergierende Ergebnisse aufzeigen, so lässt sich kei- mitierungen waren das offene Design, die geringe 6-monatige ne Aussage treffen. Follow-up-Periode und das nicht Vorhandensein von neuropa- thologischen Untersuchungen [15]. Molekulares Imaging Nicht nur bei der LBD und der Parkinsondemenz, sondern 123 I-FP-CIT bei Lewy-body-Demenz (LBD) übertrifft die kli- auch bei der progressiven supranukleären Paralyse (PSP) nische Diagnosesicherheit. Basierend auf den Kriterien des sind die dopaminergen Funktionen beeinträchtigt. Bei der Lewy-Body-Demenz-Konsortiums [9] sind für die Diagnose LBD zeigt sich ein uniformer Verlust striataler dopaminerger LBD Kernmerkmale (Fluktuationen, spontane Parkinsonsym- Nervenendigungen. Nach einer initialen Aufnahmephase ver- ptomatik, visuelle Halluzinationen) und unterstützende Merk- bleibt der Tracer vor allem im Striatum, wohin die projizie- male (erhöhte Antipsychotikasensitivität, REM-Schlafverhal- renden dopaminergen Axone der Substantia nigra hinweisen. tensstörungen und geringe Dopamintransporteraufnahme in Für die Diagnose sind die Anzahl und die Morphologie der den Basalganglien) wesentlich. Je nach Anzahl der Kernmerk- bindenden Tracer wesentlich. Normal ist eine kommaförmige male wird die Diagnose einer möglichen oder wahrscheinli- Verteilung. Sind dopaminerge Neuronen reduziert, so geht das 114 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (3)
Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung posteriore und caudale Bindungsvermögen verloren und es er- Amyloid, so auch die letzten 6 rezenten Phase-III-Studien. In scheint eine Asymmetrie des Striatums. verschiedenen Tiermodellen konnten Immunotherapien die wichtigsten pathologischen Veränderungen wie Mikrogliose Amyloid-PET und Astrozytose reduzieren und gleichzeitig die kognitiven Funktionen verbessern. In klinischen Studien erzielte jedoch Entsprechend der vor über 20 Jahren beschriebenen Amylo- keine der Kandidatensubstanzen durchschlagende Erfolge, so id-Kaskaden-Hypothese, wonach Beta-Amyloid für die Ätio- dass Beta-Amyloid als primäre Zielvariable in Frage gestellt logie und Pathogenese der AK entscheidend ist und auch der wurde, ebenso Immunotherapien und das richtige Interven- Neuropathologe seine Diagnose nach dem Ausmaß der senilen tionsstadium. Ein rezentes Review über die wichtigsten Alz- Plaques, die aus Beta-Amyloid bestehen, stellt, kommt einer heimerdemenzstudien der letzten 10 Jahre (2002 bis 2012) frühzeitigen Darstellung des zerebralen Beta-Amyloids eine dokumentierte, dass insgesamt 413 Alzheimerstudien durch- wesentliche Bedeutung zu. Bereits vor über 10 Jahren konnten geführt wurden [19]. Von diesen entfielen 36,6 % auf symp- sehr kurzlebige Tracer, wie das Pittsburg Compound-B (PiB), tomatisch wirkende Substanzen, die die Kognition verbessern zentrales Beta-Amyloid darstellen. Jedoch hat erst die Synthe- sollten, 35,1 % auf krankheitsmodifizierende Therapien und se von neuen Tracern für das Beta-Amyloid-Plaque-Mapping 18 % auf krankheitsmodifizierende Immunotherapien. Krank- die Alzheimerforschung in den letzten 5 Jahren ganz wesent- heitsmodifizierende Studien sind verständlicherweise länger lich beflügelt [16]. Diese neuen Fluor-18-Tracer (Florbetaben, als symptomatische Behandlungsstudien. Die Erfolgsrate war Florbetapir, Flutemetamol) werden i.v. verabreicht, überque- mit 0,4 % extrem gering bzw. die Nicht-Erfolgsrate mit 99,6 % ren sehr schnell die Bluthirnschranke und lagern sich vorzugs- extrem hoch. Angesichts der Tatsache, dass die AD eine der weise an die amyloiden Plaques und können diese gut mar- größten Geiseln des höheren Alters darstellt, zeigen Studien- kieren. Die neue Amyloid-PET-Technologie hilft in der Diffe- datenbanken, dass relativ wenig klinische Studien durchge- rentialdiagnose schwieriger Demenzfälle und führt zu einem führt werden. Die Erfolgschance, dass eine Kandidatensub- tieferen Verständnis, wie amyloide Plaques akkumulieren und stanz von einer klinischen Phase in die andere aufsteigt und der Krankheitsprozess fortschreitet [17]. dass es eine Substanz schafft, in einen Zulassungsprozess zu kommen, gehört zu den geringsten von allen möglichen medi- Sollten wirksamere Antidementiva oder Immunotherapien zinischen Therapien. erforscht werden, so könnte das Amyloid-Imaging bei Men- schen mit einem erhöhten Risiko zur AK (Mutationsträger) Durch die vielen Misserfolge der erwähnten Therapieansätze oder bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung gewinnt das neue Konzept der ernährungsseitigen Behandlung auf Grund der AK zu einem früheren Therapiebeginn führen. zunehmend an Bedeutung. Neben den für Präventionszwecke Dadurch würde die AD möglicherweise hinausgezögert wer- bereits zahlreich beworbenen Nahrungsergänzungsmittel sind den. Beta-Amyloid-Plaques können Jahrzehnte vor Ausbruch die verschreibungspflichtigen „Medical Foods“ strenger wis- der Erkrankung entstehen, bevor kognitive Symptome evident senschaftlich geprüft und nur unter der Aufsicht von Ärzten werden. Die Plaques bleiben jedoch über den Verlauf der De- verschreibbar. Im Folgenden werden kurz die Grundlagen für menz hinweg relativ stabil und sind nicht mit dem Demenz- eine rationale Verwendung der neuen medizinischen Nah- abbau korreliert. Viele Ältere zeigen auch eine hohe Dichte an rungsergänzungsmittel gegeben. Plaques im Amyloid-PET, werden aber glücklicherweise kei- ne Demenz entwickeln. Ein Synapsenverlust und pathologische Veränderungen der Membranen treten interessanterweise bereits vor den Amyloid- Wann ist ein Amyloid-PET sinnvoll? [18] ablagerungen auf. Dieser Synapsenverlust geht einher mit 1. Für Patienten mit leichter kognitiver Störung, die andauert zunehmenden Gedächtnisstörungen [20]. Eine Reduktion oder zunimmt. des Synapsenverlustes und eine Verbesserung der pathologi- 2. Für Patienten, die Diagnosekriterien für eine Demenz bei schen Prozesse an den Membranen kann die Neurotransmis- möglicher Alzheimererkrankung erfüllen, jedoch einen sion verbessern und dadurch auch einen günstigen Einfluss atypischen klinischen Verlauf oder Hinweise auf eine ge- auf die kognitiven Funktionen ausüben. Alzheimerpatienten mischte Ätiologie zeigen. leiden an einem schlechteren Ernährungszustand als nicht 3. Bei Patienten mit einer präsenilen progressiven dementiel- demente Kontrollgruppen und zeigen dadurch auch eine len Erkrankung. schnellere Demenzprogression [21]. Neben Proteinmangel- zuständen und reduzierten Mikronährstoffen zeigt eine re- Ein Amyloid-PET sollte nicht eingesetzt werden: zente Metaanalyse, dass die Vitamine A, B12, C, E, D und 1. Bei Patienten, die die Diagnosekriterien für eine Demenz Folsäure signifikant verringert sind [22]. Auch die longitu- bei wahrscheinlicher Alzheimererkrankung erfüllen. dinale VITA- (Vienna Transdanube Aging-) Studie doku- 2. Zur Bestimmung des Schweregrades. mentierte, dass ein niedriger Folat-Blutspiegel ein eindeuti- 3. Bei positiver Familienanamnese oder bei genetischen Risi- ger Risikofaktor für eine spätere Alzheimerdemenz war [23]. kokonstellationen ohne klinische Symptomatik. Ebenso ist die hepatische Biosynthese ungesättigter Fettsäu- 4. Bei Patienten mit subjektiver kognitiver Störung. ren und deren Vorläufer-Substanzen reduziert. Phosphatidyl- ethanolamin und Docosahexaensäure (DHA) sind in Ge- Neue Therapiestrategien hirn, Leber und Plasma reduziert. Dies korreliert mit dem Hirnleistungsverlust. Auch die DHA-Vorstufe Eicosapenta- Die meisten klinischen Studien, die bis heute durchgeführt ensäure (EPA) weist eine reduzierte Leberbiosynthese auf wurden, richteten ihren Aufmerksamkeitsfokus auf Beta- und korreliert mit der reduzierten Kognition [24]. Folgt man J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (3) 115
Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung den meisten Publikationen zu diesem Thema, zeigt sich eine Präklinische Ergebnisse mit Souvenaid Korrelation zwischen dem dementiellen Syndrom und dem Die synaptische Dysfunktion wurde bereits in frühesten Sta- Plasmaspiegel von Omega-3 ungesättigten Fettsäuren, die dien der Alzheimerkrankheit als wichtigster pathophysiologi- wesentlich für den Synapsenaufbau sind, sowie bestimmten scher Prozess identifiziert. Eine frühzeitige Behandlung des Vitaminen. Synapsenverlustes und der membranassoziierten Pathologie sollten demzufolge günstige Auswirkungen haben. Präklini- Die meisten Hersteller von Nahrungsergänzungsmittel ver- sche Studien zeigten, dass die Zufuhr von Nährstoffen wie wenden diese Erkenntnisse, um ihre klinisch nicht geprüften Cholin und UMP eine vermehrte Aussprossung von dendri- Präparate in den Handel zu bringen. Anforderungen an die- tischen Fortsätzen und eine gesteigerte Protein-Expression se einfachen „Nutritional Supplements“ sind nur bestimm- sowie ein erhöhtes Wachstum der Axone ergab [26]. Beson- te hygienische Standards und die Einhaltung von Maximal- ders interessant sind Ergebnisse aus Tierversuchen, die zei- dosen. Im Gegensatz dazu dürfen „medizinische Nahrungs- gen, dass die Zugabe von Uridin bereits nach 4 Tagen die Neu- ergänzungsmittel“ nur auf gesicherten klinischen Erkennt- ritenanzahl pro Neuron und die Neuriten-Verzweigungen so- nissen beruhen und sie müssen auf den aktuellen Stand der wie den Neuritenprotein-Spiegel erhöht [27]. Eine UMP- und Wissenschaft verweisen können. Die Zulassungsbedingun- DHA-angereicherte Diät konnte bei Nagern die neuronale gen sind jedoch nicht so streng wie bei Arzneimitteln. Da die Membransynthese und die Synapsenanzahl deutlich steigern. vorhandenen Antidementiva, wie Cholinesterasehemmer und Durch die Dreier-Kombination von DHA, UMP und Cholin Memantin, nur symptomatisch bei leichter bis schwerer De- wurde im Tierversuch das Lernvermögen in unterschiedlichen menz wirksam sind und da es für das Vorläuferstadium der Gedächtnistests signifikant verbessert [28]. Da nur die Kom- leichten kognitiven Beeinträchtigung keine Zulassung von bination derartiger Nährstoffe zu diesen Ergebnissen führte, Antidementiva gibt, erlangen medizinische Nahrungsergän- schloss man daraus, dass es sich hierbei um einen synergisti- zungsmittel gegen Demenz immer mehr an Bedeutung. Von schen Effekt handelt, der einer Monotherapie mit einem ein- den vier dzt. zur Verfügung stehenden „Medical Foods“, wie zelnen Nährstoff deutlich überlegen ist. „Axona“, „Cerefolin“, „Acutil“ und „Souvenaid“ [25] haben wir die meisten Erfahrungen bisher mit Souvenaid und Acu- Sehr frühzeitig sind bei der AK die dendritischen Fortsät- til sammeln können. ze („Spines“) reduziert. Ohne diese dendritischen Fortsätze gibt es keine Synapsenbildung. Defizite in der Synapsenbil- Souvenaid® dung und in den dendritischen Fortsätzen können theoretisch Durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass nicht ein durch Reduktion der Degeneration oder durch Erhöhung der einzelner Nährstoff therapeutisch wirksam sein kann, sondern Produktion positiv beeinflusst werden. Um Synapsen zu pro- immer nur eine Kombination bestimmter Nährstoffkomplexe duzieren, benötigen die Neurone prä- und postsynaptische für die Prävention und Therapie in Frage kommen, Membranen und chemische Signale, die die Membranen in entwickelte die Industrie einen Nährstoffcocktail. Funda- Fortsätze und Synapsen umbilden. Neuronenmembranen sind mental dafür ist das Faktum, dass Synapsenverluste die ersten prinzipiell aus Lipiden (Phosphatide) bestehend, enthalten organischen Veränderungen bei Demenz darstellen und bei aber auch bestimmte charakteristische prä- und postsynapti- Alzheimerpatienten ein erhöhtes Nährstoffbedürfnis vorliegt sche Proteine. Vor allem 3 Nahrungskomponenten, wie Uri- und die synaptische Plastizität nur damit verbessert werden din, DHA und Cholin, weisen eine synergistische Wirkung kann. Souvenaid ist eine medizinische Trinknahrung mit ei- auf, um die Phosphatid-Synthese zu steigern. Eine Anreiche- nen patentierten Nährstoffkomplex, der sich aus langkettigen rung mit diesen Substraten ist wichtig für die Schlüsselen- Omega-3-Fettsäuren, Uridin, Monophosphat, Cholin, B-Vit- zyme der Biosynthese. Synapsin und Synaptophysin-Protei- aminen, Vitamin E, C und Selen, zusammensetzt. Mineral- ne werden dadurch gefördert. Uridin ist bei jedem Menschen stoffe sind Kofaktoren. Diese spezielle Nährstoffkombination im Blut vorhanden. Uridin ist aber nicht über Nahrungsstoffe unterstützt die Synthese von Phospholipiden und neuronalen bioverfügbar. Wie wichtig derartige Nahrungskomponenten Membranen sowie die Synapsenbildung. Die Phospholipid- sind, zeigt eine ganz aktuelle Studie, die durch derartige Nah- synthese verläuft über den Kennedy-Signalweg in mehreren rungskomponenten eine gesteigerte hippocampale cholinerge sehr energiereichen Schritten. Drei Nähr- und Inhaltsstoffe Neurotransmission bei gealterten Ratten (18 Monate) doku- wie Cholin, Uridin und PUFAs (mehrfach ungesättigte Fett- mentierte [29]. säuren) werden zur Phosphatidylcholinbildung benötigt. Für die De-Novo-Synthese von Phospholipiden sind Vorläufer- Klinische Studien mit Souvenaid moleküle wie DHA (Docosahexaensäure), UMP (Uridinmo- Die randomisierten Pilotstudien SOUVENIR-I und SOUVE- nophosphat) und Cholin essentiell. Besonders dem Uridin NIR-II untersuchten insgesamt 484 bisher nicht vorbehandel- kommt eine zentrale Bedeutung bei der Synapsenmembran- te Patienten mit AK im Frühstadium (MMSE Score 20–26) Bildung zu. Andere Kofaktoren, wie B6, B12 und Folsäure, über eine Therapiedauer von 3 bzw. 6 Monaten. Die 12-wö- sind zur Bereitstellung von Phosphatidylcholin notwendig. chige, an 225 Patienten in Europa und den USA durchgeführ- B-Vitamine können den Plasmaspiegel von DHA und Cho- te SOUVENIR-I Grundphase hatte Verbesserungen im Score lin erhöhen und die Methylierungskapazität im Rahmen der der Wechsler-Gedächtnisskala im Vergleich zu Placebo ge- Cholinsynthese positiv beeinflussen. Selen, Vitamin C und E zeigt (p = 0,02), nicht jedoch im ADAS-Cog Score [30]. Nach sind als Kofaktoren des Kennedy-Pathways wesentlich und dem Abschluss einer daran anschließenden 12-wöchigen dop- erhöhen die Bioverfügbarkeit der Vorläufernährstoffe. Durch pelt verblindeten Verlängerungsstudie, an der ca. 85 % der in die antioxidativen Eigenschaften wird der Peroxidation der SOUVENIR-I eingeschlossenen Probanden teilnahmen, wur- Membran entgegengewirkt. den die nunmehr 24 Wochen therapierten Patienten nach ih- 116 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (3)
Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung rer kognitiven Basisperformance getrennt ausgewertet. Hier geprüft, einem Schnelltest, der Begriffsbenennung, Gedächt- zeigte sich ein gerade noch signifikanter Behandlungserfolg nis und Wortfindung erfasst. Nach 3 Monaten zeigte sich ein im ADAS-Cog (p = 0,046) in Studienteilnehmern mit An- positiver Trend, der beim Studienende nach 6 Monaten signi- fangsscores von 25 und darüber, in Korrelation mit der ein- fikant war (p = 0,003; n = 13 + 13) [36]. Die Ergebnisse der genommenen Gesamtdosis [31]. Ein näher an der Normalität „Memory Improvement with DHA Study“ (MIDAS), die 485 liegender Ausgangswert des Body-Mass-Index war ebenfalls Personen mit einem „Mini-Mental State Exam Score“ > 26 ein modulierender Faktor hinsichtlich des Therapieerfolges; und einem „Wechsler Memory Scale III Baseline Score“ 1 Souvenaid bewirkte zudem eine – allerdings nicht statistisch Standardabweichungen unterhalb jüngerer Erwachsener über signifikante – Gewichtszunahme. 24 Wochen hinweg unter Verwendung des „CANTAB Paired Associate Learning Tests“ untersucht hatte, lassen sich in glei- Die von vorneherein auf 24 Wochen angelegte SOUVENIR- cher Richtung interpretieren [37]. Angesichts der zwar um- II-Studie an 259 europäischen Patienten zeigte zu Therapie- fangreichen, aber auch teilweise widersprüchlichen Datenlage ende unter Souvenaid einen signifikant (p = 0,023) verbes- zu den Auswirkungen ausschließlicher DHA-Supplementa- serten Z-Score in der Neuropsychiatrischen Testbatterie [32]. tion in verschiedenen Stadien der kognitiven Beeinträchtigung Unter Therapie hatten sich 40 % der Patienten diesbezüglich sind aber auch hier größer angelegte Doppelblindstudien mit verbessert, 19 % verschlechtert und 41 % waren stabil geblie- dem eigentlichen Präparat erforderlich. ben. In der Kontrollgruppe lauteten die entsprechenden An- teile 24 %, 34 % und 42 %. Ebenso zeigten sich Verbesse- Diskussion und Ausblick rungen im elektroenzephalographischen Delta-Band, das als Indikator der synaptischen Konnektivität gilt. Eine Sekundär- Die dysfunktionalen Formen des Tauproteins und deren Aus- auswertung der EEG-Daten von 179 Studienteilnehmern, ba- breitungsmodus sind mit dem Neuronenverlust enger korre- sierend auf einer explorativen Netzwerkanalyse, wurde jüngst liert als Beta-Amyloid. Die Tau-Neurofibrillen sind jedoch publiziert [33]; die mit Souvenaid behandelten Patienten zeig- wesentlich schwierigere Ziele als die Plaques. Sie sind weni- ten hier insbesondere auch im Beta-Band Parameter, die sich ger häufig und schwerer darstellbar, da sie innerhalb der Hirn- als größere Nähe zu einer normalen neuronalen Organisation nervenzellen liegen. Außerdem haben die Tauaggregate eine und entsprechend geordneten synaptischen Funktionen inter- gewisse strukturelle Ähnlichkeit mit den Beta-Amyloid-Ag- pretieren lässt. Auch in einer 24-wöchigen offenen Verlänge- gregaten und ein neuer Tau-Tracer müsste eindeutig zwischen rungsstudie erwies sich Souvenaid als sicher und – mit einer beiden unterscheiden können. Trotz dieser Schwierigkeiten Therapieadhärenz von über 95 % über insgesamt 48 Wochen werden einige Tau-Tracer-Kandidaten bereits bei Patienten – auch als sehr gut verträglich [34]. getestet. Ein Team der Tohoku-Universität in Sendai (Japan) beschrieb die ersten Versuche mit einem Tau-Tracer-Kandi- Das europäische LipiDiDiet-Konsortium, an dem auch der daten: THK-5105. Mit diesem Tracer konnten wichtige Hirn- Hersteller von Souvenaid beteiligt ist, führt derzeit mit För- regionen, die durch die Taupathologie beeinträchtigt waren, derung der Europäischen Union eine auf zwei Jahre angeleg- markiert werden; gleichzeitig wurden die Beta-Amyloid-Ab- te Studie an Personen mit „Mild Cognitive Impairment“ auf- lagerungen nicht dargestellt. Die Intensität des Tau-Labelings grund präklinischer bzw. prodromaler Alzheimer-Erkrankung war umso höher, je niedriger die kognitiven Testergebnisse bei durch, die von der University of Eastern Finland koordiniert dem Patienten waren [38]. wird und deren Ergebnisse 2015 berichtet werden sollen. Obwohl es wahrscheinlich in den nächsten 5 Jahren zu einer Als Zusatztherapie für bereits in medikamentöser Behandlung Zulassung neuer Tau-PET-Tracer kommen wird, dürften diese stehende Patienten scheint Souvenaid jedoch keine Vorteile zu in einer Prävention der AD eine geringe Rolle spielen, da die bringen. Eine 24-wöchige Studie (S-CONNECT) an 527 Pa- Taupathologie relativ spät im Alzheimerverlauf auftritt. Die tienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Krankheit gesamte Entwicklung der krankheitsmodifizierenden Thera- (MMSE Score 14–24, Mittelwert 19,4), die stabil auf Acetyl- pien geht dahin, dass eine frühest mögliche Diagnose gestellt cholinesterase-Inhibitoren eingestellt waren, ergab trotz der wird, am besten im asymptomatischen Stadium bei noch kog- erwarteten Änderungen der einschlägigen nutritionellen Bio- nitiv Normalen. Dafür ist die Darstellung des Beta-Amyloids marker keine Verbesserungen auf der ADAS-Cog-Skala (Un- der beste Indikator. Da die ersten Anti-Tau-wirkenden Thera- terschied zu Placebo 0,37 ± 0,57 Punkte, p = 0,513) [35]. piestrategien jedoch auch schon in Phase II getestet werden, ist diese neue Technik natürlich auch nicht mehr wesentlich Acutil® für die Diagnose, aber für das Ansprechen und die Verlaufsdo- Der Fokus dieses in Form von Kapseln vermarkteten Präpa- kumentation. Andere „Tau-Pathien“ sind die frontotemporale rates liegt auf -3-ungesättigten Fettsäuren (in erster Linie Demenz und die kortikobasale Degeneration, die progressive DHA) und gibt sich damit als Ziel eindeutig die Erhaltung der supranukleäre Paralyse (PSP) und auch die chronisch trauma- Integrität neuronaler Membranen. Aufgrund der Zugabe von tische Enzephalopathie. Hierbei dürften vor allem die Subs- Gingko-Extrakten ist auch von einem gewissen Beitrag der tanzen EBB 3 aus Japan und Avid’s 807 die Nicht-Alzheimer- bekannten antioxidativen, neurotrophen und vaskulären Ef- Tau-Pathien abbilden können. An einem Alpha-Synuclein- fekte der darin enthaltenen Bilobalide auszugehen. (AS-) Tracer zur frühen Darstellung der Parkinsonkrankheit wird mit Unterstützung der Michael J-Fox-Foundation bereits Eine Pilotstudie verglich zwei Gruppen von jeweils 15 Perso- gearbeitet. Die PET-Tracerentwicklung geht weiter, sodass nen mit MCI (mittleres Alter 72,5 Jahre), von denen eine Acutil auch in Zukunft das Tau-modifizierende Enzym GSK-3, be- einnahm. Die kognitive Leistung wurde mit dem sog. Fototest stimmte Metallionen in den Amyloid-Plaques und die bei der J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (3) 117
Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik und -behandlung Alzheimer begleitenden Inflammation ausgeschütteten Zyto- and meta analysis. Alzheimers Dement 2013; 31. Kamphius PJ, Verhey FR, Olde Rikkert MG, 1–18. et al Efficacy of a medical food on cognition kine dargestellt werden können. 23. Hinterberger M. Zehetmayer S, Jungwirth in Alzheimer’s disease: results from second- S, et al. High cortisol and low folate are the ary analyses of a randomized, controlled trial. only routine blood tests predicting probable J. Nutr.Health Aging 2011; 15: 720–4. Interessenkonflikt Alzheimer’s disease after age 75-results of 32. Scheltens P, Twisk JW, Blesa R, et al. the Vienna Transdanube Aging Study. J Am Efficacy of Souvenaid in mild Alzheimer’s dis- Geriatr Soc 2013; 61: 648–51. ease: results from a randomized, controlled Vorträge für GE-Healthcare, Nutricia und CSC, deren Präpa- 24. Astarita G, Jung KM, Berchtold NC, et al. trial. J Alzheimers Dis 2012; 31: 225–36. rate erwähnt wurden. 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