Die internationale Finanzkrise: Bedrohung für die globale Wirtschaft - Wie alles begann - Dr. Bernhard Gräf Senior Economist
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Die internationale Finanzkrise: Bedrohung für die globale Wirtschaft - Wie alles begann Dr. Bernhard Gräf Senior Economist bernhard.graef@db.com
Gliederung Auf Sand gebaut – die US Sub-prime Krise 1 wird zur internationalen Finanzkrise Ausprägungen der Finanzkrise 2 – der Knackpunkt: Lehman Brothers Die Politik greift ein – Liquiditätsspritzen, 3 Zinssenkungen und staatliche Rettungspakete 4 Die Weltwirtschaft gerät ins Taumeln Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 2
Gliederung Auf Sand gebaut – die US Sub-prime Krise 1 wird zur internationalen Finanzkrise Ausprägungen der Finanzkrise 2 – der Knackpunkt: Lehman Brothers Die Politik greift ein – Liquiditätsspritzen, 3 Zinssenkungen und staatliche Rettungspakete 4 Die Weltwirtschaft gerät ins Taumeln Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 3
Die US Sub-prime Krise: Ursachen Abschlussbericht der President‘s Working Group on Financial Markets (Vertreter des US Finanzministeriums, der Fed, der Securities and Exchange Commission (SEC) und der Commodity Futures Trading Commission) sieht Ursachen der aktuellen Finanzkrise in Absenkung der Kreditvergabestandards im Bereich der Sub-prime Hypotheken Erosion der Marktdisziplin bei allen Beteiligten beim Verpacken bzw. Verbriefen Fehler bei der Bewertung solcher und anderer, noch komplexer strukturierter Wertpapiere durch die Rating-Agenturen Schwächen im Risikomanagement der Finanzinstitute und Schwächen bei den Aufsichtsbehörden Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 4
… und was ist mit der US Notenbank? USA: Leitzins & Hypothekenzins Nach Platzen der New Economy % 9 11 Bubble hat Fed Leitzins von 6,50% (Anfang 2001) auf 1% (Mitte 2003) 8 10 Federal Funds Target Rate (links) gesenkt und 1 Jahr auf diesem 7 9 niedrigen Niveau belassen … 6 5 8 … dies hat wohl erst den Boden für die 7 Übertreibungen am Immobilienmarkt 4 6 geschaffen 3 5 2 Hypotheken- 1 zins (rechts) 4 0 3 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 Quelle: Fed, Freddie Mac Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 5
Liquidität floss diesmal überwiegend in den Immobilienmarkt … Hypothekenverschuldung stark Anteil Hypotheken an Gesamt- ausgeweitet verschuldung auf Rekordniveau % gg.Vj. % verf. Einkommen (links), % (rechts) 200 68 16.0 Anteil Hypotheken an Hypothekenverschuldung Gesamtverschuldung (rechts) 67 14.0 Verfügbare Einkommen 180 66 12.0 BIP 65 160 10.0 64 140 63 8.0 62 6.0 120 61 4.0 60 100 Gesamtverschuldung 2.0 59 privater Haushalte (links) 80 58 0.0 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 Quelle: Fed Quellen: Fed, BEA Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 6
… und trieb Immobiliennachfrage, Hauspreise und den privaten Konsum … Hauspreise 2001 bis 2006 um fast Steigende Preise und fallende 14% p.a. gestiegen Zinsen ermöglichten Cash-Outs % gg.Vj. (links), Index 2000 = 100 (rechts) Mrd USD (links), % verf. Einkommen (rechts) 25.0 260 400.0 4.0 Mrd USD (links) 20.0 350.0 3.5 230 % verf. Einkommen (rechts) 15.0 300.0 3.0 10.0 200 5.0 250.0 2.5 170 0.0 200.0 2.0 -5.0 140 150.0 1.5 -10.0 110 100.0 1.0 -15.0 80 50.0 0.5 -20.0 -25.0 50 0.0 0.0 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 93 95 97 99 01 03 05 07 Quelle: S&P/Case Shiller Quelle: Freddie Mac Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 7
… innovative Finanzierungsformen und Verbriefungen wirkten als Beschleuniger … In den vergangenen Jahren wuchs der MBS-Markt dramatisch Markt für Hypotheken besicherte Wertpapiere kräftig gewachsen Neugeschäft in 2001 bis 2007 mit MBS = Mortgage-backed Securities, durchschnittlich USD 2 000 Mrd. Neugeschäft, Mrd. USD gegenüber 1990 bis 2000 vervierfacht 3500 Vor allem private MBS kräftig gewachsen, 3000 Private MBS Anteil an gesamten MBS von 1996 bis Agency MBS 2006 vervierfacht; private MBS 2500 Neuemissionen zuletzt nahezu zum 2000 Erliegen gekommen 1500 Selbst Ex-Fed Präsident Alan Greenspan 1000 gab zu, dass ihm die Dynamik der 500 Entwicklung erst sehr spät klar wurde 0 Keiner der beteiligten Akteure 1996 1998 2000 2002 2004 2006 J/Aug (Hauskäufer, Hypothekenbanken, Rating- 2008 auf Jahresbasis Agenturen, Politik/Aufsicht) hatte einen Quelle: SIFMA Anreiz einzugreifen Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 8
… die Suche nach Rendite verstärkte diese Entwicklung noch … Rendite merklich gesunken Boom wurde durch Investorennachfrage Rendite 10J Staatsanleihen, % nach strukturierten, höher verzinslichen 7.0 Wertpapieren in einer Zeit hoher 6.5 USA Liquiditätsüberschüsse und niedriger 6.0 Deutschland Renditen noch verstärkt 5.5 Dies gilt nicht nur für die USA (siehe IKB, 5.0 Sachsen LB) 4.5 4.0 3.5 3.0 2.5 00 02 04 06 08 Quelle: DB Research Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 9
… und ermöglichte so erst das rasante Wachstum im Sub-prime Segment Sub-prime Neugeschäft zeitweise 20% Sub-prime Bestand etwa 12% Ausstehendes Hypothekenvolumen Ende 2007: 700 25 Insgesamt ca. USD 11.000 Mrd. Sub-prime ca. USD 1.300 Mrd. 600 Mrd USD (links) Subprime in % (rechts) 20 fixed 6% Subprime 500 adjustable 6% 15 400 FHA 8% 300 10 200 5 Prime 100 adjustable Prime fixed 15% 0 0 65% 1998 2000 2002 2004 2006 Quelle: OECD Quelle: Fed, MBA Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 10
Sub-prime Schuldner haben fragwürdige Bonität Schwierigkeiten, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu dokumentieren eine Finanzierungsquote höher als 85% eine Schuldendienstquote von über 55% des verfügbaren Einkommens und damit ein erheblich höheres Ausfallrisiko Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 11
Sub-prime Hypotheken frei nach dem Slogan: „Nichts ist unmöglich!“ „Teaser Rate Hypotheken“ (äußerst niedrige Zinsen am Anfang, spätere Anpassung an Marktzins) „Interest Only“ oder „Balloon Hypotheken“ (für die ersten Jahre müssen nur Zinsen bezahlt werden) „Payment Option Hypotheken“ (Hypothekennehmer kann selbst über die monatliche Rückzahlung entscheiden, Differenz wird der Hypothek zugeschlagen) „Negative Equity Hypotheken“ „Lügner Hypotheken“ (Angaben zu Einkommen werden nicht geprüft) „NINJA Hypotheken“ (Hypothekennehmer mit No Income, No Job, (No) Assets) Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 12
Die Folge: „Bubble“ im Wohnungsbau … Neubaubeginne Anfang 2006 Investitionsquote drastisch gestiegen auf Rekordniveau Wohnungsneubaubeginne in 1 000, Jahresbasis Wohnungsbauinvestitionen in % des BIP 2300 6.5 2100 6.0 1900 5.5 1700 Durchschnitt 5.0 1965-2000 1500 4.5 1300 4.0 1100 900 3.5 700 3.0 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 Quelle: US Census Quellen: BEA, DB Research Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 13
… die infolge der geldpolitische Straffungen der Fed platzte … Fed Straffung ließ Hypothekenzinsen steigen Fed erhöhte Leitzins von Mitte 2004 bis Mitte 2006 von 1% auf 5,25% % In der Folge stiegen die 6 6.5 Fed Funds Rate (links) Hypothekenzinsen um rund 150 5 6.0 Basispunkte 4 Hauspreisanstieg wurde drastisch 5.5 gebremst, zuletzt -17% unter Vorjahr 3 (Case Shiller Hauspreisindex) 5.0 2 Hypotheken- 4.5 1 zins (rechts) 0 4.0 04 06 08 Quellen: Fed, Freddie Mac Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 14
… und eine tiefe Rezession im Wohnungsbau auslöste Neubaubeginne auf Niveau Investitionsquote merklich unter früherer Baurezessionen langjährigen Trend gefallen Wohnungsneubaubeginne in 1 000, Jahresbasis Wohnungsbauinvestitionen in % des BIP 2300 6.5 2100 6.0 1900 5.5 1700 Durchschnitt 5.0 1965-2000 1500 4.5 1300 4.0 1100 900 3.5 700 3.0 80 84 88 92 96 00 04 08 80 84 88 92 96 00 04 08 Quellen: BEA, DB Research Quelle: US Census Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 15
Zinsanstieg brachte besonders finanzschwache Haushalte in Schwierigkeiten … Sub-prime Hypotheken mit erster Zinsanpassung Bei den zwischen 2004 und 2005 mit sehr niedrigen Teaser Rates vergebenen Mrd. USD Hypotheken des Sub-prime Segments 30 kam es ab 2006 zu massiven 25 Zinsanpassungen Zwischenzeitliche Leitzinssenkungen 20 haben dieses Problem allerdings zuletzt etwas entspannt 15 10 5 0 2007 2008 2009 2010 2011 Zeitpunkt der ersten Zinsanpassung Quelle: DB Global Market Research, SilverStreet Capital Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 16
… Schuldendienst und Ausfallraten stiegen kräftig an und brachten eine Lawine ins Rollen Schuldendienst von Hausbesitzern in Fast jede fünfte Sub-prime Hypothek der Spitze um gut 3%-Punkte gestiegen mit Zahlungsproblemen Hypotheken mit Rückzahlungsverzug von 60 Tagen und länger sowie in Zwangsvollstreckung, % Schuldendienst in % des verfügbaren Einkommens 20 19 ARM Hypotheken = Adjustable Rate Mortgages 18 16 18 14 Subprime 17 12 10 16 8 15 6 4 14 Prime 2 0 13 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 Quelle: MBA Quelle: Fed Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 17
Zweckgesellschaften mit hohen außerbilanziellen Risken für Banken – aus langfristig wird kurzfristig Hinzu kam bei Finanzinstituten die Asset-backed Commercial Paper: Übernahme von zuvor außerbilanziell Volumen drastisch gesunken gehaltener Investmentvehikel, die Ausstehendes Volumen, Mrd. USD 1300 verbriefte US Hypotheken hielten und 1200 bis dahin kurzfristig mit Asset-backed Commercial Papers finanzierten 1100 1000 Erhebliche Refinanzierungsprobleme 900 durch Asset-backed Commercial 800 Papers führten zu Inanspruchnahme 700 von Kreditlinien und zu einem 600 dramatischen Vertrauensverlust unter Banken 500 400 Ausstehendes Volumen von ABCP 01 02 03 04 05 06 07 08 seit Mitte 2007 nahezu halbiert Quelle: Fed Damit schwappte die Krise, die ihren Ursprung in langfristigen US Hypotheken hatte, auf die kurzfristigen Märkte weltweit über Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 18
Zwischenfazit: Aus der Sub-prime Krise wurde die internationale Finanzkrise Durch die Verbriefung von US Hypothekenkrediten (einschließlich des Sub-prime Segments), der Verpackung der unterschiedlichen Risiken zu Paketen und dem weltweitem (Weiter-)Verkauf wurde bei steigenden Zinsen und damit zunehmenden Ausfallraten bei US Hypothekenkrediten das eigentlich amerikanische Problem zu einem Problem bei internationalen Investoren, die diese Risiken hielten Viele Finanzinstitute hielten diese Papiere zunächst außerbilanziell in Investmentvehikeln, die sich durch Ausgabe von Asset-backed Commercial Papers kurzfristig finanzierten Nach dem Platzen der US Immobilienblase kam Finanzierung ins Stocken, Kreditlinien mussten gezogen werden und das Vertrauen der Banken untereinander brach zusammen Damit wurde die internationale Finanzkrise zur Vertrauenskrise der Banken Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 19
Gliederung Auf Sand gebaut – die US Sub-prime Krise 1 wird zur internationalen Finanzkrise Ausprägungen der Finanzkrise 2 – der Knackpunkt: Lehman Brothers Die Politik greift ein – Liquiditätsspritzen, 3 Zinssenkungen und staatliche Rettungspakete 4 Die Weltwirtschaft gerät ins Taumeln Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 20
Finanzinstitute haben bislang weltweit fast USD 1 000 Mrd. wertberichtigt Abschreibungen Abschreibungen von Banken Mrd. USD Mrd. USD 981 Wachovia 97 Welt Citigroup 67 723 Merrill Lynch 56 UBS 49 Washington Mutual 46 669 HSBC 33 Europa Bank of America 27 429 National City Corp. 26 JP Morgan Chase 21 282 Lehman 16 Amerika Morgan Stanley 16 265 R.B. of Scotland 15 Wells Fargo 15 Finanzinstitute insg. Bayerische 14 30 IKB 13 Asien Banken Credit Suisse 13 29 Deutsche Bank 12 0 200 400 600 800 1000 1200 0 20 40 60 80 100 120 Quelle: Bloomberg Quelle: Bloomberg Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 21
Die Finanzkrise: Dramatische Verschärfung nach dem Fall von „Lehman Brothers“ USA: Geldmarktentwicklung USA: Geldmarktentwicklung % % 8 8 3M Geldmarktsatz Konkurs 7 7 Lehman Brothers 3M Geldmarkt- 6 6 satz 5 5 4 4 3 3 2 2 Fed Funds Fed Funds Zielrate 1 Zielrate 1 0 0 Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez 04 05 06 07 08 2008 Quellen: Fed, DB Research Quellen: Fed, DB Research Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 22
Spreadausweitung weltweit am Geldmarkt … … und auch bei Unternehmensanleihen Geldmarktspreads USA: Renditespreads Rendite Industrie- gg. Staatsanleihen, Bp. 3M Satz minus Leitzins, Bp. 700 350 Rating: 300 600 Aaa 250 Aa 500 A EUR Baa 200 USD GBP 400 150 100 300 50 200 0 100 -50 0 -100 06 07 08 07 08 Quelle: Fed Source: DB Research Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 23
Aktienmärkte im Sturzflug … USA: Aktienmarktentwicklung USA: Aktienmarktentwicklung S&P 500, 1941/43 = 10 S&P 500, 1941/43 = 10 1400 1700 1600 1300 1500 1200 1400 1300 1100 1200 1000 1100 1000 900 Konkurs Lehman Brothers 900 800 800 700 700 Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez 04 05 06 07 08 2008 Quelle: Global Insight Quelle: Global Insight Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 24
… mit steigender Unsicherheit USA: Aktienmarktvolatilität USA: Aktienmarktvolatilität Implizite Volatilität, US VIX (S&P 500) Implizite Volatilität, VDAX 90 80 80 70 Konkurs 70 60 Lehman Brothers 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 04 05 06 07 08 Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Quellen: Bloomberg 2008 Quellen: Bloomberg Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 25
Zwischenfazit: Dramatische Verschärfung nach dem Fall von Lehman Brothers Finanzkrise konnte durch Krisenmanagement (u.a. Rettung von Bear Stearns und AIG, Verstaatlichung von Freddie Mac und Fannie Mae, Sicherung der IKB) in Schach gehalten werden Zunehmende Erwartung, dass Notenbanken bzw. Regierungen Finanzinstitute retten werden Nach dem Fall von Lehman Brothers, der bis dahin fünftgrößten amerikanischen Investmentbank, brachen die Dämme Dramatische Verschärfung der Krise, die sich trotz der zwischenzeitlich verabschiedeten staatlichen Rettungspaketen, nur wenig entspannt hat Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 26
Gliederung Auf Sand gebaut – die US Sub-prime Krise 1 wird zur internationalen Finanzkrise Ausprägungen der Finanzkrise 2 – der Knackpunkt: Lehman Brothers Die Politik greift ein – Liquiditätsspritzen, 3 Zinssenkungen und staatliche Rettungspakete 4 Die Weltwirtschaft gerät ins Taumeln Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 27
Die Notenbanken reagierten zuerst Leitzinsen Notenbanken geben nach Zusammen- % bruch des Interbankenmarktes 6.0 Liquiditätsspritzen, weiten Kreis der refinanzierungsfähigen Finanzinstitute 5.0 aus, weichen Standards notenbankfähiger 4.0 Wertpapiere aus und gewähren hohe, längerfristige Kredite 3.0 Eurozone Weltweit kräftige Zinssenkungen, Fed seit 2.0 USA September 2007 um 425 Bp. auf 1%, Großbritannien Bank of England innerhalb der letzten 1.0 zwei Monaten um 300 Bp. auf 2% und 0.0 EZB seit Oktober 2008 um 175 Bp. auf 07 08 2,5% Quelle: DB Research Weitere Zinssenkungen (insbesondere von EZB) zu erwarten Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 28
Regierungen schnüren Rettungspakete nach der „Lehman“ Pleite Großbritannien Spanien • GBP 50 Mrd. für Österreich • EUR 100 Mrd. zur Finanzierung Staatsbeteiligungen an Banken • EUR 85 Mrd. für Garantien des Interbankengeschäfts und für • GBP 250 Mrd. Staatsgarantien für • EUR 15 Mrd. Staatsbeteiligungen Staatsbürgschaften zur mittelfristige Finanzierung der an Banken Absicherung von Bankkrediten Banken • Garantie für alle Einlagen • Sicherung der Einlagen der • GBP 200 Mrd. Sonderlliquiditäts- natürlicher Personen Privatkunden bis EUR 100 000 fazilität der Bank von England • Verbot von Leerverkäufen Deutschland USA • EUR 400 Mrd. Garantien für neue • USD 700 Mrd. für Kapitalspritzen Bank-zu-Bank Geschäfte und Beteiligungen an Banken, den • EUR 80 Mrd. für Kauf problematischer Kredite und Staatsbeteiligungen an Banken Wertpapiere • USD 29 Mrd. für Bear Stearns • USD 123 Mrd. für AIG • Verstaatlichung von Freddie Mac Frankreich and Fanny Mae • EUR 320 Mrd. für Staatsgarantien EUR 40 Mrd. für Staatsbeteiligungen an Banken Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 29
Gliederung Auf Sand gebaut – die US Sub-prime Krise 1 wird zur internationalen Finanzkrise Ausprägungen der Finanzkrise 2 – der Knackpunkt: Lehman Brothers Die Politik greift ein – Liquiditätsspritzen, 3 Zinssenkungen und staatliche Rettungspakete 4 Die Weltwirtschaft gerät ins Taumeln Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 30
Abschwünge durch Finanzkrisen waren tiefer … Abschwünge & Rezessionen Reales BIP (der betroffenen Länder), % gg.Vj. Konjunkturelle Abschwünge und Rezessionen fielen in der 5 Vergangenheit spürbar kräftiger aus, 4 wenn eine Finanz- bzw. Bankenkrise 3 voranging 2 Darüber hinaus war der 1 Wachstumsverlust bei einer Bankenkrise höher als bei einer 0 allgemeinen Finanzkrise -1 -2 -12 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 Quartale vor und nach dem Beginn des Abschwungs Abschwünge mit vorheriger Bankenkrise Abschwünge ohne vorherige finanzielle Krise Rezessionen mit vorheriger Bankenkrise Rezessionen ohne vorherige finanzielle Krise Quelle: IMF Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 31
… und länger Kumulierter Wachstumsverlust Durchschnittlich dauerten durch (der betroffenen Länder), % BIP Finanzkrisen ausgelöste Abschwünge 0.0 bzw. Rezession 8 Quartale -1.0 „Normale“ Rezessionen dagegen lediglich 3 bis 4 Quartale -2.0 Durchschnittlicher Wachstumsverlust -3.0 bei durch Finanzkrisen ausgelösten -4.0 Rezessionen mit etwa 4 ½% des BIP -5.0 gut doppelt so hoch als bei Ab- Ab- Re- Re- „normalen“ Rezessionen schwünge schwünge zessionen zessionen mit ohne mit ohne Viele Belastungen für die Konjunktur vorheriger vorherige vorheriger vorherige finanzieller finanzielle finanzieller finanzielle bestanden schon vor der Finanzkrise Krise Krise Krise Krise Quelle: IMF Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 32
Die 1 Million Dollar Frage: Wann endet die Finanzkrise? Sie dürfen auch jemanden anrufen! Krise wohl erst vollständig gelöst, wenn US Immobilienmarkt wieder im Gleichgewicht ist … Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 33
… aber das kann noch über ein Jahr dauern USA: Wohnungsneubaubeginne USA: Leerstand von Wohnungen Mio. Einheiten, Jahresbasis Mio. Einheiten, Jahresbasis 2.3 14.0 2.1 13.5 Leerstand 1.9 13.0 Trend 1.7 12.5 Trend 1.5 12.0 1.3 11.5 Neubaubeginne 1.1 11.0 0.9 10.5 Differenz aktuell: 0,5 bis 0,75 Mio. Einheiten Differenz aktuell: 1,2 bis 1,5 Mio. Einheiten 0.7 10.0 00 01 02 03 04 05 06 07 08 00 01 02 03 04 05 06 07 08 Quellen: US Census, DB Research Quellen: US Census, DB Research Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 34
Transmissionsmechanismen der Finanzmarktkrise in die Realwirtschaft Finanzmarktkrise / Aktien- und Finanzmärkte Konsum/ q-Kanal Bilanzkanal Vermögenskanal Unternehmen- Bank Konsumenten- bilanz Vermögenseffekte q-Investitions- bilanz bilanz funktion Liquiditäts- Externe Finanzierungskosten Vertrauenseffekte aspekte Private Investitionen Privater Konsum Wirtschaftswachstum Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 35
USA: Dramatische Anpassungen beim privaten Konsum USA: Wirtschaftswachstum USA: Prognoseübersicht 6.0 2007 2008 2009 Prognose Reales BIP, % gg.Vj. 2.0 1.3 -1.7 5.0 Privater Konsum 2.8 0.3 -2.0 4.0 Staat 2.1 3.1 2.8 3.0 Private Investitionen -3.1 -3.9 -3.8 Ausrüstungen 4.9 3.0 -1.8 2.0 Wohnungsbau -17.9 -20.5 -10.8 1.0 Exporte 8.4 8.1 0.9 0.0 Importe 2.2 -2.4 -0.9 -1.0 Inflation, % gg.Vj. 2.9 4.2 1.2 Arbeitslosenquote, % 4.6 5.7 7.4 -2.0 % gg.Vq., Jahresbasis Budgetsaldo öffentl. Sektor, % BIP -3.0 -5.5 -8.3 -3.0 % gg.Vj. Öffentl. Verschuldung, % BIP 66.8 70.4 79.1 -4.0 Quellen: BEA, BLS, DB Research -5.0 2005 2006 2007 2008 2009 Quellen: BEA, DB Research Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 36
Deutschland kann sich der globalen Entwicklung nicht entziehen Deutschland: Wachstumsprofil Deutschland: Prognoseübersicht 8.0 2007 2008 2009 Reales BIP, % gg.Vj. 2.5 1.5 -1.5 6.0 Privater Konsum -0.4 -0.3 -0.3 Staat 2.2 2.5 2.0 4.0 Investitionen 4.1 4.5 -4.5 2.0 Ausrüstungen 6.9 5.6 -6.8 Wohnungsbau 1.8 3.6 -2.5 0.0 Exporte 7.5 4.4 -1.2 Importe 5.0 5.2 0.7 -2.0 Inflation, % gg.Vj. 2.3 2.7 0.7 Quellen: Statistisches Bundesamt, DB Research -4.0 % gg.Vq. JB % gg.Vj. -6.0 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Quellen: Statistisches Bundesamt, DB Research Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 37
Weltwirtschaft: Kräftigster Wachstumseinbruch in der Nachkriegsgeschichte Weltwirtschaftliches Wachstum Wachstum nach Regionen Reales BIP, % gg.Vj. % gg.Vj. 2006 2007 2008 2009 4.5 USA 2.8 2.0 1.3 -1.7 4.0 Japan 2.0 2.4 -0.1 -1.7 3.5 Eurozone 2.7 2.6 0.9 -1.4 3.0 Deutschland 3.0 2.5 1.5 -1.5 2.5 Asien ex Japan 9.0 9.1 7.1 5.1 2.0 China 11.6 11.9 9.6 7.5 1.5 Indien 9.6 9.0 6.9 6.3 1.0 Osteuropa 5.2 5.4 4.4 2.3 0.5 Russland 7.4 8.1 6.2 2.0 0.0 Mittlerer Osten 5.2 5.2 5.7 5.1 -0.5 Lateinamerika 5.2 5.4 4.4 2.3 -1.0 Welt 3.7 3.5 2.0 -0.3 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 Quellen: IWF, DB Research Quellen: IWF, DB Research Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 38
Fazit: Wachstumsprognosen derzeit sehr unsicher Prognosen derzeit höchst unsicher Im Winterhalbjahr sind die meisten Industrieländer in der Rezession Vielfach tiefste Rezession in der Nachkriegsgeschichte Trotz einer robusten Binnenkonjunktur der Emerging Markets können diese sich nicht davon abkoppeln Notenbanken werden weiter die Zinsen senken und die Finanzinstitute mit reichlich Liquidität versorgen Neben den Rettungspaketen für die Banken werden die Regierungen Konjunkturprogramme beschließen Kurzfristig liegen die Risiken in einer noch stärkeren Abwärtsbewegung. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie hoch die Wachstumsverluste bei Finanz- und Bankenkrisen sein können. Maßnahmen von Regierungen und Notenbanken aber vielversprechend, daher 2009 nicht 1929 Dr. Bernhard Gräf · Dezember 2008 · Seite 39
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