Die Macht der Bilder MunzenMarkt
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In Zusammenarbeit mit MunzenMarkt : OKTOBER 2020 (32) Die Macht der Bilder Fotos: Pete Linforth / Pixabay; Auktionshaus Künker, aus Auktion 270 (2015), Nr. 8549. Die Macht der Bilder Die Welt der Embleme – verzwickte des Augustus Spottmedaillen Bilderrätsel auf Münzen
3 Verstehen Sie Bilder? Und so entwickelte sich eine Spielart, nämlich im Wortsinn ein intellektuelles Spiel, eine Art Trivial Pursuit in Bildern. Zahlrei- che Medaillen der Frühen Neu- Beherrschen Sie Latein, Grie- wird. Das mag für manche Aller- verstehen wir auch dieses Bild zeit stellten das Wissen des Be- chisch, Arabisch oder Chine- weltsmotive stimmen, ist an- noch heute: Es geht um die Herr- trachters auf die Probe. Wie es sisch? Da müssen Sie passen? sonsten aber ein gefährlicher Irr- schaft, mehr oder weniger über dazu kam, lesen Sie auch in die- Kein Grund zur Schande, das tum. Wir wiegen uns in trügeri- die ganze Welt. Aber die eigent- sem Heft. Solche Kopfnüsse las- sollte Sie nicht davon abhalten, scher Sicherheit, weil wir mei- liche politische Sprengkraft die- sen sich mitnichten auf den ers- römische, griechische, islami- nen, ein Motiv instinktiv zu ver- ses Motivs erschließt sich uns ten Blick verstehen. Und dann sche oder chinesische Münzen stehen. Das gilt auch für Münz- erst, wenn wir diese Emission in gibt es da noch so eine Variante, erfolgreich zu sammeln. Viele bilder. Dabei sind diese Darstel- Beziehung setzen zur Bilderwelt die „Spottmedaillen“. Diese oft- Kataloge bieten Übersetzungen lungen zuallerst zeitgebundene, ihrer Zeit, zu den Prägungen der mals privaten Prägungen segel- der Münzlegenden, andere Texte oftmals chiffrierte Aussagen, de- Konkurrenten Oktavians. (Das ten unter falscher Flagge und sind ohnehin formelhaft und ren „Sprache“ wir erst lernen können Sie im Detail in diesem wollten den politischen Gegner lassen sich mit Begeisterung müssen. Heft nachlesen.) auf Grund setzen. und Beharrlichkeit gut erschlie- So wie man in der Philologie Münzen als Kommunikations- Unser Heft möchte Ihnen ei- ßen. Viel wichtiger ist Ihr Interes- Sprachen und ihre Literatur stu- mittel der Herrscher übermittel- nen Einblick in die Vielfalt der se an der Geschichte der Kultu- diert, so ist die Ikonografie die ten in der Regel deren politische Bildersprache auf Münzen und ren, um die wahre Bedeutung zu Lehre der Bedeutung von Bil- Botschaften. Das bedeutet, dass Medaillen von der Antike bis in verstehen. Und so bildet man dern. Das meint mehr, als nur die Bilder meist allgemeinver- die Neuzeit geben. Vor allem sich schließlich auch weiter. ein Symbol oder Motiv zu verste- ständlich waren. Allgemeinver- aber soll es Ihre Neugier wecken. Aber apropos „bilden“. Wie oft hen. Unsere Titelseite zeigt ei- ständlich für die Zeitgenossen. Geben Sie sich nicht mit der sagen wir nicht: „Ein Bild sagt nen Denar des Oktavian mit Kro- Oder sagen wir einmal: Auch die erstbesten, vielleicht nahelie- mehr als tausend Worte.“ Und kodil, der den Sieg über Ägypten einfachen Zeitgenossen sollten genden Erklärung zufrieden, gra- damit einhergehend glauben feiert. Das erschließt sich noch einen Teil der Botschaft verste- ben Sie weiter, wühlen Sie sich viele Menschen, Bilder seien ei- leicht. Und wenn derselbe Feld- hen. Denn so manches Bildpro- durch die Literatur oder spre- ne Art universale Sprache, die herr auf seinen Münzen den Fuß gramm war anspruchsvoll und chen Sie mit anderen Kennern überall auf der Welt verstanden auf einen Globus setzt, dann nur ein enger Kreis der Ober- der Materie. Es ist wie mit einer sschicht entzifferte alle in dem Sprache: Je mehr Motive, Zei- Inhaltsverzeichnis kleinen Münzrund enthaltenen chen und Zusammenhänge Sie Motive. Und falls Sie das nicht verstehen, desto tiefgehender Die Macht der Bilder des Augustus Seite 4 gglauben: Als Ludwig XII. um wird Ihr Verständnis. Und wie Embleme – verzwickte Bilderrätsel auf Münzen 1500 ein Stachelschwein auf ei- spannend diese vergangenen und wie man sie löst Seite 11 ne Münze setzen ließ, wollte er Welten im Münzbild sein kön- Verunglimpfung, Spott & Hohn: Die Welt der Spottmedaillen Seite 15 ddamit nicht aller Welt sein neues nen, das möchten wir Ihnen Haustier zeigen. Was dahinter ganz nebenbei in dieser Ausga- 180 000 Euro kostet der teuerste deutsche Taler Seite 20 ssteckt, ist alles andere als uni- be auch vorführen. Unter der Lupe Seite 21 vversal verständlich (Auflösung im Heft …). Ihr Björn Schöpe ANZEIGE
4 Die Macht der Bilder des Augustus Oder wie man durch gute PR vom Nobody zur Lichtgestalt wird. Gehören Sie auch zu den Welt miteinander konkurrieren- Münzsammlern, die römische der Adliger, durch blutgetränkte Münzen lieben, obwohl ihnen Schlachtfelder hin führt zu den Latein stets ein Buch mit sieben „blühenden Landschaften“ einer Siegeln geblieben ist? Das ging neuen Welt im Zeichen des Au- schon im Römischen Reich vie- gusteischen Friedens. Dabei se- len Menschen so; entweder sie hen wir, wie Augustus von An- sprachen kein Latein, oder sie fang an das betrieb, was heute konnten nicht lesen. Und trotz- neudeutsch als „Branding“ be- dem waren auch sie wichtige zeichnet wird: Er baute sich als Auf dieser Prägung von 42 v. Chr. ist (shocking!) vorne Octavian Adressaten für politische Bot- „Marke“ auf, machte sich einen zu sehen, der ungerührt mit allen Gepflogenheiten brach und schaften. Das klappte am bes- Namen und gab sich klare Kon- sich noch zu Lebzeiten abbilden ließ. Die Autorität dafür zieht er ten mit Bildern. Das ist heute turen – und all das schon, bevor aus seiner Herkunft: Die Rückseite erinnert an den Amtsstuhl nicht sehr anders. Da kann es er irgendetwas wirklich Bedeu- seines Adoptivvaters Caesar (aus Auktion Künker 326 [2019], schon ein Statement sein, wenn tendes vollbracht hatte. Nr. 1228, Abbildung 1:2). ein Politiker seine neue Rolle mit einer markanteren Brille betont Bilder im Konkurrenzkampf: und alle wissen: Der ist ent- Wer soll das verstehen? geordneten Verwaltungsposten kryptisch daher, dass vermutlich schlossen, der setzt sich durch. bekleideten die jungen Herren auch damals kaum jemand die In kaum einer anderen Epo- Über Jahrhunderte hinweg vor dem eigentlichen Beginn ih- Botschaft verstand. Wir hören che der Antike können wir das drückten republikanische Mün- rer politischen Karriere. Und hier nichts weiter von diesem Herrn. Zusammenspiel von Politik und zen vor allem eines aus: die Ei- konnten sie so richtig auftrump- Von solchen PR-Desastern hob Bildsprache so gut verfolgen wie nigkeit eines Gemeinwesens, fen und statt langweiliger Aller- sich die schlichte Bildsprache in der Umbruchzeit von der rö- das unter dem Schutz zahlrei- weltsgötter zeigen, welche Leis- Octavians in ihrer Klarheit wohl- mischen Republik zur Kaiserzeit. cher Gottheiten stand. Ganz tungen ihre Familie in der Ver- tuend ab. Wir haben eine Unmenge von klassisch waren die Münzen et- gangenheit vollbracht hatte. Schriftquellen, archäologischen wa Roma als Personifikation Plötzlich fanden ganz viele sogar Ein guter Name ist alles Monumenten – und natürlich Roms reserviert oder dem Brü- irgendeinen Gott am Anfang ih- Münzen. Wenn Sie Münzen der derpaar der Dioskuren. Mit die- res Stammbaums. Mit diesen März 44 v. Chr.: Caesar war tot. Zeit etwa zwischen 50 v. Chr. sen Bildern konnten sich alle Kniffen kaschierte man elegant Die einen sahen in ihm einen Ty- und 10 n. Chr. sammeln, dann identifizieren, niemand fühlte das Fehlen eigener Leistungen. rannen, den sie hatten beseiti- werden Sie erkennen, dass nicht sich bevorzugt. Porträts von Römern war klar: Der Apfel fällt gen müssen; für die anderen alleine die Seltenheit den Wert Menschen wie bei den grie- nicht weit vom Stamm; gute Ah- war er der einzige gewesen, der eines Stückes ausmacht, son- chischen Königen im Osten wa- nen, guter Mann. Doch in der Roms Größe hätte bewahren dern dass auch die dahinterste- ren lange in Rom verpönt. Doch Hitze des Gefechts ging das können. Testamentarisch hatte hende Geschichte und die be- irgendwann reichte dieses Bil- auch mal nach hinten los. Als der gewiefte Machtmensch sei- deutungsschweren Bilder faszi- derspektrum nicht mehr. Der nen 18-jährigen Großneffen Gai- nieren. Konkurrenzkampf zwischen den der Münzmeister C. Coelius Cal- us Octavius adoptiert und zum aristokratischen Familien wurde dus sich mit den zahlreichen Alleinerben eingesetzt. Damit Durch diese Quellen verste- immer härter, man musste sich Leistungen eines Vorfahren auf- bewies er ein besseres Gespür hen wir, wie ein politischer No- profilieren, nicht nur durch Taten, spielen wollte, übertrieb er es. als seine Zeitgenossen. Kaum je- body wie Octavian, ein sondern auch durch gelungene Die abgekürzte Inschrift, die An- mand kannte diesen Octavian, schmächtiger Teenager ohne Er- PR. Dafür bot sich das Amt des häufung der Symbole und Ver- kaum jemand nahm ihn ernst. fahrung aber mit großen Ambi- Münzmeisters an. Diesen unter- weise auf Siege, all das kam so Das war ein Fehler. Octavian ver- tionen, sich zum Herrn der römi- folgte ein klares Ziel, das er schen Welt aufschwingen konn- auch schon 44 v. Chr. offen in te. Und egal wie viele Tempel der Volksversammlung aus- und Statuen Octavian in Rom sprach: „Möge es mir gelingen, bauen ließ: In den Provinzen be- die Ehren und die Stellung mei- kamen die Untertanen davon nes Vaters zu erringen, auf die nicht viel mit. Was sie aber sa- ich Anspruch habe!“ Einem Aris- hen, waren die Münzen, die im tokraten wie Cicero ließ dieser ganzen Imperium kursierten und unverhohlene Anspruch auf eine die Botschaften des neuen Herr- Alleinherrschaft das Blut in den schers in kompakter Bildform in Adern gefrieren. Aber zunächst die Geldbeutel jedes Einzelnen musste Octavian sich Anerken- trugen. Aber um diese Botschaf- Auf diesem Denar von 51 v. Chr. wollte der junge Münzmeister nung verschaffen. Er konnte nur ten zu verstehen, lohnt sich ein C. Coelius Caldus zeigen, aus was für einer tollen Familie er auf die alten Freunde und die genauerer Blick. Lassen Sie uns stammte. Das war etwas viel des Guten. Kaum jemand dürfte Soldaten seines Adoptivvaters einen Streifzug unternehmen, all diese Symbole und abgekürzten Titulaturen verstanden haben der uns von einer zerstrittenen (aus Auktion Künker 262 [2015], Nr. 7701, Abbildung 1:2). Fortsetzung auf Seite 6 @@
6 setzen. Doch als Katalysator ar- Es brauchte auch eine konkrete ner dieser charismatischen hel- die Tradition seines Vaters, des beitete er mit starken Bildern: Legitimierung in der Politik. lenistischen Könige mit nacktem legendären Pompeius Magnus Befreundete Münzmeister präg- Durch politisches Intrigieren und Oberkörper einen Mantel um die stellte. Dafür gab er sich ganz ten Caesars gewaltiges Erbe in Lavieren und nicht zuletzt indem Hüfte schlingt. Da zeigte einer, unbescheiden gleich den Beina- sprechende Münzen aus, die Octavian den Senat einfach von was von ihm zu erwarten war! men „Pius“. Für seine Münzen Octavians Botschaft in den Geld- seinen Soldaten umstellen ließ, wählte Sextus die Brüder von beuteln seiner Soldaten und im machte der Jüngling klar, wo der Die Weltherrschaft muss Catania, ein legendäres Brüder- ganzen Reich verteilten. Hammer hing. Bereits Anfang 43 es mindestens sein paar, das seine Eltern auf spek- v. Chr. ehrten die Aristokraten takuläre Weise gerettet haben In den folgenden Jahren erar- Auf dem Weg des Erfolgs gab soll. Und weil Sextus’ Stärke in diesen Jungen so wie einst die beitete sich Octavian eine mo- es jedoch noch eine Menge Stei- seiner Flotte lag, war sein großen Politiker der Republik: derne Bildsprache, die seinen ne wegzuräumen. Die zwei Schutzgott Neptun. Auf Sextus’ mit einer goldenen Reiterstatue Ansprüchen gerecht wurde. Von dicksten Brocken waren Mark Münzen stellt der Meeresgott auf dem Forum. Octavian warte- der Vorderseite dieser Münzen Anton, der einstige Vertraute seinen Fuß auf ein rostrum, ei- te gar nicht erst ab, bis die Sta- schaute Octavian selbst; schon Caesars, und Sextus Pompeius, nen Schiffsschnabel, und er hält tue dort stand, sondern ließ sie Caesar hatte es gewagt, sein der Sohn von Caesars Erzfeind ein aplustre in der Hand, ein umgehend auf Münzen setzen. Porträt zu Lebzeiten auf Münzen Pompeius. Und Octavian rollte Schiffsheck. Das verstand jeder: Auf diesen ersten Prägungen er- zu setzen und damit ein Tabu diese Steine nicht nur auf dem Sextus’ Flotte würde die Schiffe innerte das ruhig dastehende gebrochen. Octavian und seine Schlachtfeld weg, sondern vor Octavians siegen. Pferd mit dem brav darauf sit- Konkurrenten zeigten keine allem durch Einsatz einer massi- zenden Octavian noch an die Scheu mehr davor, sich regelmä- ven Bild-PR. Statt großformatiger Es kam anders. Und lange Reiterstatue des einstigen Dicta- ßig auf Denaren und Aurei abzu- Anzeigen in Tageszeitungen und nach Octavians Sieg über Sextus tors Sulla. Das SC (die Abkür- bilden. Auf der Rückseite mach- einer Social-Media-Kampagne Pompeius machte er ihn noch zung für Senatus Consultu, also te Octavian klar, warum man ihn zeigten sich auch hier wieder einmal platt in der Bildsprache. auf Beschluss des Senats) da- unterstützen sollte: Divi filius, Münzen als das Mittel seiner Als er etwa zehn Jahre später runter strich hervor: Diese Eh- der Sohn des Vergöttlichten, Wahl. Kein anderes Medium er- kurz vor der entscheidenden rung wurde mir von den Sena- stand dort auf der sella curulis, reichte so schnell so viele Adres- Seeschlacht von Actium stand, toren aufgedrängt … Doch der prägte auch Octavian Münzen, dem Amtsstuhl Caesars. Octavi- saten. ehrgeizige Octavian dachte noch in denen er das Motiv seines an präsentierte sich schlichtweg größer. Spätere Emissionen zei- In der Auseinandersetzung einstigen Widersachers auf- als Sohn des seit 42 v. Chr. ver- gen die Statue mit einem drama- mit Sextus Pompeius stellte sich nahm und übertrumpfte: Neptun göttlichten Dictators. Nicht mehr tisch aufgebäumten Ross, des- die Frage: Wer von beiden hielt hatte die Seiten gewechselt von und nicht weniger. sen Reiter pathetisch die Hand die Erinnerung an den Vater hö- Sextus zu Octavian, der also Doch auch Octavian konnte ausstreckt und nicht einmal her und wer wollte mehr? Denn auch alle anderen Gegner (Mark nicht ausschließlich auf diese mehr wie einst Sulla die bürger- auch Sextus Pompeius stärkte quasi-göttliche Herkunft setzen. liche Toga trägt, sondern wie ei- seine Position, indem er sich in Fortsetzung auf Seite 8 @@ Oben: Eine Ehrenstatue sollte zeigen, wie hoch der Senat den auf- Sextus Oben: Sex Pompeius e tus Pomp zeigte m eius zeig i te auch auf Münzen, u seinen Mü M nzen, dass er strebenden Nobody hielt. Diese Ehre schlachtete Octavian auf seinen Gegner Octavian zu See besiegen würde. Schließlich seinen Münzen aus, lange bevor die Statue aufgestellt wurde. setzte sein Schutzgott, der Meeresgott Neptun persönlich, Die Bildsprache war da noch konventionell (aus Auktion Künker seinen Fuß in Siegespose auf den (feindlichen) Schiffsschnabel 124 [2007], Nr. 8561, Abbildung 1:2) … (aus Auktion Künker 111 [2006], Nr. 6506, Abbildung 1:2). Unten: … ein paar Jahre später, 41 v. Chr., langte dem ehrgeizigen Unten: Der Sieg über eine Flotte reichte Octavian nicht, den glaubte Imperator das alte Bild nicht mehr. Es brauchte mehr Drama und er ohnehin in der Tasche zu haben. Der Feldherr beanspruchte Action mit aufgebäumtem Schlachtross und heroischer Nacktheit auf seinem Denar gleich die Herrschaft über den ganzen Erdball (aus Auktion Künker 136 [2008], Nr. 885, Abbildung 1:2)! (aus Auktion Künker 326 [2019], Nr. 1234, Abbildung 1:2)!
8 Anton und Kleopatra) zu See be- Als die beiden Erzfeinde un- siegen würde. Aber die Statue tereinander in einer Feuerpause auf seinen Denaren (möglicher- das Reich aufteilten und Mark weise nicht einmal Neptun, son- Anton den Osten erhielt, überar- dern er selbst!), setzte den Fuß beitete er seine Bildsprache. gleich auf die Erdkugel; Octavi- Heute würde ein Kampagnenma- an wollte schließlich über die nager von einem „Relaunch“ ganze Erde herrschen! sprechen: Bacchus sollte Mark Antons neuer Schutzgott werden. Mark Anton: Vom Muskelprotz Dessen Kult war im Orient stark zum Trunkenbold verwurzelt und in Rom selbst Schon Caesar war als Nach- noch nicht besetzt. Bilder und fahre der Venus aufgetreten, Realität begannen bald zu ver- Octavian stand in seiner Nach- schwimmen: Nach Rom drangen folge. Sein zweiter Gegner, Mark Nachrichten von rauschenden Anton, berief sich auf Hercules. Orgien und Feiern, in denen der Seine Familie, die Antonier, be- römische Feldherr sich selbst als riefen sich auf den – ansonsten weinlaubbekränzter Gott insze- völlig unbekannten – Antonius, nierte. Als Mark Anton sich mit einen angeblichen Sohn des der ägyptischen Königin Kleopa- Oben: Auf u diesem (e ((extrem extre r m seltenen) n Aure Aureus r us von 42 4 v. v Chr. r fe ffeierten ierten Hercules. Aber was war schon tra verbündete, inszenierte sich Mark Anton und sein Verbündeter L. Livineius Regulus die göttliche ein unbekannter Anton gegen- das Paar als Bacchus und Venus. Abstammung Mark Antons: Dafür hatte die Familie des Feldherrn über Aeneas und Venus? Also Und das wurde der PR-GAU und einst den ansonsten völlig unbekannten Sohn des Hercules Anton musste Mark Anton eine Etage sollte Mark Anton das Genick aus dem Hut gezaubert. Eine wirklich gute Figur machte der B-Klas- höher greifen und sich noch auf brechen. Die beiden setzten ihr se-Held nicht (aus Auktion Numismatica Ars Classica NAC AG 92 Hercules berufen. Ringsteine, Programm mit viel Engagement [2016], Nr. 411, Abbildung 1:2) … die sicher Parteigängern gehör- um, schätzten aus der Ferne ten, zeigten den Halbgott mit aber die Stimmung in Rom völlig Unten: … im Kampf gegen Venus und Aeneas, auf die sich Octavian dem Porträt des römischen Feld- falsch ein. Octavian und seinen bezog. Dieser Denar aus der „Actium-Serie“ besticht durch eine herrn. Vor allem bei den Solda- Gefolgsleuten zeichneten das klare Bildsprache. Auf eine aufgeblasene Titulatur meinte Octavian ten kam dieses Bild als Macher Bild von einem Trunkenbold, der verzichten zu können (aus Auktion Künker 153 [2009], Nr. 8564, und Kämpfer gut an. mit der Liebesgöttin in Luxus Abbildung 1:2). Kaum ein Monument verherrlicht die augusteische Zeit so bildgewaltig wie die Ara Pacis in Rom. Der „Friedensaltar“ gibt dieser Epoche die passenden Bilder: die Familie des Augustus, die einträchtig und gottesfürchtig opfert. Und Tellus, die Erdgöttin, die hier zwischen Personifikationen der Winde als Inbegriff von Fruchtbarkeit und Wohlstand die neue Friedenszeit symbolisiert. Doch bis dahin war es ein langer, blutgetränkter Weg (Foto: Manfred Heyde / CC BY-SA G.D).
9 schwelgte. Alles verkehrte sich nach den Kämpfen. Und auch vergöttlichten Caesar ist, der ihren Geldbeuteln eifrig nach ins Gegenteil: Wir kennen Bilder die Göttinnen stehen für die Si- hier agiert. Keine Titel, keine passenden Gegenstücken such- auf Tonschüsseln dieser Zeit, die tuation vor den Kämpfen (noch weitere Legitimation, dieser ten, um ihre Sammlung zu kom- den „verweichlichten“ Herakles herrscht Friede, wenn auch ein Mann ist sich selbst genug. Da- plettieren. Wir wissen es nicht. als Sklaven der Omphale zeigen. instabiler); beim Kampf unter- mit gekoppelt sind übrigens drei Aber für die heutigen Sammler Offensichtlich eine klare Diffa- stützt Venus tatkräftig ihren andere Emissionen, auf deren sind diese prächtigen Silber- mierung: der schwache Mark An- Schützling; und nach dem Vorderseite das Porträt Octavi- münzen mit der schlichten Äs- ton in den Händen der orientali- Kampf wird die Siegesgöttin die ans steht, während diesmal die thetik von Medaillen und der schen Despotin. Dieses Bild ver- Zeichen des Sieges überbringen. tiefsinnigen Bildsprache eine drei Göttinnen auf der Rückseite breiteten auch Octavians begab- wunderbare Gelegenheit, die te Dichter in Rom fleißig weiter. Inschriften? Braucht es nicht. als Ganzkörper dargestellt sind. augusteische Programmatik auf Mark Anton galt plötzlich nicht Nur auf der Rückseite wird daran Die Wissenschaftler rätseln bis dem Tableau zu präsentieren! mehr als strahlender Bacchus, erinnert, dass es der Sohn des heute, ob die Leute damals in Octavians Bildsprache war na- sondern als trunksüchtiger ttürlich noch viel komplexer. Ei- Waschlappen. Mark Anton woll- ner seiner besonderen Schutz- te diesen Shitstorm beenden, Für antike Sammler gemacht? ggötter war Apollon. Doch sogar indem er eine Streitschrift mit aals Iuppiter zeigte sich der junge Jedenfalls sind zahlreiche Prägungen Octavians miteinander dem mutigen Titel „Über seine Feldherr. Ein Denar zeigt eine so- verbunden. Hier sehen wir beispielsweise den Feldherrn vor dem Trunkenheit“ (die heute verloren ggenannte Herme, einen Pfeiler, Kampf, zum Angriff führend, und nach dem Sieg. Passend dazu ist) veröffentlichte. Aber auch der oben in einem Porträt ende- die Göttinnen Pax, Venus und Victoria. das half nicht mehr viel, die tte – in einem Iuppiterkopf mit Schlacht der Bilder war verloren, Die „Pendants“ zeigen die Göttinnen im Vollbild und das Por- ZZügen Octavians! Obwohl Octa- bei Actium schuf Octavian die trät Octavians. Wenn das nicht Lust zum Sammeln macht! vvian noch immer seine Herkunft Fakten. aals Sohn des vergöttlichten Cae- ssars betonte, war er längst nicht Octavian: Vom Papa-Söhnchen mehr nur Papas Liebling. In all zum Heilsbringer den Jahren der Bürgerkriege hat- Ganz anders verlief Octavians tte er sich ausreichend Renom- Siegeszug durch die Bilderwelt. mee erworben, um sich zurück- Hier spielte ein Glenn Gould auf nehmen zu können. War er am der Klaviatur der Selbstdarstel- AAnfang noch großspurig aufge- lung. Greifen wir nur ein Beispiel ttreten (wir erinnern uns an die heraus, die sogenannte Actium- Reiterstatue), konnte er sich Serie. Dabei handelt es sich um nach seinen Siegen in staats- mehrere Emissionen von Dena- männischem Understatement ren, die teilweise schon vor der zzurücknehmen. Nach dem Sieg entscheidenden Schlacht ge- bei Actium 31 v. Chr. über Mark prägt wurden und mit denen Aus Auktion Künker 341 (2020), Nr. 5715 (Abbildung 1:2). AAnton und Kleopatra stellte er Octavian seine Truppen entlohn- ssich endgültig als Heilsbringer te. Wenn wir diese wundervoll dar, der wieder Ordnung ge- gestalteten Münzen anschauen, sschaffen hatte und sich feiern sehen wir, dass sie nichts mehr ließ. 27 v. Chr. verlieh der Senat mit den überladenen Geprägen ihm den Titel Augustus und zu tun hatten, mit denen ver- übergab ihm nach und nach alle zweifelte Jungaristokraten mit al- VVollmachten, die er brauchte, ler Gewalt um die Aufmerksam- um de facto als Alleinherrscher keit und Gunst des Volks und ih- die Geschicke des Imperiums rer Peers buhlten. Hier zeigte ei- bestimmen zu können. ner in eleganter Schlichtheit, So wie Augustus in seinem in- dass er sich ein Understatement sschriftlich überlieferten Rechen- leisten konnte. Es gab verschie- sschaftsbericht betont, er habe dene Serien, die untereinander Aus Auktion Künker 341 (2020), Nr. 5714 (Abbildung 1:2). das Gemeinwesen, die res publi- in Bezug standen. Greifen wir cca, gerettet, so finden wir die drei Münzen heraus. Wir sehen passenden Bilder dafür auf den auf der Vorderseite die Göttin- Münzen, die er ausgab: die Ei- nen Pax, Venus und Victoria, auf cchenlaubkrone für die Rettung der Rückseite den heroischen nicht nur eines Bürgers im Feldherrn im Redegestus, wie er Kampf, sondern im übertrage- sich an sein Heer wendet; mit nen Sinne aller Bürger, die er der ausgestreckten Rechten und sschließlich vor Tyrannei und wei- der Lanze, wie er entschlossen tterem Bürgerkrieg gerettet hatte; zum Angriff ruft; und zuletzt die ddie Lorbeerbäume, die auf An- schon bekannte Münze, wie er oordnung des Senats neben sei- gelassen seinen Anspruch auf ner Haustür gepflanzt wurden den ganzen Erdball demonstriert. zzum Zeichen des Sieges; der Eh- Diese Bilder beschreiben also Aus Auktion Künker 326 (2019), Nr. 1234 (Abbildung 1:2). die Situation vor, während und Fortsetzung auf Seite 10 @@
10 In der neuen Zeit herrschte Friede auf Erden, die militärische Stärke des Augustus rückte nun in den Hintergrund. Der Princeps präsen- tierte sich in unzähligen Emissionen als Priester, der dafür sorgte, dem Römischen Reich auch die Götter dauerhaft gewogen zu halten (aus Auktion Künker 341 [2020], Nr. 5751, Abbildung 1:2). Nach dem Bürgerkrieg nahm sich Octavian zwar zurück, ließ sich als Augustus aber in aller Bescheidenheit mit Titulaturen und sonstigen Ehrungen überhäufen. Und getreu dem PR-Motto „Tue Gutes und rede darüber“ zeigte er etwa die Lorbeerbäume und seinen Ehrenschild auf zahlreichen Denaren (aus Auktion Künker 341 [2020], Nr. 5732, Abbildung 1:2). renschild (clipeus virtutis, daher vorderen angeblich den Über- auch das CV darauf), der in der gang von einem Zeitalter in ein Curia hing und die Senatoren neues begangen. Doch wirklich stets daran erinnerte, unter wes- viel wissen wir nicht von dieser sen Ägide sie sich dort versam- angeblichen Tradition und auch melten. den Zeitgenossen ging es wohl nicht viel anders. Es scheint, als Schöne neue Welt: habe Augustus geschickt einen Alles ist gut tönenden Namen mit neuem In- halt gefüllt und mit prächtigen Augustus war angekommen. Bildern geschmückt. Es war eine Und seinen Sieg verdankte er Riesenshow, die sich problem- nicht nur seinen Soldaten, son- los mit jeder Olympiafeier mes- dern auch seiner präzise einge- sen konnte. Der Dichter Horaz Diese Statue ist nach ihrem Fundort in Primaporta als Augustus von setzten PR-Politik mit wirkmäch- schrieb ein „Säkularlied“, das Primaporta benannt. So gefiel sich der erste Princeps: Als makelloser tigen Bildern. Jetzt lebte man erhalten ist, und Augustus konn- Retter und Sieger, auf dessen Leistungen und Fähigkeiten eine kom- nicht nur in einem wiederherge- te sich nun wieder von seiner re- plexe Bildsprache verweist. So komplex, dass die Forscher um die De- stellten Gemeinwesen (res pu- ligiösen Seite zeigen. taildeutung noch heute ringen. Doch auch den Zeitgenossen war klar: blica restituta), sondern in ei- Augustus in seiner alterlosen Virilität war ein mächtiger Macher. nem goldenen Zeitalter (saecu- Dieses Bild sollte die Herrscherdarstellung über die folgenden Auf zahlreichen Emissionen lum aureum) des Augusteischen Generationen hinweg prägen (Foto: Rabax63 / CC BY-SA 4.0). stellte er sich mit bedecktem Friedens (pax Augusta). Das Haupt dar. So hatte der Priester musste doch gefeiert werden! – und Augustus bekleidete so ne Zeitgenossen gesehnt hatten: Götter stand. Der Preis dafür war Im Jahr 17 v. Chr. organisierte ziemlich alles an Priesterämtern, ein starker Mann, der allerdings Er hatte das römische Reich von der Princeps, wie Augustus sich was es gab, inklusive dem Ober- gereift war und sich so diskret ehrenhalber nennen ließ, um pontifikat – pflichtbewusst vor einer Republik mit einer zerstrit- tenen Führungselite durch bluti- zurücknahm, dass viele sich fast die negativ besetzten Begriffe die Götter zu treten. Das tat Au- fühlen konnten wie in der guten des Dictators oder gar Königs zu gustus in seinen Statuen und ge Bürgerkriege in eine neue alten Zeit … vermeiden, eine sogenannte Sä- auf seinen Münzen. Denn ihm Ordnung des Friedens geführt, kularfeier. Damit hätten die Alt- war gelungen, wonach sich sei- die wieder unter der Gunst der Björn Schöpe
11 Bestseller: B ll In I den d beliebten b li b Emblembüchern E bl bü h wurden d Embleme E bl mit i entsprechenden h d E Erklärungen klä abgedruckt b d k undd verbreitet b i – eine gute Anlaufstelle, wenn man nach der Bedeutung einzelner Motiven sucht. Embleme – verzwickte Bilderrätsel auf Münzen und wie man sie löst Wer glaubt, dass die Bedeutung von Münzmotiven für Zeitgenossen selbstverständlich war, der irrt. Der gebildete Renaissance- Zeitgenossen zur allgemein ver- ANZEIGE mensch liebte anspruchsvolle ständlichen Bildsprache gehörte, Rätsel. Besonders beliebt waren lässt uns heute rätselnd zurück. Embleme – verschlüsselte Sinn- Vielleicht kann man sich das so bilder, zusammengesetzt aus ei- vorstellen: Ein gebogenes gel- nem allegorischen Bild und ei- bes M erkennen wir alle sofort nem dazugehörigen Text. Diese als Symbol einer gewissen Fast- Embleme kommen auch auf foodkette. Unsere Vorfahren Münzen und Medaillen vor und würden diese und ähnliche Ver- sind für den heutigen Menschen bindungen aber nicht ziehen, da kaum ohne Weiteres zu ent- ihnen unsere Symbole fremd schlüsseln. Doch ein Sammler, sind. Das ist aber nur ein Aspekt. der das Grundprinzip kennt und Denn man muss sich klarma- weiß, wo er nachschauen muss, chen: Einige Motive sollten gar kann diese Rätsel lösen! Beglei- nicht sofort verständlich sein, ten Sie uns auf einen kleinen Ex- sondern erst enträtselt werden. kurs in die geheimnisvollen Bild- Das trifft besonders auf die so- welten der Embleme. genannten Embleme zu – eine Historische Münzmotive deu- humanistische Kunstform, die ten und verstehen – das ist oft auch auf Münzen „über- gar nicht so einfach. Einige Sym- schwappte“. Deutlich beliebter bole kann man sofort einer gro- war sie jedoch auf Medaillen, wo ben Richtung zuordnen – eine man mehr inhaltlichen Spiel- Taube hat Mormalerweise etwas raum hatte und nicht sicherstel- mit Frieden oder Gott zu tun, ein len musste, dass auch jeder un- Schwert etwas mit Macht oder gebildete Untertan erkennen Krieg und ein Lorbeerkranz mit konnte, dass es die Münze sei- Ruhm. Aber schauen Sie sich die nes jeweiligen Fürsten war. Motive auf der nächsten Seite an: ein einzelnes Rad, eine Spin- Doch von vorne. Die Emble- ne, eine sich selbst verschlin- matik war im 16. und 17. Jahr- gende Schlange, ein Leuchturm? hundert in Gelehrten- und Hof- Daraus lässt sich zunächst we- kreisen weit verbreitet. In dieser nig ziehen. Zeit liebte man hochgeistige Symbole, Allegorien und Rätsel Vielfach liegt das natürlich am zeitlichen Abstand: Was für die Fortsetzung auf Seite 12 @@
12 und griff diese neue Kunstform mit einem knappen Text lässt schnell auf. Ein Emblem ist ein sich natürlich hier ideal darstel- Sinnbild und besteht aus meh- len. reren zusammenwirkenden Tei- len, aus deren Zusammenhang Schwieriger ist das mit dem sich eine Aussage ergibt. erklärenden Text. Den findet Da ist zunächst das Bild man in der Regel in den zahlrei- selbst (lat. pictura). Als Grundla- chen Emblembüchern, einer ge dient ein vielfältiger Fundus überaus beliebten Literaturgat- an Bildern und Symbolen aus tung der Zeit. Es handelt sich um Ludwig XII., 1498 – 1514. Parpaillole o. J., Asti den verschiedensten Quellen Sammlungen von Emblemen (aus Auktion Lanz 155 [2012], Nr. 1093, Abbildung 1:2). der Antike und des Mittelalters. und das Medium, über die Em- Ihm wird ein Motto oder Spruch bleme in der Regel verbreitet beigegeben (lat. inscriptio). Eine wurden. Der erste Emblemband Was Stachelschweine können Schlägt man das Stachel- knappe Aussage wie ein Leitge- mit dem Titel „Emblematum li- und nicht können schwein mit Krone in einem Em- danke, der Werte und Weishei- ber“ wurde 1531 in Augsburg Gehen wir das Prinzip und die blemlexikon nach, wird man fün- ten transportieren soll und oft gedruckt und stammt von dem Tücken solcher Stücke an einem dig: Das dazugehörige Motto auf Fabeln oder Sprichwörter an- italienischen Humanisten Andre- Beispiel durch. Bei dieser Mün- lautet: Cominus et Eminus. Das spielt. Natürlich ist er in der Re- as Alciatus. Für uns, die wir nach ze handelt es sich um eine Par- bedeutet „von Nah und Fern“ gel auf Latein, wie sollte es Deutungen suchen, dienen Em- paillole des französischen Kö- oder „im Nahkampf und Fern- sonst auch sein. blembücher als Lösungsbücher. nigs Ludwig XII., die um 1500 im Wie gesagt sind solche Hilfen kampf“. Ein gebildeter Zeitge- Und dann gibt es noch einen auch dringend nötig. Diese Sinn- norditalienischen Asti geprägt nosse könnte so schon die Be- dritten Teil: die Inschrift (lat. bilder sind normalerweise bei wurde. Zu sehen ist ein Stachel- deutung entschlüsseln. Geht es subscriptio). Hier wird der Zu- Weitem nicht so klar und simpel schwein, darüber eine Krone. So Ihnen wie mir, sehen Sie da aber sammenhang zwischen Bild und erhaben (oder verständlich), wie viel sei zunächst verraten: Es noch keinen Bezug und das Em- Motto erläutert. Stellt man sich man es etwa von antiken Mün- handelt sich hierbei um das Wappentier des Königs. Warum blem ist noch unverständlich. ein Emblem als Rätsel vor, han- zen kennt (vgl. ab Seite 4 in die- delt sich dabei also um die In- sem Heft). Das bemängelten zu- dem so ist und was uns der Herr- terpretation und damit die Lö- mindest die Denker in späteren scher damit sagen will, dazu er- sung, entsprechend fällt sie oft Jahrhunderten, wie der große fahren wir auf der Münze nichts weg. Sie ist vom Betrachter zu Klassizist Johann Joachim Win- weiter, da kein Motto vorhanden ergänzen. Konkret kam es bei- ckelmann. Die sahen in den Em- ist. spielsweise vor, dass ein bil- blemen übertrieben vergeistig- dungsversessener Fürst Gästen ten und überladenen Barock, oder Bewerbern um einen Pos- der sich nicht mit der Erhaben- ten bei Hofe so ein Emblem vor- heit vergleichbarer Allegorien legte. Das Gegenüber bekam so aus der geliebten Antike messen die Chance, mit seiner Belesen- konnte. heit und seinem Scharfsinn – so Ein Emblembuch des denn vorhanden – zu glänzen. Gut, das ist auch eine Mei- Humanisten Joachim Came- Und wie könnte man dem nung. Man kann diese Münzen rarius kann bei dieser Münze Kandidaten so ein Emblem ohne aber auch als spannende Zeu- weiterhelfen (hier ein Reprint Deutung gut vorlegen? Als Mün- gen für die Denkweise der Zeit von 1699, hundert Jahre nach ze oder Medaille natürlich! Denn sehen und ihnen viel entneh- dem eigentlichen Erscheinen die Kombination eines Bildes men, so man es vermag. des Werkes). Tiere, Türme, Himmelskörper: Die Welt der Embleme auf Münzen ist vielfältig und meist nicht selbsterklärend. Von links nach rechts: Aus Künker: Auktion 282 (2016), Nr. 4412 / …
13 en natürlich verstanden werden. Dabei wurden Staaten oft durch Wappentiere und andere Sym- bole allegorisch dargestellt. Das bekannteste Beispiel da- für ist König Ludwig XIV., der sei- ne Gleichsetzung mit der Sonne auf die Spitze trieb und noch heute Sonnenkönig genannt wird. Das dazugehörige bekann- te Motto war Nec pluribus impar, zu Deutsch etwa „auch nicht mehreren unterlegen“. Preußens König Friedrich Wilhelm I. und sein Wappenvogel, der Adler, antworteten darauf mit ihrem ei- genen Motto: Auf einem Reichs- taler von 1716 fliegt der Adler der Sonne entgegen: Nec soli ce- dit („Er weicht auch der Sonne nicht“). Andere Kriegsgegner des Sonnenkönigs antworteten Detail aus einer Buchmalerei von 1507: Französische Ritter Ludwigs XII. der „Medaillenoffensive“ Frank- tragen das gekrönte Stachelschwein. reichs mit Medaillen, auf denen ein abstürzender Sonnenwagen oder eine wolkenverhangene Schauen wir also in einem Lexi- dungskanon gehörten selbstver- gungen kommt man auch bei Sonne Niederlagen Frankreichs kon auf das dritte Element, den ständlich die Werke antiker Au- komplizierteren Stücken als die- thematisieren. Ein regelrechter erklärenden Text: „Wie das Sta- toren wie Plinius des Älteren. sem weiter. Krieg der Symbole begann, der chelschwein sich im Nahkampf Der schrieb in seiner Naturalis oft mit Spott über den unterlege- und aus der Ferne mit seinen historia, so wie viele Autoren Die Sonne und ihre Gegner nen Feind einherging. Darüber Spießen wehrt, so soll ein guter nach ihm, dass das Stachel- Am Ende des 17. Jahrhunderts können Sie ab Seite 15 mehr le- König in Tat und Rat stark sein.“ schwein seine Stacheln ver- veränderte sich der Charakter sen. Aha. Jetzt wissen wir also, dass schießen könne! Damit lag der der Embleme auf Medaillen. Sie das Emblem Stärke und Weis- gute Plinius natürlich falsch, werden jetzt ein beliebtes Mittel Wissen, wo’s steht heit des Herrschers thematisie- aber doch ist dieses „Wissen“ der Herrscherrepräsentation und Wie kann man nun also vorge- ren und Ludwig XII. hier seine unser letztes Puzzleteil und wir zur Darstellung der Ruhmesta- hen, wenn man eine Emblem- Herrschaftsvorstellung kundtun wissen nun, wie Motto und Bild ten eingesetzt. Symbole, Allego- münze vor sich hat und sie ent- möchte. Wie aber soll sich denn zusammenhängen. Sie sehen al- rien und dazugehörige Sprüche schlüsseln will? Ein Blick in die bitte ein Stachelschwein mit sei- so, entscheidend für das Verste- sind weiterhin vorhanden, sind Auktionskataloge nach ersten nen Stacheln auf große Entfer- hen solcher Bilder ist es auch, aber bei weitem nicht so kom- Anhaltspunkten schadet nicht, nung verteidigen? Diese Frage den Bildungskanon der Zeit im plex wie bei den Kopfnüssen der auch wenn man dort in der Re- stellen wir uns, aber nicht der Blick zu behalten. Welchem Tier Renaissance. Schließlich hatte gel keine befriedigenden Ausle- gebildete Betrachter der Renais- schrieb man etwa welche Eigen- man hier ein anderes Ziel, denn sance-Zeit. Denn zu dessen Bil- schaften zu? Mit solchen Überle- die Propagandabotschaften soll- Fortsetzung auf Seite 14 @@ … Auktion 289 (2017), Nr. 1583 / Auktion 297 (2017), Nr. 3191 / Auktion 293 (2017), Nr. 2010 / Auktion 327 (2019), Nr. 3216 / Auktion 335 (2020), Nr. 4611 / Auktion 285 (2017), Nr. 232 / Auktion 302 (2018), Nr. 1369.
14 gungen der Motive findet. Deu- unserer Zeit muss man aber tungen liefern die erwähnten nicht mehr die dutzenden Bän- historischen Emblembücher. In de aus vorherigen Jahrhunder- ten durchforsten. Dankbarerwei- se gibt es inzwischen mit dem „Emblemata“ ein hervorragend aufgestelltes Handbuch, das die Embleme aus all diesen Büchern zusammengesammelt und nach Motiven sortiert hat. Es ist ein unerlässliches Werkzeug bei der Beschäftigung mit den Münzen und Medaillen der Zeit. Vielleicht Medaille V elleicht die berühmteste Me Vi M Sonnenkönigs, daille des Sonnenkö k nig igs, Auch im Internet gibt es mitt- hier in Nachprägung von Originalstempeln (aus Auktion lerweile Anlaufpunkte und die Künker 327 (2019), Nr. 4178). Digitalisate der historischen Werke. Natürlich bekommt man nirgendwo alle Antworten auf dem Silbertablett präsentiert. Die genauen Münzbilder findet man nur in der Ausnahme, wohl Ein unverzichtbares Handbuch: aber bestimmte Elemente und Emblemata. Handbuch zur Sinn- deren Deutung. Ein wenig selbst bildkunst des XVI. und XVII. rätseln muss dann trotzdem Jahrhunderts, herausgegeben noch sein. Sonst wäre es ja auch zu einfach und würde keinen von Arthur Henkel und Albrecht Spaß machen! Schöne (Verlag J. B. Metzler 1996. Wie viele Staaten und Medailleure forderte Preußen das Sonnenima- ISBN 3-476-01502-5). Daniel Baumbach ge Ludwigs XIV. heraus (aus Auktion Künker 292 [2017], Nr. 6266). ANZEIGE Abonnieren Sie unseren Newsletter Jeden Freitag neu! www.muenzenwoche.de
15 Verunglimpfung, Hohn & Lächerlichkeit: Die Welt der Spottmedaillen Begleiten Sie uns auf einen kleinen Ausflug in das wahr- scheinlich unterhaltsamste Sammelgebiet der Numismatik. k. Medaillen, so liest man nahme. Oft kann man bis heute manchmal, sind Denkmäler für über sie schmunzeln, so man die Hand. Ihre Aufgabe ist die denn die Mühe auf sich nimmt, Erinnerung – an ein Ereignis die Anspielungen auf die Ereig- oder eine große Tat, in einer glo- nisse der Zeit aufzudröseln. rifizierenden Art und Weise vor- Tauchen wir anhand von Bei- getragen und oft als Mittel der spielen tiefer in die Materie ein, Römisch-Deutsches Reich. Leopold I. Satirische Silbermedaille 1702, Selbstdarstellung und Ruhmes- um uns die Geschichte und die von P. H. Müller. Auf die Einnahme von Cremona und die Gefangen- mehrung eines Herrschers. Neu- Kniffe dieser Gattung anzu- nahme des Marshalls Villeroy durch Prinz Eugen von Savoyen deutsch würde man sagen: Es schauen! geht um PR, um das Image. (aus Auktion Künker 305 [2018], Nr. 2720). Zu den frühesten und gleich- Aber dann gibt es innerhalb zeitig bekanntesten Spottme- frühe 18. Jahrhundert. Der da- ge am wichtigsten war: seinen der Medaillen eine Gruppe daillen gehören die in vielen Ver- mals herrschende „Sonnenkö- Ruhm. Sie griffen ihn in seinem schwarzer Schafe. Sie werden sionen gefertigten Vexierbilder nig“ Ludwig XIV. von Frankreich eigenen Lieblingsmedium an als satirische oder Spottmedail- aus der Zeit der Reformation, die setzte wie kein Herrscher vor und widersprachen der von ihm len bezeichnet – und haben den – je nach Drehung – entweder oder nach ihm Medaillen zur gewünschten Sichtweise. Ver- genau gegenteiligen Zweck: Sie Papst und Kardinal oder Teufel weilen wir etwas in dieser Zeit Imagepflege und Kriegspropa- sind subversiv, polemisch, kriti- und Narr zeigen (Drehen Sie und schauen uns einige Beispie- ganda ein. Dabei wurden auch sieren, ziehen ins Lächerliche doch mal ihr Heft!). Der Erfolg ist le an. die unbedeutendsten Siege ge- und verhöhnen. Sie ähneln da- sicher darauf zurückzuführen, feiert – und die Niederlagen na- bei sehr den Flugblättern. Das dass die Aussage der Medaille 1702 schuf Philipp Heinrich türlich ausgespart. Wie bei allen Thema Spottmedaillen ist un- damals wie heute für jeden ein- Müller diese Medaille auf einen Dingen, die er tat, machte ganz glaublich vielfältig. Es gibt Stü- fach zu verstehen ist. Und sie großen Sieg der kaiserlichen Ar- Europa es ihm bald nach. cke, die in den höchsten Kreisen führt uns gleich vor Augen, was mee über Frankreich im Spani- umgehen und sich allegorisch für eine Polemik in dem Sam- Gleichzeitig versuchte er, Frank- reichs Vormachtstellung in schen Erbfolgekrieg. Von Lor- zu Kriegsverläufen als eine Art melgebiet herrscht. beerzweigen umgeben sehen Gegenpropaganda ergehen; es In der Folgezeit wurde die Europa zu etablieren und seine Grenzen zu erweitern, indem er wir das Brustbild des siegrei- gibt sie aber auch in der Unter- Spottmedaille stetig beliebter. chen Befehlshabers, des Prinzen schicht. Es gibt sie mit feingeis- Die Niederlande kämpften 1568 ständig Kriege mit seinen Nach- Eugen von Savoyen. Fama, die tigen Motiven aber auch solchen, – 1648 um ihre Unabhängigkeit barn vom Zaun brach. Die Me- Personifikation des Ruhmes, die derb und geschmacklos sind. von Spanien. Besonders in die- dailleure in den Ländern seiner stößt in ihre Posaune und ver- Es gibt Stücke, die einfache sem Kontext entstanden viele Kriegsgegner setzten seinen kündet seine Glorie. Darunter Scherze sein sollen, und solche, solcher Stücke, die Niederlande Wellen an Propagandamedaillen gewinnt ein Adler, das Wappen- die die Gesellschaft kritisieren entwickelten sich zu einer Hoch- viele Spottmedaillen entgegen, tier des Reiches, einen Kampf oder Botschaften des Hasses burg der Spottmedaillen und die gegen das ankämpften, was verbreiten. Vielfach werden blieben es bis ins 18. Jahrhun- Ludwig XIV. nach eigener Aussa- Fortsetzung auf Seite 16 @@ Spottmedaillen von Medailleu- dert. ren auf eigene Rechnung herge- ANZEIGE stellt, Auftragswerke durch Herr- Gegen den Ruhm der Sonne scher sind, im Gegensatz zu nor- Die große Zeit der satirischen malen Medaillen, eher die Aus- Medaillen ist das späte 17. und Römisch-Deutsches Reich. Naumburg. Satirische Silbergussmedaille o. J. (16. Jahrhundert), unsigniert, auf den Naumburger Bischofsstreit von 1543 (aus Auktion Künker 297 [2017], Nr. 3560).
16 Frankreich. Ludwig XIV. Silbermedaille 1686, Spottmedaille auf die Augsburger Allianz gegen Frankreich (aus Auktion Künker 293 [2017], Satirische Silbermedaille 1713, unsigniert, auf die Gefangennahme Nr. 1845, Abbildung 2:1). der schwedischen Armee bei Tönning am 7. Mai 1713 (aus Auktion Künker 145 [2008], Nr. 7465). derstürmer“ (Iconoclaste) ge- gebnis“ bedeutet. Mit der Maus, sellt hat. Auf einer ähnlichen sehr klein in der Bildmitte zu se- gegen eines der Symbole Frank- tritt. Gemeint ist ein Sieg der Dä- Medaille sieht man, wie franzö- hen, meint der König das neu reichs, den gallischen Hahn. Auf nen über die Schweden. Der Ele- sische Soldaten die Kurfürsten- gegen ihn gerichtete Defensiv- der Rückseite sieht man die per- fant steht dabei für Dänemark, gräber in Heidelberg plündern bündnis der Augsburger Allianz, sonifizierte Germania, die eine was auf den höchsten däni- und Skelette aus den Särgen wie im Feld erwähnt wird. Wenig kleine Siegesgöttin in der Hand schen Ritterorden, den Elefan- kippen – hier sollen für die Zeit später kam es zum neun Jahre hält, während im Hintergrund ten-Orden, zurückzuführen ist. unerhörte Sakrilegien als Kriegs- andauernden Pfälzischen Erbfol- ein Sturm einigen Lilien – der Und warum Schweden durch ei- verbrechen angeprangert wer- gekrieg, bei dem die weiter ge- französischen Nationalblume – nen Steinbock dargestellt wird? den. wachsene Allianz dem Expansi- arg zusetzt. Mehr kann man auf Das ist ein Wortspiel: Der Kom- onsdrang des Sonnenkönigs einer Medaille wohl kaum unter- mandant der besiegten schwedi- Kupferstiche der Medaillen Einhalt gebieten konnte. Der Me- bringen! Die Medaille vereint schen Armee war der bekannte des Sonnenkönigs wurden übri- dailleur Christian Wermuth schuf hervorragend eine Vielzahl an Feldmarschall Stenbock! gens auch gesammelt in großen in Bezugnahme auf diese Me- Darstellungen vom Ruhm des Bänden abgedruckt, um die Gelegentlich kommt es vor, daille ein eigenes Stück, das ei- Gewinners und Schmach des dass Spottmedaillen sich „tar- Ruhmestaten des Königs weiter ne klare Antwort auf den Hoch- Verlierers und gehört damit in nen“. Erst auf den zweiten Blick zu verbreiten. Besonders perfi- mut des Sonnenkönigs darstellt. die Grauzone zwischen satiri- soll man erkennen, dass die Me- de: In den Niederlanden wurden Anlässlich des für Frankreich un- scher und „ordentlicher“ Me- daille nicht lobt, sondern kriti- diese Bücher in hohen Auflagen günstigen Kriegsverlaufs sieht daille. Denn ob ein Stück als siert. Mit dem Portrait des Son- nachgedruckt und verkauft – man auf der Medaille einen auf Spottmedaille einzuordnen ist, nenkönigs auf der Vorderseite und dabei einige antifranzösi- dem Rücken liegenden Hahn ist oft nicht eindeutig. Schließ- gibt sich diese Medaille zum sche „Kuckucksmedaillen“ un- und eine Maus, die ihn – sagen lich werden selten Siege zele- Beispiel als französisch aus. Sie tergemischt. wir – in den Unterleib beißt. Die briert, ohne gleichzeitig die Nie- zeigt aber auf der Rückseite Die meisten solcher Spottme- Umschrift spottet übersetzt: „Sie derlage des Gegners anzuspre- nicht wie erwartet eine Ruhmes- daillen sind gegen Frankreich kamen als Hähne und kehrten chen. Eine grobe Faustregel: Ist tat, sondern die Plünderung und gerichtet, aber auch der Sonnen- zurück als jämmerliche Kapau- die Niederlage wichtiger als der Zerstörung katholischer Kirchen könig selbst lässt gelegentlich nen (= kastrierte Hähne). Wer Sieg, hat man es mit einer Spott- durch französische Soldaten im seine Gegner verspotten, zum hat sie entmannt? Es war eine medaille zu tun. Pfälzischen Erbfolgekrieg. Die Beispiel auf dieser Medaille von kleine Maus.“ Nicht nur Hahn und Adler: geplünderten Kirchenschätze 1686: Bildlich dargestellt und Tier-Allegorien waren auf Spott- tragen Soldaten in ein Gebäude, als lateinische Umschrift zu le- So hochgeistig und allego- medaillen eine sehr beliebte Art, das als königliche Münze be- sen ist der von Horaz überliefer- risch erhaben solche Stücke um Konflikte darzustellen. Eine schriftet ist. Bei genauer Be- te und heute noch gelegentlich sein können, manchmal wird es satirische Silbermedaille von trachtung fällt außerdem die ab- gebrauchte Spruch „Die Berge auch dem Humor der Zeit ent- 1713 aus dem Großen Nordi- gewandelte Titulatur des Königs kreisten, geboren wurde eine lä- sprechend derb. Diese Medaille schen Krieg zeigt einen Elefan- auf der Vordersite auf, zu der cherliche Maus“, was in etwa von 1713, die den vom Reich als ten, der einen Steinbock nieder- sich die Bezeichnung als „Bil- „Großer Aufwand und wenig Er- Separatfrieden stark kritisierten Silbermedaille 1691, unsigniert, vermutlich von J. Smetzing. Satirische Silbermedaille 1714, unsigniert, von Christian Wermuth. Auf die Plünderung katholischer Kirchen im Rheinland durch Auf den Frieden von Utrecht und seine Folgen (aus Auktion Künker die Franzosen (aus Auktion Künker 297 [2017], Nr. 3099). 232 [2013], Nr. 343).
17 Deutsches Kaisereich. Preußen. Wilhelm II. 3 Mark 1911 A. Spottmün- Satirische Silbermedaille o.J. (1708) unsigniert, von Christian ze mit aufgelötetem Gut (aus Auktion Künker 139 [2008], Nr. 9224). Wermuth. Auf die Bestechlichkeit der kaiserlichen Kommission in Hamburg (aus Auktion Künker eLive 45 [2017], Nr. 6519). Nicht unerwähnt bleiben darf, Aus Italien kennt man Münzen, dass unter den eher volkstümli- auf denen Papst Pius IX. eine Frieden von Utrecht zum Thema verfasst sind. Sie sollten nicht chen Medaillen eine große An- Pfeife in den Mund graviert wur- hat und dessen Dauerhaftigkeit an Höfen kursieren, sondern auf zahl antijüdischer Stücke exis- de. Und auf Münzen des 1918 anzweifelt, zeigt auf der Vorder- Märkten oder in Wirtshäusern. tieren, die besonders im luthe- abgedankten Kaisers Wilhelm II. seite drei Herren, die durch ihre Zudem sind sie in der Regel risch geprägten Teil des Reiches erhielt dieser einen Hut aufgelö- „Sprechblasen“ als Holland, Eng- nicht signiert: Ein deutscher weit verbreitet waren. Dieses tet – eine Anspielung darauf, land und Frankreich erkennbar oder niederländischer Medail- Beispiel bezieht sich auf die dass er seinen Hut nehmen werden und die einträchtig ei- leur kann ruhigen Gewissens Zwangstaufen von jüdischen De- musste, wie man so schön sagt. nen gemeinsamen „Haufen ma- Stücke signieren, auf denen er linquenten, die, so die Aussage Während des Ersten Weltkrie- chen“. Auf der Rückseite, die die den Dauerkriegsgegner Frank- der Medaille, den Taufen nur ges entstanden noch einmal vie- Jahreszahl 1714 zeigt, ist es mit reich verhöhnt – aber bei Kritik zum Schein zustimmen, weil sie le satirische Medaillen, die als der Eintracht dahin, und man an der eigenen Obrigkeit sollte so einer härteren Strafe entge- Kriegspropaganda die jeweiligen bewirft sich mit dem zuvor „Ge- man sich davor hüten. hen, wie auf der Rückseite aus- Feinde verhöhnten. Hervorzu- schaffenen“. Als Anspielung auf Daneben gibt es auch Medail- geführt wird. Dargestellt wird ein heben sind die vielen Werke den Ort der Verhandlungen, Ut- len, die eigentlich nur harmlose Jude, der an einem Gewässer des bekannten Medailleurs Karl recht, liest man „Pax Ou Trec“ Späße sein und keine oder getauft wird. Er trägt einen Mühl- Goetz. („Frieden oder Mist“). Dazu sind kaum Kritik zum Ausdruck brin- stein um den Hals. Ein Mann ist die Umschriften zum Teil spie- Auch in der Zeit nach dem Ers- gen sollen. Hier liefert wieder im Begriff, ihn ins Wasser zu sto- gelverkehrt, wohl um den Ver- ten Weltkrieg kann man noch der Medailleur Christian Wer- ßen. „So bleibt er am bestän- drehte-Welt-Charakter und die manch interessantes Stück fin- digsten“, lautet die geschmack- Unsinnigkeit des Friedens zu be- muth schöne Beispiele. Auf ei- den. Sie beziehen sich oft mit ei- ner Medaille kommentiert er au- lose Umschrift. Die Randinschrift tonen. nem Galgenhumor auf Hunger genzwinkernd das Studentenle- bringt die Aussage nochmal auf und Armut in Folge der wirt- Nicht nur bei Hofe ben an den sächsischen Univer- den Punkt: „So wahr die Maus schaftlichen Krisen in den sitäten: „Wer von Leipzig kommt die Katz nit frisst, wird der Iud 1920er-Jahren. Dieses Beispiel Wie eingangs erwähnt, gehö- ohne Weib, von Wittenberg mit kein wahrer Christ.“ ren zu dem Genre der Spottme- gesundem Leib, und von Jena thematisiert die Hyperinflation Im Laufe des 18. Jahrhunderts und zeigt, wie der Deutsche Mi- daillen auch Stücke, die eher ohne Schlagen, hat von grossem kommen die Spottmedaillen aus volkstümlicher Art sind und sich Glück zu sagen.“ Die Einführung der Mode. Dennoch findet man chel, die Personifikation nicht mit der großen Politik be- der Straßenbeleuchtung in Leip- sie vereinzelt immer wieder zu Deutschlands, einen Dukaten schäftigen. Hier geht es eher um zig kommentiert er mit einer Me- bestimmten Ereignissen, etwa verspeist und dabei gleichzeitig gesellschaftskritische Themen daille, auf der ein Student im Kontext der Französischen Unmengen an Geldscheinen wie Unrecht, Teuerung, Hunger nachts im Schein der Straßen- Revolution und zu sozialen The- ausscheidet. „Wo ist das viele und Korruption. gute Geld, sieh Volk, was herun- lampe ein Buch liest: „Leipzig men. Um 1900 häuft sich ein terfällt“; „So leben wir vom Pa- Unser Beispielstück soll zwar steckt Laternen an, dass man weiteres spannendes Phäno- pier, bis alles der (bildlich dar- im Kontext eines konkreten Er- nette sehen kann.“ Und zu den men: Münzen werden als politi- gestellte Teufel) holt“. eignisses entstanden sein, sei- Verwirrungen bei der chaoti- scher Kommentar verunstaltet. ne Aussage ist aber so allge- schen Einführung des Gregoria- Bekannt sind zum Beispiel die Und mit diesem Stück sind wir mein auf Korruption gerichtet, nischen Kalenders in den pro- vielen Fälle, in denen französi- am Ende unseres kleinen dass das Motiv über Jahrzehnte testantischen Reichsteilen im sche Münzen mit dem Abbild Crashkurses durch diese Gat- von verschiedenen Medailleuren Jahr 1700 liest man auf einer des von Deutschland besiegten tung angelangt. Das war natür- immer wieder neu aufgelegt seiner Medaillen „Hoert doch Napoleon III. verunstaltet wur- lich nur ein kleiner Überblick wurde. „Komsttu mir also“ – ei- Wunder, im Jahre MDCC wusten den, indem dem Kaiser eine über dieses vielfältige und zu ne Hand, die Münzen auszahlt – die Leuthe nicht wie alt sie wa- preußische Pickelhaube durch Unrecht nicht sonderlich viel be- „So komme ich dir so“ – ein ren.“ Einritzungen „aufgesetzt“ wurde. achtete Sammelgebiet. Viel- Mann hält sich die Hand vor das leicht konnte ich ja Ihr Interesse Gesicht, schaut also gewisser- wecken. Immer wieder tauchen Weimarer W We i Republik. Satiri- solche Stücke in den Auktionen maßen weg. Solche eher volks- scher sc Dukat 1923, auf die auf, die Preise sind in der Regel tümlichen Stücke erkennt man oft daran, dass sie oft kleiner desaströsen monetären d erschwinglich. Und wie sang oder aus billigem Material wie Verhältnisse während der V schon Roberto Blanco: „Ein biss- Kupfer oder hier Zinn hergestellt Inflation 1918 – 1923 I chen Spaß muss sein“, und das und nicht in der Bildungsspra- (aus ( (a Auktion Künker 328 gilt auch für die Numismatik! che Latein, sondern auf Deutsch [[2019], [2 0 Nr. 5925). Daniel Baumbach
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