Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.

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Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
68. Jahrgang . ISSN 0341-2458

                                                          08 | 2021

                        Zeitschrift des
                        Deutschen Ärztinnenbundes e.V.

Digitalisierung in der Medizin:
Chancen und Risiken
Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
INHALT/IMPRESSUM

                Inhalt                                                             ärztin
                                                                                   Offizielles Organ
                                                                                   des Deutschen Ärztinnenbundes e. V.
                                                                                   ISSN 0341-2458
          03     Editorial
                 Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk                               Herausgegeben vom
                                                                                   Deutschen Ärztinnenbund e. V.
                                                                                   Präsidentin: Dr. med. Christiane Groß, M.A.
          04     Gastbeitrag                                                       E-Mail: gsdaeb@aerztinnenbund.de
                 Monika Schulz-Strelow
                 Berliner Erklärung: Kein politisches „Weiter so“                  Redaktion und V.i.S.d.P.:
                                                                                   Alexandra von Knobloch
                 nach der Bundestagswahl
                                                                                   Pressereferentin des Deutschen Ärztinnenbundes
                                                                                   E-Mail: presse@aerztinnenbund.de
          05     Schwerpunkt: Digitalisierung in der Medizin –
                 Chancen und Risiken                                               Redaktionsausschuss:
                                                                                   Dr. med. Christiane Groß, M.A.
                 Dr. med. Anke Diehl, M.A.
                                                                                   Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk
                 Dr. med. Carina Vorisek                                           Dr. med. Heike Raestrup
                 Barbara Steffens                                                  PD Dr. med. Barbara Puhahn-Schmeiser
                 Im Interview: PD Dr. med. Peter Bobbert
                                                                                   Geschäftsstelle des DÄB
                                                                                   Rhinstraße 84, 12681 Berlin
          11     Prof. Dr. med. Anke Lesinski-Schiedat                             Tel.: 030 54 70 86 35
                 Thomas-Prinzip: Es ist Zeit für einen zusätzlichen,               Fax: 030 54 70 86 36
                 weiblichen Kreislauf!                                             E-Mail: gsdaeb@aerztinnenbund.de

                                                                                   Wir bitten alle Mitglieder, uns ihre aktuelle
          12     PD Dr. med. Barbara Puhahn-Schmeiser                              E-Mail-Adresse mitzuteilen
                 Offener Brief an 3 Bundesministerien:
                                                                                   Grafikdesign:
                 Taten beim Mutterschutz gefordert
                                                                                   d‘sign, Anne-Claire Martin
                                                                                   Mommsenstraße 70, 10629 Berlin
          13     Aus dem Verband                                                   Tel.: 030 883 94 95
                 Einladung zur Mitgliederversammlung • Kandidaturen                E-Mail: anneclaire.martin@berlin.de

                                                                                   Druck:
          16     Prof. Dr. oec. Gudrun Sander                                      Umweltdruck Berlin GmbH
                 Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise auf Frauen     Sportfliegerstr. 5, 12487 Berlin

          17     Impressionen vom Internationalen Kongress der Ärztinnen

          18     Neue Mitglieder • Wir gratulieren                                 Die Zeitschrift erscheint dreimal pro Jahr.
                                                                                   Heftpreis 5 Euro. Bestellungen werden von der
                                                                                   Geschäftsstelle entgegengenommen.
          19     Auszeichnungen: Dr. med. Astrid Bühren                            Für ordentliche Mitglieder des DÄB ist der Be-
                 Aus den Regionalgruppen: Berlin/Brandenburg • Hannover            zugspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten.
                                                                                   Redaktionsschluss der Ausgabe 03/2021:
                                                                                   28. Oktober 2021
          20     Nachruf: Prof. Dr. med. Gisela Enders
                 Regionalgruppe Lübeck: Interview mit Katharina Kewitz             Fotos:
                 über die Wirkung des Klimawandels auf die Gesundheit und          Titelseite: 123rf_peshkov, Seite 8: 123rf_dolgachov,
                 das Aktionsnetzwerk Health for Future                             Seite 9: 123rf_leventegyori, Seite 10: 123rf_amaviael,
                                                                                   Seite 16: Unsplash, Seite 21: 123rf_elarina, jvdwolf,
                                                                                   Seite 24: 123rf_fermate
          22     Alexandra von Knobloch
                 Buchbesprechung: Hilfe beim Aufspüren von Traumata                Haftungsbeschränkung
                                                                                   Der DÄB übernimmt weder die Verantwortung für den
                 Dr. med. Regina Grünke
                                                                                   Inhalt noch die geäußerte Meinung in den veröffent­
                 Buchbesprechung: Frauenheilkunde mit Rundumblick für die Praxis   lichten Beiträgen. Für unverlangt eingesandte Manu­
                                                                                   s­kripte und Fotos übernehmen wir keine Haftung.
          23     Dr. PH Benjamin Kuntz                                             Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die
                                                                                   Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen
                 Zum 50. Todestag von Lucie Adelsberger
                                                                                   Autorin und nicht immer die Meinung der Redaktion
                                                                                   wieder. Wir behalten uns das Recht vor, Beiträge und
          24     Vorläufige Tagesordnung der Mitgliederversammlung 2021            auch Anzeigen nicht zu veröffentlichen.

 2    ärztin 2 August 2021                                                                                                68. Jahrgang
Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
EDITORIAL

Liebe Kolleginnen,

welches Thema kommt diesmal zuerst?                                       Zweitens wurde deutlich (und das sollte
Mittlerweile empfinden wir ein Überan-                                    man durchaus positiv sehen!), welche
gebot an Online-Konferenzen und -Semi­                                    enormen Geschlechts- und Altersunter­

                                                                      Foto: privat
naren. Sind wir onlinemüde? Und welcher                                   schiede bei Infektionen, Krankheitsver-
Verein, welche Gruppe hat sich noch                                       läufen, Impferfolgen und so weiter es gab
nicht zum Beispiel über die pandemiebe-                                   und künftig geben wird. Damit haben wir
dingte Zu­rücksetzung von Frauen geäußert? Haben           Kenntnisse erhalten, die zu Impulsen einer differen-
wir das inzwischen oft genug gehört? Wie uns über-         zierteren klinischen Forschung in Bezug auf Gender-
haupt die immer neuen Fakten zur Pandemie, täglich         medizin und Altersmedizin führen sollten. Leider sind
von den Medien vorgesetzt, allmählich langweilen und/      diese Themen in den Medien nur sporadisch aufgegrif-
oder ermüden? Trotzdem bleibt die Pandemie wichtig,        fen worden. Liegt es (auch) daran, dass meist nur jün-
und wir sollten nicht nachlassen, andere Entwicklun-       gere männliche Experten zu Worte kamen?
gen anzumahnen, etwa bei der Re-Traditionalisierung
von Rollenmustern, die bereits im Gang ist (Seite 16).     Das wäre nicht verwunderlich, denn bei der Besetzung
                                                           der Lehrstühle in der Virologie und Immunologie über-
Immerhin werden aber die Aluhüte nicht mehr so häu-        wiegen die Männer mit mehr als 80 Prozent. Es ist an
fig aufgesetzt. Viele Querdenker und Querdenkerinnen       der Zeit, unsere Studie von 2019 (Medical Women on
(die gibt es leider auch) sind offenbar dazu überge­       Top-Update) für 2022/2023 zu aktualisieren, um die
gangen, wieder den eigenen Verstand zu gebrauchen.         Ergebnisse erneut zu veröffentlichen!
Interessant ist, wie sich eine Bevölkerung überhaupt
in Pandemiezeiten benimmt: Heinrich Heine hat dazu         Nur die wiederholte Wiederholung führt ja bekanntlich
ein kleines, lesenswertes Buch geschrieben: „Ich rede      zum Erfolg, der darin bestünde, die Politik erneut für
von der Cholera.“ Es ist ein Bericht aus Paris von 1832.   die Medizin und die geringe Repräsentanz von Frauen
Die Parallelen zum Heute und Jetzt sind frappierend:       in Führungspositionen zu sensibilisieren: Es kann nicht
Verschwörungstheorien, Schuldzuweisungen. Sogar            immer nur um das Fehlen von Frauen in Aufsichts-
Lynchmorde gab es damals in Paris. Eine Pandemie           räten und DAX-Vorständen gehen, so wegweisend die
weckt menschliche Urängste, egal in welcher Zeit.          Bundestagsbeschlüsse dazu auch sind! Es gibt für die
Dagegen hilft auch die rationale Wissenschaft nicht.       Medizin viel zu tun. Ergreifen wir doch weiterhin die
Selbst wenn sie in einem atemberaubenden Tempo             Initiative und kommen weiter auf dem Weg zu Gleich-
effektive Impfstoffe entwickelt hat. Eigentlich wunder­    berechtigung und Parität – und weg von dem zu oft
bar. Und es hat Leben gerettet, vielleicht sogar das       geäußerten Konjunktiv (man sollte, müsste, könnte)!
eigene.
                                                           Mit kollegialen Grüßen
Zwei Defizite von vielen in der Gesundheitsversor-
gung wurden durch die Pandemie besonders augen-
fällig: Erstens wurde klar, wie schlecht Deutschland in
Sachen Public Health aufgestellt ist. Das RKI reicht
nicht bei schlecht besetzten Gesundheitsämtern und
schlecht bezahlten Amtsärzt:innen. Der öffentliche Ge-
sundheitsdienst ist beschämend mangelhaft ausge-           Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk,
stattet.                                                   Vizepräsidentin des DÄB

                                                                                                       ärztin 2 August 2021   3
Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
GASTBEITRAG

                                                     Berliner Erklärung:
                                                     Kein politisches „Weiter so“
                             Foto: © Ralf Rühmeier
                                                     nach der Bundestagswahl

                                                                   MONIKA SCHULZ-STRELOW

      Gemeinsam Impulse in der Gleichstellungspolitik formulieren und die Politik in die Pflicht nehmen – das
      ist das erklärte Ziel der Berliner Erklärung seit dem ersten Zusammenschluss von sechs Parlamenta­
      rierinnen und sechs Frauenverbänden im Jahr 2011. Heute haben wir mit 21 Initiatorinnen und 21 verbün­
      deten Verbänden vier zentrale Forderungen für die Bundestagswahl (BTW) 2021 erarbeitet.

     D
              ie Pandemie hat gezeigt, dass                 die über die Projekte zur Bekämpfung         Themen erweitert. Weitere Verbände
              Frauen auch in Deutschland                    der Pandemiefolgen entscheiden, sind         schlossen sich als Verbündete an. Seit
              dringend eine neue Politik benö­              paritätisch zu besetzen. Wir plädieren       2021 sind es 21 Initiatorinnen und 21
      tigen. Wir sind noch weit von einer                   für die Einführung von Gender Budgeting      verbündete Verbände.
      Gleichstellung der Geschlechter entfernt.             im Bundeshaushalt und fordern, dass
      Die Forderungen der Berliner Erklärung                Frauen von öffentlichen Geldern glei-        Die Kraft der Berliner Erklärung beruht
      diskutieren wir in den Wochen bis zur                 chermaßen profitieren.                       auf der vielfältigen Expertise der Verbän-
      BTW mit Spitzenpolitiker:innen.                                                                    de in ihrer Größe und unterschiedlichen
                                                              Ein Leben frei von Gewalt ist für Frau-    Schwerpunktsetzung. Die Kompromiss-
      Egal, welche Parteien den nächsten Koa­               en auch in Deutschland nicht selbst-         bereitschaft der Verbände ermöglicht
      litionsvertrag verhandeln – hier unsere               verständlich. Wir fordern ein Bundes-        den von allen getragenen Forderungs-
      Forderungen:                                          programm zur Gewaltprävention, die           katalog. Die besondere Leistung besteht
                                                            vollständige Umsetzung der Istanbul-         darin, dass trotz unserer Vielfalt Konsens
        Politik muss sich für Parität und Betei-            Konvention, Schutz vor sexueller Beläs­      darüber besteht, dass die Situation von
      ligung von Frauen auf allen Ebenen ein-               tigung und Gewalt am Arbeitsplatz.           Frauen auf so vielen Ebenen verbessert
      setzen: Dies gilt in der Privatwirtschaft,            Frauenfeindliche Gewalt und Frauen-          werden muss.
      in öffentlichen Unternehmen, an Hoch-                 hass müssen separat in der Kriminal­
      schulen, in Verwaltungen, in Medien, Kul-             statistik aufgeführt werden.                 Für die Berliner Erklärung ist klar: Es
      tur, in der Medizin und in Parlamenten.                                                            bleibt viel zu tun. Politiker:innen, die sich
                                                            Die Themen zeigen den akuten Hand-           für die Schließung sämtlicher Gender-
         Dazu gehört gleiche und faire Bezah-               lungsbedarf. Sämtliche Gender-Gaps           Gaps einsetzen, haben die Unterstüt-
      lung. Wir fordern unter anderem ein Ver­              sind bis 2030 zu schließen. Politik muss     zung auf diesem Weg von vielen zivil-
      bandsklagerecht, damit Frauen ihren                   hinsehen. Das grundlegende Verständ-         gesellschaftlichen Akteur:innen. Packen
      Anspruch auf gerechte Bezahlung ohne                  nis der Berliner Erklärung seit 2011 bein-   wir es gemeinsam an! ƒ
      persönliche Benachteiligung erreichen.                haltet: „Gemeinsam mit einer Stimme
      Reformen des Steuer- und Sozialrechts,                über die fraktionellen Grenzen hinweg         Monika Schulz-Strelow ist Unterneh­
      wie die Abschaffung des Ehegatten­                    für bessere Gleichstellungspolitik in         mensberaterin, Aufsichtsrätin und en-
      splittings und leichtere Rückkehrmög-                 Deutschland.“                                 gagiert sich ehrenamtlich als Präsi­
      lichkeiten aus Teilzeit, sind unabdingbar.                                                          dentin der Initiative „Frauen in die
      Wichtig sind gendergerechte Regeln in                 Druck kann etwas bewirken                     Aufsichtsräte e. V.“ (FidAR). Sie vertritt
      der digitalisierten Arbeitswelt, die die Be-                                                        zudem maßgeblich das Bündnis der
      dürfnisse von Frauen gleichermaßen be­                Ohne den Druck der Berliner Erklärung         „Berliner Erklärung“, an dem auch der
      rücksichtigen. Die faire Förderung von                wäre das Wahlprogramm der CDU 2013            DÄB mitwirkt. 2013 wurde sie mit dem
      Gründerinnen und Start-ups ist ein Muss.              nicht im letzten Moment umgeschrieben         Verdienstorden der Bundesrepublik
                                                            worden. 2017 haben 17 Frauenverbän­           Deutschland ausgezeichnet.
        Das Leitprinzip Gleichstellung muss in              de die Berliner Erklärung fortgeführt. Der
      allen Politikfeldern gelten. Die Gremien,             Forderungskatalog wurde um aktuelle          E-Mail: praesidentin@fidar.de

 4    ärztin 2 August 2021                                                                                                               68. Jahrgang
Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
DIGITALISIERUNG

                                            Smart Hospital:
                      Foto: © O. Hartmann
                                            Schlagwort oder Zukunftsmedizin?

                                                     DR. MED. ANKE DIEHL, M.A.

Wichtig für das Gelingen von digitaler Transformation ist vor allem die interdisziplinäre Zusammenarbeit
auf Augenhöhe. Beispiele aus dem Universitätsklinikum Essen zeigen, was schon möglich ist.

A
        ls ich 1998 als Assistenzärztin in der Radiologie an-     die enge Zusammenarbeit der Wissenschaftler:innen und
        fing zu arbeiten, musste ich an jedem Arbeitstag un­      Mediziner:innen werden so KI-Anwendungen entwickelt und
        gefähr zwei Stunden für Fährtensuche und Jagd ein-        getestet – was selbstverständlich die leitlinienkonforme Be-
planen. Keine Sorge: Sie lesen den richtigen Artikel und ich      fundung durch die Radiolog:innen nicht ersetzt, sondern nur
berichte nicht über Freizeitaktivitäten!                          effizient unterstützt.

Vor Einführung der Picture Archiving Systeme (PACS) wurde         Ortsunabhängige Medizin
jegliche Art von Aufnahmen (Röntgen, Computertomografie,
Kernspintomografie, ...) auf Filmen ausgedruckt und in spärlich   Durch Digitalisierung und Integration von Spitzentechnologie
beschriftete, große Röntgentüten gesteckt. Die Bilder waren       ergeben sich auch Möglichkeiten, den Durchführungs-, Pla-
selten an der korrekten Stelle zu finden. Daher verbrachten die   nungs- und Bewertungsort von Untersuchungen zu trennen.
Assistenzärzt:innen viel Zeit mit Fährtensuche: in anderen        Am Universitätsklinikum Essen werden beispielsweise zen-
Röntgentüten desselben Patienten oder derselben Patientin, in     tral am virtuellen Cockpit MRT-Aufnahmen geplant, die dann
den Tüten potenzieller Bettnachbarn, auf verschiedenen Statio-    an weiteren Standorten der Universitätsmedizin Essen ge-
nen, in Archivwägen, an Alternatoren oder an einem der Licht-     macht werden. Auch können (in Diensten oder bei Teilzeit-
monitore in Stations- oder Dienstzimmern sowie auf Konsiliar-     tätigkeit) radiologische Befundungen dezentral von anderen
stationen. Die Suchmöglichkeiten waren schier unendlich.          Arbeitsplätzen erfolgen – bei entsprechender Ausrüstung
                                                                  auch von zu Hause. Das begünstigt beispielsweise die Verein-
KI macht es spannend                                              barkeit von Familie und Beruf und war ohne Digitalisierung,
                                                                  wie früher während meiner eigenen Elternzeit, undenkbar.
Den jüngeren Leser:innen scheint dies vermutlich befremd-
lich, denn die zentrale Speicherung und der dezentrale Abruf      Wichtig für das Gelingen von digitaler Transformation ist vor
von Aufnahmen aus der Radiologie ist heutzutage normal. Am        allem die interdisziplinäre Zusammenarbeit, denn jede Berufs-
Universitätsklinikum Essen bietet ein FHIR-basierter Datalake     gruppe hat ihre Expertise und nur durch Zusammenarbeit auf
darüber hinaus eine Reihe von Anwendungen wie die Anzeige         Augenhöhe können innovative Digitalisierungsmöglichkeiten
relevanter Laborwerte bei angemeldeten Kontrastmittelunter-       zum Nutzen der Patient:innen und auch zum Nutzen der Mit­
suchungen, quantitative Auswertungen beispielsweise von Tu-       arbeiter:innen eingesetzt werden.
morgrößen, Gewebedifferenzierungen oder Unterstützung bei
der Bestimmung des Alters durch Auswertungen von Röntgen­         Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft
aufnahmen der Hand. Aber nicht nur die synchrone Anzeige
von Daten aus Subsystemen wie beim Patienten-Dashboard            Ja, um viele Details der Digitalisierung ringen wir immer noch.
oder die effiziente, automatische Auswertung beziehungs-          Noch fehlt oft die Integration von Subsystemen oder es man-
weise Dokumentation bringen Arbeitserleichterungen: Richtig       gelt an der Interoperabilität. Das führt dazu, dass wir die
spannend wird es bei der Auswertung von Daten aus multiplen       technischen Möglichkeiten der Digitalisierung in der Medizin
Datenquellen mittels Künstlicher Intelligenz (KI).                noch nicht richtig nutzen können. Es ist noch ein weiter Weg
                                                                  zu gehen. Aber Zeitersparnis bei digitalen Prozessen, Clinical
So lassen sich Algorithmen, die Metadaten aus der Radiologie      Decision Support oder Beispielanwendungen der KI sind kei-
mit Laborbefunden und klinischen Verlaufsdaten kombinieren,       ne Seltenheit mehr, sondern ermöglichen neue Prozesse und
beispielsweise zur Prognoseeinschätzung heranziehen. Durch        begünstigen den digitalen Kulturwandel auch in der Medizin.

                                                                                                             ärztin 2 August 2021   5
Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
DIGITALISIERUNG

      Weniger Stress für Kranke                                                              Universitätsklinikums Essen forschen
                                                                                             sechs weitere Partner – zwei Fraunhofer
      Hier weitere Beispiele: Im Sommer 2020                                                 Institute, zwei KMUs (Kleine Mittelstän-
      wurde am Universitätsklinikum Essen                                                    dische Unternehmen) und zwei weitere
      die erste Applikation des Patientenpor-                                                Universitäten. Es ist das bisher größte
      tals fertiggestellt. Es ist eine App, mit der                                          Fördervolumen für KI und Digitalisierung
      sich COVID-19-Patient:innen nicht nur                                                  in der Medizin, welches von einer Frau
      über die Erkrankung und etwaige Ko­                                                    geleitet wird und es wird mir ein beson-
      morbiditäten informieren können. Nach                                                  deres Anliegen sein, dabei genderspezi­
      der Entlassung können sie zudem Be-                                                    fische Aspekte weiter zu erforschen.
      funde (wie die Körpertemperatur) und
      Fragebögen von zu Hause aus eingeben                                                    Chancen für Frauen
      oder die Klinik über eine Chatfunk­      tion
      kontaktieren. Derzeit setzen wir als wei-                                               Digital Health, eHealth, Telemedizin und
      tere Anwendungen eine Patient:innen-                                                    KI bringen für die Medizin viele Neuerun-
      App für Kinder und einen Prozess zur                                                    gen, aber in erster Linie auch Chancen,
      digitalen Aufnahme von Patient:innen                                                    um die gesundheitliche Versorgung der
      von zu Hause um. Ab 2022 können Er- Symptomtagebuch und Kontakt zur Klinik: im normalen Alltag erlebten Digitalisie-
      krankte bereits zu Hause über das Por- App der Universitätsmedizin Essen                rung und zunehmenden Digitalkultur an-
      tal den Behandlungsvertrag bearbeiten,                                                  zupassen. Ja, es ist noch sehr viel zu
      Informa­tionen sichten und die entsprechenden Aufklärungen tun. Und gerade als Ärztinnen müssen wir auf etwaige Gen­
      zusammen mit dem Klinikpersonal, etwa per Video, bespre- derunterschiede bei Digitalisierungskonzeption und -anwen-
      chen – selbstverständlich personalisiert und datengeschützt.     dung genauso wie bei Entwicklungen von KI in der Medizin
                                                                       achten – so wie in der medizinischen Forschung überhaupt
      Unser Ziel sind besser informierte Patient:innen, die in ihrem stärker auf Genderunterschiede geachtet werden muss.
      vertrauten Umfeld – ohne den Stress der üblichen Umge-
      bung in einer Krankenhausaufnahme – in ihrer eigenen Zeit Insofern freue ich mich, dass zunehmend mehr Kolleginnen
      Dokumente lesen, Videos ansehen, Fragen vorbereiten und dabei aktive Rollen übernehmen und einen positiven Einfluss
      nach persönlichem Gespräch auch informierte Einwilligungen auf den Kulturwandel und auch auf das Selbstbewusstsein
      geben können.                                                    von Ärztinnen innerhalb des Technikfokus haben. Nicht zuletzt
                                                                       liegt es in unserer Hand, den Wandel mitzubestimmen, auch
      KI-Großprojekt unter weiblicher Führung                          wenn es in der reinen Technikdomäne, etwa der Informatik, im-
                                                                       mer noch wenige Frauen gibt. Aber auch ohne Programmier-
      Einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur smarten Digita- wissen können wir maßgeblich den medizinischen Einsatz
      lisierung markiert das Konsortialprojekt SmartHospital.NRW. von Digitalisierung und KI beeinflussen: Schließlich muss man
      Es wird als Spitzencluster für KI in der Medizin über fünf Jah- auch kein Kraftfahrzeugmechatroniker/-mechatronikerin sein,
      re nicht nur drei für die Medizin relevante KI-Use-Cases er­ um ein Auto unter Einhaltung der Verkehrsregeln zu fahren und
      forschen, sondern vor allem die notwendige Transformation mit einem guten Fahrstil zu einem positiven Miteinander bei-
      der Krankenhäuser. Gesundheitsdatenanalyse, semi-automa- zutragen.ƒ
      tisierte Arztbrieferstellung und Sprach- und Dialogsysteme
      werden für Patient:innen ebenso wie für die ärztlichen Arbeits-    Dr. med. Anke Diehl, M.A., ist Chief Transformation Officerin
      plätze in die Prozesslandschaft der Kliniken durch passgenaue      der Universitätsmedizin Essen und Leiterin der Stabsstelle Di­
      Change-Modelle eingebettet.                                        gitale Tranformation. Die Ärztin mit einem Master in Medizin-
                                                                         Management ist Expertin für Digital Health und Konsortial­
      Eine Leitlinie für die Transformation, die Erhebung von Qualifi­   führerin des Spitzenclusters KI „SmartHospital.NRW“. Weitere
      zierungsbedarfen bei den Mitarbeitenden, Readiness-Checks          Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind Gendermedizin, Versorgungs­
      und vieles mehr dienen zudem dazu, den Einfluss und opti-          forschung, eHealth und Patient:innenorientierung.
      malen Einsatz von KI-Spitzentechnologien in der Kranken-
      hausmedizin zu untersuchen. Unter der Konsortialführung des E-Mail: anke.diehl@uk-essen.de

 6    ärztin 2 August 2021                                                                                                 68. Jahrgang
Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
DIGITALISIERUNG

                                     Geschlechter-Bias und
                                     Künstliche Intelligenz in der
                                     Biomedizin und Versorgung
                      Foto: privat

                                                    DR. MED. CARINA VORISEK

Präzisionsmedizin, unabhängig von biologischem und sozialem Geschlecht: Um diesem Anspruch gerecht
zu werden, müssen die Daten in der Digitalen Medizin frei von Verzerrungen sein. Eine Studie beleuchtet
nun, wie gut oder schlecht das momentan gelingt.

D
         er Wunsch nach Präzisionsme-        meisten pharmakologischen Nebenwir-          etablieren. Das Wissen um ungewollten
         dizin, der technische Fortschritt   kungen von Frauen gemeldet werden.           und gewollten Bias zur adäquaten Re-
         sowie die vermehrte Verfügbar-      Ein weiterer Punkt sind digitale Biomar-     präsentation von verschiedenen Ge-
keit von medizinischen Daten bewirkten       ker, die durch Mensch-Computer-Interak-      schlechtern und Minderheiten muss in
in den vergangenen Jahren eine rasche        tion erhoben werden, etwa über Smart-        das Bewusstsein von Expert:innen aus
Verbreitung von Künstlicher Intelligenz      phones. Auch hier zeigte sich, dass          Wissenschaft, Medizin und Industrie ge-
(KI) in Medizin und Forschung. KI-Anwen­     Informationen bezüglich des Geschlech-       langen. Für faire KI-Algorithmen braucht
dungen benötigen große Datenmengen.          tes zur Analyse fehlen und vor allem         es Datensätze, die sich an den FAIR-Prin-
Diese bestimmen die Qualität der KI-         männliche Daten verwendet werden. In         zipien (für „findable“, „accessible“, „inter­
Algorithmen. Verwendete Daten sollten        Ländern mit niedrigerem bis mittlerem        operable“ und „reusable“) orientieren so-
darum standardisiert und interoperabel       Einkommen fehlt vor allem Frauen der         wie internationale Standards nutzen.
sein, um ungewollten Bias zu verhindern.     Zugang zu Internet und Smart­phones,
Dieser Artikel fasst die Übersichtsarbeit    was den Geschlechter-Bias bei der            Bias früh erkennen
von Cirillo et al. (doi: 10.1038/s41746-     Nutzung dieser Daten verstärkt. Der Ge-
020-0288-5) zum Thema „Geschlechter-         schlechter-Bias betrifft auch Big Data,      Unter Berücksichtigung ethischer An-
Bias in der KI“ zusammen.                    Natural Language Processing und Robo­        forderungen sollte die Implementie-
                                             tics. In der Übersichtsarbeit wird auch      rung von XAI gefördert werden, um Ge-
Aktueller Stand und Ursachen                 das im Detail erläutert.                     schlechter-Bias frühzeitig zu erkennen.
                                                                                          Nur so können wir alle als Gesellschaft
Zunächst gilt es, zwischen ungewolltem       Mit dem zunehmenden Einsatz und der          von der Präzisionsmedizin durch KI-
und gewolltem Bias zu unterscheiden:         wachsenden Lernfähigkeit von KI wur-         Algorithmen profitieren. ƒ
Gewollter Bias enthält analysierbare Da-     den die KI-Algorithmen immer komple-
ten mit Zuordnung zum Geschlecht, die        xer, was zum Problem der „Black Box“          Dr. med. Carina Vorisek ist approbierte
eine individuelle Präzisionsmedizin er-      führt. „Black Box“ beschreibt das fehlen-     und ECFMG-zertifizierte Medizinerin in
möglichen. Ungewollter Bias entsteht         de Verständnis, wie der KI-Algorithmus        der Ausbildung für Allgemeinmedizin
durch Geschlechterdiskriminierung. Er        zu seinen Ergebnissen gelangt. Daher          mit einem Master of Science in Clini­
entwickelt sich immer dann, wenn die         gibt es vermehrt Anforderungen für eine       cal Research sowie wissenschaftlicher
Daten die Allgemeinbevölkerung nicht         Erklärtechnik von KI, die „Explainable AI“    Erfahrung in den USA. Sie arbeitet in
repräsentieren.                              (XAI). Sie kann fehlerhafte Outcomes          der Core Unit eHealth und Interopera­
                                             sowie Bias entlarven. XAI ist jedoch ein      bilität des Berlin Institute of Health at
Eine Unterrepräsentation des weiblichen      relativ neues Forschungsfeld, in dem bis-     Chari­té – Universitätsmedizin Berlin am
Geschlechts in experimentellen und kli-      her keine Aktivitäten zur Untersuchung        Projekt NFDI4Health. Sie setzt sich für
nischen Daten ist bekannt. Wegen der         von Geschlechter-Bias erfolgt sind.           die breite Anwendung internationaler
physiologischen Unterschiede zwischen                                                      Standards im Gesundheitssystem so­
den Geschlechtern ist dies fatal im Hin-     Das ist zu tun                                wie Chancengleichheit in der Digitalen
blick auf die adäquate Evaluation neuer                                                    Medizin ein.
Therapiemöglichkeiten. Unterstrichen         Gerade jetzt müssen wir investieren, um
wird dies durch die Tatsache, dass die       geschlechtergerechte KI zukünftig zu         E-Mail: carina-nina.vorisek@charite.de

                                                                                                                 ärztin 2 August 2021     7
Digitalisierung in der Medizin: Chancen und Risiken - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
DIGITALISIERUNG

                                                                             Digitalisierung im Gesundheitswesen –

                             Foto: TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen
                                                                             mit den Versicherten!

                                                                                       BARBARA STEFFENS

      Die Entwicklung der Digitalisierung im Gesundheitswesen befindet sich weiterhin auf der Überholspur. Es
      ist ein hart umkämpfter Markt, dessen Währung vor allem unsere Daten sind.

      D
              ie Unternehmen der Google-Mutter Aphabet, Fitbit und                              Schere bezüglich der eHealth-Literacy geht immer weiter aus-
              Google, bauen ihren Zugriff auf medizinische Daten                                einander. Wenn wir dem nicht entgegensteuern, entscheidet
              von Patient:innen kontinuierlich aus. AmazonCare und                              Bildung nicht nur über Berufs- und Aufstiegsmöglichkeiten,
      AmazonPharmacy verstärken ihre Präsenz im Gesundheits-                                    sondern im digitalen Gesundheitssystem auch über den Zu-
      wesen. Apple will mit seiner Health-App nicht bei der Senso-                              gang zu gesundheitserhaltenden und gesundmachenden An-
      rik für Körpertemperatur und Blutzuckermessung aufhören.                                  geboten.
      Daneben weiten Facebook, Microsoft und Walmart ihre Ange-
      bote kontinuierlich aus und auch auf dem asiatischen Markt
      sind Unternehmen wie Ping An Healthcare, Samsung, Huawei,
      Alibaba und Tencent tief im Gesundheitswesen verankert. Das
      Tempo des Wettlaufs der Unternehmen nimmt unvermindert
      zu, und es bleibt ein Wettlauf ohne Ziellinie.

      Hier stärker geregelter Markt

      Zum Glück ist der europäische, vor allem aber der deutsche
      Gesundheitsmarkt bisher für diese Tech-Giganten nur schwer
      zu erobern. Hier existiert ein weitgehend geregelter Markt, der
      den Datenschutz, ethische und soziale Aspekte und insgesamt
      den Schutz der Versicherten großschreibt. Datensammelnde
      Unternehmen stehen vor nochmals höheren Hürden, wenn                                      Gesundheitsinfos aus dem Netz: oft überfordernd
      sie in den Bereich vordringen wollen, der von den gesetzlichen
      Krankenversicherungen finanziert wird.                                                    Ältere oft abgehängt

      Aber auch dieser geschützte, regulierte Bereich hat sich in                               Schon 2012 zeigte der „European Health Literacy Survey“ die
      den letzten Jahren stark entwickelt und befindet sich in einem                            großen Defizite hinsichtlich der Gesundheitskompetenz in der
      kontinuierlichen Wachstumsprozess. Es ist kaum möglich,                                   Bevölkerung auf. Bezüglich digitaler Gesundheitskompetenz
      den Überblick zu behalten und es wird für die Einzelnen immer                             sind diese noch viel größer. Eine Studie im Auftrag der Bertels-
      schwerer zu entscheiden, was man braucht, was gut für einen                               mann Stiftung aus dem Jahr 2019 stellte fest, dass sich nur
      ist, was hilft und was am Ende überflüssig oder sogar schäd-                              circa 41 Prozent der 60- bis 69-Jährigen und nur rund 36 Pro-
      lich ist.                                                                                 zent der über 70-Jährigen sicher im Internet fühlen.

      Orientierung fällt vielen schwer                                                          Unsere elektronische Patientenakte (ePA) „TKSafe“ steht seit
                                                                                                Anfang des Jahres in den App Stores zum Download bereit.
      Gerade ältere Menschen, die mit Krankenscheinheft, Wähl-                                  Nach ersten Auswertungen wird sie bisher zu 44,2 Prozent
      scheibe samt Schnur am Telefon in einer weitgehend analo-                                 von Frauen und zu 55,8 Prozent von Männern genutzt. Die
      gen Welt sozialisiert wurden und die auch beruflich keinen                                26- bis 35-Jährigen unter den Versicherten belegen mit knapp
      Zugang zu neuen Medien hatten, stehen dem neuen digita-                                   29 Prozent Platz 1, gefolgt von den 46- bis 59-Jährigen mit
      len Gesundheitssystem oft orientierungslos gegenüber. Die                                 knapp 25 Prozent und von den 36- bis 45-Jährigen mit knapp

 8    ärztin 2 August 2021                                                                                                                          68. Jahrgang
DIGITALISIERUNG

22 Prozent. Bei den über 70-Jährigen, für deren präventiven      Pflegebedürftige auch mit geringeren digitalen Kenntnissen
wie kurativen Gesundheitserhalt eine ePA enorme Vorteile         angewendet werden können. Wir haben in der App „TK-Pflege­
bringen kann, liegt die Nutzer-Quote bei erst 3,6 Prozent.       Kompakt“ versucht, genau dies umzusetzen. Alles übersicht-
                                                                 lich unter einem Dach, leicht Schritt für Schritt beschrieben
Deswegen ist es die Aufgabe aller Akteure im Gesundheitssys-     und sowohl für Pflegebedürftige wie auch für Angehörige
tem, die Menschen mitzunehmen und ihnen die Kompetenz            eine Unterstützung in allen Bereichen: ob Antragstellung oder
und Möglichkeit zu geben, selbstbestimmte Entscheidungen         Pflege­dienstsuche, ob Angebote bei psychischer Belastung
zu treffen.                                                      oder Tipps für die alltäglichen Tätigkeiten. Natürlich bedeutet
                                                                 alt zu sein nicht gleich pflegebedürftig zu sein, aber so wie in
Frauen stärker nutzenorientiert                                  dieser App müssen die Versicherten in der Digitalisierung mit-
                                                                 genommen werden.
In der Geschlechterbetrachtung fällt derzeit eines besonders
auf: Männer interessieren sich häufiger für das technisch
Machbare, Frauen hingegen mehr für das individuell konkret
Nutzbringende. In der analogen Welt waren und sind Frauen
häufiger die konkrete „Gesundheitsinstanz“ der Familie, dies
scheint in der digitalen Welt auch so zu bleiben.

Deswegen wird es zunehmend wichtig, die Menschen mit
ihren Bedarfen bei ihrem digitalen Kenntnisstand abzuholen
und den Einstieg zu begleiten.

Der Gesetzgeber hat dies erkannt und den Krankenkassen seit      Nächster Schritt: Digitale Pflegeanwendungen
Mai 2021 die „Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz“
als Aufgabe übertragen. Die TK hat darauf kurzfristig reagiert   Nutzer:innen einbinden
und mit dem DiSK-Coach (Digital, Selbstbestimmt, Kompe-
tent) ein konkretes Angebot installiert, mit dem Versicherte     Deshalb befragen wir regelmäßig unsere Versicherten, wel-
mehr über den sinnvollen Umgang mit digitalen Gesundheits-       che digitalen Angebote ihnen fehlen, befragen Nutzer:innen
anwendungen lernen können. Der Coach bietet in Dialogform        der ePA, welche Angebote sie gerne als Nächstes im kassen­
einen Überblick über die digitalen Gesundheitsanwendungen        individuellen Teil der Akte hätten. Die Menschen beteiligen und
(DiGAs) und hilft dabei, deren Qualität einzuschätzen.           einbeziehen ist der beste Weg – nicht das technisch Mach­
                                                                 bare, sondern das, was den Menschen am meisten helfen
Zielgruppengerechte Angebote                                     kann, auch wirklich auf die Straße zu bringen. Es ist und bleibt
                                                                 aber eine gemeinsame Herausforderung für alle. ƒ
Versicherte können sich beim Installieren der Versicherten-
App, dem Aktivieren ihrer ePA oder einer DiGA natürlich auch      Barbara Steffens leitet seit Juli 2018 die Landesvertretung
die Unterstützung eines Familienmitglieds holen oder von ei-      Nordrhein-Westfalen (NRW) der Techniker Krankenkasse (TK)
nem professionellen Helfer aus der Gesundheitsbranche bera-       in Düsseldorf. Davor war sie von 2010 bis 2017 Ministerin für
ten lassen. Entscheidend für alle Akteure ist, die Zielgruppen    Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nord­
der Anwendungen tatsächlich im Blick zu haben. Nicht das          rhein-Westfalen, von 2000 bis 2010 gesundheitspolitische
technisch Machbare, sondern das von der entsprechenden            Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion und von 1994 bis
Zielgruppe Nutzbare muss realisiert werden.                       2000 Landesvorstandssprecherin NRW der Partei Bündnis 90/
                                                                  Die Grünen.
Wenn jetzt nach den DiGAs die DiPAs (Digitale Pflegean­
wendung) den Markt erobern wollen, müssen sie daher für          E-Mail: barbara.steffens@tk.de

                                                                                                                ärztin 2 August 2021   9
DIGITALISIERUNG

                                           IM INTERVIEW

                                           „Patient:innen erwarten
                                           zunehmend digitale Kompetenz
                                           bei ihren Ärzt:innen“
                             Foto: © BÄK

                                                                PD DR. MED. PETER BOBBERT

      Wie stellt sich die BÄK eine ideal digi­            sind digitale Strukturen im Austausch       Gesundheitswesen gab und gibt es eine
      talisierte Gesundheitsversorgung im                 untereinander und mit unseren Pati-         unüberschaubare Menge an Fake News.
      niedergelassenen Bereich vor?                       ent:innen; sprich die Vernetzung im Ge-     Hier die Spreu vom Weizen zu trennen,
                                                          sundheitswesen. Digitalisierung muss        war immer schon eine Aufgabe, der sich
      Die Herausforderung besteht darin, be-              den Ärzt:innen spürbare Vorteile bringen,   die Ärzt:innenschaft traditionell ange-
      stehende Versorgungsdefizite bei be-                sie bei ihren Tätigkeiten entlasten und     nommen hat. Beispielsweise wurde die
      stimmten Patient:innengruppen zu iden-              nicht behindern. Nutzen schafft Akzep-      Arzneimittelkommission der deutschen
      tifizieren und digitale Anwendungen zu              tanz und Akzeptanz sorgt für Nutzung.       Ärzteschaft (AkdÄ) 1911 von Internisten
      entwickeln, die diese nutzen können, da-                                                        gegründet, weil man sich gegen unseri­
      mit sich ihr Zustand verbessert. Dazu               Wo sieht die BÄK Aufklärungsbedarf          ö­se, überbordende Arzneimittelwerbung
      bedarf es einer agilen Entwicklung von              bei Patient:innen und wie sollen diese      und leere Versprechungen der aufkom-
      Softwareprodukten im Sinne einer kon­               bei der Digitalisierung mitgenommen         menden Pharmakotherapie wehren woll-
      tinuierlichen Verbesserung und Anpas-               werden?                                     te. Hierdurch entstand ein Leitfaden für
      sung an die Bedürfnisse der Anwenden-                                                           eine rationale, evidenzbasierte Arznei-
      den. Um mögliche Risiken berechenba-                                                            mitteltherapie. Nun stellt die digitale
      rer zu machen, schlägt die Bundesärzte-                                                         Transformation neue Herausforderun-
      kammer eine dauerhaft etablierte Pilot-                                                         gen und die Ärzt:innenschaft sollte sich
      region für die Entwicklung und Ein­                                                             weiterhin an Evidenz und eine rationale
      führung digitaler Anwendungen vor.                                                              Therapie halten und diese Herausfor-
      Entwickler:innen und Anbieter:innen von                                                         derung durch entsprechende Fort- und
      medizinischen und pflegerischen Apps,                                                           Weiterbildungsangebote annehmen. ƒ
      aber auch insbesondere den Anbieter:in-
      nen von Praxis- und Krankenhaussoft-                                                            Interview: Alexandra von Knobloch
      ware sollte eine kontrollierte Testumge-
      bung zur Verfügung gestellt werden, die                                                          PD Dr. med. Peter Bobbert ist Facharzt
      auch das Know-how hat, die neuen Ein-                                                            für Innere Medizin, Kardiologie und An-
      führungen hinsichtlich ihres Nutzens                                                             giologie und arbeitet seit 2014 als Ober­
      und der Akzeptanz zu evaluieren. Dabei              Digitalberatung: In der Praxis gewünscht     arzt im Evangelischen Krankenhaus
      ist es wichtig anzuerkennen, dass digi­                                                          Hubertus, Klinik für Innere Medizin und
      tale medizinische Anwendungen zwei                  Wir stehen vor der Herausforderung,          Angiologie, in Berlin-Zehlendorf. Im Jahr
      Zielgruppen haben: Patient:innen und                alle im Gesundheitswesen Beschäftig­         2019 ist er als „weiterer Arzt“ in den Vor­
      behandelnde Ärzt:innen.                             ten mitzunehmen: sie zu befähigen, An­       stand der Bundesärztekammer (BÄK)
                                                          wendungen zu verstehen, zu erklären          gewählt worden. Seit 2021 ist er auch
      Was muss passieren, um die Digitalisie-             und adäquat zu nutzen. Patient:innen         Präsident der Ärztekammer Berlin. Er
      rung weiter zu beschleunigen?                       werden zunehmend auch von ihren              engagiert sich in den Gremien der BÄK
                                                          Ärzt:innen in diesem Sinne digitale Kom-     vor allem für die Digitalisierung der Ge­
      Digitalisierung in der Patient:innenversor-         petenz und somit auch Ratschläge und         sundheitsversorgung, den Klimaschutz
      gung ist nichts Neues. Kein Krankenhaus             Orientierung erwarten. Dieser neuen An-      sowie die Vereinbarkeit von Beruf und
      und keine Praxis verzichtet heute auf               forderung sollten sich die Kolleg:innen      Familie. Zudem ist Bobbert Menschen­
      eine digitale Dokumentation. In der Dia-            unbedingt stellen, sonst übernehmen          rechtsbeauftragter der BÄK.
      gnostik sind digitale Untersuchungsme-              Dritte, auch gerne mit anderen Interes-
      thoden nicht mehr wegzudenken. Neu                  sen, diese Beratungs­  rolle. Gerade im     E-Mail: info@baek.de

 10   ärztin 2 August 2021                                                                                                            68. Jahrgang
PARITÄT IN GREMIEN

                                             Thomas-Prinzip:
                                             Es ist Zeit für einen zusätzlichen,
                                             weiblichen Kreislauf!
                      Foto: © Hartmannbund

                                                    PROF. DR. MED. ANKE LESINSKI-SCHIEDAT

Eine paritätische Besetzung der Gremien der apoBank: Mit diesem Appell sind gewählte Vertreterinnen
der Ärzteschaft für die sechzehnte Vertreterversammlung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank im
April an den Vorstand und den Aufsichtsrat herangetreten. Hier mehr zu den Hintergründen.

U
         nternehmen und Banken offerieren nicht nur Ange-              zung des Vorstands und des AR wieder. Folgt man der Logik
         bote und Dienstleistungen, sondern beraten ihre               des Thomas-Kreislauf unwidersprochen, wird sich daran in
         Kund:innen zu wirtschaftlichen und strategischen              absehbarer Zeit nichts ändern. Daher ist es Zeit, einen zusätz­
Fragen: Sie adressieren Kund:innen, um deren Erfolg zu unter-          lichen, weiblichen Kreislauf zu initiieren!
stützen. Abhängig von der Größe und internen Organisation
der Unternehmen und Banken wird der Vorstand kontrolliert              Antrag soll folgen
und beraten durch den Aufsichtsrat (AR). Es ist mehrfach
nachgewiesen, dass ein diverser Vorstand und Aufsichtsrat              Die Initiative von Brigitte Ende, Christiane Groß, Anke Lesinski-
kreativer und nach innen überzeugender ist – und somit                 Schiedat, Heidrun Gitter, Ellen Lundershausen und Susanne
erfolgreicher. Die künftige Zusammensetzung von Gremien                Johna zielt auf das Erreichen einer Parität im AR der apoBank.
wird ganz wesentlich bestimmt von aktuellen Mitgliedern des            In Anbetracht der Zusammensetzung der Vertreterversamm-
Gremiums. Sie suchen eine Nachfolge, die ihnen möglichst               lung (VV) ist dies nur durch Überzeugungsarbeit bei allen zu
ähnelt – ein Phänomen, das ein AllBright Bericht als Thomas-           erreichen. Bei der diesjährigen VV wurde ein Appell der Initia­
Kreislauf betitelte. Diese Abhängigkeit der Gruppenzusammen­           torinnen eingereicht und verlesen. Im nächsten Jahr soll die
stellung von Vorbildern macht es wichtig, dass mehr Frauen             Forderung als Antrag eingereicht werden. Ziel soll die Berufung
als bisher in Gremien aktiv werden können und Vorbilder sind.          beziehungsweise Wahl von jeweils mindestens 30 Prozent
                                                                       weiblichen und männlichen Mitgliedern in den AR sein, unter
Strategisch wichtige Bank                                              anteiliger Beteiligung auch bei den Gruppen der Anteilseigner.
                                                                       Hierfür fordert die Gruppe eine Strategie, die diese Verteilung
Insbesondere in Bereichen, in denen eine große Zahl – be-              bis 2026 umsetzt. Diese zu erarbeiten unter Beteiligung der
sonders auch relative Zahl – von Frauen aktiv arbeitet, ist die        Initiatorinnen wurde von Seiten der apoBank zugesagt.
Besetzung von verantwortungsvollen Positionen sehr bedeut­
sam. Das Gesundheitswesen, der Sektor der sogenannten                  Der Kreis der Vordenkerinnen wurde durch weitere Engagierte
Care-Berufe, gehört dazu. Es ist ein Magnet für Frauen in Er-          unterstützt – diese Gruppe muss stetig erweitert werden, so-
werbstätigkeit, insbesondere für Ärztinnen, Zahnärztinnen,             wohl durch Vertreterinnen als auch Vertreter. Nur durch das
Apothekerinnen und Tierärztinnen. Noch ist der Anteil an Chef­         aktive Einmischen wird die Sensibilität für das Thema steigen
ärztinnen, Ärztinnen mit eigener Praxis und Apothekerinnen             und letztendlich die Parität erreicht. Diese sichert dann durch
mit eigener Apotheke viel zu gering. Das bleibt nicht ohne             Kreativität und Überzeugung den Erfolg der apoBank. Die pari-
Auswirkungen, da ökonomisches Handeln von Ärztinnen und                tätische Repräsentanz der Frauen in den Gremien ermöglicht
Apothekerinnen andere und besondere Schwerpunkte und Ex-               es, gemeinsam Verantwortung zu tragen. ƒ
pertisen einbringt, die nachweislich sehr erfolgreich sind.
                                                                         Prof. Dr. med. Anke Lesinski-Schiedat ist Ärztliche Leiterin
Die apoBank spielt eine wesentliche Rolle in der wirtschaft-             des Deutschen Hörzentrums der HNO-Klinik der Medizinischen
lichen Ausgestaltung der Heilberufe. Strategische Ausrich-               Hochschule Hannover, Vorsitzende des Hartmannbundes in
tungen werden vom Vorstand, respektive vom AR, gestaltet.                Niedersachsen und auch im geschäftsführenden Vorstand des
Obwohl der Anteil der Erwerbstätigen in der Gesundheitswirt-             Hartmannbundes als Beisitzerin aktiv.
schaft (und somit der Kund:innen der apoBank) mindestens
paritätisch ist, spiegelt sich dies nicht in der Zusammenset-          E-Mail: info@proflesinskischiedat.de

                                                                                                                   ärztin 2 August 2021    11
MUTTERSCHUTZ

                                                    Offener Brief an 3 Bundesministerien:
                                                    Endlich Taten beim
                             Foto: © Oliver Kraus
                                                    Mutterschutz gefordert

                                                          PD DR. MED. BARBARA PUHAHN-SCHMEISER

      Mehr als drei Jahre nach Einführung des novellierten Mutterschutzgesetzes ist die Realität verheerend:
      Dieses unbefriedigende Resümee hat den DÄB veranlasst, sich im Juli in einem Offenen Brief an 3 Bundes­
      ministerinnen und -minister zu wenden.

      D
               ie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und         frage zu diesem Thema, die der DÄB Ende 2020 und Anfang
               Jugend und Bundesministerin für Justiz und Verbrau-           2021 initiiert hatte. Diese Erhebung hatte den dringenden
               cherschutz, Christine Lambrecht, der Bundesminis­ter          Handlungsbedarf deutlich aufgezeigt. So erwies sich, dass 43
      für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, sowie der Bundes-              Prozent der Befragten Bedenken hatten, ihre Schwangerschaft
      minister für Gesundheit, Jens Spahn, sind die Adressaten               dem Arbeitgeber zu melden. Bei den Medizinstudentinnen
      des Offenen Briefes des DÄB. Zusätzlich wurde er an eine               waren es sogar 53 Prozent. 17 Prozent der Befragten konnten
      Reihe von möglichen Unterstützer:innen verschickt. Erfreu-             nach Bekanntgabe der Schwangerschaft ihre Tätigkeit nicht
      licherweise erklärte eine Vielzahl dieser prompt, die Initiative       fortführen. Nur 7 Prozent konnten unverändert weiterarbeiten.
      unterstützen zu wollen. In den Medien wurde bereits breit be-          Die große Mehrheit, 63 Prozent, erfuhr deutliche Einschrän­
      richtet.                                                               kungen und durfte nur bis zu 50 Prozent ihrer vorherigen
                                                                             Aufgaben ausüben. Bei den Medizinstudentinnen waren die
      Zum Hintergrund: Obwohl zugesagt, stockt die Optimierung               Nachteile noch eklatanter: Nur 2 Prozent der Schwangeren
      der Umsetzung des Gesetzes. Darum soll sich der nach § 30              konnten uneingeschränkt weiterstudieren.
      MuSchG gebildete Ausschuss für Mutterschutz kümmern.
      Bis heute liegen jedoch keine Ergebnisse vor. Ein Mangel, der          Es gibt Vorschläge
      massiv zu Lasten berufstätiger Frauen geht: Er behindert
      schwangere Ärztinnen, aber auch andere Beschäftigte im Ge-             Der DÄB benennt in dem Offenen Brief die konkreten Defizite
      sundheitswesen, übermäßig in ihrer Berufsausübung – und                des Mutterschutzgesetzes und zeigt Ansätze zur Optimierung.
      mindert so ihre Karrierechancen.                                       Unter anderem müssen die Schutzmaßnahmen für jeden Ar-
                                                                             beitsplatz vorliegen und nicht erst bei der Bekanntgabe einer
      Zügige Konkretisierung nötig                                           Schwangerschaft umgesetzt werden. Auch muss die Weiter-
                                                                             beschäftigung gemäß dem Ziel des novellierten Mutterschutz-
      Der DÄB fordert das BMFSFJ sowie alle weiteren mitwirken-              gesetzes gewährleistet werden. Die Aus- und Weiterbildung
      den Bundesministerien und den nach § 30 MuSchG gebilde-                muss durch fort- und weiterbildungsrelevante Maßnahmen
      ten Ausschuss für Mutterschutz auf, endlich Taten folgen               beziehungsweise entsprechende Arbeitsplätze gesichert wer-
      zu lassen. Der Ausschuss für Mutterschutz muss die erfor-              den. Pauschalisierte Beschäftigungsverbote müssen vermie-
      derlichen Regeln und Handlungshilfen für die Praxis zügig              den werden. Die Ausarbeitung eines offiziellen, bundeseinheit-
      konkretisieren. Die zuständigen Bundesministerien sowie die            lichen Leitfadens für alle medizinischen Fachbereiche, orien-
      Arbeitsschutzbehörden müssen ihrer Verantwortung für die               tierend an Beispielen von Kliniken guter Praxis, ist notwendig,
      Umsetzung gerecht werden, heißt es in dem Brief. Eine weitere          um die Aus- und Weiterbildung nicht zu unterbrechen. ƒ
      Forderung: Es müssen konsequent individuelle Arbeitsplatzan-
      passungen vorgenommen werden, um die Arbeitsbedingun-                   PD Dr. med. Barbara Puhahn-Schmeiser ist Vizepräsidentin
      gen sicher zu gestalten und so eine weiterbildungsrelevan-              des DÄB, dort im Vorstand für das Thema Mutterschutz zu­
      te beziehungsweise tätigkeitsrelevante Weiterbeschäftigung              ständig und sie ist Mitglied im Bundesausschuss für Mutter­
      zu ermöglichen. Die Tätigkeiten von schwangeren Ärztinnen               schutz.
      dürfen sich nicht beispielsweise aufs Briefeschreiben be-
      schränken. Die Arbeit soll die Frauen beruflich weiterbringen.         E-Mail: barbara.schmeiser@aerztinnenbund.de
      Vorausgegangen war dem Brief die erste bundesweite Um­

 12   ärztin 2 August 2021                                                                                                      68. Jahrgang
AUS DEM VERBAND

Einladung zur ordentlichen Mitgliederversammlung am 23.10.2021 in Berlin
Die Mitgliederversammlung (MV) des Deutschen Ärztinnen­          Beachten Sie bitte:
bundes e. V. (DÄB) findet am 23.10.2021 im Novotel Am            Der eigentliche Bewerbungsschluss für eine Vorstandskan­
Tiergarten statt. Turnusgemäß wird bei dieser MV der Vor­        didatur lag nach dem Redaktionsschluss dieser ärztin! Es
stand neu gewählt. Die vorläufige Tagesordnung finden Sie        kann daher weitere Bewerberinnen geben, die hier noch
auf Seite 24 dieser Ausgabe.                                     nicht aufgeführt sind.
Hier stellen sich die Kandidatinnen vor, die bis zum Redak­      Eine vollständige Übersicht über die Kandidatinnen – und
tionsschluss der Ausgabe am 28.06.2021 eine vollständige         weitere Informationen zur MV – finden Sie auf der Website
Bewerbung eingereicht hatten.                                    des DÄB: https://www.aerztinnenbund.de/wahl2021

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AUS DEM VERBAND

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 14   ärztin 2 August 2021                                                                                        68. Jahrgang
AUS DEM VERBAND

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ROLLENMUSTER

                                                              Die wirtschaftlichen Auswirkungen
                                                              der Corona-Krise auf Frauen
                             Foto: © Universität St. Gallen

                                                                         PROF. DR. OEC. GUDRUN SANDER

      Unter Druck neigen wir alle dazu, in alte Muster zurückzufallen. Das scheint sich auch in der aktuellen
      Pandemie abzuzeichnen. Erste Studien deuten in Richtung Re-Traditionalisierung der Geschlechterrollen.
      Welche Gruppen sind ökonomisch am stärksten von der Krise betroffen?

      A
               ls Japan im Februar 2020 als                          und folglich einem größeren Armutsrisi-                         hier finden wir ebenfalls mehr Frauen.
               eines der ersten Länder eine                          ko ausgesetzt sind. Das Lohngefälle zwi-                        COVID-19 birgt also auch die Gefahr,
               Homeoffice-Empfehlung       her-                      schen den Geschlechtern hat sich weiter                         dass aus der ökonomischen Perspek-
      ausgab, hieß es gleichzeitig, die Firmen                       vergrößert, auch im Gesundheitssektor.                          tive Frauen, Schwarze, Jüngere, sozial
      mögen doch bitte Mütter freistellen, da-                       Beispielsweise arbeiten in den USA nur                          Schwächere etc. während und nach der
      mit diese ihre Kinder betreuen könnten.                        17 Prozent der erwerbstätigen Frauen in                         Krise größeren Herausforderungen ge-
      Hatten wir nicht jahrzehntelang dafür                          systemnotwendigen Jobs, aber 24 Pro-                            genüberstehen als andere Gruppen.
      gekämpft, dass Eltern Kinder betreuen                          zent der erwerbstätigen Männer.
      und nicht nur Mütter? Doch seitdem                                                                                             Nachteile in Industrienationen
      haben weltweit vor allem Frauen ihr
      Pensum reduziert oder ihren Job – nicht                                                                                        Selbst in der Schweiz, welche die Krise
      immer freiwillig – aufgegeben, um sich                                                                                         gut gemeistert hat und meistert, leiden
      um Kinder und Angehörige zu kümmern.                                                                                           besonders die Frauen und die Jungen.
      Es hat ein starker Re-Traditionalisie-                                                                                         Bei Letzteren stieg die Arbeitslosigkeit
      rungseffekt eingesetzt, der uns noch ei-                                                                                       2020 auf knapp unter 10 Prozent – ein
                                                                                                                  Foto: © unsplash

      nige Zeit beschäftigen wird.                                                                                                   Rekordwert für die Schweiz.

      UN-Generalsekretär António Guterres                                                                                            Gleichstellungs- und Diversity-Themen
      hat mehrmals darauf hingewiesen, dass                          Homeoffice: Vor allem Männer profitieren                        werden gerne als Schönwetter-Program-
      die Pandemie die ohnehin schon großen                                                                                          me eingeordnet. Steigt der Druck auf
      Ungleichheiten, denen Frauen und Mäd-                          Und wer vermutet, dass Frauen durch                             Wirtschaft und Gesellschaft, sind wir ge-
      chen ausgesetzt sind, verschlimmert –                          die Homeoffice-Welle stärker profitieren,                       neigt, uns um scheinbar Wichtigeres zu
      und damit jahrelange Fortschritte bei                          hat sich ebenfalls getäuscht: Da Män-                           kümmern. Dabei bietet gerade eine Krise
      der Gleichstellung der Geschlechter zu-                        ner häufiger in höherqualifizierten Be-                         eine große Chance, um mehr Chancen-
      nichtemacht.                                                   rufen arbeiten, sind ihre Arbeitsplätze                         gerechtigkeit zu erreichen, weil sich die
                                                                     besser für Homeoffice geeignet. Auch                            Normen zwangsläufig ändern. ƒ
      Prekäre Ausgangssituation                                      in der Schweiz haben mehr Männer die
                                                                     Möglichkeit, flexible Arbeitszeiten in An-                       Prof. Dr. oec. Gudrun Sander ist Titular­
      Frauen arbeiten mit größerer Wahr-                             spruch zu nehmen. 52 Prozent der Män­                            professorin für Betriebswirtschaftslehre
      scheinlichkeit in den Bereichen, die am                        ner konnten laut Bundesamt für Statis-                           mit besonderer Berücksichtigung des
      stärksten von der Pandemie betroffen                           tik 2019 flexibel arbeiten, aber nur 41                          Diversity Managements an der Universi­
      sind. Sie sind um 24 Prozent gefährde-                         Prozent der Frauen. Aus der Diversity-                           tät St. Gallen in der Schweiz, Co-Direk­
      ter, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und                       Perspektive sind aktuell Junge – oftmals                         torin der Forschungsstelle für Interna­
      stärkere Einkommenseinbußen zu er-                             Frauen aus Minderheitengruppen und                               tionales Management sowie Direktorin
      leiden. Das hat auch damit zu tun, dass                        aus unteren sozialen Schichten – in                              des Kompetenzzentrums für Diversität
      fast 60 Prozent der Frauen weltweit im                         vielen Ländern am negativsten von den                            und Inklusion: www.ccdi-unisg.ch
      informellen Sektor arbeiten, in dem sie                        Folgen der Pandemie betroffen. Allein-
      weniger verdienen, kaum sparen können                          erziehende trifft es besonders hart und                         E-Mail: gudrun.sander@unisg.ch

 16   ärztin 2 August 2021                                                                                                                                          68. Jahrgang
AUS DEM VERBAND

                          Impressionen vom
                Internationalen Kongress der Ärztinnen
Annähernd 170 Teilnehmerinnen waren 2 Tage lang, am 29. und 30. Mai, bei den Vorträgen und zahlreichen Workshops dabei.
Zwei Drittel der Teilnehmerinnen gaben ein Feedback. Dabei kamen die Themen sehr gut an. Ein paar Technik-Ruckeleien gab
es auch, und ein bisschen Wehmut, dass man sich nicht direkt treffen konnte, schwang ebenfalls mit. Die Zukunft liegt für den
zweiten internationalen Kongress der Ärztinnen voraussichtlich 2023 in Österreich.

                     Rege Diskussionen: Nach den Vorträgen tauschten sich die Teilnehmerinnen jeweils mit den Vortra-
                     genden aus, wie hier mit Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Sylvia Thun, vom Berlin Institut of Health. Die Mode-
                     ratorinnen gaben auch die Fragen aus dem Chat weiter.

                                                                                                             Wahrnehmung: Politik und Gremien
                                                                                                             der Ärzteschaft beachteten den Kon-
                                                                                                             gress, unter anderem überbrachte
                                                                                                             Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der
                                                                                                             Bundesärztekammer, ein Grußwort.
Entspannte Atmosphäre: Prof. Dr.
med., Dr. rer.nat. Bettina Pfleiderer,
Past-Präsidentin der MWIA, sprach
ein Grußwort. Die Region Zentraleu-      Live im Studio: Die drei Präsidentinnen der Ärztinnenverbände
ropa der MWIA war ebenfalls an den       (v. li.), Dr. med. Adelheid Schneider-Gilg (Schweiz), Mag.a Dr.in
Kongress angebunden.                     med. Edith Schratzberger-Vécsei (Österreich) und Dr. med.
                                         Christiane Groß, M.A. (Deutschland) moderierten den Online-
                                         Kongress in Düsseldorf aus dem TV-Studio der apoBank, die
                                         einen Vertreter vor Ort hatte.

                                                                                                                            ärztin 2 August 2021   17
AUS DEM VERBAND

       NEUE MITGLIEDER                                           Mathes, Sonja, 90461 Nürnberg
                                                                 Matthaei, Anne, 91052 Erlangen
       Adami, Daniela, Dr. med., 10117 Berlin                    Maurer, Jessica, Dr. med., 48153 Münster
       Albrink, Paula, 53113 Bonn                                Melchior, Clara, 55128 Mainz
       Alfke, Tami, 66424 Homburg                                Neumann, Felicitas Anna Ottilie, 13156 Berlin
       Al-Gburi, Suzan, Dr. med., 01156 Dresden OT Cossebaude    Nitzsche, Romy, 74388 Talheim
       Althaus, Annina, Dr. med., 10437 Berlin                   Oberst, Amelie, Dr. medic, 86420 Diedorf
       Antoniou, Anna, 47800 Krefeld                             Otto, Frederike Jula, 30625 Hannover
       Baeßler, Bettina, PD Dr. med., 68723 Schwetzingen         Pham, Kathrin, 58452 Witten
       Bausewein, Claudia, Prof. Dr. med., 80689 München         Pirrung, Maike, 66123 Saarbrücken
       Beißwenger, Hanna, 31134 Hildesheim                       Pohl, Anne, Dr. med., 96047 Bamberg
       Berneking, Laura, Dr. med., 20144 Hamburg                 Rau, Johanna Maria Helena, 48147 Münster
       Bleyel, Caroline, Dr. med., 69117 Heidelberg              Reitmeir, Cornelia, 80634 München
       Bogdan, Katharina, 22303 Hamburg                          Renz, Sigrid, Dr. med., 22529 Hamburg
       Chatterjee, Madhumita, Dr. med., 60528 Frankfurt          Reuscher, Jannika, 50670 Köln
       Claaß, Luise, 06110 Halle                                 Röder, Celine, 80796 München
       Dehlke, Karolin, 01307 Dresden                            Rosenthal, Laura Lily, Dr. med., 81388 München
       Dormann, Christiane, 65468 Trebur                         Rübsam, Gesa Anna, 40591 Düsseldorf
       Ebrahim, Mariam, 81373 München                            Rüddel, Jessica, Dr. med., 07745 Jena
       Egger, Sabine, Dr. med., CH-8006 Zürich                   Sallmann, Doreen, 99867 Gotha
       Ellenberger, Lena, 12347 Berlin                           Sänger, Rebecca, 80995 München
       Falke, Sophia, 65719 Hofheim am Taunus                    Schaffrath, Vanessa, 52064 Aachen
       Fasse, Karina, 32657 Lemgo                                Schauer, Franziska, Dr. med., 79102 Freiburg
       Fey, Marie-Christine, 50678 Köln                          Schiopu, Sanziana, Dr. med., 80797 München
       Fischer, Daniela, 44879 Bochum                            Schmid, Sofie, Dr. med., 80801 München
       Fischer, Hanna, 69120 Heidelberg                          Schmidt, Veronika, 23552 Lübeck
       Fotiadis, Olga, A-1190 Wien                               Schramm, Lisa, 91054 Erlangen
       Funk-Hilsdorf, Teresa, 10115 Berlin                       Schremmer, Carmen, Dr. med., 38855 Wernigerode
       Gäßler, Dorothea, 04299 Leipzig                           Schubert, Elisabeth, 96049 Bamberg
       Gerger, Viviane, 60322 Frankfurt                          Spaleck, Henriette, 23562 Lübeck
       Gewiß, Caroline, Dr. med., 20253 Hamburg                  Steinhart, Laura, Dr. med., 60329 Frankfurt
       Grimm, Nikola, 12161 Berlin
                                                                 Stiller, Lea, 37075 Göttingen
       Gronow, Antje, 22417 Hamburg
                                                                 Stuber, Madeleine, Dr. med., 71717 Beilstein
       Grupp, Margarethe, 04275 Leipzig
                                                                 Stürzebecher, Lena, 14776 Brandenburg
       Günther, Sophie, 80469 München
                                                                 Tamblé, Lena-Katharina Maria, Dr. med., 10437 Berlin
       Hanczuk, Tatjana, 71083 Herrenberg
                                                                 Thies, Stephanie, 95126 Schwarzenbach/Saale
       Heinrich, Kathrin, Dr. med., 81377 München
                                                                 Turan, Onca, Dr. med., 12047 Berlin
       Heise, Emma Luise, 30169 Hannover
                                                                 Utermöhlen, Nele, 86154 Augsburg
       Held, Regine, Dr. med., 10245 Berlin
                                                                 Walling, Sonja, 12053 Berlin
       Helling, Susanne, Dr. med., 55124 Mainz
                                                                 Witt, Hannah, Dr. med., 35390 Gießen
       Hesse, Dana, Dr. med., 76829 Landau
                                                                 Wolff, Stefanie, 55218 Ingelheim
       Heyden, Maja, 35037 Marburg
                                                                 Würstle, Silvia, Dr. med., 81379 München
       Hoffmann, Marie Josephine, 15378 Herzfelde
       Jessen, Alina Marie, 17489 Greifswald
       Kampf, Lina Luise, 79102 Freiburg
       Kamprath, Johanna, 26919 Brake
                                                                WIR GRATULIEREN
       Kärn, Stephanie, 80992 München-Moosach
       Keller, Annekathrin, Dr. med., 81247 München             Dr. med. Regine Held, niedergelassene Hals-Nasen-Ohrenärz-
       Kern, Beate, Dr. med., 74532 Ilshofen                    tin aus Berlin, ist Ende Juni 2021 als „weitere Ärztin“ durch die
       Kesseler, Elisabeth, 52068 Aachen                        Delegierten des Deutschen Ärztetages in den Vorstand der
       Kiefer, Lina Luise, 50733 Köln
       Kipp, Anna Lea, 60322 Frankfurt                          Bundesärztekammer (BÄK) gewählt worden. Dr. Held ist Mit-
       Klemm-Mayer, Marleen, 23554 Lübeck                       glied im DÄB und hat in ihrer Bewerbung um diesen Vorstands-
       Koniarczyk, Pauline, 97070 Würzburg                      sitz die Gleichberechtigung von Ärztinnen und Ärzten in allen
       Kruska, Naziha, 97232 Giebelstadt                        beruflichen Belangen als ihr Anliegen deutlich gemacht.
       Kühne, Stephanie, 12101 Berlin
       Kühnle, Lara, 71706 Markgröningen
       Lauterbach, Enise, Dr. med., 54296 Trier                 Dr. med. Ute Seeland ist im Sommersemester 2021 Klara
       Layer, Bianca Cassandra, 72074 Tübingen                  Marie Faßbinder-Gastprofessorin an der Johannes Gutenberg-
       Lennartz, Nora, Dr. med., 12159 Berlin                   Universität in der Universitätsmedizin Mainz. Ihre Antrittsvor-
       Liekfeld, Anja, Prof. Dr. med., 12205 Berlin
                                                                lesung trug den Titel „Exzellente Medizin ist geschlechter-
       Linhard, Maijana, 13359 Berlin
       Linke, Sabine, 50931 Köln                                sensibel“. Ute Seeland, Fachärztin für Innere Medizin mit
       Linnemannstöns, Anna, 29221 Celle                        Anerkennung als Gendermedizinerin (DGesGM), ist wissen-
       Ludwig, Alexandra, 04317 Leipzig                         schaftliche Mitarbeiterin und Habilitandin an der Charité-
       Manten, Katharina, 69120 Heidelberg                      Universitätsmedizin Berlin. 2019 hatte sie den Wissenschafts-
       Manz, Maike, Dr. med., MHBA, 60329 Frankfurt
                                                                preis des DÄB erhalten. ƒ

 18   ärztin 2 August 2021                                                                                           68. Jahrgang
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