Kontinente - In der Grauzone KIRCHENASYL
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
01_Titel_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 02.02.18 09:23 Seite 1 kontinente.org IM NETZWERK MÄRZ / APRIL 2018 EINE WELT kontinente PAPUA-NEUGUINEA Habgier, Handys, Hexenwahn KIRCHENASYL In der Grauzone
02_Glaubenssache_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 12:45 Seite 1 GLAUBENSSACHE März April 31. März Karsamstag Ein Tag der Leere. Der Altar ist abgeräumt, kein Tuch, keine Kerzen, nur der nackte Stein. In trauernder Stille versammelt sich die Gemeinde zum Gebet. Ein Tag der Grabesruhe. Der Herr des Lebens ist hinabgestiegen in das Reich des Todes. Den Lebenden ist Gott nun fern. Ein Tag der Gottverlassenheit. Wie kein anderer spiegelt er mit seiner Stille und Ohnmacht die Erfahrung persönlicher Glaubenskrisen und gesellschaftlicher Gottesferne. Doch in der Karsamstagsfinsternis glimmt ein Licht: Christus öffnet die Tore der Unterwelt und führt die Verstorbenen zur Auferstehung. Stefan Voges Foto: Voges 2 kontinente 2-2018
e 03_Editorial_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 12:49 Seite 1 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser! Bilder sind mächtig. Sie können illustrieren, manipulieren, dokumentieren. Als wir bei der Planung dieser Ausgabe die Fotos zur Hexenverfolgung in IN ZAHLEN Papua-Neuguinea gesichtet haben, hat uns die Wirkkraft der Bilder mit Wucht getroffen. Gemeinsam mit unserer Grafik haben wir überlegt, was wir 543 unseren Lesern zumuten können, was wir auf keinen Fall drucken, weil wir Menschen lebten Mitte Januar nach Angaben von „Asyl in der die Würde der Opfer wahren wollen, und was wir zeigen müssen, um das Kirche“ im Kirchenasyl, um sie vor Unvorstellbare zu belegen. Die Hexenjagd, die sich im 21. Jahrhundert im Abschiebung oder Rückführung Hochland des Inselstaats abspielt, erinnert an Europas dunkelstes Mittel- in ein Drittland zu schützen. alter. Das Muster ist immer dasselbe: eine unerklärliche Krankheit, ein Tier, das unvermittelt stirbt, aber auch Neid auf das Glück der anderen – und das Unheil nimmt seinen Lauf. Schwester Lorena Jenal, die seit 1979 als Missionarin in Papua-Neuguinea arbeitet, beobachtet, wie sich der Hexen- wahn dort immer weiter ausbreitet und welche Rolle Handys und soziale Medien dabei spielen. Lesen Sie ab Seite zehn, wie Schwester Lorena für die Opfer und gegen die Folterungen und Morde kämpft. Umgekehrt war es bei unserer Reportage über Kirchenasyl. Denn um die Betroffenen zu schützen, dürfen sie auf den Fotos nicht zu erkennen sein. Aus demselben Grund konnten wir vieles, was wir erfahren haben, nicht schreiben. Trotzdem haben uns mutige Ordensfrauen die Türen geöffnet und nicht nur Einblicke in eine rechtliche Grauzone, sondern auch in das Zusammenleben mit jungen muslimischen Männern in ihrem Kloster gewährt. Im „Hintergrund“ berichten wir, wie Kirchen „Nach der letzten Messe“ genutzt werden, und auf Seite 19 schildert der Missionsbenediktiner Pater Anselm Grün, wo sich andere spirituelle Orte finden lassen. Den vielen schlechten Nachrichten aus aller Welt versuchen wir bewusst, Positives entgegenzusetzen. Umso mehr freut uns, wenn wir Reaktionen darauf bekommen. So haben sich ein Fernsehsender und Filmemacher nach unserer Reportage „Mode aus Müll“ in Ausgabe 1/18 erkundigt. Und ein Nur im Asylbewerberheim konnte Chirurg, der im Urlaub ehrenamtlich in Afrika arbeitet, schrieb ganz be- Fotografin Gudrun Petersen (rechts) Flüchtlinge von vorn fotografieren. geistert, weil ihm in „kontinente“ Aimable Mbabazi aus Ruanda begegnet Mit Beatrix Gramlich freut sie sich war. Bei dem hatte er für einen seiner Patienten dort gerade eine Prothese über das Baby der äthiopischen Eltern. bestellt. Das spornt uns an, weiter nach Hoffnungsgeschichten zu suchen. Fotos: Berns/kontinente; Petersen Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihre Beatrix Gramlich Stellvertretende Chefredakteurin kontinente 2-2018 3
04-05_Inhalt_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 12:54 Seite 1 Weltweit: Kühe mit guten Manieren Papua-Neuguinea: Habgier, Handys, Hexenwahn 09 10 NACHRICHTEN & MEINUNG HINTERGRUND & REPORTAGE 07 Brennpunkt 10 Papua-Neuguinea Friedensvereinbarung im Südsudan Hexenjagd mit Handy und Machete 08 Schautafel 16 Hintergrund …nur, weil sie Mädchen sind Nach der letzten Messe 09 Weltweit 20 Kirchenasyl Wer atmet, lebt gefährlich. Kühe mit guten Manieren. In der Grauzone Kolumbien erinnert sich an den Krieg. 24 Wortwechsel Ist es gut, die letzte Vaterunser-Bitte zu ändern? 25 Leserbriefe Widerspruch, Lob und Meinungen unserer Leser MITTENDRIN Zahlreiche Herausgeber von kontinente informieren über ihre Arbeit in der Heftmitte. 26 Er gilt als Rebell in der Psychoszene: Der Psychotherapeut Christian Peter Dogs erklärt im kontinente- Interview, warum wir lernen sollten, zufriedener zu sein. 4 kontinente 2-2018
04-05_Inhalt_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 12:55 Seite 2 Kirchenasyl: In der Grauzone ANGEKLICKT 20 MENSCHEN & MISSION WWW.KONTINENTE.ORG 06 Menschen App für gute Taten Der Ultra-Langläufer Kai Markus Xiong, die orthodoxe Christin Misrit Hagos und die Maori Pauline Tangiora Im Alltag Gutes tun und damit soziale Projekte fördern: Dazu 19 Spiritualität spornt das Erzbistum Köln mit Gottes Nähe spüren seiner „Make Happy“-App an. Wer etwa im Büro spült oder im 26 Im Gespräch Bus seinen Platz anbietet, erhält „Rebell in der Psychoszene“, Christan Peter Dogs Punkte, die einem zuvor ausge- 34 wählten Projekt gutgeschrieben Mein Land, mein Leben, meine Liebe John Kamau, Steinbrucharbeiter aus Kenia werden. Bei erreichter Punktzahl gibt das Bistum Geld dafür. Mehr unter zusammen-gut.de/app/ RUBRIKEN Hexenwahn in Papua-Neuguinea Fotos: Arterra/GettyImages; Flitner (2); Petersen; Schwarzbach; www.max-grundig-klinik.de 18 Pinnwand Hexenverfolgung gibt es noch immer: In Papua-Neuguina 30 Gemischtwaren werden jedes Jahr mehr als 200 Menschen als Hexen getötet. 31 Kochen Sehen Sie im Video zu unserer Reportage, wie dort eine Ordens- 32 Weitblick frau gegen die grausame Tradition kämpft: missio-hilft.de/hexen 33 Rätsel und Impressum 35 Reisenotiz Titelbild Diesen Jungen traf Fotograf Hartmut Schwarzbach während des Mount Hagen- Festivals in Papua-Neuguinea, bei dem mehr als 80 Stämme ihre Kultur präsentieren. Auch zu Gottesdiensten und kirchlichen Festen kleiden sich viele Besucher traditionell. kontinente 2-2018 5
06_Menschen_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 02.02.18 09:35 Seite 1 MENSCHEN Misrit Hagos Kai Markus Xiong Familienzusammenführung Die zermürbende Zeit des Hoffens und Bangens ist vorüber. Zu Fuß von Hamburg nach Shanghai Seit Ende 2017 lebt die 27-jährige Misrit Hagos aus Eritrea Die Planung sah anders aus. 12 000 Kilometer wollte der Ultraläufer endlich wieder mit ihren Kindern zusammen. Fünf lange Kai Markus Xiong von Hamburg nach Shanghai allein zurücklegen. Jahre musste sie mit ihrer jüngsten Tochter auf ihre sieben- Nach 202 Tagen und immerhin 11 000 Kilometern stürzte er jedoch und neunjährigen Kinder warten. Die orthodoxe Christin floh so schwer, dass er sich beide Füße brach. Aufgeben? Nein! Victor, der 2013 mit ihrem Baby über das Mittelmeer nach Lampedusa. ihn von Anfang an während seines Projektes „Run my Silkroad“ in Die Erinnerungen daran sind für die junge Mutter kaum aus- einem alten VW-Käfer begleitete, übernahm seinen Part. „Wir haben zuhalten: Drei Tage und Nächte ohne Essen in Angst, ob sie es angefangen und bringen es zu Ende“, begründete Kai Markus ihr Ziel erreichen. Von der italienischen Insel aus stellte Misrit Xiong den Entschluss. 1100 Kilometer galt es noch zu überwinden – Hagos im August 2015 den Antrag auf Familienzuführung. bei 20 bis 25 Kilometern täglich ein zu erreichendes Ziel. Am frühen Durch die tatkräftige Hilfe von Schwester Stefanie Müllenborn Morgen erreichte der 44-Jährige gemeinsam mit seinem Begleiter hat sich der Herzenswunsch der Afrikanerin erfüllt. Die Salz- Victor Neubauer und etlichen chinesischen Läufern die Prachtmeile kottener Franziskanerin verhandelte mit den Behörden in Bund in der Metropole am Ostchinesischen Meer. Auf Krücken Deutschland, im Sudan und in Kairo, wo die Kinder zwischen- gestützt, aber glücklich lief der Abenteurer die letzte Etappe seines zeitlich lebten, und setzte tatsächlich die Zusammenführung Mammutlaufes nach Shanghai zu seinen Schwiegereltern dann doch durch. Nun hofft Misrit Hagos auf einen Schulplatz für die noch alleine. Mit seinem Projekt wollte er die Städtepartnerschaft beiden. Die jüngste Tochter, 4, spricht bereits gut Deutsch zwischen Hamburg und Shanghai symbolisch stärken. GuP und hilft den älteren Geschwistern. GuP Fotos: Heimken/picture alliance; Bodin/fcjm; Bugge/Wirelmage/Getty Images Pauline Tangiora Hartnäckige Streiterin für den Frieden Pauline Tangiora ist etwa 80 Jahre alt – ihr genaues Geburtsdatum kennt sie nicht –, Mutter von neun Kindern und voller Energie. Die Maori, deren Vorfahren aus Ost-Poly- nesien als erste Neuseeland besiedelten, genießt als Stammesälteste hohes Ansehen. Mehr als 30 Jahre hat sie mit der neuseeländischen Regierung um Wiedergutmachung für ihr Volk gestritten, das bis heute unter prekären Umständen lebt. Mit Erfolg: Die Regierung wird hohe Beträge zahlen für Land, das in den vergangenen 175 Jahren enteignet wurde. Tangiora, die ein traditionelles Kinntatoo trägt, setzt ihr Verhand- lungsgeschick auch weltweit ein: Sie war auf Friedensmission im Irak, in Südafrika, Australien und Mexiko. Vor allem indigene Völker bitten sie um Hilfe, um gegen Un- gerechtigkeit und Unterdrückung zu kämpfen – und für die Bewahrung der Schöpfung und alter Traditionen. „Für den Frieden zu arbeiten, ist hart“, sagt Tangiora, „aber das Vertrauen, das die Menschen in mich setzen, gibt mir Kraft.“ Und sie hofft auf die jun- gen Menschen weltweit. „Träumt groß!“, ist ihre Botschaft. emw
07_Brennpunkt_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 02.02.18 09:45 Seite 1 BRENNPUNKT SÜDSUDAN Fotos: Akena/Reuters; privat Friedensvereinbarung im Südsudan https://intern.kontinente-media.orzudem STANDPUNKT zudem H offnung auf Frieden – die achte. Seit Weihnachten gibt es ein neues Friedensabkommen zwischen den zahlreichen Konfliktparteien im Südsudan. Es ist das inzwischen achte Abkommen dieser Art in dem Land, das erst 2011 gegründet und international anerkannt wurde. Voraus- gegangen waren ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg und Konflikte zwischen Das jüngste Friedensabkommen sollte am Heiligen Abend in Kraft treten, und am selben Tag wurde es verletzt! Seitdem vergingen wenige Tage ohne Verstöße. Es gibt zu viele, Ethnien und Religionen um politische Vorherrschaft und die reichhaltigen die ein Interesse an der Fortsetzung Ressourcen Erdöl, Gold, Diamanten, Silber und weitere Metalle. Aber die des Krieges im Südsudan haben. Abspaltung des vorwiegend christlichen Südens vom islamischen Sudan und Selbst wenn die Regierung bereit Br. Bernhard die Gründung des eigenen Staates brachten bisher keine dauerhafte wäre, das Friedensabkommen Hengl, 60. Befriedung in die Region. Seit Staatsgründung hat ein vierjähriger Bürgerkrieg umzusetzen, hätte sie nicht die Der Comboni-Missionar die Menschen aufgerieben und in bittere Armut geführt. Und noch immer gibt notwendige Infrastruktur und ist Projektkoordinator und Fundraiser der es Gruppierungen, die sich Vorteile vom Krieg erhoffen. militärischen Mittel dazu. Die Bürger Bischofskonferenz im Jeder dritte Bürger befindet sich innerhalb oder außerhalb des Landes auf haben deshalb das Vertrauen in die Sudan und Südsudan der Flucht, während gleichzeitig aus den umliegenden Ländern Äthiopien, bisherigen Friedensabkommen völlig mit Sitz in Juba. Demokratische Republik Kongo, Sudan und Zentralafrikanische Republik verloren. Im Gegenteil, vier Millionen Hunderttausende vor Hungersnöten und Krisen nach Südsudan geflohen sind. von zwölf Millionen Menschen sind Trotz des Reichtums an Ressourcen ist es bisher nicht gelungen, verlässliche bereits geflohen – die Unsicherheit Infrastrukturen, funktionierende Verwaltungseinheiten und ein Gesundheits- ist groß. Es könnte vorerst helfen, wesen aufzubauen. Landwirtschaftliche Produktion und Viehzucht sind zum eine Übergangsregierung zu bilden, Erliegen gekommen und können die Einwohner nicht versorgen. die die Versorgung der Bevölkerung Das jüngste Friedensabkommen wurde auf Druck der Afrikanischen Union sicherstellt und die drängendsten verhandelt. Es untersagt alle „feindseligen Handlungen”, Kriegsgefangene Probleme angeht – damit das große sind an das Internationale Rote Kreuz zu übergeben, humanitäre Hilfe darf Leid der Menschen ein Ende hat. nicht behindert werden. Ob die Regierung das Abkommen durchsetzen kann, Allerdings garantiert diese Lösung ist ungewiss, denn Südsudan gilt als gescheiterter Staat. Es haben sich zahl- nicht, dass die unterschiedlichen reiche Kampftruppen gebildet, die ihr Einkommen als Söldner für selbster- Gruppierungen und Kriegstreiber nannte Kriegsherren verdienen. Sie haben kein Interesse am Frieden. jr dies mittragen werden. kontinente 2-2018 7
08_Schautafel_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:09 Seite 1 SCHAUTAFEL 41 100 Kinderehen Täglich werden 41 100 Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet – das sind 15 Millionen Mädchen jährlich. Heute leben rund 750 Millionen Frauen und Mädchen, die vor ihrem 18. Ge- burtstag verheiratet waren. … nur, weil sie Mädchen sind 20 000 20 000 Fakten zu ihrer Schwanger- Flucht täglichen Benachteiligung schaft Weltweit begeben Täglich gebären sich täglich fast Missachtet, misshandelt, missbraucht. In allen Regionen der 20 000 Mädchen 30 000 Menschen auf Welt werden die Rechte von Mädchen mit Füßen getreten. unter 18 Jahren ein die Flucht aus ihrer Kind. Rund 3000 Heimat. Rund zwei Rund 1,1 Milliarden weibliche Personen unter 18 Jahren leben dieser Geburten Drittel davon sind derzeit auf der Erde. Sechs alltägliche Fakten. fjs Mädchen und Frauen. entfallen auf unter 15-Jährige. Gewalt Aids Täglich sterben fast Für weibliche Teen- 300 Mädchen in der ager ist die Gefahr, 8000 Quelle: DSW, Unicef, Unfpa; Foto: Flitner/missio Folge von Gewalt! sich mit HIV zu infizie- 120 Millionen Mädchen ren, fast doppelt so Beschnei- und junge Frauen hoch wie für Jungen. dung unter 20 – rund jede Täglich infizieren sich zehnte – haben in weltweit fast 5000 Jeden Tag erleiden ihrem Leben bereits Menschen mit HIV. etwa 8000 Mädchen sexuelle Gewalt und Frauen die Tortur, erfahren. 3300 beschnitten zu werden. Rund 130 Millionen Mädchen und junge Frauen sind von Genitalverstümmelung 300 betroffen. Die meisten sind unter 15 Jahre alt. 8 kontinente 2-2018
09_Weltweit_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:12 Seite 1 WELTWEIT Fotos: Xhemaj, Kopp/picture alliance; Lafforgue/Art in All of Us/Corbis; Arterra/Getty Images LUFTVERSCHMUTZUNG Wer atmet, lebt gefährlich VERSÖHNUNG Neun von zehn Menschen atmen ungesunde Luft! Das sind sechs Kolumbien erinnert sich der Gewalt Milliarden Personen weltweit. Um dieser Bedrohung entgegenzu- Apartheid in Südafrika, Militärdiktatur in Brasilien oder wirken, trafen sich 2500 Teilnehmer auf der Umweltversammlung Pinochet-Regime in Chile – in vielen Ländern mit langer der UNO, Unep, in Nairobi. Neben der Luftverschmutzung seien die Gewalt-Geschichte braucht es Jahrzehnte, bevor eine größten Killer vor allem Chemikalien, Abfall und die Vergiftung von Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte be- Trinkwasser, Böden und Meeren. Eine nachhaltige Produktions- und ginnt. Anders in Kolumbien. Bereits Jahre vor dem Lebensweise schaffe dagegen Jobs und Einkommen, wirbt die Unep. offiziellen Ende des langen Konflikts zwischen Drogen- Außerdem sei es sinnvoll, in grüne Techniken zu investieren und die kartellen, Guerrilla und Staat entstanden Gedenkstätten Bevölkerung über nachhaltigere Lebensstile zu informieren. Bestes an die grausame Zeit und ihre vielen Opfer, so das Haus Beispiel: der Schutz der Ozonschicht durch Verbot bestimmter der Erinnerung in Medellín (Foto). Das größte Museums- Chemikalien. GuP projekt des Landes ist jetzt das Nationale Museum der Erinnerung, das Ende 2019 eröffnet werden soll. jr UMWELT Kühe mit guten Manieren Dass nahrhaftes Essen gut für Leib und Seele ist, ist bekannt. Bei kenianischen Kühen hat es zudem für mehr Milch und weniger Methanausstoß gesorgt. Schon heute sollen die 1,5 Milliarden Rinder dieser Welt jeweils 200 bis 500 Liter Methangas täglich an die Atmosphäre abgeben. Diät ist die Lösung, wie ein Projekt aus Kenia zeigt. Gutes Futter macht glückliche Kühe, sagt die Mitarbeiterin der Nichtregierungsorganisation „VI Agrarforestry“, Wangu Mutua. Sie rät Kleinbauern, sehr nahrhafte Gräser anzupflanzen. Die Kühe pupsen und rülpsen nicht nur weniger, sie geben auch dreimal mehr Milch. Das bedeutet, dreimal weniger Tiere für denselben Ertrag. Belohnt wird das auch noch: mit Kohlenstoffgutschriften. GuP RECYCLING Panzer zu Baustahl Seit 15 Jahren ist Frieden in Angola. Übrig geblieben sind Berge an Militärschrott, vor allem tonnenschwere Panzer. Diese Waffen zu recyceln, war die Idee des französisch- senegalesischen Unternehmers Georges Choucair. Um eine Fabrik zu bauen, brauchte er Stahl, den er aber nicht importieren wollte. Er baute kurzerhand eine Stahlfabrik und schuf damit nicht nur über 500 neue Arbeitsplätze. Er sorgte auch dafür, dass sich Angola unabhängig von Stahleinfuhren gemacht hat. Seit nunmehr gut einem Jahr verwandeln die Mitarbeiter Kriegsschrott in Baustahl. Georges Choucair macht das glücklich: „Wir verwandeln Kriegsmaterial in Baustoff für die Zukunft!“ GuP
10-15_Reportage_PAPUA_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:17 Seite 1 TEXT: JÖRG NOWAK | FOTOS: BETTINA FLITNER Hexenjagd mit Handy und Machete 10 kontinente 2-2018
10-15_Reportage_PAPUA_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:17 Seite 2 VOR ORT Wie ein Flächenbrand breiten sich grausame Gewaltverbrechen in Papua-Neuguinea aus. Unschuldige Frauen werden als Hexen an den Pranger gestellt und auf Dorfplätzen öffentlich gefoltert. Zwei Ordensschwestern kämpfen gegen diese Menschenrechtsverletzungen. A ls der sechsjährige Jona- than die vielen Men- schen zum Dorfplatz strömen sieht, glaubt er, ein großes Fest werde vorbereitet. Neu- gierig folgt er mit seiner Großmutter und Mutter Cristina Dio den anderen Mutter Cristina an den Armen und zer- ren sie nach vorne zum Feuer. Sie fes- seln die Frau an die Pfähle und verbin- den ihr die Augen mit einem blauen Tuch. Mit gespreizten Armen und Bei- nen sieht sie fast wie eine Gekreuzigte aus. Das ganze Dorf schaut zu, als die Frauen, Männern und Kindern. Folterer der wehrlosen Mutter die Klei- Ganz vorne in der Menschenmenge der vom Leibe reißen. Besonders die erzählt jemand etwas von gefährlichen Männer unter den Schaulustigen starren Sangumas. Die bösen Hexen seien mit- mit dumpfen und gierigen Blicken auf ten unter ihnen, ruft der Mann. Aus dem den entblößten Frauenkörper. Mund einer Sanguma würden Ratten und Schlangen kriechen. Mit ihren Flü- Mit glühenden Eisenstangen chen könnten sie töten und Menschen Jonathan und seine Großmutter erstar- das Herz aus dem Leibe reißen. ren vor Angst. Martha überlegt verzwei- Gebannt schauen die Dorfbewohner felt, was sie tun kann. Sie will die Polizei auf mehrere Männer, die ein Feuer an- rufen. Dann entdeckt sie unter den Hel- zünden und alte Autoreifen in die lo- fershelfern der Hexenjäger drei Polizis- dernden Flammen werfen. Sie rammen ten. Die Großmutter ist verzweifelt. Das meterhohe Holzpflöcke in den Boden, ganze Dorf ist gegen Cristina. nehmen Seile in die Hand und drängen „Gib zu, du bist eine Hexe!“, fau- sich durch die wartende Menschen- chen die Männer sie an und halten ihre menge. Jonathan sieht, wie die Männer Buschmesser und Metallstangen so- auf seine Mutter zusteuern. „Sanguma, lange ins Feuer, bis das Eisen glüht. Als Sanguma, Sanguma“, rufen sie mit wü- sie zustechen, rennen mehrere Kinder tenden Blicken. Dann greifen sie seine erschrocken vom Scheiterhaufen weg. kontinente 2-2018 11
10-15_Reportage_PAPUA_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:17 Seite 3 Sie laufen zur Missionsstation, wo men die Folterer auf die Nonne zu und Tatort Regenschirme auf und starren weiter Schwester Gaudencia, Schwester Lo- prügeln mit glühenden Holzstangen auf Der unscheinbare auf Christina, die sich vor Schmerzen Brandfleck auf dem rena und die anderen Ordensfrauen die 72-jährige Frau ein. Sie rettet sich, Dorfplatz markiert in der Hitze des Scheiterhaufens windet. wohnen. Die Schweizer Missions- will Hilfe holen. Doch sie begreift, selbst den Scheiterhaufen, Der Regen wird immer stärker, der schwestern sind hier in der Region um mit den männlichen Mitarbeitern der auf dem Teno am Dorfplatz wird vom Wasser aufge- Vortag gefoltert wurde. die Stadt Mendi im Hochland von Krankenstation und dem Priester hat sie weicht, die Flammen des Feuers werden Papua-Neuguinea bekannt. Völlig außer keine Chance gegen die wütende Meute. kleiner. Die Folterer entscheiden, eine Atem klopfen die Kinder an die Tür. Mit hasserfüllten Blicken rufen die Men- Pause einzulegen. Cristina blickt in die „Schwester Gaudencia, Schwester Gau- schen immer wieder: „Kukim em!“ – Menschenmenge. Rund 600 Dorfbewoh- dencia, kommen Sie schnell, eine Hexe Verbrennt sie! „Kilim em!“ Tötet sie! ner stehen ihr gegenüber. Sie sieht ihre wird verbrannt.“ Als die Ordensfrau den Es hilft nur noch beten. Schwester Nachbarn, Männer, Frauen, Kinder. Dorfplatz erreicht, ruft sie erschrocken: Gaudencia greift zum Rosenkranz. In Mehrere Männer richten ihre Handys „Um Himmels Willen, hört auf.“ Da stür- sicherem Abstand zum Scheiterhaufen auf sie und schießen Fotos. fleht sie Gott um Hilfe. Mehrere Katho- liken, die die Ordensfrau gut kennen, Der Trick mit dem Stein kommen hinzu und beten mit ihr. Wäh- Weil der Regen nicht aufhört, schleppen rend sie immer wieder den Rosenkranz die Folterer Cristina in eine Hütte und beten, ziehen dunkle Wolken auf. legen sie auf den nackten Lehmboden. Schwester Gaudencia blickt zum Him- „Ich muss überleben“, sagt sie zu sich. mel. Heftiger Regen prasselt plötzlich „Für Jonathan und meine Mutter muss auf den Dorfplatz nieder. Einige der ich überleben.“ Sie entdeckt einen klei- Schaulustigen spannen ihre bunten nen Stein in der Hütte. Trotz ihrer hef- tigen Schmerzen ist ihr Überlebenswille ungebrochen. Sie denkt sich eine ge- wagte Geschichte aus, um die Folterer Bildbeweise Auf ihrem Laptop hat zu überlisten. Schwester Lorena In einem unbeobachteten Moment Bilder eines Hexen- schiebt sie sich den Stein zwischen die prozesses gesammelt. Beine. Dann ruft sie: „Schnell, kommt Damit können die Täter identifiziert werden, her. Die Hexe, sie ist in mir. Befreit mich. die Cristina folterten. Holt sie raus.“ Die Männer betasten und begrabschen Cristinas Körper und fin- gern schließlich einen von Lehm und Blut verschmierten Stein hervor. Wie eine Trophäe halten die Männer den Stein in die Höhe. „Sanguma“, rufen sie. 12 kontinente 2-2018
10-15_Reportage_PAPUA_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:17 Seite 4 Der Zauber scheint gefunden. Die Szene rührt die Menschen mit ihrem liebenden rettet Cristina das Leben. Blick und ihren warmen Umarmungen. Einige Zeit später liegt sie im Kran- Cristina spürt die heilsame Wirkung der kenbett der Missionsstation. Schwester Anteilnahme und Nähe. Und sie ist Gaudencia setzt ihr Kanülen für den dankbar, dass sich die Ordensfrau Zeit Tropf mit Schmerzmitteln und behan- für Jonathan nimmt. „Wie geht es dir?“, delt ihre Wunden. Doch selbst in der fragt sie den Jungen. „Gut“, lautet die Missionsstation ist die Schwerverletzte kurze Antwort. Schwester Lorena lässt nicht sicher. Von Weitem erklingen die nicht locker. „Hast du Freunde, mit Sanguma-Rufe erneut. Einige der Folte- denen du spielen kannst? Schläfst du rer zweifeln an dem Hexenstein. Sie nä- nachts gut?“ Da blickt Jonathan auf hern sich dem weitläufigen Gelände der Schwester Lorena und kann seine Trä- Missionsschwestern, Steine fliegen auf nen nicht zurückhalten. Immer wieder das Dach der Missionsstation. „Wir würden die Alpträume kommen, sagt Überlebt müssen Cristina in Sicherheit bringen“, er. „Das Feuer. Meine Mutter“, weint er. Cristina wurde brutal HISTORISCH gequält, doch dank sagt Schwester Gaudencia. Schwester Lorena spürt, wieviel Ver- einer List und der Hilfe 1486 veröffentlicht der fanatische zweiflung, Angst und Wut in dem Jun- der Ordensschwestern Dominikaner Heinrich Kramer die Hetz- Jahr für Jahr 200 Hexenmorde gen stecken und ihn von innen aufzu- konnte sie fliehen. schrift „Der Hexenhammer“. Das Buch löst Wie ein Flächenbrand breiten sich die fressen drohen. eine Welle von Hexenverfolgungen aus. Hexenverfolgungen in Papua-Neugui- „Komm mit, Jonathan“, sagt 25 000 Menschen werden in Deutschland zu Tode gefoltert, während das Buch im nea aus. 1443 Fälle sogenannter Hexen- Schwester Lorena. „Ich habe eine Idee.“ katholischen Spanien auf Widerstand stößt. prozesse in dem ozeanischen Land hat Sie führt den Jungen zu einem großen 1526 ruft Martin Luther zur Hexen- die australische Professorin Miranda Baum mit einem festen Stamm. Er darf verbrennung auf: „Ich will der Erste sein, der Feuer an sie legt.“ Forsyth in den vergangenen 20 Jahren jetzt alle seine Gefühle an dem Baum 1595 wird der belgische Mönch Jean dokumentiert. Andere Quellen wie die auslassen. Jonathan trommelt mit den Delvaux nach einem Hexenprozess geköpft. Vereinten Nationen schätzen sogar, dass Fäusten auf den Stamm, tritt mit den 1736 schafft England das Gesetz gegen Hexerei ab. jährlich rund 200 Menschen als Hexen Füßen gegen all das Böse, schreit und 1793 wird in Europa die letzte sogenannte in Papua-Neuguinea getötet werden. weint sich das Leid von der Seele. Dann Hexe hingerichtet. Weil sie unmöglich in ihrem Heimat- wird er ganz ruhig und setzt sich auf die 1812 veröffentlichen die Gebrüder Grimm dorf bleiben kann, bringen die Ordens- Wiese. „Jetzt geht es mir besser.“ eine Geschichte über eine Hexenverbren- nung unter dem Titel „Hänsel und Gretel“. schwestern Cristina weit weg. Rund fünf Schwester Lorena ist erleichtert und 1960er-Jahre Es werden weltweit mehr Stunden mit dem Auto flüchten sie wirft noch einen prüfenden Blick auf Menschen wegen angeblicher Hexerei durch die bergige Landschaft, bis end- den Baumstamm, der unversehrt geblie- getötet als während des Mittelalters in lich der Mount Wilhelm mit seinen ben ist. Für Cristina und ihre kleine Fa- » Europa, schätzen Experten. Genannt werden vor allem Papua-Neuguinea, mehr als 4500 Metern sichtbar wird. Der milie ist der Heilungsprozess ein langer Du hast mir Südafrika, Kongo und Nigeria. höchste Berg des Landes wurde 1888 Weg. „Du hast mir geholfen, meinen in- geholfen, 1997 erscheint ein Fantasy-Roman über Hexerei und Zauberei, der weltweit für von der deutschen Kolonialmacht nach neren Frieden zu gewinnen“, sagt Cris- den inneren Begeisterung sorgt. In zehn Jahren werden Wilhelm von Bismarck benannt, dem tina später zu Schwester Lorena. Frieden zu 450 Millionen Harry Potter-Romane ver- Sohn des deutschen Reichskanzlers. gewinnen. kauft und in fast 80 Sprachen übersetzt. Hier liegt die Stadt Kundiawa, in der In den Fängen der Folterer Folteropfer Cristina 2007 Der Autor des Buchs „Justizmord an Anna Göldi“ fordert in der Schweiz die Reha- Cristina mit ihrem Sohn und der Groß- In den vergangenen 14 Monaten hat sich bilitierung der 1782 hingerichteten Frau. mutter ein neues Leben aufbauen muss. die Schweizer Ordensfrau um 18 Fälle Die Kantonsregierung lehnt den Antrag mit Während Schwester Gaudencia sich um von Hexenverfolgung gekümmert. dem Hinweis ab, Anna Göldi sei im Bewusst- sein der Bevölkerung bereits rehabilitiert. die körperlichen Wunden von Cristina Wann immer sie hört, dass jemand in 2008 Nach einem erneuten Vorstoß kümmert, ist ihre Mitschwester Lorena Gefahr ist, wird sie aktiv. So gibt es Hin- beschließt die Schweiz die Rehabilitierung Jenal jetzt als Seelsorgerin gefordert. Die weise, dass es in einem Dorf in der Nähe von Anna Göldi. 226 Jahre nach der Hinrich- tung wird der Fall als Justizmord bezeichnet. 67-jährige führt viele Gespräche mit von Mendi einen Hexenprozess gegeben 2018 Schwester Lorena berichtet von Cristina und kümmert sich um die see- hat. Schwester Lorena fährt mit dem zahlreichen neuen Fällen von Hexenverfol- lischen Wunden. Schwester Lorena be- kleinen Geländewagen los und fragt am gung in Papua-Neuguinea. kontinente 2-2018 13
10-15_Reportage_PAPUA_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:17 Seite 5 Barmherzigkeit Schwester Lorena versucht, das Leben von Teno, die gefoltert wurde, zu retten. reinigt die Wunden, gibt ihr Schmerz- mittel. Am späten Abend kommt Gau- dencia zu Lorena und sagt leise: „Teno ist tot. Sie hat es nicht geschafft.“ Wie in der Steinzeit Schwester Lorena sucht nach Erklärun- gen für die sadistische Gewalt. „Als ich 1979 nach Papua-Neuguinea kam, war ich fasziniert von der Schönheit des Lan- des. Alles schien mir sehr friedlich und harmonisch“, erinnert sie sich. Gleich- zeitig „lebten die Menschen wie in der Steinzeit“. Als internationale Konzerne Öl, Gas und andere wertvolle Rohstoffe entdeckten, sei die Moderne mit voller Wucht hereingebrochen. Plötzlich gab es schnelles Geld, Fernseher, Handys und Autos. Die Männer sind traditionell Krieger, die immer mit Pfeil und Bogen oder Steinaxt unterwegs waren. „Heute tauschen sie das wildwachsende Mari- huana gegen Schusswaffen“, berichtet die Schwester. Die radikalen Verände- rungen verunsicherten die Menschen, mit aller Macht wollen sie zu den Ge- Traumatisiert Für Margret fordert winnern gehören. Schwester Lorena Der Hexenglaube wird auch benutzt, Schmerzensgeld wenn Menschen voller Habgier sind. So von den Tätern. hält Schwester Lorena Kontakt zu der Wegesrand drei Feldarbeiter, ob sie den Weg. „Wir haben sie eingesperrt. selbstsicheren Stella, die seit einem Jahr etwas gehört hätten. „Ja, gestern Abend Sie kriegt kein Wasser und keine Medi- mit ihrer Tochter auf der Flucht ist. Die hatten wir einen Hexenprozess in un- kamente. Sie soll krepieren, die Hexe“, eigenen Brüder warfen Stella vor, eine serem Dorf“, antworten sie. „Was ist da wütet er. Schwester Lorena weiß, es geht Hexe zu sein. In Wirklichkeit wollten passiert?“, will Schwester Lorena wis- jetzt um Leben oder Tod. Die Frau muss sie ein Stück Land zurück, das sie der sen. „Warte, wir zeigen es dir“, sagen nach stundenlanger Folter schwer ver- eigenen Schwester nicht gönnten. Der die beiden Frauen und der Mann. Er letzt sein. „Ich will zu der Frau“, sagt Familienstreit spitzte sich zu, Stella nimmt sein Buschmesser, während sich die Schweizerin mit eindringlichem wurde verteufelt und ist seitdem ihres eine der Frauen mit gespreizten Armen Blick. „Machen sie das Schloss auf.“ Lebens nicht mehr sicher. und Beinen aufstellt, um die Rolle der Der Dorfführer gibt nach und öffnet Der Hexenwahn vergiftet die Gesell- Hexe zu spielen. „Das Buschmesser war die Tür. Teno heißt die Frau, die mit schaft in Papua-Neuguinea. Es gibt die vom Feuer glühend rot“, erzählt er mit schwersten Verletzungen und Verbren- Anstifter und ihre zahlreichen Motive, leuchtenden Augen. nungen auf dem Boden liegt. „Ich bringe jemanden an den Pranger zu stellen. Es „Lebt die Frau noch? Wo ist sie?“, dich in unsere Krankenstation“, sagt sie Mehr Infos gibt die gewaltbereiten Täter, die als Fol- fragt Schwester Lorena voller Verzweif- und umarmt Teno. Als Schwester Lo- Einen dramatischen terer ihre sadistischen Phantasien aus- lung. Eine der Frauen weist in Richtung rena mit dem Wagen ankommt, wird sie Hilferuf aus Papua- leben. „Das ist Gewaltpornographie, Neuguinea zeigt ein des Dorfes. Als die Ordensfrau dort an- schon von Schwester Gaudencia erwar- Internet-Video unter was sich da abspielt“, kritisiert Schwes- kommt, stellt sich ihr der Dorfführer in tet. Sie untersucht die Schwerverletzte, missio-hilft.de/hexen ter Lorena. Schließlich folgt die große 14 kontinente 2-2018
10-15_Reportage_PAPUA_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:17 Seite 6 VOR ORT Gruppe der Schaulustigen, die zu den Lorena hakt nach: „Stimmt es, dass Hexenprozessen eilen, deren Mitgefühl deine Frau zum elften Mal schwanger abgestumpft ist und die nach Schre- war und im Krankenhaus gestorben ckensbildern gieren. ist?“ Daniel nickt und blickt auf den Boden. Über sechs Wochen hinweg fin- Täter ohne Schuldeinsicht den mehrere Treffen statt. Schwester Lo- Wütend macht Schwester Lorena dieser rena spricht über die zehn Gebote und Hass in der Gesellschaft, aber nicht ohn- die Nächstenliebe. Margret sei Unrecht mächtig. Ganz im Gegenteil: Sie will in getan worden, Daniel müsse um Verge- die Offensive gehen und sich Täter und bung bitten und Schmerzensgeld zah- Folterer vornehmen. Angeregt hat sie len. Ansonsten würde sie ihn anzeigen der Fall von Margret, die den Hexenpro- und ins Gefängnis bringen. Schwester zess überlebt hat. Die beiden führen Lorena schaut ihn an. lange Gespräche, um das Trauma der Sie ahnt, dass er als Mann in dieser Folterungen zu bewältigen. Doch ein patriarchalen Gesellschaft nicht seine normales Leben ist für Margret undenk- Schuld eingestehen kann. Sie weiß, er bar. Die Täter leben ohne Reue und schämt sich und fürchtet, diese Euro- Sühne in ihrem Heimatdorf. päerin könne ihn wirklich ins Gefängnis Schwester Lorena wagt die gefähr- bringen. Die Drohbotschaft verfehlt ihre liche Mission und will mit dem Anstifter Wirkung nicht. Er stimmt zu, Schmer- und den Folterern sprechen. Als Euro- zensgeld zu zahlen. päerin und Ordensschwester genießt sie Für Schwester Lorena ist dies ein eine gewisse Autorität. Meilenstein. Gleichzeitig fürchtet sie, „Daniel, es tut mir sehr leid, dass dass beim nächsten Todesfall in Mar- sie in die Dörfer und Schulen geht und Versöhnung deine Frau gestorben ist. Sag mir doch, grets Dorf der Hexenwahn wieder auf- mit den jungen Menschen spricht, dann Unermüdlich kämpft Schwester Lorena in woran ist sie gestorben?“ Daniel, der flammen könnte. Deshalb will die Or- kann – so hofft sie inständig – eine Ge- den Dörfern gegen sich selbst als gottesfürchtigen Mann densfrau mit Spenden aus Deutschland neration heranwachsen, für die der He- Gewalt und Hexenwahn. bezeichnet, entgegnet: „Sie wurde von ihr Hilfsprojekt im Kampf gegen diese xenglaube nur noch ein böses Märchen Margret verhext und getötet.“ Schwester Gewalt ausweiten und aufklären. Wenn aus vergangenen Zeiten ist. HEXENVERFOLGUNG WELTWEIT Syrien Pakistan Iran Nepal Mexiko Haiti Mali Burkina Thailand Faso Tschad Saudi- Guatemala Arabien Ghana Zentralafr. Rep. Indien Papua- Benin Nigeria Uganda Neuguinea DR Burundi Gabun Kongo Tansania Indonesien Bolivien Angola Ost-Timor Sambia Südafrika Quelle: UNHCR, deacademic.com kontinente 2-2018 15
16-17_Hintergrund_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 02.02.18 10:17 Seite 1 01 02 03 04 Fotos: Buchmann; Di Martino (2); Hauschild/Wohn + Stadtbau; KNA-Bild (2) 01 Afferden, Niederlande: In der ehemaligen katholischen Dorfkirche beten nun Buddhisten. 02 Verduno, Italien: Künstler Valerio Berruti hat sein Atelier in der Kirche San Rocco eingerichtet. 03 Aachen, Deutschland: St. Josef wird unter dem Namen „Grabeskirche“ als Kolumbarium genutzt. 04 Portichetto di Luisago, Italien: Seit 1966 gibt es in der profanierten Kirche eine Autowerkstatt. 05 Münster, Deutschland: Eine Kita mit Innenspiel- platz bietet die ehemalige Sebastiankirche. 06 Maastricht, Niederlande: Die frühere Dominika- nerkirche ist mittlerweile eine Buchhandlung. 16 kontinente 2-2018
16-17_Hintergrund_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:28 Seite 2 HINTERGRUND Nach der letzten Messe 05 Ehemalige Kirchen als Restaurants, Buchhandlungen, Ateliers, Autowerkstätten, Banken oder Konzertsäle: Das ist gewöhnungsbedürftig, kommt aber immer häufiger vor. Für die Gläubigen ist es nicht selten ein schmerzhafter Abschied. Südlich von Mönchengladbach ist Anfang Januar der Immerather Dom abgerissen worden – um dem Braunkohletagebau Platz zu schaffen. Mit dem Abriss der neoroma- nischen Basilika ist ein Stück Kirchenge- schichte zu Ende gegangen. Alles, was die Gläubigen mit ihrer ehemaligen Kirche ver- binden, lebt jetzt nur noch in ihren Erinne- 06 rungen fort. Ihr traditioneller Ort der Got- tesbegegnung ist verschwunden. Seit dem Jahr 2000 sind in Deutschland mehr als 500 der insgesamt 24 500 katholi- schen Kirchen und Kapellen als Gottes- dienstorte aufgegeben worden. Die häufigs- ten Begründungen: Mangel an Priestern, Gläubigen und Geld. 140 der aufgegebenen Fotos: Buchmann; Di Martino (2); Hauschild/Wohn + Stadtbau; KNA-Bild (2) Gebäude sind der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Als „ultima ratio“ bezeichnet die Deutsche Bischofskonferenz diese Lösung und bevorzugt kirchennahe Nutzungen: etwa, wenn andere christliche Konfessionen den Kirchenraum für die Liturgie überneh- men. Oder wenn karitative Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder Altenheime einziehen. Erst wenn eine Kirche per Bi- schofsdekret entweiht wurde, verliert sie ihren sakralen Status. Aus der profanierten Kirche werden das Allerheiligste und die Reliquien geborgen. Anschließend kann die ehemalige Kirche verkauft und völlig anders als bisher genutzt werden. Wie denken Sie über die Umnutzung von Kirchen? Schrei- ben Sie an redaktion@kontinente.org Eva-Maria Werner kontinente 2-2018 17
18_Pinnwand_2-18_H_500.qxp_Hauptheft 01.02.18 13:34 Seite 1 PINNWAND DAS ÄRGERT MICH! Altersvorsorge dank Waffenhandel? Es geht mal wieder ums liebe Geld. Diesmal sogar um sehr viel Geld: Die deutschen Lebensversicherer legen für ihre Kunden jährlich mehr als Post aus ... eine Billion (eine Eins mit zwölf Nullen!) Euro an. Sie investieren es für 90 Millionen Versicherungsverträge – mehr als das Land Einwohner hat! Fidschi Der Löwenanteil des Geldes dient der privaten Altersvorsorge. Auf die Patricia Mohr, Die Menschen auf den Pazifik-Inseln gesetzliche Rente allein wollen sich die meisten Menschen nicht mehr 24, ist zur sind täglich mit den Folgen der verlassen. Denn die Gesellschaft altert und die gesetzliche Rentenver- Zeit Lehramts- Erderwärmung konfrontiert. Durch sicherung stößt zunehmend an ihre Grenzen. Zusätzlich privat für ein studentin in die Emissionen, vor allem durch das gesichertes Einkommen im Alter zu sorgen, scheint deshalb sinnvoll. Ludwigsburg. CO2 in der Atmosphäre, erwärmt Wer als Anleger dabei aber auf ethisch-ökologische Kriterien Wert legen Als Missionarin sich das globale Klima. Die Menschen will, hat es schwer. Die Verbraucherzentrale Bremen hat 46 Anbieter von auf Zeit hat sie an den Meeren sind davon besonders privaten Rentenversicherungen unter die Lupe genommen. Sie kommt bei Franzis- betroffen. Weltweit schmilzen die zu dem traurigen Ergebnis, dass nur zwei von ihnen bei Nachhaltigkeits- kanerinnen in Gletscher, dadurch steigt der Meeres- kriterien vorbildlich sind. Viele Anbieter verweigerten sogar jegliche Indonesien spiegel an. Ich konnte sehen, dass Auskunft darüber, inwieweit Kinderarbeit, Pornographie oder Atomkraft gelebt. Jetzt viele Dörfer auf den Fidschi-Inseln bei ihren Kapitalanlagen berücksichtigt werden. berichtet sie von bereits überflutet wurden. In ihrer Im Finanzbereich gibt es (noch) keinen gesetzlichen Standard für Nach- einem Jugend- Not errichten die Bewohner hohe haltigkeit. Wenn aber den Anlegern die Auskunft darüber verweigert austausch auf Betonmauern, ganze Dörfer mit ihren wird, ob ihr „Ruhegeld“ aus dem Aktienhandel mit Waffen stammt, den Fidschi- Bewohnern werden umgesiedelt. Ein wird es Zeit, dass der Gesetzgeber eingreift. Franz Jussen inseln. weiteres Problem ist, dass der Boden durch das Salzwasser unfruchtbar wird und so keine Lebensmittel mehr angebaut werden können. Im Februar vergangenen Jahres fegte ein Wirbel- sturm mit Stärke fünf über die Inseln und hinterließ ein Bild der Zerstö- rung – der mächtigste Sturm, der je dort registriert wurde. Der Wiederauf- bau von Schulen und öffentlichen Gebäuden ist immer noch im Gange. Das klingt alles sehr weit entfernt, doch extreme Wetterereignisse wie Starkregen und Stürme häufen sich Fotos: Nagle/Getty Images; privat auch bei uns in Deutschland. So ist Deutschland auf dem Klima- IN ZAHLEN Risiko-Index der Umweltschutz- Was ärgert Sie? Schreiben Sie bitte an: Redaktion kontinente 857 organisation Germanwatch vom 64. auf den 42. Platz vorgerückt. Wenn Anton-Kurze-Allee 6 Euro monatlich brutto viele Fahrrad fahren und öffentliche 52064 Aachen betrug in Deutschland die oder per E-Mail an gesetzliche Altersrente Verkehrsmittel nutzen würden, wäre redaktion@kontinente.org 2016 im Durchschnitt. schon einiges gewonnen. 18 kontinente 2-2018
Objekt_19_25_31-33_korr.qxp_Proprium 30.01.18 13:34 Seite I Dominikanerinnen Die Seiten Ihrer Ordensgemeinschaft UNSERE MISSION in kontinente 02-2018 Osterwege Osterwege entstehen im Gehen, wachsen beim Fragen, Zweifeln und Suchen. Osterspuren sind zu entdecken im Gespräch unterwegs mit dem Fremden und Freund. Ostererfahrung wird gesammelt am Grab und am Tisch, in der Bleibe am Weg, auch bei verschlossener Tür. Osterglauben wird geschenkt überall dort, wo die Augen aufgehen und die Herzen entbrennen. Paul Weismantel Liebe Leserinnen und Leser, als Teil der Natur etwas sehr Tröstliches fers, der sich nicht scheute, selbst Ge- zu wissen, dass Loslassen, Vergehen, schöpf zu werden und bis in unsere der Weg als Symbol ist uns vertraut. Sterben zum Leben führen – zu einem tiefsten Abgründe hinabstieg. Er ist aus Gerne sprechen wir vom Lebens- oder neuen Erwachen. diesen Abgründen auferstanden und Glaubensweg, von steinigen Wegen, Die vorösterliche Zeit, die Fasten- verheißt auch uns allen dieses neue leichten oder schweren Wegabschnit- zeit, bietet sich uns als ein Wegstück Leben. ten oder aktuell auch immer wieder an, dem wir eine ganz persönliche Note Bei allem, was wir in dieser Ausgabe von verschiedensten Fluchtwegen. geben können. Wir können zum Bei- von kontinente mit Ihnen teilen, geht Immer sind mit diesem Wort konkrete spiel bewusst mehr auf die innere es um Osterwege, die Freunden, Frem- Erfahrungen verbunden, Erlebnisse, Stimme hören, um dem Leisen, Un- den und uns zu mehr Leben verhelfen Begegnungen, die uns geprägt und zu scheinbaren, Einfachen mehr Raum zu sollen. dem gemacht haben, was wir heute geben. Dabei werden wir feststellen, Wir wünschen Ihnen auf Ihrem sind. dass sich neue Welten auftun, wir Osterweg neue Osterspuren und -erfah- Foto: Bernd Busse Wenn Sie diese Zeilen lesen, berei- etwas sehen, dass uns beglückt und im rungen, die zu einem Osterglauben füh- tet sich die Natur auf das jährliche Auf- Innern froh macht. Diese kleinen Blu- ren, der unsere Herzen brennen lässt. erstehen vor, erste Zeichen davon wer- men am Lebensweg sind ein Geschenk, den sehnsüchtig erwartet. Es ist für uns das Geschenk eines liebenden Schöp- Ihre Dominikanerinnen Dominikanerinnen 2-2018 I
Objekt_19_25_31-33_korr.qxp_Proprium 30.01.18 13:34 Seite II ARENBERGER DOMINIKANERINNEN Im Anfang war das Wort Die ersten Tage eines neuen Jahres beginnen die Schwestern Dominikanerin die Antwort auf den Ruf in Bolivien stets damit, gemeinsam inne zu halten und auf das ist, mit dem Christus sie ruft. Gleich- Wort Gottes zu hören. Es war zu Anfang der Schöpfung und es zeitig hat auch die Gemeinschaft die soll auch zu Beginn des neuen Jahres stehen, um so das Jahr Verantwortung, zu schauen und zu spü- zu prägen. ren, ob es der Weg der jungen Frau ist. In Bolivien beginnt das neue Jahr für haben uns viel Kraft gegeben. Wir kön- Große Freude auf allen Seiten die Schwestern mit einer Zusammen- nen nun mit unserer Aufgabe fortfah- Natürlich war auf allen Seiten die kunft in Comarapa. Da im Januar Ferien ren, das Evangelium in einem Land mit Freude groß, dass Schwester Maria sind, ist es möglich, dass alle im Regio- vielen Konflikten zu verkünden.“ Selva ihre Profess erneuerte und so nalmutterhaus zusammen kommen ihren Weg als Dominikanerin weiter- und die erste Woche des Jahres gemein- Dem Ruf Gottes folgen geht und dass Seiko immer weiter ein- sam verbringen. Die Tage beginnen mit Diese Erfahrung bestärkte auch taucht in das Leben der Gemeinschaft. der sogenannten Beterinnenwahl am Schwester Maria Selva, am Ende der Die Professerneuerung sowie die Nachmittag des 1. Januar. Das Wort geistlichen Tage ihre Profess zum vier- Postulatsaufnahme bildeten das Ende „Wahl“ mag hierbei ein bisschen irre- ten Mal für ein Jahr zu erneuern. Wäh- der gemeinsamen Tage in Comarapa führend sein, denn die Schwestern rend der Messe, die P. Flaminio in der und die Schwestern kehrten zurück wählen ihre jeweilige Beterin nicht nach Kapelle des Konventes in Comarapa mit nach Saipina, Santa Cruz und Cocha- ihren persönlichen Vorlieben, sondern den Schwestern feierte, versprach sie bamba, um sich ihren Aufgaben zu wid- das Los entscheidet, wer im neuen Jahr in die Hände der Regionalpriorin, men. Der traditionelle Beginn des füreinander betet. Das bringt die Schwester Rosa Maria, Armut, gottge- neuen Jahres auf diese Weise stärkt den Schwestern auf besondere Weise einan- weihte Keuschheit und Gehorsam für Zusammenhalt der Gemeinschaft in Bo- der näher. ein Jahr. In der gleichen Feier wurde livien und kann als Wegweiser für das auch die Kandidatin Seiko ins Postulat ganze Jahr verstanden werden. Indem Tage, die viel Kraft geben aufgenommen. Damit wagt sie nach sich die Schwestern vor allem anderen Am 2. Januar beginnen dann traditio- einem Jahr der Kandidatur einen wei- dem Wort Gottes zuwenden, kann das nell die Exerzitien. Für eine Woche zie- teren Schritt auf ihrem Weg der Nach- Neue Schritte Wort, das an Weihnachten in Jesus hen sich alle zusammen in die Stille zu- folge Christi und hat die Gelegenheit, Schwester Maria Selva Christus Fleisch geworden ist, seine rück, um gemeinsam auf das Wort im kommenden Jahr als Postulantin und Postulantin Seiko Spuren im neuen Jahr legen. betreten zu Beginn Gottes zu hören. In diesem Jahr wurde immer mehr ein Gespür dafür zu be- des Jahres einen neuen die Gemeinschaft durch den Karmeliten kommen, ob das Leben als Arenberger Wegabschnitt. Sr. Kerstin-Marie Berretz P. Flaminio Benítez Ortiz begleitet, der täglich Impulse gab, die Messe mit den Schwestern feierte und bereit stand, um im persönlichen Gespräch einen neuen Blick auf die Realität zu eröffnen oder das Sakrament der Versöhnung zu spenden. Thematisch orientierte sich P. Fla- Fotos: Arenberger Dominikanerinnen minio an den Konstitutionen der Ge- meinschaft und brachte gleichzeitig immer wieder das Gespräch auf den V. Amerikanischen Missionskongress in Santa Cruz, bei dem im Juli diesen Jah- res über 3 000 Teilnehmer aus ganz Amerika erwartet werden. Schwester Rosa Maria sagt über die Exerzitien: „Diese Tage waren eine große Hilfe und II Dominikanerinnen 2-2018
Objekt_19_25_31-33_korr.qxp_Proprium 30.01.18 13:34 Seite III Aktion „Essensbon“ Heilende Liebe Am 10. April 1868 wurde die Gemein- schaft der Schwestern der heiligen Ka- tharina von Siena im Orden des heiligen Dominikus in Arenberg gegründet und Mutter M. Cherubine prägte sie im Sinn der heilenden Liebe. DominikanerAus Dankbarkeit für die vergangenen 150 Jahre mit allem, was in ihnen passiert ist, feiert die Gemeinschaft fast ein Jahr lang. Am 2. Februar wird das Jubilä- umsjahr in den Konventen eröffnet und am Todestag der Gründerin, dem 18. Lecker! In der Küche Dezember, geschlossen. In diesem Jahr des Colegios werden begibt sich die Gemeinschaft auf Spu- die nahrhaften Mahl- rensuche, um von ihren Wurzeln her zeiten von Frauen aus der Nachbarschaft zu- den Auftrag der heilenden Liebe für bereitet. heute neu zu verstehen. Ein Sprichwort sagt: „Ein voller Bauch mehr als 120 Schüler auch diese fünf Ein wichtiger Meilenstein wird studiert nicht gern.“ Wer jedoch mit Euro nicht aufbringen. Da aber nie- dabei der fünfwöchige Pilgerweg von einem leeren Magen lernen soll, dem mand mit leerem Magen in der Schule Schwyz nach Arenberg. M. Cherubine fällt es ziemlich schwer, sich zu kon- sitzen soll, kön-nen selbstverständlich war vor 150 Jahren in dem kleinen Ort zentrieren. In allen unseren Kindergär- auch diese Schülerinnen und Schüler in der Schweiz aufgebrochen und an ten, Kindertagesstätten und in den am Mittagessen teilnehmen. Das be- das Deutsche Eck gekommen. Schwes- Schulen gibt es daher den „Comedor“, deutet allerdings, dass die Schwestern tern, Mitarbeitende und Freunde der den Mittagstisch für die Schülerinnen dringend auf Unterstützung angewie- Gemeinschaft werden zu Fuß unter- und Schüler. Im Colegio Santa Rosa de sen sind, um die Kosten für das Mittag- wegs sein, um der heilenden Liebe auf Lima in Santa Cruz kommen so Mittag essen für alle zu decken. die Spur zu kommen. Die Pilger werden für Mittag 280 bis 300 Schülerinnen und Daher haben die Schwestern bereits am 22. Juni in Arenberg erwartet, wo Schüler zum Mittagessen, um sich zu im letzten Sommer in Deutschland die Informationen dann das große Jubiläumswochenende stärken und um so gut lernen und sich Aktion „Essensbon“ gestartet. Für je- zum Jubiläumsjahr gefeiert wird. Zu dieser Gelegenheit und entwickeln zu können. Für viele von weils fünf Euro erwirbt man sozusagen und das gesamte Pro- dem anschließenden Zwischenkapitel gramm gibt es unter ihnen ist das die einzige Mahlzeit am einen Essensbon, der wiederum das werden auch einige Schwestern aus Bo- www.arenberger- Tag, da die Familien so arm sind, dass Mittagessen für ein Kind für eine Woche dominikanerinnen.de livien anreisen. sie sich schlicht kein Frühstück und finanziert. Der Käufer des Bons tut aber Sr. Kerstin-Marie Berretz Abendessen leisten können. nicht nur den Schülerinnen und Schü- Deswegen ist es wichtig, dass das lern etwas Gutes, sondern jeder Bon Mittagessen aus einer ausgewogenen nimmt einmal im Jahr an einer Verlo- Mahlzeit besteht. So gibt es täglich für sung teil, bei der ein Wochenendauf- alle, die kommen, eine Suppe, ein enthalt in Kloster Arenberg gewonnen Hauptgericht, ein kleines Dessert und werden kann. Ein Essensbon kann ganz einen Becher Getreidemilch. Alles wird einfach auch per Überweisung erwor- in der Küche der Schule von Frauen aus ben werden: Mindestens fünf Euro auf der Nachbarschaft, die so eine Stelle ge- das Missionskonto mit dem Stichwort funden haben, zubereitet und gekocht. „Essensbon“ und der eigenen Adresse So gibt es ein frisches und gesundes überweisen und schon ermöglicht man Essen, das aus regionalen und saison- einem Kind eine Teilnahme am Mittags- Prägend alen Produkten hergestellt wird. tisch für eine Woche und nimmt an der Mutter M. Cherubine Willimann, deren Die Teilnahme am Comedor kostet jährlichen Verlosung teil. Leben die Überschrift pro Kind fünf Euro, jedoch können Sr. Kerstin-Marie Berretz „Heilende Liebe“ trug. Dominikanerinnen 2-2018 III
Objekt_19_25_31-33_korr.qxp_Proprium 30.01.18 13:34 Seite IV MISSIONS-DOMINIKANERINNEN NEUSTADT DEUTSCHLAND Villa Maria – geliebte Heimat 40 Jahre lang war die Villa Maria in Johannesburg für die Schwestern eine geliebte und geschätzte Heimat. Im Oktober 2017 wurde sie verkauft. Schon im November 2017 haben neue der herrschenden Gewalt zur Gefahr für Morgenstimmung Die Eigentümer das Haus in Besitz genom- die Bewohnerinnen entwickelt hatten, Schwestern schätzten besonders den wunder- men: Villa Maria in Johannesburg war verlangten den Umzug der noch dort baren Ausblick von Villa für einige Jahre Provinz- und Novizi- wohnenden Schwestern. Maria über die Stadt. atshaus, und ein Platz, an dem zahl- Zwölf Schwestern, Vertreterinnen reiche Schwestern, Gäste aus Übersee der Kongregationsleitung und der loka- und solche, die die benachbarten Kran- len Kommunität Gauteng-Bloemfontein, kenhäuser aufsuchen mussten, all die kamen am 27. Oktober 2017 in Villa Jahre über in der Kommunität herzlich Maria zur letzten Eucharistiefeier zu- willkommen waren. sammen. P. Mariano Gonsalves von den Comboni-Missionaren zelebrierte die Anlaufstelle für Suchende heilige Messe. Lesungen und Gesänge Fotos: Missions-Dominikanerinnen Neustadt (3); Institut St. Dominikus Zudem war Villa Maria Anlaufstelle für waren sorgfältig ausgesucht worden, Hilfe suchende Menschen. Von Villa und die Schwestern teilten einander ihre Maria aus besuchte Schwester Anne Betrachtungen zu Salomos Gebet aus Thölking Menschen in dem Altenheim, dem 1. Buch der Könige mit; es erinnert das früher unser Entbindungsheim Ma- uns an das Gebot der Liebe, zudem rymount war, koordinierte Schwester daran, dass der Herr seine Versprechen Justina Priess die Hilfe für Flüchtlinge, hält und sich der Sache seines Volkes engagierte sich Schwester Josefine weiter annimmt. Die Hausgemeinschaf- Robecke in der Hilfsorganisation „Vin- ten Emmanuel, Koinonia (beide Johan- cent de Paul“ und wirkte Schwester nesburg), Villa Assumpta (Pietermaritz- Lidia Danyluke in Flüchtlingsarbeit burg) und Magaliesburg haben jeweils und Sozialengagement. Alle, die in eine der Schwestern bei sich willkom- dem Haus gelebt haben, werden die men geheißen. Gott segne euren Ab- Villa vermissen, die Geräumigkeit und schied und Neuanfang! Schwesterngruppe vor Villa Maria: ganz vorn rechts: Sr. Paula-Mary das Innenleben des Hauses, die Umge- Sr. Eva-Angelika Herbst OP van der Walt, Mitte vorn Sr. Prudence Cooper, v.li. Anne Thölking, Jose- fine Robecke, Clarina Marquart, Celia Smit, Hildegunde Runne, Justina bung, der herrliche Ausblick über die nach einem Bericht aus Südafrika und Priess; ganz hinten: Sr. Ann-Maureen Yazbek, Angela Sutton, Marie- Stadt – aber Umstände, die sich wegen www.kloster-neustadt.net Bernard Jean-Louis. IV Dominikanerinnen 2-2018
Sie können auch lesen