DECODING DIGITAL MARKETING - Szenarien zur Zukunft der Mensch-Maschinen-Interaktion - Think Tank WIRE
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DECODING DIGITAL MARKETING Szenarien zur Zukunft der Mensch-Maschinen-Interaktion
STEPHAN SIGRIST I DOMINIQUE MEIER TA N JA S C H I E S S I S T E F A N PA B S T DECODING DIGITAL MARKETING Szenarien zur Zukunft der Mensch-Maschinen-Interaktion W . I . R . E . | Think Tank für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft In Zusammenarbeit mit BSI Business Systems Integration AG
Der digitale Tornado transformiert Marketing und Kommunikation mit hoher Geschwindigkeit. Im Zentrum des Wandels stehen automatisierte Prozesse, die nicht nur Effizienz, sondern vor allem eine immer präzisere Personalisierung von Inhalten und Botschaften ermöglichen. Mit Blick auf die Versprechen bezüglich der Leistungsfähigkeit künstlicher Intelligenz, durch die Möglichkeit, neue Erlebnisse in virtuellen Räumen zu erschaffen und mit der Perspektive, dass Kunden in sozialen Medien selbst die Inhalte auf Marken übertragen, gilt es, den Planungshorizont von Marketingstrategien IN zu erweitern. Denn nicht nur das technologische Fundament wird neu definiert, sondern auch die Erwar- tungen der Kunden und Zielgruppen verändern sich. A Die Individualgesellschaft sieht massgeschneiderte Informationen als neue Normalität, die situativ und «on NUTSHELL demand» abrufbar sind. Die globale Vernetzung bringt eine Vermischung, aber auch eine Angleichung von Sehnsüchten und Wünschen. In diesem Umfeld eröffnet die Skalierung der Märkte eine neue Rolle des Marketings: die Orchestrierung der digitalen Matrix für Organisatio- nen und Marken. Allerdings erfordert eine langlebige Herangehensweise für eine nachhaltige Wachstums- strategie auch eine kritische Analyse des effektiven Potenzials neuer Technologien. Denn nicht alles, was digi- talisierbar ist, wird auch zwingend digitalisiert. Und Daten sind nicht per se das neue Gold, sondern nur dann, wenn sie einen Nutzen für Kunden oder die Gesellschaft bringen. 3
Ausgehend von diesen Überlegungen präsentiert sich die digitale Zukunft des Marketings nicht als ein BOT AGAINST BOT eindeutiger Vektor, sondern vielmehr als ein Kaleidoskop Mit der Robotisierung des Marketings durch Social Bots, die einen unterschiedlicher Szenarien, die – basierend auf menschlichen Gesprächspartner imitieren, eröffnen sich neue Dimensi- onen, um die Frequenz von Botschaften weiter zu erhöhen und dabei die der DNA einer Organisation – das Zeitalter der Auto- Sichtbarkeit am Markt zu steigern. Als Folge der Überreizung der matisierung ergänzen, gezielt kontrastieren und eine Kunden werden die Botschaften allerdings künftig von ebenfalls smarten Differenzierung ermöglichen. Bots der Kunden abgefangen und gefiltert. Das Marketing der Zukunft erfordert eine Ausrichtung auf Parameter und Strategien, mit denen sich soziale Marketingbots gegen die Bots zur Filterung durchsetzen. PLATTFORMEN SIND MACHT Die Marktmacht von digitalen Plattformen für die Inszenierung von DAS ZEITALTER DER WERTE Produkten und Dienstleistungen wächst. Ihre starren Strukturen Mit der Verbreitung von sozialen Medien wird das klassische Marketing und Mechanismen bilden die Eckpunkte für das Marketing der Zukunft. als Quelle für Produktinformation abgelöst. Anstelle von subtiler Dies eröffnet Zugang zu globalen Zielgruppen, entkoppelt die Marken oder aktiver Beeinflussung stehen in Zukunft Entscheidungsgrundlagen allerdings vom direkten Kundenkontakt als Grundlage für die und Glaubwürdigkeit im Zentrum. Die Grundlage dafür sind eine Weiterentwicklung und Personalisierung der Botschaften. Als Orientie- wertebasierte Positionierung und eine langfristige Kundenbindung rungsstiftung, zur Differenzierung und für die Präsenz von Marken jenseits von kurzfristigen Marktdynamiken. bleiben eigene Kanäle komplementär und relevant. KILL THE NOISE Weder das menschliche Gehirn noch die gesellschaftlichen Strukturen DIE 4. DIMENSION können mit dem exponentiellen Wachstum von automatisierten Die Vermittlung von Inhalten und Botschaften verlagert sich in den Prozessen und Botschaften mithalten. Die zunehmende Überforderung mit digitalen Schnittstellen erweiterten physischen und den virtuellen durch das digitale Rauschen, aber auch die Sensibilisierung für die Raum; Smartphones und zweidimensionale Screens treten langfristig Abhängigkeit von digitalen Geräten führen zu neuen Marketinggrund- in den Hintergrund. Der Fokus des technischen Fortschritts liegt in lagen, die nicht auf Geschwindigkeit setzen, sondern auf eine reduzierte der Spracherkennung und einer digitalen Infrastruktur, die einfache Vermittlung von relevanten Inhalten. Algorithmen, die lediglich Reich- und situative Interaktionen ermöglicht und in der Erschaffung weite erzielen sollen, verlieren an Relevanz. funktionaler virtueller Umgebungen, die ergänzend zur realen Welt Erlebnisse und Orientierung ermöglichen. DIFFERENZIERUNG DURCH DAS GEHIRN Marketing wird datenbasiert und automatisiert. Die Differenzierung LA MARQUE, C’EST MOI erfolgt allerdings durch Menschen und «machine teaching». Dies Mit der fortschreitenden Personalisierung, basierend auf immer erfordert einerseits den Aufbau einer digitalen Infrastruktur als Grund- umfassenderen Informationen über individuelle Interessen und auf der lage für die Menschen, die durch eigenständige Narrative differenzie- Demokratisierung der Wissensvermittlung sowie dem Wunsch nach ren und andererseits in der kontinuierlichen händischen Anpassung von Selbstinszenierung, richten sich Marken immer stärker an Einzelperso- Trainingsdaten für Algorithmen, um die Qualität ihres Outputs zu nen aus. Inhalte und Produkte werden gemeinsam massgeschneidert, steigern. was die Hierarchie von Marke und Zielpublikum neu definiert. 5
CHRONIK EINER A US G A N G SL A GE ANGEKÜNDIGTEN DISRUPTION 8 Zur Automatisierung des Marketings I N HA LT VON ALGORITHMEN UND T R IE B K R Ä FT E MENSCHEN 16 Die Rahmenbedingungen von morgen JENSEITS S Z EN A R IE N DER MA SCHINENWELT 44 Perspektiven des digitalen Dialogs VON FIKTION ZU FAKTEN H AN D LUN G S FE L DER 78 Aufgaben für die Gestaltung des Marketings im 21. Jahrhundert 88 A P P E N D I X 7
A US G A N G SL A GE Chronik einer angekündigten Disruption — Zur Automatisierung des Marketings «The best sort of worker is the cheapest worker. The one that has the least needs. What young Rossum invented was a worker with the least needs pos- sible. He had to make him simpler. He threw out everything that wasn’t of direct use in his work, that’s to say, he threw out the man and put in the robot. Miss Glory, robots are not people. They are mechanically much better than we are, they have an amazing ability to understand things, but they don’t have a soul. Young Rossum created something much more sophisticated than Nature ever did – technically at least!» Rossum’s Universal Robots, Karel Capek, 1920 9
A US G A N G SL A GE Als der tschechoslowakische Autor Karel Capek im Jahr 1920 sein Drama Die lange angekündigte Disruption erreicht damit die Realität. Nachdem «R.U.R.» veröffentlichte, war ihm die Tragweite seiner Arbeit wohl noch kaum digitale Plattformen in der Musikindustrie und der Medienwelt zu einem bewusst. Er definierte dort den Begriff des Roboters, der wie wenig andere grundlegenden Strukturwandel geführt haben, ist die nächste Phase Wortschöpfungen die Hoffnungen und Ängste der Menschen bis heute prägt. der Digitalisierung nun durch den Einsatz der lernenden Maschinen Der Begriff stammt vom slawischen Begriff «robota» und bedeutet Arbeit. geprägt. Im Mittelpunkt steht die nächste Stufe einer Automatisierung von Capeks Werk handelt vom Unternehmen R.U.R. – ein Akronym für Rossum’s Aufgaben und Prozessen, auf der nicht wie in den ersten industriellen Universal Robots –, das künstliche Menschen herstellt, die als günstige und Revolutionen die Fliessbandarbeiter in den grossen Fabriken ersetzt wurden; rechtlose Arbeiter eingesetzt werden. Ihr Einsatz in der Industrie verändert vielmehr geht es um die Automatisierung von anspruchsvolleren Aufgaben mit der Zeit die gesamte Weltwirtschaft, bringt aber auch die Zerstörung der bis ins Mittelmanagement von Dienstleistungsunternehmen sowie um Menschheit, da die Kunstmenschen gegen ihre Schöpfer rebellieren. Capek neue Perspektiven für die Selbststeuerung von physischen Maschinen wie legte das Fundament für ein kulturgeschichtliches Szenario, das seither in Automobile. Höhere Präzision, Sicherheit und Convenience werden greifbar unzähligen Büchern und Filmen von Fritz Langs «Metropolis» bis Charlie und im Umkehrschluss passen sich Arbeitsweise und Rolle des Menschen Chaplins «Modern Times» oder in Hollywood-Filmen der 1980er-Jahre wie den Kompetenzen der Maschinen an. «Terminator» aufgenommen wurde. Grundsätzlich: Die Erschaffung von künstlichen Menschen ist einer der ältesten Träume der Menschheit, indem sie den Menschen zum Schöpfer macht, obwohl dadurch aber auch seine «Let us do the writing for you» eigene Existenz und Einzigartigkeit infrage gestellt werden. Deutlich näher und realistischer als selbstfahrende Automobile ist aber die Neben dystopischen Perspektiven hat die Aussicht auf intelligente Maschinen Automatisierung der Vermittlung von Informationen. Hier setzt die aktuelle aber immer auch den Blick auf neue Potenziale und Wohlstand eröffnet. Die Generation von digitaler Hard- und Software an, die personalisiert Wissen deutschen Synthesizer-Pioniere Kraftwerk haben seit den späten 1970er- vermitteln und Aufgaben im Alltag übernehmen bzw. unterstützen soll. In Jahren die Synergien zwischen Menschen und Maschinen thematisiert und diesem Kontext zeigt sich der Anspruch der Tech-Giganten, der im Slogan der dabei die Zukunft als Szenario einer zwar getakteten, aber fortschrittliche Welt Heimassistentin Alexa aus dem Jahr 2015 auf dem Punkt gebracht wird: «Let dargestellt, die dem Menschen neue Freiheiten eröffnet. Hier sind Roboter us do the writing for you» – der Mensch befiehlt, die Maschine führt aus. Wenn mehr als Arbeitsmaschinen, sie ermöglichen als künstlich intelligente Wesen die Maschinen derartige Aufgaben übernehmen und damit die Schnittstelle einen partnerschaftlichen Austausch und sogar Freundschaften. Im Film zu Produkten und Unternehmen bilden, erfordert dies gleichzeitig auch neue «Nummer 5 lebt» entscheidet sich ein intelligenter Kampfroboter entgegen Strategien, Lösungsansätze und Kompetenzen für das Marketing. Die Digitali- seinem Entwicklungszweck für die Freundschaft mit Menschen. Menschen sierung hat diese Aufgabenbereiche bei grossen und kleinen, privaten und und Maschinen werden Teil des gleichen Ökosystems – so die positive Lesart öffentlichen Organisationen längst erfasst. Die sozialen Medien haben den einer Welt, die menschenähnliche Maschinen beheimatet. Paradigmenwechsel vor Jahren eingeläutet und eröffnen neue Dimensionen, um Botschaften präziser, persönlicher, schneller und günstiger zu platzieren. Das Geschehen hat sich dabei von den traditionellen Kanälen verabschiedet Wir sind die Roboter und in den virtuellen Raum verschoben. Das Volumen für Onlinewerbung der grossen digitalen Plattformen von Google bis Facebook spricht hierzu eine Heute stehen wir mehr denn je mitten in diesem Spannungsfeld. Aber nicht mehr als klare Sprache. Dabei stellt die Dynamik selbst Unternehmen vor Her- wie in der Vergangenheit in einer fiktionalen Auseinandersetzung – sondern ausforderungen, die in der digitalen Welt geboren wurden. Das Pionierunter- mit handfesten Fakten. Die digitale Transformation, die nach Jahren grosser nehmen Yahoo hat den Machtkampf im digitalen Marktplatz verloren und Ankündigungen diese nun schrittweise einzuholen scheint, verspricht eine auch Facebook wird immer wieder ein absehbares Ende prophezeit, weil das neue Generation von intelligenten Maschinen, die als Roboter, Chatbots oder Nutzerverhalten der jüngeren Generationen neue Angebote fordert. selbstlernende Algorithmen menschliche Aufgaben übernehmen und dabei Mit Blick auf die Automatisierung des Marketings sind die Ankündigungen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen neu definieren. über einen grösseren Stellenabbau – wie ihn das Onlinekaufhaus Zalando 11
A US G A N G SL A GE anfangs 2018 vollzogen hat – ein scheinbar klares Zeichen für den bevorste- formation und den Handlungsfeldern für Organisationen, die sich aktuell auf henden Tipping Point, der Marketing und Kommunikation in den nächsten die künftigen Rahmenbedingungen vorbereiten. Die vorliegende Publikation Jahren ins 21. Jahrhundert katapultieren wird – mit allen Konsequenzen für fasst die Erkenntnisse aus diesem Prozess zusammen, der auf einer umfassen- Konsumenten und Angestellte. Tatsächlich sind viele Aufgaben und Tätigkeiten den Analyse unzähliger Fallbeispiele, der Verdichtung der Theorien der in grossen Marketingabteilungen im Kontext der Prozessoptimierung und aktuellen Literatur, aber auch auf Gesprächen mit internationalen Experten Effizienzsteigerung zu administrativen Tätigkeiten degradiert worden, die mit beruht. Für die Gespräche standen uns Sascha Lobo, deutscher Journalist und dem einstigen Traumberuf vieler Studienabgänger, die sich auf eine kreative Unternehmer, Martin Raymond, englischer Autor und Co-Gründer des und menschennahe Tätigkeit gefreut haben, nicht mehr viel gemeinsam Unternehmens The Future Laboratory und Douglas Rushkoff, amerikanischer haben. Dabei ist Ideenreichtum erwünschter denn je: Es gilt, datenbasierte Medientheoretiker zur Verfügung – ihnen sei an dieser Stelle für den Ausblick Geschäftsmodelle und die dazu nötigen Strukturen aufzubauen. und die kritischen Reflektionen zur Zukunft des digitalen Marketings ausdrück- lich gedankt. Ebenfalls gilt der Dank den Sparring Partnern Dr. Catherine B. Dafür ist ein kritisches Verständnis der neuen Rahmenbedingungen unerläss- Crowden und Charlotte Malz von BSI Business Systems Integration AG für die lich. Was ist die effektive Leistungsfähigkeit von Algorithmen und was sind die wertvollen Diskussionen. tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden? Wie können die schnell wachsenden Kundendaten sinnvoll und mit betriebswirtschaftlichem Mehrwert genutzt Das Ziel der Arbeit liegt darin, in der hohen Dynamik Orientierung zu stiften, werden? Wie lässt sich das Vertrauen in automatisierte und virtuelle Prozesse die wichtigen Entwicklungen, die das Marketing der Zukunft prägen, offen, aber stärken? Oder was bedeutet es, wenn Marketing künftig über Alltagsgegen- auch kritisch zu durchleuchten und darauf basierend mögliche Szenarien zu stände erfolgt und die Smartphones ihre Vormachtstellung einbüssen? Oder entwickeln, die die Zukunft der digitalen Vermarktung, Wissensvermittlung und wenn zunehmend Maschinen mit anderen Maschinen kommunizieren, die Kommunikation prägen werden. Mit Blick auf die hohe Dichte an Informatio- letztlich die Kaufentscheide für uns Menschen übernehmen? Braucht es noch nen repräsentiert dieses Dokument keine traditionelle Studie, sondern dient Marken als Orientierungshilfe, wenn automatisierte Systeme basierend auf vielmehr als Guide für Organisationen, die losgelöst von den Buzzwords und den besten Produkteigenschaften die Auswahl übernehmen? Und welche den immer gleichen Standardideen einen eigenständigen Weg suchen, sich Aufgaben bleiben für die Menschen, wenn künstliche Intelligenzen kreative durch ein wirklich intelligentes Marketing im Markt zu positionieren. Die Aufgaben übernehmen, Geschichten erfinden oder Musik kuratieren? digitale Wirtschaft hat nicht die eine Ausprägung, die es zu identifizieren und auf die es sich auszurichten gilt. Je nach Markt, der eigenen DNA und den Vor solchen Fragen stehen nicht nur internationale Konzerne, die die digitale künftigen Anforderungen der Kunden gilt es eine eigene Strategie zu erarbei- Transformation mit grossen Investitionen in ihre technische Infrastruktur ten und dazugehörige Massnahmen und Aufgabenfelder abzuleiten, die einen vorantreiben, sondern auch mittelständische und kleine Unternehmen. Die eigenen Weg in die Zukunft eröffnen. Denn auch wenn die Nutzung individuel- konzentrierte Marktmacht und internationale Skalierungspotenziale von ler Daten automatisiert und skalierbar erfolgen kann, heisst das nicht, dass Unternehmen wie Amazon und Alibaba führen zu der Frage, wie kleinere Capeks düstere Zukunft zwingend darin mündet, dass die Menschen den Marktteilnehmer die Digitalisierung nutzen können, ohne durch die notwen- Kampf gegen die Maschinen um Rechenkapazitäten verlieren. Tatsächlich ist dige Standardisierung an Differenzierung einzubüssen. unser Gehirn nicht in der Lage, die gleiche Datenmenge zu verarbeiten, wie es ein leistungsstarker Prozessor heute kann; allerdings haben sich in der Evoluti- on nicht in allen Bereichen die schnellsten Wesen durchgesetzt, sondern Decoding Digital Marketing diejenigen, die sich intelligent der künftigen Umwelt anpassen. Zeit also, einen differenzierten Blick nach vorne zu werfen. Vor diesem Hintergrund hat sich der Think Tank W.I.R.E. im Auftrag des Soft- wareunternehmens BSI Business Systems Integration AG in einem mehrmonati- gen Projekt auf die Suche nach Antworten gemacht. Beide Organisationen beschäftigen sich aus unterschiedlichen Perspektiven und Kompetenzfeldern mit den konkreten, aber auch mit den langfristigen Folgen der digitalen Trans- 13
AUSGA NGSLAGE TRIEBKRÄFTE DER VERÄNDERUNG TECHNOLOGISCHE ENTWICKLUNGEN GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN KÜNFTIGE RAHMENBEDINGUNGEN HERAUSFORDE- RUNGEN KUNDEN BEDÜRFNISSE CHANCEN SZEN ARIEN HANDLUNGS FELDER 15
T R IE B K R Ä FT E Von Algorithmen und Menschen — Die Rahmenbedingungen von morgen Das digitale Marketing wird durch unterschiedliche technologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen geprägt. Um in der hohen Dynamik der Veränderung eine Übersicht zu den wirklich relevan- ten Einflusskräften zu erhalten, gilt es die Ausprägungen dieser Entwick- lungen kritisch zu betrachten. Im Kontext der exponentiellen Zunahme der Daten und der damit verbundenen Leistungsfähigkeit von Prozessoren und Speichermedien liegt der Schluss nahe, dass sich auch Anwendungen mit derselben Geschwindigkeit durchsetzen und sich dabei die Marktverhält- nisse in immer kürzeren Zeitabständen radikal verändern. Hierbei gilt es neuen technologischen Lösungsansätzen wie beispielsweise rund um künstliche Intelligenz die effektive Machbarkeit entgegenzusetzen, denn die Anwendung in der Realität ist oftmals durch komplexe Rahmenbedin- gungen geprägt und limitiert. Gleichzeitig wird eine neue technologische Lösung erst dann zu einer Innovation, wenn sie durch Nutzer akzeptiert wird und den Markt durchdringt. Unter einer solchen Betrachtung wird nicht alles digitalisiert, was digitalisiert werden kann – eine Annahme, die über lange Jahre an vielen Konferenzen und in strategischen Planungspro- zessen als Grundkonstante gesetzt wurde –, sondern das, was tatsächlich einen Mehrwert für Menschen, die Gesellschaft und Geschäftsmodelle bietet. Aus diesem Grund werden im Folgenden die wichtigen technischen Entwicklungen den gesellschaftlichen Veränderungen gegenübergestellt. Aus dieser Kopplung von künftigen Potenzialen der Technologie mit den veränderten Bedürfnissen der Kunden entsteht das Fundament für die langfristige Ableitung der Rahmenbedingungen des Markts von morgen und des digitalen Marketings. 17
T R IE B T K R Ä FT E E C 01 H N Kunden anzusprechen sowie Produk- wichtige Anforderung im Raum. gleichen Ausmass in kommerzielle O L Systematische te anzubieten. Die Mustererkennung Die Hyper-Personalisierung von Produkte übersetzen lassen. Ebenfalls bildet die Grundlage für eine verhal- Botschaften führt dazu, dass Kunden besteht eine hohe Intransparenz, wo O G Datennutzung tensbasierte Segmentierung der immer mehr einheitliche Informatio- und durch wen persönliche Daten I als Grundlage Adressaten. Unternehmen können nen erhalten, die dem quantifizierten gespeichert werden respektive wie S durch deren Nutzung – teilweise Profil entsprechen. Neue, überra- Algorithmen Entscheidungen treffen. C für Personalisierung automatisiert – persönliche Bezie- schende Inhalte, die ausserhalb des Theoretisch sind persönliche Daten- H hungen aufbauen. Als Folge wächst Kundenprofils liegen, werden selte- grundlagen bei sozialen Netzwerken E die Effizienz für Marketing, Verkauf ner. Darüber hinaus besteht das für Kunden einsehbar; der Aufwand, und Kommunikation; gleichzeitig Risiko, dass die Korrelationen, die dies zu tun, ist aber hoch und für die E nimmt die Informationsasymmetrie Algorithmen in grossen Datenbanken meisten Menschen zu kompliziert. N zwischen Kunden und Unternehmen identifizieren, keine Kausalität Eine zentrale Herausforderung liegt T W ab, da der Zugang zu Wissen einfa- aufweisen, sondern statistisch Zusam- in einem nachhaltigen Schutz der I cher geworden ist. Blockchain-An- menhänge aufzeigen, die inhaltlich persönlichen Daten, die einerseits die C wendungen versprechen zudem eine keinen Sinn stiften. Je stärker die Grundlage für die Marktplätze der K grössere Sicherheit für Daten durch Datenbanken wachsen, desto schnel- Zukunft bilden, gleichzeitig aber L eine dezentrale Infrastruktur, die eine ler steigt die Anzahl der «falschen Diebstahl und Missbrauch oder eine U vielfältige Nutzung ermöglicht. Korrelationen».2 Der Umgang mit Nutzung verhindern, die nicht im N Mithilfe von blockchainbasierten grossen Datenmengen und einer Sinn der Kunden ist. G Apps oder Plattformen können damit verbundenen erhöhten Kom- E Kunden beispielsweise ihre Daten plexität kann zu Überforderung der N Nie zuvor war die zur Verfügung gezielt mit werbetreibenden Marken Empfänger oder Fehlinterpretationen A U S P R Ä G U N G E N stehende Datenmenge so gross wie teilen. Durch Transaktionsbeträge führen. Heute liegt eine weitere heute. Allein die in den letzten beiden werden sie dafür entschädigt. Der Schwierigkeit darin, dass in vielen � Verfügbarkeit von immer grösseren Daten- Jahren erzeugten Daten machen etwa Fokus der Innovation liegt im Aufbau Branchen noch keine sauber struktu- banken durch systematische Sammlung und 90 % der heute weltweit existieren- von datenbasierten Geschäftsmodel- rierten Datenbanken vorhanden sind. Verknüpfung von persönlichen Kundeninforma- den Datenmenge aus.1 Es legt die len, die Unternehmen den Zugang zu Die verfügbaren Daten bestehen aus tionen, Gesundheitsdaten, Präferenzen und Grundlage für eine erhöhte Transpa- relevanten Daten ermöglichen, unstrukturierten, nicht qualitätsge- Verhaltensweisen. renz und das Versprechen massge- indem Kunden attraktive Mehrwerte prüften Daten, sogenannter Dark � Echtzeitprofilierung und Segmentierung schneiderter und personalisierter als Gegenwert für ihre Daten erhal- Data, die sich nicht per se in profitab- sowie personalisierte Kommunikation und Kommunikation und Marketingstra- ten. le Geschäftsmodelle überführen Marketingkampagnen als Standard in allen tegien. lassen. Experten sprechen in diesem Sektoren. Mit dem Übergang in ein datenba- Zusammenhang von einer «Daten- Die Grundlage legen einerseits siertes Marketing sind mehrere blase», deren Wert aktuell überbe- � Zunehmende Sensibilisierung für die Sicherheit und Hoheit persönlicher Daten als immer leistungsfähigere Sensoren Herausforderungen verbunden: wertet ist. Während Facebook und Grundlage für eine datenbasierte Wirtschaft. und Analysetools. Sie ermöglichen, Zunächst steht die Anpassung auf Google hohe Umsätze durch das Daten im realen und virtuellen Alltag einheitliche Standards im Umgang Platzieren von Werbung verdienen, � Schwierigkeiten im Umgang mit den immer von Menschen zu erfassen, darauf mit sensiblen Daten mit der ist nicht gesichert, dass sich Daten in grösseren Datenmengen und Intransparenz basierend Verhaltensweisen besser zu Umsetzung der DSGVO Richtlinien anderen Anwendungen bei Mobilität, durch Fehler bei der Interpretation aufgrund verstehen und damit individuell (Datenschutz-Grundverordnung) als Gesundheit oder Versicherungen im falscher Korrelationen. 19
T R IE B T K R Ä FT E E C 02 H N Chatbots, wird die Grundlage für tive ihre Positionierung auf die hohe Geschwindigkeit und die O L Automatisierung einen schnellen und direkten wachsende Marktdominanz der Vielzahl an Einzelbotschaften Austausch mit Kunden gelegt, die Plattformen ausrichten. 4 wächst zudem das Risiko einer O G von Datenanalysen Produktinformationen oder Bera- Überforderung der Rezipienten – I und Generierung tung erhalten. Dies gibt auch kleine- Mit Blick in die Zukunft bietet die der Aufbau von echten Narrativen S ren Anbietern Auftrieb, da automa- Automatisierung des Marketings die wird immer schwieriger. C von Inhalten tisierte Systeme die Ansprache und Möglichkeit, mehrdimensionale H Betreuung breiter Kundensegmente Prozesse und Tätigkeiten im Unter- E über einfach skalierbare Prozesse nehmen an computergestützte A U S P R Ä G U N G E N ermöglichen. Die Experten von Systeme auszulagern und einen E Gartner gehen davon aus, dass bis höheren Standardisierungsgrad zu � Weitgehende Automatisierung von N 2020 85 % aller Kundeninterakti- erreichen. Der Einsatz von lernen- repetitiven Aufgaben in Marketing T W onen über entsprechende «conver- den Algorithmen ermöglicht, dass und Kommunikation mit hoher Relevanz für I sational platforms» ohne einen Botschaften basierend auf Datensät- Backoffice-Prozesse und administrative C Kontakt zu einem Menschen ablau- zen eigenständig produziert und Aufgaben. Dies bringt in Bereichen, die K fen werden.3 Gleichzeitig erfordert individualisiert an die Empfänger eine hohe Standardisierung als Qualitäts- L der Einsatz von lernenden Maschi- weitergegeben werden. Dabei wird merkmal aufweisen, Vorteile durch U nen oder künstlicher Intelligenz den künstliche Intelligenz auch einen die Vermeidung von Fehlern und Kosten- N Zugang zu grossen Datenbanken Teil der kreativen Leistung überneh- einsparungen. G als Grundlage für Qualität. Die men können. E � Wachsende Dominanz von Plattformen mit Empfehlung und das Lernverhalten einer Verschiebung des Wettbewerbs hin zur N basieren auf der Analyse bestehen- Der individuellen Kundenanspra- Kontrolle der digitalen Schnittstellen zum der, historischer Transaktionen und che über Bots im Bereich Marke- Kunden. Erschaffung neuer Grundlagen für je grösser die Grundlage dieser ting- und Kommunikation steht ein Markenpositionierung in automatisierten Quelle ist, desto besser ist die hohes Mass an Standardisierung Prozessen ohne Einflussnahme von Menschen. Mit den erweiterten Möglichkeiten, Qualität der Empfehlung. Dies über automatisierte Prozesse Risiko eines Bezugsverlusts der Unternehmen zu Prozesse in Dienstleistungsorgani- erklärt auch den Vorteil der grossen gegenüber. Die Auslagerung an ihren eigenen Produkten und Lieferanten. sationen zu automatisieren, wird in amerikanischen und chinesischen Algorithmen ist entsprechend mit � Immer höhere Geschwindigkeit in der Marketing und Kommunikation Plattformen wie Amazon oder einem Verlust an Differenzierung Verbreitung von Botschaften in Echtzeit und aktuell ein Strukturwandel angestos- Alibaba mit grossen Heimmärkten verbunden und führt zu einer Fokus auf situationsgerechte Ansprache. sen, der eine wesentliche Effizienz- und dürfte eine Konsolidierung im Homogenisierung von Inhalten. Die Gleichzeitig ein steigendes Risiko von Überfor- steigerung mit sich bringt und bei Wettbewerb um die Kundenschnitt- sogenannten Filter-Bubble-Effekte derung der Zielgruppen durch die Frequenz standardisierten Prozessen eine stellen verstärken. Durch die wach- führen zu einer Fragmentierung und Dichte an Botschaften. höhere Qualität ermöglicht. Unter- senden Möglichkeiten der automa- und Einschränkung des Zugangs zu nehmen können mit weniger Res- tisierten Produktempfehlung, die neuen Informationen oder Empfeh- sourcen mehr erreichen und damit zunehmend durch Sprachassisten- lungen. In Bezug auf die bestehen- stärker wachsen. Durch eine höhere ten wie Alexa erfolgt, sehen Exper- den persönlichen Präferenzen Präzision und eine gestiegene ten einen steigenden Druck auf bringt die Automatisierung zwar Reichweite in der Kommunikation, Marken, die an Marktpräsenz an Effizienz, aber keine neuen oder beispielsweise durch intelligentere etablierten Orten verlieren respek- überraschenden Inhalte. Durch die 21
T R IE B T K R Ä FT E E C 03 H N bar gemacht werden. Anwendun- Alltagsumgebung für die Platzie- eine zentrale Möglichkeit zur O L Virtualisierung gen, die mit Virtual-Reality- rung von Botschaften, aber auch für Identifizierung der Identität und zur Botschaften kommunizieren entwi- den Dialog über Voice- und Ge- Interpretation des Gemütszustands O G der ckeln sich zu einer neuen Möglich- sture-Control Devices, virtuelle gesetzt. Dabei werden jedoch I Kundeninteraktion keit um Produkte erlebbar zu Assistenten oder Avatare. Es ist gleichzeitig die Einschränkung der S machen. Augmented Reality-An- davon auszugehen, dass beispielwei- Privatsphäre sowie die subjektive C wendungen gehen noch einen se der Gesundheitszustand eines und mitunter diskriminierende H Schritt weiter, indem sie komplett Menschen nicht nur äusserlich Auslegung von Mimiken zur Her- E neue Umgebungen ermöglichen, in erkennbar sein wird, sondern auch ausforderung. denen Unternehmen Produkte in über Gesten oder die Stimme E einem realen Raum präsentieren. eingeordnet werden kann. N Auch Avatare spielen eine zuneh- A U S P R Ä G U N G E N T W mende Bedeutung und das nicht Mit den neuen Kanälen erhöht sich I nur in Japan, wo bereits heute für eine Organisation auch die � Erweiterung von Marketing und Kommunika- C künstliche intelligente Figuren aus Komplexität in der Bewirtschaftung tion durch virtuelle Räume und Ermöglichung K Computerspielen zu sozialen der unterschiedlichen Schnittstellen von neuen Erlebnissen und Dialogen mit L Begleitern werden, die ihren Besit- und der formgerechten Aufberei- Avataren. U zern Kurznachrichten senden und tung von Inhalten. Auch steigt die � Neue Möglichkeit für situative Platzierung von N sich nach dem Wohlbefinden Gefahr einer Reizüberflutung oder Botschaften im Alltag. Interaktion mit Kunden G erkundigen. Auch Banken möchten Realitätsflucht und Manipulation, rund um die Uhr auf einer Vielzahl von Kanälen. E bei Kunden virtuell präsent sein, wie die zu rückläufigem Vertrauen, N Mit den Fortschritten im Bereich die Grossbank UBS, die jüngst ihren Überforderungen oder Reputati- � Zunehmende Überforderung von Kunden durch Dauerbespielung mit Marketingbotschaf- der Virtualisierung eröffnen sich CIO als Avatar geklont hat. Die onsrisken führen können. Neben ten. Rückläufige Glaubwürdigkeit durch Fake neue Interaktionsmöglichkeiten mit nächsten Jahre werden entspre- Fake News werden künftig Fake Realities und Deep Fakes. Kunden. Durch Augmented-Reali- chend durch erweiterte und neue Realities eine grössere Rolle spielen, ty-Anwendungen lassen sich zusätz- virtuelle Räume geprägt sein, die, da Bild- und Videomaterial einfach � Höhere Abstraktion und Entfremdung von der liche Informationsebenen auf die von der Tourismus- bis zur Gesund- manipuliert werden kann. Dabei Realität als Folge der Verbreitung von virtuellen reale Welt übertragen. Für Marke- heitsindustrie oder Versicherung, spielen sogenannte «generative Umgebungen. ting und Kommunikation ermög- für Marketing und Kommunikation adversarial networks» eine Rolle, bei licht dies, situativ Botschaften vor neue Möglichkeiten für die Vermitt- denen durch künstliche Intelligenz Ort in Echtzeit zu vermitteln. Wäh- lung von Informationen, Erlebnissen Deep-Fake-Bilder generiert wer- rend heute bereits digitale Screens oder für mehr Orientierung im den, die täuschend echt sind. Die Nutzertypen oder deren emotiona- Alltag genutzt werden können. Folge ist, dass auch die Glaubwür- len Zustand anhand von Kameras digkeit von bildbasierten Nachrich- identifizieren, könnten Kunden Die Virtualisierung wird die Mög- ten und Botschaften weiter sinken damit künftig an einem Verkaufsort lichkeiten des Marketings in Zukunft könnte.5 Gleichzeitig wird heute individuelle, auf ihre Bedürfnisse grundlegend erweitern: von der vermehrt auf Gesichtserkennung als zugeschnittene Produktvorschläge Erschaffung neuer Räume für oder Rabatte erhalten. Die Marken- Kundenerlebnisse oder Produktprä- welt kann neu inszeniert und erleb- sentationen bis zur Einbindung der 23
T R IE B T K R Ä FT E E C 04 H N momentan noch auf wenige Berei- Organisationen oder Individuen. O L Demokratisierung che beschränken und weit weg sind Durch soziale Medien wird dabei Mit der wachsenden Anzahl an von einem tatsächlichen Allgemein- eine Grundfunktion des traditionel- Quellen besteht allerdings auch das O G der Wissens- gut. Swissuniversities verfolgt len Marketings übernommen, Risiko eines Vertrauensverlusts, da I vermittlung beispielsweise die Vision, alle durch nämlich die Vermittlung von Infor- die Aussagen zunehmend subjektiv S öffentliche Mittel publizierten Studi- mationen als Entscheidungsgrund- geprägt sind. Der Rückgang der C en bis im Jahr 2024 für jedermann lage. Die Demokratisierung in der Deutungshoheit birgt für Marken H zugänglich zu veröffentlichen.6 Kommunikation kann noch einen zudem das Risiko eines Kontrollver- E Die Zukunft des Marketings ist Schritt weiter gehen. Über Soci- lusts durch die Unternehmen, folglich von einer immer grösseren al-Media-Kanäle können über neue gekoppelt mit einer höheren Ab- E Vielfalt von Inhalten und Anbietern Interessengruppierungen in kürzes- hängigkeit von externen Netzwer- N geprägt, die die traditionellen ter Zeit Petitionen lanciert oder ken. Ausserdem bringen die wach- T W Prozesse herausfordern. Diese grössere Diskussionen gestartet senden frei verfügbaren und I Mechanismen liefern eine breitere werden, die weitreichende Konse- zirkulierenden Informationen, die C Grundlage für Lösungsansätze und quenzen haben für Institutionen, durch die Vielzahl an Inhaltsgene- K Inhalte, die nicht mehr zentral Unternehmen und Marken. rierenden Personen verbreitet L produziert und verbreitet werden. werden, auch das Risiko einer U Denn auch bei der Vermarktung von Die Zusammenarbeit mit Individu- Überforderung. N Produkten spielt diese Demokrati- en als Influencer erhöht die Glaub- G Das Internet hat in den letzten 20 sierung eine immer wichtigere würdigkeit und Authentizität, und E Jahren zu einer Demokratisierung, Rolle. Individuelle Meinungsträger kann durch das Einbinden von A U S P R Ä G U N G E N N also von einer vertikalen zu einer haben bereits eine hohe Relevanz Kunden als Botschafter auch zu horizontalen Gesellschaft geführt: bei der Positionierung von Produk- tieferen Kosten für die Kommuniak- � Grössere Vielfalt an Marketingbotschaften Wissen, das in der Vergangenheit ten erlangt. In immer mehr Fällen tion führen. Es ist davon auszuge- durch private und professionelle Inhaltsprodu- nur ausgewählten Kreisen zugäng- werden die Inhalte und Geschich- hen, dass bekannte Influencer in zenten. Wachsendes Potenzial für kreative und lich war, ist durch Wissensbibliothe- ten zu Marken nicht mehr durch die Zukunft an Bedeutung zunehmen: authentische Inhalte mit geringeren Kosten für ken wie Wikipedia für alle Men- Werbeabteilungen vorgegeben, Junge Influencer vermarkten ihre Produktion und Distribution. schen verfügbar geworden; die sondern durch Nutzer eigenständig Beliebtheit auf Instagram geschickt � Höhere Loyalität durch Einbindung von sozialen Netzwerke haben es er- erstellt. Mit der zunehmenden und verdienen dabei hohe Sum- Kunden als Botschafter. möglicht, dass jeder Mensch auf der Leistungsfähigkeit von Smartphones men. Auch in der Schweiz boomt Welt seine Meinung, Ideen und können heute selbst Videoprodukti- das Influencer Marketing und die � Risiko einer individuellen Überflutung von unterschiedlichen Botschaften durch die Vielfalt Botschaften verbreiten kann. Als onen in hoher Qualität ohne Zu- Ausgaben der Firmen haben sich in an unterschiedlichen Inhaltsentwicklern und Folge haben sich viele der traditio- gang zu professionellem Equipment den letzten zwei Jahren vervier- rückläufige Konsistenz von Botschaften. Druck nellen, hierarchischen Strukturen hergestellt werden. Die Folge ist facht.7 Influencer werden aber nur auf Influencer als reine Produkt-Pusher. aufgelöst und sind durch offene, eine fortschreitende Dezentralisie- dann eine glaubwürdige Position partizipative Netzwerke ersetzt rung der Medienlandschaft mit behalten können, wenn ihnen eine � Rückläufige Qualität und Kontrollverlust von worden. Es existieren erste Schritte einer Verschiebung der Deu- unabhängige Position zugetraut Marketing- und Kommunikation durch in die Richtung von einem tungshoheit und der Erarbeitung wird und die verbreiteten Inhalte dezentrale Strukturen. Open-Access-Zugang zu wissen- von Inhalten weg von den grossen den erwarteten Qualitätsansprü- schaftlichen Arbeiten, die sich aber Organisationen hin zu kleineren chen genügen. 25
T R IE B T K R Ä FT E E C 05 H N Schnittstellen führt, die mit Uhren, entstehen auch neue Risiken. Kurz Bewusstsein Unterschiede von O L Aufbau Brillen, Kleider, Stimmen- oder nach der Einführung der Sprachas- Bildpunkten identifizieren. Dabei Gestenerkennung funktionieren. sistenten hatte Alexa versehentlich bestehen Manipulationsrisiken, O G einer intelligenten Darauf basierend eröffnen sich ein ganzes Puppenhaus bestellt, wenn einzelne Farbpunkte auf I Infrastruktur neue Möglichkeiten für die Verbrei- weil ein Kind mit seinen Eltern Objekten ersetzt werden, was dazu S tung von Botschaften und Inhalten darüber gesprochen hatte.9 Mit der führt, dass einem Gegenstand mit C für Marketing und Kommunikation. Vernetzung wächst aber auch das der Veränderung weniger Bildpunk- H Als gemeinsames Experiment einer Risiko von Systemausfällen durch te eine komplett andere Bedeutung E Restaurantkette und einem Schu- Manipulation oder Hacking, die zugemessen wird.10 Ferner dürfte hersteller wurden Sneakers mit durch ein Platzieren von Fehlbot- mit der weiteren Verbreitung von E GPS-Sendern und einem Be- schaften die Reputation von Unter- elektronischen Steuergeräten auch N stellknopf ausgestattet, mit dem sich nehmen gefährden können. Das die Sensibilisierung vieler Men- T W an die jeweiligen Position des sogenannte Botnet of Things basiert schen über mögliche gesundheitli- I Trägers eine Pizza bestellen lässt.8 auf einer schnell wachsenden che Gefahren – beispielsweise von C Für den Massenmarkt werden mit Anzahl ungenügend gesicherter elektromagnetischer Strahlung – zu- K Sprachassistenten wie Alexa neue elektronischer Bauteile, die als nehmen. L Lösungen entwickelt, die eine Einfallstor für Malware dienen. U einfachere Interaktion mit der Primär wird die Ausweitung auf N digitalen Umwelt ermöglichen und neue Kanäle aber zu einer Rei- A U S P R Ä G U N G E N G es erlauben, Produkte ohne Com- züberflutung führen und Abwehrre- E puter oder Smartphone zu bestellen aktionen durch Kunden und Ziel- � Ausweitung von Marketing und Kommunikati- N oder Informationen abzurufen. gruppen nach sich ziehen, die on über Alltagsgegenstände basierend auf einer Durch die Möglichkeit, immer analog zu AdBlockern den Schutz präziseren Überwachung im Alltag. Neue höhere Rechenleistung in immer Durch die stärkere Vernetzung von vor geolokalisierten Botschaften Möglichkeiten für geolokalisierte, personalisier- kleinere Prozessoren zu verbauen, Wohnungen, Häusern und der ermöglichen. Zudem sinkt durch te Ansprache und gleichzeitig eine höhere wird die Grundlage für den Aufbau öffentlichen Infrastruktur besteht den Einbau von digitalen Schnitt- Komplexität für das Bespielen der Kanäle. einer vernetzten und intelligenten die Möglichkeit, Kunden noch stellen in Alltagsgegenstände deren � Rückläufige Systemstabilität und Manipulati- Infrastruktur gelegt. Aktuell führt besser und präziser zu verfolgen Halbwertszeit, was zu einer laufen- onsrisiken durch Hacking mit Reputationsrisiken dies zum Einbau von Sensoren, und Verhaltensmuster sowie Bedürf- den Erneuerung der Geräte mit durch falsche Botschaften. Prozessoren oder Kontrolleinheiten nisse zu identifizieren. Es entstehen höheren Kosten und einer sinken- in Alltagsprodukte, die sich mitten neue Kanäle und Schnittstellen für den Nachhaltigkeit führt. Generell � Belastung und Reizüberflutung durch permanente Erreichbarkeit. Zunehmene im Lebensraum der Menschen geografisch präzise Produktplatzie- bestehen grundlegende Limitatio- Sensibilisierung durch Risiken von elektromag- befinden. In Wohnungen und rungen. Intelligente Wegweiser nen bei der Interaktion mit der netischen Strahlungen im Alltag. Häusern werden Kühlschränke und kennen die Bedürfnisse von Kunden realen Welt; so haben Algorithmen Betten vernetzt und sollen dabei die und weisen massgeschneidert den Schwierigkeiten bei der Erkennung Lebensqualität der Bewohner Weg zum präferierten Kaffee oder von Alltagsobjekten, da sie anders verbessern. Technologieexperten zum Konzert der Lieblingsband. als Menschen nicht Gegenstände gehen ferner davon aus, dass sich als solche erkennen und ihnen eine die Ära der Smartphones ihrem Mit der einfachen Bedienbarkeit semantische Bedeutung zuordnen Ende nähert und als Folge zu neuen der Real-World-Schnittstellen können, sondern weil sie ohne 27
T R IE B G K R Ä FT E E S 06 E L eine dominierende Rolle, das sich das denz – wenn auch aus anderen lokale Werte steht. Gleichzeitig L S Polare Ziel gesetzt hat, in der digitalen Beweggründen. Dies betrifft Banken eröffnet sich für die Vermarktung auf Wirtschaft mit Schwerpunkt auf die genauso wie Lebensmittelhersteller der Unternehmensseite, aber auch C H Globalisierung Entwicklung und den Einsatz künstli- oder die Textilbranche und führt zu für die Wahlmöglichkeiten auf der A cher Intelligenz die Führung zu einer polaren Globalisierung, die Konsumentenseite eine immer F übernehmen. Die Entwicklung der durch eine weitere Öffnung, aber höhere Komplexität, da die Auswahl T letzten Jahre belegt, dass China nicht auch durch eine stärkere regionale an Produkten massiv zugenommen L mehr die Rolle eines Billiglohnlands oder nationale Ausrichtung geprägt hat. I spielt, sondern längst den Ton angibt. ist. C Alibaba hat sich als weltgrösster H Online-Handelsplatz von Gütern Mit der dauernden und globalen A U S P R Ä G U N G E N E etabliert; der Chat-Dienst WeChat Verfügbarkeit von Informationen, E hat eine Applikation entwickelt, die Dienstleistungen und Waren, die via � Veränderte Erwartungen von Kunden als N von Messagerdiensten bis zu Restau- Internet ortsunabhängig über Lan- Folge einer Anbindung an globlale Kulturen T rantbesuchen oder Bankendienstleis- desgrenzen hinweg verfügbar sind, und Märkte, teils losgelöst von nationalen W tugnen eine breite Angebotspalette ändern sich auch die Aufgaben des Strukturen. I umfasst. Ein wichtiger Teil der Basis Marketings. Via soziale Medien sind � Ausweitung des Marketings auf globale C für die künftige Marktmacht chinesi- Menschen heute über Geschehnisse Märkte als Folge der schnellen Verbreitung von K scher Anbieter ist die schnell wach- und Neuigkeiten auf jedem Ort der digitalen Plattformen mit gleichzeitiger L Die Globalisierung setzt sich unauf- sende Datenmenge, die China durch Welt in Echtzeit informiert. Digitale Fokussierung auf lokale Gegebenheiten. U haltsam fort. Unternehmen in Indust- eine weitreichende Überwachung Verkaufsmodelle und die wachsende N rienationen, von der Textilindustrie seiner Bürger aufbaut. Damit ändern Nachfrage nach individualisierten � Kostenreduktionen durch Auslagerung von G IT-Dienstleistungen im Marketingkontext in bis zu Pharmafirmen, verlagern die sich auch politische Machtverhältnis- Produkten legen die Basis für neue E Länder mit tieferen Lohnkosten, aber auch N Produktion von Gütern und persona- se: Die Vormachtstellung der Indust- globale Nischenmärkte. Es besteht Kostenerhöhung durch Investitionen in neue lintensive Dienstleistungen seit riestaaten und die westliche liberale eine steigende Nachfrage nach dem Technologien zur Individualisierung von Jahren an kostengünstige Standorte, Ordnung geraten zunehmend unter «Echten» und «Authentischen», das in Botschaften. sodass Handelsströme immer mehr Druck, mit der Geschwindigkeit der der lokalen Kultur verankert ist. global geplant und optimiert werden. digitalen Transformation Schritt zu Lokale Netzwerke schaffen Vertrauen Durch die Globalisierung nehmen halten. und wirken als Gegenpol zur Anony- multilokale Lebensweisen und mität globalisierter Strukturen. Migrationsbewegungen stark zu. Parallel zur weiteren Öffnung und Lokale Unternehmen setzen verstärkt zum Ausbau der globalen Märkte Mit der immer engeren wirtschaftli- auf die Rekrutierung von sogenann- wächst der Fokus auf lokale Struktu- chen Verflechtung hat die Globalisie- ten Global Talents, die internationa- ren durch die Suche nach nachhalti- rung verschiedene kritische Auswir- len Märkte werden zunehmend durch gen Angeboten und einem höheren kungen auf den Lebensalltag der globale Marken und Plattformen Vertrauen in regional verankerte Menschen. Für das Marketing heisst beeinflusst, die ihre Reichweite Organisationen. Der Trend zum dies , dass es durch die Internationali- international skalieren. Dabei spielen Aufbau von Handelsschranken und sierung im Spannungsfeld zwischen nicht mehr nur die USA, sondern in Zöllen der US-Regierung unter der Möglichkeit einer globalen immer grösserem Ausmass China Donald Trump verstärkt diese Ten- Strahlkraft und einer Stärkung durch 29
T R IE B G K R Ä FT E E S 07 E L langjährigen Tendenz hin zu einer Überforderung und der Verbrei- A U S P R Ä G U N G E N L S Pluralisierung liberaleren und offeneren Gesell- tung von Fake News oder Fake Reali- schaft zeichnen sich gleichzeitig ties. Daraus eröffnet sich die Chan- � Wachsende Bedeutung von Werten als C H der Werte eine Rückbesinnung auf traditionel- ce, die Kundenbindung zu stärken Vertrauensgrundlage in einem immer dynami- A le Werte und eine stärkere Abgren- und Kunden individuell auf einer scheren Marktumfeld. Damit verbunden sind F zung ab. Neu dabei ist, dass durch emotionalen Ebene anzusprechen. auch eine Abkehr von rationalem Denken und T die Fragmentierung und durch die Es erfordert aber auch einen höhe- eine Zuwendung zu einer vermehrt emotionalen L digitalen Echokammern der Aus- ren Aufwand, die richtigen Bot- oder ideologiegetriebenen Entscheidungs- I tausch zwischen Menschen mit schaften in der richtigen Form zu grundlage. C unterschiedlichen Wertemustern den jeweiligen Kunden zu bringen. H � Gefahr einer Polarisierung und Fragmentie- nicht nur virtueller und damit Nicht zuletzt eröffnen sich mit Blick rung der Gesellschaft durch digitale Echokam- E abstrakter wird, sondern auch auf Werte wie Nachhaltigkeit neue mern. E weniger Schnittpunkte zwischen Geschäftsmodelle rund um die unterschiedlichen Gruppen beste- Sharing Economy oder den Einsatz � Zunehmende Verantwortung von Unterneh- N men für gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie T hen. Angesichts der zunehmenden für Menschen in Not. Sensibilisierung für Nachhaltigkeit und W Überforderung vieler Menschen Gesundheit. I mit den grossen Datenmengen Die Abkehr von einem rationalen C werden Entscheidungen und Ein- Entscheidungsmodell hin zu einer K stellungen stärker durch werteba- emotionaleren Kundenansprache L sierte oder ideologische Grundla- ist für Marketingexperten nichts U Als Folge der veränderten Lebens- gen gefällt anstatt durch rationale Neues. Es bestehen aber dennoch N welten in einer Multioptionsgesell- Entscheidungskriterien. Risiken durch eine Abkehr von G schaft zeichnet sich auch eine faktenbasierten Argumentationen, E N Verschiebung der Werte ab. Im Mit Blick auf die Zukunft zeichnet gerade im Umfeld von Gesund- Fokus dieser Entwicklung stehen sich ein heterogenes Bild unter- heitsanbietern oder Finanzdienst- oftmals Nachhaltigkeit oder Ge- schiedlicher Wertemuster ab, die leistern. In einer zunehmend ideo- sundheit, die stellvertretend für parallel und gleichzeitig relevant logisch geprägten Welt ist der einen längerfristigen Wertewandel sind, sich dabei aber auch wider- Raum für Kompromisse und Tole- stehen. Diese sind zweifelsohne sprechen können. Für Marketing ranz geringer. Kunden suchen sich relevant und prägen das Verhalten und Kommunikation bringt dies tendenziell Firmen, die ihre Wert- und die Bedürfnisse von Kunden eine wesentlich höhere Komplexität, haltung widerspiegeln. Für Marken und Bürgern. Tatsächlich aber lässt zumal sich traditionelle Segmentie- bringt dies das Risiko einer Unter- sich der Wertewandel nicht auf rungskategorien nach Alter, geogra- bzw. Einordnung in bestehende wenige Kernentwicklungen reduzie- fischer Herkunft oder Berufsgruppe Wertesysteme als Voraussetzung für ren. Vielmehr haben die letzten kaum in die Praxis übersetzen das Vertrauen, was die Weiterent- Jahrzehnte zu einer pluralen Auffas- lassen. Das Verständnis der prägen- wicklung einer Marke einschränken sung von Werten geführt, die als den Werte von Kunden ist entschei- kann. Trends und Gegentrends parallel dend für den Erfolg am Markt und die Entwicklung von Wirtschaft und den Aufbau von Vertrauen, gerade Gesellschaft prägen. Neben der im Kontext einer immer grösseren 31
T R IE B G K R Ä FT E E S 08 E L tungen, die als Fundament für das Durch diese Entwicklung ändern für sich zu «erfinden». Damit be- L S Individuelle Marketing genutzt werden können. sich auch die Erwartungen an das steht auch die Gefahr der eigenen Angetrieben wird die Individualisie- Marketing der Zukunft: Konsumen- Entfremdung, des Kontrollverlusts C H Lebensgestaltung rung unter anderem durch digitale ten fordern massgeschneiderte und der Überforderung, denn in A Kommunikationstechnologien, die Angebote, die ihren individuellen dem Mass, wie die Entscheidungs- F zu neuen Erwartungshaltungen Wünschen und Bedürfnissen Rech- freiheiten zunehmen, steigt auch T durch die Vermittlung immer neuer nung tragen. Immer wichtiger wird der Druck, den «richtigen» Le- L Identitäts-, Werte- und Verhaltens- damit die Personalisierung von bensentwurf zu wählen. I modelle führen. Gleichzeitig bieten Produkten, Dienstleistungen und C die sozialen Netzwerke auch die Marketingbotschaften. Im Zeitalter H Möglichkeit, sich selbst zu inszenie- der Individualisierung wird Konsum A U S P R Ä G U N G E N E ren und die eigene (Schein-) zu einem Teil der eigenen Selbstver- E Individualität nach aussen zu proji- wirklichung. Man umgibt sich mit � Grössere Vielfalt an Lebensmodellen und N zieren. Der Einzelne kann sich so den Dingen, Orten und Menschen, Erwartungshaltungen, die traditionelle T von anderen abgrenzen und gleich- die die eigene Identität und die Segmentierungsmuster durchbrechen. W zeitig die Zugehörigkeit zu einer eigenen Wertvorstellungen wider- Steigender Wunsch nach Selbstverwirklichung I Gemeinschaft von Gleichgesinnten spiegeln. Der glutenfreie Bio-Bur- und das Realisieren individueller Vorstellungen. C signalisieren. Eine solche Einbin- ger, den man zu Mittag isst, das Höhere Komplexität für Marketing bei der K Seit den 1950er-Jahren hat vor dung in selbstgewählte Gemein- Vintage-Fahrrad, mit dem man sich Ansprache der einzelnen Zielgruppen. L allem in der westlichen Welt der schaften wird immer wichtiger, da fortbewegt, das Café, das man U � Personalisierung von Produkten, Dienstleis- Prozess der Individualisierung durch die Individualisierung ein frequentiert, und sogar das Fitness- tungen und Kommunikation als Grundlage des N immer stärker zugenommen. soziales Vakuum entstanden ist und programm, mit dem man den Marketings der Zukunft. G Charakteristisch für diese Entwick- sich viele Menschen wieder nach eigenen Körper trainiert, werden E lung ist eine höhere Differenzie- dem Gefühl der Zugehörigkeit zur Projektionsfläche der eigenen � Suche nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit N auf digitalen Plattformen und in virtuellen rung der Gesellschaft bezüglich sehnen. Online Communities und Persönlichkeit. Konsum wird zu Umgebungen, aber auch Bedürfnis nach unterschiedlicher Lebensmodelle, soziale Netzwerke, in denen ge- einem Katalysator, um neue Kontak- Austausch in der physischen Welt. Wertehaltungen und Identitäten. meinsame Interessen, Erfahrungen te mit Gleichgesinnten zu knüpfen Gleichzeitig nimmt die Bedeutung oder Meinungen ausgetauscht und sich in eine Gemeinschaft traditioneller Strukturen wie werden, haben enorme Wachstums- einzubinden. Schicht, Herkunft, Religion, Beruf, raten. Dadurch entstehen Mikroni- Altersgruppe oder Geschlechterrol- schen mit zunehmend stärker Die Individualisierung bringt le ab. Es kann zwischen immer mehr ausgeprägten Interessenprofilen. Chancen und Freiheiten für den Optionen gewählt werden, um den Eine Folge der Individualisierung ist Einzelnen, ist aber auch mit neuen eigenen Lebensentwurf individuell somit eine Aufspaltung der Gesell- Zwängen verbunden. Da Identität zu gestalten. Der Wunsch nach schaft in immer kleinteiligere immer weniger von aussen vorgege- Selbstverwirklichung rückt damit soziale Milieus, Nischengruppie- ben wird und da es kaum mehr immer mehr ins Zentrum und legt rungen und Subkulturen, die als verlässliche Handlungsanleitungen die Grundlage für eine wachsende Zielgruppen die traditionellen gibt, wie man sein Leben gestalten Erwartungshaltung nach personali- Kundensegmente des Marketings soll, ist jeder Einzelne angehalten, sierten Produkten und Dienstleis- ersetzen. einen individuellen Lebensentwurf 33
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