Hospizbrief Was ist gutes Sterben? - Ausgabe 1 I 2021
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Hospizbrief Ausgabe 1 I 2021 Was ist gutes Sterben? Aus dem Hospizhaus Aus dem Hospizverein Trostinsel Fragebogen: Was ist für mich Neuer E-Golf Kinder-Hospiztag: Wolfsburg „gutes Sterben?“ 5 Seite 25 für das Hospiz 5 Seite 20 strahlt grün 5 Seite 38
2 Inhalt Titelthema Neue Hospiz-Seelsorgerin: Heidrun Schäfer: „Was ist gutes Sterben?“ Ansprechpartnerin für Gäste und Mitarbeiter 29 Spenden: Hospiz sagt: Danke! 30 Themenjahr: Was ist gutes Sterben? Einladung zum Mitdenken 3 Trauer und Trostinsel Forschungsprojekt der Uni München: Gespräch mit dem Soziologen Armin Nassehi 4 Trostinsel trotzt Corona: Die Hoffnung auf bessere Zeiten Bericht einer Pflegekraft: trägt das ganze Team 32 „Der Tod gehört zum Leben“ 6 Weggeben oder behalten – wie umgehen Lucie Schirren: „Friedlich eingeschlafen“ 7 mit den Sachen eines Verstorbenen?: Kurzer historischer Blick aufs Sterben: Erinnerung an Oma 34 Gestorben wurde schon immer 8 Trauerbrief von Wilfried Lehmann: Kommentar: „Nutzen Sie die Kammer der Freude" 36 „Gibt es auch ‚schlechtes‘ Sterben?“ 9 Letzte Hilfe-Kurs: Sterben in anderen Kulturen: Menschen in der letzten Lebensphase 37 Der Umgang mit dem Tod hat viele Aspekte 10 Kinderhospiz-Tag: Kunstprojekt & Ausstellung Wolfsburg strahlt grün 38 Ein Koffer für die letzte Reise: Aus dem Ehrenamt Porträt Fritz Roth: Ein Visionär der menschlichen Bestattung 12 Zwei Koffer gehen auf Reise 39 Im Gespräch: Angelika Jahns Aus dem Hospizhaus (CDU-Sozialpolitikerin): Tierische Visite: Das Hospiz ist ein Segen 40 „Ich habe Überraschungsbesuch dabei“ 14 Wellness im Hospizhaus Neu im Team: Anne Bormann / Daniel Bednarz 15 Wohlbefinden für Körper, Geist und Seele 42 Hospiz-Palliative Care Team: Stuttgarter Projekt „Das Chörle“: „Wir sind Allrounder, Im Tod sind alle gleich - oder? 44 müssen alles im Blick haben“ 16 Initiative Braunschweig: Vernetzungstreffen „Soziale Arbeit“: „Unbedacht bestattet, aber nicht anonym 45 Es ist gut, mehr voneinander zu wissen 18 Kreativkreis im „Homeoffice“ 46 Aus dem Hospizverein Und sonst noch … Hospiz und Lockdown: Buchbesprechung: 47 „Wir wollen wieder Leben im Hospiz“ 20 Friedhöfe dieser Welt: Seemannsfriedhof Kita-Initiative im „Krummen Morgen“ in Prerow (Darß): Grabsteine, die Lebens Hospiz bekommt kleine Nachbarn: 22 geschichten erzählen 48 Leserbriefe 23 Berührende Abschiedslieder/Gedichte „Wenn ein Fenster erzählen könnte… von Prominenten: Die rührende Geschichte von Frank Purple Schulz „Der letzte Koffer“ 50 und Nadine (Teil 2) 24 Zu guter Letzt: Das Zeitliche segnen 51 Machen Sie mit: Impressum 52 Fragebogen „Was ist für mich gutes Sterben?" 25 Liebe Leserinnen, liebe Leser Auch dieser Hospizbrief ist unter Corona-Bedingungen produziert worden. Einige Inhalte können mittlerweile überholt sein. Über aktuelle Termine informieren wir per Mail. Ansonsten nutzen Sie bitte auch unsere Internet-Seite: , www.hospiz-wolfsburg.de Die Redaktion Hospizbrief Ausgabe 1/2021
3 Titelthema Themenjahr „Was ist gutes Sterben?“: Einladung zum Mitdenken Menschen sterben. Das ist bis heute eine biologische Tatsache. Das gilt für jeden von uns. Aber wie wollen wir sterben? Das ist eine offene Frage; eine Frage, die sich jedem Men- schen und jeder Gesellschaft neu stellt. Der Hospiz- und PalliativVerband Niedersachsen (HPVN), die Hospiz Stiftung Niedersachsen (HSN) und der Landesstützpunkt Hospizarbeit und Palliativversorgung Niedersachsen (LSHPN) wollen mit der gemeinsamen Initiative einen Diskurs über das Sterben beginnen. Mit unserem Titelthema „Was ist gutes Sterben“ laden wir Sie ein, sich an der Debatte zu beteiligen. Sterben ist Teil des Lebens. Aber während wir uns oft fragen, was ein gutes Leben ist und wie das eigene Lebensprojekt gelingen kann, bleibt ein Thema meist im Dunkeln: Was ist gutes Sterben und wie möchte ICH sterben? Gutes Sterben ist zugleich ein individuelles und ein gesellschaftliches Thema. Individu- elle Vorstellungen vom guten Tod sind durch gesellschaftliche Normen geprägt – und gleichzeitig sind es die Menschen, die im Miteinander gemeinsame Ideale von gutem Sterben entwickeln. Gutes Sterben ist nicht objektiv definierbar, nicht naturgegeben. Gutes Sterben ist ein stets vorläufiges Zwi- schenergebnis individueller und gesellschaft- licher Aushandlungsprozesse. Und wir möchten Sie ermutigen, sich an der Mit ihrem Themenjahr wollen die nieder- Diskussion zu beteiligen und einmal über sächsischen Hospizvereine die Frage des diese Frage näher nachzudenken - allein, mit guten Sterbens neu diskutieren. Ziel ist es, ihrer Familie, in Hospiztreffen oder indem Sie das Spannungsfeld auszuleuchten, zwischen sich an unserer Aktion beteiligen (siehe Sei- kulturellen Idealen und begrenzten Ressour- te 25-28). „Was ist gutes Sterben?“ ist eine cen, zwischen individuellen Wünschen und offene und gemeinsame Initiative. Deshalb gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. würden wir uns freuen, wenn Sie unser Ange- Gutes Sterben: Was ist das und was ist es bot annehmen. uns wert? Im Laufe des Jahres sind – wenn es Corona Wir möchten uns mit diesem Hospizbrief dem zulässt - eine Reihe von Diskussionen, Work- Thema „Was ist gutes Sterben?“ aus unter- shops, Fachtagungen, Treffen und Ausstellun- schiedlichen Perspektiven nähern. Wir sehen gen in dieser Themenreihe geplant. auf die Wissenschaft, die an dieser Frage forscht, lassen Pflegekräfte und Betroffene Die Redaktion zu Wort kommen, richten einen Blick in die Geschichte und schauen, wie andere Kultu- ren mit diesem Thema umgehen. Außerdem stellen wir eine spannende Ausstellung vor. Hospizbrief Ausgabe 1/2021
4 Titelthema Gespräch mit dem Soziologen Armin Nassehi (Ludwig-Maximillians-Universität (LMU) München Was ist „gutes“ Sterben? An der Ludwig-Maximillians-Universität (LMU) in München beschäftigen sich mehrere Wissenschaftler in einem Forschungsprojekt mit dem Thema „Gutes Sterben“. Dazu Auszüge eines Gesprächs mit dem Soziologen Armin Nassehi, der in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Moraltheologie Vorstellungen über das Lebensende untersucht. Das vollständige Interview aus dem Jahr 2018 können Sie auf der Homepage der LMU nachlesen: www.uni-muenchen.de; Sie haben mit der Katholischen Fakultät Inwiefern lässt sich dieser ganzheitli- ein Projekt zum Thema „Das gute Ster- che Ansatz realisieren? ben“ gestartet. Welche Vorstellungen Die schöne Idee der Ganzheitlichkeit sagt gibt es darüber? ja: Am besten wäre es, wenn der Sterbende Gemeinsam mit Christof Breitsameter und eingebettet ist in ein Geschehen, in dem die Irmhild Saake interessieren wir uns weniger unterschiedlichen Perspektiven und Beteilig- für das faktische gute Sterben als vielmehr ten gewissermaßen harmonisiert werden. Der für die Vorstellungen, die Redeweisen, die Wille des Sterbenden, die Patientenautono- normativen Bilder, die um das Feld Palliative mie, steht im Vordergrund des Diskurses. Das Care entstehen. Es gibt einen langen Diskurs Ziel ist der sprechende sterbende Patient: Er über die Frage, wie man „angemessen“ ster- soll mitreden, seine Bedürfnisse formulieren, ben sollte. Eine der wichtigsten Autoren der möglichst am Ende sein Schicksal annehmen letzten Jahrzehnte war Cicely Saunders, die und in der Lage sein, eine Gesamtrechnung vier Bereiche formuliert hat, die dabei berück- seines Lebens zu machen, spirituell und sozial sichtigt werden sollten: das Medizinische, Psy- damit zurechtkommen. (…) Manche wollen chische, Soziale und Spirituelle. Dahinter steht aber nicht nur nicht sterben, sondern auch also die Idee, dass Sterben eine ganzheitliche nichts vom Sterben hören. Doch mit jeman- Es gibt einen Sache sein soll. dem, der die Sterberolle nicht annimmt, gelingt es auch nicht, über das Sterben zu langen Diskurs „Gutes Sterben“ klingt nach „schönem“ reden. über die Frage, Sterben. Dabei ist der Sterbeprozess wie man „ange- oftmals mit Schmerzen verbunden, ein Ist das ein Problem, nicht übers Sterben messen“ sterben unschöner Kampf – weckt der Begriff sprechen zu können? sollte. da nicht eher falsche Vorstellungen? Viele, die in diesem Bereich arbeiten, emp- Tatsächlich ist Sterben etwas, was man nicht finden es gewissermaßen als Scheitern, will, was weh tut und – ja, es ist bisweilen ein wenn die Sterbeverläufe nicht so sind, wie Kampf. Doch daneben ist die Idee entstan- es die Idee des „guten Sterbens“ nahelegt. den, dass man das Wilde des Sterbens einfan- Da entstehen zum Beispiel bei Pflegenden gen kann. In der Medizin hat ein erstaunlicher oder Sterbebegleitern Konflikte im Selbstbild. Fortschritt stattgefunden im Hinblick auf die Die meisten denken, dass etwas nicht richtig Kontrolle von Schmerzen und Symptomen. gelaufen ist, wenn diese normativen Muster Und es ist ein Segen, dass es Palliativstatio- nicht erfüllt sind. Es gibt ohnehin in unserer nen und Hospize gibt. Dadurch ist Sterben Kultur eine starke Vorstellung von Gleichheit. heute etwas, das organisiert wird, fast immer Am liebsten wäre uns der sterbende Pati- haben Institutionen etwas damit zu tun. (…) ent, der auf Augenhöhe mit den Beteiligten Aber zu glauben, dass man mithilfe solcher spricht. Dabei wird mitunter vergessen, dass technologischen Mittel ein terminales Well- Sterben eine andere Situation ist. ness machen könnte, geht natürlich zu weit. Hospizbrief Ausgabe 1/2021
5 Normalerweise ist die Patientenrolle eine Sus- normativen Erwartungen entzieht. Vielleicht pendierung von Autonomie auf Zeit: Wenn sollte man sogar manche dieser sehr starken ich als Kranker weiß, dass ich ein paar Tage im Vorstellungen überdenken und sie nicht als Krankenhaus liege, werde ich passiv und lasse den einzigen Königsweg darstellen. (…) andere sich um mich kümmern – aber immer mit der Erwartung, dass das wieder aufhört. Ist es vielleicht auch Ausdruck des Und dennoch ist der Patient krank und hat Optimierungswahns in unserer Gesell- Angst, während der Arzt professionell und schaft, dass vom „guten“ Sterben die gesund ist. Das sind zwei unterschiedliche Rede ist so wie auch vom „erfolgrei- Positionen und wenn man das vergisst, ist die chen“ Altern? Es impliziert, dass „gutes geforderte Augenhöhe ein manchmal unre- Sterben“ scheinbar „machbar“ ist oder alistisches Ideal. Manche dieser normativen „gelingen“ kann, wie sogar Buchtitel Vorstellungen sind schon in einer „normalen“ versprechen. Setzt eine solche Vorstel- Patientenrolle schwierig zu erreichen. Als ter- lung womöglich den Sterbenden unter minaler Patient auf einer Palliativstation oder Druck – man muss gut sterben? gar im Hospiz ist das noch viel schwieriger. Ja, es kann unter Druck setzen und dem entziehen sich manche Menschen. Das sind Es wäre also manchmal gut, weniger ähnliche normative Vorstellungen, wie sie dar- vom Sterbenden zu erwarten? über bestehen, wie ein Leben geführt werden Es gibt so eine Grundidee, dass mehr Kommu- muss. Man könnte etwas zynisch formulie- nikation besser ist als weniger. Und das nicht ren: Die Patientenautonomie soll hochgehal- nur in diesem Fall, sondern es ist geradezu ten werden, und jetzt geht das so weit mit eine Art Hintergrundüberzeugung, der man dem Patientenwillen, dass die Patienten nicht kaum widersprechen kann. Aber das stimmt das Richtige wollen. Autonomie wird meist in vielen Fällen nicht und in diesem Fall auch mit dem Hintergedanken übertragen, dass nicht. Mehr Reflexion produziert manchmal die Menschen möglichst das Richtige wollen auch mehr Probleme, Belastung und Unzu- sollen. Und was das ist, geben die aktuellen friedenheit. Momentan zeigen die bisherigen normativen Vorstellungen vor – im Sinne von: Ergebnisse, dass es auch eine Option wäre, Sterben, gerne – aber bitte richtig. den Sterbenden in Frieden zu lassen. Das Ziel des Projekts ist es ja, praxisrelevante Ergeb- Armin Nassehi nisse zu gewinnen. Dazu gehört, etwa bei ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine der Ausbildung von Hospizbegleitern, eine Soziologie und Gesellschaftstheorie am Ins- Offenheit darüber herzustellen, dass sich das titut für Soziologie der Ludwig-Maximillians- Leben und Sterben manchmal diesen klaren Universität (LMU), München Hospizbrief Ausgabe 1/2021
6 Titelthema Mona Mettler (Pflegefachfrau und Dozentin): „Der Tod gehört immer zu unserem Leben“ Was heißt für Sie persönlich „gutes Sterben“? Mona Mettler: Für mich bedeutet es, mich und meine Nächsten auf den Abschied vorbe- reiten zu können; ihnen noch einmal meine Liebe versichern zu dürfen. Also geht es für mich persönlich vor allem um die Bewusstheit des Sterbeprozesses. Wie es dann abläuft, ist „Ich wünsche mir nicht so wichtig; darauf habe ich wahr- mir liebe scheinlich keinen großen Einfluss. Ich wün- sche mir einfach liebe Menschen um mich Menschen um herum und keine Ärzte, die mir noch irgend- mich herum welche Therapien aufschwatzen. und keine Ärzte, Wie geht Ihr Team mit der Not am die mir noch Lebensende um? Wie können Sie irgendwelche die Endgültigkeit und die „Nicht- Machbarkeit des Sterbens“ in Ihrem Therapien auf- Arbeitsalltag bewältigen? schwatzen.“ Mona Mettler: Auch wenn Menschen am Lebensende Not empfinden, ich als Beglei- terin habe diese Not nicht. Allein schon, dass ob wir jetzt nicht sehr viel aufgewühlt hät- wir (als Beratungsteam) ruhig sind und zuver- ten bei der Frau. Am nächsten Tag fragten sichtlich, vermittelt den Sterbenden und sei- wir nach und sie erzählte uns, dass sie seit nen Nächsten, dass es seine Richtigkeit hat, langem wieder einmal ruhig hätte schlafen was jetzt hier geschieht. Möglicherweise können; sie sei so froh gewesen, jemandem helfen ihnen schon unser Verständnis und ihren Kummer mitteilen zu können. Sie sei unser Mitgefühl. Wir Pflegende und ÄrztIn- jetzt beruhigt, weil sie wisse, dass ein Famili- nen haben ein Repertoire an Möglichkeiten, engespräch stattfinde, in dem wir zusammen gewisse Zustände zu erleichtern. Sei es mit über das Sterben sprechen würden. Sie hätte gezielten pflegerischen Handlungen, mit nicht gewusst, wie sie das alleine anstellen Medikamenten, die wir einsetzen können, könnte. oder mit seelsorgerlicher Begleitung, die wir hinzuziehen können. Wichtig ist zu fragen Ich habe auch schon sehr schwere Sterbe- oder zu merken, was denn genau die Not ist prozesse begleitet. Die Menschen nicht allein und was es jetzt braucht. zu lassen, war das, was ich ‚tun‘ konnte. Es macht uns auch bescheiden zu realisieren, Können Sie ein Beispiel nennen? dass wir vieles nicht beeinflussen können. Mona Mettler: Eine Patientin war in großer Natürlich lassen wir nichts unversucht. Mög- Not und sehr aufgewühlt. Als wir nachfrag- lich ist, dass wir einen Rahmen der Ruhe und ten, erzählte sie von ihrem Mann und der Sicherheit schaffen, das Sterben selbst kön- jüngeren Tochter - dabei weinte sie sehr. Wir nen wir nur wenig beeinflussen. Wir können hörten ihr mitfühlend zu und fragten, was ihr erkennen, dass es jetzt ums Sterben geht, das Wunsch wäre. Sie meinte, es müsse dringend auch benennen und die Familie einbeziehen. jemand mit der Familie sprechen, was wir Der Sterbende selbst leistet da sehr viel und er ihr zusicherten. Wir waren danach unsicher, lernt. ‚es‘ einfach geschehen zu lassen. Hospizbrief Ausgabe 1/2021
7 wichtig? Was zählt wirklich? Pflege ich den Kontakt zu meinen Kindern, meinen Freun- dinnen, meinem Partner? Die Spiritualität, die Suche nach dem Sinn bleibt zentral. Ich wage mehr, ich selbst zu sein, mich zu zeigen, mich zu freuen an so vielem, und bin in ständiger Entwicklung. Als meine Kinder noch klein waren, kam ich „Vieles wird für nach einem strengen Nachtdienst nach Hau- mich weniger se und spürte eine überschäumende Freude wichtig im stän- beim Kontakt mit meinen so lustigen und lebendigen Kindern, was ich vorher nicht so digen Kontakt bewusst wahrgenommen hatte. Vieles wird mit dem Tod; für mich weniger wichtig im ständigen Kon- takt mit dem Tod; dafür wird die Liebe immer dafür wird die wichtiger. Liebe immer wichtiger.“ Zum Abschluss noch dieses Zitat, das eine Freundin mir letzthin mitgeteilt hat: ‚Der Tod ist mein ständiger Begleiter. Er gehört immer Inwieweit beeinflusst Ihre Arbeit mit und natürlich zu unserem Leben.“ Sterbenden Ihre persönliche Lebenshal- tung? Haben Sie sich dadurch verän- Mona Mettler, dert? Pflegefachfrau, Leitung Pflege des Palliativ- Mona Mettler: Sicher hat es einen Einfluss Konsiliardiensts Palliativzentrum, Kantons- Entnommen: https:// auf meine Lebensführung. Ständig bin ich spital St. Gallen (CH), Ausbildnerin und www.hospiz-tirol.at/ mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert. Dozentin in Palliative Care; Leitung Trauer- tagebuch/tag/gutes- Da frage ich mich oft, was ist jetzt für wen begleitung am Kantonsspital St. Gallen sterben/ Friedlich eingeschlafen Bei dem Thema „Wie sterben wir?“ zu uns, die wir nebenan wohnten. Tag im Krankenhaus. Eines Vormit- fallen mir zwei Erfahrungen ein, die Und so geschah es, dass er eines tags hatte ich plötzlich das Gefühl, ich beim Sterben zweier mir sehr Tages bei uns zu Mittag aß, dann in meine Tochter holen zu müssen, die nahestehenden Menschen gemacht meiner Begleitung (er war körper- damals Krankenschwester-Schülerin habe. behindert) in seine Wohnung ging. war. Als ich dann mit meiner Tochter Wir wünschen uns bzw. haben die Und er fand meine Mutter „friedlich in das Krankenzimmer zurückkam, Vorstellung, beim Sterben eines sehr eingeschlafen“ vor. lag mein Mann, friedlich und ent- lieben Menschen dabei zu sein, ihm Und die Erfahrung mit meinem spannt aussehend, tot da. gewissermaßen die Hand zu halten. Mann war folgende: Er war krebs- Ich hatte wieder das Gefühl, wie bei Aber es kann eben auch anders sein. krank und wurde viele Wochen bei meiner Mutter, dass das für ihn der Als vor sehr vielen Jahren meine uns zu Hause gepflegt. Nur die letz- richtige Moment gewesen ist, hinü- Mutter schwer krank gewesen ist, ten Tage musste er ins Krankenhaus, berzugehen. war mein Vater Tag und Nacht bei da er nicht mehr bei Bewusstsein Lucie Schirren ihr. Nur zum Mittagessen kam er gewesen ist. Ich besuchte ihn jeden Hospizbrief Ausgabe 1/2021
8 Titelthema Kurzer historischer Blick auf das Sterben Gestorben wurde schon immer Das Sterben, der Umgang mit Tod und Trauer hat sich im Laufe der Zeiten stetig gewan- delt. Religiöse und psychologische Empfindungen spielen dabei eine ebenso große Rolle wie die Entwicklung der Naturwissenschaften und der Medizin oder die Veränderungen in der Gesellschaft. Jennifer Moche hat in ihrer Diplomarbeit „Wie gelingt gutes Ster- ben?“ für die Universität Wien in einem Kapitel die Geschichte des Sterbens anschaulich dargestellt. Wir beziehen uns in diesem Beitrag mehrfach auf diese Ausarbeitung. Im Mittelalter sind Krankheiten überwiegend Ariès, der sich in seinem 1977 erschienenen als Zeichen Gottes angesehen worden. Das gleichnamigen Werk mit der Geschichte des Leid gilt als Strafe oder Prüfung für den Todes ausführlich auseinandergesetzt hat, gilt Betroffenen. Mediziner und Angehörige der Tod bis zum Einsetzen des ersten Weltkrie- haben sich daher mehr um das seelische ges als öffentliches Ereignis, welches feierlich Wohl als um die Linderung der Krankheit aufbereitet worden ist. Alle wichtigen Per- gekümmert. Alle Mühe am Totenbett dient sonen versammeln sich um den Sterbenden, dazu, dass die Seele des Sterbenden „gerei- Kerzen und Weihwasser sind als traditionelle nigt“ zum Himmel aufsteigen kann. Diese Utensilien im Zimmer platziert. „Prozedur“ läuft im Anonymen ab, geschützt vor den Blicken der Nachbarn. Mit dem Entstehen von immer mehr Kran- kenhäusern kommt es, so Jennifer Moche in „Die Zuständigkeit der Ärzte weitet sich erst ihrer Diplomarbeit, zu einer Auslagerung des mit dem 18. Jahrhundert zunehmend auch auf Sterbens aus dem eigenen Heim. Ariès zufol- die Betreuung von Sterbenden aus“, schreibt ge verschwindet der Tod im Alltagsgeschehen Jennifer Moche. Die stetig voranschreitende der modernen Gesellschaft. Die fortschreiten- Entwicklung der biologischen und medizini- de Medizin macht es möglich, dass in den schen Erkenntnisse ermöglicht den Medizinern Kliniken immer weitere Behandlungen und neue Behandlungsmethoden. Sterbende Men- Therapien zur Verlängerung des Lebens bei- schen werden nun als Kranke angesehen und tragen können. „Schleichend macht sich so entsprechend versorgt. Der Sterbeprozess wird eine neue Tradition breit, die den Sterbepro- zunehmend in den häuslichen Alltag integriert. zess ins Krankenzimmer verlagert“, bemerkt Er wird zum familiären Ereignis. Jennifer Moche. Tiziano Terzani beschreibt es drastisch: „Der Tod verunsichert und soll Man kennt die Bilder noch aus Erzählungen: verborgen werden. Und so schickt man den Der Sterbende liegt im Kreise der Familie. Ver- Todkranken ins Krankenhaus, um dort hinter * Die Zitate von wandte, Bekannte und Nachbarn kommen einem Vorhang zu sterben, reglos ans Bett Tiziano Terziani sind vorbei, um sich zu verabschieden. „Ich erin- gefesselt durch all die Schläuche und Geräte, dem Text „Sterben nere mich gut an den Sterbenden in einem an die er angeschlossen ist.“* und Tod im gesell- Bett, die flüsternde Verwandschaft im Wohn- schaftlichen Wan- zimmer und dann die Totenwache um den Erst die Hospiz-Bewegung mit ihrer palliati- del“ von Andreas Verstorbenen herum. Da lag der Leichnahm, ven Versorgungsidee bricht diese unwürdige Heller/Klaus Weg- und alle betrachteten ihn mit Verwunderung Praxis wieder auf. Dem „Sterben ein würdi- leitner (Institut für und Einverständnis. Der Tod war präsent.“* ges Zuhause geben“ ist der Leitspruch. Dieser Palliativ Care und So erinnert sich der italieinische Schriftstel- kann in einem stationären Hospiz oder einer OrganisationsEthik ler und langjährige SPIEGEL-Journalist Tiziano Palliativ-Station im Krankenhaus genauso so der Universität Terzani in seinen Kindheitserinnerungen. Der erfüllt werden wie in einer liebevollen Betreu- Klagenfurt) ent- Tod schien ein Teil des Lebens zu sein. Für ung zu Hause. nommen. den französischen Medizinhistoriker Philippe Willi Dörr Hospizbrief Ausgabe 1/2021
9 Zwischenruf: Gibt es auch „schlechtes“ Sterben? „Was ist gutes Sterben?“, fragen wir in unserer Titelgeschichte und beleuchten das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Gibt es „gutes“ Sterben, so stellt sich fast zwangsläufig auch die Frage: Gibt es dann auch „schlechtes“ Sterben? Eigentlich, so sollte man konstatieren, ist Kann man das Leiden von einem „schlech- Sterben immer schlecht, denn es endet mit ten“ Sterben anschaulicher beschreiben? dem Tod. Natürlich gibt es Menschen mit starker religiöser Bindung, die das Sterben als Ein Außenstehender kann folglich schnell notwendige Voraussetzung für den Eingang definieren, was „schlechtes“ Sterben ist. ins Paradies ansehen. Und für den einen oder Nie möchte man sterben, wie ein Corona- anderen Sterbenden ist der Tod eine Erlösung Erkrankter auf der Intensivstation, ein Ver- von Schmerz, Einsamkeit und Verbitterung. kehrstoter im demolierten Fahrzeug oder ein Für sie ist das Sterben mit positivem Gefühl Opfer von Gewalt und Terror. verbunden - also ein „gutes“ Sterben? Was aber denkt und fühlt ein Mensch in Kommen wir zurück zu der Frage: Gibt seinen letzten Minuten? Niemand weiß es „schlechtes“ Sterben? Da fallen einem das. Vielleicht hat auch der schwerstkran- sofort die schrecklichen Bilder aus den Inten- ke Koma-Patient, der sterbende Autofahrer sivstationen der Krankenhäuser ein, in denen oder der verwundete Soldat noch einen letz- Corona-Patienten an Schläuchen der Beat- ten guten Moment. Vielleicht verlässt er trotz mungsgeräte angeschlossen sind und deren seiner Schmerzen und Einsamkeit diese Welt einzig verbliebene Abwechslung im regel- mit einer schönen Erinnerung. mäßigen Umbetten durch die Pflegekräfte besteht. Die Wenigsten überleben diese Auch in der Sterbebegleitung haben Patien- tückische Krankheit. Ein Nicht-Betroffener ten und Angehörige nicht selten unterschied- wird dies sicherlich als „schlechtes“ Sterben liche Auffassungen darüber, was für den bezeichnen. Sterbenden „gut“ oder „schlecht“ ist. Ist es „gut“, wenn im Moment des Todes die liebs- Oder der Autofahrer, der nach einem fürch- ten Angehörigen am Sterbebett versammelt terlichen Crash mit lebensgefährlichen Ver- sind? Und ist es folglich „schlecht“, wenn der letzungen in seinem Wagen eingeklemmt, Patient seine letzten Minuten allein im Zim- langsam unter Schmerzen sein Leben verliert. mer verbringt? In einer Traueranzeige habe Der ist doch sicherlich „schlecht“ gestorben. ich folgende Passage gelesen: „Ganz still und Mir kommen auch die grausigen Szenen aus leise ohne ein Wort, gingst du von deinen Kriegen und Terroranschlägen in den Sinn. Liebsten fort.“ In diesem Spruch steckt für Unschuldige Menschen werden zu Opfern mich der leise Vorwurf, wie konntest du so durch Gewalt - und sterben oft einsam und ohne Abschied von uns gehen. Aber für den ohne Abschied von Ihren Liebsten. Stellver- Sterbenden ist es wahrscheinlich genau der tretend hierzu möchte ich aus dem für mich richtige Moment gewesen. eindrucksvollsten Anti-Kriegslied „Es ist an der Zeit“ von Hannes Wader zitieren: „Ich Der Angehörige muss das aushalten und hoffe, es traf dich ein sauberer Schuss / Oder letztlich akzeptieren. Abschied nehmen, das hat ein Geschoß dir die Glieder zerfetzt / Hast geht auf ganz vielfältige, individuelle Wei- du nach deiner Mutter geschrien bis zuletzt se und nimmt oft ungewöhnliche Wege: Es / Bist du auf deinen Beinstümpfen weiterge- zählt ja nicht nur der letzte Augenblick. rannt / Und dein Grab, birgt es mehr als ein Willi Dörr Bein, eine Hand?“ Hospizbrief Ausgabe 1/2021
10 Titelthema Sterben in anderen Kulturen: Der Umgang mit dem Tod hat viele Wir kennen es aus den Karl May-Büchern: Der alte Indianerhäuptling verlässt seinen Wigwam und sucht sich eine einsame Stelle in der Prärie zum Sterben. Er wartet da- rauf, dass der große Manitu ihn in die ewigen Jagdgründe holt. Wie die Indianer, so haben viele Kulturen eine unterschiedliche Vorstellung vom Sterben. In diesem Arti- kel können wir nur einen kurzen Überblick verschaffen. In den kommenden Ausga- ben des Hospizbriefes werden wir jeweils ausführlich eine Religion bzw. Ethnie mit ihren speziellen Sterbe-, Trauer- und Beerdigungsritualen vorstellen. In unseren Breiten begegnen wir dem Tod oft- Trotzdem sind die Vorstellungen darüber ziem- mals mit Angst und Unbehagen. Menschen lich unklar. Obwohl das Judentum besonders Viele Kulturen aus anderen Kulturkreisen haben vielfach gut mit den Trauernden umgehen kann, es haben eine einen eigenen Ansatz, mit dem Verlust eines unterstützt und tröstet, wird der Sterbende Angehörigen umzugehen. Es wird anders oft vernachlässigt und ihm wird wenig Trost andere Vor bestattet und es gibt die unterschiedlichsten zuteil. Das Festhalten am diesseitigen Leben stellung von Trauerrituale. Die folgenden Beispiele verdan- erklärt dieses Verhalten. Tod und Sterben ken wir der Abschlussarbeit „Sterberituale in anderen Kulturen“ des Krankenpflegers Viele Chinesen betrachten hingegen den - oft weniger Roger Tusch: https://static.twoday.net/palli- Tod als den Höhepunkt ihres religiösen von Angst und ativpflege/files/r-tusch_hoefa1_abschlussar- Lebens. Daher ist es ihnen sehr wichtig, gut Unbehagen beit.pdf. darauf vorbereitet zu sein, angemessen zu sterben und eine feierliche, prunkvolle Bei- geprägt. Das Judentum bejaht das jetzige, aktuelle setzung zu erhalten. Der Glaube an eine Welt Leben in der diesseitigen Welt. Ein langes und und ein Leben nach dem Tode ist ein Schlüs- möglichst sorgenfreies Leben gilt als sichtbarer selgedanke aller chinesischen Religionen. Ausdruck eines Gott wohlgefälligen Lebens- wandels. Viele orthodoxe Juden glauben den- Im Hinduismus bedeuten Tod und Sterben noch an ein Leben nach dem Tode und sogar den ewigen Kreislauf des Lebens. Der Tod an eine körperliche Wiederauferstehung. ist gleichzeitig ein Neubeginn. Aus diesem Hospizbrief Ausgabe 1/2021
11 A spekte Grunde ist der Tod weniger mit Angst behaf- hat, muss mit einem schlechteren „neuen“ tet; man nimmt ihn eher als Gottes Wille hin. Leben rechnen. Sterbende müssen befriedet, gespeist und geleitet werden. Ein Sterbender trinkt nach Einem Moslem sagt man nicht, dass er Möglichkeit etwas Wasser aus dem Fluss - am sterbenskrank ist. Es ist Gottes Wille, wenn besten aus dem heiligen Ganges. Zwischen jemand stirbt. Folglich soll mit der Situation den Schlucken wiederholt er immer wieder nicht gehadert werden. Da der Tod als Beginn den Namen Gottes. So erlangt seine Seele einer neuen spirituellen Existenz und nicht als nach dem Glauben der Hindus Frieden. Ende gilt, sieht ihm der „zum Sterben Ver- urteilte“ zumeist eher gelassen entgegen. Der Buddhist sieht dem bevorstehenden Tod Im Koran steht, dass diejenigen, die nicht relativ gelassen entgegen, er möchte sogar an Allah und seinen Gesandten Muhammad möglichst früh darüber informiert werden. glauben, am Tag des Gerichts schwere Strafen Auf den Tod folgt nach dieser Lehre unweiger- in der Hölle zu erwarten haben. Die anderen lich eine Wiedergeburt. Der Buddhist spürt werden mit einem Leben im Paradies belohnt. daher, dass er als Mensch keine Angst vor Sofern der Tod nicht unvorhergesehen ein- dem Tod haben muss, da der endgültige Tod tritt, beginnt das islamische Bestattungsritual zwangsläufig ins Nirwana führt. Der Wieder- bereits mit dem Sterbeprozess. Es gehört zur geburtsgedanke lehnt sich eng an die indische Tradition, mit dem Sterbenden das islamische Karma-Lehre an. Gute Taten werden durch Glaubensbekenntnis zu sprechen. eine bessere, höhergestellte Wiedergeburt Claudia Brennecke belohnt; wer ein nicht so gutes Leben geführt Hospizbrief Ausgabe 1/2021
12 Titelthema Seit 2006 ist ein Teil der Gepäckstücke in der Wanderausstellung in Fritz Roth - Initiator des Projektes „Der letzte Koffer“: vielen Orten Deutschlands unterwegs Ein Visionär der menschlichen Bestattung Fritz Roth (1949 - 2012) ist ein deutscher Bestatter, Trauerbegleiter und Autor aus Bergisch Gladbach. Er hat als Inhaber das Unternehmen Pütz-Roth geleitet und ist in die- ser Funktion Gründer des ersten privaten Friedhofs in Deutschland. Fritz Roth hat seinen Beruf als Trauerbegleiter mit vielen innovativen Ideen ausgeübt. 1983 übernimmt Fritz Roth das Bestattungs- Skulpturen und Windspiele aufstellen. In sei- Fritz Roth haus Pütz in Bergisch Gladbach. Es folgt eine ner „Trauerakademie“ lernt man nicht nur zu ermutigt Ausbildung zum Trauerpädagogen. Sein Enga- weinen. Roth hat Musiker oder Kabarettisten Hinterbliebene, gement für einen anderen Umgang mit Tod eingeladen, die sich dem Thema auf ihre Weise und Trauer in der Gesellschaft macht ihn über nähern, gerne auch mit Humor. Särge und das Bergische Land hinaus bekannt. 2006 ini- Gräber selber zu tiiert er das Kunstprojekt „Ein Koffer für die Er richtet Sterbezimmer ein, in denen die Toten letzte Reise“. aufgebahrt werden, so, wie er es als Kind noch gestalten und selber auf dem Bauernhof erlebt hat. Er ermu- die Regie der Schwerpunkt seiner Arbeit ist das „Haus der tigt Hinterbliebene, Särge und Gräber selber Trauerfeier zu menschlichen Begleitung“ in Bergisch Glad- zu gestalten und die Regie der Trauerfeier zu bach gewesen. Das Ensemble auf einem licht übernehmen, statt sie anderen zu überlassen. übernehmen, bewaldeten Hügel an der Stadtgrenze gilt Im März 2012 wird bei Fritz Roth Leberkrebs statt sie anderen international als Modell. Eher einem Landhotel diagnostiziert. Roth stirbt am 13. Dezember zu überlassen. als einem Bestattungsinstitut ähnelnd, integ- 2012 im Alter von 63 Jahren. Unter großer riert es die Private Trauer-Akademie, die „Villa Anteilnahme findet am 29. Dezember 2012 Trauerbunt“ für trauernde Kinder, die Gärten eine ökumenische Trauerfeier im Altenberger der Übergänge und Deutschlands ersten pri- Dom statt, an der rund 2.500 Menschen teil- vaten Friedhof. Auf diesem Friedhof dürfen genommen haben. die Hinterbliebenen anstelle von Grabsteinen Hospizbrief Ausgabe 1/2021
13 Kunstprojekt & Ausstellungen Ein Koffer für die letzte Reise Die Wanderausstellung „Ein Koffer für die letzte Reise“ ist in den vergangenen Jahren in vielen Orten Deutschlands gezeigt, aber auch im Ausland wie in Moskau, Wien und Lu- zern sind die Koffer präsentiert worden. 2016 und 2017 ist die Ausstellung sogar über das vom Goethe-Institut organisierten Deutschlandjahr in Mexiko-City und in Hermosillo in Mexiko zu sehen gewesen. „Ein Koffer für die letzte Reise“ ist der Titel Inhalte sind so vielfältig wie die Menschen eines Kunstprojektes. Der Trauerbegleiter und ihre Biografien, wie die Träume und Fritz Roth (siehe Porträt) hat 100 Menschen Weltanschauungen der Packenden. In der einen Koffer zugeschickt mit der Bitte, die- Gesamtschau ergeben sie ein berührendes, Die Inhalte der sen für ihre letzte Reise zu packen. In diesem faszinierendes Bild dessen, was uns wirklich Koffer sind so Rahmen fordert er auf, sich zu besinnen: Auf nahe ist – oder dessen Nähe wir uns wirklich vielfältig wie die die Endlichkeit jeden Lebens, auf die Not- wünschen. wendigkeit der Identifikation des individuell Menschen und Wesentlichen. Jedem Koffer ist ein Steckbrief des Menschen, ihre Biografien, der ihn gepackt hat, beigelegt, der neben wie die Träume Insgesamt 100 Bürger dieses Landes - Frauen Alter und Beruf die persönlichen Notizen und und Männer, Alte und Junge, Künstler und Gedankengänge beim Kofferpacken festhält und Welt Handwerker, Prominente und Nicht-Promi- und Auskunft über den ausgewählten Koffe- anschauungen nente packen den Koffer, der sie auf der Reise rinhalt gibt. Neben persönlichen Gegenstän- aus diesem Leben begleiten könnte. den wie etwa Familienphotos oder Tabakpfei- der Packenden. fe, wählen viele Beteiligte symbolische Expo- Die Initiatoren sind gespannt: Was würden nate, wie die eigenen in Sand gegossenen die zur Verfügung gestellten, identischen Fußspuren oder ein Skelett mit Totenschädel. Koffer letztlich enthalten? Würden es ähnli- che oder völlig unterschiedliche Dinge sein? Das Buch zum Projekt ist im Gütersloher Sentimentales oder Praktisches? Erinnerung Verlagshaus erschienen – siehe dazu unsere oder Ausrüstung? Soviel sei verraten: ihre Buchbesprechung auf Seite 47 Hospizbrief Ausgabe 1/2021
14 Aus dem Hospizhaus „Tierische Visite“ von Mathilda und Merlin: „Ich habe Überraschungsbesuch dabei!“ Zwei Kätzchen haben einem Gast im Hospiz einen schönen Nachmittag beschert. Pflege- kraft Michelle berichtet über ihren überraschenden Besuch mit Mathilda und Merlin bei Frau W. die beiden einfach mal mit zu ihr zu bringen, Mathilda legt sich auf natürlich als Überraschung. Frau W.‘s Schoß. Sie beginnt zu schnurren, Also packe ich die beiden Kätzchen an mei- als sie von ihr gekrault nem freien Tag in ihre Transporttasche, die sie wird. so lieben und fahre mit dem Auto nach Wolfs- burg. Die Autofahrt gefällt den beiden nicht allzu gut, aber als wir im Hospiz ankommen, ist die Neugier riesig. Zuerst lernen sie meine Kollegen kennen und alle sind „bezuckert“ - dann geht es schon ins Gastzimmer. Ich begrüße Frau W. mit den Worten: „Ich habe Überraschungsbesuch dabei!“. Im ers- ten Moment weiß sie gar nicht, was los ist, aber dann kommt Freude auf. Mathilda und Merlin dürfen das Zimmer erkunden, alles wird beschnuppert. Vor allem die Fenster- bank und der darauf liegende, täuschend echt aussehende Minihund von Frau W. sind Ich bin seit Sommer „Katzenmama“ von interessant. Mathilda und Merlin, zwei kleinen britisch Kurzhaar Mix Kitten. Nachdem sie das Zimmer ausgekundschaf- tet haben, wird das Bett ins Visier genom- Als ich eines Tages zum Nachtdienst komme men. Natürlich gibt es reichlich Leckerlies und Frau W. begrüße, erkundigt sie sich, wie zum Anlocken, da ist die Freude groß. Durch es mir geht und wie meine freien Tage so die halbstündige Fahrt und die vielen neuen waren. Ich erzähle ihr von meinen zwei „Kat- Eindrücke macht sich langsam etwas Müdig- zenkindern“. Sofort ist sie interessiert und keit breit und Mathilda legt sich als Erste auf fragt, ob ich ihr ein paar Bilder zeigen könne. Frau W.‘s Schoß. Sie beginnt zu schnurren, Sie habe damals auch eine Katze gehabt, die als sie von ihr gekrault wird. Da Merlin, was sie leider nach der Geburt ihres Sohnes an Streicheleinheiten betrifft, schnell eifersüchtig Angehörige abgeben musste. wird, kommt er sofort dazu gesprungen und legt sich ebenfalls hin. Von nun an sind Mathilda und Merlin fast täglich während der pflegerischen Versor- So entstehen dann auch die Fotos, auf denen gung Thema. Es zaubert ihr immer wieder man Frau W. total strahlen sieht. Die Drei ein Lächeln ins Gesicht, wenn es neue Kat- haben dann noch etwas geschmust, bevor zenbilder gibt. Als sich die Katzen zuhause wir den Heimweg angetreten sind. eingelebt haben, ist mir die Idee gekommen, Michelle Chereck Hospizbrief Ausgabe 1/2021
15 Hallo, mein Name ist Daniel Bednarz Ich bin 35 Jahre alt und wohne in Schöningen. Leider musste ich mich bereits durch meinen Durch meine Berufe als Einzelhandelskauf- engen Familienkreis mit dem Thema „Ster- mann, Friseur und Maskenbildner, hatte ich ben und Tod“ auseinandersetzen und hatte schon immer sehr viel Kontakt zu Menschen, so auch intensive Begegnungen mit diesem was mir schon immer Freude gemacht hat. Thema. Seit Mai 2019 unterstütze ich das Team der Hauswirtschaft und im September 2020 habe Umso mehr erfreut es mich, wenn ich unse- ich die Leitung des Reinigungsteams übernom- ren Gästen ein letztes Zuhause geben und men. Bis dahin war ich selbstständig, was ich ihre Wünsche erfüllen kann. wegen der Pandemie aufgeben musste. Nun habe ich einen neuen Berufszweig gefunden, Ich bin stolz darauf, ein Teil des Hospiz-Teams in dem ich sehr gerne beschäftigt bin. sein zu dürfen. Neu im Team: Anne Bormann Meine Name ist Anne Bormann, bin 54 Jahre alt und verheiratet. Wir wohnen in Almke, haben zwei wunderbare Töchter, einen Hund, zwei Katzen und in der Nachbarschaft Hühner, für die ich zuständig bin. Seit 1989 arbeite ich als Krankenschwester, habe fast 20 Jahre im Krankenhaus, danach im Wolfsburger und Braunschweiger Hospiz gearbei- tet. Seit 2013 bin ich ambulant psychiatrisch unterwegs. Was treibt mich an? Es ist mir immer ein großes Bedürfnis gewesen, die Würde eines jeden Menschen zu bewahren, ihn mit Res- pekt zu begegnen und – so gut es mir mög- lich ist - auf seinen Weg zu begleiten und seine Symptome zu lindern. Was ist gutes Sterben? Ich würde meinen, dass es die ähnlichen Vor- raussetzungen wie für ein gutes Leben sein sollten: W Menschen an meiner Seite haben, die mir gut tun W E inen respekt- und vertrauensvollen Umgang im Miteinander W Schmerz- und angstfrei sein zu können W Meinen Lebensort soweit wie möglich frei der Augenblick zählt, das Hier und Jetzt. Ich Anne Bormann arbeitet wählen zu können möchte meinen Teil dazu beitragen, dass seit Januar 2020 im jeder Augenblick so gut wie möglich wird. Palliativ-Netzwerk- Wolfsburg. Für mich gehört auf jeden Fall noch Ehrlich- So bin ich im Januar 2020 wieder im Hospiz- keit, Fröhlichkeit, Empathie, Kreativität und haus gelandet und sitze als Koordinatorin für die Liebe zum Menschen dazu. das Palliativnetz im Dachgeschoss. Ich fühle mich hier sehr wohl, es ist ein bisschen wie „ In meiner ambulanten Arbeit ist mir noch- NACH HAUSE KOMMEN“, was ja auch ein mal bewusster geworden, dass egal, in wel- Maßstab für ein „gutes Sterben“ sein könnte. cher Situation sich der Mensch befindet, Anne Bormann Hospizbrief Ausgabe 1/2021
16 Aus dem Hospizhaus Palliative Care Team „Wir sind Allrounder, müssen alles im „Es gibt keinen größeren Trost für einen Angehörigen, wenn der Patient ruhig und friedlich verstorben ist“, sagt Deborah Leicht. Sie und ihre Kollegin Laura Isensee tun al- les, damit der Sterbenskranke seine letzten Tage und Stunden ohne Schmerzen, Leiden und Angst in seinem häuslichen Umfeld erleben kann. „Wenn wir es geschafft haben, dass er gut sterben konnte, dann macht uns das zufrieden“, sagen Deborah und Laura. Die beiden jungen Frauen bilden seit dem 1. Juli des vergangenen Jahres das Palliative Care Team des Hospizvereins. Sieben bis acht Patienten betreuen Deborah Situation häufig hoffnungslos überfordert. und Laura in der Regel. Sie haben alle eine „Dann schicken wir den Ehemann schon SAPV-Verordnung (eine spezialisierte ambu- mal zum Rauchen vor die Tür, damit er lante Palliativversorgungs-Verordnung) und ein wenig ‚runter kommt‘“, sagt Deborah. sind im Palliativnetz Wolfsburg eingebunden. „Unsere Aufgabe ist es aber auch, Eltern, „Je nach Bedarf besuchen wir die Betroffe- Partner, Kinder und Verwandte auf die Ster- nen täglich oder manchmal sogar mehrfach bephase vorzubereiten, ihnen erklären, was am Tag“, erzählt Laura. „Wir leisten aber kei- passieren wird, sie stützen und ihnen Ängs- ne pflegerische Arbeit im klassischen Sinne te nehmen“, erläutern die Beiden. „Der – also waschen, Essen reichen etc.“, ergänzt Patient hat entschieden, zu Hause sterben „Wenn es uns Deborah. Diese Aufgaben übernimmt bei zu wollen“, sagt Laura. „Das müssen alle gelingt, dass der Bedarf ein Pflegedienst. aushalten.“ Mensch friedvoll Das Palliativ Care Team schaut, wie Patient und Deborah und Laura verfügen über lange gestorben ist, Angehörige mit der Situation klar kommen: Lei- pflegerische Erfahrung. Beide haben als dann ist das für det der Kranke Schmerzen, quälen ihn Übelkeit Krankenschwester bzw. Gesundheits- und oder Durchfall, reicht die Dosis der Medikation, Krankenpflegerin im Krankenhaus begon- uns ein befriedi- nen bevor sie zur Hospizarbeit gekommen brauchen Partner oder Kinder Unterstützung? gendes Gefühl.“ „Wir sind Allrounder, müssen alles im Blick sind. Deborah gehört bereits seit 2005 zum haben“, lächeln die Beiden. Sie fragen sich stets Wolfsburger Hospiz-Team, Laura ist seit sie- aufs Neue: Wo ist medizinische oder psycho- ben Jahren dabei. Beide kennen die Hos- soziale Unterstützung erforderlich? Hilft dem pizarbeit durch die stationäre Pflege, sind Kranken zusätzliche Physiotherapie? Kann die ausgebildete Palliativ-Fachkräfte. Trostinsel den Kindern Hilfe sein? Braucht es zur Linderung der Symptome einer speziellen Im Hospizverein wird seit längerer Zeit dar- ärztlichen Behandlung? über nachgedacht, ein eigenes Palliative Care Team aufzubauen. Vor 1 1/2 Jahren „Wir hatten einen Patienten, der zwar mor- übernimmt Deborah die Leitung des Pro- gens und abends seine Morphintablette jektteams - zunächst allein. Ein Jahr später bekommen hat, trotzdem tagsüber über kommt Laura dazu. Die beiden Pflegekräfte heftige Schmerzen klagte“, nennt Laura reizt die neue Aufgabe, nach vielen Jahren ein Beispiel. Dann nehmen sie Kontakt zum im stationären Einsatz. „In der ambulan- behandelnden Arzt auf und besprechen eine ten Pflege sind wir viel mehr auf uns selbst Anpassung der Medikation. gestellt, wir müssen eigenverantwortlich Entscheidungen treffen, können uns aber Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit konzentriert auch die Zeit individuell einteilen“, nennt sich auf die Angehörigen. Diese sind mit der Laura den Unterschied. Hospizbrief Ausgabe 1/2021
17 m Blick haben“ „Am Ende all unserer Bemühungen steht Der Tod hat im Leben von Deborah bereits Deborah Leicht (links) in der Regel trotzdem der Tod des Patien- früh eine Rolle eingenommen: „Mein Papa und Laura Isensee bil- ten“, blicken sie nüchtern auf ihre Aufgabe. war Pastor, da bin ich schon als Kind häu- den seit dem 1. Juli des vergangenen Jahres „Wenn es uns gelingt, dass der Mensch fried- fig zu Beerdigungen mitgegangen“, berich- das Palliativ Care Team voll gestorben ist, dann ist das für uns ein tet sie. Im Krankenhaus hat sie dann erste des Hospizvereins. befriedigendes Gefühl“, sagt Laura. Aber wie Erfahrungen in der Onkologie gesammelt. verarbeiten die jungen Frauen den täglichen Auch Laura hat in ihrer Praxis als Intensiv- Umgang mit dem Tod? „Mir hilft, dass es Krankenschwester viele Menschen sterben sich bei dem Todkranken ja nicht um meinen sehen: „Ich habe so viele Tote gesehen, dass Papa oder meine Mama handelt, ich also eine ich mich eigentlich zur Hebamme umschulen gewisse Distanz habe“, schildert Deborah. lassen wollte. Damit ich auch mal Menschen Trotzdem geht Deborah und Laura das Ster- auf die Welt kommen sehe.“ ben eines Patienten, den sie betreut haben, Willi Dörr sehr nahe. „Die Selbstpflege ist dann sehr wichtig“, sagt Deborah. Deshalb nehmen sie bei Bedarf Supervision in Anspruch. Hospizbrief Ausgabe 1/2021
18 Aus dem Hospizhaus Vernetzungstreffen „Perspektiven Sozialer Arbeit in Palliative Care“ Es ist gut, mehr voneinander zu wissen Am 22. Januar 2021 hat an der Fakultät V der Hochschule Hannover in Form eines On- line-Fachtags das 1. Niedersächsische Vernetzungstreffen „Perspektiven Sozialer Arbeit in Palliative Care“ mit 40 Praktiker*innen, 21 Studierenden und drei Lehrenden stattge- funden. Brigitte Werner, die stellvertretende Geschäftsführerin der Hospizarbeit Region Wolfsburg e.V. hat dieses Treffen mit vorbereitet. Die Anfrage, ob ich nicht Lust hätte, an der Der Gedanke an eine Vernetzung ist schon Vernetzung von SozialarbeiterInnen aus dem lange da. Nun wird die Idee umgesetzt - sogar Hospiz- und Palliativbereich in Niedersachsen unter Corona-Bedingungen. Es soll einen mitzuwirken, erhalte ich in 2020 von mei- Fachtag geben, aber alles online. ner langjährigen Kollegin aus der Palliativ- station der MHH (Medizinische Hochschule „Mit diesem Fachtag sollen erstmalig Hannover), Anke Meier. Uns verbinden seit Sozialarbeiter*innen in den unterschied- 2006 immer wieder PatientInnen, die aus lichsten Kontexten der Sterbe- und Trauer- der MHH nach Wolfsburg in die ambulante begleitung sowie Palliativversorgung inner- Hospizbegleitung oder ins stationäre Hospiz halb der Profession ins Gespräch kommen. übergeleitet werden. Regelmäßig treffen sich die sieben Netzwerkerinnen per Video, um das Programm zu gestalten. Hospizbrief Ausgabe 1/2021
19 Wir möchten in Niedersachsen einen Beitrag Workshop 6: Soziale Arbeit in Palliative Care zur Vernetzung von Sozialarbeiter*innen im im Rahmen gesundheitlicher Vorausplanung Gesundheitswesen leisten, die am Ende des W Leitung: Susan Vogel, Verwaltungsprofes- Lebens tätig sind. Die Problematiken in statio- sur für Rechtliche Grundlagen der Sozialen nären und ambulanten Kontexten, aber auch Arbeit an der Fakultät V der Hochschule Potenziale, Kompetenzen und Wirksamkeit Hannover der Sozialen Arbeit sollen abgebildet wer- den“, so lautet der Ankündigungstext. Der Fachtag wird ein voller Erfolg. Gerade Die Vernetzung beginnt schon unter uns, dem auch das Zusammentreffen von Studieren- Vorbereitungsteam. Regelmäßig treffen wir den und PraktikerInnen bringt Engagement uns per Video und gestalten das Programm. und Dynamik hinein. Hier Stimmen aus dem So entsteht der folgende Ablauf: Feedback: „…innovative und tolle Durchführung Professorin Verena Begemann (Uni Hanno- der Veranstaltung...“ ver) hält den Eröffnungsvortrag zum Thema: „Haltungsbilder in der hospizlichen Sozialar- „...ich bin sehr interessiert an weiterem beit“. Austausch...“ Anschließend teilen sich die ca. 60 Teilneh- „...freue mich über die anvisierte Ver- menden (Studierende und PraktikerInnen aus netzung, dies habe ich bisher in meiner ganz Niedersachsen) in Workshops auf: Berufsgruppe vermisst…“ Workshop 1: Soziale Arbeit in Palliative Care „…wir sind erfüllt von der Resonanz im Krankenhaus und freuen uns auf weitere Begegnun- W Leitung: Anke Meier, Sozialdienst an der gen…“ Medizinischen Hochschule Hannover Auch wenn es für mich eine große Herausfor- „Wir möchten in Workshop 2: Soziale Arbeit in Palliative Care derung gewesen ist, so freue ich mich sehr, – ambulante Hospizarbeit an diesem ersten Fachtag teilgenommen zu Niedersachsen W Leitung: Petra Scholz-Marxen, Koordinato- haben. In meinem Workshop ist deutlich einen Beitrag rin und Geschäftsführerin der Hospizarbeit geworden, dass KollegInnen aus stationä- zur Vernetzung Braunschweig e.V. ren Hospizen sich weiter vernetzen und aus- tauschen wollen. Der Bedarf ist da, bisher von Sozial Workshop 3: Soziale Arbeit in Palliative Care gibt es noch viel zu wenig Untersuchungen arbeiterinnen im – stationäre Hospizarbeit in diesem Bereich, z.B. ob alle vorgesehen W Leitung: Brigitte Werner, stellvertretende Stellen für Soziale Arbeit wirklich auch mit Gesundheitswesen Geschäftsführerin der Hospizarbeit Region SozialarbeiterInnen besetzt sind oder welche leisten, die am Wolfsburg e.V. Schwerpunktaufgaben Soziale Arbeit in den Ende des Lebens verschiedenen Hospizen übernimmt. Workshop 4: Soziale Arbeit in Palliative Care tätig sind.“ aus berufspolitischer Sicht Es sollen weitere Fachtage folgen, der nächste W Leitung: Sindy Herrmann, ehemalige Spre- ist schon für den 4. Juni 2021 geplant. cherin der Sektion Soziale Arbeit der Deut- schen Gesellschaft für Palliativmedizin Brigitte Werner Workshop 5: Soziale Arbeit in Palliative Care im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit W Leitung: Rosemarie Fischer, Referentin in der Geschäftsstelle vom Landesstützpunkt Hospizarbeit und Palliativversorgung Nie- dersachsen e.V., Celle Hospizbrief Ausgabe 1/2021
20 Aus dem Hospizhaus Hospiz und Lockdown: „Wir wollen wieder Leben im Hospiz“ „Es ist uns gelungen, unseren Gästen und den Angehörigen auch in der schwierigen Lockdown-Phase ein Zuhause zu bieten.“ Sichtlich stolz blicken Brigitte Werner und Lucas Weiß auf die vergangenen Monate zurück. „Das ist eine tolle Gemeinschafts- leistung des gesamten Teams gewesen“, loben die beiden Geschäftsführer des Hos- pizvereins. Aber alle sehnen sich danach, ihr „altes“ Hospiz wieder zu bekommen. man, so der Geschäftsführer, in Absprache mit dem städtischen Gesundheitsamt sofort im Rahmen einer Teilschließung reagiert. „Das Ergebnis zeigt: Unsere Maßnahmen haben gewirkt“, findet Lucas Weiß. Mas- ken, Abstand, Desinfektion, Lüften, Testen, Impfung - alle Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter hätten sehr diszipliniert mitgezogen. So konnte die stationäre Hospizarbeit stabil und sicher gehalten werden. „Wir wollten auch in dieser Zeit ein so offenes Haus wie möglich bleiben“, nennt Brigitte Werner die Herausforderung. „Ein Hospiz muss immer die Möglichkeit bieten, dass Gäste Besuch Brigitte Werner und 160 Menschen hat das Hospiz im vergange- bekommen können“, unterstreicht sie. Lucas Lucas Weiß sind nicht nur für das nen Jahr im Haus in der Eichendorffstraße Weiß betont, dass bei all der Belastung die hauptamtliche Team betreut. Das sind fast 70 Gäste mehr gewe- Pflege und Hauswirtschaft liebevoll und voller voll des Lobes, sie sen als im Jahr zuvor. Diese Zahlen belegen Empathie ihre Gäste umsorgt hat. möchten ausdrücklich zudem, dass der einzelne Sterbende viel kür- die Ehrenamtlichen zer im Hopsiz verweilt hat. „Während 2019 Die beiden Geschäftsführer sind nicht nur für mit einbeziehen, die die Gäste im Durchschnitt 32 Tage bei uns das hauptamtliche Team voll des Lobes, sie zu allen Zeiten frei- willig und mit viel verbracht haben, sind es 2020 lediglich 17 möchten ausdrücklich die Ehrenamtlichen mit Engagement überall Tage gewesen“, berichtet Lucas Weiß. einbeziehen, die zu allen Zeiten freiwillig und dort geholfen haben, mit viel Engagement überall dort geholfen wo Unterstützung So weit die nüchternen Zahlen. Aber dahinter haben, wo Unterstützung gefragt gewesen gefragt gewesen ist. steckt eine enorme Belastung für alle Beschäf- ist. tigten der Pflege, der Hauswirtschaft, des Sozi- albereichs und der Verwaltung. „Unsere Mit- Aber die Geschäftsführer wissen, alle sehnen arbeiter haben im Schnitt jeden zweiten Tag sich danach, dass das „alte Leben“ wieder einen Sterbefall“, verdeutlicht Brigitte Werner. ins Hospiz kommt. Während der gesamten An einem Wochenende seien gleich acht Men- Corona-Zeit mussten alle Gemeinschafts- schen verstorben, ergänzt Lucas Weiß. aktivitäten vom Spiele-Nachmittag bis zum gemeinsamen Fußballschauen im Fernsehen Und die Aufnahme neuer Gäste funktioniert ebenso ausfallen wir Sommerfeste oder kul- in Pandemie-Zeiten ebenfalls nicht so ein- turelle Angebote. Insbesondere die zwischen- fach. Schließlich dürfen die strengen Coro- menschliche Nähe leidet unter der Pandemie. na-Schutzmaßnahmen nicht vernachlässigt Lucas Weiß: „Hospiz ohne soziale Kontakte, werden. Einen einzigen positiven Corona-Fall geht eigentlich gar nicht.“ habe es in all den Monaten gegeben. Da habe Willi Dörr Hospizbrief Ausgabe 1/2021
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