DROGENKURIER rundbrief des bundesweiten jes-netzwerks - JES Bundesverband

 
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DROGENKURIER rundbrief des bundesweiten jes-netzwerks - JES Bundesverband
DROGENKURIERrundbrief des bundesweiten jes-netzwerks
März 2006
   nr. 65
vorwort          2
                                          DROGENKURIER

                                         LIEBE LESERINNEN UND LESER DES DROGENKURIER,
                                         LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE,

                                         auch wenn das Jahr 2006 nicht mehr so ganz taufrisch ist, wollen wir es nicht
IMPRESSUM                                versäumen Euch und Ihnen im Namen des JES-Netzwerks ein gesundes und er-
Nr. 65, März 2006
                                         folgreiches Jahr 2006 zu wünschen.
Herausgeber des
DROGENKURIER:                            ◆ Das Wünsche nicht immer in Erfüllung gehen wurde uns zur Jahreswende mit
 JES*-Netzwerk                           aller Deutlichkeit vor Augen geführt.
c/o Deutsche AIDS-Hilfe e.V.             ◆ Die Ankündigung der nun christlich-liberalen Landesregierung in NRW alle
Dieffenbachstr. 33                       Landeszuwendungen für den Bereich Drogen und Aids zu streichen war schlicht
10967 Berlin
                                         ein Hammerschlag.
Tel.: 030/69 00 87-56
Fax: 030/69 00 87-42                     ◆ Dies bedeutet das die Förderung für vor Ort Gruppen zu 100 % gekürzt wird
Mail:                                    und die in der AIDS-Hilfe NRW ansässige Stelle zur Unterstützung der Drogen-
jes-sprecherrat@yahoogroups.de           selbsthilfe JES in NRW ersatzlos gestrichen werden soll. Ferner sollen die Lan-
http//: jes-netzwerk.de                  desmittel für das seit 15 Jahren erfolgreich betriebene Projekt „Spritzenautoma-
Dirk Schäffer (V.i.S.d.P.)
                                         ten“ dem Rotstift zum Opfer fallen.

Mitarbeit:                               JES BENÖTIGT HIER IHRE UND EURE UNTERSTÜTZUNG.
Alexander Dietsch                        Mehr dazu in dieser Ausgabe.
Marco Jesse
Dimi Katergaris
Sabine Lahmer                            Im Blickpunkt dieser Ausgabe steht ferner das Thema „i.v. Konsum von Substi-
Ilona Rowek                              tutionsmitteln“. Vorgestellt wird eine interessante Erhebung aus Berlin.
Imke Sagrudny                            ◆ Diese Ausgabe beschäftigt sich ebenso mit der „Drogensituation“ in Deutsch-
Claudia Schieren                         land. Der aktuelle Reitox Bericht der Deutschen Referenzstelle für Drogen und
Frank Wiedtemann
                                         Drogensucht zeigt hierbei interessante Entwicklungen auf.
Satz und Layout:                         ◆ Weiter Informieren wir über die Münchner AIDS Tage 2006 und stellen die
Carmen Janiesch                          neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung – Frau Sabine Bätzing – vor.
                                         ◆ Wir möchten Sie und euch als LeserInnen des DROGENKURIER ermuntern uns
Druck:
                                         Ihre/Eure Meinung via Leserbrief mitzuteilen. Die stetige Rückmeldung unserer
Medialis
                                         Leserinnen und Leser ist Grundlage für die Weiterentwicklung des DROGENKURIER.
Auflage:                                   Welche Themen fehlen?
1.000 Exemplare
                                           Wo lagen wir mit unserem Bericht völlig daneben?
                                           Was ist uns besonders gut gelungen bzw. was gefällt?
                                           Die Redaktion des DROGENKURIER freut sich auf die ersten Leserbriefe.
*Junkies, Ehemalige, Substituierte
                                                                                                            Dirk Schäffer
DROGENKURIER
                                                                       3
                                                                            aktuelles

           JES in Nordrhein-Westfalen
                 vor dem AUS?!
    CDU/FDP Landesregierung plant vollständige Einstellung der
 Förderung der Drogenselbsthilfe JES im Landeshaushalt 2006

Wir wollten es erst gar nicht glauben als                                  Natürlich hätten die Kürzungen der JES-
wir kurz nach Weihnachten die Informati-                                   Selbsthilfe in Nordrhein-Westfalen auch
onen erhielten, dass die NRW-Landesregie-                                  durchschlagende Auswirkungen auf die
rung plant, die Förderung der regionalen                                   bundesweite Arbeit unseres Netzwerks.
und landesweiten JES-Projekte einzu-                                           Denn die JES-Selbsthilfe lebt von ihren
stellen (-117.500,– € p.a.). Sollten die                                       bundesweit ca. 25 vor Ort Gruppen,
politisch Verantwortlichen ihre un-                                                deren Aktivitäten z. B. in NRW durch
glaublichen Vorhaben umsetzen                                                          den JES-Landesverband sowie die
würde dies auch bedeuten,                                                                 in der AIDS-Hilfe NRW ansäs-
dass die landesweite JES-                                                                    sige Koordinationsstelle
Koordinationsstelle      ab                                                                  gebündelt und gefördert
dem 01.04.2006 nicht mehr                                                                  werden.
gefördert wird. (-56.500,– €).                                                         Mit den angekündigten Kür-
   Mit einem Federstrich sollen                                                    zungen in NRW würde ein tragen-
Strukturen, die durch ehrenamtliches                                            des Segment in einer einzigartigen
Engagement über 15 Jahre aufgebaut wur-                                      Struktur eines bundesweiten Netzwerks
den, eingerissen werden.                                                   demontiert.
   Dies ist unfassbar und muss eine bundes-                                   Es ist schon dramatisch wie wenig Aner-
weite Reaktion all derer hervorrufen die die                               kennung und Akzeptanz die JES-Strukturen
Drogenselbsthilfe JES als zentrales Element                                hier zu genießen scheinen.
einer seit Jahren erfolgreichen HIV-Präven-                                   Auch wenn JES, also das zumeist eh-
tion bei DrogengebraucherInnen sehen.                                      renamtliche Engagement von Drogenge-
   Die JES-Selbsthilfe lebt vom ehrenamtli-                                brauchern, nach 15 Jahren hier zur nicht
chen Engagement. Ehrenamtliche Arbeit be-                                  förderungswürdigen Banalität zu verkom-
nötigt aber dennoch eine finanzielle Basis,      JES-NRW benötigt          men scheint, müssen wir alle zum Aus-
die es aktuell und ehemals Drogen gebrau-                                  druck bringen, dass die in NRW und im
chenden Menschen sowie Substituierten er-        jetzt Ihre und Eure       Bund aufgebauten JES-Strukturen weltweit
möglicht gegenseitigen Unterstützung und
Beratung auf gleicher Ebene (Betroffenen-
                                                   Unterstützung!          einzigartigen Charakter haben und auf in-
                                                                           ternationaler Ebene als wertvoll geschätzt
kompetenz, Peer-to-Peer-Arbeit), Angebote                                  wird. Dies wird u. a. durch die zahlreichen
der Gesundheitsförderung und der Stärkung                                  Einladungen zu inter. Kongressen deutlich
der Eigeninitiative (Hilfe zur Selbsthilfe) zu                             die JES erhalten hat und erhält.
realisieren.                                                                  Neben den JES-Kürzungen wollen die
   Ohne beispielsweise landesweite Aus-                                    politisch Verantwortlichen in NRW auch
tauschtreffen, ohne Vernetzung und                                         den Zuschuss für das Spritzenautomaten-
Informationsweitergabe, ohne Fahrtkos-                                     Projekt streichen. Das hieße, dass das Land
tenerstattungen und kostenlose Fort-                                       NRW – in Verbindung mit den Kürzungen
bildungsangebote wird Selbsthilfe für                                      bei der Drogenselbsthilfe JES – sämtliche
Drogengebraucher/innen, Ehemalige und                                      Maßnahmen im Bereich Drogen & Aids
Substituierte zum Luxusgut.                                                komplett einstellt. Das Spritzenautoma-
aktuelles                 4
                                                 DROGENKURIER

ten-Projekt wird seit 1989 im Auftrag des
Gesundheitsministeriums von AIDS-Hilfe
NRW betrieben und ist ein Bestandteil
der niedrigschwelligen Präventionsar-
beit für i.v. drogengebrauchende Frauen                            ..
                                                                    ..
und Männer. Durch die rund-um-die-Uhr                                ..
Bereitstellung bietet es die Möglichkeit                              .
sich aktiv vor HIV und Hepatitis zu schüt-                        ..
zen und erreicht auch die Menschen, die
das klassische Drogenhilfesystem nicht
                                                 J.E.S. Bundesweites Netzwerk                                                                     JES-Netzwerk
                                                                                                                                         c(o Deutsche AIDS Hilfe e.V.

in Anspruch nehmen.                                                                                                                             Dieffenbachstr. 33
                                                                                                                                                   10 967 Berlin
                                                                                                                                             Tel.: 030 / 69 00 87 56
                                                                                                                                             Fax: 030 / 69 00 87 48

Was ist also zu tun?
                                                                                                                                   E-Mail: jes-sprecherrat@yahoogroups.com

                                                                                                                                            15. Februar 2006
Die AIDS-Hilfe NRW hat in
Kooperation mit dem JES-                             Drogenselbsthilfe gibt es nicht zum Nulltarif
Landesverband NRW eine                               Sehr geehrter Herr Minister Laumann
Homepage eingerichtet:
                                                     als bundesweite Interessenvertretung aktuell und ehemals Drogen gebrauchender und substituierter
www.stopp-kuerzungen.de                              Menschen (JES), wenden wir uns heute mit großer Sorge an Sie.

                                                     Die Ankündigung der Landesregierung die Förderung der regionalen und landesweiten JES- Projekte
Auf dieser Seite wird ausführlich über               (Junkies, Ehemalige, Substituierte), sowie die landesweite JES- Koordinationsstelle einzustellen hätte
                                                     fatale Folgen. Die europaweit einzigartige Struktur der JES Selbsthilfe bekäme Risse, die eine
die Kürzungsvorhaben informiert.                     weitgehende Handlungsunfähigkeit vieler JES- Gruppen in Nordrhein-Westfalen zum Ergebnis hätte.
   Neben einer Adresssammlung von                    Die erfolgreiche HIV-Prävention für die Zielgruppe der iv DrogengebraucherInnen,
                                                     gekennzeichnet durch Selbstunterstützung und lebensnahe Vorortarbeit, wäre gefährdet.
NRW-Landtagsabgeordneten, findet ihr
                                                     Neben den Auswirkungen für die Selbsthilfe Drogen gebrauchender Menschen in NRW, hätten die
Musterbriefe die sich gegen die Kür-                 Kürzungen auch Auswirkungen auf die bundesweite Arbeit der JES Selbsthilfe, da mit der
zungsvorhaben richten.                               Zerschlagung der Strukturen in NRW eine tragende Säule bundesweiter Arbeit verloren geht.
                                                     JES hat in Nordhein-Westfalen maßgeblich dazu beigetragen die Interessen Drogen gebrauchender
   Macht in eurer Stadt mittels einer                Menschen zu artikulieren und eine bedarfsgerechte Angebotsstruktur in der Drogenhilfe zu realisieren
Pressemitteilung bzw. durch die Infor-
                                                     Durch diese qualifizierte, lebensnahe und fast ausschließlich ehrenamtliche Arbeit, konnte die Zahl
mationen der euch bekannten kommu-                   der HIV-Neuinfektionen bei iv DrogengebraucherInnen in NRW und im Bund in den letzten 15 Jahren
nalen Presse auf die Situation in NRW                erfolgreich gesenkt werden.

aufmerksam.                                          Herr Laumann, Selbsthilfe kann es aber nicht zum Nulltarif geben. Insbesondere in der Selbsthilfe
                                                     engagierte DrogengebraucherInnen haben keinerlei finanzielle Spielräume um
   Denn eines ist klar, die Umsetzung                Präventionsmaterialien, Fahrtkosten, Büromaterial etc. zu finanzieren.
der angekündigten Kürzungen würde
                                                     Maßgeblich bedingt durch die kontinuierliche und erfolgreiche Arbeit der JES- Selbsthilfe in Nordrhein-
die Möglichkeiten des Selbsthilfeen-                 Westfalen, verfügt Deutschland über ein einzigartiges Netzwerk der akzeptierenden Selbsthilfe, dass
gagements von DrogengebraucherInnen                  auch auf internationaler Ebene hoch geschätzt wird.

im Netzwerk JES erheblich einschrän-                 Selbstverständlich ist uns die prekäre Haushaltslage in NRW bekannt. Wir bitten Sie aber bei Ihrer
                                                     Entscheidung zu berücksichtigen welch wichtige Effekte die JES Selbsthilfe mit vergleichbar geringen
ken oder gar „DAS AUS“ für große Teile               Mitteln in der Gesundheitsförderung und Prävention erzielt und welche Folgen eine Streichung der
unseres einzigartigen Netzwerks von                  Landesförderung hat.
                                                     Als bundesweites JES Netzwerk werben wir für eine verantwortliche und zukunftsorientierte
Drogengebrauchern, Ehemaligen und                    Entscheidung, die durch die Fortsetzung der Landesförderung dazu beiträgt, die erfolgreiche und
Substituierten bedeuten.                             einzigartige Selbsthilfe Drogen gebrauchender Menschen in NRW fortsetzen zu können.

                            Dirk Schäffer            Mit freundlichen Grüßen

                                                     Claudia Schieren
                                                     JES Bundessprecherin

   JES-NRW benötigt
   jetzt Ihre und Eure                           Drogengebraucher besitzen ebenso wie            ............................
                                                 alle anderen ein Recht auf Menschenwürde
   Unterstützung
DROGENKURIER
                                                                                            5
                                                                                                 aktuelles

                                                                                                            Cannabis unter jungen Leuten
                                                                                                            zu problematisieren und geeig-
                                                                                                            nete Hilfeangebote bereitzustel-
                                                                                                            len.
                                                                                                               Zunächst freue ich mich auf
                                                                                                            den Dialog mit den Vertretern
                                                                                                            der Suchthilfeverbände und
                                                                                                            mit den vielen Menschen, die
                                                                                                            sich als Betroffene oder in For-
                                                                                                            schung, Praxis, Selbsthilfe oder
                                                                                                            Politik mit dem Thema Dro-
                                                                                                            gen und Sucht beschäftigen.
                                                                                                            Ich werde mich dafür einset-
                                                                                                            zen, dass die gesundheitlichen
                                                                                                            Schäden durch Missbrauch von
                                                                                                            Suchtmitteln und Suchterkran-
                                                                                                            kungen reduziert werden und
                                                                                                            die Drogen- und Suchtpolitik
                                                                                                            einen festen Stellenwert in der
                                                                                                            Gesellschaft erhält.“

                                                                                                            Lebenslauf
                                                                                                            Sabine Bätzing
                                                                                                             Sabine Bätzing wurde am 13.
                                                                                                             Februar 1975 in Altenkirchen

Sabine Bätzing – neue
                                                                                                             (Westerwald) geboren. Sie ist
                                                                                                             verheiratet und lebt nach wie
                                                                                                             vor in ihrer Heimatstadt.

Drogenbeauftragte
                                                                                                                 Nach dem Abitur 1994 absol-
                                                                                                             vierte sie eine Ausbildung zur
                                                                                                             Beamtin im gehobenen nicht-
                                                                                                             technischen Dienst bei der Ver-

der Bundesregierung                                                                                          bandsgemeindeverwaltung in
                                                                                                             Altenkirchen. Als Diplom-Ver-
                                                                                                             waltungswirtin (FH) arbeitete
                                                                                                             sie zunächst in der Sozialverwal-
                                                                                                             tung (Hilfe zum Lebensunter-
Anlässlich der Amtseinführung mit dem         Ursache für viele Gesundheitsschäden. Au-         halt), bevor sie dann in der Zentralabteilung
Erhalt des Ernennungsschreiben erklärt Sa-    ßerdem werde ich einen Akzent auf Maß-            die Organisation und EDV übernahm.
bine Bätzing: „Ich freue mich sehr über die   nahmen gegen Medikamentenabhängigkeit                Sie ist u. a. Mitglied von ver.di, der AWO,
Ernennung. Vor mir liegen große Aufgaben      legen. Hiervon sind vor allem Frauen be-          dem Kinderschutzbund sowie Schirmherrin
und Herausforderungen, die ich mit ganzer     troffen, die bisher kaum ein Sprachrohr           der Dystoniegesellschaft Rheinland.
Kraft und vollem Engagement für die Be-       für ihre Gesundheitsprobleme haben, ge-              Seit 1994 ist sie Mitglied der SPD, seit
lange suchtgefährdeter und suchtkranker       schweige denn ausreichende Hilfeangebo-           1995 im Vorstand und Stellvertretende Vor-
Menschen angehen werde.                       te. Prävention ist und bleibt der Dreh- und       sitzende des Ortsvereins Altenkirchen, seit
   Die erfolgreiche Drogen- und Suchtpoli-    Angelpunkt einer erfolgreichen Drogen-            1999 Mitglied im Kreistag von Altenkirchen
tik der letzten Jahre wird fortgesetzt. Auf   und Suchtpolitik.                                 (Schwerpunkt Jugendhilfe). Im Jahr 2001 ist
der Grundlage des Aktionsplanes „Drogen           Da ich mich in der Vergangenheit immer        sie zur stellvertretenden Kreisvorsitzenden
und Sucht“ werde ich mich für die Eindäm-     sehr in der Jugendarbeit engagiert habe,          des Kreisverbandes Altenkirchen gewählt
mung von Drogen- und Suchtproblemen           ist mir die Verbesserung der Zusammenar-          worden und war als Gründungsmitglied der
einsetzen. Die Reduzierung des Tabak- und     beit zwischen Jugend- und Suchthilfe ein          „Junior SGK in Rheinland-Pfalz“ aktiv. 2004
Alkoholkonsums wird dabei an erster Stelle    besonderes Anliegen. Hier geht es vor allem       wurde sie Mitglied im SPD-Landesvorstand
stehen. Diese legalen Suchtmittel sind die    auch darum, den steigenden Konsum von             Rheinland-Pfalz.
aktuelles                  6
                                                   DROGENKURIER

                                                       Neue JES-Gruppe
   Als direkt gewählte Bundestagsab-
geordnete vertritt sie seit 2002 ihren
Wahlkreis Neuwied/Altenkirchen (Rhein-

                                                       in Minden
land-Pfalz).
   In der 15. Wahlperiode war sie Spre-
cherin der „Youngsters“ (junge Bun-
destagsabgeordnete unter 40 Jahre der
SPD-Bundestagsfraktion), Mitglied im
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, im Unterausschuss Neue
Medien, im Rechtsausschuss sowie stell-
                                                       gegründet !!!
                                                       Wir sind es leid, entweder als Opfer, Kranke oder Kriminelle angese-
                                                       hen zu werden. Aufgrund der provinziellen Verhältnisse in Minden
                                                       und Umgebung, die sich insbesondere im Umgang mit Substituierten
                                                       und Drogen gebrauchenden Menschen manifestieren, beschlossen
                                                       wir Kontakt zum JES-Landesverband in Nordrhein-Westfalen herzu-
                                                       stellen.
                                                       _____ Seit November 2005 hat sich in Minden eine Gruppe von 4 Sub-
                                                       stituierten gefunden und sich der JES- Westschiene angeschlossen.

                                                       Was ist seit dem passiert?
                                                       Zum besseren Verständnis, es gibt in Minden lediglich einen ständig
                                                       defekten Pumpenautomaten sowie einen in der Drogenberatung be-
Sabine Bätzing, die neue Drogenbeauftragte             findlichen Kaffeekeller.
der Bundesregierung                                    _____ Beides trägt in keinster Weise den Aspekten der niedrigschwel-
                                                       ligen Drogenarbeit Genüge. Um DrogengebraucherInnen dennoch mit
vertretend im Ausschuss für Gesund-                    Präventionsmaterialien auszurüsten, begannen wir „JES-Care-Packs“
heit und Soziales. Darüber hinaus war                  und Infomaterialien auf unserer recht großen hiesigen Szene zu ver-
sie Mitglied der Enquête-Kommission                    teilen.
„Ethik und Recht in der modernen Me-                   _____ Außerdem nahmen wir Kontakt zu sympathisierenden Gruppen
dizin“. Zwischen 2002 und 2005 hat sie                 aus der sozialen Bewegung auf, mit denen wir gegen den allgegen-
als kooptiertes Mitglied an den Frakti-                wärtigen Sozialabbau zusammenarbeiten.
onsvorstandsitzung teilgenommen und                    _____ Des Weiteren haben wir eine Mailadresse drogenfueralle@
war seit 2004 Mitglied im Ältestenrat.                 yahoo.de und einen Telefonanschluss 0151/15 87 06 32 eingerichtet
   Ihr inhaltlicher Schwerpunkt lag, so-               unter der JES-Minden nun zu erreichen ist.
wohl im Ausschuss für Familie, Senioren,               _____ Wir könnten Verstärkung gebrauchen und wer mehr über uns
Frauen und Jugend als auch im Unter-                   und unsere Ideen und Ziele wissen möchte – ihr seid herzlich einge-
ausschuss, im Bereich des Jugendschut-                 laden.
zes. So hat sie z. B. die Gesetzesinitiative
                                                                                                             Dirk Engelking
zu den „Alkopops“ federführend mit be-
                                                                                                              Volker Harting
gleitet.
                                                                                                       Dominicus Hagemeyer
Das bundesweite JES-Netzwerk gratu-                                                                             Rainer Clark
liert Frau Bätzing zur Ernennung und
strebt einen kontinuierlichen Dialog
mit dem Ziel an, die Interessen und
Belange Drogen gebrauchender Men-
schen in den Fokus einer verantwort-
lichen Drogenpolitik zu rücken.
                                                   „ Safer use? – Na klar !“
                           JES-Sprecherrat
DROGENKURIER
                                                                                             7
                                                                                                  aus den regionen

NRW ist überall – Kürzungs-
vorhaben des Bremer Senats
Nicht nur in NRW sondern auch in Bremen schreitet die Kür-              vorbereitet und durchgeführt. Die Demonstration auf dem Bre-
zungswelle weiter voran. Nachdem erst vor ca. einem halben Jahr         mer Ziegenmarkt bei der Flugblätter verteilt, Gespräche mit Presse
die Drogenhilfe in Bremen umstrukturiert und in weiten Teilen           und Passanten geführt und nicht zuletzt Essen und Getränke an
privatisiert wurde, sollten nun mehr als 217.000 Euro bei den Trä-      Drogengebraucher verteilt wurden, war ein Erfolg. Es waren viele
gern eingespart werden.                                                 Menschen vor Ort die sich mit dem Anliegen der Veranstalter so-
   Dieses hätte einen Abbau von ca. 15 % der Personalstellen im         lidarisierten und die Forderungen zum Erhalt des Drogenhilfesys-
Drogenbereich bedeutet. Besonders stark betroffen sollte der Be-        tems unterstützten.
reich der Psychosozialen Betreuung sein. Damit wäre auch die               Die Verantwortliche Senatorin Karin Röpke zog dann auch die
Substitution vieler Drogengebraucher, die die Voraussetzung             angekündigten Kürzungen in dieser Höhe vorerst einmal zurück, so
einer PSB nicht weiter erfüllen können, gefährdet. Nach diesen          das bis auf wenige kleine Ausnahmen die Angebote in gewohnter
Ankündigungen der Politik, wurde kurzfristig eine gemeinsame            Form bestehen bleiben können – bis zum nächsten Jahr. …
Protest-Aktion durch die Drogenhilfeträger Comeback, Ambulante
Drogenhilfe, und (nach einigen Anlaufschwierigkeiten) auch JES                                                                  Marco Jesse

Der Fall Druckraum – Die Falle
Druckraum                                         Fixpunkt – Anspruch und Wirklichkeit

Hannover hat einen Druckraum, den FIXPUNKT. Im Rahmen der                  Dann kam der FIXPUNKT und die Lage entspannte sich deut-
Risikominimierung wird Junkies dort die Möglichkeit gegeben, ihr        lich.
vorher illegal erworbenes Heroin, unter hygienischen Bedingungen           Nun zur Wirklichkeit jetzt. In den letzten Monaten erhöht die
und in Ruhe zu spritzen.                                                Polizei massiv ihren Druck auf DrogengebraucherInnen. Kontrollen
   Der Fixpunkt wurde geschaffen, damit Drogengebraucher einen          auf dem Hinweg zum Druckraum, auf dem Hof, im FIXPUNKT- Cafe
Raum haben, in dem sie ohne Angst, Zeitdruck und unter hygie-           und selbst im Druckraum finden sie statt, mehrmals jeden Tag. Man
nischen Bedingungen konsumieren können. Das war lange Zeit so.          lässt sich 1 oder höchstens 2 mal filzen und seinen Stoff abnehmen
Doch es gibt eine Wirklichkeit davor und die Wirklichkeit jetzt.        und dann reicht es!
   Zuerst zur Wirklichkeit davor. Der Handel mit Heroin fand schon         Warum bietet die Stadt ein Konsumraumkonzept , das kein User
immer in der unmittelbaren Nähe des Hauptbahnhofs statt, weil es        ungefährdet erreichen und wahrnehmen kann? Das ist wie Auto-
ein Verkehrsknotenpunkt ist. Die Mehrzahl der Konsumenten orga-         fahren erlaubt, Benzinkauf aber verboten.
nisiert sich von Schuss zu Schuss. Oft ist es so, dass der Drogenkauf      Wenn die Nutzer dieser Angebote nicht mehr die Sicherheit
zwangsläufig erst stattfindet wenn der Körper schon auf Sparflam-       haben den Konsumraum ungefährdet zu erreichen und zu nut-
me läuft. Also muss der Konsum am besten gleich und hier statt-         zen, dann werden sie ihn wieder meiden. Verfolgt die Polizei die-
finden. Grünflächen, Spielplätze, U-Bahnstationen und Parkhäuser        ses Ziel?
sind jene Orte, die Innenstädte bieten. Vor allem aber wurden Toilet-      Übrigens, letzter Zeit finden sich auf öffentlichen Toiletten wie-
ten zu den bevorzugten Orten für den sofortigen Drogengebrauch.         der vermehrt Spuren von i.v. Konsum. Die Angst am FIXPUNKT
Wie viele Rettungswagen fuhren zu diesen Klo's und wie oft kamen        treibt die Szene zurück auf die Klo's.
sie zu spät !? Bevor es den FIXPUNKT gab, hatte jede Toilette in der       Die Frage ist: Wann kehren die Toten zurück?
Innenstadt ihre Toten. Ich selbst kannte 3 Menschen, die auf dem
Klo vom HAM HAM oder Cafe Meffert ihr Leben beendeten.                                           Jürgen Bremert, Ilona Rowek, JES-Hannover
leben mit drogen                                  8
                                                       DROGENKURIER

                           Das Tabu: i.v. Konsum von
                                Substitutionsmitteln
                          Zusammenfassung und Kommentierung einer Erhebung
                                                   des Vereins Fixpunkt e.V.

Vorbemerkung: Die Tatsache, dass                      Fragebogen und Datenzugang                       Konsumdauer                        gesamt
es Substituierte gibt, die zur ora-
                                                      Es wurde erhoben, ob der/diejenige aktu-                                     Anzahl            %
len Verabreichung hergestelltes                       ell in einer ärztlichen Substitutionsbehand-
Methadon oder Polamidon sprit-                        lung ist.                                        bis 2 Jahre                   16              9,1
zen, ist unter Suchtmedizinern                            Diejenigen, die die Frage, ob sie jemals     >2-10 Jahre                   64             36,6
                                                      in ihrem Leben Methadon oder Polamidon
und in der Drogenhilfe ein offenes                                                                     >10-20 Jahre                  77             44,0
                                                      gespritzt hätten, mit „Nein“ beantwortet
Geheimnis. Bislang wurde aber                         haben, wurden nur noch befragt, ob sie           über 20 Jahre                 18             10,3
kaum ein Thema derartig tabui-                        jemals Subutex auf dem Schwarzmarkt er-
siert wie gerade dieser intravenö-                    halten haben. Danach war für diese Perso-        gesamt                       175             100,0

se Konsum von Substituten. Alles                      nengruppe das Interview beendet.
                                                          Hat jemand „Life-time“ -Erfahrung mit
geschah nach dem Motto „Was                           dem Spritzen von Substitutionsmitteln,           Methadon-          gesamt
nicht sein darf kann nicht sein“.                     wurde erfragt, ob in den letzten 30 Tagen        i.v. Konsum        (N= 175)
                                                      vor der Befragung Methadon oder Pola-
Aufgrund der weitgehenden Negierung                   midon intravenös konsumiert wurde. Nur                               Anzahl               %
dieses Umstands, stehen aktuell auch keine            mit denjenigen, die diese Frage mit „Ja“
                                                                                                       gesamt                100            57,1
wirklichen Schadensminderungs- und The-               beantworteten,wurde dann das Interview
rapiekonzepte zur Unterstützung und Be-               fortgesetzt.                                   Lebenszeitprävalenz i.v. Methadon-Konsum
handlung von DrogengebraucherInnen zur                    Die Befragung, bei der im Zeitraum No-
Verfügung, die fortgesetzt Substitutions-             vember 2004 bis März 2005 insgesamt 175
mittel spritzen.                                      Untersuchungsteilnehmer erreicht werden
   Der Verein Fixpunkt e.V. aus Berlin hat sich       konnten, wurde im Rahmen der Vor-Ort-          Erfahrungen mit dem Spritzen
nun an dieses Tabuthema herangewagt.                  Arbeit an fünf Treffpunkten von Drogenge-      von Substitutionsmitteln
   Im Zeitraum November 2004 bis März                 braucherInnen in Berlin durchgeführt.
2005 wurden an unterschiedlichen Treff-                                                              Fast sechs von zehn Befragten (100 von 175,
punkten von DrogengebraucherInnen in                  Geschlecht, Alter                              57,1 %) haben in ihrem Leben schon einmal
Berlin mittels kurzer, standardisierter Fra-          und Konsumdauer                                Methadon oder Polamidon injiziert.
gebögen insgesamt 175 Drogenkonsumen-
tInnen, unter ihnen 105 Substituierte,                Wie zu erwarten, überwogen Männer im Un-       Und wie sieht es mit der aktuellen Präva-
interviewt.                                           tersuchungskollektiv. [127 Männern (72,6 %)    lenz (i.v. Konsum von Substitutionsmitteln
   Ziel dieser Untersuchung ist anhand der            und 48 Frauen (27,4 %)]                        in den letzten 30 Tagen) aus?
Ergebnisse gezieltere Safer Use Empfeh-                  Das Durchschnittsalter der Gesamtstich-        Jeder vierte Befragte muss als aktuel-
lungen und weitergehende zielgruppen-                 probe fällt mit 33,8 Jahren recht hoch aus.    ler i.v. Konsument von Substituten einge-
spezifische Interventionen entwickeln zu              Männer 34,5 Jahre, Frauen 31,9 Jahre.          stuft werden. Der relative Anteil bezogen
können.                                                  Für die Gesamtstichprobe ergibt sich ein    auf das Gesamtkollektiv beträgt 26,9 %.
   Natürlich ist es an dieser Stelle nicht            eindeutiger Schwerpunkt auf der Kategorie         Bezogen auf diejenigen, die wenigs-
möglich die gesamte Untersuchung vorzu-               der Konsumdauer von mehr als 10 Jahren         tens ein Mal in ihrem Leben i.v. Substi-
stellen. Daher beschränken wir uns auf eine           bis 20 Jahren. Die Einsteiger-Kategorie „bis   tutionsmittel konsumiert haben, beträgt
wichtige Kernbereiche.                                2 Jahre“ ist mit 9,1 % sehr gering besetzt.    der relative Anteil sogar 47 %
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                                                                                                     9
                                                                                                          leben mit drogen

                                                         Substituierte spritzen am ehesten Sub-          Aidshilfe Information über Risiken des i.v.
                                                     stitutionsmittel, das sie vom Arzt erhalten         Konsums von Substitutionsmitteln auszu-
                                                     haben.                                              legen.
                                                         Fast genauso häufig werden von ihnen               Um Einfluss auf das Konsumverhalten
                                                     auch Substitutionsmittel von Freunden/Be-           von Substituierten, u. a. beim i.v. Konsum
                                                     kannten verwendet.                                  von Substitutionsmitteln und bei der Ver-
                                                         Nur 5 von 31 Substituierten haben an-           meidung von Drogennotfällen nehmen zu
                                                     gegeben, dass ihr Arzt weiß, dass sie ihr           können, gilt es die vom Netzwerk JES und
                                                     Substitutionsmittel spritzen.                       der Deutschen AIDS-Hilfe seit langem ge-
                                                         Eine Möglichkeit, die Risiken des               forderte Zulassung von Substituierten zu
                                                     Spritzens von Substitutionsmitteln zu               Drogenkonsumräumen erneut zu diskutie-
                                                     reduzieren, ist, das Spritzen von Substitu-         ren und entsprechende Rechtsverordnun-
                                                     tionsmitteln, die nicht mit einer Sirup/Zu-         gen zu verändern.
        Männer                     Frauen
                                                     ckerlösung versetzt worden sind. 89,3 % der            Für Substituierte mit fortgesetztem in-
Anzahl            %         Anzahl           %       Befragten gaben jedoch an, mit Sirup ver-           travenösem Beikonsum sollte die Möglich-
                                                     setztes Schwarzmarkt-Substitutionsmittel            keit zur Verschreibung von injizierbarem
  11             8,7           5            10,4     gespritzt zu haben..                                Methadon/Polamidon durch Änderung der
 43              33,9         21            43,8                                                         BtmVV eröffnet werden. Bereits seit vielen
                                                     Subutex/                                            Jahren steht L-Polamidon auch als Injek-
 59              46,5         18            37,6                                                         tionslösung in 2,5 mg/-5 mg Ampullen zur
                                                     Buprenorphin
  14             11,0          4             8,3                                                         Verfügung.
                                                     Es wurde erfragt ob Subutex/Buprenorphin               (Bereits 2001 hat Ambros Uchtenhagen
 127            100,1         48            100,1    in merklichem Maße außerhalb ärztlicher             in der Metaanalyse zur Verwendung von Me-
                                                     Substitutionsbehandlungen in Berlin kon-            thadon als Substitutionsmittel festgestellt,
                                                     sumiert wird. Es wurde festgestellt, dass ein       dass die Verabreichung von injizierbarem
        Methadon-              gesamt                sehr geringer Teil der Untersuchungsteil-           Methadon für eine bestimmte Gruppe von
        i.v. Konsum            (N= 175)              nehmer jemals Subutex über den Schwarz-             Substituierten in Erwägung gezogen wer-
                                                     markt erworben hat (14 von 175, 8 %).               den sollte).
                                Anzahl       %                                                              Uns als Interessenvertretung von ak-
                                                     Zusammenfassung                                     tuell und ehemals Drogen gebrauchenden
        Lebenszeitprävalenz        100       57,1
                                                     und Empfehlungen                                    sowie substituierten Menschen macht be-
        30-Tage-Prävalenz          47       26,9                                                         sonders nachdenklich, dass nur ein sehr
                                                     Eines vorweg, diese Studie ist nicht reprä-         geringer Anteil derer die ihr Substitut in-
        30-Tage-Prävalenz
                                                     sentativ. Es handelt sich beim befragten            travenös konsumieren mit ihrem Arzt hier-
        bezogen auf           47 von 100    47,0
                                                     Kollektiv um Substituierte, die auf öffent-         über sprechen können. Dies deutet auf ein
        Konsumerfahrene
                                                     lichen Szenetreffpunkten bzw. in Hilfs-             wenig ausgeprägtes Vertrauensverhältnis
                                                     einrichtungen angetroffen wurden und                zwischen Arzt und Patient hin.
                                                     vermutlich eine höhere Problembelastung                Wir wenden uns abschließend daher an
       Mischkonsum (Injektion von Substituti-        als die Gesamtheit aller Substituierten auf-        Sie als BehandlerIn und rufen Sie dazu auf
       onsmitteln mit Kokain und/oder Tablet-        weisen.                                             dazu beizutragen eine Basis zu schaffen,
       ten) wird von ca. einem Drittel der aktuell       Die Erhebung zeigt aber auch, dass das          dass der Patient/ die Patientin ohne Angst
       i.v. Substitutionsmittel-Konsumierenden       Spritzen von Substituten sich nicht auf Ein-        und Scham ein solches Thema ansprechen
       berichtet.                                    zelfälle beschränkt. Aber dies wussten wir          kann.
                                                     doch eigentlich sowieso, oder?                         Sprachlosigkeit und Bestrafung durch
       Bezugsquellen                                     Mit dieser Erhebung des Fixpunkt e.V.           Beendigung der Substitution ist jedenfalls
                                                     wurde ein maßgeblicher Beitrag dazu ge-             keine Lösung!!
       Diejenigen, die in den letzten 30 Tagen       leistet die Sprachlosigkeit und Tabuisierung
                                                                                                                                Quelle: Fixpunkt e.V.
       Substitutionsmittel gespritzt haben, wur-     in der Ärzteschaft sowie der Drogenhilfe
       den nach der Bezugsquelle des gespritzten     aufzulösen. Hierfür möchten wir den Mit-
                                                                                                                                        Dirk Schäffer
       Substitutionsmittels befragt. Es konnten      arbeiterInnen des Fixpunkt danken.
       Mehrfachangaben gemacht werden.                   Eine folgerichtige und angemessene Re-                Die Gesamterhebung ist u. a. auf den
          Nicht-Substituierte versorgen sich in      aktion wäre, über niedergelassene Arztpra-               Seiten des bundesweiten JES-Netzwerk
       erster Linie über den Schwarzmarkt.           xen und Einrichtungen der Drogen- und                           www.jes-netzwerk.de zu finden.
leben mit drogen 10                           DROGENKURIER

                                                                                             Unter der Moderation von Manfred Gesch
                                                                                          ließ ich im Rahmen einer Podiumsdiskus-
                                                                                          sion gemeinsam mit anderen Ehemaligen
                                                                                          oder aktuell Drogen gebrauchenden Men-
                                                                                          schen, 25 Jahre gemeinsame Drogenge-
                                                                                          schichte Revue passieren lassen.
                                                                                             Da sollte man nicht melancholisch
                                                                                          werden, aber als ich Abends durch Ahlen
                                                                                          schlenderte, fühlte ich mich Alt und bekam
                                                                                          eine Ahnung davon was es heißen könn-
                                                                                          te, wenn’s eines Tages mal nicht mehr so
                                                                                          doll geht, körperlich und überhaupt. Wohin
                                                                                          dann? Was tun?
                                                                                          Die einzelnen Vorträge hier darzulegen
                                                                                          würde den Rahmen dieses Artikels spren-
                                                                                          gen.

                                                                                            INFORMATIONEN ZUM
 „… when I'm 64 …“                                                                          FACHTAG UNTER
                                                                                             www.drobs-online.de

 Alt werden mit Drogen                                                                    Es war eine gelungene und Mut machende
                                                                                          Fachtagung .Es wird in dieser Richtung sehr
 Ein Bericht zum Fachtag „When I'm                                                        viel zu tun geben und auch die Selbsthil-
 sixty-four“ in der Stadtbücherei Ahlen                                                   fe wird sich Gedanken machen müssen und
                                                                                          Bündnispartner brauchen um Projekte wie
                                                                                          „Seniorenheime für Junkies“ durchsetzen
 Wir schreiben das Jahr 2024: ein               Doch muß man eigentlich nicht wirklich    zu können.
 beliebiges Alten – und Senioren-            gleich sooo schwarz sehen.                       Doch haben wir alle die Pflicht auch
 heim.                                          Vielmehr gibt es mir Mut und Kraft zu     dafür zu kämpfen, das immer mehr Leute
 Im Schwesternzimmer: „ jetzt                sehen dass Menschen Visionen von einem       an dieser Vision teilhaben können.
 klingelt der schon wieder, der will         besseren Leben für Drogengebraucher/             Es braucht vielleicht ein bißchen Mut zu
 was starkes für seine Schmerzen.            innen haben. Für ein menschenwürdiges        sehen was 25 Jahre Drogenpolitik für Dro-
 Das ist doch so ein alter Junkie, bei       Leben auch im Alter kämpfen.                 gengebraucher/innen gebracht haben um
                                                So wurde ich eingeladen zu der Fachta-    dann neue und manchmal steinige Wege
 dem müssen wir aufpassen was wir
                                             gung „Alt werden mit Drogen – when I'm       zu gehen.
 rausgeben an Medikamenten.“
                                             64“.                                             Die Kampagne zur Legalisierung die wir
 „Sooooo jetzt trinken wir schön
                                                Ich war augenscheinlich dazu einge-       als JES-Netzwerk zusammen mit unseren
 unseren Baldriantee, und beru-              laden worden, weil ich auch nicht mehr       Freunden gestartet haben schreit nicht
 higen uns und dann gehen wir                der Jüngste bin. Ich wurde von den Ver-      nach Heroin im Supermarkt aber sie schreit
 hübsch ins Bett.“                           anstaltern herzlich aufgenommen und die      sehr wohl nach Sofortmaßnahmen zur Sub-
 Sooo, den Tee schön geschlürft, ja?         ganze Atmosphäre war entspannt und lo-       stitution mit Originalstoffen zur Überle-
 Ab 23 Uhr ist unten abgeschlossen,          cker. Die Fachtagung war gleichermaßen       benshilfe. Und zwar jetzt!
 irren Sie nicht wieder im Haus um-          ein Art Rückblick auf 25 Jahre Drogenhilfe       Es macht mich traurig und zornig, dass
 her. Schlafen sie gut! Licht aus. …         und eine Vorschau auf neue Herausforde-      viele unserer Freundinnen und Freunde völ-
                                             rungen. Tatsache ist, Drogengebraucher/      lig sinnlos und unnötig sterben.
 Schweißgebadet schrecke ich aus mei-        innen leben länger als früher. So hat sich       Man hätte sie ganz leicht auch an un-
 nem Bett, die ersten Sonnenstrahlen fal-    die Jugend und Drogenberatung Warendorf      serer Vision vom „Alt werden mit Drogen“
 len durch die Jalousie und … Es war alles   die Aufgabe gestellt zu schauen, was heißt   teilhaben lassen können. …
 nur ein Traum.                              das „Alt werden mit Drogen“ ?                                           Frank Wiedtemann
DROGENKURIER
                                                                                                11
                                                                                                      leben mit drogen

Daten – Zahlen - Fakten –
Die „Drogensituation“ in
Deutschland
Der vorliegende Bericht zur Drogensitu-        „Problematischer“ Drogenkonsum                        ◆ es finden sich negative soziale Konse-
ation in Deutschland wird für die Europä-                                                              quenzen oder Delinquenz.
ische Beobachtungsstelle für Drogen und        Der Begriff „problematischer Konsum“ ist            Es bestehen zum Teil erhebliche methodi-
Drogensucht (EBDD) erstellt. Der Bericht       nicht einheitlich definiert. Allerdings liegen      sche Schwierigkeiten, die Daten aus be-
wurde von der Deutschen Referenzstelle für     für bestimmte Teilbereiche (z. B. für die Prä-      stimmten Erhebungssystemen oder Studien
Drogen und Drogensucht (DBDD) erarbeitet,      valenzschätzung der EBDD) Arbeitsdefiniti-          dahingehend zu bewerten, ob sie Aussa-
in der das Institut für Therapieforschung      onen vor. In der Regel wird Konsum dann als         gen über problematischen Konsum zulas-
(IFT), die Bundeszentrale für gesundheit-      problematisch bewertet, wenn mindestens             sen. Während bei Polizeidaten lediglich die
liche Aufklärung (BZgA) und die Deutsche       eines der folgenden Merkmale erfüllt ist:           höhere Aufgriffswahrscheinlichkeit von
Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) zusam-       ◆ der Konsum ist mit Risiken verbunden              Drogenkonsumenten als Hinweis auf pro-
menarbeiten.                                      (riskanter Konsum),                              blematischen Gebrauch interpretiert werden
   Aufgrund des immensen Umfangs des           ◆ es liegt ein schädlicher Gebrauch (F1x.1)         kann, werden in Umfragen Zusatzinformati-
Berichtes, ist es hier nur möglich einige         oder eine Abhängigkeit (F1x.2x) im               onen (Konsumhäufigkeit, Begleitumstände,
uns wichtig erscheinende Teilbereiche des         Sinne einer klinischen Diagnose (ICD             Diagnosekriterien) für eine entsprechende
Berichtes in gekürzter Form vorzustellen.         oder DSM) vor,                                   Differenzierung genutzt. Eine relativ sichere
   Der Gesamtbericht steht unter www.          ◆ es entstehen Schäden für andere Perso-            Zuordnung ist in Behandlungseinrichtungen
dbdd.de zur Verfügung.                            nen,                                             möglich, deren Mitarbeiter über eine spe-
                                                                                                                   zielle Ausbildung bzw. ent-
                                       Quelle                 Alter            Population          Absolut         sprechende Erfahrungen in
Drogenkonsum in                                                                                                    der Diagnostik solcher Fälle
der Bevölkerung                                           Lebenszeit-Prävalenz                                     verfügen.
                                            DAS ’04     12-17      15,7%         5.684.349           892.000
                                                                                                                       Neben den inhaltlichen
Der aktuelle Epidemiolo-                                                                                           und generellen methodi-
gische Suchtsurvey zum                      ESA ’03     18-59      25,2%        47.140.383        11.879.000       schen Schwierigkeiten bei
Gebrauch psychoaktiver                                                                                             der Bestimmung des proble-
                                 DAS ’04 + ESA ’03      12-59     24,2%         52.824.732        12.772.000
Substanzen in Deutschland                                                                                          matischen Konsums bestehen
wurde 2003 durchgeführt.                                  12-Monats-Prävalenz                                      spezifische Schwierigkeiten
Er zeigt, dass 25,2 % der                                                                                          bei der Datenerhebung zu
befragten 18- bis 59-jähri-                 DAS ’04     12-17     10,4%          5.684.349           591.000       illegalen Drogen. Eine Reihe
gen Erwachsenen mindes-                     ESA ’03     18-59       7,3%        47.140.383         3.441.000       von Untersuchungen zeigt,
tens ein Mal in ihrem Leben                                                                                        dass Konsumenten „har-
illegale Drogen konsumiert       DAS ’04 + ESA ’03      12-59       7,6%        52.824.732         4.032.000       ter Drogen“ in Befragun-
haben (2000: 21,8 %). Män-                                                                                         gen dazu neigen, lediglich
                                                           30-Tage-Prävalenz
ner verfügen mit 31,3 %                                                                                            den Konsum von „weichen“
(2000: 25,4 %) über deut-                   DAS ’04     12-17       2,5%         5.684.349           892.000       Drogen, wie z. B. Haschisch,
lich mehr Drogenerfahrung                                                                                          richtig anzugeben, dagegen
                                             ESS ’03    18-59       3,9%        47.197.636         1.180.000
als Frauen mit 18,9 % (2000:                                                                                       aber die Verwendung z. B.
18,1 %). In der Altersgruppe     DAS ’04 + ESA ’03      12-59       3,7%        52.910.625         1.983.000       von Heroin verneinen oder
von 21 bis 24 Jahren ist die                                                                                       die Konsumhäufigkeit und
Erfahrung mit 45,1 % am        Quelle: DAS 2004 (BZgA 2004a); ESA 2003 (Kraus, Augustin & Orth 2005) Statistisches Dosierung nach unten kor-
weitesten verbreitet.          Bundesamt 2005 (Stand 31.12.2004), Zahlen gerundet                                  rigieren.
leben mit drogen 12                                DROGENKURIER

 Ergebnisse der Prävalenz-                        Drogenbezogene Todesfälle                      Infektionskrankheiten bei
                                                  und Mortalität von
 schätzungen (Heroin)                             Drogenkonsumenten                              Drogenkonsumenten
 Berechnungen auf der Basis von Zahlen aus        Die Überdosierung von Heroin stellt die häu-   HIV
 Behandlung, Polizeikontakten und Dro-            figste Todesursache (2004: 56 %; 2003: 41 %;
 gentoten führen zu einer Schätzung der           2001: 48 %) dar. Diese Kategorie beinhaltet  Drogenkonsumenten sind die zahlenmäßig
 Zahl problematischer Konsumenten von He-         sowohl Todesfälle, bei denen Heroin als ein- viertgrößte Risikogruppe für HIV Infektio-
 roin zwischen 70.000 und 172.000 Perso-          zige Droge nachgewiesen wurde, auch die      nen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts
 nen. Dies entspricht einer Rate von 1,6 bis      Fälle, bei denen neben Heroin noch andere    kommen aus der Gruppe der injizierenden
 3,0 Personen pro 1000 Einwohner im Alter         Drogen bekannt wurden. Im Gegensatz zur      Drogengebraucher 5,8 % der Personen mit
 von 15 bis 64 Jahren.                            Gesamttrend hat sich diese Zahl von 722 im   einer HIV-Erstdiagnose (2004: 103 von 1779).
                                                                                                               Dieser Wert lag bis zum Jahr
                                                                                                               2000 noch bei 10 % (2000:
  Methode                    1995              2000                 2003                2004         Anteil    171 von 1.696).
  basiert auf der                                                                                 pro 1000         Bei den neu an AIDS Er-
  Datenquelle                                                                                       (18-64)    krankten lag der Anteil der
                                                                                                               Personen mit dem Infek-
  Behandlung           78.000-124.000 166.300-198.000 109.000-177.000 102.000-164.000 1,8-2,9                  tionsrisiko „intra-venöser
                                                                                                               Konsum“ 2004 bei 8 %. Die-
  Polizeikontakte      131.000-142.000 153.000-190.000 144.000-182.000 136.000-172.000 2,4-3,0
                                                                                                               ser Wert schwankt regional
  Drogentodesfälle 78.000-104.000 127.000-169.000              92.000-123.000      68.000-91.000     1,2-1,6   jedoch recht deutlich. Ein
                                                                                                               relativ hoher Anteil zeigte
                                                                                                               sich in mittelgroßen Städ-
 Konsumverhalten                                Vorjahr auch  2004  auf 781 erhöht. Der Anteil ten  im Westen  Deutschlands:  In Augsburg,
                                                der Personen, bei denen Substitutionsmit- Bremen und Freiburg betrug der Anteil der
 In der nachfolgenden Tabelle ist die über- tel/Medikamente/Betäubungsmittel und Al- i.v. Drogenkonsumenten an den AIDS-Fällen
 wiegende Konsumform für verschiedene kohol die Todesursache waren, liegt 2004 bei jeweils rund ein Drittel, während er in Städ-
 Substanzen dargestellt. Heroin wird in etwa 25 %. Die Absolutzahl dieser Fälle hat sich ten wie Hamburg und Frankfurt trotz höhe-
 drei Viertel der Fälle vorwiegend injiziert. damit von 2003 mit über 600 Todesfällen auf rer absoluter Zahlen lediglich bei 10 % bzw.
 Dieses Konsummuster findet sich ebenfalls, 340 Fälle im Jahr 2004 deutlich verringert. 15 % lag (Robert Koch-Institut 2005).
 wenngleich deutlich weniger verbreitet, bei Im Vergleich zu 2002 ist der Anteil der Todes-        Nutzer von Frankfurter Konsumräumen
 Codein und Kokainkonsumenten. Bei allen fälle unter Kokaineinfluss von 6 % auf 12 % weisen eine HIV-Infektionsrate von 8,6 %
 anderen Substanzen wird überwiegend oral angestiegen, wobei auch die absolute Zahl auf (Simmedinger & Vogt 2005).
 konsumiert bzw. geraucht.                      dieser Fälle zugenommen hat.                       Insgesamt lässt sich feststellen, dass
                                                                                               i.v. Drogenkonsum bei weniger als 10 % der
                            Applikationsform                                                   Neuinfizierten die wahrscheinliche Infek-
                                                                                               tionsursache war und dass in der Regel we-
  Substanz                  Injektion Rauchen       Oral Schnüffeln Andere Gesamt
                                                                                               niger als 5 % der i.v. Konsumenten im Jahr
  Heroin           2003       70,2 %     17,6 %      1,6 %       9,6 %      1,1 %     16.181   2004 HIV-positiv waren. Bei stark margina-
                                                                                               lisierten Gruppen kann dieser Wert jedoch
                   2004       66,6 %    23,8 %       3,7 %       5,0 %      1,0 %     11.649
                                                                                               auch bis zu 9 % betragen. Wegen der einge-
  Methadon         2003         3,3 %     3,1 %     93,0 %       0,2 %      0,4 %      8.298   schränkten Datenbasis kann diese Aussage
                   2004        3,6 %      1,8 %     92,1 %       0,2 %      2,2 %      4.356   jedoch nur vorläufig sein.

  Andere Opiate    2003      21,1 %      8,3 %       64,3 %      4,2 %      2,2 %      2.509
                                                                                                 Virushepatitiden
                   2004      15,2 %       7,7 %      72,0 %      0,8 %      4,2 %       880
                                                                                                 Im Jahr 2004 wurden 2.751 Fälle von aku-
  Kokain           2003      33,8 %     19,8 %         1,7 %    38,8 %      5,9 %     8.049
                                                                                                 ter Hepatitis B im Rahmen des Meldever-
                   2004      34,3 %     26,3 %         1,7 %    30,2 %      7,5 %      5.468     fahrens an das IfSG übermittelt. Hiervon
  Crack            2003      17,9 %     47,5 %        2,5 %      31,7 %     0,4 %      1.344     entsprachen 1.260 Fälle (46 %) der Refe-
                                                                                                 renzdefinition, die als Basis der vom Ro-
                   2004       8,7 %     65,3 %        4,0 %      19,7 %     2,3 %        173
                                                                                                 bert Koch-Institut veröffentlichten Zahlen
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                                                                                       13
                                                                                            leben mit drogen

dient. Die Inzidenz für Hepatitis B lag im Drogenkonsumräume                               Erstmalig polizeiauffällige
Jahr 2004 bei 1,5 pro 100.000 Einwohner.                                                   Drogenkonsumenten
    Bezüglich möglicher Übertragungswege Seit Anfang 2003 werden die Konsumvor-
wurde bei Hepatitis B-Fällen 138 Mal ein i.v. gänge in den vier Konsumräumen in Frank- Neben Angaben zu Rauschgiftdelikten ver-
Drogenkonsum in den sechs der Diagnose furt nach einem einheitlichen Verfahren öffentlicht das Bundeskriminalamt auch
vorangegangener Monate (entsprechend 7% dokumentiert. Ergebnisse für das Jahr 2004 Statistiken zu Personen, die erstmalig im
der Fälle mit Angaben zum möglichen Über- wurden von Simmedinger & Vogt (2005) Zusammenhang mit harten Drogen polizei-
tragungsweg) genannt.                          vorgelegt. Sie beziehen sich auf 142.509 auffällig wurden.
    Im Jahr 2004 wurden 8.998 Erstdiagno- Konsumvorgänge (3 % weniger als im Vor-
sen von Hepatitis C übermittelt (2003: 6.914 jahr), die etwa 3.660 Personen zugeordnet Die Gesamtzahl erstauffälliger Drogen-
Erstdiagnosen). Für Hepatitis C lag die Inzi- werden konnten. Es handelt sich überwie- konsumenten ist 2004 mit 21.100 ge-
denz von Erstdiagnosen 2004 bei 10,9 pro gend um Männer (81 %), konsumiert wer- genüber dem Vorjahreswert von 17.937
100.000 Einwohner. Eine Differenzierung den vor allem Heroin (32 %), Crack (18 %) um 17,6 % gestiegen.
zwischen akuter bzw. chronischer Hepa- oder beides (24 %). Die Anbindung der Nut-
titis C Infektion unter den Fallmeldungen zer an das Hilfesystem ist recht gut. 48 % Die Zahl der Heroinfälle ging leicht zurück
ist im Rahmen des Meldeverfahrens derzeit waren innerhalb der letzen 30 Tage in ärzt- (2004: 5.324; 2003: 5.443), während für
nicht möglich.                                 licher Behandlung, 75 % waren im Kontakt- alle anderen „harten“ Substanzen ein Zu-
    Unter den Fällen von Hepatitis C wurde laden oder im Krisenzentrum.                    wachs von mehr als 10 % registriert wurde:
ein i.v. Drogenkonsum zu irgendeinem Zeit-        Für Crackkonsumenten wurde in Frank- Ecstasy (2004: 3.907; 2003: 3.352); Kokain
punkt in der gesamten Vergangenheit 2.438 furt ab dem 1. September 2003 ein Rauch- (2004: 4.802; 2003: 4.346) und Ampheta-
Mal (entspricht 37 % der Fälle mit Angaben raum eingerichtet, mit dem man diese min (2004: 9.238; 2003: 6.588).
zum möglichen Übertragungsweg) genannt Gruppe gesundheitlich stabilisieren wollte.
und stellte die am häufigsten genannte Ex- Eine Evaluation über den Zeitraum vom 1.7. Reinheit illegaler Substanzen
position dar. In der Gruppe der 20 bis 29- bis 31.12.2004 zeigt dass 1.437 Konsum-
jährigen, männlichen Fallpersonen wurde vorgänge, die in dieser Zeit in dem Raum Grundlage der Angaben zum Wirkstoffge-
i.v. Drogenkonsum 1.088 Mal (71 % dieser stattgefunden haben. Die Besucher sind halt von Amphetamin, Ecstasy, Heroin und
Fallmeldungen) genannt.                        im Durchschnitt 34 Jahre als, der Frauen- Kokain ist das „Statistische Auswertungs-
    Zusammenfassend kann für i.v. Drogen- anteil ist mit 39 % relativ hoch. Nur sehr programm Rauschgift 2004“ (Zerell et al.
konsumenten in Deutschland für Hepati- wenige Besucher kommen so häufig, dass 2005) sowie das „Bundeslagebild Rausch-
tis B eine Antikörperprävalenz („Durchseu- eine Anbindung möglich erscheint. Die re- gift 2004“ (BKA 2005)
chungsrate“) von 40-60 %, für Hepatitis C lativ knappen Öffnungszeiten – Montag               Die folgende Tabelle bietet eine Über-
von 60-80 % geschätzt werden. Trotz un- bis Freitag von 9.00 bis 15.00 Uhr – tra- sicht über die Entwicklung der Wirkstoffge-
befriedigender Datenlage muss man fest- gen dazu möglicherweise bei. Entgegen der halte für Amphetamin, Kokain und Heroin
stellen, dass eine sehr hohe Antikörper- ursprünglichen Erwartungen, gab es nur seit 1996. Mit gewissen Schwankungen ist
prävalenz der i.v. Drogenkonsumenten mit wenig Probleme durch aggressives Verhal- ein Rückgang des Wirkstoffgehalts über
Hepatitis B- und Hepatitis C-Antikörpern ten intoxikierter Besucher.                       diesen Zeitraum bei Straßenkokain deut-
besteht. Drogenkonsumenten sind von                                                        lich erkennbar:
Neuinfektionen stark betroffen
und spielen damit eine zentrale
Rolle bei der Ausbreitung die-      Wirkstoffgehalt verschiedener Drogen von 1996 bis 2003 (Median)
ser Infektionen. Der Zusam-
                                                             1996 1997       1998    1999     2000     2001   2002 2003 2004
menhang zwischen Konsum-
dauer, Alter und HCV-Infektion
weist auf die Notwendigkeit         Amphetamin               10,0    10,0      9,4     7,0       3,3     5,0     6,0      7,5    7,9
hin, Drogenkonsumenten mög-
lichst früh auf Infektionsrisi-     Kokain Straßenhandel 46,8        50,7     40,2    49,4      35,5    42,6    38,5    32,0    34,5
ken hinzuweisen und zu einem
risikoärmeren Konsum zu moti-       Kokain Großhandel        77,3    79,4     74,3    69,1     69,1     73,0    73,9    76,7    75,0
vieren. Dabei ist nicht nur in-
travenöser Konsum relevant,         Heroin Straßenhandel 13,4           9        9     9,4      11,1    12,0     9,9      17    19,9
sondern jegliche gemeinsame
Benutzung von Hilfsmitteln          Heroin Großhandel        46,4    31,9      20     29,2      35,1    45,8      27      7,3 48,8
(vgl. Eve & Rave 2005).
neue medien 14                DROGENKURIER

                                      ‚JES Medikamenten-
Heroin

Für 2004 wurden 4.131 Proben von

                                        schachteln‘ – „der
Heroin hinsichtlich ihres Wirk-
stoffgehaltes ausgewertet. Wäh-
rend das Straßenheroin auch in
diesem Jahr wieder zwischen 10
und 20 % Wirkstoffgehalt aufwies,
hat sich der Wirkstoffgehalt von
Proben im Großhandel 2004 stark
erhöht. Ursache für die untypische
                                      Renner“ schlechthin
Situation des Vorjahres, nämlich
dass Straßenheroin einen höhe-
ren Wirkstoffgehalt als Heroin auf
Großhandelsniveau hatte, ist der
                                                 Dirk Schäffer
hohe Anteil, den Proben aus Ber-
lin unter den Beschlagnahmun-
gen aus Straßenhandel hatten.
Da dort der Wirkstoffgehalt deut-
lich höher ist als in den anderen
Teilen Deutschlands, führt diese
Selektion zu dem entsprechenden                                        Mit der „Medikamenteninforma-
Ergebnis.                                                               tion“ auch besser bekannt als
   Unter den Verschnittstoffen der                                       „Beipackzettel“, als letzter Teil
3.964 ausgewerteten Proben fan-                                       einer 3-teiligen Medienserie zur
den sich vor allem Coffein (99 %),                               Unterstützung der Öffentlichkeit- und
Paracetamol (97 %) und Griseoful-                                Lobbyarbeit des JES-Netzwerks, scheint
vin (9,5 %), bei den Zusätzen fand                               der JES-Sprecherrat genau „ ins Schwar-
sich Lactose (2,5 %) am häufigs-                                 ze“ getroffen zu haben.
ten.                                                                Viele positive Rückmeldungen bestä-
                                                                 tigen ein hohes Maß an Kreativität und
                                                                 Praxistauglichkeit.
Kokain                                                              Mit diesem Medium wurde die farbli-
                                                                 che und grafische Gestaltung der beiden
Für das Jahr 2004 wurden 3.839                                   anderen zur Serie gehörenden Medien
Kokainproben ausgewertet. Koka-                                  aufgegriffen. In einem kurzen Text, bzw.
in kommt überwiegend als Hy-                                     mit Stichworten gelang es die Inhalte,
drochlorid auf den Markt. Kokain-                                Strukturen und Ziele des bundesweiten
Hydrochlorid und Kokain-Base                                     JES-Netzwerks vorzustellen.
werden hier jedoch gemeinsam                                        Dieses neue Medium erhält zusätz-
dargestellt.                                                     liche Attraktivität dadurch, dass die
   Im Straßenhandel lag der Wirk-                                Informationen zum JES-Netzwerk mit
stoffgehalt im Zeitraum von 2000                                 Anliegen der Prävention verbunden
bis 2004 bei rund 40 % mit leicht                                werden können. (Befüllung mit Spritze,
rückläufiger Tendenz.                                            Nadel etc.)
   Bei den Zusätzen wurde bei
2.517 Proben Lidocain (28 %), Phe-                               Die „Medikamenteninforma-
nacetin (36 %), Coffein (7 %), Pro-                              tion“ inkl. Schachtel können
cain (2 %) und Paracetamol (1,4 %)                               ebenso wie das Poster sowie
festgestellt, bei den Verschnitt-                                die Broschüre „JES Innen-
stoffen Lactose (51 %), Mannit                                   ansichten“ kostenfrei unter
(18 %), Inosit (6 %), Glucose (4 %)                              Dirk.Schaeffer@dah.
und Saccharose (4 %).                                            aidshilfe.de bestellt werden.
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                                                                                         15
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Neue Produkte der DAH
                                            Schütz dich vor
                                            HIV und HEP
                                            Die hohe Prävalenz von HCV Infektionen
                                            bei intravenös Drogen gebrauchenden
                                            (60–90 %) stellt in der Prävention tätige
                                            vor große Probleme. Besorgniserregend
                                            ist ferner die hohe Anzahl von HCV Ko-
                                            infektionen bei HIV infizierten Drogen-
                                            gebraucherInnen.
                                                Bisher war unser Konzept der Risi-
                                            kominimierung und Infektionsvermei-
                                            dung durch Vermittlung von Safer Use
                                            Botschaften für das Thema HIV sehr er-
                                            folgreich.
                                                Um dies auch für die Folgezeit zu ge-
                                            währleisten fand mit der Realisierung
                                            dieser Serie eine Anpassung dieser Bot-
                                            schaften an aktuelle Bedarfe statt.
Handbuch „Drogen,                               Um dem leicht rückläufigen Interesse
                                            am Thema HIV/Aids nach vielen Jahren
HIV/Aids, Hepatitis“                        erfolgreicher Arbeit in diesem Bereich
wieder erhältlich                           entgegenzuwirken und das bestehende
                                            Informationsdefizit zum Thema Hepa-
                                            titis C zu minimieren wurde in Zusam-
Das Handbuch „|DROGEN|HIV/AIDS|             menarbeit mit dem JES-Netzwerk diese
HEPATITIS|“ ist ab sofort wieder verfüg-    dreiteilige Serie mit dem Titel „Schütz
bar. Dieses Handbuch versteht sich als      dich vor HIV/HEP“ konzipiert.
Standardnachschlagewerk für all dieje-          Im Mittelpunkt steht hierbei die Er-
nigen, die in der AIDS- und Drogenhilfe     weiterung der Präventionsbotschaften
arbeiten bzw. dort arbeiten wollen, einen   für DrogengebraucherInnen in Richtung
ehrenamtlichen Zugang oder ein Betrof-      „Hygiene“ und „Blutbewusstsein“ u. a.
feneninteresse an bestimmten Inhalten       durch die Fokussierung auf infektions-
und Informationen haben.                    relevante Alltagsgegenstände.
   Das Handbuch bietet sowohl theore-           Darüber hinaus wird per Grafik und
tische, historische, politische aber vor    Text auch auf die Wichtigkeit des The-
allem praxisorientierte, medizinische       mas Kondomgebrauch hingewiesen.
und juristische Informationen zur Unter-        Die Broschüre greift die Botschaften
stützung der Arbeit mit Drogen gebrau-      der Poster auf und ergänzt diese durch
chenden, von HIV/AIDS und Hepatitis         erläuternde aber kurze Textbotschaften.
bedrohten und betroffenen Menschen.             Diese Broschüre ist der Beginn der Re-
Als „Nachfolger“ des Beratungsführers       alisierung von Medien die Alternativen
AIDS und Drogen gibt das Medium Ein-        zu den bisher bekannten Präventions-
blicke u. a. in methodische und politi-     materialien der DAH für Drogengebrau-
sche Veränderungen der letzten 10 Jahre     cherInnen bieten sollen und sich durch
und verliert hierbei nicht den Blick für    wesentlich weniger Text auszeichnen.
zukünftiges.                                                             Dirk Schäffer
DROGENKURIER
                                                                                        17
                                                                                              veranstaltungen

Die Münchner AIDS-Tage 2006
               Insgesamt 1700 Teil-      Virustatika                                         gemeinmedizin mit Schwerpunkt Sucht-
               nehmer aus mehr als                                                           medizin bei den 11. Münchner AIDS-
zehn Ländern besuchten am Wo-            können                                              Tagen.
chenende die 11. Münchner AIDS-          Drogenrausch                                            Besonders häufig träten Wechsel-
Tage. Die Tagung stellt einen Mix                                                            wirkungen zwischen Partydrogen und
aus Wissenschaft, Fortbildung, Dis-      verstärken                                          nicht-nukleosidischen Reverse-Trans-
kussionsforen und Familientreffen                                                            kriptase-Hemmern (NNRTI) und Protea-
der HIV/Aids-Behandler-Szene dar.        Viele HIV-Infizierte                                se-Hemmern (PI) auf. Denn PI und NNRTI
   Außer Ärzten und Pflegeperso-         konsumieren Ecstasy,                                erhöhten in Kombination mit Partydro-
nal waren auch alle anderen mit dem                                                          gen die Konzentrationen der Nerven-
                                         Amphetamine oder
Krankheitsbild befaßten Berufsgrup-                                                          botenstoffe Serotonin, Dopamin und
pen vertreten: Sozialarbeiter und        Cannabis/Wechsel-                                   Noradrenalin und wirkten damit syner-
Lehrer, Psychologen und Theologen,       wirkungen mit                                       gistisch zu den Drogen.
Juristen und Soziologen. Auch Pa-        antiviralen Mitteln                                     Statt besserer Kontaktfähigkeit, kör-
tienten und ihre Interessenvertreter                                                         perlichem Wohlbefinden und gesteigerter
aus Aids- und anderen Selbsthilfe-       Ärzte Zeitung, 07.02.2006 ■ Partydro-               sexueller Lust erlebten die Drogen-Kon-
Gruppen waren vor Ort.                   gen und die Wirkstoffe einer antiretro-             sumenten dann häufig Angstzustände,
   Die Prävention gehörte noch weit-     viralen Therapie (ART) gegen HIV haben              Derealisation mit manchmal lebensbe-
aus stärker als sonst zu den thema-      viele Wechselwirkungen. Das kann die                drohlichen Folgen, Aggressivität, Depres-
tischen Schwerpunkten der Tagung.        Wirksamkeit von ART mindern, aber                   sivität oder Schlafstörungen.
Denn die Rate der HIV-Neuinfekti-        auch zu gefährlichen, manchmal le-                      So verstärkten NNRTI und PI in unter-
onen im Jahr 2005 in Deutschland         bensgefährlichen Effekten der psycho-               schiedlichem Maße die Effekte von Ecs-
hat überraschend von etwa 2000           tropen Substanzen führen.                           tasy, Amphetaminen wie Ice, Crystal oder
pro Jahr um etwa 25 Prozent, vor                                                             Speed, aber auch von Ketaminen und
allem bei schwulen Männern, zu-                                                              Benzodiazepinen. Bei der Kombination
genommen. Die besseren Behand-                                                               von Cannabis mit Atazanavir, Lopina-
lungsmöglichkeiten, eventuell auch                                                           vir oder Fosamprenavir hätten Patien-
die Aussicht auf Heilung in den                                                              ten über schwere Amnesien berichtet,
nächsten zehn Jahren, das heißt,                                                             vergleichbar den Symptomen bei einem
der Wegfall des Dramas Sterben und                                                           Alkohol-Vollrausch. Zudem könnten Dro-
Tod, haben ganz offenbar die über                                                            gen die Wirkspiegel der NNRTI senken
viele Jahre erfolgreiche Prävention                                                          und damit Resistenzen fördern.
unterminiert. Dem früheren Schock                                                                Gölz rät, Patienten auf die gefährli-
bei einer Neuinfektion ist oft ein       Ecstasy-Tabletten werden häufig von jungen          chen Wechselwirkungen hinzuweisen.
cooles nonchalantes Verhalten bei        Leuten aus der Partyszene konsumiert.               Ist Abstinenz nicht möglich, sollten Pa-
neuen Patienten gewichen.                                                   Foto: dpa        tienten die Drogen erst einmal in hal-
   Älter werden mit Aids. Ein durch                                                          ber Dosis zu Hause ausprobieren. Bei
die Behandlungserfolge jetzt re-         Jeder HIV-Infizierte sollte bei der Thera-          Konsum sollte eine vertraute Person zu-
levantes Thema. Die normalen Er-         pie grundsätzlich auf den Konsum von                gegen sein. Es sollte nur eine Sorte von
krankungen der Alterspyramide,           Partydrogen angesprochen werden, for-               Drogen verwendet werden, und die Pa-
vor allem Malignome und Herz-            dert Dr. Jörg Gölz aus Berlin. Das gelte            tienten sollten möglichst wenig Alkohol
Kreislauf-Erkrankungen, erreichen        vor allem für junge, schwule Männer, die            trinken, da größere Mengen zu zusätz-
– anders als früher – jetzt auch viele   häufig in der Partyszene aktiv sind, aber           lichen, unkalkulierbaren Risiken füh-
HIV-Patienten. Nicht-Raucher-Trai-       auch für substituierte Patienten mit zu-            ren.
ning und zunehmend auch die Be-          sätzlichem Drogenkonsum. Das Problem
handlung bei Übergewicht sind neue       werde unterschätzt, so der Arzt für All-
Aufgaben der HIV-Behandler.
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