Ein Kreuz für Gesundheit - aok-bw-presse.de
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1/2021 AOK BADEN-WÜRTTEMBERG w w w Ein Kreuz für Gesundheit Im März wird in Baden-Württemberg gewählt. Welche Themen Priorität auf der gesundheitspolitischen Agenda haben, steht schon fest 22 ALTER & Das »stambulante« Wohnen in 29 STUTTGART Das Omnibusgesetz GVWG soll PFLEGE Wyhl will in die Regelversorgung & BERLIN am Ende der Legislatur alles richten
Seite 2 INHALT 08 16 20 04 TREFFPUNKT Nachrichten, Positionen, Meinungen aus dem Gesundheitswesen 08 SEISMOGRAF In der nächsten Legislaturperiode muss Gesundheit in den Fokus 12 GESUNDHEIT & VERSORGUNG In Calw entsteht ein leuchtendes Beispiel für die Zusammenarbeit 2.0 Landtagswahl: Ein Kreuz Digitalisierung: Die Selbst- Vorreiter DiGA: Seit Oktober für die Gesundheit verwaltung will Fortschritt gibt es Apps auf Rezept 14 HIER & JETZT Modellprojekte und Erfahrungen aus Baden-Württemberg 16 STANDPUNKT Der Verwaltungsrat der AOK Baden- Württemberg bezieht Stellung 18 PRÄVENTION & INNOVATION Mit gezielten Maßnahmen gegen die Volkskrankheit Rückenschmerz ZAHL DER AUSGABE 20 VERSORGUNG & IT Digitale Gesundheitsanwendungen gibt es jetzt auf Rezept 22 ALTER & PFLEGE Das „stambulante“ Wohnen in Wyhl will in die Regelversorgung Erstwählerinnen 24 RECHT & GESUNDHEIT und Erstwähler Die EU hat für vieles Strategien – auch für die Arzneimittelversorgung Zur Neuwahl des 17. Landtags am 14. März sind nach einer Schätzung des Statistischen 26 REDE & ANTWORT Landesamtes voraussichtlich rund Medizinethikerin Dorothee Dörr will 7,7 Millionen Baden-Württembergerinnen und mehr Rechtssicherheit für die Triage Baden-Württemberger wahlberechtigt. Diesmal sind in den 70 Wahlkreisen rund 500.000 Erstwählerinnen und Erstwähler auf- 28 GESUNDHEIT & WIRTSCHAFT gerufen, ihre Stimme einem der rund 120 zu Der Mittelabfluss aus dem Südwesten wählenden Abgeordneten zu geben. durch das GKV-FKG ist enorm 30 WEBSNACKS & TERMINE Was macht eigentlich das ECDC und welche Gesundheitsapps trenden? 31 AUS & EINSICHT Dajana Radovanlija ist überzeugte Nutzerin der App„Meine AOK“ IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: AOK Baden-Württemberg, Presselstraße 19, 70191 Stuttgart; Verlag: KomPart Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Rosent haler Straße 31, 10178 Berlin; Geschäftsführer: Frank Schmidt, Martin Gosen; C reative D irector: Sybilla Weidinger; Redaktionelles Konzept: Robin Halm, Anne Wäschle; Koordination: Stefan Rösch; Chefredaktion: Anne W äschle (awa), Telefon: 030 22011 121; Redaktion: Anette Frisch (af), Stephan Funk (stef), Grit Horn (gh), Ines Körver (ink), Michael Lang (ml), Fabian Obergföll (fob), Stefan Rösch (srö), Anja Schnake (as); Grafisches Konzept und Umsetzung: Katharina Doering; Nachdruck oder Weiterverwendung von Inhalten nur mit Genehmigung des Herausgebers. Der Redaktionsschluss für die Ausgabe 01/2021 war der 12. Januar 2021. Nächster Redakt ionsschluss: 12. März 2021. Adressänderungen per E-Mail an agendagesundheitmagazin@bw.aok.de IDENT.-NR . 21- 0055 1/2021
S ietiet e3 3 R UEBI RN IBKLNI AC M Se KE Bild: Privat mit Genehmigung des Zentralen Impfzentrums Heidelberg Dame sticht Anke Gaber übernimmt Verantwortung. Die AOK-Mitarbeiterin ist gelernte Arzthelferin und hat sich freiwillig zum Einsatz im Zentralen Impfzentrum Heidelberg gemeldet. Neben ihrem Virus Vollzeitjob beim Arztpartnerservice der AOK Baden-Württemberg trägt sie in zwei Schichten die Woche feiertags und an den Wochenenden ihren Teil dazu bei, den Vormarsch der Coronaviren im Südwesten zu bremsen. 1/2021
Seite 4 TREFFPUNKT MENSCH MIT MISSION S P Ä TA U S L E S E »Medizin nach Maß« UNZENSIERTER GEDANKEN Immer mehr Patienten werden mit individuell abgestimmten Therapien behandelt. Die Folge sind höhere Heilungschancen und weniger Nebenwirkungen »Der Klima »Das Die personalisierte Medizin hat einen Paradigmenwechsel wandel ist schon herkömmliche eingeleitet. Im klinischen Alltag geht es nicht mehr dar- seit Alexander um, jede Patientin und jeden Patienten mit der gleichen Di- Konzept, ein Medikament agnostik und Therapie für eine bestimmte Erkrankung zu von Humboldt behandeln. Im Mittelpunkt steht vielmehr, wie auf die in- oder eine dividuellen Gegebenheiten und insbesondere auf die gene- bekannt. Doch Chemotherapie tischen Prädispositionen eingegangen werden kann. Jeder wirklich soll dabei die passende Therapie zum bestmöglichen Zeit- für alle Patienten, geht punkt und mit der optimalen Dosierung erhalten. In der getan hat sich personalisierten Medizin ist die Therapie „tailormade“, al- nicht mehr so auf den Einzelfall zugeschnitten. Die Folge sind höhe- im Bewusst auf« re Heilungschancen und weniger Nebenwirkungen. Ihren sein eigentlich Ursprung hat die personalisierte Medizin in der Onkolo- Professor Nisar Malek gie. „Tumore haben, genetisch betrachtet, häufig sehr un- nichts. Erst seit terschiedliche Ursachen. Daher sind unterschiedliche The- Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin rapieansätze notwendig“, sagt Professor Nisar Malek. Der die Zusammen am Universitätsklinikum Tübingen Ärztliche Direktor der Abteilung für Gastroenterologie, He- hänge zwischen patologie und Infektionskrankheiten des Universitätsklini- kums Tübingen leitet auch das Zentrum für Personalisier- Klimawandel te Medizin (ZPM), ein Zusammenschluss der Universitäten Tübingen, Freiburg, Heidelberg und Ulm. Malek ergänzt: und Gesundheit „Die Prinzipien der personalisierten Medizin werden bei immer deut immer mehr Krankheitsbildern angewandt, beispielsweise bei immunologisch bedingten Erkrankungen wie Rheuma licher werden, oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.“ In Tü- schaffen wir es, bingen wurden sogenannte molekulare Tumorboards etab- liert: In den interdisziplinären Meetings besprechen Exper- die Menschen tinnen und Experten aus Molekularbiologie, Humangenetik zu erreichen« Bild: Verena Müller und Bioinformatik spezifische Therapien für einzelne Pati- enten. Etwa auf Basis des genetischen Tumorprofils. Das bedeutet neue therapeutische Möglichkeiten Dr. Robin Maitra für die Patienten, bei denen früher die Therapie Mitglied der Allianz ausgereizt war. srö medizin.uni-tuebingen.de Klimawandel und Gesundheit Prof. Dr. Nisar Malek Nisar Malek ist seit 2011 Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin I am Uniklinikum Tü- bingen. Er promovierte am Institut für Mole- kularbiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Nach Forschungsjahren am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle kehrte er 2001 zurück und folgte 2008 einem Ruf der MHH auf die Profes- Bild: K. Doering sur für Zellproliferationskontrolle. 1/2021
Seite 5 TREFFPUNKT UMFRAGE WAS BRAUCHT DAS LAND FÜR EINE BESSERE GESUNDHEITSVERSORGUNG? Baden-Württemberg steht kurz vor der Landtagswahl. Das vergangene Jahr hat Stärken und Schwächen des Gesund- heitswesens offenbart. Welche gesundheitspolitischen Themen sollen im neuen Landtag im Mittelpunkt stehen? Die Ausbildung muss sich ändern Wichtig ist der Strukturerhalt Die Schulgeldfreiheit an privaten Phy- Oberste Priorität hat die Erhaltung und siotherapieschulen in Baden-Württem- Stärkung der regionalen Versorgungs- Bild: Physio-Deutschland berg ist längst überfällig, auch aufgrund strukturen mit vertragspartnerschaftli- Bild: KZV BW des Fachkräftemangels. Parallel sollte die chen Lösungen und einer baden-würt- hochschulische Ausbildung ausgebaut tembergischen Landesaufsicht. Wichtig werden, um eine evidenzbasierte Patien- sind auch der Erhalt freiberuflicher Struk- Hannah tenversorgung zu ermöglichen. Als Lan- Dr. Ute Maier turen, die Stärkung der Selbstverwaltung Krappmann Vorstandsvorsitzende der Vorsitzende desverband setzen wir uns weiterhin für und die Fortführung des jetzigen Sys- Kassenzahnärztlichen Physio-Deutschland BW eine Physiotherapeutenkammer ein. Vereinigung BW tems ohne Einheitsversicherung. Arztpraxen brauchen Förderung Bürgernähe bleibt unersetzlich Die ambulante Versorgung hat sich gerade Wir gehen davon aus, dass auch die Bild: LAV Baden-Württemberg in der Pandemie bewährt. Die Menschen neue Landesregierung die gute, dezent- Bild: Medi-Verbund mussten nicht in die Klinikambulanzen, rale und flächendeckende Versorgungs- sondern wurden in den Praxen aufgefan- struktur im Gesundheitswesen trotz al- gen. Doch gab es weder e ine strukturel- ler Digitalisierung erhält und stärkt. Nicht le finanzielle Unterstützung für die Praxen erst in der Pandemie hat sich gezeigt, noch für die Medizinischen Fachangestell- Dr. Werner wie unersetzlich bürgernahe Versorgung Tatjana Zambo Baumgärtner Vizepräsidentin des ten. Mehr Wertschätzung und Förderung Vorstandsvorsitzender ist und welche wichtige Rolle dabei auch Landesapothekerverbands wären deshalb erwünscht. MEDI Baden-Württemberg den Vor-Ort-Apotheken zukommt. Baden-Württemberg e. V. FALSCH NACHRICHTEN Verändert der mRNA-Impfstoff unser Erbgut? Derlei irreführende Behauptungen werden in den sozialen Medien verbreitet. Ein Blick auf die Fakten gibt Entwarnung Bereits eine ganze Weile bevor Edith Kwoizalla am 26. Dezember als erste Deutsche gegen Corona geimpft wurde, tauchten im Netz krude Thesen über das Vakzin auf, das auf der mRNA-Technologie basiert. Es greife ins menschliche Erbgut ein, behauptet etwa ein Dr. med. Micha- el Spitzbart auf Facebook. Dem widerspricht der AOK-Experte Dr. Jür- gen Bleil klar: „Warnungen vor Erbgutschäden sind unbegründet und verursachen unnötig Ängste.“ Die Abkürzung mRNA steht für mes- senger-Ribonukleinsäure, die auch als Boten-RNA bezeichnet wird. mRNA-Impfstoffe bestehen aus der genetischen Information für einen oder mehrere bestimmte Bestandteile der Viren. Im Fall des Coronavi- rus ist es das Spike-Protein oder Teile davon. Bei der Impfung werden diese Erbinformationen in die menschlichen Zellen eingeschleust – al- lerdings nur in das Zellplasma. Die mRNA des Impfstoffs und die DNA des Zellkerns kommen dabei gar nicht miteinander in Kontakt. Ist die Bild: iStock.com © Abscent84 mRNA in den menschlichen Zellen angekommen, können diese dank des darauf gespeicherten Plans das Virus-Protein nachbauen und dem Immunsystem präsentieren. Nach Ausführung der „Bauanleitung“ wird die RNA wieder vollständig im Körper abgebaut. gh 1/2021
Seite 6 TREFFPUNKT KREUZVERHÖR TAT E N & TAT S A C H E N KREUZ VERHÖR Hat unser Gesundheitswesen Das Tabu durchbrechen die richtige Finanzierungsbasis? Burnout ist noch immer ein Zweifel daran werden laut Tabu. Viele Unternehmer glau- ben, so etwas gebe es bei ihnen Jetzt bringt auch Rainer Schlegel den Umstieg auf ein nicht. Dabei, so Internist Gün- steuerfinanziertes Gesundheitssystem ins Spiel ther Limberg, haben sich die be- trieblichen Fehlzeiten wegen Sie sprechen sich für ein psychischer Erkrankungen inner- steuerfinanziertes Gesund- halb von zehn Jahren verdop- heitssystem aus. Warum? Dr. Günther pelt. Ursache sei oft der Druck Limberg Wir sollten erstens darüber nach- am Arbeitsplatz. Limberg ist Vor- Facharzt für Innere denken, wie man mit dem gegen- Medizin in Bad sitzender der Initiative Burnout Wildbad und wärtigen Mitteleinsatz bei guter IBO, die Betroffene und Betriebe Bild: BSG/PicturePeople Kassel Vorsitzender der medizinischer Qualität und ho- Initiative Burnout über Burnout informiert. her Arbeitszufriedenheit des Ge- burnout-ibo.de sundheitspersonals dauerhaft aus- kommt. Zweitens erleben wir »Wir brauchen derzeit, dass die Beitragsmittel Neue Facharzt-Qualifikation zukunftsfähige nicht ausreichen werden, wenn der Kerstin Kunz ist eine der ersten Gesamtsozialversicherungsbeitrag „Klinischen Akut- und Notfallme- Strukturen« 40 Prozent nicht übersteigen soll. dizinerinnen“ in Baden-Württem- Drittens ist kaum jemandem zu er- berg. Die spezielle Facharztwei- Prof. Dr. Rainer Schlegel klären, weshalb die Krankenkas- terbildung ist künftig für Leiter Präsident des Bundessozialgerichts sen bei ihren Versicherten Beiträge einer Notaufnahme verpflichtend, nach der Höhe ihres Arbeitsent- die Teil des Notfallstufenkonzepts gelts oder ihrer Rente erheben, das Geld dann in einen Topf – den sind. Chefärztin Kunz: „Das St. Gesundheitsfonds – werfen, um Zuweisungen nach der Morbiditäts- Elisabethen-Klinikum an der Ober- Dr. Kerstin Kunz struktur ihrer Versicherten zu erhalten. Viertens halte ich eine Steuer- schwabenklinik in Ravensburg er- Chefärztin der Not- finanzierung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit füllt mit der umfassenden Notfall- aufnahme der Ober- schwabenklinik am aller natürlichen und juristischen Personen für gerechter. versorgung die Anforderungen St. Elisabethen-Klini- der höchsten Stufe.“ kum in Ravensburg Lautet die Lektion nicht eher: mehr Augenmaß bei den finanziellen Effekten von Gesetzen? Die Flut an Gesetzen im Bereich Gesundheit und Soziales auch aus Schutz für Risikogruppen der Zeit vor Corona überfordert mittlerweile selbst Fachleute. Man Im Kampf gegen das Coronavirus kommt schlicht nicht mehr mit. Wer laut ruft, wird bedient und er- geht Tübingen seit dem Frühjahr hält sein Gesetz. Nachhaltigkeit der Finanzierung spielt offenbar kei- vergangenen Jahres einen Son- ne Rolle. Die Sache sähe anders aus, wenn die Krankenkassen tat- derweg: Um vulnerable Grup- sächlich über eine nennenswerte Autonomie verfügten, wenn die pen zu schützen, verschickte die Verantwortung und Gestaltungsmacht für die Einnahmen wie die Stadt unter anderem kostenlo- Ausgaben in einer Hand läge und man von einem echten Kassen- se FFP2-Masken an alle Senioren. wettbewerb reden könnte. Auch möglichst flächendecken- Dr. Lisa de Testungen gehören mit zum Bräuchten wir nach Ihren Vorstellungen eine Einheits- Federele Tübinger Weg. Lisa Federle, die kasse und die private Krankenversicherung würde nur Leitende Notärztin und Pandemie- das Konzept der Stadt maßgeb- noch das Zusatzgeschäft machen? beauftragte des lich mitgestaltet hat, ist mit einer Landkreises Bilder: Initiative Burnout IBO , Felix Kästle, DRK Mir geht es nicht um die Zerschlagung der Strukturen. Ich sehe aber Tübingen mobilen Schnellteststation des nicht, dass unter den gesetzlichen Kassen ein Wettbewerb stattfin- DRKs fünf Tage die Woche insbe- det, der diese Bezeichnung wirklich verdient, oder dass der Wettbe- sondere in den Alten- und Pfle- werb für den hohen qualitativen Stand unserer Gesundheitsversor- geheimen unterwegs. gung verantwortlich wäre. Wir müssen überlegen, welche Strukturen nicht mehr zeitgemäß und welche zukunftsfähig sind. ink 1/2021
Seite 7 TREFFPUNKT ZEITSPRUNG Kostenbremse und Zankapfel: Das AMNOG wird zehn Jahre Erinnert sich noch jemand an ei- nen Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler? Vermutlich nicht sehr viele, obwohl die gesetzli- che Krankenversicherung (GKV) dem drahtigen Niedersachsen Bild: K. Doering eines der weltweit am meisten bewunderten Gesundheitsge- setze verdankt: das Arzneimit- telmarkt-Neuordnungsgesetz antritt im Oktober 2009 nahm so waren es 2019 bereits 3,15 dazu. Zankapfel ist aber immer (AMNOG). Das feierte kürzlich sich Rösler unter großem Pro- Milliarden Euro. Hersteller ha- noch das erste Jahr: In dem zehnten Geburtstag. Am 1. Ja- test der Pharmaindustrie den ben bei Einführung eines neu- darf der Hersteller für sein Me- nuar 2011 trat es in Kraft. In Medikamentenbereich vor. en Medikaments dem Gemein- dikament einen selbst gewähl- den Neunziger- und Nullerjah- Mit zwei Sparpaketen dämm- samen Bundesausschuss ein ten Preis aufrufen. Da in dieser ren war die Welt noch eine an- te er den Ausgabenanstieg Dossier vorzulegen. Ergibt das Zeit viele Hersteller extrem ho- dere. Freude am Nachkriegs- ein. Während in der GKV zu- Bewertungsverfahren einen Zu- he, teils sechsstellige Summen wachstum machte zunehmend nächst Röslers Preismoratorium satznutzen, sollen GKV-Spit- verlangen (Stichwort: Zolgens- der Sorge vor der Unbezahl- eine starke Wirkung entfalte- zenverband und Hersteller ma), fordert die AOK einen In- barkeit des medizinischen Fort- te, ist es nun auch das mit dem einen angemessenen Preis aus- terimspreis, der sich an der schritts Platz. Kostenexplosio- AMNOG eingeführte Preisbil- handeln. Zeigt es keinen Zu- Vergleichstherapie orientiert nen wurden ausgemacht, auch dungsverfahren. Sparten die satznutzen, gilt ein Festbetrag. und nach der Preisverhandlung im Arzneimittelsektor. Weni- Krankenkassen 2013 lediglich Alle Beteiligten lernen im AM- rückwirkend durch den Erstat- ge Monate nach seinem Amts- 114 Millionen Euro dadurch, NOG-Verfahren kontinuierlich tungspreis ersetzt wird. ink PRO KONTRA Klaus Mugele Ist Massentierhaltung Dr. Felix Prinz zu Löwenstein noch vertretbar? Vizepräsident des Landesbauernverbandes Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittel- wirtschaft e.V. (BÖLW) Bild: BÖLW Bild: LBV »Tierschutzstandards sind hoch« »Mit Bio gelingt der Umbau« Wie wichtig eine regionale Lebensmittelversorgung ist, hat uns Nutztierhaltung, die mit Nährstoffüberschüssen Trink- die Coronakrise schonungslos gezeigt. Dazu gehört auch die wasser und Öko-Systeme schädigt, auf Soja-Futter aus Versorgung mit hochwertigen tierischen Produkten wie Fleisch, dem Urwald angewiesen ist, die Klimakrise anheizt und Milch und Eiern. Nirgendwo auf der Welt sind die Umwelt- und Tiere wie industrielle Werkstücke behandelt, ist nicht Tierschutzstandards so hoch wie in Deutschland. Das spiegelt mehr vertretbar. Auch ein Konsum, der billigste Produk- sich etwa in den Haltungsbedingungen unserer Tiere wider, te verlangt und mehr Fleisch verzehrt als gesund ist, muss die wir in den vergangenen Jahren weiter verbessert haben. aufhören. Mit Bio gelingt der Umbau an beiden Stellen. Wir stellen uns auch künftig den Wünschen der Konsumenten. Denn Öko-Bauern halten ihre Tiere artgerecht mit Aus- Daher fordern wir von der Politik, mit uns Bauern ein System lauf und Platz – und nur so viele Tieren pro Land wie ihre zu entwickeln, um die Wünsche nach niedrigen Lebensmittel- Flächen auch Futter hergeben. Weil diese Qualität Kun- preisen und gleichzeitig mehr Tierwohl nachhaltig wirtschaft- den überzeugt, sind sie bereit, deutlich höhere Preise zu lich für unsere Bauernfamilien in Einklang zu bringen. Nur mit akzeptieren. Und die sind auch die Bedingung für einen Schlagworten wie ‚Gute Lebensmittel zu fairen Preisen‘ lassen Umbau der Tierhaltung, der den Bauernfamilien eine Zu- sich diese Herausforderungen nicht lösen. kunft gibt. 1/2021
Seite 9 SEISMOGRAF Im März wird in Baden-Württemberg gewählt. Für die AOK und ihre Partner steht fest, was in der neuen Legislaturperiode für die Themen Gesundheit und Pflege getan werden muss W ie die Wahl auch tenwissen generieren zu können“, sagt Kliniksektor zu verbessern, müssten Quali- ausgeht, eines Nadia Mussa, AOK-Krankenhaus-Expertin. tät und Patientenbedürfnisse im Vorder- steht jetzt schon Die Kernaufgaben der stationären Versor- grund stehen. Eine Schlüsselrolle spiele die fest: Um das Ni- gung sollten in großen, fachlich breit auf- Entwicklung der Grundversorgung, bei der veau der Gesund- gestellten Hochleistungszentren liegen. In ambulante Fach- und Hausärzte mit der heitsversorgung im Land weiterzuentwi- der Fläche werden wohnortnahe Angebote pflegerischen Akutversorgung gut zusam- ckeln, braucht es starkes Engagement. Die der Grundversorgung gebraucht. menarbeiten sollten. Mussa: „Um die sek- Coronapandemie hat nicht nur gezeigt, „Wir wollen eine qualitativ hochwertige, torenübergreifende Versorgung möglich zu wie leistungsfähig das Gesundheitswesen flächendeckende und effiziente Patienten- machen, muss die Politik den rechtlichen im Südwesten ist, sondern auch die Prob- versorgung, die mit ausreichend Personal Rahmen schaffen.“ Auch die Digitalisierung leme veranschaulicht. Für die AOK Baden- sowie zeitgemäßer medizinischer Ausstat- braucht eine übergeordnete Strategie. Die Württemberg und ihre Partner stehen die tung der Krankenhäuser sichergestellt politischen Weichen müssten auf Bundes- Prioritäten fest: wird“, sagt Piepenburg. Für die AOK be- wie auf Landesebene richtig gestellt wer- deutet das: zentralisierte Strukturen mit Kli- den, so Detlef Piepenburg: „Vor allem je- PERSPEKTIVEN FÜR KRANKENHÄUSER niken, die sich bei komplexen Eingriffen doch braucht es Einigkeit zwischen Kassen Über die Kliniklandschaft in Baden- stärker spezialisieren. „Größere Einrichtun- und Kliniken.“ Württemberg wird seit Langem disku- gen können auch besser auf Krisen, wie tiert. Das Land hat einen Reformkurs einge- jetzt die Coronapandemie, reagieren und RETTUNGSDIENST DIGITAL schlagen und ist damit, nach Einschätzung sind meist besser ausgestattet als kleine „Der Rettungsdienst von morgen muss ef- der AOK-Baden-Württemberg, prinzipi- Generalisten“, so Mussa. Um Strukturen im fizient organisiert und digitalisiert werden“, ell auf dem richtigen Weg. Die Coronapan- fordert AOK-Fachmann Marc Steigerwald. demie hat den Druck noch einmal erhöht. Derzeit gebe es in Baden-Württemberg mit Denn das Virus verschärft die bekannten 34 Integrierten Leitstellen sehr viel Infra- Probleme: „Die Krankenhäuser leiden un- struktur. Eine Leitstelle mit zentralem Ser- ter fehlendem Personal, der unzureichen- versystem, das in ein digitalisiertes Netz- Bild: © BWKG den Finanzierung ihrer Kosten und einer werk mit dezentralen Arbeitsplätzen für die überbordenden Bürokratie“, bestätigt Det- Disponenten eingebunden ist, könnte die lef Piepenburg, Vorstandsvorsitzender der Voraussetzung für eine flexible, standort- Baden-Württembergischen Krankenhaus unabhängige und ausfallsichere Leitstellen- gesellschaft. struktur bieten. Aus Sicht der AOK sollte Aus Sicht der Gesundheitskasse sind mit das neue Leitstellengesetz daher keine ein- 55.678 Betten zwar genügend Kapazitäten »Die Kliniken schränkenden Vorgaben enthalten, die ei- vorhanden, die Strukturen sind jedoch leiden unter ner zukunftsfähigen Leitstellenstruktur ent- nicht durchweg zukunftsfähig – gerade mit gegenstehen, indem etwa eine bestimmte fehlendem Personal Blick auf die Vielzahl kleiner Kliniken im Anzahl von Leitstellen oder auch der Auf- Land. Auch beim Einsatz neuer Technolo- und unzureichender enthalt von Disponenten „in einem Raum“ gien kommen die Kliniken nicht schnell ge- Finanzierung« verbindlich vorgeschrieben wird. nug voran. „Eine gute Versorgung bemisst Dort, wo neue Rettungswachen errich- sich nicht nach der Anzahl der Kranken- Detlef Piepenburg tet werden, müsse das Land ausreichende Vorstandsvorsitzender der häuser. Viel wichtiger sind sinnvolle Struk- Fördermittel bereitstellen. Für die Kranken- Baden-Württembergischen turen und Leistungsbündelung, um Exper- Krankenhausgesellschaft kassen ist es nur schwer möglich, zusätzlich 1/2021
Seite 10 SEISMOGRAF Krankenhäuser entlastet. „Das muss die terstützung der Ärzte durch Delegation an neue Landesregierung berücksichtigen medizinische Fachangestellte stellen die Se- und die Förderprogramme für den nie- lektivverträge dar. Die AOK Baden-Würt- dergelassenen Bereich weiterführen oder temberg bietet seit über zehn Jahren die auch die Ausweitung der Studienplätze Hausarztzentrierte Versorgung als Alternati- Bild: © DRK konsequent sichern“, sagt Norbert Metke, ve zur Regelversorgung an und befördert Vorsitzender des Vorstands der Kassenärzt- damit auch die Digitalisierung, da sich die lichen Vereinigung Baden-Württemberg. teilnehmenden Mediziner elektronisch ver- Die demografische Entwicklung stellt die netzen. Über 1,7 Millionen AOK-Versicherte ärztliche Versorgung vor eine große He haben sich bis dato in den Selektivvertrag rausforderung. Ein Drittel aller Hausärzte eingeschrieben. „Der hausärztliche Beruf »Die Finanzierung verabschiedet sich in den kommenden fünf muss attraktiver werden. Wie das unter an- der erforderlichen Jahren in den Ruhestand und bereits heute derem gehen könnte, zeigen die Ergebnisse Infrastruktur muss kann nicht mehr jede frei werdende Stelle der Selektivverträge“, bestätigt Metke. Ne- besetzt werden. Und bei den Fachärzten ben einer adäquaten Vergütung müssten an der Realität sieht es bei vielen Gruppen kaum besser für den KV-Vorsitzenden andere Rahmen- ausgerichtet sein« aus. „Die Landesregierung geht mit der bedingungen der Anstellung von Ärztinnen Landarztquote und der Einrichtung zusätzli- und Ärzten und der Gründerbefugnis von Barbara Bosch cher Studienplätze und eines entsprechen- Medizinischen Versorgungszentren her. Präsidentin des Deutschen-Roten-Kreuz-Landesverbands den Studienprofils in die richtige Richtung“, Auch die AOK spricht sich für Primärversor- Baden-Württemberg e.V. sagt AOK-Experte Jürgen Graf,„aber es gungszentren als Baustein für die Versor- braucht ein großes Gesamtpaket.“ Die gung der Zukunft aus. Gelungenes Beispiel zu den Vorhalte- und Betriebskosten des Strukturen müssten auf die geänderten Be- dafür sei der Gesundheitscampus, der gera- Rettungsdienstes bestehende Förderlücken dürfnisse junger Mediziner angepasst wer- de in Calw entsteht (siehe Seite 12). zu kompensieren. Barbara Bosch, Präsiden- den. Dazu gehörten mehr Möglichkeiten zu tin des DRK-Landesverbands Baden-Würt- Festanstellungen und zur Zusammenarbeit ANSCHUB FÜR DIE PFLEGE temberg, formuliert es so: „Die Finanzie- mit Kollegen. Die Berufsgruppe klagt vor al- Bundesweit gibt es in Baden-Württemberg rung der erforderlichen Infrastruktur muss lem über steigende Bürokratie – auch mit die höchste Lebenserwartung und nur 3,6 an der Realität ausgerichtet sein.“ Blick auf die Digitalisierung im Gesund- Prozent der Bevölkerung sind pflegebedürf- Die AOK spricht sich zudem für neue heitswesen. Eine Option für bessere Ver- tig. Das ist zwar ein im Vergleich geringer und landesweit einheitliche Planungsgrö- zahnung bei der Behandlung oder die Un- Anteil, bedeutet dennoch, dass im Südwes- ßen aus, die die Prozess- und Ergebnisqua- ten aktuell 400.000 Menschen Unterstüt- lität des Rettungsdienstes berücksichtigen. zungs- oder Pflegebedarf haben. Eine gro- „Die Hilfsfrist als alleiniges Planungskriteri- ße Herausforderung für die Familien, für die um ist ungeeignet, da sie nur die Anfahrts- Pflegenden und die gesamte Gesellschaft – zeit zum Notfallort umfasst, aber nichts vor allem vor dem Hintergrund der demo- Bild: © KV BW zum Therapieergebnis oder der Zustands- grafischen Entwicklung. veränderung des Patienten aussagt“, Die Stärkung der Pflegekräfte ist ei- begründet Steigerwald. Auch dürfe die Pla- ne wichtige Aufgabe. Dazu gehören auch nung nicht an den Stadt- oder Landkreis- Hilfs-, Hauswirtschafts- und Betreuungs- grenzen aufhören, sondern müsse regione- kräfte, die am Gesamtsetting Pflege betei- nübergreifend erfolgen. Nur so kann ligt sind. „Professionell Pflegende müssen gewährleistet werden, dass die Rettungs- entlastet werden, sie brauchen unbedingt wagen auch wirklich dort sind, wo sie die »Der Hausarztberuf mehr Zeit für die Pflege. Das erreichen größtmögliche Wirkung erzielen. muss attraktiver wir durch eine angemessene Personal- werden. Wie das ausstattung und indem wir mehr Ausbil- ARZTBERUF IM WANDEL unter anderem dungsplätze fördern. Insbesondere jun- In der Coronapandemie haben sich die ge Menschen müssen motiviert werden, gehen könnte, zeigen ambulanten Strukturen als das Rückgrat in die Pflege zu gehen“, sagt Annette Ho- der Versorgung erwiesen. So haben die die Ergebnisse der luscha-Uhlenbrock, Vorstandsvorsitzende niedergelassenen Ärzte in Baden-Würt- Selektivverträge« der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Ba- temberg im ersten Halbjahr 2020 knapp den-Württemberg. AOK-Pflege-Expertin eine halbe Million Patienten mit Infekt bei Dr. med. Norbert Metke Britta March unterstreicht: „Dem Mangel Vorsitzender des Vorstands der Covidverdacht und 80 Prozent der Co- an Pflegefachkräften kann mit einem Fach- Kassenärztlichen Vereinigung vid-Positiven versorgt und dadurch die Baden-Württemberg und Skill-Mix, Kompetenzkonzepten und 1/2021
Seite 11 SEISMOGRAF eniger Überregulierung effektiv begegnet w onären Pflege geplant. Das bedeutet bei S TA N D P U N K T werden – da müssen wir endlich ran.“ der derzeitigen „All-inclusive-Leistungs- Natürlich steht immer auch die Finan- inanspruchnahme“ steigende Kosten für zierung im Fokus. In der angekündigten die Pflegeversicherung. March warnt: „Die Pflegereform ist die Deckelung des Eigen- Pflegeversicherung ist ein höchst komplexes Bild: AOK anteils für Pflegebedürftige in der stati- Sozialversicherungssystem, das nicht noch Johannes Bauernfeind unübersichtlicher werden darf.“ Dabei be- Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg stünde in vielen Bereichen Handlungsbe- darf. Dass das Kurzzeitpflegeangebot er- weitert werden muss, stehe außer Frage Bild: © Uta Rometsch Fotografie – aber nicht, ohne die Zusammenhänge mit Leistungen wie Verhinderungspflege zu be- Gesundheit ist trachten. „Wir wollen die bestmögliche Ver- regional sorgung und haben den Anspruch, Prä- ventions- und Reha-Angebote auszubauen Gesundheit ist ein hohes Gut. Sie zu – unbedingt auch in Pflegesettings“, so erhalten, ist für jeden Menschen exis- March. Autonomie, Selbstbestimmtheit und tenziell. Umso wichtiger sind gute »Insbesondere junge Teilhabe seien alternativlos. Drei Viertel aller Programme zur Gesundheitsvorsor- ge und beste Strukturen in der Be- Menschen müssen Pflegebedürftigen wohnen zu Hause. „Die Quartiere – also Stadtteile oder Gemeinden handlung. Die Pandemie hat die Leis- motiviert werden, in – müssen sich in einer Weise entwickeln, tungsfähigkeit und Flexibilität des die Pflege zu gehen« dass alle Altersgruppen in ihrer Vielfalt ein- baden-württembergischen Gesund- gebunden werden“, sagt Holuscha-Uhlen- heits- und Pflegewesens und seiner Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock brock. Nicht zuletzt habe die Coronakrise Akteure unter Beweis gestellt. Das Vorstandsvorsitzende der gezeigt, wie unerlässlich Digitalisierungs von der Landesregierung vor zwei Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg prozesse in der Pflege sind. awa, as, af, ml Jahren initiierte Forum Gesundheits- standort Baden-Württemberg erlangt vor diesem Hintergrund eine ganz neue politische Dimension. Versor- Das fordert die AOK Baden-Württemberg gung passiert eben regional. Und des- halb ist es wichtig, gerade bei Land- Das Gesundheitswesen muss resilienter gegen Pandemienw erden. Das von tagswahlen darauf zu achten, was in der Landesregierung initiierte Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg der Gesundheitspolitik geplant ist. hat wichtige Weichen gestellt. Regionale, vernetzte Strukturen sollten noch Die AOK Baden-Württemberg stärker fokussiert werden. wird jede vom Land eröffnete Mög- lichkeit nutzen, die Versorgungs- Die Coronakrise zeigt: Telemedizin ist eine sinnvolle Ergänzung zu bisherigen strukturen voranzubringen. Mit Behandlungsmöglichkeiten. Digitalisierung muss Bestandteil einer übergeordne- unserer Hausarztzentrierten Ver- ten Versorgungsstrategie werden. Das Ziel sind aufeinander aufbauende Versor- sorgung und den angeschlossenen gungsstrukturen, kein Flickenteppich an Kleinstlösungen. Facharztverträgen leisten wir schon lange einen wichtigen Beitrag, um Die Reform der Krankenhauslandschaft gilt es fortzusetzen. Große Kliniken beispielsweise auch die Versorgung mit verschiedenen Fachgebieten können mehr Qualität in der Patientenversor- im ländlichen Raum sicherzustellen. gung bieten. Die Weiterentwicklung sollte nach Versorgungsstufen ausgerichtet Im Bereich Telemedizin, der elektro- und Qualität als messbares Planungsinstrument eingeführt werden. nischen Arztvernetzung oder bei der Pflege und ihrer Verknüpfung mit In der ambulanten Versorgung sind verlässlich wohnortnahe und bedarfs- Rehabilitation und Prävention sind orientierte Strukturen sicherzustellen. Die Attraktivität des Hausarztberufs muss wir und unsere Partner Impulsgeber erhöht werden, etwa durch die Unterstützung von Selektivverträgen. im Land. In diese Richtung muss es für uns weitergehen, denn Gesund- Pflegeleistungen müssen den Pflegebedürftigen und ihren Familien mehr heit bedeutet, nah bei den Men- Lebensqualität und Teilhabe sichern. Sie sollten künftig unabhängig vom Wohnort schen und ihren Realitäten vor Ort erbracht werden – Schluss mit ambulant und stationär. Pflege muss weiter zu sein. entbürokratisiert, vernetzt und intelligent unterstützend digitalisiert werden. 1/2021
Seite 12 GESUNDHEIT & VERSORGUNG Bild: Medizinkonzept Landkreis Calw Vereint: Ambulante und stationäre Versorgung auf einem Campus Ein Leuchtturmprojekt für den ländlichen Raum Der Gesundheitscampus Calw soll 2023 eröffnet werden. Im Mittelpunkt steht die sektorenübergreifende Zusammenarbeit der beteiligten Gesundheitsakteure A lbrecht Reusch, De- ausärztliches Primärversorgungszentrum, h a nderem mit der Abordnung von Gisela zernent im Land- ein Kardiologe, Kinderärzte, Physiothera- Daul, Projektleiterin Kommunale Gesund- ratsamt in Calw, pie, eine Diabetes- und Wundambulanz, heitsprojekte von der AOK-Hauptverwal- ist vom Erfolg des ein Pflegestützpunkt sowie ein AOK-Ge- tung, ins Projektteam. „Es ist ein sehr wich- Gesundheitscam- sundheitszentrum angesiedelt werden. tiges Zeichen, das in Calw gesetzt wird“, pus überzeugt. In der Kreisstadt im Nord- sagt Bauernfeind. „Für eine wohnortnahe schwarzwald entsteht auf einer 6,5 Hektar »Wir schaffen ein Versorgung im ländlichen Raum brauchen großen Fläche im Stammheimer Feld III ein wir mehr solcher patientenorientierter und innovatives Medizinkonzept. Das 100 Mil- interdisziplinäres sektorenübergreifender Initiativen“, erläu- lionen Euro schwere Bauprojekt mit Kran- und fachlich tert der AOK-Chef mit Blick auf die bevor- kenhaus und momentan vier weiteren vor- hochwertiges stehende Landtagswahl. gesehenen Gesundheitseinrichtungen medizinisches Im September letzten Jahres informier- mit den Schwerpunkten Psychosomatik/ te sich Manfred Lucha, Landesminister für Angebot« Psychiatrie, Nephrologie, Kurzzeitpfle- Soziales und Integration, vor Ort zum ak- ge und dem Haus der Gesundheit gilt tuellen Stand. Lucha ist sich sicher, dass al- Helmut Riegger schon jetzt als Beispiel für eine zukunfts- Landrat des Landkreises Calw le Beteiligten des Gesundheitscampus in fähige Gesundheitsversorgung im länd- die Kategorie „Überzeugungstäter“ fallen. lichen Raum. Im Mittelpunkt steht eine Anfragen von weiteren Fachärzten liegen Diese brauche es auch, um ein Projekt in patientenzentrierte und intersektorale Zu- vor. „Mit dem Gesundheitscampus schaf- dieser Größenordnung stemmen zu kön- sammenarbeit. „Ambulante und statio- fen wir ein herausragendes medizinisches nen. Bei seinem Besuch sagte er außer- näre Versorgung, Gesundheitsförderung, Angebot, bei dem alle Akteure zum Woh- dem eine erste Förderrate des Landes für Pflege, Rehabilitation, Arzneimittelversor- le der Patientinnen und Patienten inten- den Neubau des Krankenhauses in Höhe gung und soziale Angebote sollen über siv zusammenarbeiten“, sagt der Calwer von vier Millionen Euro zu. stef gemeinsame Versorgungspfade und Digi- Landrat Helmut Riegger. Dem stimmt Jo- talisierung vernetzt werden“, erläutert Al- hannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzen- WEITERE INFORMATIONEN: Projektleiter Albrecht Reusch, albrecht.reusch@ brecht Reusch, der das Gesamtprojekt lei- der der AOK Baden-Württemberg, zu. kreis-calw.de, und Gisela Daul, Projektleiterin Kommunale tet. Im Haus der Gesundheit sollen ein Die AOK unterstützt das Vorhaben, u nter Gesundheitsprojekte, gisela.daul@bw.aok.de 1/2021
Seite 13 GESUNDHEIT & VERSORGUNG Kompetenz für Krisenzeiten S TA N D P U N K T Einen Sozialen Dienst kennen viele nur aus der Klinik. Doch die AOK Baden-Württemberg hat auch einen. Der ist nun sogar Satzungsleistung Bild: privat Thorsten Kapitzki-Nagler H and aufs Herz: Sich im AOK-Datensystems planen und orga- Experte für den Sozialen Dienst und Case Management bei der deutschen Gesundheits- nisieren wir eine hochwertige und be- AOK Baden-Württemberg wesen zurecht zu finden, darfsgerechte Versorgung. Ob die Versi- ist nicht immer leicht. Das System ist cherten sich direkt an unseren Sozialen SOZIALER DIENST einfach zu komplex. Schlägt sich eine Dienst wenden oder über Netzwerke Patientin oder ein Patient mit einem wie zum Beispiel Hausärzte oder Kran- stark belastenden Problem herum, fühlt kenhäuser vermittelt werden, ist dabei Reden und sie oder er sich schnell auf verlorenem unwesentlich“, erläutert Elisa Kirschner, Posten: Welche Optionen gibt es, was ist Kommunikationsbeauftragte des Refe- handeln die beste für mich, was muss ich dabei rats Sozialer Dienst und Case Manage- beachten? Sich hier einen Überblick zu ment bei der AOK. Vor einigen Tagen erhielten wir verschaffen, kostet Kraft und Zeit, die Die AOK Baden-Württemberg geht – einen Anruf. Eine vom Sozialen man in der Situation einfach nicht hat. und das ist bundesweit bislang einma- Dienst betreute ältere, chronisch Was fehlt, ist eine kompetente, helfende lig – inzwischen noch einen Schritt wei- kranke und bewegungseingeschränk- Hand, die die Möglichkeiten mit einem ter als andere Krankenkassen: Sie hat te Dame sei zum Facharzt überwie- durchgeht – egal, ob es um eine Krebs- den Sozialen Dienst als Satzungsleis- sen worden. Dieser sei 25 Kilometer erkrankung, eine Depression oder eine tung verankert. Seit dem 14. November entfernt, es gebe keine Busverbin- Pflegebedürftigkeit geht. 2019 haben alle AOK-Versicherten einen dung und die Kasse bezahle ja keine Die AOK Baden-Württemberg hat Rechtsanspruch auf Leistungen des Sozi- Taxis. Solle man nun den Facharztter- dies schon vor Jahren erkannt und einen alen Dienstes. „Das ganze Jahr 2020 ha- min absagen oder die Dame aus dem Sozialen Dienst aufgebaut. Er hat 200 ben wir die Prozesse, Methoden und Zu- Programm streichen? „Weder noch“, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus gangswege angepasst. Im Januar 2021 lautete meine Antwort. „Wenn die den Disziplinen Sozialpädagogik und haben wir komplett auf das Konzept So- Dame es will, ruft sie jemand vom So- Sozialarbeit mit staatlicher Anerken- zialer Dienst 2.0 umgestellt. Wir freu- zialen Dienst an, der mit ihr die Op- nung. „Zusammen mit den Kundinnen en uns darauf, unsere Versicherten noch tionen bespricht und einen Weg fin- und Kunden, unseren Netzwerkpart- zielgerichteter unterstützen zu können“, det.“ Fälle wie dieser zeigen: Wir als nerinnen und -partnern und mithilfe des so Elisa Kirschner. ink AOK lassen unsere Versicherten nicht allein, besonders dann nicht, wenn es Bild: iStock.com © shapecharge schwierig wird. Wir verstehen uns als Versorgerkasse. Voraussetzung für den Erfolg unseres Sozialen Diens- tes sind eine überdurchschnittliche Kenntnis der örtlichen Strukturen und eine bedingungslose Ressour- cenorientierung. Wir schauen uns al- so an: Was will der Versicherte, was Beratung zu Hause: Der Soziale Dienst hilft Lösungen zu finden kann er physisch und psychisch, wel- che Hilfen gibt es im Umfeld? Übrigens: Im Gespräch mit der al- Wenn es zu kompliziert wird ten Dame fanden unsere Mitarbei terinnen heraus, dass es einen Neffen Ihren Sozialen Dienst hat die AOK Baden-Württemberg seit ihrem Gründungs- gibt, der seine Tante dann und wann jahr 1994 Jahr auf- und stetig ausgebaut. Gedacht ist er vornehmlich für Ver- zu Terminen fährt und der dies auch sicherte mit leistungs- und trägerübergreifendem Bedarf sowie für Menschen, in diesem Fall machen kann. Dem Be- die immer wieder Hilfestellung benötigen, beispielsweise chronisch Kranke, such beim Facharzt steht nun nichts Menschen mit Beeinträchtigung durch Krankheit, Pflegebedürftige und de- mehr im Wege. ren Angehörige. Angesprochen werden sollen auch interne und externe Netz- werkpartnerinnen und -partner sowie Partner im Gesundheitswesen. 1/2021
Seite 14 HIER & JETZT MELDUNGEN MODELLPROJEKTE & ERFAHRUNGEN Neue Versorgung kommt gut an Facharztvertrag. Mehr als neun von zehn Patienten fühlen sich seit Beginn der Teil- nahme am FacharztProgramm von AOK Ba- den-Württemberg und Bosch BKK kardiolo- gisch besser versorgt. In einer wissenschaft- lichen Befragung von 800 herzkranken Teil- nehmern gaben mehr als 95 Prozent an, ausreichend über ihre Herzerkrankung, die Behandlungsmöglichkeiten und den weiteren Verlauf informiert zu sein. Die Wissenschaft- ler führen die positiven Ergebnisse maßgeb- lich darauf zurück, dass Kardiologen in der selektivvertraglichen Versorgung mehr Zeit für ihre Patienten haben, um sie umfangreicher beraten und intensiver behandeln zu können. Bild: © Verena Müller Mit dem MEDI-Verbund arbeitet die AOK wei- ter am Ausbau der Facharztverträge. Versi- cherte können voraussichtlich ab dem zweiten Mehr Zeit, mehr Qualität: Herzpatienten werden Halbjahr von dem neuen Facharzt- im FacharztProgramm nachweislich besser betreut vertrag Pneumologie profitieren. aok.de/bw/facharztprogramm Hilfe für Weiterer Forschungsstandort digitale Helfer Krebs. Um die Behandlung krebskranker Menschen zu verbessern, arbeiten in den beiden Nationalen Centren für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg und Kompetenzzentrum. Für eine gute pflegeri- Dresden zahlreiche Wissenschaftler und Forschergruppen daran, Ansatzpunkte sche Begleitung von Patientinnen und Patien- für neue Behandlungsmöglichkeiten zu finden. Jetzt soll die Krebsforschung im ten gewinnen digitale Angebote immer mehr Südwesten mit einem zweiten NCT-Standort in Baden-Württemberg weiter ge- an Bedeutung. Mit dem Landeskompetenzzen- stärkt werden. Die Universität Tübingen setzte sich mit den Partnern, Uniklinikum trum für Pflege und Digitalisierung hat das So- Ulm und Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart, beim Wettbewerb für deutsch- zialministerium in Tübingen eine landesweite landweit vier neue Standorte durch. Die neuen NCT-Standorte in Berlin, Köln/Es- Anlauf-, Beratungs- und Vernetzungsstelle für sen, Tübingen/Stuttgart-Ulm und Würzburg/Erlangen-Regensburg-Augsburg wer- digitale Innovationen in der Pflege eingerichtet. den voraussichtlich im Jahr 2022 ihre Arbeit aufnehmen. In den NCT arbeiten Dort sollen technische sowie digitale Assistenz Ärzte mit Forschenden auch eng zusammen, um die Versorgung der Betroffenen und menschliche Zuwendung sinnvoll kombi- und die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses voranzubringen. niert werden. Laut Sozialminister Manfred Lu- cha hilft die Digitalisierung der Pflege dabei, re- ale zwischenmenschliche Begegnungen ver- stärkt zu ermöglichen, indem zeitintensive Vor- Klinik in Neuenbürg als Vorreiter gänge in der Arbeitsorganisation, Dokumen- Hausärztemangel. Niedergelassene Ärzte, die in den Ruhestand gehen, su- tation oder Abrechnung vereinfacht würden. chen in ländlichen Regionen händeringend Nachfolger. Da es auch für Bürger in Auch die AOK Baden-Württemberg spricht sich Neuenbürg und Umgebung immer schwerer wird, einen Arzt zu finden, hat das für digitale und technische Unterstützungssys- RKH-Krankenhaus in Neuenbürg im Enzkreis ein Medizinisches Versorgungs- teme in der Pflege aus und wünscht sich für zentrum (MVZ) gegründet. Es bietet Patienten neben einer hausärztlichen, wohn- die kommende Legislaturperiode noch mehr ortnahen Versorgung auch spezialisierte Behandlungsmöglichkeiten im Bereich Initiativen in dieser Richtung. Sie können zur der Rheumatologie. Durch die gemeinsame Trägerschaft von Arztpraxis und Kli- Stärkung der Gesundheitskompetenz, zu mehr nik ermöglicht das neue MVZ den Patienten im Falle einer komplexen Erkrankung Selbstbestimmung und höherer einen nahtlosen Übergang zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Lebenserwartung beitragen. Gleiche Ansprechpartner und die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit gewähr- pflegedigital-bw.de leisten schnelle und patientenorientierte Lösungen. 1/2021
Seite 15 HIER & JETZT Bessere Luft im Süden 3,5 Millionen Deutsche leiden unter einem medikamentös behandelten Asthma. Menschen in Baden-Württemberg sind seltener betroffen Regionale Unterschiede: Die Baden-Württemberger leiden seltener an Asthma bronchiale als die Einwohner der meisten anderen Bundesländer. Nur die Menschen in Mecklenburg- SCHLESWIG-HOLSTEIN Vorpommern sind noch seltener betroffen. Laut dem aktuellen Gesundheitsatlas Asthma des 4,04 % W issenschaftlichen Instituts der AOK sind Groß- MECKLENBURG-VORPOMMERN BREMEN städter tendenziell häufiger betroffen als Men- 3,39 % schen im ländlichen Raum. Möglicherweise lässt 3,97 % HAMBURG sich dies durch die Luftqualität erklären. Im Vergleich zu anderen deutschen Großstäd- 3,85 % BERLIN ten ab 500.000 Einwohnern hat Stuttgart 4,09 % den niedrigsten Anteil an Asthmapatienten NIEDERSACHSEN (3,7 Prozent). Unter allen 4,44 % 401 Kreisen und kreisfreien Städ- BRANDENBURG ten in Deutschland ist Heidel- berg mit 2,9 Prozent die Region SACHSEN-ANHALT 3,95 % NORDRHEIN-WESTFALEN mit dem geringsten Anteil an 4,68 % 3,89 % Asthmatikern. Wichtige Einflussfaktoren sind auch Alter und Geschlecht. SACHSEN So sind Jungen bis 14 Jahre THÜRINGEN 4,14 % HESSEN deutlich häufiger von Asthma 4,04 % 4,55 % betroffen als Mädchen. Mit RHEINLAND-PFALZ zunehmendem Alter tritt die Krankheit dagegen 3,96 % häufiger bei Frauen als bei SAARLAND Asthmahäufigkeit: In Baden-Württemberg Männern auf. 4,58 % liegt die Häufigkeit von Asthma unter dem Bundes- schnitt von 4,2 Prozent BAYERN BADEN-WÜRTTEMBERG 4,00 % 3,72 % Quelle: Gesundheitsatlas Deutschland – Asthma bronchiale © WIdO 2020 ASTHMA BRONCHIALE IN DER BUNDESDEUTSCHEN WOHNBEVÖLKERUNG: PATIENTENVERTEILUNG NACH ALTER 8% FRAUEN MÄNNER 6% 4% 2% 0% 0 – 14 15 – 24 25 – 34 35 – 44 45 – 59 1/2021 60 – 69 70 – 79 80 und älter
Seite 16 STANDPUNKT D I G I TA L I S I E R U N G Den Fortschritt beschleunigen Jede Legislaturperiode bietet Chancen, neue Akzente zu setzen. Das gilt insbesondere für die Digitalisierung. Die Prozesse sind vom Menschen her zu denken der Versorgung sowie die Finan- Anwendung Telescan in der elek- zierung von Digitalen Pflege- tronischen Arztvernetzung im anwendungen (DiPAs) durch die Rahmen des HausarztProgramms. soziale Pflegeversicherung vor. Jetzt ist es wichtig, dass es der Außerdem sollen die Möglich- Koordinierungsstelle Telemedizin keiten und Vorteile der elektro- Baden-Württemberg (KTBW) als nischen Patientenakte ausgebaut zentraler Institution für alle Belan- und weitere Anwendungsfälle in ge der digitalen Medizin im Land diese integriert werden. noch besser gelingt, die Akteure Das ist zu begrüßen. Die Co- weiter zu vernetzen und als Kata- ronakrise hat gezeigt, dass die lysator für Projekte zu wirken. Telemedizin eine sinnvolle Er- Künstliche Intelligenz (KI) im gänzung zu den bisherigen Be- Gesundheitswesen wird immer handlungsmöglichkeiten sein bedeutender. Das ist nur folge- kann. Auch in Baden-Württem- richtig. Effizientere Datenauswer- berg werden die Chancen ge- tung und -organisation ermög- nutzt. Das Thema Digitalisie- lichen bessere Diagnosen und Bilder: (c) Matthias Schmiedel rung spielt eine herausragende unterstützen damit eine qualitativ Rolle beim Forum Gesundheits- hochwertige Versorgung für die standort Baden-Württemberg. Patientinnen und Patienten. Auch Die Ausgangslage im Länd- hierauf sollte das Land noch stär- le ist dabei – bis auf eine allseits ker den Fokus legen und für eine E s tut sich was schnelle Internetverbindung – entsprechende Vernetzung über in Deutschland, hervorragend. Wir haben eine die KTBW sorgen. »Wir jedenfalls was die ausgeprägte und lösungsorien- Zudem sollte es weiterhin brauchen Digitalisierung im Gesund- tierte Dialogkultur zwischen allen Projekte anstoßen und fördern. ein digital heitswesen betrifft: Das dritte Akteuren im Gesundheitswesen. Aber es ist ebenfalls eine Erhö- Digitalisierungsgesetz steht Beispiele hierfür sind die Haus- hung der Investitionen der An- weiter- jetzt in den Startlöchern – ein arztzentrierte Versorgung mit bieter von Gesundheitsdienst- entwickeltes Vorhaben der Bundesregierung, den dazugehörigen Facharztver- leistungen in Gesundheits-IT Gesundheits- mit dem bereits bestehende trägen und die damit verbundene und E-Health-Anwendungen nö- system, aber Regelungen aus dem Digita- elektronische Arztvernetzung. tig. Dazu gehört auch, dass die le-Versorgung-Gesetz (DVG) Landesregierung bei Investitio- keine und dem Gesetz zum Schutz DER STANDORT IST SPITZE nen in Krankenhäusern weiter- gläsernen elektronischer Patientendaten In Baden-Württemberg treffen hin verstärkt in eine bessere di- Patienten« (PDSG) weiterentwickelt und Spitzenmedizin und -forschung gitale Infrastruktur investiert. angepasst werden sollen. So sowie innovative Gesundheits- Bei allen Chancen, die digita- sieht das geplante Gesetz zur wirtschaft aufeinander. Viele Ak- le Innovationen bieten, hat der Peer-Michael Dick Digitalen Modernisierung von teure im Land engagieren sich verantwortungsvolle Umgang Alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der Versorgung und Pflege (DVPMG) mit Projekten und Aktivitäten mit Daten höchste Priorität. AOK Baden-Württemberg, unter anderem den Ausbau der für die Digitalisierung des Ge- Denn was wir brauchen, ist ein Arbeitgeberseite Telemedizin, die weitere Ver- sundheitswesens – die AOK Ba- digital weiterentwickeltes Ge- ankerung von Digitalen Gesund- den-Württemberg unter ande- sundheitssystem, aber keine glä- heitsanwendungen (DiGAs) in rem mit der telemedizinischen sernen Patienten. 1/2021
Seite 17 STANDPUNKT S E L B S T V E R WA LT U N G Mitbestimmung als Erfolgsgarant Für die Selbstverwaltung der GKV war die Amtszeit von Jens Spahn bisher alles andere als ein Spaziergang – auch weil der Bundesminister sie zu schwächen versucht A uf der Homepage ist, dass Kassen und Beitragszah- scheidungen treffen zu können, des Bundesgesund- ler nicht zu reinen Zahlern de- benötigen die Mitglieder der heitsministeriums gradiert, sondern ihnen vielmehr Selbstverwaltung ein umfassen- »In demo- steht es schwarz auf weiß: In Gestaltungsmöglichkeiten für ei- des Wissen über das Gesund- kratische Deutschland gilt das Prinzip der ne hochwertige gesundheitliche heitswesen und müssen dabei Organe sollte Selbstverwaltung. Das heißt, und pflegerische Versorgung er- auch politische Rahmenbedin- dass der Staat zwar die gesetz- öffnet werden. gungen und deren Entwicklun- nicht nach lichen Rahmenbedingungen gen im Blick haben. Grundlage eigenem vorgibt, die Träger des Gesund- ZENTRALISMUS IST SACKGASSE dafür ist eine enge Zusammen- Interesse heitswesens sich aber selbst Zentralistische Strukturen und arbeit mit dem Vorstand und ei- organisieren, um in eigener willkürliche Eingriffe sind je- ne kontinuierliche Berichterstat- oder politi- Verantwortung die Gesundheits- denfalls der falsche Weg und tung, auch im Hinblick auf die scher Groß- versorgung zu gewährleisten. bremsen die gut funktionieren- Interessen der Versicherten. Ich wetterlage Leider wurde dieses Subsidiari- wünsche mir, dass die politi- tätsprinzip in dieser Legislaturpe- schen Entscheidungsträger den eingegriffen »Corona zeigt: werden« riode durch die Bundesregierung Wert der Selbstverwaltung mehr stark strapaziert. Immer wieder Wir sind gut wertschätzen und anerkennen. wurde versucht, den Einfluss der aufgestellt« In bewährte demokratische Or- Monika Lersmacher Selbstverwaltung stark einzu- gane sollte nicht nach eigenem Alternierende Vorsitzende des Verwaltungsrates der schränken – zum Teil mit Erfolg. den Steuerungsprozesse im Ge- Interesse oder aktueller politi- AOK Baden-Württemberg, Auch wenn sich Gesundheits- sundheitswesen in vielen Fällen scher Großwetterlage eingegrif- Versichertenseite minister Jens Spahn während aus. Das müsste eigentlich auch fen werden. seiner Amtszeit zunächst als an- Herrn Spahn einleuchten. Ein Be- geblich großer Fan der Selbst- such im Verwaltungsrat der AOK verwaltung darstellte, war seine Baden-Württemberg würde ihn Interpretation einer funktionie- jedenfalls eines Besseren beleh- renden Selbstverwaltung sehr ren. Dieses wichtige Organ mit von seinen persönlichen Zielen seinen 30 ehrenamtlichen Mit- geprägt: Es gäbe noch zu vie- gliedern, das sich aus Versicher- le Debatten in den entsprechen- ten- und Arbeitgebervertretern den Gremien, die über Jahre hin- zusammensetzt, bestimmt mit weg in Endlosschleifen geführt seiner Arbeit seit Jahrzehnten und nie zu einer Entscheidung die sozial- und unternehmens- gebracht wurden, so Spahn. politische Ausrichtung der AOK Eine fragwürdige Grundlage Baden-Württemberg maßgeb- für die gravierenden Maßnah- lich mit. Es ist zuständig für al- men. Zu nennen sind dabei ins- le Entscheidungen von grund- besondere Gesetzgebungsver- sätzlicher Bedeutung für das fahren wie das Gesetz für einen Unternehmen. Dazu gehören fairen Kassenwettbewerb in der die Wahl des Vorstands, der Be- gesetzlichen Krankenversiche- schluss des Haushalts sowie die rung sowie das MDK-Reform- Entlastung des Vorstands bei der gesetz. Dabei zeigt doch gerade Jahresrechnung. Um unterneh- die Coronakrise, wie wichtig es menspolitische Grundsatzent- 1/2021
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