EINBLICKE AUSBLICKE 60 DEZEMBER 2021 - VON MENSCH ZU MENSCH - MARIABERG

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EINBLICKE AUSBLICKE 60 DEZEMBER 2021 - VON MENSCH ZU MENSCH - MARIABERG
60 → dezember 2021

eINbLIcke
AusbLIcke
Von Mensch zu Mensch

→ WOHnEn fÜr KindEr und JugEndLiCHE
→ ERÖFFNUNG JUGENDHAUS MARIABERG
→ VERABSCHIEDUNG DEKAN I.R. KLAUS HOMANN
EINBLICKE AUSBLICKE 60 DEZEMBER 2021 - VON MENSCH ZU MENSCH - MARIABERG
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    INHALTDezember 2022
                                                      04 Wohnangebote für Kinder und Jugendliche

          wohnangebote für
          kinder und jugendliche
     04 Frei die Flügel entfalten

     08 Fachbeitrag Wohnen Plus

     	Geistliches Leben und Diakonie
     10 Abschied Dekan i.R. Klaus Homann

                                                       10 Abschied Dekan i.R. Klaus Homann
          Stadtteil MAriaberg
     14 Eröffnung Jugendhaus Mariaberg
     15 Landessynode Evangelium

          Aus den GEschäftsfeldern
     16 A&S Azubis schließen Ausbildung ab

     17 Wertvoll und vielfältig: Freiwilligendienst

     18 Schulstart im Container

     19 Zahnarzt Dr. Butscher in Mariaberg

     20 Politische Teilhabe: Bundestagswahl

          KUNST & KULTUR
     21 Ebinger Kammerkonzert und
                                                       17 Freiwilligendienst in Mariaberg
        Ausstellung Beate Radespiel

     22 Rückblick Sommerkunstwoche

          Mariaberg Trauert
     24 Nachruf Dr. Heiner Völker

          Danke für Ihre Unterstützung
     27 Erntedank Fidelisstraße

     27 Eröffnung Bitz

     24   VERANSTALTUNGSKALENDER
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mariaberg      3

                                                                                  Rüdiger Böhm (li.)
                                                                                  Michael Sachs (re.)

                      Da sein für junge Menschen
                       Eltern, Geschwister, Tanten und Onkel, Freunde und Freundinnen, Nach-
                       barn*innen – viele Personen spielen im Heranwachsen eines Kindes eine
                       Rolle, geben Leitlinien für das Leben vor, fördern und fordern und prägen das
                       Leben für die Zukunft . Dies ist ein wichtiger Prozess, liebe Leserinnen und
                       Leser, ohne den ein Mensch sich nur schwer in unsere Gesellschaft einfinden
                       und sich in ihr zurechtfinden kann. Immer wieder gibt es aber Situationen
22 sommerkunstwoche    und Umstände, die es notwendig oder hilfreicher machen, dass Menschen
                       mit Behinderung bereits im Kindesalter in stationäre Angebote Mariabergs
                       aufgenommen werden. Es ist dann sehr wichtig, den Kontakt und das Mitei-
                       nander zur Familie auch weiterhin so eng wie möglich aufrecht zu erhalten
                      – viele Aufgaben, viel Zuwendung und viel Begleitung müssen aber von den
                       Mitarbeitenden in den Wohngruppen erbracht werden. Dies schafft eine ganz
                       besondere, sehr familiäre und persönliche Betreuungssituation.

                      Wenn ein junger Mensch mit Behinderung nach Mariaberg kommt, findet
                      sie oder er aber nicht nur ein spezialisiertes Betreuungskonzept und auf die
                      jeweilige Person abgestimmte Angebote vor. Das Bezugsumfeld mit anderen
                      Kindern, das schulische Angebot vor Ort, Ausbildungsplätze, Möglichkeiten
                      zur Freizeitgestaltung und, soweit die Wohngruppe im Stadtteil Mariaberg
                      liegt, ein in Teilen geschütztes Wohnumfeld mit viel Natur außen herum,
                      sorgen für ein ganz besonderes Lebensumfeld und spezielle Entwicklungs-
                      chancen.

                      In der vorliegenden Ausgabe unseres Magazins möchten wir Ihnen einige Ein-
                      blicke in unsere Wohnangebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderung
                      geben. Auf den weiteren Seiten finden Sie zudem den Abschiedstext unseres
                      bisherigen Vereinsvorsitzenden Dekan i.R. Klaus Homann oder auch einen
                      Bildbericht zur Sommerkunstwoche 2021.

                      Im ganzen Heft gibt es dagegen kaum noch einen Text oder Bezug zur Corona-
                      Pandemie. Nicht, weil dies in Mariaberg kein Thema mehr wäre, sondern
                      eher, weil Corona auch bei uns zwischenzeitlich zum Alltag dazu gehört. Auch
                      wenn die Pandemie uns immer wieder zu Änderungen oder Verzicht in unse-
                      ren geplanten Vorhaben und im täglich Leben führt, lassen wir uns unsere
                      positive Grundhaltung und Zuversicht nicht nehmen.

                      In diesem Sinne hoffen wir für Sie, liebe Leserinnen und Leser, und für uns alle
                      auf ein gesundes und erfreuliches Jahr 2022. Es ist das Jahr des 175-jährigen
                      Bestehens unserer Einrichtung, das wir würdig und in angemessenen Rahmen
                      begehen möchten.

                      Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien ein besinnliches und friedvolles
                      Weihnachtsfest und für das neue Jahr Gottes Segen.

                      Rüdiger Böhm, Vorstand           Michael Sachs, Vorstand
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4    mariaberg → WOHNANGEBOTE FÜR KINDER UND JUGENDLICHE

Leas Zehen graben sich in den feuchten
Sand, während die kühlen Wellen der
Nordsee über ihre Knöchel schlagen.

I
       m September geht ein frischer Wind an der nord-     Spezialsprechstunden für das Phelan McDermid-Syn-
       holländischen Küste, der das blonde Haar der        drom besitzt, geht von ca. 2.500 Betroffenen weltweit
       jungen Frau erfasst. Den Blick auf den Horizont     aus. Bei Leas Geburt in 2003 waren sogar nur 69 Fälle
       gerichtet, flattert Lea freudig mit den Armen       auf der ganzen Welt bekannt. „Ein Millionengewinn
       – wie ein Schmetterling. So nennt Bettina Rom-      beim Lotto wäre wahrscheinlicher gewesen“, resümiert
melfanger ihre Tochter manchmal. Der zweiwöchige           Bettina Rommelfanger. Bei so wenigen Betroffenen und
Urlaub im niederländischen Ijmuiden mit der Familie        unterschiedlichen Ausprägungen ist eine Diagnose, die
ist ideal für die 18-Jährige: Lea liebt Spaziergänge und   eine aufwändige genetische Untersuchung erfordert,
am Strand kann sie endlos laufen, laufen, laufen. Ihre     sehr schwierig. In Ulm fand die Familie schließlich eine
Mutter, ihr Stiefvater Jörg und ihre Großeltern sind       Neurologin, die als eine der wenigen Mediziner*innen
mit von der Partie und genießen die gemeinsame Zeit.       Erfahrungen mit PMDS hat und europaweit 40 Kinder
Lea liebt es, wenn man sich ihr voll und ganz widmet,      damit betreut. Das Label der Diagnose half besonders
wenn ihre Mutter ihr die Fingernägel lackiert oder die     Leas Mutter, ihre Tochter immer besser zu verstehen.
Augenbrauen zupft. Dabei möchte sie immer mitwirken,
unterstützen. „Urlaub mit Lea ist auch immer Vollzeit-     Dennoch ist der Vergleich mit anderen Kindern, den
pflege – da erlebt man sich selbst auch anders“, erzählt   vor allem andere Eltern ziehen, kräftezehrend. Bettina
ihre Mutter Bettina.                                       Rommelfanger hat immer schon in Vollzeit gearbeitet
                                                           und verfolgte eine vielversprechende Karriere bei der
Seltener als ein Lottogewinn                               Polizei – dazu kam die Pflege und Förderung von Lea.
                                                           „Eigentlich bin ich ein positiver Mensch; aber ich merk-
Lea hat das Phelan McDermid-Syndrom (PMDS), oder           te, wie emotionslos ich alles wegarbeitete. Irgendwann
Deletionssyndrom 22q13, mit frühkindlichem Autismus        kam der Punkt, wo ich am Ende meiner Kräfte war. Da
und Epilepsie. Ihrem 22. Chromosom fehlt ein kleines       hatte ich die Wahl: gehe ich jetzt vor die Hunde und wer-
Stück am langen Ärmchen, eine so genannte Mikrodele-       de weder mir selbst noch Lea gerecht, oder suche ich ihr
tion. Das Syndrom gehört zu den orphan diseases, also      eine Betreuung.“ Auch hier hatten Außenstehende eine
zu denen als besonders selten klassifizierten Erkrankun-   Meinung: „Ich könnte das ja nicht, mein Kind abgeben“,
gen. Damit einher gehen unter anderem eine Entwick-        hieß es da. Ihre eigene Mutter wiederum gratulierte
lungsverzögerung, Sprachstörungen, geistige Behinde-       Bettina Rommelfanger zu ihrer Entscheidung: „Ich freu
rung und Muskelhypotonie, also Schwierigkeiten mit         mich so, dass du den Schritt gehst und wieder mehr vom
der Muskelanspannung und -stärke. Das Universitäts-        Leben hast!“
klinikum Ulm, das eine der wenigen interdisziplinären
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Frei die
Flügel
entfalten
Von Alina Veit
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6     mariaberg → WOHNANGEBOTE FÜR KINDER UND JUGENDLICHE

Tochter Lea (li.) und
Mutter Bettina ver-
bindet eine liebevolle
Beziehung. Seit drei
Jahren lebt Lea in
einer Wohngruppe in
Mariaberg.

Ein neues Zuhause

Erst hagelte es „krachende Absagen“ von Einrichtun-
gen, die die damals 15-jährige Lea aufgrund des Antrags
nicht aufnehmen wollten, weil sie ihre Betreuung nicht
leisten könnten. Rommelfanger erinnert sich: „Das fand
ich an Mariaberg direkt so sympathisch: die Hausleite-
rin Gudrun Martey sagte von Anfang an, sie wolle mein
Kind lieber kennenlernen, statt sich auf das Papier zu
verlassen.“ Die Herzlichkeit Marteys und des Teams
der Wohngruppe habe sie von Anfang an gespürt, und
Lea offenbar auch: „Sie ist empathisch und hat sich
beim Kennenlernen ganz vorbildlich verhalten, hat
ganz aufgeschlossen den Kontakt zu den Gleichaltrigen
gesucht.“                                                   Horak, Leiterin des Wohnverbundes für Kinder und Ju-
                                                            gendliche. Gudrun Martey pflichtet ihr bei: „Nicht jedes
Seit drei Jahren lebt Lea Rommelfanger nun in dem           Kind hat so ein stabiles Elternhaus wie Lea und damit die
Wohnangebot für Kinder und Jugendliche im Mariaber-         Möglichkeit, Urvertrauen zu entwickeln.“ Neben der
ger Krätzenberg. Dazu gehört auch der Schulbesuch im        Entlastung der Familien geht es hier deshalb vor allem
Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum          um die Nachsorge und Förderung der Selbstbestim-
Mariaberg. Ihre Familie könnte den 14-tägigen Heim-         mung. Im Ämterplan mit Tischdecken, Spülmaschine
fahrtdienst nutzen, holt Lea aber gerne auch außerhalb      einräumen oder kehren werden die jungen Menschen
der regulären Zeiten selbst ab: „So haben wir schon die     miteinbezogen und helfen – nach ihren individuellen
Fahrt miteinander und ich kann mich außerdem mit dem        Möglichkeiten – mit: „Wie in einer Familie auch“, erklärt
Team der Wohngruppe über Lea austauschen: bei einem         Martey. Das sogenannte Kontaktkind-System ordnet je-
Kind, das keine eigenen Worte hat, eine ganz wichtige       dem Kind eine*n Bezugserzieher*in zu. „Wir sind dann
Kommunikationsquelle für mich“, erklärt Bettina Rom-        für diese Kinder die erste Anlaufstelle, gehen zusammen
melfanger. „Der Anlass für Eltern, ihre Kinder in die Re-   einkaufen oder kümmern uns um Geschenke für sie.
gelbetreuung zu geben, ist oft, dass der Rest der Familie   Grundsätzlich ist aber jede Fachkraft für jedes Kind
und besonders Geschwister zu kurz kommen. Und die           zuständig.“ Vier Mitarbeitende sind rund um die Uhr im
Kinder mit Behinderung führen zuhause über die Schule       Haus. Der große Garten mit Trampolin, Sandkasten und
hinaus oft ein sozial einsames Leben. In der Peer Group     Planschbecken ist besonders für die jüngeren Kinder ein
können sie sich selbst neu erfahren“, erklärt Barbara       toller Spielplatz. Und die Älteren wie Lea genießen die
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 „Lea hat das Talent, ihren Fokus
 auf das Jetzt zu richten. Wer im
  Moment da ist, den nimmt sie in
die Verantwortung. Es ist immer
                                                     ausgedehnten Spaziergänge         ihr Ja, Nein, oder: ‚Frag mich nochmal in ein paar Minu-
     wunderschön, wenn wir uns                       zum Lauchertsee und durch         ten‘ heißen“, meint ihre Mutter. Gudrun Martey weiß:
  sehen. Aber sie freut sich auch                    den nahegelegenen Wald.           „Als Elternteil hast du oft die Gewohnheit, die Wünsche
                                                     „In Mariaberg haben wir           und Bedürfnisse deines Kindes vorzufühlen. Das ist be-
   jedes Mal wieder auf die Wohn-
                                                     einen geschützten Rahmen.         sonders bei Kindern mit einer Behinderung so, dass ihre
      gruppe – und das ist gut so.“                  So können unsere Kids mit         Eltern ihnen gerne Herausforderungen abnehmen. Aber
                                                     Einkaufszettel und Geld in        erst durch deren Bewältigung lernen Kinder eben auch,
                           der Hand teils eigenständig zu Rudis Laden im Markt-        dass sie etwas selbst schaffen können.“ Das könne das
                           platz laufen und die Brötchen holen“, erzählt Martey.       eigene Selbstbewusstsein enorm stärken. Seit z.B. Finn*
                                                                                       aus einem anderen Angebot in die Gruppe gezogen ist,
                           Lea kennt kein Heimweh                                      kümmert er sich geduldig und liebevoll um die Kinder
                                                                                       mit schwereren Behinderungen. Dadurch nehme er auch
                           Die Trennung fiel eigentlich nur ihrer Mutter schwer:       sein eigenes Potential stärker wahr und wirke ausgegli-
                           Für Lea gibt es kein Vermissen. Starken Rückhalt fand       chener, erklärt Martey.
                           Bettina Rommelfanger in ihrem Mann Jörg, Leas „sozia-
                           lem Vater“, und seinem Sohn Max (17 J.). „Beim ersten       Der Schmetterling ist auch ein Symbol für die Schön-
                           Abendessen ohne Lea kam es uns plötzlich so still vor.      heit, die im Wandel liegt. Bettina Rommelfanger kann
                           Da haben wir angefangen, Leas typische Geräusche und        an Lea positive Veränderungen seit dem Einzug in die
        Raus ins Grüne:
                           Laute nachzumachen und mussten lachen.“ Leas Zimmer         Wohngruppe feststellen: "Es ist wirklich beeindruckend,
   regelmäßige Spazier-
     gänge und Spielen     in der Wohngruppe wirkt sehr spartanisch eingerichtet,      dass Lea nun viel mehr eigene Entscheidungen trifft und
     im Garten gehören     geradezu kahl. Das liegt aber daran, dass sie alle Gegen-   sich für ihre Bedürfnisse einsetzt." Ihrer Persönlich-
         elementar zum     stände aus den Regalen und von den Wänden abräumt           keitsentwicklung habe es gut getan, dass ihre Mutter ihr
         Gruppenalltag.    und zerlegt. Ihre Habseligkeiten, speziell Kuscheltiere,    nicht mehr jeden Wunsch von den Augen ablese und ihr
                           stapelt sie immer wieder an derselben Stelle vor dem        Entscheidungen abnehme. "Lea kümmert sich jetzt mehr
                           Fenster zu kunstvollen Türmen auf. „Mittlerweile weiß       um sich selbst und teils bin ich echt überrascht, was
                           ich: Das ist ein Erholungsmoment für ihr Gehirn, das        sie mag - zum Beispiel Rübensirup - oder auch nicht;
                           tut ihrer Seele gut“, so Bettina Rommelfanger. Dieses       sie findet zum Beispiel Duschen toller als Baden." Die
                           Kennenlernen hält bis heute an. „Das ist mein Wunsch:       45-Jährige selbst wiederum leitet inzwischen die Lan-
                           einmal den Tag, die Welt durch Leas Augen zu sehen“,        deskriminalprävention im Landeskriminalamt Baden-
                           erzählt sie.                                                Württemberg und ist glücklich mit ihrer Familie. Wenn
                                                                                       sie von ihrer Tochter spricht, schwingt viel Liebe und
                           Potential entwickeln lassen                                 Bewunderung mit: „Lea hat das Talent, ihren Fokus auf
                                                                                       das Jetzt zu richten. Wer im Moment da ist, den nimmt
                           Leas Autismus sorgt auch dafür, dass sie keinen Blick-      sie in die Verantwortung. Es ist immer wunderschön,
                           kontakt hält. Worte nutzt sie nicht gezielt, sie kommu-     wenn wir uns sehen. Aber sie freut sich auch jedes Mal
                           niziert viel über Bewegung. „Ein Kopfschütteln kann bei     wieder auf die Wohngruppe – und das ist gut so.“

                                                                                                                              Gudrun Martey (li.)
                           *Name geändert
                                                                                                                             und ihr Team sorgen
                                                                                                                             für Wärme und Wohl-
                                                                                                                           fühlatmosphäre in der
                                                                                                                              Kinderwohngruppe.

   Die Fachkräfte unter-
   stützen auch bei den
         Hausaufgaben.
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8   mariaberg → Fachbeitrag Wohnen plus

               Als Geschäftsbereich Wohnen plus betreuen wir in Mariaberg
               und Gammertingen insgesamt 60 Kinder, Jugendliche und junge
               Erwachsene mit geistiger Behinderung und/oder körperlicher
               Beeinträchtigung in 8 verschiedenen Wohngruppen. Unsere
               Wohnangebote sind dabei am Bedarf der Kinder und Jugendli-
               chen orientiert und stark ausdifferenziert.

               Lebens-
               perspektiven
               bieten
EINBLICKE AUSBLICKE 60 DEZEMBER 2021 - VON MENSCH ZU MENSCH - MARIABERG
Kunst & Kultur

                                                                                                                      ← mariaberg      9

 Christine Scheel

                    M
Geschäftsführerin
    Wohnen plus            ariaberg schafft Zukunftsperspektiven: Begon-        Mitarbeitenden und eine hohe Vertrauensbasis. Unsere
                           nen mit unserem integrativen Schulkindergarten       Erfahrung zeigt, dass Entwicklung immer dort am bes-
                           über die Sonderpädagogischen Bildungs- und           ten gelingt, wo eine gute, tragende Bindung zwischen
                    Beratungszentren (SBBZ) über Praktika, den Berufsbil-       Jugendlichen und Mitarbeiter*innen vorhanden ist. Ein-
                    dungsbereich der Werkstätten bis hin zur Förderberufs-      heitliches Ziel für alle unsere Kinder und Jugendlichen
                    fachschule und Reha-Ausbildungen bieten die Bereiche        ist es, möglichst viele lebenspraktische Kompetenzen
                    Mariabergs ein Rundumpaket für Kinder und Jugendli-         zu erwerben, um ein bestmöglich selbstbestimmtes
                    che.                                                        und selbstorganisiertes Leben zu führen. Während für
                                                                                manche junge Menschen ein wichtiges Lernziel ist, sich
                    Im Ortsteil Mariaberg wohnen Kinder und Jugendliche,        selbständig ihr Essen zu schöpfen oder die Kleidung
                    die einen höheren Unterstützungsbedarf haben. Sie           anzuziehen, ist für Jugendliche in unseren Gammertin-
                    sind zum Beispiel bei der Körperpflege, der Nahrungs-       ger Wohngruppen oft der Wunsch vorhanden, einmal
                    aufnahme und vielen alltäglichen Handlungen auf kon-        im Ambulant Betreuten Wohnen (ABW) in einer eigenen
                    krete Unterstützung der Mitarbeitenden angewiesen. In       kleinen Wohnung zu leben und nur noch punktuell von
                    Mariaberg zu leben hat für sie den Vorteil, dass sie sich   Fachkräften unterstützt zu werden.
                    hier ungefährdeter bewegen können und kurze Wege zur
                    Schule und z.B. in den Laden haben. So können man-          Viele Kinder und Jugendliche kommen aus anderen
                    che von ihnen die täglichen Wege selbständig bestrei-       Landkreisen zu uns. Das Ankommen ist anfangs noch
                    ten, was ihnen in den umliegenden Gemeinden so nicht        teilweise mit Heimweh verbunden. Häufig erleben wir
                    möglich wäre.                                               jedoch, dass die jungen Menschen sich sehr schnell und
                                                                                gut in ihre Wohngruppe einfinden. Ein Vorteil für sie ist
                    Am Standort Mariaberg betreiben wir auch zwei Wohn-         beispielsweise, dass sie in unseren Wohngruppen auch
                    gruppen, in den Kinder und Jugendliche betreut werden,      über die Schule hinaus Kontakte mit anderen jungen
                    die aufgrund ihrer Diagnose und/oder ihrer aktuellen        Menschen haben. Eine Erfahrung, die viele von ihnen
                    Verhaltensmerkmale einen besonders engen Betreu-            von Zuhause nicht kennen. Auch unsere Freizeitange-
                    ungsrahmen benötigen. In diesen Wohngruppen leben           bote sind natürlich auf den Bedarf von Kindern und Ju-
                    weniger junge Menschen mit einem jedoch intensiven          gendlichen mit Unterstützungsbedarf ausgerichtet und
                    Betreuungs-Setting zusammen, um ihren speziellen Be-        werden gerne angenommen.
                    darfen gerecht werden zu können. Das können genau-
                    so besondere Formen von zwanghaftem Verhalten, das          Etwa jedes zweite Wochenende und in den Ferien kön-
                    autismusbedingt auftritt, sein wie auch eine niedrige       nen die Kinder und Jugendlichen, wenn dies familiär
                    Frustrationstoleranz in Verbindung mit sozial unange-       möglich ist, nach Hause fahren. Diese Heimfahrten wer-
                    passtem Verhalten.                                          den über unseren Fahrdienst organisiert. Selbständige-
                                                                                re Jugendliche können natürlich auch mit dem ÖPNV zu
                    In Gammertingen betreiben wir in unterschiedlichen          ihren Familien fahren. In der Regel bleiben Jugendliche
                    Gebieten der Gemeinde drei Wohngruppen für Kinder           und junge Erwachsene bis zum Schulende in Mariaberg.
                    und Jugendliche, die (schon) relativ viele Kompeten-        Teilweise – vor allem, wenn die familiäre Bindung stark
                    zen in der alltäglichen Lebensführung erworben haben        ist – ziehen sie zu Beginn ihres Berufseinstiegs wieder
                    und deren Unterstützungsbedarf sich vorwiegend auf          in ihre Heimatregion zurück. Einige junge Erwachsene
                    pädagogischer Ebene bewegt. Sie lernen in ihrem All-        entscheiden sich aber auch, in oder um Mariaberg zu
                    tag, wie man Wäsche wäscht, einfache – und teilweise        bleiben, weil sie sich über die Jahre hier stark verwur-
                    sogar raffinierte – Gerichte zubereitet, die Wohnung        zelt haben. In den jährlich stattfindenden Zukunftskon-
                    reinigt, Behördengänge erledigt und vieles mehr. Ein        ferenzen suchen wir dann gemeinsam mit den Familien,
                    bedeutender Teil der Förderung bezieht sich jedoch auf      evtl. gesetzlichen Betreuer*innen und Leistungsträgern
                    die sozialen Kompetenzen. Wie gehe ich mit meinen           nach einer möglichst wunschgenauen weiteren Wohn-
                    Mitschülern*innen um? Wie pflege ich Freundschaften?        und Berufsperspektive. Schweren Herzens heißt es dann
                    Was mache ich, wenn ich mit meinen Eltern in Streit ge-     von der Jugendgruppe, die oft zu einer zweiten Heimat
                    rate? Das sind grundlegend wichtige Lebensfragen, und       geworden ist, Abschied zu nehmen und den nächsten
                    um den für sich richtigen Umgang damit herauszufinden,      großen Schritt ins (Erwachsenen-)Leben zu gehen.
                    braucht es eine fachlich fundierte Unterstützung der        Christine Scheel, Geschäftsführerin Wohnen plus
EINBLICKE AUSBLICKE 60 DEZEMBER 2021 - VON MENSCH ZU MENSCH - MARIABERG
10   mariaberg → ABSCHIED DEKAN A.D. KLAUS HOMANN

       alles
       hat
       seine
       zeit

        Zum Abschied aus
        dem Ehrenamt des
        Vereinsvorsitzenden
        des Mariaberg e.V.
        DEKAN I.R. KLAUS HOMANN
ABSCHIED DEKAN I.R. KLAUS HOMANN ← mariaberg             11

„Alles hat seine Zeit“, sagt die Bibel (Spr. 3,1), und das   und sozialpolitische Entscheidungen musste Mariaberg
 gilt auch für meine unmittelbare Verantwortung für Ma-      gravierend verändert werden. Der Landeswohlfahrts-
 riaberg. Nach 27 Jahren als Vorsitzender des Mariaberg      verband Süd-Württemberg-Hohenzollern als alleiniger
 e.V. und damit des Verwaltungsrates, der Mitgliederver-     Verhandlungspartner für Mariaberg wurde aufgelöst
 sammlung und des Stiftungsrates habe ich diese Funkti-      und die Verantwortung auf die Stadt- und Landkreise
 on zum 24. September 2021 in der Mitgliederversamm-         übertragen.
 lung niedergelegt und wurde zwei Tage später in einem
 feierlichen Abschiedsgottesdienst entpflichtet.             Infolge der UN-Behindertenrechts-Konvention 2006
                                                             wurde die Dezentralisierung zur Bedingung gemacht.
Es geht mir zwar Gott sei Dank gesundheitlich gut, bin       Die Landesheimbauverordnung machte den Umbau der
aber im Mai nun schon 75 Jahre alt geworden. Auch kann       Wohnplätze notwendig. Rahmenzielvereinbarungen
ich, da ich schon 10 Jahre im Ruhestand bin, vom Boden-      für die strategische Weiterentwicklung der Eingliede-
see aus im allgemeinen öffentlichen Geschehen um Ma-         rungshilfe wurden mit den umliegenden Landkreisen
riaberg herum nicht mehr so präsent sein. Natürlich ist      beschlossen und fortgeschrieben. Mariaberg war da-
die diakonische Aufgabe in Mariaberg mir nach wie vor        mit eine der ersten. Das bis heute modellhafte Konzept
ein besonderes Herzensanliegen. Denn es gibt nichts          der Umwandlung des Standortes Mariaberg in einen
Wertvolleres und menschlich Bereichernderes, als             integrativen „Stadtteil mit besonderem Charme“ wurde
Menschen in Mariaberg auf verschiedenste Weise „von          umgesetzt. Einher ging und geht dies alles mit weiterer
Mensch zu Mensch“ zu begleiten und bei einem men-            fachlicher und örtlicher Ausdifferenzierung des Fach-
schenwürdigen Leben zu unterstützen. Wertvoll auch           krankenhauses für Kinder- und Jugendpsychiatrie, der
deshalb, weil wir dabei erfahren können: „Menschen,          Einrichtung von teilweise integrativen Schulkindergär-
denen wir eine Stütze sind, die geben uns Halt im Leben“     ten, den Sonderschulen, der Beruflichen Bildung, der
(Marie von Ebner-Eschenbach). Auch mein Leben hat            Jugendhilfe, der Pflege von Kunst und Kultur, und der     Dekan i.R.
die Begegnung mit den Menschen in Mariaberg berei-           Entwicklung einer Trauerkultur für Menschen mit Behin-    Homann (re.)
chert. Und überhaupt bedeutet ja Diakonisches Handeln        derung, deren Angehörigen und der Mitarbeiterschaft,      im Gespräch mit
Christus mit seinem Blick von unten zu begegnen.             auch ein Anstoß aus Mariaberg.                            Dekan Marcus
                                                                                                                       Keinath, der ihm
Als Herr Prof. Erich Bochinger mich damals noch als                                                                    als Vereinsvorsit-
                                                                                                                       zender nachfolgt.
Schuldekan des Kirchenbezirkes Reutlingen zu seinem
Nachfolger vorgeschlagen hat und ich am 5. Juli 1994
zum Vorsitzenden gewählt wurde, sah Mariaberg noch
anders aus. Seitdem hat sich viel und Grundlegendes
verändert, ist manches Neue entstanden, gab es Höhen,
aber auch schwierigere Situationen zu bewältigen. Zu
Beginn meiner Tätigkeit bestand die Mitarbeiterschaft
des Mariaberg e.V. aus 690 Personen, heute sind es fast
1.700 Personen. Damals wurde Mariaberg von Direk-
tor Karl Rudolf Eder geführt, heute von zwei Vorstän-
den. Um die Eigenverantwortlichkeit zu stärken, wurde
Mariaberg umstrukturiert in den Verein mit acht Toch-
ter-, bzw. Enkeltochtergesellschaften und vier Unter-
nehmensbeteiligungen. Durch gesellschaftspolitische
12   mariaberg → ABSCHIED DEKAN I.R. KLAUS HOMANN

         Von Theodor Fontane
               stammt der Rat:
     „Abschiedsworte müssen
          kurz sein wie Liebes-
                                            Personelle Wechsel im Vor-       In all den Jahren war ich dem Verwaltungsrat, der Mit-
       erklärungen.“ Anderer-               stand galt es zu bewältigen,     gliederversammlung mit Mitarbeitendenvertretung und
            seits sagte schon               wirtschaftliche Engpässe zu      Angehörigenbeirat und besonders meinen Stellvertre-
                                            überwinden. Eine Stiftung        tern Herrn Bankdirektor i.R. Hans-Helmut Lechler und
          Jesus: „Wes das Herz
                                            Mariaberg wurde gegründet,       Herrn Rechtsanwalt Dr. Heiner Völker für die kompeten-
         voll ist, des geht der             die den Verein bei Sanie-        te Beratung und Unterstützung immer außerordentlich
          Mund über“ (Lk 6,45).             rungen, Neubauten und bei        dankbar. Ebenso auch für die vertrauensvolle Zusam-
                                            weiteren Aufgaben tatkräftig     menarbeit mit den Vorständen, zuletzt über die längste
                 unterstützt, sodass Mariaberg aktuell mit rund 550 sta-     Zeit mit Rüdiger Böhm und Michael Sachs, gemeinsam
                 tionären Plätzen in der Eingliederungshilfe in sieben       mit den Sekretärinnen Eva Knöll, Karin Junkersdorf, Ro-
                 Landkreisen vertreten ist. Nun gilt es, die grundlegende    selinde Lingenberg und Martina Elbel stellvertretend
                 Neuordnung des BTHG umzusetzen und die Corona-Pan-          für alle in der Verwaltung. Ohne diese sehr gute Zusam-
                 demie weiter zu bekämpfen. So beeindruckt die Dyna-         menarbeit hätte ich mein Amt nicht so wahrnehmen kön-
                 mik Mariabergs weiterhin, und auch die Erfolgsbilanz.       nen. Dazu habe ich große Hochachtung vor allen, die
                                                                             in Mariaberg in verschiedensten Aufgaben und Funkti-
                 Gern habe ich alle diese Entwicklungen begleitet und ge-    onen ihren verantwortungsvollen und oft sehr heraus-
                 fördert, und dazu auch durch Gottesdienste, Andachten       fordernden Dienst für die uns anvertrauten Menschen
                 und Besinnungen in den Veröffentlichungen Mariabergs        tun, besonders jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie.
                 das diakonische Profil deutlich werden lassen. Ich dan-     Auch den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen, die
                 ke allen, von den Mitarbeitenden bis in die Führungs-       in Mariaberg und an anderen Standorten wohnen, habe
                 spitze, für all die großartige Leistung. Mariaberg ist so   ich immer als besonders bereichernd empfunden. Nicht
                 zu einem vielseitig ausgebauten Schnellboot geworden,       zuletzt danke ich auch allen sehr, die Mariaberg auf den
                 das immer zeitgemäß den Kurs ausrichten konnte und          verschiedenen Entscheidungsebenen unterstützt haben.
                 weiter ausrichtet. Dafür können wir alle sehr dankbar
                 und darauf auch ein wenig stolz sein.
ABSCHIED DEKAN A.D. KLAUS HOMANN ← mariaberg

Glanzlichter aus der Zeit im und für den Mariaberg e.V.: Dekan i.R. Klaus Homann wohnte in 27 Jahren als Vereinsvorsitzender
zahlreichen Spatenstichen, Einweihungen und anderen Events vom Mariaberger Tag bis zur Porscheausfahrt bei und feierte zahllose
Gottesdienste mit den Menschen rund um Mariaberg. Oft auch in Begleitung seiner Ehefrau Ingrid Homann. Uns allen begegnete er
immer voller Herzlichkeit und Zugewandtheit.

Wir sagen: Dankeschön für Alles, lieber Herr Homann!

Nicht ohne Wehmut lege ich nun meinen Vorsitz nie-                verbunden, denn dort wurde am 30.12.1846 der Verein
der. Es ist mir damit wie es im Liede heißt: „als wärʼs           gegründet, also vor etwas mehr als 174 Jahren. So wird
ein Stück von mir.“ Für all diese reichen, bereichernden          die alte Tradition der Verbindung mit Reutlingen weiter-
und zuweilen auch herausfordernden Jahre, in denen                geführt. Ihm wünsche ich die nötige Kraft, gutes Gelin-
ich diesen wertvollen Dienst tun durfte und konnte, bin           gen und Gottes Segen.
ich sehr dankbar. Und ich danke nicht zuletzt Gott, der
mir die Gesundheit und Spannkraft geschenkt hat, um               Von Theodor Fontane stammt der Rat: „Abschiedswor-
Mariaberg als Vorsitzender der Mitgliederversammlung,             te müssen kurz sein wie Liebeserklärungen.“ Ande-
des Verwaltungsrates und des Stiftungsrates leiten zu             rerseits sagte schon Jesus: „Wes das Herz voll ist, des
können.                                                           geht der Mund über“ (Lk 6,45). Deswegen konnte mein
                                                                  Abschiedswort auch nicht ganz so kurz ausfallen, aber
Besonders freue ich mich, dass ich mein Amt nun in                eine Liebeserklärung an Mariaberg bleibt es allemal.
die bewährten Hände von Herrn Dekan Marcus Keinath,               Möge zudem auch weiter für Mariaberg die Zusage des
Reutlingen, legen darf. Am 29. Januar 2016 ist er schon           Propheten Jesaja gelten (52,12): „Der Herr wird vor euch
in den Verein und in den Verwaltungsrat berufen und               herziehen und der Gott Israels euren Zug beschließen.“
gewählt worden. Er ist seit 1.3.2015 Dekan des Kirchen-
bezirks Reutlingen, in dem auch Mariaberg liegt, und              Dekan i.R. Klaus Homann
somit voll im öffentlichen Geschehen um Mariaberg prä-            Vorsitzender des Mariaberg e.V. 1994-2021
sent. Die Gründung Mariabergs ist ja eng mit Reutlingen
14    mariaberg → fachbeitrag

                        Jugendhaus
                        Mariaberg
                        offiziell                                                 zern, die die Realisierung des Jugendhauses ermöglicht
                                                                                  haben, sehr dankbar.“ Einer davon ist Joachim Lorenz:
                                                                                  der Landschaftsgartenbauer von Grün3 hatte die Idee,

                        eröffnet
                                                                                  die Terrasse im Sommer als Mosaik-Gesamtkunstwerk
                                                                                  zu gestalten. Mit Jugendlichen des Stadtteils machte
                                                                                  sich Lorenz als ehrenamtlicher Projektleiter an die Ar-
                                                                                  beit: an drei Samstagen entstanden so farbenprächtige
                                                                                  Kunstwerke aus Travertin, Sandstein, Granit, Basalt und

                        S
                              eit Sommer 2020 gibt es ein inklusives Jugend-      Tegula Betonpflastern. Ein Yin-Yang-Zeichen für Harmo-
                              haus in Mariaberg. Nachdem dieses zunächst in       nie, ein Herz für die Liebe, eine Schachbrett-Schlange
         Bild oben:           Interims-Räumlichkeiten im Olga-Wera-Bau un-        als Symbol für Spiel und Spaß im Jugendhaus und eine
     Rüdiger Böhm       tergebracht war, konnten nun die endgültigen, neu ein-    Elipse, die die Gemeinschaft darin versinnbildlicht.
       und Michael
                        gerichteten Räumlichkeiten im Krätzenberg 6 im Rah-       Eine strahlende Sonne steht für den Sozialarbeiter im
 Sachs (2. u.3.v.li.)
                        men einer kleinen Feier an die Jugendlichen übergeben     Jugendhaus, der immer da ist, erklärt Lorenz: „Weil sol-
  übergaben einen
                        werden. „Für mich fühlt es sich nun an wie ein Schiff,    che Leute wie Raimund einfach Licht und Wärme brin-
     symbolischen
Schlüssel zur Eröff-    das endlich vor Anker gehen kann“, resümiert Raimund      gen.“ Die Steine für diese Patchwork-Terrasse lieferten
nung an den Leiter      Jäger, Leiter des Jugendhauses Mariaberg.                 die Landschaftsgartenbauer von Grün3 aus Restposten.
  des Mariaberger
Jugendhauses Rai-        In den großzügigen Räumen gibt es jede Menge Platz für   Jugendbeauftragter Raimund Jäger ist sehr stolz auf das
mund Jäger (Mitte,       Begegnungen, Gespräche, zum Chillen, Reden, Zocken       neue Jugendhaus: „Von der Bodenfliese bis zur Deckeha-
  kariertes Hemd).       oder Musik machen und hören. Ein großer 3D-Fernseher     ben wir hier zusammen ein kleines Meisterwerk hinge-
                         gehört genauso zur Ausstattung wie ein Tischkicker –     legt.“ (zr, vea)
          Darunter:      beides durch großzügige Spenden finanziert. Alexander
  Die Jugendlichen       Grosch aus Gammertingen überließ dem Jugendhaus
    gestalteten die
                         einen professionellen Billardtisch, eine Glastheke und
       Terrasse des
                         Hocker für die Bar. Monika Jäger und Andreas Fulterer
 Jugendhauses mit
                         sowie die Landeserstaufnahmestelle Sigmaringen spen-
         Mosaiken.
                         deten zahlreiche Spiele. Raimund Jäger ist begeistert:
                        „Wir können hier die Ideen und Wünsche der jungen
                         Menschen, die im Stadtteil leben, super umsetzen. Un-
                         ser oberster Grundsatz dabei ist, die jungen Menschen
                         selbst in die Verantwortung zu nehmen und sie selbst
                         Sachen auf die Beine stellen zu lassen. Die Begleitung
                                                                                                        Das Mariaberger Jugendhaus empfängt
                         durch mich und andere Kollegen unterstützt wo nötig,
                                                                                                             die jungen Menschen mit und ohne
                         macht aber keine Vorgaben. Wir sind allen Unterstüt-
                                                                                                           Behinderung im Stadtteil Mariaberg
                                                                                                         mit neuen, großzügigen und spannend
                                                                                                                ausgestatteten Räumlichkeiten.
Stadtteil ← mariaberg        15

             „Unser Herz
            schlägt für die
               Diakonie“
            der Bezirksarbeitskreis Reutlingen „Evangelium und
          Kirche“ (EuK) der Landessynode der Evangelischen Kirche
            in Württemberg war am 15. Juli zu Gast in Mariaberg.

V
       orstand Rüdiger Böhm und Pfarrerin Bärbel Dan-      Lebensphase, assistierten Suizid und die Konversion
       ner begrüßten die Runde um den zweiten stellver-    des Stadtteils Gammertingen-Mariaberg ging. Auch das
       tretenden Synodalpräsidenten Johannes Eißler im     Verhältnis zwischen Einrichtungsdiakonie, Diakonie-
 ehemaligen Klostergebäude. Neben Eißler, der Pfarrer in   verband und -sozialstationen wurde thematisiert so-
 Eningen ist, waren Hanna Fuhr, frühere Landessynodale     wie die Stellenplanung für Krankenhausseelsorge und
 und Vorsitzende des Evangelischen Bezirksjugendwer-       die Pfarrplanentwicklung. Pfarrerin Danner berichtete
 kes Reutlingen, Pétur Thorsteinsson, Referent für die     über die Erfahrungen mit dem Förderprogramm „Neue
„Aktion Hoffnung für Osteuropa“ im Diakonischen Werk       Aufbrüche“ und vom Antrag der Verbundkirchengemein- Die Bezirksarbeits-
 Württemberg, und Siegfried Weber, ehemals Dienst-         de Gammertingen-Trochtelfingen für eine Diakonen- gruppe Reutlingen
 stellenleiter in der Altenhilfe der BruderhausDiakonie,   stelle mit Schwerpunkt Jugendarbeit. Für Danner steht „Evangelium und
 mit dabei. Im Gespräch und bei einer Führung durch        fest: „Kirche ohne Diakonie verliert die Erde, Diakonie Kirche“ besuchte
 die diakonische Einrichtung lernten die Mitglieder        ohne Kirche verliert den Himmel. Dieser kurze Satz be- den Mariaberg e.V.:
 des EuK-Gesprächskreises den Mariaberg e.V. kennen.       schreibt ein Dilemma: das Miteinander oder vielmehr (V.li.n.re.)
                                                           Nebeneinander von Kirchengemeinden und diakoni- Vorstand
Vorstand Böhm freute sich über den „sehr intensiven        scher Einrichtung. Aus diesem Nebeneinander soll ein Rüdiger Böhm,
und interessierten Austausch“, in dem es unter anderem     Miteinander werden – das wäre ein gutes Programm für Siegfried Weber,
um Inklusion, Dezentralisierung der Angebote des Mari-     die Landeskirche.“ (vea)                                Pfarrer
                                                                                                                    Johannes Eißler,
aberg e.V., die Begleitung von Menschen in der letzten
                                                                                                                    Pétur Thorsteinsson,
                                                                                                                    Pfarrerin
                                                                                                                    Bärbel Danner,
                                                                                                                    Hanna Fuhr.
16   mariaberg → Aus den Geschäftsfeldern

Herzliche Glückwünsche gingen im September an 23 Auszu-
bildende aus 11 Berufen. Sie alle haben bei der Mariaberger
Ausbildung & Service gGmbH (A&S) eine dreijährige
Ausbildung absolviert und erfolgreich abgeschlossen.

S
     eit Anfang Juli hatten die Prüfungen vor den zu-      Die Mariaberger Ausbildung & Service gGmbH bildet in
     ständigen Kammern von IHK, Handwerkskammer            zahlreichen Berufen in Zusammenarbeit mit Firmen und
     und Regierungspräsidium stattgefunden. Den Ab-        den jeweiligen Kammern aus. Ziel ist die anschließende
schluss bildeten nun die Prüfungen der Fachpraktiker für   Vermittlung in Betriebe der freien Wirtschaft. Finanziert
Holzverarbeitung in Mariaberg sowie der Metallfeinbe-      werden die Ausbildungen überwiegend durch die Agen-
arbeiter in Sigmaringen. Coronabedingt fand die Verab-     tur für Arbeit. Bruno Oberlander
schiedung der erfolgreichen Auszubildenden im kleinen
Rahmen in den einzelnen Ausbildungsbetrieben statt.
                                                                                            i n M  a r i a b e r g:
                                                                                         ng
                                                                   z u r A  usbildu              53
                                                            Info s                     24/923-5                         ruf
Zum diesjährigen Abschlussjahrgang gehörten 6 Fach-
praktiker für Holzverarbeitung, 5 Gartenbaufachwerker/
                                                                    c h e y t t, 0 7 1
                                                                                                 i l d u n g -u n d-b e
innen im Zierpflanzenbau und Garten- und Landschafts-       Vera S              e r g.de/au
                                                                                              sb
                                                                        r i a b
bau, 4 Metallfeinbearbeiter, 2 Fachpraktikerinnen für
Hauswirtschaft, 1 Fachpraktiker Küche, 1 Fachhelferin
                                                             www.ma
für Reinigungstechnik, 1 Bauten- und Objektbeschich-
ter, 1 Fachpraktikerin Floristik, 1 Bäckerfachwerkerin
und 1 Verkäuferin. Den Hauptschulabschluss haben die
Absolventen/innen mit bestandener Prüfung zusätzlich
erworben, sofern sie diesen nicht bereits hatten.

                                                                                                                       Metallfeinbearbeitung:

23 Azubis
                                                                                                                       Die vier erfolgreichen
                                                                                                                       Auszubildenden mit ih-
                                                                                                                       ren Ausbildern Andreas
                                                                                                                       Müller und Robert Ador.

machen Ihren
Abschluss
Aus den Geschäftsfeldern ← mariaberg         17

                            Vielfältig
                            und wertvoll
          Streetworkerin
        Dagmar Albrecht
        mit ihrer Hündin
           Henriette und
      Jugendhaus-Leiter
         StefanBild oben:
                 Fetscher
    Die neue  Generation
         (Stadt Mengen)
      steht schon bereit:
 46 neue Freiwillige im
FSJ, FÖJ und BFD starte-

                            W
ten im September ihren               ofür man sich bereitstellt, wenn man ein FSJ, Auch Esther Ouedraogo, die im Dezember 2019 ihr
   Dienst in Mariaberg.              FÖJ oder BFD antritt, erklärt sich aus den FSJ in einem Mariaberger Seniorenwohnangebot für
                                     Namen: Soziale, wahlweise ökologisch-nach- Menschen mit Behinderung begann, fühlte sich wohl:
              Bild links:   haltige, Freiwilligenarbeit: Dienst an der Gesellschaft. „Die Leute hier sind perfekt und ich helfe gern.“ Die
   Merve Kalin (li.) und
                            Nicht vorausgeplant war dieser für die letztjährigen 25-Jährige kommt aus Burkina Faso und lässt sich der
    Jugendbeauftragter
                            Freiwilligen Mariabergs ausschließlich unter Corona- Einfachheit halber beim selbstgewählten Spitznamen
   Raimund Jäger beim
   Dankes-Grillfest für
                            Bedingungen. Als Dank für diesen besonderen Einsatz rufen; eigentlich heißt sie Rimnongodo, was übersetzt
       die letztjährigen    organisierten Merve Kalin vom Jugendhaus Mariaberg „Prinzessin“ bedeute. Fürstlich aufgewachsen ist sie in
            Freiwilligen.   und Freiwilligenbeauftragte Ute Haimerl ein Abschieds- Westafrika allerdings nicht. Ihr Heimatdorf Talle zählt
                            grillen.                                                  nur 1000 Einwohner*innen und hat keine medizinische
            Bild rechts:                                                              Versorgung, sodass viele Frauen bei der Geburt ihre Ba-
     Esther Ouedraogo       Luisa Lentini fand die Lockdown-Situation in Maria- bies verlieren, erzählt sie. Ihr Bruder half ihr nach ihrem
      und Luisa Lentini     berg erträglich: „Das war gar nicht so schlecht, weil ich Abschluss dabei, nach Deutschland zu kommen. Er habe
    absolvierten ihr FSJ    dadurch nicht so isoliert wie andere in meinem Freun- ihr geraten, in die Welt hinauszugehen und viele Erfah-
         in Mariaberg.      deskreis war.“ Sie macht ihr FSJ als Voraussetzung für rungen zu sammeln. „In Burkina Faso ist es Frauen z.B.
                            ihre Ausbildung zur Jugendheimerzieherin in der Kin- nicht erlaubt, Tischkicker wie hier im Jugendhaus zu
                            derwohngruppe von Hausleiterin Gudrun Martey: „Da spielen. Ich liebe es!“ Sie möchte gerne in Deutschland
                            stimmt alles; eine tolle Chefin, super Gruppe und ein bleiben und eine Ausbildung zur Pflegefachkraft ma-
                            gutes Team.“ Durch ihre Familie fühlt sich Luisa beson- chen und mit dem Geld auch Talle unterstützen: „Wenn
                            ders mit Mariaberg verbunden: sowohl ihre Schwester es klappt, möchte ich ein paar Kinder in die Schule schi-
                            als auch ihre Tante haben hier die Ausbildung zur Heil- cken.“ Esther will ihre Familie dort erst dann wieder be-
                            erziehungspflegerin gemacht. Und in einer Wohngruppe suchen, wenn sie eine feste Stelle in Deutschland hat
                            hat die 20-Jährige ein Foto ihrer Großmutter entdeckt, – damit sie es sich leisten kann, auch wieder zu gehen.
                            die dort vor 40 Jahren als Hauswirtschaftshilfe gearbei- (vea)
                            tet hatte. „Ich treffe hier Klienten, die meine Oma noch
                            kannten. Das ist wirklich schön.“
18   mariaberg → Aus den Geschäftsfeldern

                               Schulstart
                              im Container
                     E
                          ine große rote und eine gelbe Schultüte schieben      Differenzierung, findet Ute Biesinger, Klassenlehrerin
                          sich durch die Tür ins ausgelagerte Container-        der B1. Sie hat schon begonnen, sich die Räume mit
                          Klassenzimmer in Mariaberg. Die Klasse sitzt er-      der Klasse zusammen anzueignen. Mit umgezogen ist
                     wartungsvoll im Stuhlkreis der Morgenrunde. Die rote       so zum Beispiel der alte, geblümte „Glückssessel“, der
                     Schultüte platzt bei Berührung auseinander, so prall ist   schon in der passenden „Glücksecke“ zum bequemen
                     sie mit Süßigkeiten gefüllt. Vorstand Rüdiger Böhm hat     Ausruhen bereitsteht. Darüber hängen, wie schon zuvor
                     sie der Klasse B1 zum Schulstart in den neuen Räumen       im Olga-Wera-Bau, bunte Bilder und motivierende Gute-
                     mitgebracht und fragt nach: „Und, wie gefällt es euch      Laune-Sprüche. Ein neuer potenzieller Lieblingsplatz
                     hier?“                                                     und Rückzugsort.

                     Die Klasse des Sonderpädagogischen Bildungs- und Be-       Die Schokoriegel und Leckereien, die Vorstand Rüdiger
   Schultüten mit    ratungszentrums Mariaberg (SBBZ) musste wegen der          Böhm ihnen ins Container-Klassenzimmer mitgebracht
   „Schleck“ zum     jüngst begonnenen Kernsanierung des Olga-Wera-Baus         hatte, versüßten den Schülerinnen und Schülern die Ein-
  ersten Schultag    ausziehen (wir berichteten in der letzten Ausgabe, Ein-    gewöhnung. Das Container-Team ist zuversichtlich, auch
    im Container-
                     blicke Ausblicke Nr. 59). Bis die Umbauarbeiten 2023       in den neuen Räumen eine positive Arbeitsatmosphäre
  Klassenzimmer
                     beendet sind, findet der Unterricht für einige Klassen     für die Klasse B1 schaffen zu können: die beste Voraus-
       bekam die
                     im Container-Komplex in der Burghaldenstraße statt.        setzung für produktives Lernen und entsprechend die in-
    Klasse B1 des
Mariaberger SBBZ
                     Diese sind modern, hell und bieten genug Platz für         dividuelle Weiterentwicklung der Schüler*innen. (vea)
     von Vorstand
   Rüdiger Böhm
            (re.).
Aus den Geschäftsfeldern ← mariaberg           19

                        Lachen und
      Anleitung zum
 Selbermachen: Dr.
    Butscher (Mitte)
    demonstriert an
 Dimitris Anagnos-
tou vom Mariaber-
                        Zähne zeigen
  ger Wohnangebot       Zahnseide, Mundspülungen, Modellgebisse,
in der Sigmaringer
     Straße die rich-
                        Zahncreme und etliche Bürsten:
   tige Technik zum

                        M
   Zähneputzen bei
           anderen.            it einem großen Koffer dabei betreten Zahnarzt      „Wir haben einige hier im Haus, die selbst ihre Zähne
                               Dr. Erich Butscher und die zahnmedizinische Fa-     putzen. Da ist es nochmal bestärkend, die Anweisun-
                               changestellte Martina Freudenmann an einem          gen vom Zahnarzt zu hören und nicht nur von uns Mit-
                        Samstag die Wohngruppe in der Sigmaringer Straße.          arbeitenden“, meint Ellen Retzlaff, Fachkraft in der Sig-
                        Die zahnärztliche Betreuung ist fester Bestandteil der     maringer Straße. Dr. Butscher zeigt auch ihr und dem
                        medizinischen Versorgung Mariabergs. Seit etwa 10          restlichen Team, wie man die Zähne anderer bei Bedarf
                        Jahren betreut das Team von Dr. Butscher im Rahmen         am besten putzen kann: sich in dieselbe Blickrichtung
                        einer Kooperation, die in Absprache mit der Landes-        neben der Person aufstellen, den Arm sorgsam um ih-
                        zahnärztekammer Baden-Württemberg zustande kam,            ren Kopf legen und das Kinn von unten stützen. Dimitris
                        rund 180 Klienten*innen vor Ort. Zu dieser Kernbetreu-     Anagnostou stellt sich dafür freiwillig als Modell zur
                        ung gehören auch die Zahnhygieneschulungen. Dabei          Verfügung, während er den Vorgang durch einen Hand-
                        bekommen die neun Teilnehmenden der Sigmaringer            spiegel beobachtet. Der Trick: „leichtes Rütteln mit
                        Straße auch jede*r eine Zahnbürste, -creme und -seide.     schräg angewinkelter Bürste“, erklärt Dr. Butscher. Vor
                                                                                   den Mitarbeitenden-Teams ziehe er den Hut; Er sehe die
                        Am Modell wird die richtige Pflegetechnik gezeigt:         Wohnangebote Mariabergs rund um Gammertingen als
                        „Von Rot nach Weiß, vom Zahnfleisch zum Zahn und wir       Bereicherung des Stadt- und Menschenbilds.
                        nehmen uns dafür Zeit“, so Dr. Butscher. Er und Freu-
                        denmann nehmen sich in der Tat Zeit für jede*n und         „Mir persönlich machen diese Besuche auch unheimlich
                        besprechen die individuellen Pflegenotwendigkeiten.        Spaß. Man blickt in vertraute Gesichter, man grüßt sich
                        Roland Nothacker fragt nach, wie man die Prothesenrei-     auf der Straße: dieser sympathische und vertrauensvol-
                        nigungsbürste richtig anwendet. Die dünne Seite für die    le Direktkontakt ist uns sehr wichtig“, so Dr. Butscher.
                        Innen-, die breite für die Außenfläche: „Jetzt hab ich’s   (vea)
                        verstanden“, lacht Nothacker.
20   mariaberg → Aus den Geschäftsfeldern

                      Die Bundes-
  In einem Work-
    shop konnten
  Klienten*innen
                      tagswahl
  Wünsche an die
 Bundespolitik in   im Blick von Menschen mit Behinderung
 Berlin sammeln.

                    „Was werden Sie für Menschen mit Behinderung tun,                        Verfügung und organisiert Informationen und Hinter-
                    wenn Sie gewählt werden?“ – Diese Frage formulier-                       grundmaterial sowie Workshops und Fortbildungen.
                    ten die Mitglieder des Bewohnerinnen- und Bewoh-                         Zwei Wochen vor der Wahl gab es beispielsweise ei-
                    nerbeirates Mariabergs im Vorfeld der Bundestags-                        nen Workshop für die Beschäftigten der Mariaberger
                    wahl und schickten sie an die Kandidaten*innen der                       Werkstätten, in dem sie Wünsche zusammentragen
                    im Bundestag vertretenen Parteien der umliegenden                        konnten, die dann den Parteien und Abgeordneten in
                    Wahlkreise. In den verschiedenen Antwortschreiben                        den umliegenden Wahlkreisen zugeschickt werden.
                    wurde mit einem breiten Spektrum von Möglichkei-                         Dabei wurden von den rund 30 teilnehmenden Per-
                    ten geantwortet. Vom Abbau von Barrieren im öffent-                      sonen die Themenbereiche Arbeit, Bildung, Wohnen,
                    lichen Raum, über die Verbesserung von Lebens- und                       Freizeit, Gesundheit, Umwelt und Verkehr bearbeitet.
                    Arbeitsbedingungen von Menschen mit Behinderung                          Viele der gesammelten Wünsche decken sich mit denen
                    bis hin zu besserer Bezahlung in Werkstätten für be-                     von Menschen ohne Behinderung. So wurde unter ande-
                    hinderte Menschen oder die freie Wahl des Wohn-                          rem vielfach der Wunsch geäußert, dass die belastenden
                    ortes wurden nahezu alle Lebensbereiche benannt.                         Corona-Auflagen, wie beispielsweise die Maskenpflicht,
                    D i e ge s a m m e l t e n R ü c k a n t w o r t e n w u r d e n d e n   und ähnliches bald aufgehoben werden, oder dass die
                    Klienten*innen und Mitarbeitenden Mariabergs im                          verschiedenen Corona-Verordnungen nicht so häufig
                    hausinternen MM (Mariaberger Mitteilungen) zur Verfü-                    verändert und so unverständlich formuliert werden.
                    gung gestellt, um sich selbst vor der Wahl eine Meinung                  Weitere Wünsche gingen in Richtung Verbesserung des
                    bilden zu können. Die Aktion ist Teil eines bereits seit                 ÖPNV im ländlichen Raum, den Abbau von Barrieren im
                    dem Jahr 2019 laufenden Programms zur politischen                        Alltag, eine bessere Maschinenausstattung in Werkstät-
                    Bildung von Menschen mit Behinderung in Mariaberg.                       ten für behinderte Menschen, eine bessere Bezahlung in
                    Unter anderem wurden den Klienten*innen Übungen                          den Werkstätten sowie günstigere Angebote für Freizei-
                    und Information zum Ablauf der Wahl sowie die Pro-                       ten und Urlaube. Auch das Thema Umwelt und die Sorge
                    gramme der jeweiligen Parteien in leichter Sprache                       vor weiteren Klimaveränderungen und Naturkatastro-
                    zur Verfügung gestellt. Eine Mentorin aus der Ein-                       phen wurde vielfach genannt. (zr)
                    richtung steht den Bewohnern*innen für Fragen zur
Kunst & Kultur ← mariaberg        21

    Die Sopranistin
Carla Frick und das
  Ebinger Kammer-
orchester erfüllten
   die Mariaberger
  Klosterkirche mit
     Barockmusik.

                       Spiel der Farben
                       und Klänge
                       „Wir sehnen uns nach Kunst und Kultur – unsere Seelen,
                       unsere Herzen brauchen das“, eröffnete Vorstand Rüdi-       Ein weiteres Highlight war die Malereiausstellung „Mit
                       ger Böhm im Juli das Konzert des Ebinger Kammerorche-       dem Leben wandern“ von Beate Radespiel. Die Reutlin-
                       sters in der Klosterkirche.                                 ger Künstlerin führte im Rahmen der Sommerkunstwo-
                                                                                   che Anfang August und am Tag des offenen Denkmals im
                       Werke von Georg Friedrich Händel (1685-1759) erklan-        September selbst durch die Ausstellung im ehemaligen
                       gen im Kirchenbau aus dem 17. Jahrhundert: der Barock       Klostergebäude. Interessierte konnten hier ihre Fragen
                       kehrte heim. „Haben Sie viel Freude, genießen Sie den       zu den ausgestellten Werken direkt an deren Schöpfe-
                       Abend und lassen Sie sich in die Klänge hineinfallen“,      rin stellen, zum Beispiel nach ihrer Inspiration. „Ich
                       so Gastgeber Böhm. Das Ensemble aus Albstadt unter          versuche eigentlich zu vermeiden, Ideen zu haben“,
                       der Leitung von Martin Künstner wählte unter anderem        antwortet Radespiel: ihr gehe es um den Prozess des
                       Stücke aus Händels Ode „Das Alexanderfest“ und den          Geschehen- und Loslassens beim Malen. Neben den far-
                       Opern „Julius Caesar“ und „Xerxes“ für den Abend aus.       benprächtigen, abstrakten Gemälden stehen poetische
                       Die renommierte Sopranistin Carla Frick verzauberte         Kurztexte aus der Feder der Künstlerin an den Wänden,
                       mit glockenklar gesungenen Arien wie „Di, cor mio“ aus      die zum Nachdenken und zur Diskussion einladen. Zu
                       der Oper „Alcina“ oder „Lascia ch’io pianga“ aus der        diesen „Wortessenzen“ hatte Kuratorin Svenja Keller,
                       Oper „Rinaldo“ das Publikum. Insgesamt juckte es dem        künstlerische Leiterin des Atelier 5, die Künstlerin ins-
                       Kammerorchester in den Fingern, nach der erzwungenen        piriert. Ebenso zur Hängung in Wellenform einer Anzahl
                       Corona-Pause wieder zu spielen. Wenn man so lange           Bilder, die sich dem Wasser widmen, die Besucherin Ur-
                       probt, dann will man auch auftreten, so Konzertmeiste-      sula Herrmann-Lom auffällt: „Wenn man hier zum ersten
                       rin Sibylle Kistermann zu Vorstand Rüdiger Böhm: „Es        Mal vorbeiläuft, spürt man die Bewegung unglaublich.
                       war eine große Freude, in Ihrer schönen Kirche musizie-     Man wird in das Wasser hineingezogen!“ (vea)
                       ren zu dürfen und die lange Zeit der musikalischen Stille
                       mit und bei Ihnen zu beenden.“

 Die „Wasserwand“
in Beate Radespiels
 Malereiausstellung
 bewegte die Kunst-
     interessierten.
22   mariaberg → KUNST & KULTUR
Kunst & Kultur ← mariaberg   23

„Wenn ich den Petrus erwischen würde, würde ich        bei Salsa, Samba und Reggae auf seine Kosten kam.
ihm die Ohren langziehen!“, schimpfte Silvia Weeber,   Wir danken ganz herzlich den Spenderinnen und Spen-
Teilnehmerin der Mariaberger Sommerkunstwo-            dern, die unsere Sommerkunstwoche überhaupt erst
che 2021. Regen satt bei der zwölften Ausgabe der      möglich machen: boesner Künstlermaterial, tragwerke-
Workshopwoche im August mit 17 ausgebuchten Kur-       plus Hochbauplanung GmbH & Co.KG, Reinhold Beitlich
sen: „Aber die Sonne war in Ihrem Herzen, wir spür-    Stiftung, ibp energietechnik, Landesbank Kreissparkas-
ten die Wärme“, dankte Vorstand Rüdiger Böhm den       se Sigmaringen, Kreissparkasse Reutlingen, Druckerei
Teilnehmenden bei der traditionellen Vernissage.       Acker GmbH, A.M. Etikettendruck, Möbel Rogg Balingen,
Im Rahmenprogramm ließ die Freiburger Band „El         Akademie Laucherttal, Löffler Hoch + Tiefbau, Kovacic
Flecha Negra“ sommerliche Leichtigkeit aufkom-         Ingenieure, piranhagrafik, Feurer Möbel-Bauschreine-
men und trotzte dem trüben Wetter mit Latin-Roots-     rei, PLAN_i architekten, Löfflerarchitekten & Ingenieure
Musik. „Willkommen in unserer Welt ohne Grenzen!“,     GmbH Sigmaringen, utz Lebensmittel, Marktplatz Maria-
begrüßte Sänger Kata das begeisterte Publikum, das     berg und Freiraumplanung Sigmund. (vea/Schwarz)
24   mariaberg → nachruf dr. heiner Völker

                             mArIAberg
                            TrAuerT um
                         dr. HeINer VöLker
                                                         *18.06.1942 †09.10.2021

          Von Mensch zu Mensch, das leitet                                                       Dr. Völker nahm seine Rolle als
          uns in Mariaberg. Herr Dr. Heiner                                                      Verwaltungsrat und Aufsichtsor-
          Völker war ein Mensch, der für                                                         gan sorgfältig und auf seine ganz
          andere da war und ein wirkliches                                                       eigene humorvolle Art wahr. Ganz
          Interesse an ihnen und ihrem                                                           freundlich, mit einer gewissen Zu-
          Wohlergehen hatte. Ein Mensch                                                          stimmung und einem Augenzwin-
         „von Mensch zu Mensch“! Wir neh-                                                        kern, fragte er dann nach und sig-
          men Abschied von ihm und spü-                                                          nalisierte, dass es durchaus noch
          ren das schmerzliche Loslassen                                                         Fragestellungen und Klärungsbe-
          eines besonderen Menschen. Die                                                         darfe gäbe. Ein einfaches Durch-
          Menschen, die in den Einrichtun-                                                       winken von Beschlussvorlagen
          gen Mariabergs leben und durch                                                         war ihm fern. Die dadurch ent-
          die unterschiedlichsten Angebo-                                                        standenen Diskussionen und An-
          te Unterstützung erfahren, lagen        Dr. Heiner Völker (re.) bei der Mitglieder-    regungen flossen stets in die wei-
          Herrn Dr. Völker sehr am Herzen.         versammlung des Mariaberg e.V. 2015.          teren Überlegungen mit ein und
                                                   Li.: Dekan i.R. Klaus Homann, Claudia
                                                                                                 waren sehr wertvoll und immer
                                                       Höschle (2. v. li.) und Heidi Fritz.
          2020 feierte er sein 40-jähriges                                                       im Sinne der uns anvertrauten
          Jubiläum als Mitglied im Maria-                                                        Menschen. Uns war Herr Dr. Völ-
          berg e.V. Seit 1993 wirkte er im                                                       ker ein wichtiger Ansprechpartner
          Verwaltungsrat, seit 1999 im Stiftungsrat und seit 2008 und sein Rat hatte für uns immer Gewicht. Sein persön-
          als stellvertretender Vorsitzender in diesen Gremien liches Interesse an uns und wie es uns geht, brachte er
          maßgeblich mit. Die Gründung der Stiftung Mariaberg immer, wenn wir uns gesehen haben, zum Ausdruck und
          1998 wurde insbesondere von ihm mit auf den Weg ge- es entstanden gute Gespräche über Gott und die Welt,
          bracht. Das waren 40 Jahre im Verein, 27 Jahre im Ver- über die Familie, über Hunde, Pferde und was sonst im
          waltungsrat, 21 Jahre im Stiftungsrat und 12 Jahre als Leben noch so wichtig erscheint.
          stellvertretender Vorsitzender; sehr lange Zeiträume im
          Ehrenamt für Mariaberg.                                          Wir möchten diese Momente nicht missen. Wir danken
                                                                           Herrn Dr. Heiner Völker von ganzem Herzen für sein Wir-
          Die Entwicklungen Mariabergs begleitete Dr. Völker mit ken für Mariaberg und darüber hinaus. Seiner Familie
          viel Weitblick, viel persönlicher und juristischer Kom- wünschen wir alles erdenklich Gute, viel Kraft für die
          petenz, auch auf der Grundlage seiner vielfältigen Er- Zeit der Trauer, Zuversicht und Gottes Geleit.
          fahrungen in der freien Wirtschaft und Gesellschaft. Er
          erörterte und analysierte sehr genau, was wir Vorstände Michael Sachs & Rüdiger Böhm
          an strategischen Überlegungen und Planungen in die Vorstände Mariaberg e.V.
          Verwaltungsratssitzungen einbrachten.

         „NIemANd LebT FÜr sIcH seLber;
          NIemANd sTIrbT FÜr sIcH ALLeIN.                                       Margarete „gretel“ stinner *19.12.1940 †09.09.2021
                                                                                ursula gabriele schrade *04.05.1960 †10.09.2021
          Im LebeN uNd Im sTerbeN geHöreN                                       Maria katharina „käthe“ Mader *23.12.1938 †30.09.2021
          WIr gemeINsAm zu goTT, dem HerrN                                      agnes schwegler *10.03.1936 †02.10.2021
          Über dIe LebeNdeN uNd dIe ToTeN.“                                     wolfgang david "ami" wenger *09.09.1933 †17.10.2021
          römer 14,7-9
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