Laut & leise Glückspost - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention Kanton Zürich

 
WEITER LESEN
Laut & leise Glückspost - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention Kanton Zürich
laut & leise
Magazin der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich
Nr. 2, Juni 2016, erscheint dreimal jährlich, Jahresabonnement Fr. 20.–

Glückspost

Sucht beginnt im Alltag.
Prävention auch.
Laut & leise Glückspost - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention Kanton Zürich
Suchtprävention, laut & leise, März 2016

«Glück liegt in der Luft»
Die Bilder der Fotografin Zoe Tempest symbolisieren mit Humor die Vergänglichkeit von Glück. Inspirierend waren für sie die
vielen Wortbildungen und Redewendungen mit dem Begriff Glück sowie das ernsthafte Spiel in den künstlerischen Arbeiten
von Fischli/Weiss und Roman Signer. Kleine, nüchterne Objekte des Glücks übernehmen poetisch die Regie im Bildraum.
(www.zoetempest.ch / Umsetzung Objekte in Zusammenarbeit mit Barbara Rusterholz)

                                                                                                                              2
Laut & leise Glückspost - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention Kanton Zürich
STANDPUNKT

                                           Im Glücksrausch
                                                      er Mensch möchte glücklich sein. Der Mensch ist ver-                       Oft ist die Motivation bei all diesem Tun, Wohlbefinden her-

                                           D          führbar. Einige suchen das Glück im Rausch und grei-
                                                      fen gelegentlich oder öfters zu legalen oder illegalen,
                                                      natürlichen oder chemischen Hilfsmitteln. Welche
                                           Drogen gefragt sind, bestimmt auch der Zeitgeist: Waren in den
                                           70er-Jahren Haschisch und psychedelische Substanzen wie LSD
                                                                                                                              zustellen und unangenehme Gefühle zu vermeiden. Die indivi-
                                                                                                                              duellen Beweggründe variieren von Rückzug bis zur totalen Ent-
                                                                                                                              hemmung, vom Dämpfen zum Euphorisieren, vom Wegtreten
                                                                                                                              bis zur Ausübung absoluter Kontrolle. Es ist wohl kein Zufall,

                                           und Pilze gefragt, hielten sich die Yuppies ab Mitte der 80er-Jah-
                                                                                                                              Um das entstandene Loch wieder zu stopfen,
                                           re mit leistungs- und Ego-steigerndem Kokain bei Laune. Mit
                                           den 90er-Jahren hielt die Glücksdroge Ecstasy Einzug in die                        wird dem guten Gefühl nachgejagt, immer wieder
                                           Jugend- und Partyszene und füllte die innere Leere von so man-                     und immer mehr und zunehmend erfolgloser.
                                           chem Traumtänzer mit warmen, dennoch synthetischen Erleb-
                                                                                                                              Die Grenze zwischen Genuss und Missbrauch
                                           nissen. Heute liegt das rauschhafte Glück zusätzlich in der stän-
                                           digen Verfügbarkeit von Konsumgütern und Erlebnissen, was                          oder riskantem Konsum ist dabei fliessend.
                                           sich beispielsweise im exzessiven Medienkonsum zeigt.
                                              Wie wir aus der Neurobiologie wissen, hat das Glücksemp-                        dass zahlreiche heute als Rauschmittel verwendete Substanzen
                                           finden seinen Sitz im Gehirn und diverse Botenstoffe über-                         ursprünglich als Medikamente entwickelt wurden. Heroin als
                                           bringen freudige Nachrichten von Synapse zu Synapse. Das                           Schmerzmittel und Hustensaft, LSD zur Unterstützung von Psy-
                                           Dopamin steuert unseren Antrieb und schüttet körpereigene                          chotherapien, Ecstasy als Appetitzügler, um nur einige zu nen-
                                           Belohnungsdrogen aus – so fühlt sich Glück an! Serotonin ist                       nen. Nüchtern betrachtet ist bei dieser Form der Selbstmedika-
                                           verantwortlich für die emotionale Ausgeglichenheit und Zufrie-                     tion das Problem, dass zu kurz gedacht wird. Was bleibt, ist
                                           denheit. Eine Reproduktion dieser Vorgänge geschieht beispiels-                    Ernüchterung – und die ist ja unerwünscht.
                                           weise beim Kokainkonsum. Dabei wird die Ausschüttung                                  Wie steht es aber mit dem Gipfelwein nach einem anstren-
                                           dieser Botenstoffe massiv erhöht: Die Stimmung ist aufge-                          genden Aufstieg, der Zigarette danach oder dem Joint zur Feier
                                           putscht, das Selbstwertgefühl gepimpt, die Hemmschwelle                            und Intensivierung des Erlebens am Rockkonzert? Die flüchti-
                                           niedrig. Der Körper ist auf maximale Leistung eingestellt. Die                     gen Momente des Glücks, die durch den Konsum von Substan-
                                           Kehrseite dieses «High Life» folgt, sobald die Wirkung verpufft.                   zen verstärkt oder belohnt werden, leben in der Erinnerung als
                                           Dann verschwindet das Glücksgefühl. An seine Stelle treten Angst,                  glückliche Momente weiter. Sie sind mehr als nur die momen-
                                           Niedergeschlagenheit und Lustlosigkeit. Dieses Muster lässt sich                   tane Wirkung des Zugeführten und dürfen ihren wohligen Platz
                                           ebenfalls bei anderen Substanzen oder bei exzessiven Verhaltens-                   im Leben haben. Als Garant für eine als tiefe, und dauerhaft er-
                                           formen feststellen. Der hohe Preis dieser Art von Glück ist der                    lebte Lebenszufriedenheit taugt jedoch keine Substanz.

                                                                                                                              n
                                           Frustkauf, das Montagstief, der Kater. Um das entstandene Loch
                                           wieder zu stopfen, wird dem guten Gefühl nachgejagt, immer
                                           wieder und immer mehr und zunehmend erfolgloser. Die Grenze
                                           zwischen Genuss und Missbrauch oder riskantem Konsum ist                           Cathy Caviezel ist Stellenleiterin der Suchtpräventionsstelle der Bezirke
                                                                                                                              Affoltern und Dietikon, Psychologin und Organisationsberaterin/Coach.
                                           dabei fliessend. Wie beim Kinderlied vom «Hansdampf im Schnäg-
                                           geloch» liegt das Glück dabei in dem, was man nicht hat (oder im
                                           Gegenteil in dem, was man hat, ohne es zu wollen).

                                            IMPRESSUM
                                            Herausgeber: Die Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich. Zuschrif-                        INHALT
                                            ten: info@suchtpraevention-zh.ch. Redaktions- und Produktionsleitung:
                                            Brigitte Müller, muellertext.ch. Redaktionsteam: Cathy Caviezel (Vorsitz),          Seite 5:    Macht Glück gesund?
                                            Larissa Hauser, Christian Ingold, Simone Reiser. Redaktion Meldungen aus
                                                                                                                                            Suchtpräventive Perspektiven
                                            der Suchtprävention: Annett Niklaus. Mitarbeiter/innen dieser Nummer:
                                            Sarah Auerbach, Claudia Meier-Magistretti, Willibald Ruch, Christine Wullschle-
                                            ger. Fotos: Zoe Tempest. Umsetzung Objekte: in Zusammenarbeit mit Barbara           Seite 7:    Wirkliches Glück im Glückspiel
                                            Rusterholz. Gestaltung: Fabian Brunner. Druck: FO-Fotorotar.                                    Spielpech soll glücklich machen?
Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

                                            Abo: Fr. 20.– jährlich (freiwillig).
                                            Bezug weitere Exemplare, freiwilliges Abonnement, Adressänderung:
                                            FO-Fotorotar, 044 986 35 10, info@fo-fotorotar.ch.
                                                                                                                                Seite 9:    Glück ohne Nebenwirkungen
                                            Die Beiträge und die Fotos in diesem «laut & leise» geben die Meinung
                                                                                                                                            Suchtprävention und ihr Beitrag zum Glück
                                            der Autorinnen und Autoren wieder. Diese muss nicht mit der Meinung
                                            des Herausgebers, der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich,                 Seite 12:   Danke, dass Sie dieses Interview lesen
                                            übereinstimmen.                                                                                 Interview mit Prof. Dr. Willibald Ruch
                                            Artikel, Fotos, Illustrationen sind urheberrechtlich geschützt und dür-
                                            fen ohne Genehmigung der Redaktion nicht verwendet werden. Falls                    Seite 14:   Meldungen aus der Suchtprävention
                                            Sie Interesse an einem Artikel haben: Anfrage bitte an Annett Niklaus
                                            (annett.niklaus@uzh.ch).

                                           3
Laut & leise Glückspost - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention Kanton Zürich
Laut & leise Glückspost - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention Kanton Zürich
SUCHTPRÄVENTIVE PERSPEKTIVEN: GLÜCK – (K)EIN SCHUTZFAKTOR

                                           Macht Glück
                                           gesund?
                                           Spielt Glück im Zusammenhang mit Sucht und Suchtprävention eine Rolle? Die Positive
                                           Psychologie und die Theorie der Salutogenese gehen dieser Frage nach und zeigen Parallelen
                                           auf zwischen Goa-Partys, griechischen Philosophen und der Recovery-Bewegung, aus denen
                                           sich neue Perspektiven für die Suchtprävention eröffnen können.
                                           Text: Dr. phil. Claudia Meier Magistretti und Dr. des. Sarah Auerbach

                                                     ie Schweizerinnen und Schwei-       genau sie denn glücklich mache, antwor-      ren – beispielsweise der Wohlstand des

                                           D         zer sind nach den Dänen welt-
                                                     weit die glücklichsten Menschen.
                                                     Das jedenfalls sagt der «World
                                           Happiness Report», der das Glück der
                                           Menschen weltweit misst. Glück, so defi-
                                                                                         teten sie, es sei die Musik, auch «ein we-
                                                                                         nig» die Drogen, aber es gehe um mehr:
                                                                                         Nirgends sonst könnten sie eine so starke,
                                                                                         fast religiöse innere Verbindung zur Na-
                                                                                         tur und zu anderen Menschen spüren,
                                                                                                                                      Wohnorts, geschlechter- oder migrations-
                                                                                                                                      spezifische Benachteiligungen, Arbeits-
                                                                                                                                      bedingungen – lassen sich jedoch nicht
                                                                                                                                      ohne weiteres verändern. Hier werden
                                                                                                                                      Schutzfaktoren wichtig: Es sind Merkma-
                                           niert der Bericht, setzt sich zusammen aus
                                           dem messbaren Wohlstand, der Anzahl
                                           der zu erwartenden gesunden Lebensjah-        Es sind Merkmale, Eigenschaften oder Fähigkeiten eines
                                           re, der subjektiv erlebten Freiheit, der      Individuums oder seiner Umwelt, welche die Wahrscheinlichkeit
                                           prosozialen Aktivität, einem geringen
                                           Ausmass an Korruption im Land, der er-
                                                                                         vermindern, dass sich die vorhandenen Risiken in Krankheiten,
                                           lebten positiven und negativen Emotio-        in Sucht oder in einem verminderten Wohlbefinden auswirken.
                                           nen, der erfahrenen sozialen Unterstüt-       Sie «puffern» mögliche negative Entwicklungen ab.
                                           zung und der positiven Zukunftserwar-
                                           tung. Glück ist also sehr weit abhängig
                                           von den Kontextfaktoren, in denen Men-        Gespräche führen und philosophieren.         le, Eigenschaften oder Fähigkeiten eines
                                           schen leben. Der Satz «Jeder ist seines       Also sollen Substanzen und Philosophie-      Individuums oder seiner Umwelt, welche
                                           Glückes Schmied» scheint nicht unbe-          ren ebenfalls glücklich machen? Eine         die Wahrscheinlichkeit vermindern, dass
                                           dingt zu gelten. Dennoch machen die In-       Antwort kommt vom griechischen Philo-        sich die vorhandenen Risiken in Krank-
                                           dividuen selber ihr Glück. Menschen, die      sophen Epikur, der im Buch «Vom glück-       heiten, in Sucht oder in einem vermin-
                                           ein erfülltes Leben führen, eigene Ziele      seligen Leben» meinte, dass der Mensch       derten Wohlbefinden auswirken. Sie
                                           verfolgen und über eine gute Selbstkon-       philosophieren soll, um glücklich zu         «puffern» mögliche negative Entwick-
                                           trolle verfügen, sind im Durchschnitt         werden und um damit «etwas für die Ge-       lungen gewissermassen ab.
                                           glücklicher und erleben ein besseres sub-     sundheit seiner Seele zu tun». Glück soll       Unter den belegten Schutzfaktoren in
                                           jektives Wohlbefinden als andere.             uns also zu seelischer Gesundheit und –      Bezug auf Suchtentwicklung (siehe Kas-
                                               Dass Glück keine eindimensionale          damit einhergehend – zu einer geringeren     ten Seite 6) kommt Glück nicht vor. Den-
                                           Qualität ist, zeigt uns auch die Hirnfor-     Suchtanfälligkeit verhelfen?                 noch gibt es Zusammenhänge zwischen
                                           schung. Am Erleben von Glücksgefühlen                                                      Glück, Schutzfaktoren und Suchtpräven-
                                           sind mindestens sieben Hirnregionen be-       Ist Glück ein Schutzfaktor?                  tion. Um sie zu sehen, müssen wir die
                                           teiligt und das Gehirn unterscheidet nicht                                                 kurzfristigen Glücksgefühle unterschei-
                                           zwischen unterschiedlichen Arten von          Seelisches Wohlbefinden gilt nicht nur       den von einem überdauernden Gefühl
                                           Glück. Die Nervenbahnen des Glücks-,          in der Suchtprävention als wichtiger         des Glücks im Sinn von Zufriedenheit und
                                           Belohnungs- und Lustsystems sind weit-        Schutzfaktor. Der Begriff der Schutz-        Wohlbefinden.
Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

                                           gehend identisch und es gibt Regionen im      faktoren ist mindestens so alt wie die
                                           Mittelhirn, die sich beim Anblick eines ge-   Ottawa-Charta der WHO von 1986, in der       Glück und Sucht
                                           liebten Menschen genauso aktivieren wie       festgehalten wurde, dass Gesundheitsför-
                                           bei einem Lottogewinn oder beim Ko-           derung und Prävention darauf abzielen        Die Positive Psychologie fordert eine neue
                                           kainkonsum.                                   sollen, den Menschen ein Höchstmass an       Sichtweise auf Sucht. Sucht wird nicht
                                               Was Glück aber individuell bedeutet,      Verwirklichung und Selbstbestimmung          mehr als akute Krankheit betrachtet, son-
                                           ist subjektiv. Goa-Partys und die dazuge-     über ihre Gesundheit zu ermöglichen.         dern vielmehr als Einschränkung auf dem
                                           hörenden Substanzen würden glücklich          Dies erreichen Menschen, wenn sie Fak-       Weg zu dem, was Martin Seligman «Flou-
                                           machen, sagten uns junge Menschen             toren, die ihre Gesundheit bedingen,         rishing» nennt. Gemeint ist damit die Fä-
                                           nach einem Goa-Fest. Auf die Frage, was       beeinflussen können. Viele dieser Fakto-     higkeit eines Individuums, Stärke, Wohl-

                                           5
Laut & leise Glückspost - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention Kanton Zürich
Im Zusammenhang mit Sucht konnte gezeigt werden,
dass die soziale Teilhabe und die Entwicklung von spezifischen
Charakterstärken am wirksamsten sind. Als besonders
relevant erwiesen haben sich dabei Neugier, die Fähigkeit
zur Selbstregulation und Spiritualität.

befinden und Teilhabe am sozialen und         nicht nur bei Kindern und Jugendlichen,       tys verbundenen Sehnsüchte nach Sinn-
öffentlichen Leben zu entwickeln. An-         sondern über die gesamte Lebensspanne         haftigkeit, Wohlbefinden und sozialer
stelle der Fokussierung auf die Überwin-      hinweg. Derselbe Zusammenhang be-             Teilhabe, dann sind sehr wohl Bezüge zu
dung von Rückfällen soll Suchttherapie        steht zwischen dem Kohärenzsinn und           Schutzfaktoren möglich. Individuelle
einer «Glücksorientierung» folgen. Diese      Behandlungserfolgen bei bereits beste-        Ressourcen sind dabei ebenso wichtig wie
wird keineswegs beliebig, sondern im          henden Suchterkrankungen. Der Kohä-           Kontextfaktoren. Zentral ist die gemein-
Sinn der Positiven Psychologie verstan-       renzsinn ist veränderbar und es gibt          same Ausrichtung der beschriebenen An-
den: Positive Denkweisen und Emotio-          Möglichkeiten, diesen zu stärken. Im          sätze, die Suchtprävention aus einer Ge-
nen sowie Charakterstärken sollen nicht       Unterschied zu Seligmans Charakterstär-       sundheitsperspektive verstehen. Der Fo-
nach standardisierten Therapieplänen,         ken ist der Kohärenzsinn bei Antonovsky       kus auf Ressourcen und die Einbettung
sondern in individuellen Prozessen geför-     aber weniger individualistisch gedacht.       von Suchtprävention in den grösseren
dert werden, damit ein angenehmes, en-        Antonovsky betont, dass unter anderem         Kontext der Gesundheitsförderung kenn-
gagiertes und sinnvolles Leben möglich        umgebungsbezogene Voraussetzungen             zeichnen die Positive Psychologie und die
wird. Ein solches Leben zu führen, erfor-     dazu beitragen, den Kohärenzsinn zu           Salutogenese.
dert bei Suchterkrankten den Wiederer-        fördern.                                         Vielleicht gelingen solche Ansätze zu-
werb von Charakterstärken, haben sie             In der Suchtprävention sind entspre-       nehmend in der Prävention und es wird
sich doch daran gewöhnt, Wohlbefinden         chende Programme noch zu entwickeln.          eines Tages auch in der Schweiz nicht
über Substanzen als «Abkürzungen ins          Dass und wie das möglich sein könnte, zei-    mehr nötig sein, die suchtpräventive Ar-
Glück» zu erreichen.                          gen Beispiele der aus den USA stammen-        beit über die minuziöse Abgrenzung zur
    Im Zusammenhang mit Sucht konnte          den Recovery-Bewegung: Diese zeichnet         Gesundheitsförderung zu rechtfertigen.
gezeigt werden, dass die soziale Teilhabe     sich durch einen starken Einbezug der         Eigentlich könnten wir jetzt damit begin-
und die Entwicklung von spezifischen          Zielgruppen aus. Zunehmend gelingt die-       nen: Denn «glücken» heisst etymologisch
Charakterstärken am wirksamsten sind.         ser Bewegung, individualisierte Wege zu       betrachtet «festsetzen, beschliessen, be-
Als besonders relevant erwiesen haben         Wohlbefinden in neuen Gemeinschaften          stimmen».

                                                                                            n
sich dabei Neugier im Sinn von Offenheit      zu schaffen und Netzwerke und Interven-
für Erfahrungen – im Unterschied zum          tionen so zu gestalten, dass – ganz im Sinn
«sensation seeking», die Fähigkeit zur        der Salutogenese – Gesundheitspotenzia-
Selbstregulation und Spiritualität. Proso-    le genutzt werden können.                     Dr. phil. Claudia Meier Magistretti, Forschungs-
                                                                                            leitern und Dozentin, Dr. des. Sarah Auerbach,
ziale Aktivitäten und Sinnstiftung sind          Glück ist kein Schutzfaktor für Sucht-     Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Hochschule
weitere wichtige Erfolgsfaktoren.             entwicklungen. Verstehen wir Glück aber       Luzern – Soziale Arbeit. Beide sind Mitautorinnen
    Eine gewisse Nähe der Konzepte der        im Sinn der Positiven Psychologie, der Sa-    des ersten internationalen Handbuchs zur
Positiven Psychologie zur Theorie der Sa-     lutogenese oder im Sinn der mit Goa-Par-      Salutogenese, das im Juni 2016 erschienen ist.
lutogenese von Aaron Antonovsky lässt
sich hier bereits feststellen. Wie Seligman
betont auch Antonovsky die Bedeutung
der Sinnhaftigkeit, die er aber im Unter-      Belegte Schutzfaktoren der Suchtprävention
schied zu Seligman nicht als «Orientie-        Kinder im Vorschulalter                      • Prosoziale Fähigkeiten und Bezie-
rung zum Glück» versteht. Sinnhaftigkeit       • Impulskontrolle vermitteln                   hungsfähigkeit fördern
ist für Antonovsky eine Komponente des         • Soziale Fertigkeiten fördern               • Übergang in höhere Schulen / Lehre
Kohärenzsinns: Damit ist ein Grundver-         • Schulschwierigkeiten vorbeugen               unterstützen und begleiten
trauen in das Leben und in die Fähigkeit,
das Leben zu bewältigen, gemeint. Dazu
                                                                                                                                                    Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

                                               Kinder im Schulalter                         Jugendliche
gehört die Überzeugung, dass Ereignisse        • Förderung von Selbstkontrolle und          • Beziehungsfähigkeit fördern
Sinn machen und dass es sich lohnt, die-         Selbstwirksamkeit                          • Bildung der Geschlechteridentität
se in Angriff zu nehmen und Engagement         • Selbstverantwortung gegenüber der            unterstützen
in sie zu investieren.                           eigenen Gesundheit                         • Schulabbruch verhindern und schu-
    Der Kohärenzsinn spielt im Zusam-          • Gefühlswahrnehmung und Kommu-                lischen / beruflichen Erfolg ermögli-
menhang mit Sucht eine wichtige Rolle.           nikation über Gefühle lernen                 chen
Je stärker er ausgebildet ist, umso gerin-     • Soziale Problemlösefähigkeit ausbilden     • Selbstwirksamkeit erhöhen
ger ist die Wahrscheinlichkeit von Sucht-      • Negative Einstellung zu Suchtmittel-       • Soziale Integration und Beziehun-
entwicklungen und umso höher die                 konsum                                       gen zu Gleichaltrigen
Wahrscheinlichkeit eines Wohlbefindens;

                                                                                                                                                6
Laut & leise Glückspost - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention Kanton Zürich
ESSAY. SPIELPECH SOLL GLÜCKLICH MACHEN UND LOTTOSPIELEN HEILSAM SEIN?

                                           Wirkliches Glück im Glücksspiel
                                           Geldspiel wäre eine sachlichere und Pechspiel eine ehrlichere Bezeichnung. Die Zufalls-
                                           entscheidungen im Glücksspiel haben wenig mit Glück zu tun. Ist die fatalistische Haltung
                                           gegenüber diesem Schicksal gar ein Schutzfaktor? Sie steht im Gegensatz zur relativ kontrollier-
                                           baren Wirkung von Genussmitteln wie Alkohol, Cannabis oder Kokain. Wo liegt mehr Glück drin?
                                           Text: Christian Ingold

                                                     as Lottospiel, eigentliche Volks-      Natürlich folgt beim Glücksspieler auf            Tun liegt oft der unbewusste Wunsch, sich

                                           D         disziplin unter den Glücksspie-
                                                     len, kann in der Wirkung als ho-
                                                     möopathisch bezeichnet wer-
                                           den. Das Träumen von nie da gewesenen
                                           Möglichkeiten als Folge eines hohen
                                                                                         den Verlust sofort das Verlangen nach
                                                                                         dem nächsten, gewinnversprechenden
                                                                                         Click und Kick. Habe ich Glück? Bin ich
                                                                                         der Auserwählte? Einmal werde auch ich
                                                                                         an der Reihe sein.
                                                                                                                                              selbst zu bestrafen. Der krankhafte Spie-
                                                                                                                                              ler externalisiert eine unerträgliche inne-
                                                                                                                                              re moralische Schuld und schafft sich da-
                                                                                                                                              mit Erleichterung. Dieses Verhalten
                                                                                                                                              könnte sogar als nachhaltig bezeichnet
                                           Geldgewinnes fördert die Auseinander-            Diese Erwartung treibt Glücksspieler              werden, würde es nicht üblicherweise
                                           setzung mit eigenen kleineren oder grös-      direkt in den unkontrollierten Konsum                ökonomisch ausser Kontrolle geraten.
                                           seren Wünschen. Was würde ich mir mit         und provoziert das sogenannte Chasing.               Die Auseinandersetzung mit den eigenen
                                           diesen 2,2 Millionen von Swisslos leisten?
                                           Wohin würden mich die 180 Millionen
                                           von Euromillions führen?                      So unterwerfen sich Menschen lieber dem fatalistischen
                                              Werden diese Wünsche sogar sozial          Glücksspiel, anstatt ihr Glück in der Überwindung von vielleicht
                                           ausgetauscht, wie es bei Wettgemein-
                                           schaften tatsächlich Kultur hat, kann das
                                                                                         unbegründeten Schuldgefühlen, schmerzlichem Selbstwert-
                                           praktizierte Lottospiel sogar als Schutz-     mangel oder irrationaler Gewinnerwartung zu finden.
                                           faktor vor Suchtverhalten bezeichnet
                                           werden. Das gefühlte psychische Glück ist
                                           dann der Ersatz des tatsächlichen Spiel-      Verlusten hinterherzurennen, bringt al-              Schuldgefühlen, nicht erhaltenen Chan-
                                           glücks.                                       lerdings nichts, sicher kein Glück. Keine            cen oder den emotionalen Verlusten in
                                                                                         Kinogängerin würde erwarten, nach der                der eigenen Biografie führt jedenfalls ver-
                                           Glück hat, wer nie Spielglück hat             Vorstellung das Ticket oder ein Mehrfa-              lässlicher zu stabilem Glück als das Spiel.
                                                                                         ches davon retour zu erhalten. Das                       Wer vorgeführt bekommt, wie viele
                                           Grosse Gewinne enden überdurch-               Tauschgeschäft von Unterhaltung gegen                Lottomillionäre das vergangene Jahr **
                                           schnittlich häufig in einem sozioökono-       Geld ist etabliert. Der Glücksspieleinsatz           wieder hervorgebracht hat, wer die Sport-
                                           mischen Abstieg, der ohne das plötzliche      wird kulturell vor allem nördlich der Al-            wettgewinne des Mannschaftskollegen
                                           Geld nicht eingetroffen wäre. Bleibt der      pen als Investment mit zu erwartender                vorgeprahlt bekommt oder als Private-
                                           grosse Gewinn nämlich dauerhaft aus,          Rendite begriffen anstatt als Geldeinsatz            Banking-Berater ständig die grossen
                                           fördert dies die kritische Auseinanderset-    für einen reizvollen Genuss.                         Portefeuilles seiner Kunden vor Augen
                                           zung und die Motivation steigt, sich mit-                                                          hat, fühlt sich selbst oft vom Schicksal be-
                                           tels seiner real existierenden Möglichkei-    Verlieren als Therapie                               trogen oder zweifelt an sich selber. So un-
                                           ten glücklich zu machen. Das Ruderböt-                                                             terwerfen sich Menschen lieber dem fata-
                                           chen auf dem nahen See statt der Motor-       Dass bei vielen Glücksspielern eine nar-             listischen Glücksspiel, anstatt ihr Glück in
                                           yacht in der Karibik, der Schrebergarten      zisstische Thematik vorliegt, kann nach              der Überwindung von vielleicht unbe-
                                           am Stadtrand statt des Villenparks in der     einem vertieften Einblick in deren Psyche            gründeten Schuldgefühlen, schmerzli-
                                           Steueroase oder das Freiheit verspre-         nachvollzogen werden. Egozentrische                  chem Selbstwertmangel oder irrationaler
                                           chende 1.-Klass-GA statt verschwenderi-       Grandiositätsvorstellungen weisen auf                Gewinnerwartung zu finden. Sowohl bei
                                           scher Luxussportwagen. Oder einfach           Defizite bei der Selbstwertdefinition hin,           Sportwetten als auch beim Börsentraden
                                           mehr Freizeit und weniger Arbeit, mittels     die zum problematischen Spielverhalten               überschätzen sich die Menschen bezüg-
                                           Teilzeit in Kombination mit etwas weni-       führen können. Es kann dem Verständnis               lich ihrer Fachkompetenz und Erfahrung
                                           ger Konsum im Alltag?                         von Glücksspielsucht helfen, wenn man                regelmässig. Da hat ein geübter Schach-
                                              Glücksspieler/innen scheinen auf den       die Möglichkeit in Betracht zieht, dass pa-          spieler sein Glück doch wesentlich besser
Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

                                           ersten Blick eine durchaus gesunde Le-        thologische Spieler/innen unbewusst                  im Griff – was natürlich der Pokerspieler
                                           benseinstellung zu haben. Sie akzeptieren     nicht den Gewinn, sondern den Verlust                ebenfalls von sich behaupten würde.

                                                                                                                                              n
                                           den Zufall als gestaltende Kraft in ihrem     herbeisehnen .* Wenn diese Umkehr pri-
                                           Leben. Kokainkonsumenten, Alkoholi-           ma vista erstaunt: Hinter dem ruinösen
                                           ker oder Raucherinnen käme es nicht in
                                                                                                                                              Christian Ingold ist Fachexperte für Prävention von
                                           den Sinn, den vermeintlichen Entscheid                                                             Glücksspielsucht und pflegt die Kontakte zu Anbie-
                                           über ihr Glück mittels Genussmittelkon-        * vgl. Ines Bodmer: Die Lust am Frust. Psychoana-
                                                                                                                                              tern, Behörden, Präventions- und Beratungsinstitu-
                                                                                         lytische Aspekte der Glücksspielsucht, in: Psycho-
                                           sums aus den Händen zu geben. Sie wol-        scope 10/2013, Vol. 34
                                                                                                                                              tionen sowie Kontrollorganen.
                                           len selber über Qualität und Ausmass          ** https://www.swisslos.ch/de/landingpages/swiss-    Für weitere Informationen:
                                           ihres Rausches entscheiden.                   lotto/30-lotto-millionaere-2015.html                 www.spielsucht-radix.ch

                                           7
SUCHTPRÄVENTION UND IHR BEITRAG ZUM GLÜCKLICHEN LEBEN

                                           Glück ohne Nebenwirkungen
                                           Ziel der Suchtprävention ist, dass sich Menschen einer hohen Lebenszufriedenheit erfreuen,
                                           ohne von Suchtproblemen geplagt zu werden. Risikofaktoren können einem glücklichen Leben
                                           im Wege stehen, Schutzfaktoren es begünstigen. Der Artikel beschreibt Projekte, die gezielt
                                           die Lebenszufriedenheit fördern und so dem Glück den Weg ebnen.
                                           Text: Christine Wullschleger

                                                        anche Mütter und Väter zei-     terstützt sie im selbständigen Lösen von      einbringen. Einige Kinder fühlten sich je-

                                           M            gen sich nach einem Eltern-
                                                        abend glücklich, zu wissen,
                                                        wie sie dem jugendlichen
                                           Nachwuchs helfen können, damit aus
                                           Probierkonsum keine Sucht entsteht. Die
                                                                                        Problemen. Lektionen hält sie während
                                                                                        dieser Zeit nicht.

                                                                                        Was Kinder stark macht
                                                                                                                                      doch zeitweise etwas überfordert oder
                                                                                                                                      wurden ungewöhnlich stark müde und
                                                                                                                                      waren glücklich, wieder zum strukturier-
                                                                                                                                      ten Alltag zurückkehren zu dürfen.
                                                                                                                                         «In den meisten Kindergärten werden
                                           Fachleute der Suchtprävention zeigen Ri-     Mit Ausnahme der Stadt Zürich bieten          nach Projektschluss einzelne Elemente
                                           sikofaktoren für eine Suchtentwicklung       alle Regionalen Suchtpräventionsstellen       aus dem Spielzeugfreien Kindergarten
                                           auf und vermitteln, wie man sie frühzei-     des Kantons Zürichs das Angebot des           beibehalten, zum Beispiel die Art, Kinder
                                           tig erkennt und ihr wirksam begegnet. So     Spielzeugfreien Kindergartens an. Das         bei der Lösung von Konflikten zu beglei-
                                           können manche Irrwege eine glückliche
                                           Wendung nehmen.
                                              Zu einem glücklichen Leben tragen         Zu einem glücklichen Leben tragen gleichzeitig Schutzfaktoren
                                           gleichzeitig Schutzfaktoren bei. Die         bei. Die Suchtprävention unterstützt deshalb Projekte und
                                           Suchtprävention unterstützt deshalb Pro-
                                           jekte und Programme, die Lebenskompe-        Programme, die Lebenskompetenzen fördern. Und zwar
                                           tenzen fördern. Und zwar für Menschen        für Menschen jeden Alters.
                                           jeden Alters.

                                           Im Kindergarten                              Projekt Spielzeugfreier Kinder entstand       ten», erzählt Doris Brodmann und er-
                                                                                        in den 1990er-Jahren im süddeutschen          gänzt: «Viele Kindergartenlehrpersonen
                                           Doris Brodmann von der Suchtpräven-          Raum und stiess ab dem Jahr 2001 in der       bemerken die positive Wirkung des Pro-
                                           tionsstelle der Bezirke Affoltern und Die-   Schweiz auf Begeisterung. Doris Brod-         jekts oft erst später, beispielsweise die in-
                                           tikon ist überzeugt, dass der Spielzeug-     mann organisiert und koordiniert die von      tensiver blühende Kreativität oder die
                                           freie Kindergarten den Kindern nicht nur     den Stellen angebotene Weiterbildung im       grössere Selbständigkeit der Kinder.»
                                           glückliche Momente beschert, sondern         Kanton Zürich. Die Begleitung der Kin-
                                           gleichzeitig wertvolle Lebenskompeten-       dergartenlehrpersonen während der             Ein perfekter Tag für Jugendliche
                                           zen stärkt: «Selbstwirksamkeit zu erle-      Durchführung selbst nehmen die Fach-
                                           ben, trägt zum Glücklichsein bei. Und weil   leute der einzelnen Stellen wahr.             «Was ist für Jugendliche ein perfekter
                                           der Mensch ein soziales Wesen ist, macht        Der Spielzeugfreie Kindergarten ist ein    Tag?» Dies herauszufinden, war laut
                                           es ihn glücklich, mit andern in Beziehung    herausforderndes Projekt. Die an einem        Gianni Tiloca von der Suchtpräventions-
                                           zu sein. Auch wer seine Bedürfnisse          Elternabend über das Projekt informierten     stelle Winterthur das Ziel eines Filmwett-
                                           wahrnehmen und erfüllen kann, findet         Eltern reagieren sehr unterschiedlich. Von    bewerbs. «Wir wollten junge Menschen
                                           Glück.» Gerade diese Fähigkeiten werden      «toll, wird das gemacht» zu «hoffentlich      dazu anregen, über das Positive in ihrem
                                           laut Doris Brodmann gefördert, wenn die      wird es meinem Kind nicht zu laut» bis zu     Leben nachzudenken und die jugendliche
                                           Spielzeuge in einem Kindergarten für         Sorgen, ob sich das Kind verletzten könn-     Lust, sich zu betätigen, dafür nutzen.» Für
                                           einige Wochen «in die Ferien gehen» und      te. Diese Skepsis verfliegt bei den meisten   das Projekt, durchgeführt 2012/2013, ging
                                           die gewohnte Struktur freiem Zusam-          Eltern, wenn sie erleben, wie bereichernd     die Suchtprävention eine Kooperation mit
                                           mensein Platz macht. Die Kinder sind ge-     die Erfahrung für ihre Kinder ist.            Winterthurer Stellen der Jugendarbeit ein.
                                           fordert, herauszufinden, was sie womit          Eine aktuelle Auswertung der Sucht-           Jugendliche wurden aufgerufen, ihre
Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

                                           und mit wem tun möchten. Langeweile          prävention Aargau für ihre Spielzeugfrei-     Vorstellung eines perfekten Tages filmisch
                                           muss ausgehalten, Konflikte wollen ge-       en Kindergärten zeigt, welche Verände-        umzusetzen und über Youtube zugäng-
                                           löst werden. Dafür bricht sich Kreativität   rungen Eltern und Kindergartenlehrper-        lich zu machen. Sie konnten, wenn sie
                                           Bahn: Mit Utensilien des Alltags und ge-     sonen bei den beteiligten Kindern beob-       wollten, einen Workshop für das nötige
                                           gebenenfalls Werkzeugen entstehen Hüt-       achten (siehe: suchtpraevention-aar-          technische Know-how besuchen. Zu ge-
                                           ten, Fahrzeuge, Spiele und vieles mehr.      gau.ch). Mehrheitlich stärkte das Projekt     winnen gab es zwei Fachjurypreise und
                                           Das braucht Absprachen und Ausdauer.         genau die Fähigkeiten, die Doris Brod-        zwei durch viele Likes zustande gekom-
                                           Die Kindergartenlehrperson erhält eine       mann eingangs beschreibt: Selbstwirk-         mene Publikumspreise.
                                           neue Rolle: Sie sorgt für Sicherheit, be-    samkeit erleben, Beziehungsfähigkeit             Natürlich spielte Musik in fast allen Fil-
                                           gleitet die Kinder bei ihrem Tun und un-     vertiefen, Bedürfnisse wahrnehmen und         men eine Hauptrolle. Und in den meisten

                                           9
der insgesamt zwölf eingereichten Filme       sie zu verwirklichen. Mit etwas Phantasie      fen hatte, war Beatrice Neff sofort begeis-
war ein Tag dann perfekt, wenn Freund-        kann man den Freiraum nutzen, den das          tert. Sie ging mit dem Erfinder eine Ko-
schaft, Liebe sowie die Sehnsucht nach        Alter eben auch bietet.» Da kann ein           operation ein, und so betreibt die Perspek-
Anerkennung und Erfolg vorkamen.              92-jähriger Mann nachts nicht mehr             tive Thurgau seit Oktober 2014 die erste
Auch Spiel und Sport gehörten für viele       schlafen und entdeckt, dass ihn Malen in       schweizerische Online-Plattform, die
zum perfekten Tag. Konsum – Einkaufen,        diesen Stunden der Stille glücklich macht.     denselben Namen trägt: meldestellefuer-
Alkohol, Medien, Essen – war in einigen       Oder eine 71-jährige Frau besucht einen        gluecksmomente-tg.ch. Diese ist auch als
Filmen präsent. «Allerdings wurde in kei-     Tanztheaterkurs für ältere Menschen, et-       App für Smartphones verfügbar.
nem Fall ein exzessiver oder problemati-      was, wofür bisher nie Zeit war und was            «Die Leute melden kleine, beglücken-
scher Konsum dargestellt oder themati-        mit jüngeren Leuten zu anstrengend             de Momente und lustige Geschichten,
siert.» Dies hält die Evaluation des          wäre.                                          über die man herzhaft lacht, genauso wie
Schweizer Instituts für Sucht- und Ge-           Andererseits möchte Franzisca Schaub        ernstes, tief empfundenes Glück, das
sundheitsforschung ISGF fest.                 die Fähigkeit wecken umzudenken: «Das,         Hoffnung schenkt», freut sich Beatrice
   Bis auf eine Ausnahme drehten die Ju-      was einen bisher beglückt hat, ist oft nicht   Neff. «Natürlich macht die Meldestelle als
gendlichen ihre Filme in Gruppen, und bis     mehr möglich. Körperliche Veränderun-          solche die Menschen nicht direkt glück-
auf zwei Ausnahmen nutzen sie diese           gen des Alters sowie Krankheiten schrän-       lich. Aber sie animiert, inspiriert und
Plattform für eine Selbstdarstellung als      ken einen ein. Viele ältere Menschen sind      motiviert, das Thema Glück auf die be-
Akteure im Film. Auch Jugendliche             traurig darüber, dass sie deswegen auf frü-    wusste Ebene zu bringen. Die Leute wer-
                                                                                             den befähigt, ihre Glücksmomente wahr-
                                                                                             zunehmen, was ihnen selbst und andern
Viele ältere Menschen sind traurig darüber, dass sie deswegen                                vermehrt glückliche Momente beschert.»
auf frühere Freuden verzichten müssen. Ich mache ihnen                                          Unter dem Dach von Perspektive
                                                                                             Thurgau arbeiten auch Fachleute der
Mut, die Veränderungen nicht nur zu akzeptieren, sondern                                     Suchtberatung und der Suchtprävention.
sie mit kreativen Ideen zu kompensieren.                                                     «Im beraterischen und therapeutischen
                                                                                             Gespräch kann die Frage nach Glücksmo-
                                                                                             menten Türöffner sein, um Ressourcen
macht das Erleben von Selbstwirksamkeit       here Freuden verzichten müssen. Ich ma-        ans Licht zu holen. Hilfreich sind dazu ein
und guten Beziehungen glücklich.              che ihnen Mut, die Veränderungen nicht         Kartenset mit Beispielen kleiner Glücks-
   Gianni Tiloca bilanziert: «Für uns war     nur zu akzeptieren, sondern sie mit krea-      momente und die Postkarten, mit denen
an dem Projekt nicht nur die Förderung        tiven Ideen zu kompensieren. Das wirkt         man eigene Glückserfahrungen verschi-
von Schutzfaktoren bei den Jugendlichen       sehr befreiend.» Ein ehemals passionier-       cken kann», erklärt Beatrice Neff weiter.
wichtig, sondern dass wir bei den Koope-      ter Berggänger, aus gesundheitlichen           Sie ist überzeugt: «Glücksmomente stär-
rationspartnern das Image der Suchtprä-       Gründen plötzlich daran gehindert, sein        ken die psychische Gesundheit. Sie för-
vention etwas korrigieren konnten: weg        Hobby auszuüben, holte sich in einem           dern eine innere Haltung, die eben auch
von der Problemorientierung hin zu einer      Kurs das Know-how des Fotografierens           präventiv wirkt.»
Philosophie der Ressourcenstärkung.»          und kann jetzt die Natur während der im-          Im Kanton Thurgau stiess dieses ein-
                                              mer kürzer werdenden Spaziergänge auf          deutig auf Schutzfaktoren ausgerichtete
Das Glück im Alter finden                     neue, vertiefte Art geniessen und sich zu-     Projekt auf ein positives Echo. «Im Thur-
                                              sätzlich später an seinen Bildern erfreu-      gau haben wir die schöne Situation, dass
Unter dem Titel «Entfalten statt liften»      en. Das schenkt ihm unzählige glückliche       unsere Trägerschaft das Vorhaben von
regt die Suchtpräventionsstelle der Bezir-    Momente.                                       Anfang an unterstützte», sagt Beatrice
ke Affoltern und Dietikon ältere Men-                                                        Neff.
schen an, dem Glück auch unter den Er-        Meldestelle für Glücksmomente
schwernissen, die im Alter auftreten,                                                        Das Glück kommt ins Quartier
Raum zu geben. Die Lebenserfahrung hat        Tatsächlich: Im Kanton Thurgau gibt es
diese Frauen und Männer stark gemacht,        das! «Wenn wir glückliche Momente be-          Wann immer der umgestaltete Bauwagen
sie kennen schwierige, aber auch glückli-     wusst erleben, werden wir achtsamer für        in Wädenswil, Horgen oder Adliswil in ein
che Zeiten. Referate, die in Kooperation      unsere persönlichen Stärken und schär-         Wohnquartier angefahren kommt, wis-
mit Pro Senectute, Kirchen oder dem Se-       fen die Aufmerksamkeit dafür, was uns          sen die Leute: Hier ist eine Anlaufstelle,
                                                                                                                                           Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

niorenrat angeboten werden, unterstüt-        und anderen Menschen guttut», sagt             die für ihre Ideen, Wünsche und Bedürf-
zen ältere Menschen darin, ihre Lebens-       Beatrice Neff. Sie ist bei Perspektive Thur-   nisse Halt macht. Das Quartiermobil ist
zufriedenheit zu bewahren, zu entfalten       gau im Fachbereich Gesundheitsförde-           ein Treffpunkt für die Anwohnerinnen
oder neu zu finden.                           rung und Prävention verantwortlich für         und Anwohner, geöffnet an mehreren Ta-
   Franzisca Schaub ist Fachfrau für Fra-     den Aufbau von Angeboten für die psy-          gen die Woche während der wärmeren
gen des Alters und erklärt: «Einerseits ge-   chische Gesundheit.                            Monate.
hen wir der Frage nach, was denn im Le-          Als sie von der «Meldestelle für Glücks-       «Das erste Quartiermobil wurde in
ben noch entfaltet werden will. Es gilt,      momente» hörte, die der freischaffende         Wädenswil gegründet und ist bereits im
lange aufgeschobene Wünsche zu entde-         Journalist, Dozent und Soziologe Mark          fünften Jahr unterwegs», sagt Renate
cken und nach Möglichkeiten zu suchen,        Riklin 2003 in St. Gallen ins Leben geru-      Büchi vom Samowar, der Suchtpräven

                                                                                                                                    10
tionsstelle für den Bezirk Horgen. «Die    Quartiermobil fördert in erster Linie die   te, die etwas organisieren wollen, um die
                                           Stadt Wädenswil unterstützt diese Mög-     Kontakte der Leute untereinander, das       Situation in ihrem Quartier zu verbessern
                                           lichkeit für Begegnungen. Nebst unserer    stärkt die nachbarschaftlichen Beziehun-    und zu bereichern. Ja, man kann sagen:
                                                                                                                                  Das Quartiermobil trägt bei zu einem
                                                                                                                                  glücklichen Leben!»
                                           Und wenn sich die Leute zum gemeinsamen Feiern zusammentun
                                           und ihr Glück geniessen, so ist es gut, wenn sie – vielleicht                          Damit das Glück bleibt
                                           nicht zuletzt dank der Suchtprävention – auch Bescheid wissen                          Und wenn sich die Leute zum gemeinsa-
                                           über Risikofaktoren, damit es bleibt, das Glück.                                       men Feiern zusammentun und ihr Glück
                                                                                                                                  geniessen, so ist es gut, wenn sie – viel-
                                                                                                                                  leicht nicht zuletzt dank der Suchtpräven-
                                           Stelle machen andere Institutionen mit,    gen. Die beteiligten Institutionen können   tion – auch Bescheid wissen über Risiko-
                                           wie Kirchen, Pro Senectute und die         auf einfache Weise ihre Angebote be-        faktoren, damit es bleibt, das Glück.

                                                                                                                                  n
                                           Jugendarbeit. Dank dieser Kooperation      kannt machen, die immer rege genutzt
                                           können wir ein spannendes und vielfälti-   werden. Dabei kommt es schon mal vor,
                                           ges Programm anbieten: Generationen        dass auch jemand für seine individuellen
                                                                                                                                  Christine Wullschleger, lic.phil.I, seit Ende der
                                           übergreifende Grillfeste und Spielange-    Probleme Hilfe findet.»
                                                                                                                                  1980er-Jahre in Gesundheitsförderung und Sucht-
                                           bote, Basteln mit Kindern, Treffen mit         Für Renate Büchi ist das Quartiermo-    prävention tätig, von 2006 bis zu ihrer Pensionierung
                                           Senioren, Vorträge, Filme und vieles       bil eine nachhaltige Sache: «Wir motivie-   vor zwei Jahren bei der Suchtprävention Zürcher
                                           mehr.» Renate Büchi ist begeistert. «Das   ren, unterstützen und begleiten die Leu-    Unterland.
Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016
INTERVIEW MIT PROF. DR. WILLIBALD RUCH

Danke, dass Sie dieses Interview lesen
Die Positive Psychologie beschäftigt sich mit der Frage, was das Leben lebenswert macht, und sie
möchte Menschen befähigen, dass sie ihre individuellen Stärken erkennen, einsetzen und pflegen.
Warum Dankbarkeit beispielsweise das Wohlbefinden steigert, erklärt Prof. Dr. Willibald Ruch in
diesem Interview.
Text: Brigitte Müller

laut & leise: Was ist für Sie Glück?            «guten Lebens». Zu Beginn kümmerte            mäss dem PERMA-Modell viele Kompo-
Willibald Ruch: Ich verwende den Be-            sich die Psychologie ebenfalls um solche      nenten im persönlichen Leben stimmig
griff Glück selten, denn Glück empfinden        Fragen. Mit zunehmender Professionali-        sind, blühen und gedeihen Menschen.
ist eher ein kurzfristig erlebtes Gefühl. Ich   sierung legte die Psychologie jedoch den      Glück hat jedoch viele Gesichter. Ich
spreche lieber von Lebenszufriedenheit          Fokus in Richtung Krankheiten erkennen        beispielsweise liebe es, Datenanalysen
und welche Faktoren das subjektive              und diese so gut wie möglich zu «repa         durchzuführen. Dabei vergesse ich die
Wohlbefinden ausmachen. Dabei werden            rieren». Wie Menschen ein sinnhaftes,         Zeit und erlebe den sogenannten Flow.
drei Zustände unterschieden. Erstens, wie       gutes Leben anpacken können, interes-         Jemand anders liebt es, Velos zu flicken
viele positive Emotionen erlebt jemand?         sierte die akademische Psychologie im-        oder für einen Marathon zu trainieren,
Im Vergleich zu zweitens: Wie wenige ne-        mer weniger. In den 50er-Jahren wurde         mit Kindern Gesellschaftsspiele zu spie-
gative Emotionen belasten diese Person?         der Begriff der Positiven Psychologie zum     len, für Gäste zu kochen und so weiter. Es
Und drittens wie schätzt diese Person ihre      ersten Mal von Abraham Maslow ange-           gibt unendlich viele Möglichkeiten, posi-
allgemeine Lebenszufriedenheit ein? Sol-        wendet. 1968 griff Martin Seligman, da-       tive Emotionen zu erleben. Was das
che Fragestellungen werden unter ande-          mals Präsident der American Psychologi-       PERMA-Modell zeigen will, ist, dass es
rem in der Positiven Psychologie wissen-        cal Association (APA), den Begriff wieder     fünf verschiedene Bereiche gibt, die zur
schaftlich untersucht.                          auf, gleichzeitig kritisierte er, dass man    Zufriedenheit beitragen.
                                                sich in der Psychologie hauptsächlich mit
l & l: Können Sie uns den Kern der Posi-        der Erforschung pathologischer Aspekte        l & l: Wenn ich aber beispielsweise mei-
tiven Psychologie erklären?                     beschäftige. Seligman machte die Etablie-     ne Erfüllung nur in einer Partnerschaft
Ruch: Die Positive Psychologie ist der          rung der Positiven Psychologie zu seiner      finde, jedoch keine Arbeit gefunden habe,
Sammelbegriff für Theorien und For-             Mission. Seither gibt es immer mehr           die mir gefällt: was dann?
schung zur Frage, was das Leben lebens-         Studien, die fundiertes Wissen liefern, wie   Ruch: Eine erfüllte Partnerschaft zu pfle-
wert macht. Vertreter der Positive Psycho-      der Mensch sein Wohlbefinden steigern         gen, trägt sehr viel zur Lebenszufrieden-
logie sind davon überzeugt, dass Men-           kann.                                         heit bei. Was aber, wenn der Partner stirbt
schen ein sinnvolles und erfüllendes Le-                                                      oder sich die Partnerin in jemand anders
ben anstreben, indem sie ihre eigenen           l & l: Die Positive Psychologie kennt das     verliebt? Genauso riskant kann es sein,
Stärken kennen lernen sowie ausbauen            PERMA-Modell. Können Sie uns dieses           nur im Beruf die Erfüllung zu finden. Was,
und sich auf vielen verschiedenen Ebe-          erklären?                                     wenn man krank wird und seinen Beruf
nen wie Liebe, Arbeit oder im Spiel ent-        Ruch: Dies ist eine Art Zauberformel fürs     nicht mehr ausüben kann? Ich empfehle
wickeln wollen. Heute verwenden wir er-         Wohlbefinden. «P» steht für «Positive         deshalb, auf vielen Beinen zu stehen,
weiternd den Begriff «Flourish» und mei-        Emotions», also das Erleben von Dankbar-      also in mehreren Bereichen des PERMA-
nen, dass Menschen dank individuellen,          keit, Genuss, Zuneigung, aber auch Hoff-      Modells unterwegs zu sein.
beruflichen und sozialen Möglichkeiten          nung und Optimismus. «E» meint «Enga-
aufblühen und gedeihen.                         gement». Menschen, die ihre Stärken im        l & l: Was kann jeder selber tun, damit
                                                Beruf ausleben können, eine sinnvolle         er/sie sich glücklich fühlt?
l & l: Seit wann beschäftigt sich die Psy-      Aufgabe haben, sich im privaten und be-       Ruch: Unser Psychologisches Institut der
chologie mit positiven Emotionen?               ruflichen Leben engagieren, stehen mor-       Universität Zürich hat Fragebogen entwi-
Ruch: Die Philosophie beschäftigt sich ja       gens gerne auf. «R» bezeichnet «Rela-         ckelt, die man kostenlos im Internet ab-
seit über 2000 Jahren mit dem Thema des         tionships». Freundschaften pflegen, eine      rufen kann. Anhand dieser Fragebogen
                                                tiefe Partnerschaft und eine liebende Fa-     erhalten Sie wertvolle Informationen
                                                milie erleben hat positive Auswirkungen       über sich. Sie werden erkennen, in wel-
 Stärken trainieren                             auf die Zufriedenheit. Mit «M» ist «Mea-      chen Bereichen des PERMA-Modells Sie
                                                ning» gemeint: Sinn und Sinnhaftigkeit.       stark sind und wo eben nicht so. Wenn
                                                                                                                                            Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

 Die Universität Zürich bietet ein kosten-
                                                Und «A» erklärt «Achievement, Accom-          man sich besser kennt, weiss man, was
 loses Online-Trainingsprogramm zu po-
                                                plishment», was im Deutschen Leistung         einen freut oder immer wieder ärgert. Ich
 sitiv-psychologischen Interventionen
                                                und Zielerreichung bedeutet.                  empfehle deshalb, die Sinne zu schärfen
 an, für das noch Teilnehmer/innen ge-
                                                                                              und öfter Dinge zu tun, die einen positiv
 sucht werden. Teilnehmer/innen, die
                                                l & l: Warum macht Leistung zufrieden?        stimmen. Sich das gute Leben also auch
 das komplette Programm abschliessen,
                                                Ruch: Erfolg haben, Ziele erreichen führt     gönnen. Und es lohnt sich, sich immer
 erhalten eine individuelle Rückmel-
                                                zu einem gesteigerten Selbstwertgefühl.       wieder einmal zu fragen: Was ist mir im
 dung zu ihren Veränderungen im Wohl-
                                                                                              Leben wichtig und wie kann ich mir mehr
 befinden im Verlauf der Teilnahme.
                                                l & l: Wie und wo findet uns das Glück?       Zeit für diese persönlichen glücksstiften-
 www.staerkentraining.ch
                                                Ruch: Untersuchungen zeigen, wenn ge-         den Tätigkeiten nehmen?

                                                                                                                                     12
l & l: Was haben glückliche Menschen,         Beim Lachen gilt es jedoch genauer hin-        l & l: Und noch eine persönliche Frage:
                                           was unglückliche nicht haben?                 zuschauen, bekanntlich gibt es verschie-       Was macht Sie glücklich?
                                           Ruch: Aus der Forschung wissen wir, dass      dene Arten des Lachens – unter anderem         Ruch: Wie bereits erwähnt, liebe ich es,
                                           Menschen, die sich sozial engagieren,         das Auslachen, das viel Schaden anrich-        Statistiken zu studieren. Eine Insel für
                                           langfristig zufriedener sind als Menschen,    ten kann.                                      mich ist Musik. Ich habe klassische Gitar-
                                           die sich mehrheitlich dem Genuss hinge-                                                      re gelernt und um mich zu beruhigen so-
                                           ben. Studien zeigen uns weiter, dass wer      l & l: Darf man noch unglücklich sein?         wie meine Kreativität auszuleben, liebe ich
                                           seine Charakterstärken trainiert, sein        Ruch: Ja, warum nicht? Unglücklich sein        es, auf meiner Gitarre zu improvisieren.

                                                                                                                                        n
                                           Wohlbefinden steigert. Den grössten Ef-       gehört zum Leben, es kann nicht jeder Tag
                                           fekt stellen wir fest bei den Stärken wie     heiter sein und Menschen können von
                                           Neugier, Dankbarkeit, Optimismus, Hu-         schweren Schicksalsschlägen getroffen          Prof. Dr. Willibald Ruch ist Leiter der Fachrichtung
                                           mor und Enthusiasmus.                         werden, die unglücklich machen. Die            Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der
                                                                                         Positive Psychologie zeigt konkrete Wege       Universität Zürich.
                                           l & l: Ist sich glücklich fühlen genetisch    auf, wie man auch unglückliche Zeiten
                                           bedingt oder abhängig vom sozialen Um-        besser überstehen kann. Was sie jedoch
                                           feld in der Kindheit?                         nicht will, ist, einen Zwang auszuüben,         CAS-Studiengang
                                           Ruch: Wenn Sie beispielsweise das glei-       permanent mit einem glückseligen Lä-            Der Studiengang «Positive Psycholo-
                                           che Geschenk verschiedenen Menschen           cheln durchs Leben zu laufen. Sie spre-         gie» schlägt die Brücke zwischen Theo-
                                           geben, werden Sie feststellen, dass es eine   chen jedoch die unzähligen Ratgeber in          rie und Praxis. Themen sind dabei posi-
                                           Gruppe gibt, die nach dem Auspacken           den Buchhandlungen an, die tatsächlich          tives Erleben sowie positive Eigenschaf-
                                           jubelt, eine Gruppe, die findet, das Ge-      diesen Eindruck vermitteln, dass wer un-        ten und positive Institutionen. Als Ab-
                                           schenk sei schön, und eine, die mehr oder     glücklich ist, auch selber schuld daran sei.    schluss erstellen die Teilnehmenden eine
                                           weniger gleichgültig darauf reagiert. Es      Es hat sich in den letzten zehn Jahren eine     anwendungsorientierte Projektarbeit.
                                           gibt also unterschiedliche Arten von po-      mediale Eigendynamik entwickelt, die je-
                                                                                                                                         www.weiterbildung.uzh.ch/programme/detail.php
                                           sitiven Reaktionen. Grundsätzlich stellt      doch nicht unbedingt in unserem akade-          ?angebnr=736
                                           die Forschung fest, dass bei den Charak-      mischen Interesse ist.
                                           terstärken ein Drittel genetisch und ein
                                           Drittel vom sozialen Umfeld abhängig ist.
                                           Für einen Drittel ist man jedoch selber
                                           verantwortlich.

                                           l & l: Kann man Glück wie die Muskeln
                                           trainieren?
                                           Ruch: Im Internet finden Sie eine Presse-
                                           mitteilung von unserem Institut mit dem
                                           Titel «Charakterstärken trainieren macht
                                           glücklich». Es gibt viele Aktivitäten, die
                                           man einfach in den Alltag einbauen kann.
                                           Beispielsweise mit Leuten zusammen
                                           sein, mit denen man häufig lachen kann,
                                           ein Glückstagebuch führen, Herausforde-
                                           rungen annehmen, einen Sinn für das
                                           Schöne entwickeln, Dankbarkeit üben.

                                           l & l: Wie kann man Dankbarkeit üben?
                                           Ruch: Dafür kennen wir verschiedene
                                           Übungen. Eine erste einfache Übung ist,
                                           sich anzugewöhnen, Danke zu sagen.
                                           Oder man nimmt sich abends eine Vier-
                                           telstunde Zeit, um auf den Tag zurückzu-
                                           schauen und sich bewusst zu machen, wie
                                           viele positive Ereignisse man erlebte.
                                           Oder man verfasst für eine nahestehende
                                           Person ein Dankesschreiben und zählt
                                           auf, wofür man dieser Person danken will.
Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

                                           l & l: Stimmt diese Behauptung: Lachen
                                           ist gesund? Warum?
                                           Ruch: Zuerst möchte ich zwischen Hu-
                                           mor und Lachen unterscheiden. Humor
                                           ist eine Charakterstärke und trägt viel zur
                                           Lebenszufriedenheit bei. Menschen mit
                                           Humor können beispielsweise besser mit
                                           Stress umgehen. Ob Lachen gesund ist,
                                           dazu kann ich nichts Genaues sagen, denn
                                           es gibt noch zu wenige Studien darüber.

                                           13
MELDUNGEN AUS DER SUCHTPRÄVENTION
                         Die meisten Adressen der zeichnenden Stellen dieser Beiträge finden Sie auf der Rückseite des Heftes.

                                                     ten, Nutzung von Bildschirmgeräten                   mailt werden kann. Die Schulung sensi-
                                                     und Körpergewicht und zeigt Entwick-                 bilisiert für Themen rund um den Alko-
                                                     lungen im Verlauf der Zeit.                          holkonsum von Jugendlichen, vermit-
                                                        Ebenfalls neu erschienen ist das Fact             telt die gesetzlichen Jugendschutzbe-
                                                     Sheet «Geschlechtsverkehr und Verhü-                 stimmungen und gibt Tipps für den
                                                     tung bei den Jugendlichen in der                     Berufsalltag rund um Verkauf und Aus-
                                                     Schweiz». Dieses gibt einerseits einen               schank von Alkohol. (ZüFAM)
                                                     Überblick über die Entwicklung der An-               Mehr: www.jalk.ch
                                                     teile sexuell aktiver Jugendlicher in der
                                                     Schweiz, andererseits wird dargestellt,
                                                     welche Verhütungsmethoden von Ju-
                                                     gendlichen verwendet werden. (Sucht
RAUCHSTOPPKAMPAGNE                                   Schweiz)
SmokeFree vor Ort                                    Download:
                                                                                                          ELTERNWORKSHOP
                                                     www.hbsc.ch > Forschungsberichte (deutsch ab S.23)
Mit der Partnerkampagne «SmokeFree –                 www.hbsc.ch > Fact Sheets
Ich bin stärker» werden Rauchende seit
                                                                                                          E-Zigarette und Shisha
einem Jahr mittels Plakaten und TV-                                                                       Rund ein Drittel der 15- bis 19-Jährigen
Spots ermuntert, den Rauchstopp zu                                                                        haben bereits eine E-Zigarette «ge-
wagen. Im Kampagnenteil «SmokeFree                                                                        dampft». Häufig bleibt es beim Probier-
vor Ort» mischt sich die Kampagne nun                                                                     konsum. Erste Studien weisen jedoch
unter die Leute. Ein Fotoautomat produ-                                                                   darauf hin, dass E-Zigaretten bei Jugend-
                                                     ALKOHOLVERKAUF
ziert spezielle Passfotos, die zeigen, wie                                                                lichen den Einstieg ins Rauchen zur Fol-
die Alterung der Haut mit und ohne                   Online-Jugendschutz-                                 ge haben können. Auch das Rauchen
Rauchen das Gesicht in den nächsten
20 Jahren verändern wird. Der so vom
                                                     Schulung
Fotoautomaten gedruckte Fotostreifen                 Jedes Jahr werden in der Schweiz über
dient dem Fachpersonal, das am Stand                 1000 Jugendliche mit einer Alkoholver-
anwesend ist, dazu, das Gespräch mit der             giftung ins Spital eingeliefert. Angestell-
aufhörwilligen Person zu führen und auf              te in Gastronomie, Detailhandel und
ihre Fragen zum Rauchstopp einzuge-                  Festwirtschaften können einen wichti-
hen. Der Fotoautomat wird an verschie-               gen Beitrag leisten, um diese Zahl zu sen-
denen Veranstaltungen im Kanton ein-                 ken. Wie stellt man sicher, dass in einem
gesetzt. (Züri Rauchfrei)                            Betrieb oder an Festen kein Alkohol an
Fotoautomat im Einsatz:
                                                     Jugendliche verkauft wird? In erster Li-
Sa 27.8.–So 28.8.: Dorffäscht Aesch                  nie durch die Sensibilisierung des Ver-
Di 30.8.–So 4.9.: ZüriOberlandMäss (ZOM), Wetzikon   kaufspersonals. Mit der informativen
Sa 24.9.: Herbstmärt Birmensdorf                     Webschulung «jalk.ch» kann dieses sein               von Shishas ist bei Jugendlichen beliebt.
Di 30.11.–So 4.12.: Winti-Mäss, Winterthur
                                                     Wissen zum Thema Jugendschutz zeit-                  Über die Hälfte der Rauchenden, aber
                                                     und ortsunabhängig erweitern. Die                    auch einige Nichtrauchende, ziehen ge-
                                                     Schulung lässt sich in 30 Minuten online             legentlich an der Wasserpfeife. Der My-
                                                                                                          thos, dass Wasserpfeifenrauch weniger
                                                                                                          schädlich ist als Zigarettenrauch, scheint
                                                                                                          weit verbreitet.
FORSCHUNGSBERICHT HBSC                                                                                       Der Elternworkshop von Züri Rauch-
                                                                                                          frei vermittelt Wissen zu Risiken und
SchülerInnen-Befragung                                                                                    Rechtslage und zeigt auf, was Eltern tun
                                                                                                                                                                  Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

Im März wurden die Ergebnisse der                                                                         können, wenn sie bezüglich des Kon-
Schweizer SchülerInnen-Befragung 2014                                                                     sums ihres Kindes beunruhigt sind. Der
veröffentlicht. Die internationale Studie                                                                 Workshop kann von Schulen oder El-
«Health Behaviour in School-aged Chil-                                                                    ternorganisationen gebucht werden und
dren» (HBSC) wird in mehr als 40 gröss-                                                                   findet dann im Rahmen eines Eltern-
tenteils europäischen Ländern alle vier                                                                   abends statt. Er dauert 30 bis 60 Minu-
Jahre durchgeführt. Der Bericht be-                  absolvieren. Wer die Schulung erfolg-                ten und ist kostenlos. (Züri Rauchfrei)
schreibt das Verhalten von Schweizer Ju-             reich durchlaufen hat, erhält einen                  Buchung: info@zurismokefree.ch oder bei Ihrer
gendlichen bezüglich Suchtmittelkon-                 Nachweis, der ausgedruckt oder zur                   regionalen Suchtpräventionsstelle:
sum, Ernährung, körperlicher Aktivitä-               Kontrolle an den/die Arbeitgeber/in ge-              suchtpraevention-zh.ch > Über uns > regionale Stellen

                                                                                                                                                           14
STELLENVERBUND                                  besserungen von der vorbehandelnden           IN EIGENER SACHE
                                                                                           Rechtskommission nicht aufgenommen
                                           Neue Mitarbeiterin                              wurden. Der Bund will den Kantonen            Abo für 20 Franken
                                           am EBPI                                         mit dem neuen Gesetz zwar die Aufgabe         Sie erhalten das «laut & leise» dreimal
                                                                                           übertragen, für die Prävention und Be-        jährlich. Das Abonnement ist freiwil-
                                           Sabine Jenny unterstützt seit Mai dieses        handlung von Spielsucht zu sorgen, sieht      lig und beträgt Fr. 20.– pro Jahr. Aus
                                           Jahres die kantonale Beauftragte für Prä-       aber keine erweiterte Finanzierung der        Kostenüberlegungen legen wir kei-
                                           vention und Gesundheitsförderung Si-            Präventionsaufgaben vor. Auch die             nen Einzahlungsschein bei, sondern
                                           bylle Brunner bei der Koordination der          zweite Forderung – eine unabhängige           bitten Sie hiermit, das «laut & leise»
                                                                                           nationale Konsultativkommission zur           mit einem freiwilligen Abonnement
                                                                                           Sicherung des Spielerschutzes und der         zu unterstützen. Wir danken sehr –
                                                                                           Suchtprävention – wurde bislang nicht         Ihre Stellen für Suchtprävention im Kan-
                                                                                           berücksichtigt.                               ton Zürich.
                                                                                              Somit steht eine problematische Er-
                                                                                                                                         Kontoinformation:
                                                                                           weiterung des Angebots (Onlinecasinos)
                                                                                                                                         Rechnungswesen der Universität Zürich
                                                                                           bevor, ohne dass den Anliegen der Prä-        laut & leise
                                                                                           vention genügend Gewicht gegeben              8001 Zürich
                                                                                           wird. Junge Menschen sind besonders           IBAN: CH33 0900 00008767 3958 1
                                                                                           gefährdet, da sie mehr Zeit online ver-
                                                                                           bringen und doppelt so häufig problema-
                                                                                           tische Geldspiele spielen. (Zentrum für      Neuauflage des Faltblatts «Im Fokus –
                                                                                           Spielsucht, Radix)                           Ecstasy» beantwortet. Auch Broschüren
                                                                                                                                        zu anderen Substanzen sind online ver-
                                                                                                                                        fügbar. (Sucht Schweiz)
                                                                                                                                        Download und Bestellung:
                                           Tätigkeiten der 16 Stellen für Suchtprä-                                                     http://shop.suchtschweiz.ch > Info-Materialien
                                           vention im Kanton Zürich. Nach der
                                           Ausbildung zur Pflegefachfrau HF stu-
                                           dierte Sabine Jenny Soziologie sowie            ECSTACY
                                           Sozial- und Präventivmedizin an der Uni-
                                           versität Zürich, wo sie auch den Nach-
                                                                                           Neues Info-Faltblatt
                                           diplomstudiengang Angewandte Ethik ab-          Es ist gut ein Jahrhundert her, seit
                                           solvierte. Sie arbeitet seit vielen Jahren im   MDMA (Methylendioxymetampheta-               NEU BEI INFODOC
                                           Bereich Gesundheit und Prävention und           min) das erste Mal synthetisiert wurde.
                                           war für die Lungenliga Glarus und die           Seit den 80ern ist Ecstasy bekannt als Be-
                                                                                                                                        Buchtipp Onlinesucht
                                           Krebsliga Schweiz tätig. (EBPI)                 standteil der Partykultur. Wie wirken        Wie grenzt man eine Onlinesucht von
                                           Kontakt: sabine.jennywild@uzh.ch
                                                                                           Ecstasy und seine chemischen Verwand-        normalem Internetgebrauch ab? Das
                                                                                           ten? Welche unmittelbaren und langfris-      Buch «Online süchtig?» von Holger
                                                                                           tigen Risiken des Konsums bestehen?          Feindel hilft zu verstehen, wie es über-
                                                                                           Diese und weitere Fragen werden in der       haupt zur Abhängigkeit von Online-
                                                                                                                                        medien kommt. Der Autor geht auf die
                                                                                                                                        körperlichen, psychischen und sozialen
                                                                                                                                        Folgen der Sucht ein, führt auf, wer be-
                                                                                                                                        sonders gefährdet ist und welche Be-
                                           GELDSPIELGESETZ                                                                              handlung hilft. Mit vielen Beispielen,
                                                                                                                                        konkreten Anregungen und Plänen be-
                                           Problematische                                                                               gleitet er Betroffene und Angehörige
Suchtprävention, laut & leise, Juni 2016

                                           Onlinecasinos                                                                                zurück ins reale Leben. Diesen Ratgeber
                                                                                                                                        und viele weitere Bücher und Medien
                                           In der Sommersession 2016 wird der                                                           rund um das Thema Suchtprävention
                                           Ständerat über das neue Geldspielgesetz                                                      und Sucht können Sie über infoDoc
                                           beraten, mit dem unter anderem Online-                                                       Radix ausleihen. (infoDoc Radix)
                                           Geldspiele und Pokerturniere ausserhalb                                                      «Onlinesüchtig? Ein Ratgeber für Betroffene und
                                           von Casinos zugelassen werden sollen.                                                        Angehörige», Holger Feindel, 144 S., Patmos Verlag,
                                           Die nationale Koalition zum Schutz der                                                       2015. ISBN: 978-3-8436-0655-4
                                           Spielerinnen und Spieler zeigt sich be-                                                      Ausleihe: www.nebis.ch
                                           sorgt, weil zwei von ihr geforderte Ver-                                                     Kontakt: infodoc@radix.ch

                                           15
Sie können auch lesen