Eine Chance für die Vorbilder von Morgen - Stiftung Jesuiten ...
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OSTERN 2020 5 M I N I A / ÄG Y P T E N Eine Chance für die Vorbilder von Morgen 3 V E R W U R Z E LT 9 SYRIEN 12 PAT E R S A J U Christen in Nahost: Die Zukunft des Der tanzende Jesuit und Bleiben oder Gehen? Klosters Mar Musa sein bewegtes Leben
J E S U I T E N W E LT W E I T A K T U E L L NEUE PROVINZ CHENNAI: Kep gehört zur Familie der Gefangenen FOKUS AUF DIE DALITS auf die Hoffnungslosesten, Bedürftigsten, Erste Vorstösse für eine eigene Jesuiten- Traurigsten. «Vor kurzem ist ein Mann aus provinz gab es vor 29 Jahren. Was lange Singapur nach 15 Jahren in Haft gestor- währt, wird endlich gut: Seit Dezember ben», berichtet sie. «Wir haben in all diesen 2019 gibt es im südindischen Bundesstaat Jahren ab und zu geweint miteinander. Am Tamil Nadu die Provinz Chennai – ent- Ende blieb ich mit meinen Tränen allein.» standen aus der gleichnamigen Mission Thailand ist bekannt für strenge Urteile. der Mutterprovinz Madurai. Die neue Viele sitzen 10, 20 Jahre ein, einige lebens- Provinz unterstützt unter anderem die länglich. Ihre Delikte: Drogenschmuggel, Schwarzarbeit, Ausweis-Verfehlungen, Dalits, die Kastenlosen. Im Hinterland W er in den Gefängnissen Thai- Kleinkriminalität, «manchmal sind es meh- von Chennai sind gegen 60 Prozent lands arbeitet, die hoffnungs- rere Delikte, manchmal auch Mord, Men- Dalit – mit ein Grund für eine eigenstän- los überfüllten Anstalten be- schenhandel, bewaffneter Raub.» Macht ihr dige Provinz. Diese zählt 173 Jesuiten, sucht, den rauen Alltag mitbekommt, das nie Angst? «Doch, schon», sagt Kep, darunter 57 Scholastiker. Entsprechend muss hart im Nehmen sein. Nicht so Vilai- Sozialarbeiterin und zuvor 20 Jahre beim gross ist die Dynamik, weiterzuführen, wan Phokthavi – oder Kep, wie sie alle Flüchtlingsdienst der Jesuiten. «Aber die was die Jesuiten unter P. Jeba und seinen nennen dürfen: Die zierliche Mitfünfzige- Angst verfliegt nach ein paar Wochen. Wir Vorgängern aufgebaut haben. P. Jeba – rin ist auf Dienstreise in Zürich und spricht werden rasch Freunde, wir sind Familie für Jebamalai Irudayaraj SJ (57), notabe- mit sanfter Stimme, lächelnd, zugewandt. unsere Schützlinge.» Seit 2009 leitet sie die Gefangenen-Seel- Freunde, Familie, die Worte fallen im- ne Doktor der Kriminalistik – ist nun 02 sorge der Jesuiten in Thailand, die Schwei- mer wieder. In ihrer eigenen sind zwei der erste Provinzial von Chennai. Die zer Spenderinnen und Spender seit vielen Brüder Jesuiten, sie selbst ist geübt in ig- Jesuiten der neuen Provinz leiten sieben Jahren unterstützen. Ihr Team, vier Frauen natianischer Spiritualität. «Wir besuchen Pfarreien, Sozialzentren in Dörfern sowie und zwei Jesuiten, betreut Inhaftierte in die Gefangenen über Jahre, schreiben den zehn Primarschulen, acht Colleges und neun Gefängnissen, um die sich sonst nie- Verwandten, haben Einblick in die Fami- Berufsschulen für 35 000 junge Men- mand kümmert. Sie sind aus Laos, Nepal, lienverhältnisse. Oft herrscht grosse Not schen. Nächstes ambitioniertes Ziel: Bis Myanmar, Pakistan, Syrien und haben nie- und Armut», sagt Kep. «Da wird man ganz Ende 2022 soll der Strom aller jesuiti- manden vor Ort. «Zählen wir alle Ausländer natürlich zur Familie.» Pia Seiler schen Werke zu 20 Prozent aus Solar- und Ausländerinnen der neun Gefängnisse, quellen statt aus Kohlekraft stammen. sei kommen wir auf gut 1000 Menschen aus Im Bild von links: Theresa Rorik (Changrai- 40 Nationen». Kep konzentriert sich dabei Projekt) Kep, P. Pitoyo SJ (Superior Thailand). Editorial Liebe Freundinnen tete sich von hier aus in alle Welt. Doch in Dialog mit dem Islam verpflichtet weiss. und Freunde unserer den Verwerfungen unserer Tage geraten Und im Libanon geht es um die Stützung Missionare und Christinnen und Christen immer mehr zwi- von syrischen Kindern, die sonst in der unserer Partner schen die Fronten. Viele stellen sich die Schule nicht bestehen könnten. Auch ste- weltweit! bange Frage: Bleiben oder Gehen? hen Jugendliche im Zentrum, die mit Die Zuversicht der jun- Seit Jahrhunderten in der Minderheit, Trauma-Arbeit ihren Schmerz verarbeiten. gen Ägypterin auf dem engagieren sich verschiedene christliche Gemeinsamer Nenner all dieser Initiati- Titelbild ist für mich ein Kirchen für den Frieden, bauen Brücken ven ist die unerschütterliche Hoffnung. Ich Sinnbild: Sie steht für zwischen Religionen, bringen Ethnien zu- mache immer wieder die Erfahrung, dass die kommende Genera- sammen. Bildung spielt dabei eine zent- besonders die Jugend von der Hoffnung tion im Nahen Osten, die Perspektiven rale Rolle. So fördern die Jesuiten in Ägyp- beseelt ist, einen Beitrag leisten zu können braucht fürs eigene Leben und die Gesell- ten junge Frauen und Männer mit dem für eine friedlichere Welt. Das ist auch der schaft mitgestalten will – über alle Hinder- Ziel, Vorbilder von Morgen aufzubauen; in Kern der Osterbotschaft: Leben aus dem nisse, über alle Grenzen hinweg. Minia liegt der Akzent dabei auf soziale, in Vertrauen, dass destruktive Kräfte nicht Im Fokus dieser Ausgabe sind die Chris- Alexandria auf kulturelle Bildung. das letzte Wort haben. ten dieser Region. Das Christentum hat im In Syrien ist es die inspirierende Gemein- Ihnen ein frohes Osterfest Nahen Osten seine Wurzeln und verbrei- schaft des Klosters Mar Musa, die sich dem Pater Toni Kurmann SJ
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN Viele fragen sich: Bleiben oder Gehen? Vertriebene, Gebliebene, Brückenbauer: Christen im Nahen Osten sterben. Neben anderen Minderheiten sind besonders die Christen betroffen. Wer das kulturelle Artensterben begrei- fen möchte, muss in historisch langen Linien denken – oder zum Beispiel mit assyrischen Christen sprechen. Deren Vor- fahren hatten ihre Heimat bereits vor 4000 Jahren im fruchtbaren Einzugsgebiet von Euphrat und Tigris. Beim Genozid 1915 haben die Jungtürken, vor dem ers- ten Weltkrieg an die Macht gekommen, sie beinahe ausgerottet. Die Überleben- den retteten sich unter anderem in den Irak, wo es 1933 zu einem weiteren Mas- saker kam. Wer dies überlebte, floh ins Khabour-Tal nach Syrien, das 2015 wiede- rum der Islamische Staat überfiel. Viele flohen weiter in den Libanon und stellten von dort aus Einwanderungsanträge nach Amerika, Europa oder Australien. Die meisten Assyrer haben den Nahen Osten 03 bereits verlassen. Vertreibung und Genozid Auch Lizas Geschichte ist ein Beispiel da- für, dass Christen im Nahen Osten die Hoff- nung auf eine Zukunft verlieren. Ihren vollen Namen will sie zu ihrem Schutz 16 Stationen von Künstler Farid Georges zum Leben von Frans van der Lugt: Der Jesuit nicht angeben. Die junge Frau ist armeni- aus Den Haag wirkte 50 Jahre als Brückenbauer in Syrien, harrte im Krieg aus, bot sche Christin, ist im syrischen Aleppo ge- v ielen Schutz. Ein Islamist erschoss ihn am 7. April 2014 an der Jesuiten-Pforte in Homs. boren und aufgewachsen. Die Familie hatte ihr Auskommen. Heute leben Liza und ihre Angehörigen als Flüchtlinge in sehr einfachen Verhältnissen in Beirut und Kaum eine Weltregion ist so reich an sen, Aleviten, Alawiten, Juden, Jesiden, warten auf Visa in ein westliches Land. Kulturen und Religionen wie der Mandäer, Schabak, Zoroastrier und Chris- «Meine Vorfahren stammen aus der Tür- Nahe Osten. «Im 21. Jahrhundert ist ten. Wobei letztere wiederum in zahlreiche kei», erzählt Liza. «Sie waren Tuchhändler. Konfessionen aufgeteilt sind. Alle vier 1915, im Genozid der Jungtürken, floh diese Vielfalt bedrohter denn je», Kirchentraditionen – die altorientalische, mein Urgrossvater nach Aleppo.» schreibt Religionswissenschafterin byzantinisch-orthodoxe, katholische und Viele Überlebende des Genozids siedel- und Politologin Katja Buck. Besonders protestantische – sind hier in verschiede- ten sich damals in der nordsyrischen Me- betroffen sind die Christen, doch von nen Ausformungen vertreten. Das gibt es tropole an. Gemeinden bildeten sich, und ihnen geht auch viel Hoffnung aus. nirgends sonst auf der Welt. die Armenier machten dankbar die Erfah- rung, dass die muslimischen Nachbarn sie Eine Einführung von Katja Buck zu Kulturelles Artensterben ganz selbstverständlich akzeptierten. 2012 unserer Themenstrecke Christen im Diese Vielfalt ist im 21. Jahrhundert be- aber kam der Krieg nach Aleppo. Auch das Nahen Osten. drohter denn je. Die Globalisierung fördert Haus der Familie wurde zerstört. «Wir sind die weltweite Gleichmacherei. Gleichzeitig zu meiner Grossmutter nach Kessab geflo- D er Nahe Osten trägt ein reiches sind im Nahen Osten – und nicht nur da – hen», berichtet Liza. Erbe. Sumerer, Babylonier, Assyrer, Ideologien auf dem Vormarsch, deren Ziel Kessab ist ein armenisches Städtchen in Perser, Phönizier, Ägypter, Grie- es ist, aus heterogenen Gesellschaften Syriens Nordwesten, unweit des Mittel- chen, Römer haben ihre Spuren hinterlas- homogene zu machen. Das führt immer meers an der Grenze zur Türkei. Doch auch sen. Die Region zwischen Nil und Euphrat wieder zu Krisen und Kriegen. Und über dorthin kam der Krieg. Im Februar 2014 teilen sich heute Sunniten, Schiiten, Dru- kurz oder lang zu einem kulturellen Arten- vertrieben Dschihadisten sämtliche
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN TÜRKEI AL MUSA K H A B O U R -T DAGH Aleppo Rakka Kessab Sulaimaniyya SYRI E N TIG Homs 6000 Einwohner. Lizas Familie floh über MITTELME E R Balbeek RIS Byblos Mar Musa Umwege in den Libanon. «Meine Gross- Beirut EU Bar Elias PH mutter und weitere alte Leute wollten nicht LIBANON Damaskus RA T mitgehen. Sie wollten lieber in Kessab ster- ben.» Die Dschihadisten hätten sie in einen I R AK ISRAEL PALÄSTINA Bus gesetzt und seien mit ihnen über die Grenze ins einstige Siedlungsgebiet der Armenier, ins Berggebiet des Musa Dagh Alexandria JORDANIEN gefahren. «In einem Dorf haben sie die al- Kairo ten Leute einfach auf dem Marktplatz aus- gesetzt», sagt Liza. Die Familie holte die L Grossmutter nach Beirut, wo sie kurz darauf NI starb. Das ist sechs Jahre her. Liza und ihre Minia Angehörigen warten noch immer auf ihre Visa. Bleiben oder gehen? Diese Frage hat ÄGYPTEN die Familie wie zahlreiche Christen der Re- gion längst geklärt. Libanon: Ein Dritttel sind Christen viele Jahre in Syrien für Frieden zwischen Nicht allen geht es so. Im Libanon machen den Religionen eingesetzt hat und im Au- 04 die Christen noch immer ein Drittel der gust 2013 entführt wurde (S. 9–10). Von Gesellschaft aus; sie haben einen nicht zu ihm fehlt seither jede Spur – wie auch von unterschätzenden Einfluss auf Politik und Mor Gregorios Youhanna Ibrahim, syrisch- Wirtschaft. Auch in Ägypten hält sich die orthodoxer Erzbischof von Aleppo, und Gemeinschaft der Kopten und weiterer von Boulos Yazigi, griechisch-orthodoxer christlicher Kirchen seit Jahrzehnten bei Erzbischof von Aleppo. Beide wurden im Katja Buck (49) ist Religions- zehn bis 15 Prozent. April 2013 entführt. wissenschafterin, Politologin, In Palästina, Syrien, Jordanien und im Solch ausgleichende Kräfte werden über Irak sieht es allerdings anders aus. Bis in kurz oder lang fehlen. Publizistin. Ihr Schwerpunkt: die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts stell- Christen im Nahen Osten und der ten die Christen in Syrien noch knapp Projekte von Christen und Muslimen Dialog mit dem Islam. Sie lebt 30 Prozent der Bevölkerung. Heute sind es Was aber braucht es, damit nicht noch in Tübingen und reist seit ihrem gerade noch acht Prozent. Und in Palästi- mehr Christen der Heimatregion ihres Studium in Kairo immer wieder zu na, im Irak und in Jordanien sind es nur Glaubens den Rücken kehren? Am wich- Recherchen in den Nahen Osten. noch zwei Prozent. tigsten ist das Vertrauen in eine sichere Das starke Schrumpfen der christlichen Zukunft. Das lässt sich am besten in Initi- Gemeinschaften hat verschiedene Grün- ativen aufbauen, in denen Christen und de. Sicherlich spielt der erstarkende Isla- Muslime zusammenarbeiten und wo Men- mismus – des fundamentalistischen, poli- schen Hilfe finden, unabhängig von ihrer tischen Islam – eine Rolle. Doch auch Religionszugehörigkeit. So etwa in den wirtschaftliche Überlegungen stehen oft jesuitischen Werken in Minia und Alexan- am Anfang der Emigration. Wer sich mit dria in Ägypten (S. 5–8), im Kloster Mar seiner Ausbildung im Westen bessere Musa in Syrien (S. 9–10), in den vier Zent- Farid Georges (73) ist Kunstmaler. Chancen für sich und seine Kinder erhofft, ren des Flüchtlingsdienstes der Jesuiten Er stammt aus dem heute weitge- versucht zu gehen. Und schliesslich gibt im Libanon (S. 11). hend zerstörten syrischen Homs, es noch den demografischen Faktor. Für die Kirchen im Nahen Osten war dies ist Christ und war enger Wegbe- Christliche Familien haben in der Regel immer selbstverständlich. Sie wissen, dass gleiter von Frans van der Lugt SJ. weniger Kinder als muslimische. die Zukunft des Christentums im Nahen Anders als Pater Frans entschied Das kulturelle Artensterben verändert Osten nicht allein vom Mut der Verblei- das Gesicht des Nahen Ostens grundle- benden abhängt. Sondern viel mehr von er sich zur Flucht und hofft, «dass gend. Denn oft genug haben Christinnen ihren Nachbarn: der muslimischen Mehr- irgendwann die friedliche Koexis- und Christen die Rolle der Vermittler ge- heit, die sich des Wertes der Christen für tenz, die wir in Syrien so lange spielt: der italienische Jesuit und Islamwis- die Gesellschaft bewusst ist. lebten, wieder möglich ist.» senschafter Paolo dall’Oglio etwa, der sich Katja Dorothea Buck
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: ÄGYPTEN Sie zeigt, wo es langgehen könnte im oberägyptischen Minia: Christliche und muslimische Jugendliche vom Land diskutieren in einem 05 Workshop, wie sie einander besser respektieren und akzeptieren können. Gegenentwurf zu Intoleranz und Gewalt Jesuit & Brothers Association for Development: Kulturoffensive für junge Menschen Die Provinz Minia gilt als Armenhaus ten Kindergärten, Grundschule und High kanntes Hilfswerk, das die Arbeit der 33 Je- Ägyptens und ist immer wieder School, Werkstätten für Menschen mit suiten in Ägypten unterstützt. Geschätzte Brennpunkt gewalttätiger Angriffe Beeinträchtigungen und weitere Sozial- zehn bis 15 Prozent der gegen 100 Millio- projekte. nen Menschen in Ägypten sind christli- gegen Christen. Den Menschen fehlt Minia – Provinz und Stadt mit 5,9 Mio chen Glaubens, zur Mehrheit gehören sie es an vielem, auch an Kultur im Einwohnerinnen und Einwohnern – gilt als der koptischen Kirche an. weitesten Sinne. Das jesuitische Armenhaus des Landes. Die Provinz ist Die Projekte der Jesuiten stehen Armen Bildungsprojekt Liberal Studies dreiviertel so gross wie die Schweiz, die und Marginalisierten unabhängig von verschafft jungen Menschen Pers- Analphabetenrate liegt über 40 Prozent, Herkunft und Religion offen. die Arbeitslosenquote gegen 30 Prozent. pektiven – ein hoffungsvoller Gegen- Zahlreiche Familien leben knapp am, vie- Kulturelle Vielfalt mit Liberal Studies entwurf zu Intoleranz und Gewalt. le unter dem Existenzminimum, gross ist In Minia legt die Vereinigung JBA den Fo- zudem die Zahl der Schulabbrecher – die kus auf die Stärkung von Frauen, die Be- V or 140 Jahren trafen die ersten Betroffenen erscheinen in keiner Statistik. gleitung von Menschen mit Beeinträchti- Jesuitenpater in Ägypten ein. In dieser ländlich geprägten Provinz ar- gungen und auf die Jugend: Junge Frauen Seither hat der Orden im Land am beiten die Jesuiten mit der Jesuit & Brothers und Männer erhalten die Möglichkeit, im Nil zahlreiche Schulen und Werke gegrün- Association for Development zusammen. Liberal Studies-Programm mitzumachen. det, namentlich seien erwähnt: In der Ha- Die Vereinigung, abgekürzt JBA, wurde Unsere Stiftung JWW unterstützt das Pro- fenstadt Alexandria gibt es heute ein weit 1966 von ehemaligen Jesuitenschülern gramm, das Kurse und Seminare sowie herum bekanntes Kulturzentrum (S. 8); in gemeinsam mit der Gesellschaft Jesu ins kulturelle Veranstaltungen umfasst (S. 7). der Hauptstadt Kairo ein Gymnasium für Leben gerufen und bildet eine enge Part- «Ziel ist es, junge Menschen zu befähigen, 2000 Kinder, gegründet von der ersten nerschaft zwischen Jesuiten und Laien. damit sie das soziale, kulturelle und spiri- Generation Jesuiten; in Minia in Oberägyp- Mittlerweile ist die JBA ein staatlich aner- tuelle Leben in ihrem Dorf, ihrer Stadt
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: ÄGYPTEN mitaufbauen können», sagt Osama Isaac, schaftliche Lage aber hat sich seither ver- starren NGO-Gesetzes zur Kontrolle der Direktor der Vereinigung JBA und Absol- schlechtert. «Produktion und Investitionen Geldflüsse, das die Regierung ermächti- vent der Jesuiten-Mittelschule in Minia. gingen dramatisch zurück, auch der Tou- gen sollte, ihr nicht genehme Gelder ab- Bildung und Kultur sind für den Vater von rismus, zuvor ein zentraler Einkommens- zulehnen.» Nach Einwänden von NGOs zwei Kindern die Säulen einer umfassen- zweig der Region», berichtet Osama Isaac. und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen den Entwicklung. «Das gilt fürs ganze Es gäbe zwar Bemühungen der Regierung, sei das Gesetz zwar modifiziert worden. Land – besonders für eine so vernachläs- Wirtschaftsreformen anzustossen und den Der Schaden aber ist angerichtet. sigte Provinz wie Minia, die 2013 einen Tourismus anzukurbeln, «doch wir leiden Derweil versucht die Vereinigung JBA, schweren Rückschlag erlitt und mit den nach wie vor unter Korruption bis tief in ihre Projekte weiterzuführen und die Ar- Folgen bis heute kämpft.» Amtsstellen hinein. Fast täglich verneh- beit in den Gemeinden zu stärken, die im Es war das Jahr des Sturzes von Präsi- men wir, dass ein hoher Beamter wegen Interesse aller steht. Kein leichtes Unter- dent Mohammed Mursi. 2012 hatten in Diebstahl oder Annahme von Beste- fangen. «Die Provinz mit ihren vielen Dör- Minia 88 Prozent für Mursi gestimmt, und chungsgeldern verhaftet wurde.» fern leidet unter der Kontrolle der Salafis- nirgendwo sonst in Ägypten eskalierten ten» – Anhänger einer ultrakonservativen Rebellion und Gewalt so wie hier. Ziel- Salafisten kontrollieren Dörfer Strömung des Islam. Es sei augenfällig, wie scheibe waren die Christen: Radikale Isla- Die gravierenden ökonomischen Pro-ble- viele Mädchen heute den Niqab trügen misten zündeten am 14. / 15. August 2013 me liessen das ägyptische Pfund an Kauf- (Vollverschleierung) und junge Männer Kirchen, Klöster, Schulen, Waisenhäuser, kraft verlieren. Während die Preise für Le- lange Bärte. «Salafistische Kreise versu- Gemeindezentren, koptische Läden an. bensmittel, Medikamente und Alltagsgüter chen, ihre rückständischen Ansichten, Der aufgebrachte Mob zerstörte auch den gestiegen sind, bleiben die oft eh schon frauenfeindlichen Tendenzen und radika- 06 Campus der Jesuiten und das dreistöckige niedrigen Löhne gleich. Zu leiden haben len Bräuche allen aufzuzwingen – sie wol- JBA-Gebäude mit Klassenräumen, Büros, in erster Linie die Armen und vermehrt der len uns 1400 Jahre zurückkatapultieren.» Saal, Kindergarten, Bibliothek – älteste der Mittelstand – auch was die Gesundheit Isaac, selbst aus in einer christlichen Fami- Stadt mit 10 000 Büchern, darunter eine betrifft: «Viele können sich Medikamente lie, nimmt kein Blatt vor den Mund. «Sie breite Palette an islamischer Literatur. schlicht nicht mehr leisten», so Isaac. schüren Hass, sprechen Christen das Recht Das Gebäude konnte dank Spenden aus Der Mangel an finanziellen Mitteln trifft auf höhere Ämter ab und wollen Bürger- der Schweiz und Deutschland wiederauf- zudem NGOs und Hilfswerke, «inklusive rechte beschneiden.» Er wisse von Kopten, gebaut werden. Etliche Bestände der Bib- uns», sagt der JBA-Direktor. Zahlreiche die Todesdrohungen erhielten für den liothek jedoch sind für immer verloren. Die Organisationen hätten mittlerweile aufge- Plan einer neuen Kirche. Auch höre er im- Wogen mögen verebbt sein. Die wirt- geben. «Dies auch wegen eines neuen mer wieder von christlichen Mädchen, die Wer bin ich, wohin will ich, was hindert mich auf meinem Weg? Junge Frauen und Männer verschiedener Herkunft und Religion Workshop für junge Frauen zur P ersönlichkeitsfindung. suchen nach einer gemeinsamen S prache.
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: ÄGYPTEN SPENDENBITTE FÜR LIBERAL STUDIES IN MINIA Seit über 50 Jahren arbeiten die Jesuiten Seite an Seite mit dem Hilfswerk Jesuit & Brothers Association for Development JBA in Minia, Stadt und Provinz in Oberägypten. Die Region ist ländlich geprägt, die Armut gross, entführt und zum Islam gezwungen wür- der Analphabetismus weit verbreitet. Minia ist immer wieder auch Brenn- den. «Wir befinden wir uns in einer echten punkt von islamischem Extremismus. Gerade junge Menschen haben es Krise», konstatiert Osama Isaac. Den Jun- besonders schwer, ihren Weg in der wirtschaftlich gebeutelten Region und gen fehle es an dialektischem, kritischem, in einer von Gewalt geprägten Gesellschaft zu finden. analytischem Denken, der Gesellschaft an Im Liberal Studies-Programm, mit Spenden aus der Schweiz finanziert, Lehrpersonen, Leitfiguren, Künstlern, Kul- können rund 1000 junge Frauen und Männer vorerst bis Ende 2021 turzentren – «für Salafisten sind kulturelle Aktivitäten gegen die Religion.» In der Workshops, Seminare und Trainingskurse besuchen. Es mangelt in Minia ganzen Provinz gäbe es denn auch nur ein an vielem – auch an Jugendbeauftragten, Sozialarbeiterinnen, Lehrern, einziges Kino, dessen technische Anlage Ausbildnerinnen. Zielgruppe sind Junge im Kulturbereich, im Erzie- erst noch defekt sei. «Wir leiden an kultu- hungswesen, an Universitäten und solchen auf dem Weg dazu. Angespro- rellem Analphabetismus», sagt Isaac. chen sind alle: Muslime und Christen verschiedener Richtungen. Für die zwei Jahre sind 40 960 Franken erforderlich. Herzlichen Dank für Ihre Musicals, Theaterstücke, Tanzanlässe Unterstützung! Umso wichtiger ist der Wiederaufbau des JBA-Zentrums, das 2019 eröffnet wurde. Ein Das Programm der Liberal Studies: Ort, wo Menschen in Not Hilfe finden und Workshops: Psychologie – Verarbeitung von Traumas, Persönlichkeits- junge Frauen und Männer dank Spenden findung, kreatives Denken. Life values – Unicef-Programm zu Werten wie aus der Schweiz auf kultureller und sozialer Respekt, Ehrlichkeit, Verantwortung. Theaterarbeit – Ton, Regie, Schreiben Ebene gefördert werden. Auf den Jungen als Inspiration für Anlässe. Lehrbereich – Kunst des Dialogs, Leadership, ruhen die Hoffnungen von Osama Isaac, 07 Anleitung zu Freiwilligenarbeit, Auf klärung, Drogenprävention. «sie sind unsere Zukunft, die Leitfiguren Seminare: vier pro Jahr zu Themen wie kulturelles Erbe, religiöser Extre- von Morgen». Besonders freut ihn die neu mismus, Gewaltprävention, globale Veränderungen, Staatskunde. erstandene Bibliothek, die auch von Stu- dierenden der Universität frequentiert wer- Festivals und Kulturanlässe: in den Sparten Theater, Film, Tanz, Gesang, de. Und der Saal in neuem Glanz. Stolz zi- um Kunst und Kultur in der Stadt Minia (260 000 Einwohner) zu beleben. tiert Isaac die geplanten Anlässe bis 2021: Trainingskurse: für junge Kader in Organisationen und Gruppierungen – «Ein Musical, eine Tanzaufführung, ein Schulung in Führungsarbeit, Konfliktmanagement, Organisationskultur, Chorkonzert, zwölf Theaterstücke und di- soziales und kulturelles Bewusstsein. Ralph Bohli verse Filmvorführungen.» Pia Seiler / JBA Kulturfestival in Minia in Zusammenarbeit mit der indischen Bildhauer-Kurs für Jugendliche: Ihre Kunstwerke drücken aus, Botschaft: Junge Inderinnen geben eine Yoga-Lektion. was sie bewegt, freut und bekümmert.
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: ÄGYPTEN «Wir bauen die Schule der Imagination» Jesuit Fadi George über das Kulturzentrum in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria Unser Zentrum in Alexandria ist weit dass bald nach dem Start pro Jahr über Was sein wird: Unsere Projekte weiten herum bekannt unter den drei Lettern 1000 Menschen das Zentrum aufsuchten. sich aus, gewinnen an Profil. Deshalb pla- J.C.C. Sie stehen für Jesuit Cultural Center, Der Franzose war ein leidenschaftlicher nen wir einen Umbau, damit unsere Vision 1954 von Jesuiten gegründet mit dem Ziel, Mentor für so viele, ein Pionier der Jugend- einer Schule der menschlichen Imaginati- das menschliche Potenzial im ganzen förderung in Ägypten. Das Zentrum er- on lebendig bleibt. Ein architektonischer Wortsinn zu fördern. Angesichts der Her- blühte mit Kunstausstellungen, mit Festi- Entwurf liegt vor, der Transparenz und ausforderungen der modernen Welt soll- vals zu Folkmusik, Ballett, klassischer Raum schafft, der uns bereit macht für die ten alle jungen Menschen das Recht auf Musik. Legendär sind die Filmnächte der Erfordernisse der Zeit und uns neue Träu- einen sicheren Ort haben. Sie hoffen, stel- 1960er Jahre mit 500 Zuschauern und me ermöglicht. len in Frage, träumen vom glücklichen wegweisend die Zusammenarbeit mit aus- Leben. Woher sie auch kommen und wel- ländischen Konsulaten. Pater De Leusse Was uns lenkt: Inklusion – der Einschluss, cher Religion sie angehören: Wir versu- setzte auf umfassende Bildung mit Kursen die Einbeziehung von allen liegt unseren chen sie zu befähigen, dass sie selber zu zu Gesundheit, Umwelt, Literatur, Weltge- Aktivitäten zugrunde. Wir richten uns an einer besseren Welt beitragen können. schichte. In der Presse erschienen unzäh- junge Menschen und freuen uns über die lige Beiträge und trugen das kulturelle Anwesenheit aller Generationen. Was war: Die Anlage, ein gekonnter Wurf Verständnis für andere in die alexandrini- Cura Personalis – Fürsorge für sich und je- des ägyptischen Architekten Ferdinand J. sche Gesellschaft hinein. den Menschen ist uns wichtig. Wir küm- Debanne, widerspiegelt unsere Mission: mern uns um Geist, Körper, Seele aller Eine klassizistisch gestaltete Gebäudezei- Was ist: Im Herzen Alexandrias gelegen, Mitglieder unserer Familie: Akteure, Mit- le schliesst an einen grossen Platz, am ist das Zentrum zu einer Drehscheibe für arbeiter, Freiwillige, Zuschauer. 08 rechten Ende eine Kirche, am linken ein lokale und internationale Künstlerinnen Gerechtigkeit und Gleichheit – Kunst und Theater. Die Jesuiten wohnen dazwischen, und Künstler geworden. Das Programm Schönheit ist grundlegend fürs Mensch- bauen eine Brücke zwischen Spiritualität verbindet Kunst, soziale Gerechtigkeit und sein, ist Katalysator für Gleichheit. Wir set- und Kunst – wollen wir mit den Jungen Spiritualität, leistet einen Beitrag zu Ver- zen uns ein für gewaltfreie Kommunikati- gehen, müssen wir uns um ihr spirituelles söhnung und Frieden, Persönlichkeitsstär- on und engagieren uns in besonderer und kulturelles Leben kümmern. Auf den kung und Kreativität. Die Räume stehen Weise für Marginalisiert. Fadi George SJ drei Etagen hat es eine Bibliothek und Räu- kostenlos zur Verfügung und sind vielen me für Studium, Rückzug, Vorträge, Kunst- Jungen zu einer Heimat geworden. So Der 43-jährige Jesuit stammt aus Mansoura Aktivitäten. Jesuitenpater De Leusse, der entstehen pro Jahr gegen 120 Aufführun- im Nil-Delta und ist seit 2017 Direktor des Gründer, schreibt in seinen Tagebüchern, gen in verschiedenen Kunstsparten. Kulturzentrums J.C.C. in Alexandria. Oktober 2019, Abschluss des T heaterprojekts Salam / Frieden im Kellertheater der Jesuiten in Alexan- dria. Während e iner Woche hatten sich die Teilneh- merinnen und Teil- nehmer aus Europa und Ägypten mit Musik und Tanz aus Ägypten beschäf- tigt. Der Kultur austausch fand in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk «Tanz Raum» statt.
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: SYRIEN «Wo die Verbindung zwischen Himmel und Erde offen ist»: Friederike Gräf fand nach langem Suchen nach Mar Musa. Die Ordensfrau 09 berichtet über das Kloster und den verschollenen Jesuiten Paolo dall’Oglio. «Mar Musa atmet seinen tiefen Glauben.» An Abrahams Tisch in Mar Musa Kloster Mar Musa in Syrien: Von Paolo dall’Oglio SJ geprägt, für Sr. Friederike (58) Heimat Mar Musa ist mein Zuhause, meine spi- Oben angekommen, erhalten die Gäste Christen, Buddhisten. Die Aussicht ist rituelle Heimat – ein Ort, wo die Verbin- erst einmal frisches Wasser, dann Tee und spektakulär, und es hat sich herumgespro- dung zwischen Himmel und Erde offen ist. Gebäck. Wer mit uns zu Mittag essen will, chen, wie einzigartig Mar Musa auch sonst Die starke Kraft spüren auch Gäste, die ist herzlich eingeladen. Einige bleiben ist. Nicht selten blieb jemand für ein, zwei diesen abgeschiedenen Flecken in den auch über Nacht. Wer kann und will, spen- Monate hängen und half mit. Bergen Syriens besuchen. Hier kann man det eine Kleinigkeit. Der Freitag, im Islam Gott begegnen, in sich, im Nächsten, in der Feiertag, ist unser strengster Arbeits- Einst stand da ein römischer Wachturm, der Wüste. Es gibt sicher mehrere solche tag. Wir sind Gastgeber, sind da, reden, dann eine Kirche. Rundherum gibt es vie- Orte. Mich führte der Ruf nach Mar Musa. hören zu. Viele Muslime besuchen unsere le Höhlen, wo sich christliche Eremiten Kirche mit den wunderschönen Fresken niederliessen. Im Lauf der Zeit entstand Die Begegnung mit dem Islam hat mich aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. Nur die ein syrisch-orthodoxes Kloster. Um 1860 geprägt. Hier erlebe ich das Menschsein Wand, die nach Mekka zeigt, ist ohne Be- ging dieses in die syrisch-katholische Kir- in seiner Tiefe und Vielfalt und vor allem: bilderung – eine Einladung zum Gebet, die che über. Vor die Wahl gestellt, katholisch die Liebe der Anderen zu Gott. Das eint viele Muslime annehmen. Wer übernach- zu werden oder das Kloster zu verlassen, uns, auch wenn die Wege verschieden tet, ist auch eingeladen zur Meditation um zogen die Mönche weiter. Mar Musa ver- sind. Mar Musa war schon immer ein Pil- 19.30 Uhr. Die meisten bleiben sitzen für waiste und verfiel, bis es der Jesuit Paolo gerort für Muslime, ein heiliger Ort. Und die anschliessende Messe, auch Muslime. dall’Oglio 1982 entdeckte. heilige Orte welcher Prägung auch immer werden in Syrien wertgeschätzt. Im Irak Heute steigen an Freitagen und Feierta- Jemand hatte Paolo dall’Oglio in seiner erlebte ich das anders, Muslime besuchen gen immerhin wieder ein paar Dutzend Suche nach Stille auf Mar Musa aufmerk- nicht unbedingt christliche Orte und um- Menschen hoch – vor dem Krieg waren es sam gemacht. Lang zuvor hatte er in Exer- gekehrt. Nach Mar Musa aber strömen die gut und gern zweihundert. Darunter wa- zitien die Botschaft wahrgenommen, dass Menschen. Das ist nicht ohne: Man muss ren stets auch Ausländer – Europäer, Japa- seine Friedensmission ihn zum Islam füh- zu Fuss mehr als 350 Stufen hochsteigen. ner, Koreaner, Amerikaner, Agnostiker, re. Deswegen studierte er Islamistik und
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: SYRIEN lernte arabisch. In Damaskus, Homs und auch die anderen. Ich wurde nach Kurdis- Arabergestüt in Tunesien – mein erster Aleppo arbeitete er in Werken der Jesui- tan, nach Sulaimaniyya im Irak geschickt, Kontakt mit dem Islam: Der Ruf des Muez- ten, bis Mar Musa ihn vollständig einnahm: der dortige Bischof hatte uns eingeladen, zin traf mich mitten ins Herz. Zurück in Aus dem Rückzug wurde ein Ringen und ein Kloster zu gründen. Vier intensive Jah- Deutschland machte ich eine Ausbildung eine Lebensbestimmung. Mit Einverständ- re: Unter unserem Dach fanden zeitweilig als Pantomimin, arbeitete 15 Jahre als nis des Ordens begann er, mit Freiwilligen 250 Flüchtlinge Schutz. Künstlerin und beschäftigte mich tief mit aus Syrien und Europa Mar Musa wieder dem Sufismus. Erst der Islam brachte mich aufzubauen und gründete unsere Ge- Wir sind zu acht im Orden, den die katho- zu meinen christlichen Wurzeln. 2008 kam meinschaft Al Khalil – Beiname von Abra- lische Kirche mittlerweile anerkannt hat. ich nach Mar Musa. Das Kloster rief mich ham, übersetzt engster Freund Gottes. Sr. Houda, unsere Priorin, kommt aus Da- zu sich: Ich hatte den Ort innerlich lange maskus, Sr. Deema aus Homs, Sr. Carol aus vorher gesehen, bis ich ihn endlich fand. Paolo spricht sehr gut arabisch, kennt dem Libanon. P. Jihad und P. Jacques stam- 2010 trat ich in den Orden ein, 2016 legte den Koran in der Tiefe, ist Vermittler, Brü- men aus Syrien, P. Jens ist aus der Schweiz ich die ewigen Gelübde ab. Zurzeit studie- ckenbauer. Er ist verschollen, im Juli 2013 und P. Paolo, unser Gründer, aus Rom. Ich re ich an der Gregoriana in Rom. Ein gros- wurde er in Rakka, damals in der Hand des habe einen langen Weg hinter mir. Aufge- ses Geschenk, die zwei Jahre Studium: Ich IS, verschleppt. Bis wir nicht wissen, was wachsen bin ich im Max Planck-Institut habe einen neuen Zugang zur Bibel ge- mit ihm ist, bleibe ich im Präsens. Mar Seewiesen bei München, von Konrad Lo- funden. Ein Raum öffnete sich. Musa atmet seinen leidenschaftlichen renz mitbegründet. Meine Mutter arbeite- Glauben an Christus, seine Liebe zum Is- te in der Verwaltung. Lorenz, der bekannte Jesus gibt bei Matthäus dieses Bild, dass lam. Er gehört zu den lebendigsten Men- Verhaltensforscher wollte, dass alle, die wir alle irgendwann an Abrahams Tisch 10 schen, die ich kenne. dort arbeiten, auch dort leben. Wir Kinder sitzen werden. In Mar Musa bekomme ich durften zu Vorlesungen und Kolloquien, eine Ahnung davon. Auch in Syrien gibt es Die Kriegsjahre waren sehr schwierig. sofern wir still waren. Später half ich Kon- Gemeinschaften, christliche, muslimische, Mar Musa liegt zwischen Damaskus und rad Lorenz, seine Gänse aufzuziehen, war die vor Andersgläubigen warnen. Mar Homs, in der Region fanden schwere oft draussen, kletterte auf Bäume, sog Wis- Musa hilft, Vorurteile loszulassen. In der Kämpfe statt. Nur wenige Menschen wag- sen auf – ich bin dankbar für diese Jahre. Begegnung merkt man, dass der andere ten sich hinauf zu uns. Stets war jemand nicht so ist wie gedacht, vielleicht sogar da aus unserer Gemeinschaft. Ich selber Nach dem Abitur lernte ich Mechanike- die selben Probleme hat. Die Begegnung musste Mar Musa im zweiten Kriegsjahr rin, studierte neun Semester Ethnologie hilft, den anderen zu verstehen, zu schät- verlassen – als Ausländerin gefährdete ich und Physik. Später arbeitete ich auf einem zen, zu lieben. Aufzeichnung Pia Seiler Sr. Friederike 2017 im Kloster Maryam al Adhra vor dem Muttergottesbild – ein Mosaik des slowenischen Jesuiten und Künstlers Marko Ivan Rupnik. Das Kloster befindet sich in Sulaimaniyya im Irak, wo sie zusam- men mit P. Jens vier Jahre Men- schen auf der Flucht beherbergte.
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: LIBANON Flüchtlinge harren im Libanon aus Die Hälfte der syrischen Flüchtlinge im Libanon lebt laut UNHCR in extremer Armut Der Libanon nahm proportional so bewegung konfrontiert, die eine Verände- von Programmen für Erwachsene, etwa viele syrische Flüchtlinge auf wie rung des politischen und sozialen Status Koch-, Coiffeur- und Kosmetik-Lehrgänge. kein anderes Land: 1,5 Millionen quo fordert. Trotz der Probleme und Un- Die Absolventinnen und Absolventen er- ruhen verharren die allermeisten syrischen halten ein Startpaket, das ihnen hilft, ein leben im kleinen Nachbarstaat. In Flüchtlinge im Libanon. Wo sonst sollen kleines Einkommen zu erzielen. vier Zentren des Flüchtlingsdienstes oder vielmehr können sie hin? Jedes der Zentren bietet auch psycho- der Jesuiten erhalten sie Hilfe zur Inmitten all der Ungewissheit ist der soziale Unterstützung. Die Flüchtlinge Selbsthilfe. Ein Bericht von Jesuit Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS weiterhin leiden unter Verlust und Schmerz, viele Daniel Corrou, Koordinator vor Ort. vor Ort an der Seite der Vertriebenen, wie haben schreckliche Gewalt erlebt. Unsere auch im Irak, in Jordanien und in Syrien Teams versuchen, in Einzel- und Gruppen- M it dem März 2020 hat das zehn- selber. Im Libanon konzentrieren wir uns gesprächen zu helfen, ihre Traumas zu te Kriegsjahr in Syrien begon- auf die Hauptstadt Beirut, auf Baalbek und verarbeiten. nen. Noch immer leben 12 Mil- Bar Elias in der Beekaa-Ebene und die Küs- Rachel leitet die Jugendprogramme des lionen Menschen aus Syrien irgendwo auf tenstadt Byblos. In den vier Orten betrei- Zentrums in Beirut für insgesamt 90 junge der Flucht: 5,5 Millionen fern ihrer Heimat ben wir Bildungs- und Gemeindezentren. Frauen und Männer. «Es ist für Jugendliche und 6,5 Millionen in Syrien selber. Die Willkommen ist, wer Hilfe braucht: Musli- nicht leicht, sich auszudrücken und expli- Flüchtlingszahl ist unverändert hoch. me, Christen, säkular lebende Menschen. zit zu nennen, was sie quält», sagt die So- Die aktuelle Flüchtlingskrise an der zialarbeiterin. «Doch im Schutz unseres türkisch-griechischen Grenze lässt verges- Hilfe auch für Gastgebergesellschaft Zentrums, der viel mehr umfasst als vier sen, dass 1,5 Millionen Syrerinnen und Die Bildungszentren führen Kindergärten Wände, öffnen sie sich Schritt für Schritt. Syrer im Libanon ausharren – über die und bereiten ältere Flüchtlingskinder In diesem Raum des Vertrauens können 11 Hälfte von ihnen in extremer Armut. Ins- nach vielen Jahren ohne regulären Unter- sich die Jugendlichen gegenseitig durch gesamt machen sie 30 Prozent der Bevöl- richt auf die öffentlichen libanesischen ihre Kämpfe begleiten.» Was die Zukunft kerung aus. Das ist die weltweit höchste Schulen vor. Kinder, die bereits einge- ihnen bringen wird? Wir wissen es nicht. Konzentration an Flüchtlingen. Der Liba- schult sind, erhalten Nachhilfe. Unser Klar ist aber: Wir werden so lange mit un- non, flächenmässig ein Viertel der Schweiz, grösstes Bildungszentrum ist jenes in Bei- seren JRS-Programmen weitermachen, bis zählt mittlerweile 7,6 Millionen Menschen. rut: Wir können 450 Kinder betreuen, wo- keine mehr nötig sind. Daniel Corrou SJ Das Land hat zurzeit mit grossen wirt- bei wir immer auch Kinder aus verarmten schaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen Familien der Gastgebergesellschaft auf- Der 47-jährige Amerikaner ist Koordinator und ist mit einer anschwellenden Protest- nehmen. Zudem leiten wir eine Vielzahl bei JRS Naher Osten / Nordafrika. LINK S: Rachel, L eiterin der Jugendprogramme im JRS-Zentrum in Beirut. RECHTS: Syrische Flüchtlingskinder gedenken Frans van der Lugt SJ, 2014 in Homs ermordet. «Er war ein ausser- ordentlicher Mensch – als Friedensstifter und Brückenbauer uns allen ein Vorbild», sagt Autor und Jesuit Daniel Corrou.
SCHWEIZ-INDIEN Saju George SJ (53) in seinem Bildungszentrum in Kalkutta: Nebst Leitungsfunktion, Dozententätigkeit und Yoga-Seminaren sind ihm die Kurse für die Kleinsten ein grosses Anliegen. «Es ist die erste Generation Dalits, die nebst der Grundschule bei uns eine Kulturbildung erhält.» 12 Pater Sajus Tanz gegen die Armut In Kerala auf einem Gutshof aufgewachsen, hilft er heute den Ärmsten in Kalkutta P. Saju, Sie sind sozusagen Dr. Tanz: Sie Kirche beruft sich auf den Apostel Tho- Sie führen das Zentrum seit 15 Jahren. doktorierten in Philosophie zu indi- mas aus dem ersten Jahrhundert. Als Wie vielen halfen Sie auf diese Weise? schem Tanz und sind ausgebildeter Inder ist mir jedoch auch der Hinduismus Hätte ich mich auf die Töchter und Söhne Tänzer. Wie kommt ein Jesuit zum Tanz? tief vertraut, ich bin mit seiner Kultur auf- wohlhabender Familien in der Stadt ver- Saju George SJ: Kunst ist Teil der huma- gewachsen. legt, käme ich auf Hunderte Diplomierte. nistischen Bildung von Jesuiten. Wir lehren Doch ich liess Stadt, Ruhm, Geld hinter mir. Kunst an unseren Schulen und kommuni- Sie tanzen für Gott – und die Ärmsten Hier draussen sind es Dutzende – samt zieren mit Kunst – mit Theater, Musik, Ma- in Kalkutta: Im sumpfigen Landstrich ihren Familien, die wir unterstützen. lerei. Auch Tanz hat Tradition: Im 17. Jahr- südlich der 14-Millionen-Metropole hundert entwickelten Jesuiten Lernformen haben Sie ein Bildungszentrum auf Ihr Zentrum in Kalkutta heisst auf Sans- fürs Ballett und Choreografien. gebaut. Wie hilft Tanz den Ärmsten? krit Kalahrdaya, Herz der Kunst und ist Das Gebiet ist zu 90 Prozent von Dalits, offen für alle. Kommen auch Hindus? Sind Sie der einzige Tänzer im Orden? Kastenlosen, bewohnt. Im Tanz schwingen Sogar Muslime kommen und zur Hälfte Ein Jesuit wirkte lange im Boston College viele Kulturformen mit: Musik, Malerei, Hindus und Christen. Hier gibt es relativ als Tänzer und Choreograf. Heute ist er in Theater, Philosophie, Religion – eine wun- viele Christen – Jesuiten errichteten vor New York, in einer Pfarrei. Es gibt auch ei- derbare Form der Bildung. Tanz stärkt Kör- 200 Jahren eine kleine Mission, weitere nige junge Jesuiten im Bereich Tanz. per, Moral, Glaube, bringt die Menschen Kirchen folgten. Unsere Kurse besuchen mit ihren Gefühlen in Kontakt. Gerade für zur Mehrzahl Mädchen und junge Frauen. Ihre Kunst ist der indische klassische Dalits ist das wichtig, sie haben kaum So können wir die Frauen stärken. Ich un- Tempeltanz – und Ihr Ziel der Lobpreis Chancen, sich auszudrücken und Selbst- terrichte die Jüngsten ab 4 Jahren, die Gottes. Wie geht das zusammen? wert zu entwickeln. Überdies hilft Tanz, ein erste Generation Dalits, die nebst der Auch beim Tempeltanz geht es um den Einkommen zu erzielen. Die Begabten, die Schule bei uns eine Kulturbildung erhält. Lobpreis des Göttlichen. Der Tanz basiert den einjährigen Diplom-Lehrgang absol- Seit kurzem gibt es auch ein Ambulatori- auf Hindu-Riten, tradiert über viele Jahr- vieren, können an Schulen Tanzunterricht um, geführt von zwei Inderinnen vom hunderte. Sie sind heilig in Indien, und geben oder selber eine kleine Tanzschule Orden der Menzinger Schwestern. interessant ist, dass von Anfang an Frau- in ihrer Gemeinde aufbauen. Oder mit ei- en dabei waren. Ich stamme aus einer ner Truppe an familiären oder religiösen Eine neue Ära steht an: Sie eröffnen katholischen Familie aus Kerala – unsere Feiern auftreten. bald ein neues Haus. Wie weit sind Sie?
SCHWEIZ-INDIEN ANLÄSSE MIT SAJU GEORGE SJ Winterthur / Fr 29. Mai 16 Uhr: Auftritt am Afro- Pfingstfestival, Bühne Nähe der Stadtkirche. St. Gallen Kirche Rotmonten / So 31. Mai 10 Uhr: Pfingst-Messe mit Saju & Tanzt ruppe, Orgel Maja Bösch. SRF1 überträgt den Pfingstgottesdienst live. St. Gallen Kathedrale / So 31. Mai 18 Uhr: Pfingstvesper mit Bischof Markus Büchel. Basel, Herbergsgasse 7 / Do 4. Juni ab 17.30 Uhr: Begegnung für Gönner und Freunde von JWW. Zürich, aki Hirschengraben 86 / Fr 5. Juni: Saju & Tanzt ruppe an der langen Nacht der Kirchen. Auszeit mit Yoga und Klang / 27.–30. Sept. Lassalle- Haus: mit Saju George SJ und Musiker Amit Sharma Studienreise nach Indien / 6.–21. November: mit Toni Kurmann SJ. Pater Saju führt u.a. in sein Zent- rum in Kalkutta. Vortreffen 6. / 7. Juni. lassalle-haus.org Pfingsten 2018, Kirche St. Johannes Luzern: Auch in der Pfingst- Weitere Anlässe mit Pater Saju: jesuiten-weltweit.ch messe in St. Gallen tritt Saju mit Jungtalenten aus Kalkutta auf. Unsere Pavillons aus Lehmziegeln halten Ich bin auf einem Gutshof aufgewachsen. Im Mai und Juni tanzen Sie erneut in der 13 der Regenzeit kaum mehr Stand. Am Mein Vater beschäftigte 40 Landarbeiter. Schweiz. Können Sie ein Beispiel geben, 17. Mai nun, ein Sonntag, können wir den Ich half in der Freizeit oft mit, die Arbeiter- wie Sie Ihren Tanz in die katholische vierstöckigen Neubau einweihen – finan- kinder waren meine Freunde. Wir hatten Liturgie einfügen? ziert grossteils mit Schweizer Spenden eine Plantage mit Kautschukbäumen, ern- Gott ist spirituelle Erfahrung, Tanz spiritu- und erbaut von lokalen Arbeitern. Wir star- teten Reis, Gemüse, Früchte. Ich besuchte eller Ausdruck. Meinem Tanz liegt die Bibel ten zudem mit einem Bachelor-Lehrgang. gute Schulen und wurde überall gefördert. zugrunde. Tanze ich etwa das Magnificat, Beginn ist im Herbst, akademischer Part- Daneben realisierte ich schon früh, dass bin ich ganz im Gefühl von Maria, ganz in ner die jesuitische St. Xavier’s University in andere hungerten. Ich wuchs in zwei Wel- ihrem Lobgesang, nachdem sie erfährt, Kalkutta. Bis 2025 wollen wir auch ein ten auf. Meine Eltern gehörten zu den dass sie Mutter wird. Ich drücke aus, wie Masterstudium anbieten und die Kurse für Reichen, waren aber auch sehr grosszü- auch ich, wie wir alle gesegnet sind: Gottes die Kleinen verstärken. Dazu benötigen gig – und gläubig. Das hat mich geprägt. Sohn kommt auf die Welt. wir einen Annexbau. Die finanzielle Last liegt dabei ganz auf unseren Schultern. Was brachte Sie nach Kalkutta? Zum ersten Mal werden TV-Zuschauer Als Jugendlicher sah ich einen Film über live zugeschaltet: Das Schweizer Fern- Wer alles sind «wir»? den belgischen Pater Damian, er kümmer- sehen überträgt Ihre Pfingstmesse in Unser Team besteht aus sechs Lehrperso- te sich auf der Hawaii-Insel Molokai um St. Gallen. Geben Sie uns eine Sehhilfe. nen für Tanz, Musik, Sanskrit, Englisch, Lepra-Kranke, bis er 1889 selber an Lepra Ich visualisiere mit zwei indischen Tänze- Malerei, Yoga. Pater Thottam hilft im Büro, starb. Albert Schweitzer in Lambarene war rinnen und drei Tänzern, wie der Heilige zwei weitere Personen ebenfalls, es gibt mein zweites Vorbild. Ich wollte Arzt wer- Geist in der Welt wirkt. Es geht um Ruach eine Köchin, drei in der Reinigung – insge- den wie er – bis ich einen Dokfilm über im Alten Testament – Wind, Atem des Le- samt sind es zwölf, denen ich Lohn zahle. Mutter Teresa sah. Da war ich 19. Ich ent- bens. Dann, mit der Lesung vom Neuen Das Kursgeld deckt knapp zehn Prozent: schloss mich, Jesuit in Kalkutta zu werden. Testament, ist der Fokus auf dem Heiligen Ich ging dazu über, etwas zu verlangen, Geist und seinem Engel Gabriel, der Maria auch wenn es umgerechnet nur einen Sind Sie Mutter Teresa je begegnet? den Willen Gottes verkündet. Wir tanzen Franken pro Monat ist. Schüler nehmen Ja. Ich arbeitete während den ordensübli- Jesus’ Taufe am Jordan, die Kraft des Hei- die Kurse ernster, Eltern ebenfalls. 90 Pro- chen Studien drei Jahre als Freiwilliger in ligen Geistes, die Elemente Wasser und zent der Aufwendungen stammen aus ihren Werken, auch auf der Lepra-Station. Feuer, die Friedensbotschaft der Taube. Es Spenden der Schweiz, Deutschland und Arzt aber wurde ich nicht. Meine Superio- wird ein Fest des Geistes mit farbigen tra- Österreich sowie von Gönnern in Indien. ren ermutigten mich, mit Tanz praktisch ditionellen Kostümen, Musik aus Indien, und auch auf philosophischer Ebene wei- Orgelklängen von Maja Bösch. Mit Ele- Kalkutta spielt eine grosse Rolle in Ih- terzufahren und dieses Talent für die Ar- menten für alle Sinne und meditativen rem Leben, hier traten Sie mit 19 Jahren men einzusetzen. Sie erlaubten mir zu- Momenten für den Blick nach innen, der in den Orden ein. Wie kam es dazu? dem, im Gottesdienst zu tanzen. uns so oft fehlt. Interview Pia Seiler
SCHWEIZER JESUITEN Neues Dach für das bewährte aki Akademikerhaus aki Zürich: energetische Gesamtsanierung wird nötig Austausch unter Studierenden, und motiviert junge Menschen, Verant- die Fassade und das Dach sind in die Jah- Reflexion, Auseinandersetzung mit wortung zu übernehmen. re gekommen. Alle Renovationsarbeiten drängenden Fragen zu Gesellschaft Zunächst waren es Studenten aus tradi- sollen ökologisch bedacht geschehen und tionell katholischen Gegenden, welche im die energetischen Erneuerungen im Ein- und Religion: Dafür steht das aki. aki ein und aus gingen. Heute sind es Frau- klang mit den Nachhaltigkeitszielen der Das Haus am Hirschengraben Zürich en und Männer aus der ganzen Welt. Bei Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Ziel muss saniert werden, damit auch den Studentinnen und Studenten finden ist, dass auch kommende Generationen künftige Generationen hier ein und die Anlässe guten Zuspruch: die wöchent- im aki Raum finden, um Erlerntes und Er- aus gehen können. lichen Gottesdienste im Haus, die liturgi- lebtes zu Erfahrung zu verdichten. schen Veranstaltungen in der Osterzeit, Die Jesuiten und die aki-Leitung tragen W er in Zürich vom Central aus die Fastenwoche, die rorate-Feiern im Ad- alles dazu bei, dass Studentinnen und Stu- Richtung ETH oder Universität vent, die Waldweihnacht im Dezember. denten in Zürich weiterhin ihren Glauben läuft, wer den Sitz der Jesuiten, Dazu kommen übers Jahr hindurch rund vertiefen, sich mit drängenden gesellschaft- ihr Hilfswerk, ihre Bibliothek besucht oder 30 weitere eigene Veranstaltungen. Im De- lichen Fragen auseinandersetzen und weiter vorne den Hauptsitz der Katholi- zember sandte eine Lichtinstallation Ad- menschlich bereichert werden können. schen Kirche im Kanton Zürich, kommt ventsbotschaften zu den Passagieren der Franz-Xaver Hiestand SJ, Leiter des aki zuerst am aki vorbei. Das Haus am Hir- nahen Polybahn. Zurzeit proben ein Stu- schengraben 86 ist für viele Passanten das dentenorchester und eine Theatergruppe. erste Gesicht der katholischen Kirche in Bei der Nachhaltigkeitswoche der fünf Die Gesamtkosten der aki- dieser Gegend. Es beeinflusst das Bild, das grossen Zürcher Hochschulen tritt das aki 14 Sanierung belaufen sich auf sich Menschen von der Kirche machen. als Partner auf, ebenso bei der studenti- 5,5 Mio Franken. Um jede Spende aki ist die Kurzform von Akademiker- schen Filmstelle. Einmal pro Woche führen haus. Das Haus beherbergt die katholische Studenten ein Mittagessen zur Verminde- sind wir sehr dankbar. Vermerk Hochschulgemeinde – seit Jahrzehnten rung von food waste durch. Daran nehmen «Renovation aki», Augustinus- ein Brennpunkt katholischer und manch- zwischen 45 und 90 junge Leute teil. Und verein Zürich, Kath. Hochschul mal sogar gesamtgesellschaftlicher Ent- pro Jahr mieten über 100 Non-Profit- gemeinde aki, Hirschengraben wicklungen. Erbaut wurde es 1934 gemäss Gruppen das Haus. 86, 8001 Zürich (Adresse auch für den architektonischen Ansätzen des «Neu- Nun muss das aki 2021 bei laufendem weitere Infos). PostFinance Konto en Bauens». Von Jesuiten geleitet, hält es Betrieb umfassend saniert werden. Böden, IBAN: CH91 0900 0000 8000 4151 0 Fragen nach Religion und Glauben wach Fenster, elektrische Leitungen, Heizungen, LINK S: Das hellrote Haus des aki, Treff- punkt für Studie- rende, einen Stein- wurf von P olybahn und ETH entfernt. RECHTS:Garten des aki im Sommer.
SCHWEIZER JESUITEN Die Blog-schreibenden Jesuiten: 1. Reihe v. l. Christoph Albrecht, Beat Altenbach, Bruno Brantschen, Valerio Ciriello, Martin Föhn, Franz-Xaver Hiestand. 2. Reihe: Tobias Karcher, Toni Kurmann, Pascal Meyer, Christian Rutishauser, Andreas Schalbetter, Mathias Werfeli. Unterwegs mit Jesuiten und Ignatius Seit September kommunizieren Jesuiten der Deutschschweiz auch mit einen Blog I gnatius von Loyola, Gründer des Jesu- Feder, korrespondierte mit Glaubensbrü- von der Deutschschweiz aus auch mit dem itenordens, Meister der Exerzitien: dern und wachen Zeitgenossen, begleite- Blog Unterwegs mit Schweizer Jesuiten. Der 15 Dafür ist der Baske mit den Lebensda- te und leitete. Leitgedanke stammt – vom heiligen Igna- ten 1491 bis 1556 bekannt. Sein Weg nach Käme er in unsere Zeit, hätte er «Rat- tius: «Gott in allen Dingen suchen und innen, sein Hauptwerk Exercitia spiritualia, schläge, Anregungen, Mahnungen» zur finden.» Geistliche Übungen gibt Menschen weit ultra-digitalen Welt? Schaller fragt und Es würde ihn umhauen, könnte er den über religiös-christliche Kreise hinaus Halt. fährt fort: «Vorerst dürfen wir annehmen, heutigen Jesuiten über die Schulter schau- Dass er auch ein Meister im Weg nach dass er sich mit grossem Respekt, mit en, wie sie in Windeseile korrigieren, Passa- aussen war – ein Meister der Kommunika- Hochachtung und Liebe» nähern würde. gen verschieben, vielleicht sogar das Ende tion, ruft uns etwa der Schweizer Jesuit Ignatius legte grossen Wert darauf, die an den Anfang rücken. Am Feilen aber – Hans Schaller SJ in Erinnerung. Er verfass- Sache auf den Punkt zu bringen und sorg- Gedanken Ordnen, sie auf den Punkt brin- te im Echter Verlag die Schrift «Aus Rom – fältig zu formulieren. Gingen seine Briefe gen, plausibel, unterhaltsam, auch mal euer Ignatius!» Ein lesenswertes, kurz und an ein breites Publikum oder an hochge- humorvoll rüberbringen – hat sich nichts bündig gehaltenes Buch voller Trouvaillen. stellte Persönlichkeiten, habe er sich oft verändert. Pia Seiler Ignatius hat tausende Briefe geschrieben richtiggehend abgemüht. 500 Jahre später und diktiert – sich der «Grösse und Elend schreiben seine Mitbrüder immer noch Unterwegs mit Schweizer Jesuiten: solcher Korrespondenz» durchaus be- Briefe. Doch ihre Kommunikation erfolgt Blog auf jesuiten.ch oder direkt mit dem wusst. Und doch griff er immer wieder zur grossteils elektronisch – seit September Zusatz /blog NACHRUF EDDY INEICHEN SJ (1931–2019): SEINE FREUNDLICHKEIT GALT ALLEN Bruder Eduard dem Ordenseintritt erworbene KV- Br. Eddy war stadtbekannt und fand Ineichen aus Ausbildung einsetzen. Bruder Eddy überall offene Türen, insbesondere als Sempach LU war gleichsam die «Stella Pforte» in Samichlaus im Dezember. Er predig- trat 1955 in die personam – Auskunftsperson für alles te auch als Aushilfe in Vorarlberger Gesellschaft Jesu und jedes. Er besorgte Schalter, Telefon Pfarreien. Von 2003 bis 2014 diente er ein. Seine grosse und den Schriftverkehr mit Behörden, im Lassalle-Haus Bad Schönbrunn ZG Zeit waren die Versicherungen, Banken – eine riesige als Minister der Jesuitenkommunität. 40 Jahre im Jesuiten-Kolleg Stella Arbeit in einem Internat mit 300 Schü- Seine letzten Jahre verbrachte er bei Matutina in Feldkirch. Hier entfaltete lern, 20 Professoren und 40 Angestell- geschwächter Gesundheit im «Bor- er seine Talente und konnte die vor ten. Seine Freundlichkeit galt allen. romäum» in Basel. Josef Bruhin SJ
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