Eine Chance für die Vorbilder von Morgen - Stiftung Jesuiten ...

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Eine Chance für die Vorbilder von Morgen - Stiftung Jesuiten ...
OSTERN 2020

5 M I N I A / ÄG Y P T E N
Eine Chance für die
Vorbilder von Morgen

                 3 V E R W U R Z E LT   9 SYRIEN            12 PAT E R S A J U
                 Christen in Nahost:    Die Zukunft des     Der tanzende Jesuit und
                 ­Bleiben oder Gehen?   Klosters Mar Musa   sein bewegtes Leben
Eine Chance für die Vorbilder von Morgen - Stiftung Jesuiten ...
J E S U I T E N W E LT W E I T A K T U E L L

                                                                                                         NEUE PROVINZ CHENNAI:
     Kep gehört zur Familie der Gefangenen                                                               FOKUS AUF DIE DALITS
                                                      auf die Hoffnungslosesten, Bedürftigsten,          Erste Vorstösse für eine eigene Jesuiten-
                                                      Traurigsten. «Vor kurzem ist ein Mann aus          provinz gab es vor 29 Jahren. Was lange
                                                      Singapur nach 15 Jahren in Haft gestor-            währt, wird endlich gut: Seit Dezember
                                                      ben», berichtet sie. «Wir haben in all diesen      2019 gibt es im südindischen Bundesstaat
                                                      Jahren ab und zu geweint miteinander. Am           Tamil Nadu die Provinz Chennai – ent-
                                                      Ende blieb ich mit meinen Tränen allein.»          standen aus der gleichnamigen Mission
                                                         Thailand ist bekannt für strenge Urteile.
                                                                                                         der Mutterprovinz Madurai. Die neue
                                                      Viele sitzen 10, 20 Jahre ein, einige lebens-
                                                                                                         Provinz unterstützt unter anderem die
                                                      länglich. Ihre Delikte: Drogenschmuggel,
                                                      Schwarzarbeit, Ausweis-Verfehlungen,               Dalits, die Kastenlosen. Im Hinterland

     W
                   er in den Gefängnissen Thai-       Kleinkriminalität, «manchmal sind es meh-          von Chennai sind gegen 60 Prozent
                   lands arbeitet, die hoffnungs-     rere Delikte, manchmal auch Mord, Men-             Dalit – mit ein Grund für eine eigenstän-
                   los überfüllten Anstalten be-      schenhandel, bewaffneter Raub.» Macht ihr          dige Provinz. Diese zählt 173 Jesuiten,
     sucht, den rauen Alltag mitbekommt,              das nie Angst? «Doch, schon», sagt Kep,            darunter 57 Scholastiker. Entsprechend
     muss hart im Nehmen sein. Nicht so Vilai-        Sozialarbeiterin und zuvor 20 Jahre beim           gross ist die Dynamik, weiterzuführen,
     wan Phokthavi – oder Kep, wie sie alle           Flüchtlingsdienst der Jesuiten. «Aber die          was die Jesuiten unter P. Jeba und seinen
     nennen dürfen: Die zierliche Mitfünfzige-        Angst verfliegt nach ein paar Wochen. Wir
                                                                                                         Vorgängern aufgebaut haben. P. Jeba –
     rin ist auf Dienstreise in Zürich und spricht    werden rasch Freunde, wir sind Familie für
                                                                                                         Jebamalai Irudayaraj SJ (57), notabe-
     mit sanfter Stimme, lächelnd, zugewandt.         unsere Schützlinge.»
        Seit 2009 leitet sie die Gefangenen-Seel-        Freunde, Familie, die Worte fallen im-          ne Doktor der Kriminalistik – ist nun
02   sorge der Jesuiten in Thailand, die Schwei-      mer wieder. In ihrer eigenen sind zwei             der erste Provinzial von Chennai. Die
     zer Spenderinnen und Spender seit vielen         Brüder Jesuiten, sie selbst ist geübt in ig-       Jesuiten der neuen Provinz leiten sieben
     Jahren unterstützen. Ihr Team, vier Frauen       natianischer Spiritualität. «Wir besuchen          Pfarreien, Sozialzentren in Dörfern sowie
     und zwei Jesuiten, betreut Inhaftierte in        die Gefangenen über Jahre, schreiben den           zehn Primarschulen, acht Colleges und
     neun Gefängnissen, um die sich sonst nie-        Verwandten, haben Einblick in die Fami-            Berufsschulen für 35 000 junge Men-
     mand kümmert. Sie sind aus Laos, Nepal,          lienverhältnisse. Oft herrscht grosse Not          schen. Nächstes ambitioniertes Ziel: Bis
     Myanmar, Pakistan, Syrien und haben nie-         und Armut», sagt Kep. «Da wird man ganz            Ende 2022 soll der Strom aller jesuiti-
     manden vor Ort. «Zählen wir alle Ausländer       natürlich zur Familie.»            Pia Seiler
                                                                                                         schen Werke zu 20 Prozent aus Solar-
     und Ausländerinnen der neun Gefängnisse,
                                                                                                         quellen statt aus Kohlekraft stammen. sei
     kommen wir auf gut 1000 Menschen aus             Im Bild von links: Theresa Rorik (Changrai-
     40 Nationen». Kep konzentriert sich dabei        Projekt) Kep, P. Pitoyo SJ (Superior Thailand).

     Editorial
                         Liebe Freundinnen            tete sich von hier aus in alle Welt. Doch in      Dialog mit dem Islam verpflichtet weiss.
                         und Freunde unserer          den Verwerfungen unserer Tage geraten             Und im Libanon geht es um die Stützung
                         Missionare und               Christinnen und Christen immer mehr zwi-          von syrischen Kindern, die sonst in der
                         unserer Partner              schen die Fronten. Viele stellen sich die         Schule nicht bestehen könnten. Auch ste-
                         weltweit!                    bange Frage: Bleiben oder Gehen?                  hen Jugendliche im Zentrum, die mit
                         Die Zuversicht der jun-        Seit Jahrhunderten in der Minderheit,           Trauma-Arbeit ihren Schmerz verarbeiten.
                         gen Ägypterin auf dem        engagieren sich verschiedene christliche            Gemeinsamer Nenner all dieser Initiati-
                         Titelbild ist für mich ein   Kirchen für den Frieden, bauen Brücken            ven ist die unerschütterliche Hoffnung. Ich
                         Sinnbild: Sie steht für      zwischen Religionen, bringen Ethnien zu-          mache immer wieder die Erfahrung, dass
                         die kommende Genera-         sammen. Bildung spielt dabei eine zent-           besonders die Jugend von der Hoffnung
     tion im Nahen Osten, die Perspektiven            rale Rolle. So fördern die Jesuiten in Ägyp-      beseelt ist, einen Beitrag leisten zu können
     braucht fürs eigene Leben und die Gesell-        ten junge Frauen und Männer mit dem               für eine friedlichere Welt. Das ist auch der
     schaft mitgestalten will – über alle Hinder-     Ziel, Vorbilder von Morgen aufzubauen; in         Kern der Osterbotschaft: Leben aus dem
     nisse, über alle Grenzen hinweg.                 Minia liegt der Akzent dabei auf soziale, in      Vertrauen, dass destruktive Kräfte nicht
        Im Fokus dieser Ausgabe sind die Chris-       Alexandria auf kulturelle Bildung.                das letzte Wort haben.
     ten dieser Region. Das Christentum hat im          In Syrien ist es die inspirierende Gemein-      Ihnen ein frohes Osterfest
     Nahen Osten seine Wurzeln und verbrei-           schaft des Klosters Mar Musa, die sich dem                             Pater Toni Kurmann SJ
Eine Chance für die Vorbilder von Morgen - Stiftung Jesuiten ...
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN

Viele fragen sich: Bleiben oder Gehen?
Vertriebene, Gebliebene, Brückenbauer: Christen im Nahen Osten

                                                                                              sterben. Neben anderen Minderheiten
                                                                                              sind besonders die Christen betroffen.
                                                                                                   Wer das kulturelle Artensterben begrei-
                                                                                              fen möchte, muss in historisch langen
                                                                                              ­Linien denken – oder zum Beispiel mit
                                                                                               ­assyrischen Christen sprechen. Deren Vor-
                                                                                                fahren hatten ihre Heimat bereits vor
                                                                                                4000 Jahren im fruchtbaren Einzugsgebiet
                                                                                                von Euphrat und Tigris. Beim Genozid
                                                                                                1915 haben die Jungtürken, vor dem ers-
                                                                                                ten Weltkrieg an die Macht gekommen,
                                                                                                sie beinahe ausgerottet. Die Überleben-
                                                                                                den retteten sich unter anderem in den
                                                                                                Irak, wo es 1933 zu einem weiteren Mas-
                                                                                                saker kam. Wer dies überlebte, floh ins
                                                                                                Khabour-Tal nach Syrien, das 2015 wiede-
                                                                                                rum der Islamische Staat überfiel. Viele
                                                                                                flohen weiter in den Libanon und stellten
                                                                                                von dort aus Einwanderungsanträge nach
                                                                                                Amerika, Europa oder Australien. Die
                                                                                                ­meisten Assyrer haben den Nahen Osten       03
                                                                                                 bereits verlassen.

                                                                                              Vertreibung und Genozid
                                                                                              Auch Lizas Geschichte ist ein Beispiel da-
                                                                                              für, dass Christen im Nahen Osten die Hoff-
                                                                                              nung auf eine Zukunft verlieren. Ihren
                                                                                              vollen Namen will sie zu ihrem Schutz
16 Stationen von Künstler Farid Georges zum Leben von Frans van der Lugt: Der Jesuit          nicht angeben. Die junge Frau ist armeni-
aus Den Haag wirkte 50 Jahre als Brückenbauer in Syrien, harrte im Krieg aus, bot             sche Christin, ist im syrischen Aleppo ge-
­v ielen Schutz. Ein Islamist erschoss ihn am 7. April 2014 an der Jesuiten-Pforte in Homs.   boren und aufgewachsen. Die Familie
                                                                                              hatte ihr Auskommen. Heute leben Liza
                                                                                              und ihre Angehörigen als Flüchtlinge in
                                                                                              sehr einfachen Verhältnissen in Beirut und
Kaum eine Weltregion ist so reich an           sen, Aleviten, Alawiten, Juden, Jesiden,       warten auf Visa in ein westliches Land.
Kulturen und Religionen wie der                Mandäer, Schabak, Zoroastrier und Chris-       «Meine Vorfahren stammen aus der Tür-
Nahe Osten. «Im 21. Jahrhundert ist            ten. Wobei letztere wiederum in zahlreiche     kei», erzählt Liza. «Sie waren Tuchhändler.
                                               Konfessionen aufgeteilt sind. Alle vier        1915, im Genozid der Jungtürken, floh
diese Vielfalt bedrohter denn je»,             Kirchentraditionen – die altorientalische,     mein Urgrossvater nach Aleppo.»
schreibt Religionswissenschafterin             byzantinisch-orthodoxe, katholische und          Viele Überlebende des Genozids siedel-
und Politologin Katja Buck. Besonders          protestantische – sind hier in verschiede-     ten sich damals in der nordsyrischen Me-
betroffen sind die Christen, doch von          nen Ausformungen vertreten. Das gibt es        tropole an. Gemeinden bildeten sich, und
ihnen geht auch viel Hoffnung aus.             nirgends sonst auf der Welt.                   die Armenier machten dankbar die Erfah-
                                                                                              rung, dass die muslimischen Nachbarn sie
Eine Einführung von Katja Buck zu              Kulturelles Artensterben                       ganz selbstverständlich akzeptierten. 2012
unserer Themen­strecke Christen im             Diese Vielfalt ist im 21. Jahrhundert be-      aber kam der Krieg nach Aleppo. Auch das
Nahen Osten.                                   drohter denn je. Die Globalisierung fördert    Haus der Familie wurde zerstört. «Wir sind
                                               die weltweite Gleichmacherei. Gleichzeitig     zu meiner Grossmutter nach Kessab geflo-

D
         er Nahe Osten trägt ein reiches       sind im Nahen Osten – und nicht nur da –       hen», berichtet Liza.
         Erbe. Sumerer, Babylonier, Assyrer,   Ideologien auf dem Vormarsch, deren Ziel         Kessab ist ein armenisches Städtchen in
         Perser, Phönizier, Ägypter, Grie-     es ist, aus heterogenen Gesellschaften         Syriens Nordwesten, unweit des Mittel-
chen, Römer haben ihre Spuren hinterlas-       homogene zu machen. Das führt immer            meers an der Grenze zur Türkei. Doch auch
sen. Die Region zwischen Nil und Euphrat       wieder zu Krisen und Kriegen. Und über         dorthin kam der Krieg. Im Februar 2014
teilen sich heute Sunniten, Schiiten, Dru-     kurz oder lang zu einem kulturellen Arten-     vertrieben Dschihadisten sämtliche
Eine Chance für die Vorbilder von Morgen - Stiftung Jesuiten ...
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN

                                                                                TÜRKEI

                                                                                                                                AL
                                                                                         MUSA

                                                                                                                           K H A B O U R -T
                                                                                         DAGH          Aleppo      Rakka
                                                                                  Kessab
                                                                                                                                                                  Sulaimaniyya
                                                                                                            SYRI E N

                                                                                                                                                                  TIG
                                                                                                     Homs
     6000 Einwohner. Lizas Familie floh über            MITTELME E R                       Balbeek

                                                                                                                                                                    RIS
                                                                                Byblos              Mar Musa
     Umwege in den Libanon. «Meine Gross-                                       Beirut
                                                                                                                                               EU
                                                                                             Bar Elias                                              PH
     mutter und weitere alte Leute wollten nicht                            LIBANON             Damaskus                                                 RA
                                                                                                                                                              T
     mitgehen. Sie wollten lieber in Kessab ster-
     ben.» Die Dschihadisten hätten sie in einen                                                                                              I R AK
                                                                            ISRAEL   PALÄSTINA
     Bus gesetzt und seien mit ihnen über die
     Grenze ins einstige Siedlungsgebiet der
     Armenier, ins Berggebiet des Musa Dagh                    Alexandria
                                                                                      JORDANIEN
     gefahren. «In einem Dorf haben sie die al-
                                                               Kairo
     ten Leute einfach auf dem Marktplatz aus-
     gesetzt», sagt Liza. Die Familie holte die                    L

     Grossmutter nach Beirut, wo sie kurz darauf
                                                                  NI

     starb. Das ist sechs Jahre her. Liza und ihre     Minia
     Angehörigen warten noch immer auf ihre
     Visa. Bleiben oder gehen? Diese Frage hat                 ÄGYPTEN
     die Familie wie zahlreiche Christen der Re-
     gion längst geklärt.

     Libanon: Ein Dritttel sind Christen             viele Jahre in Syrien für Frieden zwischen
     Nicht allen geht es so. Im Libanon machen       den Religionen eingesetzt hat und im Au-
04   die Christen noch immer ein Drittel der         gust 2013 entführt wurde (S. 9–10). Von
     Gesellschaft aus; sie haben einen nicht zu      ihm fehlt seither jede Spur – wie auch von
     unterschätzenden Einfluss auf Politik und       Mor Gregorios Youhanna Ibrahim, syrisch-
     Wirtschaft. Auch in Ägypten hält sich die       orthodoxer Erzbischof von Aleppo, und
     Gemeinschaft der Kopten und weiterer            von Boulos Yazigi, griechisch-orthodoxer
     christlicher Kirchen seit Jahrzehnten bei       Erzbischof von Aleppo. Beide wurden im
                                                                                                            Katja Buck (49) ist Religions-
     zehn bis 15 Prozent.                            April 2013 entführt.
                                                                                                            wissenschafterin, Politologin,
        In Palästina, Syrien, Jordanien und im         Solch ausgleichende Kräfte werden über
     Irak sieht es allerdings anders aus. Bis in     kurz oder lang fehlen.                                 Publizistin. Ihr Schwerpunkt: die
     die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts stell-                                                           Christen im Nahen Osten und der
     ten die Christen in Syrien noch knapp           Projekte von Christen und Muslimen                     Dialog mit dem Islam. Sie lebt
     30 Prozent der Bevölkerung. Heute sind es       Was aber braucht es, damit nicht noch                  in Tübingen und reist seit ihrem
     gerade noch acht Prozent. Und in Palästi-       mehr Christen der Heimatregion ihres                   Studium in Kairo immer wieder zu
     na, im Irak und in Jordanien sind es nur        Glaubens den Rücken kehren? Am wich-                   Recherchen in den Nahen Osten.
     noch zwei Prozent.                              tigsten ist das Vertrauen in eine sichere
        Das starke Schrumpfen der christlichen       Zukunft. Das lässt sich am besten in Initi-
     Gemeinschaften hat verschiedene Grün-           ativen aufbauen, in denen Christen und
     de. Sicherlich spielt der erstarkende Isla-     Muslime zusammenarbeiten und wo Men-
     mismus – des fundamentalistischen, poli-        schen Hilfe finden, unabhängig von ihrer
     tischen Islam – eine Rolle. Doch auch           Religionszugehörigkeit. So etwa in den
     wirtschaftliche Überlegungen stehen oft         jesuitischen Werken in Minia und Alexan-
     am Anfang der Emigration. Wer sich mit          dria in Ägypten (S. 5–8), im Kloster Mar
     seiner Ausbildung im Westen bessere             Musa in Syrien (S. 9–10), in den vier Zent-            Farid Georges (73) ist Kunstmaler.
     Chancen für sich und seine Kinder erhofft,      ren des Flüchtlingsdienstes der Jesuiten               Er stammt aus dem heute weitge-
     versucht zu gehen. Und schliesslich gibt        im Libanon (S. 11).                                    hend zerstörten syrischen Homs,
     es noch den demografischen Faktor.                 Für die Kirchen im Nahen Osten war dies             ist Christ und war enger Wegbe-
     Christliche Familien haben in der Regel         immer selbstverständlich. Sie wissen, dass
                                                                                                            gleiter von Frans van der Lugt SJ.
     weniger Kinder als muslimische.                 die Zukunft des Christentums im Nahen
                                                                                                            Anders als Pater Frans entschied
        Das kulturelle Artensterben verändert        Osten nicht allein vom Mut der Verblei-
     das Gesicht des Nahen Ostens grundle-           benden abhängt. Sondern viel mehr von                  er sich zur Flucht und hofft, «dass
     gend. Denn oft genug haben Christinnen          ihren Nachbarn: der muslimischen Mehr-                 irgendwann die friedliche Koexis-
     und Christen die Rolle der Vermittler ge-       heit, die sich des Wertes der Christen für             tenz, die wir in Syrien so lange
     spielt: der italienische Jesuit und Islamwis-   die Gesellschaft bewusst ist.                          lebten, wieder möglich ist.»
     senschafter Paolo dall’Oglio etwa, der sich                            Katja Dorothea Buck
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CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: ÄGYPTEN

Sie zeigt, wo es langgehen könnte im oberägyptischen Minia: Christliche und muslimische Jugendliche vom Land diskutieren in einem           05
Workshop, wie sie einander besser respektieren und akzeptieren können.

Gegenentwurf zu Intoleranz und Gewalt
Jesuit & Brothers Association for Development: Kulturoffensive für junge Menschen

Die Provinz Minia gilt als Armenhaus         ten Kindergärten, Grundschule und High          kanntes Hilfswerk, das die Arbeit der 33 Je-
Ägyptens und ist immer wieder                School, Werkstätten für Menschen mit            suiten in Ägypten unterstützt. Geschätzte
Brennpunkt gewalttätiger Angriffe            Beeinträchtigungen und weitere Sozial-          zehn bis 15 Prozent der gegen 100 Millio-
                                             projekte.                                       nen Menschen in Ägypten sind christli-
gegen Christen. Den Menschen fehlt              Minia – Provinz und Stadt mit 5,9 Mio        chen Glaubens, zur Mehrheit gehören sie
es an vielem, auch an Kultur im              Einwohnerinnen und Einwohnern – gilt als        der koptischen Kirche an.
weitesten Sinne. Das jesuitische             Armenhaus des Landes. Die Provinz ist             Die Projekte der Jesuiten stehen Armen
Bildungsprojekt Liberal Studies              dreiviertel so gross wie die Schweiz, die       und Marginalisierten unabhängig von
verschafft jungen Menschen Pers-             Analphabetenrate liegt über 40 Prozent,         Herkunft und Religion offen.
                                             die Arbeitslosenquote gegen 30 Prozent.
pektiven – ein hoffungs­voller Gegen-        Zahlreiche Familien leben knapp am, vie-        Kulturelle Vielfalt mit Liberal Studies
entwurf zu Intoleranz und Gewalt.            le unter dem Existenzminimum, gross ist         In Minia legt die Vereinigung JBA den Fo-
                                             zudem die Zahl der Schulabbrecher – die         kus auf die Stärkung von Frauen, die Be-

V
          or 140 Jahren trafen die ersten    Betroffenen erscheinen in keiner Statistik.     gleitung von Menschen mit Beeinträchti-
          Jesuitenpater in Ägypten ein.         In dieser ländlich geprägten Provinz ar-     gungen und auf die Jugend: Junge Frauen
          Seither hat der Orden im Land am   beiten die Jesuiten mit der Jesuit & Brothers   und Männer erhalten die Möglichkeit, im
Nil zahlreiche Schulen und Werke gegrün-     Association for Development zusammen.           Liberal Studies-Programm mitzumachen.
det, namentlich seien erwähnt: In der Ha-    Die Vereinigung, abgekürzt JBA, wurde           Unsere Stiftung JWW unterstützt das Pro-
fenstadt Alexandria gibt es heute ein weit   1966 von ehemaligen Jesuitenschülern            gramm, das Kurse und Seminare sowie
herum bekanntes Kulturzentrum (S. 8); in     gemeinsam mit der Gesellschaft Jesu ins         kulturelle Veranstaltungen umfasst (S. 7).
der Hauptstadt Kairo ein Gymnasium für       Leben gerufen und bildet eine enge Part-        «Ziel ist es, junge Menschen zu befähigen,
2000 Kinder, gegründet von der ersten        nerschaft zwischen Jesuiten und Laien.          damit sie das soziale, kulturelle und spiri-
Generation Jesuiten; in Minia in Oberägyp-   Mittlerweile ist die JBA ein staatlich aner-    tuelle Leben in ihrem Dorf, ihrer Stadt
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CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: ÄGYPTEN

     mitaufbauen können», sagt Osama Isaac,         schaftliche Lage aber hat sich seither ver-    starren NGO-Gesetzes zur Kontrolle der
     Direktor der Vereinigung JBA und Absol-        schlechtert. «Produktion und Investitionen     Geldflüsse, das die Regierung ermächti-
     vent der Jesuiten-Mittelschule in Minia.       gingen dramatisch zurück, auch der Tou-        gen sollte, ihr nicht genehme Gelder ab-
     Bildung und Kultur sind für den Vater von      rismus, zuvor ein zentraler Einkommens-        zulehnen.» Nach Einwänden von NGOs
     zwei Kindern die Säulen einer umfassen-        zweig der Region», berichtet Osama Isaac.      und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen
     den Entwicklung. «Das gilt fürs ganze          Es gäbe zwar Bemühungen der Regierung,         sei das Gesetz zwar modifiziert worden.
     Land – besonders für eine so vernachläs-       Wirtschaftsreformen anzustossen und den        Der Schaden aber ist angerichtet.
     sigte Provinz wie Minia, die 2013 einen        Tourismus anzukurbeln, «doch wir leiden           Derweil versucht die Vereinigung JBA,
     schweren Rückschlag erlitt und mit den         nach wie vor unter Korruption bis tief in      ihre Projekte weiterzuführen und die Ar-
     Folgen bis heute kämpft.»                      Amtsstellen hinein. Fast täglich verneh-       beit in den Gemeinden zu stärken, die im
        Es war das Jahr des Sturzes von Präsi-      men wir, dass ein hoher Beamter wegen          Interesse aller steht. Kein leichtes Unter-
     dent Mohammed Mursi. 2012 hatten in            Diebstahl oder Annahme von Beste-              fangen. «Die Provinz mit ihren vielen Dör-
     Minia 88 Prozent für Mursi gestimmt, und       chungsgeldern verhaftet wurde.»                fern leidet unter der Kontrolle der Salafis-
     nirgendwo sonst in Ägypten eskalierten                                                        ten» – Anhänger einer ultrakonservativen
     Rebellion und Gewalt so wie hier. Ziel-        Salafisten kontrollieren Dörfer                Strömung des Islam. Es sei augenfällig, wie
     scheibe waren die Christen: Radikale Isla-     Die gravierenden ökonomischen Pro-ble-         viele Mädchen heute den Niqab trügen
     misten zündeten am 14. / 15. August 2013       me liessen das ägyptische Pfund an Kauf-       (Vollverschleierung) und junge Männer
     Kirchen, Klöster, Schulen, Waisenhäuser,       kraft verlieren. Während die Preise für Le-    lange Bärte. «Salafistische Kreise versu-
     Gemeindezentren, koptische Läden an.           bensmittel, Medikamente und Alltagsgüter       chen, ihre rückständischen Ansichten,
     Der aufgebrachte Mob zerstörte auch den        gestiegen sind, bleiben die oft eh schon       frauenfeindlichen Tendenzen und radika-
06   Campus der Jesuiten und das dreistöckige       niedrigen Löhne gleich. Zu leiden haben        len Bräuche allen aufzuzwingen – sie wol-
     JBA-Gebäude mit Klassenräumen, Büros,          in erster Linie die Armen und vermehrt der     len uns 1400 Jahre zurückkatapultieren.»
     Saal, Kindergarten, Bibliothek – älteste der   Mittelstand – auch was die Gesundheit          Isaac, selbst aus in einer christlichen Fami-
     Stadt mit 10 000 Büchern, darunter eine        betrifft: «Viele können sich Medikamente       lie, nimmt kein Blatt vor den Mund. «Sie
     breite Palette an islamischer Literatur.       schlicht nicht mehr leisten», so Isaac.        schüren Hass, sprechen Christen das Recht
        Das Gebäude konnte dank Spenden aus            Der Mangel an finanziellen Mitteln trifft   auf höhere Ämter ab und wollen Bürger-
     der Schweiz und Deutschland wiederauf-         zudem NGOs und Hilfswerke, «inklusive          rechte beschneiden.» Er wisse von Kopten,
     gebaut werden. Etliche Bestände der Bib-       uns», sagt der JBA-Direktor. Zahlreiche        die Todesdrohungen erhielten für den
     liothek jedoch sind für immer verloren. Die    Organisationen hätten mittlerweile aufge-      Plan einer neuen Kirche. Auch höre er im-
     Wogen mögen verebbt sein. Die wirt-            geben. «Dies auch wegen eines neuen            mer wieder von christlichen Mädchen, die

     Wer bin ich, wohin will ich, was hindert mich auf meinem Weg?         Junge Frauen und Männer verschiedener Herkunft und Religion
     Workshop für junge Frauen zur P ­ ersönlichkeitsfindung.              suchen nach einer gemeinsamen S
                                                                                                         ­ prache.
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CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: ÄGYPTEN

                                               SPENDENBITTE FÜR LIBERAL STUDIES IN MINIA
                                               Seit über 50 Jahren arbeiten die Jesuiten Seite an Seite mit dem Hilfswerk
                                               Jesuit & Brothers Association for Development JBA in Minia, Stadt und
                                               Provinz in Oberägypten. Die Region ist ländlich geprägt, die Armut gross,
entführt und zum Islam gezwungen wür-          der Analphabetismus weit verbreitet. Minia ist immer wieder auch Brenn-
den. «Wir befinden wir uns in einer echten     punkt von islamischem Extremismus. Gerade junge Menschen haben es
Krise», konstatiert Osama Isaac. Den Jun-      besonders schwer, ihren Weg in der wirtschaftlich gebeutelten Region und
gen fehle es an dialektischem, kritischem,     in einer von Gewalt geprägten Gesellschaft zu finden.
analytischem Denken, der Gesellschaft an
                                               Im Liberal Studies-Programm, mit Spenden aus der Schweiz finanziert,
Lehrpersonen, Leitfiguren, Künstlern, Kul-
                                               können rund 1000 junge Frauen und Männer vorerst bis Ende 2021
turzentren – «für Salafisten sind kulturelle
Aktivitäten gegen die Religion.» In der        Workshops, Seminare und Trainingskurse besuchen. Es mangelt in Minia
ganzen Provinz gäbe es denn auch nur ein       an vielem – auch an Jugendbeauftragten, Sozialarbeiterinnen, Lehrern,
einziges Kino, dessen technische Anlage        Ausbildnerinnen. Zielgruppe sind Junge im Kulturbereich, im Erzie-
erst noch defekt sei. «Wir leiden an kultu-    hungswesen, an Universitäten und solchen auf dem Weg dazu. Angespro-
rellem Analphabetismus», sagt Isaac.           chen sind alle: Muslime und Christen verschiedener Richtungen. Für die
                                               zwei Jahre sind 40 960 Franken erforderlich. Herzlichen Dank für Ihre
Musicals, Theaterstücke, Tanzanlässe           Unterstützung!
Umso wichtiger ist der Wiederaufbau des
JBA-Zentrums, das 2019 eröffnet wurde. Ein     Das Programm der Liberal Studies:
Ort, wo Menschen in Not Hilfe finden und       Workshops: Psychologie – Verarbeitung von Traumas, Persönlichkeits-
junge Frauen und Männer dank Spenden           findung, kreatives Denken. Life values – Unicef-Programm zu Werten wie
aus der Schweiz auf kultureller und sozialer   Respekt, Ehrlichkeit, Verantwortung. Theaterarbeit – Ton, Regie, Schreiben
Ebene gefördert werden. Auf den Jungen         als Inspiration für Anlässe. Lehrbereich – Kunst des Dialogs, Leadership,
ruhen die Hoffnungen von Osama Isaac,                                                                                           07
                                               Anleitung zu Freiwilligenarbeit, Auf klärung, Drogenprävention.
«sie sind unsere Zukunft, die Leitfiguren
                                               Seminare: vier pro Jahr zu Themen wie kulturelles Erbe, religiöser Extre-
von Morgen». Besonders freut ihn die neu
                                               mismus, Gewaltprävention, globale Veränderungen, Staatskunde.
erstandene Bibliothek, die auch von Stu-
dierenden der Universität frequentiert wer-    Festivals und Kulturanlässe: in den Sparten Theater, Film, Tanz, Gesang,
de. Und der Saal in neuem Glanz. Stolz zi-     um Kunst und Kultur in der Stadt Minia (260 000 Einwohner) zu beleben.
tiert Isaac die geplanten Anlässe bis 2021:    Trainingskurse: für junge Kader in Organisationen und Gruppierungen –
«Ein Musical, eine Tanzaufführung, ein         Schulung in Führungsarbeit, Konfliktmanagement, Organisationskultur,
Chorkonzert, zwölf Theaterstücke und di-       soziales und kulturelles Bewusstsein.                          Ralph Bohli
verse Filmvorführungen.» Pia Seiler / JBA

Kulturfestival in Minia in Zusammenarbeit mit der indischen      Bildhauer-Kurs für Jugendliche: Ihre Kunstwerke drücken aus,
­Botschaft: Junge Inderinnen geben eine Yoga-Lektion.            was sie bewegt, freut und bekümmert.
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CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: ÄGYPTEN

     «Wir bauen die Schule der Imagination»
     Jesuit Fadi George über das Kulturzentrum in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria

     Unser Zentrum in Alexandria ist weit            dass bald nach dem Start pro Jahr über         Was sein wird: Unsere Projekte weiten
     herum bekannt unter den drei Lettern            1000 Menschen das Zentrum aufsuchten.          sich aus, gewinnen an Profil. Deshalb pla-
     J.C.C. Sie stehen für Jesuit Cultural Center,   Der Franzose war ein leidenschaftlicher        nen wir einen Umbau, damit unsere Vision
     1954 von Jesuiten gegründet mit dem Ziel,       Mentor für so viele, ein Pionier der Jugend-   einer Schule der menschlichen Imaginati-
     das menschliche Potenzial im ganzen             förderung in Ägypten. Das Zentrum er-          on lebendig bleibt. Ein architektonischer
     Wortsinn zu fördern. Angesichts der Her-        blühte mit Kunstausstellungen, mit Festi-      Entwurf liegt vor, der Transparenz und
     ausforderungen der modernen Welt soll-          vals zu Folkmusik, Ballett, klassischer        Raum schafft, der uns bereit macht für die
     ten alle jungen Menschen das Recht auf          Musik. Legendär sind die Filmnächte der        Erfordernisse der Zeit und uns neue Träu-
     einen sicheren Ort haben. Sie hoffen, stel-     1960er Jahre mit 500 Zuschauern und            me ermöglicht.
     len in Frage, träumen vom glücklichen           wegweisend die Zusammenarbeit mit aus-
     Leben. Woher sie auch kommen und wel-           ländischen Konsulaten. Pater De Leusse         Was uns lenkt: Inklusion – der Einschluss,
     cher Religion sie angehören: Wir versu-         setzte auf umfassende Bildung mit Kursen       die Einbeziehung von allen liegt unseren
     chen sie zu befähigen, dass sie selber zu       zu Gesundheit, Umwelt, Literatur, Weltge-      Aktivitäten zugrunde. Wir richten uns an
     einer besseren Welt beitragen können.           schichte. In der Presse erschienen unzäh-      junge Menschen und freuen uns über die
                                                     lige Beiträge und trugen das kulturelle        Anwesenheit aller Generationen.
     Was war: Die Anlage, ein gekonnter Wurf         Verständnis für andere in die alexandrini-     Cura Personalis – Fürsorge für sich und je-
     des ägyptischen Architekten Ferdinand J.        sche Gesellschaft hinein.                      den Menschen ist uns wichtig. Wir küm-
     Debanne, widerspiegelt unsere Mission:                                                         mern uns um Geist, Körper, Seele aller
     Eine klassizistisch gestaltete Gebäudezei-      Was ist: Im Herzen Alexandrias gelegen,        Mitglieder unserer Familie: Akteure, Mit-
     le schliesst an einen grossen Platz, am         ist das Zentrum zu einer Drehscheibe für       arbeiter, Freiwillige, Zuschauer.
08   rechten Ende eine Kirche, am linken ein         lokale und internationale Künstlerinnen        Gerechtigkeit und Gleichheit – Kunst und
     Theater. Die Jesuiten wohnen dazwischen,        und Künstler geworden. Das Programm            Schönheit ist grundlegend fürs Mensch-
     bauen eine Brücke zwischen Spiritualität        verbindet Kunst, soziale Gerechtigkeit und     sein, ist Katalysator für Gleichheit. Wir set-
     und Kunst – wollen wir mit den Jungen           Spiritualität, leistet einen Beitrag zu Ver-   zen uns ein für gewaltfreie Kommunikati-
     gehen, müssen wir uns um ihr spirituelles       söhnung und Frieden, Persönlichkeitsstär-      on und engagieren uns in besonderer
     und kulturelles Leben kümmern. Auf den          kung und Kreativität. Die Räume stehen         Weise für Marginalisiert. Fadi George SJ
     drei Etagen hat es eine Bibliothek und Räu-     kostenlos zur Verfügung und sind vielen
     me für Studium, Rückzug, Vorträge, Kunst-       Jungen zu einer Heimat geworden. So            Der 43-jährige Jesuit stammt aus Mansoura
     Aktivitäten. Jesuitenpater De Leusse, der       entstehen pro Jahr gegen 120 Aufführun-        im Nil-Delta und ist seit 2017 Direktor des
     Gründer, schreibt in seinen Tagebüchern,        gen in verschiedenen Kunstsparten.             Kulturzentrums J.C.C. in Alexandria.

               Oktober 2019,
               ­Abschluss des
            ­T heaterprojekts
       ­Salam / Frieden im
           Kellertheater der
     Jesuiten in Alexan-
              dria. Während
     ­e iner Woche hatten
           sich die Teilneh-
      merinnen und Teil-
      nehmer aus Europa
          und Ägypten mit
     Musik und Tanz aus
         Ägypten beschäf-
           tigt. Der Kultur­
         austausch fand in
          ­Zusammenarbeit
        mit dem Netzwerk
       «Tanz Raum» statt.
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CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: SYRIEN

«Wo die Verbindung zwischen Himmel und Erde offen ist»: Friederike Gräf fand nach langem Suchen nach Mar Musa. Die Ordensfrau              09
berichtet über das Kloster und den verschollenen Jesuiten Paolo dall’Oglio. «Mar Musa atmet seinen tiefen Glauben.»

An Abrahams Tisch in Mar Musa
Kloster Mar Musa in Syrien: Von Paolo dall’Oglio SJ geprägt, für Sr. Friederike (58) Heimat
Mar Musa ist mein Zuhause, meine spi-         Oben angekommen, erhalten die Gäste           Christen, Buddhisten. Die Aussicht ist
rituelle Heimat – ein Ort, wo die Verbin-     erst einmal frisches Wasser, dann Tee und     spektakulär, und es hat sich herumgespro-
dung zwischen Himmel und Erde offen ist.      Gebäck. Wer mit uns zu Mittag essen will,     chen, wie einzigartig Mar Musa auch sonst
Die starke Kraft spüren auch Gäste, die       ist herzlich eingeladen. Einige bleiben       ist. Nicht selten blieb jemand für ein, zwei
diesen abgeschiedenen Flecken in den          auch über Nacht. Wer kann und will, spen-     Monate hängen und half mit.
Bergen Syriens besuchen. Hier kann man        det eine Kleinigkeit. Der Freitag, im Islam
Gott begegnen, in sich, im Nächsten, in       der Feiertag, ist unser strengster Arbeits-   Einst stand da ein römischer Wachturm,
der Wüste. Es gibt sicher mehrere solche      tag. Wir sind Gastgeber, sind da, reden,      dann eine Kirche. Rundherum gibt es vie-
Orte. Mich führte der Ruf nach Mar Musa.      hören zu. Viele Muslime besuchen unsere       le Höhlen, wo sich christliche Eremiten
                                              Kirche mit den wunderschönen Fresken          niederliessen. Im Lauf der Zeit entstand
Die Begegnung mit dem Islam hat mich          aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. Nur die      ein syrisch-orthodoxes Kloster. Um 1860
geprägt. Hier erlebe ich das Menschsein       Wand, die nach Mekka zeigt, ist ohne Be-      ging dieses in die syrisch-katholische Kir-
in seiner Tiefe und Vielfalt und vor allem:   bilderung – eine Einladung zum Gebet, die     che über. Vor die Wahl gestellt, katholisch
die Liebe der Anderen zu Gott. Das eint       viele Muslime annehmen. Wer übernach-         zu werden oder das Kloster zu verlassen,
uns, auch wenn die Wege verschieden           tet, ist auch eingeladen zur Meditation um    zogen die Mönche weiter. Mar Musa ver-
sind. Mar Musa war schon immer ein Pil-       19.30 Uhr. Die meisten bleiben sitzen für     waiste und verfiel, bis es der Jesuit Paolo
gerort für Muslime, ein heiliger Ort. Und     die anschliessende Messe, auch Muslime.       dall’Oglio 1982 entdeckte.
heilige Orte welcher Prägung auch immer
werden in Syrien wertgeschätzt. Im Irak       Heute steigen an Freitagen und Feierta-       Jemand hatte Paolo dall’Oglio in seiner
erlebte ich das anders, Muslime besuchen      gen immerhin wieder ein paar Dutzend          Suche nach Stille auf Mar Musa aufmerk-
nicht unbedingt christliche Orte und um-      Menschen hoch – vor dem Krieg waren es        sam gemacht. Lang zuvor hatte er in Exer-
gekehrt. Nach Mar Musa aber strömen die       gut und gern zweihundert. Darunter wa-        zitien die Botschaft wahrgenommen, dass
Menschen. Das ist nicht ohne: Man muss        ren stets auch Ausländer – Europäer, Japa-    seine Friedensmission ihn zum Islam füh-
zu Fuss mehr als 350 Stufen hochsteigen.      ner, Koreaner, Amerikaner, Agnostiker,        re. Deswegen studierte er Islamistik und
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CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: SYRIEN

     lernte arabisch. In Damaskus, Homs und         auch die anderen. Ich wurde nach Kurdis-       Arabergestüt in Tunesien – mein erster
     Aleppo arbeitete er in Werken der Jesui-       tan, nach Sulaimaniyya im Irak geschickt,      Kontakt mit dem Islam: Der Ruf des Muez-
     ten, bis Mar Musa ihn vollständig einnahm:     der dortige Bischof hatte uns eingeladen,      zin traf mich mitten ins Herz. Zurück in
     Aus dem Rückzug wurde ein Ringen und           ein Kloster zu gründen. Vier intensive Jah-    Deutschland machte ich eine Ausbildung
     eine Lebensbestimmung. Mit Einverständ-        re: Unter unserem Dach fanden zeitweilig       als Pantomimin, arbeitete 15 Jahre als
     nis des Ordens begann er, mit Freiwilligen     250 Flüchtlinge Schutz.                        Künstlerin und beschäftigte mich tief mit
     aus Syrien und Europa Mar Musa wieder                                                         dem Sufismus. Erst der Islam brachte mich
     aufzubauen und gründete unsere Ge-             Wir sind zu acht im Orden, den die katho-      zu meinen christlichen Wurzeln. 2008 kam
     meinschaft Al Khalil – Beiname von Abra-       lische Kirche mittlerweile anerkannt hat.      ich nach Mar Musa. Das Kloster rief mich
     ham, übersetzt engster Freund Gottes.          Sr. Houda, unsere Priorin, kommt aus Da-       zu sich: Ich hatte den Ort innerlich lange
                                                    maskus, Sr. Deema aus Homs, Sr. Carol aus      vorher gesehen, bis ich ihn endlich fand.
     Paolo spricht sehr gut arabisch, kennt         dem Libanon. P. Jihad und P. Jacques stam-     2010 trat ich in den Orden ein, 2016 legte
     den Koran in der Tiefe, ist Vermittler, Brü-   men aus Syrien, P. Jens ist aus der Schweiz    ich die ewigen Gelübde ab. Zurzeit studie-
     ckenbauer. Er ist verschollen, im Juli 2013    und P. Paolo, unser Gründer, aus Rom. Ich      re ich an der Gregoriana in Rom. Ein gros-
     wurde er in Rakka, damals in der Hand des      habe einen langen Weg hinter mir. Aufge-       ses Geschenk, die zwei Jahre Studium: Ich
     IS, verschleppt. Bis wir nicht wissen, was     wachsen bin ich im Max Planck-Institut         habe einen neuen Zugang zur Bibel ge-
     mit ihm ist, bleibe ich im Präsens. Mar        Seewiesen bei München, von Konrad Lo-          funden. Ein Raum öffnete sich.
     Musa atmet seinen leidenschaftlichen           renz mitbegründet. Meine Mutter arbeite-
     Glauben an Christus, seine Liebe zum Is-       te in der Verwaltung. Lorenz, der bekannte     Jesus gibt bei Matthäus dieses Bild, dass
     lam. Er gehört zu den lebendigsten Men-        Verhaltensforscher wollte, dass alle, die      wir alle irgendwann an Abrahams Tisch
10   schen, die ich kenne.                          dort arbeiten, auch dort leben. Wir Kinder     sitzen werden. In Mar Musa bekomme ich
                                                    durften zu Vorlesungen und Kolloquien,         eine Ahnung davon. Auch in Syrien gibt es
     Die Kriegsjahre waren sehr schwierig.          sofern wir still waren. Später half ich Kon-   Gemeinschaften, christliche, muslimische,
     Mar Musa liegt zwischen Damaskus und           rad Lorenz, seine Gänse aufzuziehen, war       die vor Andersgläubigen warnen. Mar
     Homs, in der Region fanden schwere             oft draussen, kletterte auf Bäume, sog Wis-    Musa hilft, Vorurteile loszulassen. In der
     Kämpfe statt. Nur wenige Menschen wag-         sen auf – ich bin dankbar für diese Jahre.     Begegnung merkt man, dass der andere
     ten sich hinauf zu uns. Stets war jemand                                                      nicht so ist wie gedacht, vielleicht sogar
     da aus unserer Gemeinschaft. Ich selber        Nach dem Abitur lernte ich Mechanike-          die selben Probleme hat. Die Begegnung
     musste Mar Musa im zweiten Kriegsjahr          rin, studierte neun Semester Ethnologie        hilft, den anderen zu verstehen, zu schät-
     verlassen – als Ausländerin gefährdete ich     und Physik. Später arbeitete ich auf einem     zen, zu lieben.   Aufzeichnung Pia Seiler

     Sr. Friederike 2017
     im Kloster Maryam
       al Adhra vor dem
      Muttergottesbild –
          ein Mosaik des
            slowenischen
             Jesuiten und
        Künstlers Marko
            Ivan Rupnik.

              Das Kloster
         befindet sich in
        Sulaimaniyya im
     Irak, wo sie zusam-
         men mit P. Jens
         vier Jahre Men-
            schen auf der
      Flucht beherbergte.
CHRISTEN IM NAHEN OSTEN: LIBANON

Flüchtlinge harren im Libanon aus
Die Hälfte der syrischen Flüchtlinge im Libanon lebt laut UNHCR in extremer Armut

Der Libanon nahm proportional so              bewegung konfrontiert, die eine Verände-     von Programmen für Erwachsene, etwa
viele syrische Flüchtlinge auf wie            rung des politischen und sozialen Status     Koch-, Coiffeur- und Kosmetik-Lehrgänge.
kein anderes Land: 1,5 Millionen              quo fordert. Trotz der Probleme und Un-      Die Absolventinnen und Absolventen er-
                                              ruhen verharren die allermeisten syrischen   halten ein Startpaket, das ihnen hilft, ein
leben im kleinen Nachbarstaat. In             Flüchtlinge im Libanon. Wo sonst sollen      kleines Einkommen zu erzielen.
vier Zentren des Flüchtlingsdienstes          oder vielmehr können sie hin?                   Jedes der Zentren bietet auch psycho-
der Jesuiten erhalten sie Hilfe zur             Inmitten all der Ungewissheit ist der      soziale Unterstützung. Die Flüchtlinge
Selbsthilfe. Ein Bericht von Jesuit           Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS weiterhin     leiden unter Verlust und Schmerz, viele
Daniel Corrou, Koordinator vor Ort.           vor Ort an der Seite der Vertriebenen, wie   haben schreckliche Gewalt erlebt. Unsere
                                              auch im Irak, in Jordanien und in Syrien     Teams versuchen, in Einzel- und Gruppen-

M
           it dem März 2020 hat das zehn-     selber. Im Libanon konzentrieren wir uns     gesprächen zu helfen, ihre Traumas zu
           te Kriegsjahr in Syrien begon-     auf die Hauptstadt Beirut, auf Baalbek und   verarbeiten.
           nen. Noch immer leben 12 Mil-      Bar Elias in der Beekaa-Ebene und die Küs-      Rachel leitet die Jugendprogramme des
lionen Menschen aus Syrien irgendwo auf       tenstadt Byblos. In den vier Orten betrei-   Zentrums in Beirut für insgesamt 90 junge
der Flucht: 5,5 Millionen fern ihrer Heimat   ben wir Bildungs- und Gemeindezentren.       Frauen und Männer. «Es ist für Jugendliche
und 6,5 Millionen in Syrien selber. Die       Willkommen ist, wer Hilfe braucht: Musli-    nicht leicht, sich auszudrücken und expli-
Flüchtlingszahl ist unverändert hoch.         me, Christen, säkular lebende Menschen.      zit zu nennen, was sie quält», sagt die So-
   Die aktuelle Flüchtlingskrise an der                                                    zialarbeiterin. «Doch im Schutz unseres
türkisch-griechischen Grenze lässt verges-    Hilfe auch für Gastgebergesellschaft         Zentrums, der viel mehr umfasst als vier
sen, dass 1,5 Millionen Syrerinnen und        Die Bildungszentren führen Kindergärten      Wände, öffnen sie sich Schritt für Schritt.
Syrer im Libanon ausharren – über die         und bereiten ältere Flüchtlingskinder        In diesem Raum des Vertrauens können          11
Hälfte von ihnen in extremer Armut. Ins-      nach vielen Jahren ohne regulären Unter-     sich die Jugendlichen gegenseitig durch
gesamt machen sie 30 Prozent der Bevöl-       richt auf die öffentlichen libanesischen     ihre Kämpfe begleiten.» Was die Zukunft
kerung aus. Das ist die weltweit höchste      Schulen vor. Kinder, die bereits einge-      ihnen bringen wird? Wir wissen es nicht.
Konzentration an Flüchtlingen. Der Liba-      schult sind, erhalten Nachhilfe. Unser       Klar ist aber: Wir werden so lange mit un-
non, flächenmässig ein Viertel der Schweiz,   grösstes Bildungszentrum ist jenes in Bei-   seren JRS-Programmen weitermachen, bis
zählt mittlerweile 7,6 Millionen Menschen.    rut: Wir können 450 Kinder betreuen, wo-     keine mehr nötig sind. Daniel Corrou SJ
   Das Land hat zurzeit mit grossen wirt-     bei wir immer auch Kinder aus verarmten
schaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen       Familien der Gastgebergesellschaft auf-      Der 47-jährige Amerikaner ist Koordinator
und ist mit einer anschwellenden Protest-     nehmen. Zudem leiten wir eine Vielzahl       bei JRS Naher Osten / Nordafrika.

                                                                                                                  LINK S: Rachel,
                                                                                                                 ­L eiterin der
                                                                                                                  Jugend­programme
                                                                                                                  im JRS-Zentrum
                                                                                                                  in Beirut.

                                                                                                                 RECHTS: Syrische
                                                                                                                 Flüchtlingskinder
                                                                                                                 gedenken Frans van
                                                                                                                 der Lugt SJ, 2014
                                                                                                                 in Homs ermordet.
                                                                                                                 «Er war ein ausser-
                                                                                                                 ordentlicher
                                                                                                                 Mensch – als
                                                                                                                 Friedens­stifter und
                                                                                                                 Brückenbauer uns
                                                                                                                 allen ein Vorbild»,
                                                                                                                 sagt Autor und
                                                                                                                 Jesuit Daniel
                                                                                                                 Corrou.
SCHWEIZ-INDIEN

     Saju George SJ (53) in seinem Bildungszentrum in Kalkutta: Nebst Leitungsfunktion, Dozententätigkeit und Yoga-Seminaren sind ihm die
     Kurse für die Kleinsten ein grosses Anliegen. «Es ist die erste Generation Dalits, die nebst der Grundschule bei uns eine Kulturbildung erhält.»

12
     Pater Sajus Tanz gegen die Armut
     In Kerala auf einem Gutshof aufgewachsen, hilft er heute den Ärmsten in Kalkutta

     P. Saju, Sie sind sozusagen Dr. Tanz: Sie        Kirche beruft sich auf den Apostel Tho-          Sie führen das Zentrum seit 15 Jahren.
     doktorierten in Philosophie zu indi-             mas aus dem ersten Jahrhundert. Als              Wie vielen halfen Sie auf diese Weise?
     schem Tanz und sind ausgebildeter                Inder ist mir jedoch auch der Hinduismus         Hätte ich mich auf die Töchter und Söhne
     ­Tänzer. Wie kommt ein Jesuit zum Tanz?          tief vertraut, ich bin mit seiner Kultur auf-    wohlhabender Familien in der Stadt ver-
      Saju George SJ: Kunst ist Teil der huma-        gewachsen.                                       legt, käme ich auf Hunderte Diplomierte.
      nistischen Bildung von Jesuiten. Wir lehren                                                      Doch ich liess Stadt, Ruhm, Geld hinter mir.
      Kunst an unseren Schulen und kommuni-           Sie tanzen für Gott – und die Ärmsten            Hier draussen sind es Dutzende – samt
      zieren mit Kunst – mit Theater, Musik, Ma-      in Kalkutta: Im sumpfigen Landstrich             ihren Familien, die wir unterstützen.
      lerei. Auch Tanz hat Tradition: Im 17. Jahr-    südlich der 14-Millionen-Metropole
      hundert entwickelten Jesuiten Lernformen        ­haben Sie ein Bildungszentrum auf­              Ihr Zentrum in Kalkutta heisst auf Sans-
      fürs Ballett und Choreografien.                  gebaut. Wie hilft Tanz den Ärmsten?             krit Kalahrdaya, Herz der Kunst und ist
                                                       Das Gebiet ist zu 90 Prozent von Dalits,        offen für alle. Kommen auch Hindus?
     Sind Sie der einzige Tänzer im Orden?             Kastenlosen, bewohnt. Im Tanz schwingen         Sogar Muslime kommen und zur Hälfte
     Ein Jesuit wirkte lange im Boston College         viele Kulturformen mit: Musik, Malerei,         Hindus und Christen. Hier gibt es relativ
     als Tänzer und Choreograf. Heute ist er in        Theater, Philosophie, Religion – eine wun-      viele Christen – Jesuiten errichteten vor
     New York, in einer Pfarrei. Es gibt auch ei-      derbare Form der Bildung. Tanz stärkt Kör-      200 Jahren eine kleine Mission, weitere
     nige junge Jesuiten im Bereich Tanz.              per, Moral, Glaube, bringt die Menschen         Kirchen folgten. Unsere Kurse besuchen
                                                       mit ihren Gefühlen in Kontakt. Gerade für       zur Mehrzahl Mädchen und junge Frauen.
     Ihre Kunst ist der indische klassische            Dalits ist das wichtig, sie haben kaum          So können wir die Frauen stärken. Ich un-
     Tempeltanz – und Ihr Ziel der Lobpreis            Chancen, sich auszudrücken und Selbst-          terrichte die Jüngsten ab 4 Jahren, die
     Gottes. Wie geht das zusammen?                    wert zu entwickeln. Überdies hilft Tanz, ein    erste Generation Dalits, die nebst der
     Auch beim Tempeltanz geht es um den               Einkommen zu erzielen. Die Begabten, die        Schule bei uns eine Kulturbildung erhält.
     Lobpreis des Göttlichen. Der Tanz basiert         den einjährigen Diplom-Lehrgang absol-          Seit kurzem gibt es auch ein Ambulatori-
     auf Hindu-Riten, tradiert über viele Jahr-        vieren, können an Schulen Tanzunterricht        um, geführt von zwei Inderinnen vom
     hunderte. Sie sind heilig in Indien, und          geben oder selber eine kleine Tanzschule        Orden der Menzinger Schwestern.
     interessant ist, dass von Anfang an Frau-         in ihrer Gemeinde aufbauen. Oder mit ei-
     en dabei waren. Ich stamme aus einer              ner Truppe an familiären oder religiösen        Eine neue Ära steht an: Sie eröffnen
     katholischen Familie aus Kerala – unsere          Feiern auftreten.                               bald ein neues Haus. Wie weit sind Sie?
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                                                                            ANLÄSSE MIT SAJU GEORGE SJ
                                                                            Winterthur / Fr 29. Mai 16 Uhr: Auftritt am Afro-­
                                                                            Pfingstfestival, Bühne Nähe der Stadtkirche.
                                                                            St. Gallen Kirche Rotmonten / So 31. Mai 10 Uhr:
                                                                            ­Pfingst-Messe mit Saju & Tanz­t ruppe, Orgel Maja Bösch.
                                                                             SRF1 überträgt den Pfingstgottesdienst live.
                                                                            St. Gallen Kathedrale / So 31. Mai 18 Uhr: Pfingstvesper
                                                                            mit Bischof Markus Büchel.
                                                                            Basel, Herbergsgasse 7 / Do 4. Juni ab 17.30 Uhr:
                                                                            Begegnung für Gönner und Freunde von JWW.
                                                                            Zürich, aki Hirschengraben 86 / Fr 5. Juni: Saju &
                                                                            Tanz­t ruppe an der langen Nacht der Kirchen.
                                                                            Auszeit mit Yoga und Klang / 27.–30. Sept. Lassalle-
                                                                            Haus: mit Saju George SJ und Musiker Amit Sharma
                                                                            Studienreise nach Indien / 6.–21. November:
                                                                            mit Toni Kurmann SJ. Pater Saju führt u.a. in sein Zent-
                                                                            rum in Kalkutta. Vortreffen 6. / 7. Juni. lassalle-haus.org
Pfingsten 2018, Kirche St. Johannes Luzern: Auch in der Pfingst-            Weitere Anlässe mit Pater Saju: jesuiten-weltweit.ch
messe in St. Gallen tritt Saju mit Jungtalenten aus Kalkutta auf.

Unsere Pavillons aus Lehmziegeln halten          Ich bin auf einem Gutshof aufgewachsen.           Im Mai und Juni tanzen Sie erneut in der        13
der Regenzeit kaum mehr Stand. Am                Mein Vater beschäftigte 40 Landarbeiter.          Schweiz. Können Sie ein Beispiel geben,
17. Mai nun, ein Sonntag, können wir den         Ich half in der Freizeit oft mit, die Arbeiter-   wie Sie Ihren Tanz in die katholische
vierstöckigen Neubau einweihen – finan-          kinder waren meine Freunde. Wir hatten            Liturgie einfügen?
ziert grossteils mit Schweizer Spenden           eine Plantage mit Kautschukbäumen, ern-           Gott ist spirituelle Erfahrung, Tanz spiritu-
und erbaut von lokalen Arbeitern. Wir star-      teten Reis, Gemüse, Früchte. Ich besuchte         eller Ausdruck. Meinem Tanz liegt die Bibel
ten zudem mit einem Bachelor-Lehrgang.           gute Schulen und wurde überall gefördert.         zugrunde. Tanze ich etwa das Magnificat,
Beginn ist im Herbst, akademischer Part-         Daneben realisierte ich schon früh, dass          bin ich ganz im Gefühl von Maria, ganz in
ner die jesuitische St. Xavier’s University in   andere hungerten. Ich wuchs in zwei Wel-          ihrem Lobgesang, nachdem sie erfährt,
Kalkutta. Bis 2025 wollen wir auch ein           ten auf. Meine Eltern gehörten zu den             dass sie Mutter wird. Ich drücke aus, wie
Masterstudium anbieten und die Kurse für         Reichen, waren aber auch sehr grosszü-            auch ich, wie wir alle gesegnet sind: Gottes
die Kleinen verstärken. Dazu benötigen           gig – und gläubig. Das hat mich geprägt.          Sohn kommt auf die Welt.
wir einen Annexbau. Die finanzielle Last
liegt dabei ganz auf unseren Schultern.          Was brachte Sie nach Kalkutta?                    Zum ersten Mal werden TV-Zuschauer
                                                 Als Jugendlicher sah ich einen Film über          live zugeschaltet: Das Schweizer Fern-
Wer alles sind «wir»?                            den belgischen Pater Damian, er kümmer-           sehen überträgt Ihre Pfingstmesse in
Unser Team besteht aus sechs Lehrperso-          te sich auf der Hawaii-Insel Molokai um           St. Gallen. Geben Sie uns eine Sehhilfe.
nen für Tanz, Musik, Sanskrit, Englisch,         Lepra-Kranke, bis er 1889 selber an Lepra         Ich visualisiere mit zwei indischen Tänze-
Malerei, Yoga. Pater Thottam hilft im Büro,      starb. Albert Schweitzer in Lambarene war         rinnen und drei Tänzern, wie der Heilige
zwei weitere Personen ebenfalls, es gibt         mein zweites Vorbild. Ich wollte Arzt wer-        Geist in der Welt wirkt. Es geht um Ruach
eine Köchin, drei in der Reinigung – insge-      den wie er – bis ich einen Dokfilm über           im Alten Testament – Wind, Atem des Le-
samt sind es zwölf, denen ich Lohn zahle.        Mutter Teresa sah. Da war ich 19. Ich ent-        bens. Dann, mit der Lesung vom Neuen
Das Kursgeld deckt knapp zehn Prozent:           schloss mich, Jesuit in Kalkutta zu werden.       Testament, ist der Fokus auf dem Heiligen
Ich ging dazu über, etwas zu verlangen,                                                            Geist und seinem Engel Gabriel, der Maria
auch wenn es umgerechnet nur einen               Sind Sie Mutter Teresa je begegnet?               den Willen Gottes verkündet. Wir tanzen
Franken pro Monat ist. Schüler nehmen            Ja. Ich arbeitete während den ordensübli-         Jesus’ Taufe am Jordan, die Kraft des Hei-
die Kurse ernster, Eltern ebenfalls. 90 Pro-     chen Studien drei Jahre als Freiwilliger in       ligen Geistes, die Elemente Wasser und
zent der Aufwendungen stammen aus                ihren Werken, auch auf der Lepra-Station.         Feuer, die Friedensbotschaft der Taube. Es
Spenden der Schweiz, Deutschland und             Arzt aber wurde ich nicht. Meine Superio-         wird ein Fest des Geistes mit farbigen tra-
Österreich sowie von Gönnern in Indien.          ren ermutigten mich, mit Tanz praktisch           ditionellen Kostümen, Musik aus Indien,
                                                 und auch auf philosophischer Ebene wei-           Orgelklängen von Maja Bösch. Mit Ele-
Kalkutta spielt eine grosse Rolle in Ih-         terzufahren und dieses Talent für die Ar-         menten für alle Sinne und meditativen
rem Leben, hier traten Sie mit 19 Jahren         men einzusetzen. Sie erlaubten mir zu-            Momenten für den Blick nach innen, der
in den Orden ein. Wie kam es dazu?               dem, im Gottesdienst zu tanzen.                   uns so oft fehlt.       Interview Pia Seiler
SCHWEIZER JESUITEN

     Neues Dach für das bewährte aki
     Akademikerhaus aki Zürich: energetische Gesamtsanierung wird nötig

     Austausch unter Studierenden,                    und motiviert junge Menschen, Verant-         die Fassade und das Dach sind in die Jah-
     Reflexion, Auseinandersetzung mit                wortung zu übernehmen.                        re gekommen. Alle Renovationsarbeiten
     drängenden Fragen zu Gesellschaft                   Zunächst waren es Studenten aus tradi-     sollen ökologisch bedacht geschehen und
                                                      tionell katholischen Gegenden, welche im      die energetischen Erneuerungen im Ein-
     und Religion: Dafür steht das aki.               aki ein und aus gingen. Heute sind es Frau-   klang mit den Nachhaltigkeitszielen der
     Das Haus am Hirschengraben Zürich                en und Männer aus der ganzen Welt. Bei        Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Ziel
     muss saniert werden, damit auch                  den Studentinnen und Studenten finden         ist, dass auch kommende Generationen
     künftige Generationen hier ein und               die Anlässe guten Zuspruch: die wöchent-      im aki Raum finden, um Erlerntes und Er-
     aus gehen können.                                lichen Gottesdienste im Haus, die liturgi-    lebtes zu Erfahrung zu verdichten.
                                                      schen Veranstaltungen in der Osterzeit,          Die Jesuiten und die aki-Leitung tragen

     W
                  er in Zürich vom Central aus        die Fastenwoche, die rorate-Feiern im Ad-     alles dazu bei, dass Studentinnen und Stu-
                  Richtung ETH oder Universität       vent, die Waldweihnacht im Dezember.          denten in Zürich weiterhin ihren Glauben
                  läuft, wer den Sitz der Jesuiten,      Dazu kommen übers Jahr hindurch rund       vertiefen, sich mit drängenden gesellschaft-
     ihr Hilfswerk, ihre Bibliothek besucht oder      30 weitere eigene Veranstaltungen. Im De-     lichen Fragen auseinandersetzen und
     weiter vorne den Hauptsitz der Katholi-          zember sandte eine Lichtinstallation Ad-      menschlich bereichert werden können.
     schen Kirche im Kanton Zürich, kommt             ventsbotschaften zu den Passagieren der             Franz-Xaver Hiestand SJ, Leiter des aki
     zuerst am aki vorbei. Das Haus am Hir-           nahen Polybahn. Zurzeit proben ein Stu-
     schengraben 86 ist für viele Passanten das       dentenorchester und eine Theatergruppe.
     erste Gesicht der katholischen Kirche in         Bei der Nachhaltigkeitswoche der fünf           Die Gesamtkosten der aki-
     dieser Gegend. Es beeinflusst das Bild, das      grossen Zürcher Hochschulen tritt das aki
14                                                                                                    Sanierung belaufen sich auf
     sich Menschen von der Kirche machen.             als Partner auf, ebenso bei der studenti-
                                                                                                      5,5 Mio Franken. Um jede Spende
        aki ist die Kurzform von Akademiker-          schen Filmstelle. Einmal pro Woche führen
     haus. Das Haus beherbergt die katholische        Studenten ein Mittagessen zur Verminde-         sind wir sehr dankbar. Vermerk
     Hochschulgemeinde – seit Jahrzehnten             rung von food waste durch. Daran nehmen         ­«Renovation aki», Augustinus-
     ein Brennpunkt katholischer und manch-           zwischen 45 und 90 junge Leute teil. Und         verein Zürich, Kath. Hochschul­
     mal sogar gesamtgesellschaftlicher Ent-          pro Jahr mieten über 100 Non-Profit­-            gemeinde aki, Hirschengraben
     wicklungen. Erbaut wurde es 1934 gemäss          Gruppen das Haus.                                86, 8001 Zürich (Adresse auch für
     den architektonischen Ansätzen des «Neu-            Nun muss das aki 2021 bei laufendem           weitere Infos). PostFinance Konto
     en Bauens». Von Jesuiten geleitet, hält es       Betrieb umfassend saniert werden. Böden,         IBAN: CH91 0900 0000 8000 4151 0​
     Fragen nach Religion und Glauben wach            Fenster, elektrische Leitungen, Heizungen,

       LINK S: Das hellrote
     Haus des aki, Treff-
       punkt für Studie-
     rende, einen Stein-
      wurf von P ­ olybahn
      und ETH entfernt.

       RECHTS:Garten des
         aki im Sommer.
SCHWEIZER JESUITEN

Die Blog-schreibenden Jesuiten: 1. Reihe v. l. Christoph Albrecht, Beat Altenbach, Bruno Brantschen, Valerio Ciriello, Martin Föhn,
­Franz-Xaver Hiestand. 2. Reihe: Tobias Karcher, Toni Kurmann, Pascal Meyer, Christian Rutishauser, Andreas Schalbetter, Mathias Werfeli.

Unterwegs mit Jesuiten und Ignatius
Seit September kommunizieren Jesuiten der Deutschschweiz auch mit einen Blog

I
     gnatius von Loyola, Gründer des Jesu-      Feder, korrespondierte mit Glaubensbrü-      von der Deutschschweiz aus auch mit dem
     itenordens, Meister der Exerzitien:        dern und wachen Zeitgenossen, begleite-      Blog Unterwegs mit Schweizer Jesuiten. Der      15
     Dafür ist der Baske mit den Lebensda-      te und leitete.                              Leitgedanke stammt – vom heiligen Igna-
ten 1491 bis 1556 bekannt. Sein Weg nach           Käme er in unsere Zeit, hätte er «Rat-    tius: «Gott in allen Dingen suchen und
innen, sein Hauptwerk Exercitia spiritualia,    schläge, Anregungen, Mahnungen» zur          finden.»
Geistliche Übungen gibt Menschen weit           ultra-digitalen Welt? Schaller fragt und        Es würde ihn umhauen, könnte er den
über religiös-christliche Kreise hinaus Halt.   fährt fort: «Vorerst dürfen wir annehmen,    heutigen Jesuiten über die Schulter schau-
   Dass er auch ein Meister im Weg nach         dass er sich mit grossem Respekt, mit        en, wie sie in Windeseile korrigieren, Passa-
aussen war – ein Meister der Kommunika-         Hochachtung und Liebe» nähern würde.         gen verschieben, vielleicht sogar das Ende
tion, ruft uns etwa der Schweizer Jesuit           Ignatius legte grossen Wert darauf, die   an den Anfang rücken. Am Feilen aber –
Hans Schaller SJ in Erinnerung. Er verfass-     Sache auf den Punkt zu bringen und sorg-     Gedanken Ordnen, sie auf den Punkt brin-
te im Echter Verlag die Schrift «Aus Rom –      fältig zu formulieren. Gingen seine Briefe   gen, plausibel, unterhaltsam, auch mal
euer Ignatius!» Ein lesenswertes, kurz und      an ein breites Publikum oder an hochge-      humorvoll rüberbringen – hat sich nichts
bündig gehaltenes Buch voller Trouvaillen.      stellte Persönlichkeiten, habe er sich oft   verändert. Pia Seiler
Ignatius hat tausende Briefe geschrieben        richtiggehend abgemüht. 500 Jahre später
und diktiert – sich der «Grösse und Elend       schreiben seine Mitbrüder immer noch         Unterwegs mit Schweizer Jesuiten:
solcher Korrespondenz» durchaus be-             Briefe. Doch ihre Kommunikation erfolgt      Blog auf jesuiten.ch oder direkt mit dem
wusst. Und doch griff er immer wieder zur       grossteils elektronisch – seit September     Zusatz /blog

NACHRUF EDDY INEICHEN SJ (1931–2019): SEINE FREUNDLICHKEIT GALT ALLEN
                    Bruder Eduard               dem Ordenseintritt erworbene KV-             Br. Eddy war stadtbekannt und fand
                    Ineichen aus                Ausbildung einsetzen. Bruder Eddy            überall offene Türen, insbesondere als
                    Sempach LU                  war gleichsam die «Stella Pforte» in         Samichlaus im Dezember. Er predig-
                    trat 1955 in die            personam – Auskunftsperson für alles         te auch als Aushilfe in Vorarlberger
                    Gesellschaft Jesu           und jedes. Er besorgte Schalter, Telefon     Pfarreien. Von 2003 bis 2014 diente er
                    ein. Seine grosse           und den Schriftverkehr mit Behörden,         im Lassalle-Haus Bad Schönbrunn ZG
                    Zeit waren die              Versicherungen, Banken – eine riesige        als Minister der Jesuitenkommunität.
40 Jahre im Jesuiten-Kolleg Stella              Arbeit in einem Internat mit 300 Schü-       Seine letzten Jahre verbrachte er bei
Matutina in Feldkirch. Hier entfaltete          lern, 20 Professoren und 40 Angestell-       geschwächter Gesundheit im «Bor-
er seine Talente und konnte die vor             ten. Seine Freundlichkeit galt allen.        romäum» in Basel.       Josef Bruhin SJ
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