Rankler G'schichten - Eine Kooperatiosprojekt im Rahmen von LE.NA - Lebendige Nachbarschaft Marktgemeinde Rankweil MITANAND - Gemeinwesenstelle ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Rankler G'schichten Eine Kooperatiosprojekt im Rahmen von LE.NA – Lebendige Nachbarschaft Marktgemeinde Rankweil MITANAND – Gemeinwesenstelle Rankweil Caritas Vorarlberg www.caritas-vorarlberg.at
Kontakt Marktgemeinde Rankweil Caritas Vorarlberg MITANAND Elke Moosbrugger LE.NA – Lebendige Nachbarschaft Gemeinwesenstelle Rankweil Am Marktplatz 1 Ingrid Böhler Michael Müller 6830 Rankweil Wichnergasse 22 Ringstraße 49 T 05522 405 1127 6800 Feldkirch 6830 Rankweil elke.moosbrugger@rankweil.at T 0676 88420 4010 T 05 1755 547 ingrid.boehler@caritas.at michael.mueller@ifs.at Auf gesunde Nachbarschaft! www.gesunde-nachbarschaft.at Projektteam Projektleitung: Elke Moosbrugger, Natalie Wojtech, Ingrid Böhler Redaktion: Ingrid Böhler, Daniel Furxer, Thomas Hebenstreit, Elke Moosbrugger, Natalie Wojtech Interviews, Texte und Audios: Daniel Furxer Videos: Philipp Mück, Philipp Chromy Grafik (Metallfiguren & Print): Petra Mittempergher Fotos: www.zweimann.at (Kevin Zimmermann), Marktgemeinde Rankweil Metallfiguren: www.werkraumgoefis.com (Bernhard Nägele) S/W-Bilder: www.shutterstock.com Druck: DTH Thurnher, Rankweil Juli 2021 2
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, Vom himmlischen Erzählen Großstädten wird sie nach- Die „Rankler G'schichten“ gesagt, auf dem Land wird rufen mir eine Geschich- sie negiert. Manchmal ist sie te in Erinnerung, die David erwünscht, manchmal ist sie Steindl-Rast einmal erzählt hat. lästig. Und oft braucht es nur etwas guten Willen Sein Freund Henry unternimmt im Sommer gerne und Empathie, um zu spüren, ob sie freiwillig oder große Reisen und kommt immer mit sehr, sehr erzwungen ist. Die Rede ist von Anonymität. vielen schönen Bildern zurück. Daheim liebt er es dann, seine Bilder abendfüllend herzuzeigen. In Rankweil wohnen derzeit rund 12.000 Men- Bruder David meint, für Henry werde der Him- schen aus rund 80 Ländern, welche beinahe mel wohl darin bestehen, dass Gott zu ihm sagt: ebenso viele Sprachen sprechen. Jede und jeder „Henry, zeig mir deine Bilder!“ und er dabei spürt, davon mit einer eigenen Lebensgeschichte, mit dass das Interesse und die Freude Gottes an dem, Herausforderungen und Stolpersteinen, aber auch was er gelebt und erfahren hat, ungeteilt sind. In einer Menge an Lebenserfahrung und Lebens- einem Raum des Wohlwollens und des Interesses freude. Um einige dieser Menschen sichtbar zu ein Stück Lebensgeschichte miteinander zu teilen machen, miteinander zu verbinden und in die Mitte – das hat etwas Himmlisches. zu holen, haben wir unter dem Dach von LE.NA – lebendige Nachbarschaft – die Rankler G'schichten Und es sind auch die Zutaten für gute Nachbar- ins Leben gerufen. Entstanden ist eine berührende schaft. Jede geteilte Geschichte macht alle ein Sammlung von Lebenswegen, welche unter ande- wenig reicher und verbindet. Ein Mensch zeigt rem vom Ankommen in Rankweil, vom Leben nach sich mit einem Stück seines Lebens und seiner dem Krieg, vom dörflichen Geschehen und von der Erfahrung, wird ansichtig in seiner Einmaligkeit Suche nach dem eigenen Glück handeln. und Einzigartigkeit. In jeder Geschichte steckt Ab Freitag, 9. Juli 2021, sind die 21 gesammelten Lebensweisheit. Eine jede inspiriert, macht Mut, Geschichten den ganzen Sommer über im Rahmen schenkt Gelassenheit, zaubert ein kleines Lächeln einer Ausstellung auf dem Rankweiler Marktplatz ins Gesicht oder weckt Bewunderung über das, zu hören. Die Lebensgeschichten gibt es auch was in einem Leben alles Platz hat und bewältigt als Audio und Video auf www.rankweil.at/rankler- worden ist. Man hört und liest diese Geschichten gschichten/. und empfindet Respekt, Empathie und Verbun- denheit und freut sich auf eine Fortsetzung bei Ich bin überzeugt, dass wir damit einen Beitrag nächster Gelegenheit. So werden aus Menschen, zu einem aufrichtigen Austausch geleistet haben die vielleicht mehr oder weniger zufällig in der und lade Sie herzlich ein, sich selbst ein Bild von Nähe leben, Nachbarn. Und selbst wenn man ganz der wunderbaren Vielfalt in Rankweil zu machen. woanders lebt, durch das Teilen unserer Lebens- Bewegen Sie sich mit offenen Augen durch den geschichten werden wir innerlich zu Nachbarn. Ein Alltag, wagen Sie ab und zu mal einen Blick nach wunderbarer Vorgang! So wächst Tag für Tag ein links und rechts, und gehen Sie unvoreingenom- Miteinander, das uns alle leben und atmen lässt. men aufeinander zu. Dann bin ich mir sicher, dass ungewollte Anonymität in Rankweil an Bedeutung Ich danke von Herzen allen, die eine Geschichte verlieren wird. beigetragen haben und jenen, die die Geschichte gehört, aufgenommen und abgebildet haben. Mag. Katharina Wöß-Krall Dr. Walter Schmolly Bürgermeisterin Caritasdirektor 3
Lebendige G'schichte(n) aus Rankweil Was passiert, wenn man in die Häuser der Men- Die Lebensgeschichten beinhalten einen großen schen geht und sich ihre Lebensgeschichten Schatz an Erfahrungen und bilden das Leben in erzählen lässt? Rankweil in all seiner Buntheit ab. Dabei spielt auch das Thema Einsamkeit ein wichtige Rolle, Es kommen spannende, lustige, traurige und auch gerade weil diese Geschichten mögliche Antwor- nachdenkliche Geschichten zum Vorschein, die in ten auf dieses Thema sein können. Somit kommt der Gesamtheit ein Bild des 20. Jahrhunderts in der Frage, wie diese Menschen ihr Leben und ihr Rankweil wiedergeben. Zeitzeugen berichten aus Altwerden empfinden und leben, eine zentrale Be- ihrer Vergangenheit und schaffen so einen persön- deutung zu. lichen Zugang zu ihrem Leben – so passiert „Oral History“. In der Broschüre wird das „spannende Leben“ einzelner Menschen sichtbar gemacht. So werden 21 Ranklerinnen und Rankler haben aus ihrem Le- die unterschiedlichsten Facetten der Lebenspers- ben erzählt und ich, Daniel Furxer, durfte ihnen zu- pektiven vieler verschiedener Menschen – die hören. Dabei sind 21 Portraits entstanden, die ich einen haben schon immer in Rankweil gelebt, in einer Broschüre verschriftlicht habe und durch andere sind zugewandert – in den Mittelpunkt Audio- und Videoaufnahmen mit Philipp Mück und gestellt. Durch ihre Vielfalt werden die „Rankler Philipp Chromy sicht- und hörbar wurden. Um G'schichten“ zu einem Kontaktangebot, welches die wunderbaren Geschichten abzurunden und in das Interesse am jeweils anderen wecken soll. die Mitte Rankweils zu stellen, entstand die Idee einer Ausstellung mit lebensgroßen Metallfiguren, Ich hoffe, wir können auch euer Interesse an welche die Erzähler*innen abbildet. Basierend diesen Geschichten wecken! auf den Fotos von Kevin Zimmer gestaltete Petra Mittempergher das ansprechende Layout der Bro- schüre und digitalisierte die Metallfiguren, welche dann von Bernhard Nägele liebevoll ins Leben gerufen wurden. So ist ein kleines Gesamtkunst- werk entstanden. Die Metallfiguren, die bei ver- schiedenen Anlässen verwendet werden können, bieten die Möglichkeit, mit der Person in Kontakt zu kommen. Ingrid Böhler Daniel Furxer Ausgangspunkt für die „Rankler G'schichten“ war das Caritas Projekt „LE.NA – Lebendige Nachbar- schaft“ (Ingrid Böhler), das in Rankweil Paspels in Form eines Begegnungscafés in Kooperation mit der Gemeinwesenstelle MITANAND in Rankweil (Taliye Hämmerle und Michael Müller) ins Leben gerufen wurde. Dort können Menschen in Kontakt kommen und eine gute, sorgsame Nachbarschaft pflegen. Schnell haben wir vom Redaktionsteam (Ingrid Böhler, Daniel Furxer, Thomas Hebenstreit, Elke Moosbrugger und Natalie Wojtech) bemerkt, dass wir nicht nur Menschen aus Paspels sondern aus ganz Rankweil interviewen wollen: aus den verschiedensten Ortsteilen, mit den unterschied- lichsten Berufen und in verschiedenen Lebens- situationen. 5
Kurt Arnoldini – Der Schatzsucher Jahrgang: 1950 1980 von Feldkirch nach Rankweil gezogen „Mich faszinieren die unendlichen Geschichten, die Oft ist Arnoldini alleine mit seinen Büchern, wenn in den Büchern leben. Das ist meine große Leiden- er sie im Lager sortiert und reinigt. „Das Wort Ein- schaft.“ samkeit ist bei mir positiv besetzt. Ich kann mich in der Einsamkeit mit Menschen und mit Gedanken Kurt Arnoldini ist umgeben von Büchern. Mehr als verbinden, so entsteht ein 'Gemeinsam'. Ich bin 30 000 Bücher stehen nach Autor*in und Fach- alleine im Raum aber doch ganz umgeben von der gebiet geordnet in seinem 65 m² großen Philosophie oder der Biografie eines Menschen.“ Antiquariat. Die Sammlung umfasst In dieser Abgeschiedenheit entdeckt er Neues und dabei sowohl deutsch- als auch fremd- stößt auf Dinge, die er so nicht gekannt hat. Es ist sprachige Werke, die im Neubau neben eine Schatzsuche. seinem Wohnhaus untergebracht sind. Vom Fachbereich der Philosophie und Sein Beruf hat dieses Hobby erst ermöglicht. den spirituellen Büchern über Reise- 44 Jahre lang war er Beamter bei der Be- literatur und Comics bis hin zu den zirkshauptmannschaft und so in einer Klassikern der Belletristik findet man gesicherten Situation. „Die Bereiche hier sehr viele Schätze. Nach jahr- Fremdenpolizei, Strafabteilung und zehntelangem Sammeln und An- Jugendwohlfahrt waren nicht immer kaufen von Büchern beschloss er ein Honiglecken, da gab es schon vor 26 Jahren, diese Schätze auch schwierige Themen. Trotzdem war der Allgemeinheit zur Verfügung mir das sehr wichtig“, resümiert zu stellen. Die Idee bestand darin, Arnoldini. etwas Besonderes daraus zu ma- chen: keine Leihbibliothek, keinen Gleich nach der Hochzeit zog neuen Buchhandel, sondern eine der gebürtige Feldkircher vor antiquarische Buchhandlung, die 41 Jahren in das neu gebaute Haus Wissen günstig zur Verfügung in Brederis ein. Für ihn ist Rankweil stellt. Für Kurt sind die Bücher ein längst sein Zuhause geworden. Jetzt, Tor zur Welt. in der Pension, hat er sich nochmals für Rankweil entschieden. „Mit dem „Mit Büchern kann ich mich Bau der Bibliothek war für mich klar, dass in jede erdenkliche Welt wir fix in Rankweil bleiben. Mit 70 ein solches begeben.“ Projekt zu starten, um es gleich wieder zu ver- kaufen, das kam für mich nicht in Frage.“ Die „Als Jugendlicher wollte ich in die weite Offenheit der Menschen und die Natur schätzt Welt hinaus, dies blieb mir aber aufgrund er besonders. „In Rankweil habe ich alles, was der geschlossenen Grenzen größtenteils ich brauche, eine reichhaltige Kultur, eine viel- verwehrt. Indien war damals ein begehrtes seitige Gastronomie und nicht zu vergessen: Reiseziel für viele. Später gründete ich eine die Basilika als religiöses Zentrum.“ Familie und dieser Wunsch rückte in den Hintergrund. Ich habe mir meinen Traum – meditierend unter einem Mangobaum zu sitzen – jedoch retten können. Mit Büchern kann ich mich in jede erdenkliche Welt begeben und in die Philosophie von fremden Kulturen eintauchen.“ 6
Geheimtipp fürs Älterwerden Immer im Jetzt leben, sich mit Interesse belegen, egal was es ist. Wenn du das Desinteresse einkehren lässt, wirst du schnell den Abwärtsgang einlegen. Denn: 'Wer anfängt aufzuhören, hört auf anzu- fangen.' Mit Begeisterung tun, was man gerne tut. Danke sagen zu können, wenn ich am Morgen aufstehe, da es nicht selbstver- ständlich ist, dass ich da bin und dass ich mich wohl fühle. 7
Isobel Dolak – Die Weltveränderin Jahrgang: 1944 1970 von Schottland nach Rankweil gekommen Ihren Wohnort hat sie sich nicht ausgewählt. Es ist Umwelt, feministische Theologie und Sexualität einfach so passiert. Isobel Dolak ist auf den Shet- ging. „Das war in den 1980er Jahren schon revolu- landinseln aufgewachsen, am 60. Breitengrad auf tionär, muss ich sagen. Wir haben uns im Jugend- gleicher Höhe mit der norwegischen Stadt Bergen. heim getroffen.“ Isobel ist eine Kämpferin für die „Die Einwohner dort sind es gewohnt auszuwan- gute Sache und politisch sehr aktiv. Eine dern. Meine Onkel sind in alle Himmels- Periode war sie sogar in der Rankweiler richtungen verstreut. Von allen Arbeitsgruppe Integration. Seiten herum sieht man das Meer. Das macht einen Menschen weltof- „Ich fühle mich hier in Rankweil wohl. fen.“ Auch Isobel blieb nicht lange Ja, Heimweh, das habe ich schon. auf der Insel. „Ich bin zum Studie- Vor 17 Jahren habe ich mich ge- ren nach Edinburgh gegangen. Das fragt: 'Wo bleibe ich jetzt?' Ich war meine erste große Stadt, die ich habe mich dann für Rankweil gesehen habe. Da begann die Zeit als entschieden. Ich habe Freun- ich die Welt verändern wollte“, erzählt dinnen hier und meine Familie. Isobel Dolak. In dieser Zeit hat sie den Es hat jedoch lange gedauert, „Service Civil International“ kennen- bis ich mich hier gut zuhause gelernt und absolvierte einige internationale fühlte.“ In den ersten Jahren Freiwilligeneinsätze mit Menschen aus aller war es schwierig. Ihr Mann war Welt. „Wir haben vor allem mit Menschen viel auf Geschäftsreisen und sie mit Beeinträchtigung gearbeitet, Zäune alleine zuhause mit dem Kind. gebaut und einen Garten bepflanzt.“ Hier „Zum Glück habe ich dann an- hat sie auch ihren Mann kennengelernt, dere Frauen aus Großbritannien einen Wiener. gefunden, die in der gleichen Lebenssituation wie ich waren. „1970 sind wir nach Rankweil gezo- Mit denen habe ich mich aus- gen, wir waren also beide fremd hier. getauscht. Man trifft sich heute In Schottland gibt es 'coffee mornings', leichter als früher. Ich habe damals wenn man irgendwo neu ist. Das gab es nicht gewusst, dass es andere gibt, in Rankweil nicht, daran habe ich mich die in der gleichen Situation sind wie gewöhnen müssen. Auch dass man bei ich.“ den Nachbarn nicht täglich aus und eingeht. Man kennt sich zwar, aber so „Ich bin wirklich gern allein unterwegs. ein enges Verhältnis hat man nicht.“ Am Besonders seit ich die Fotografie zu schät- Anfang hat sie unterschätzt, wie wichtig zen gelernt habe. Ich sehe mehr alleine, es ist, bei kirchlichen Anlässen dabei oft auf bekannten Routen. Das ist sehr zu sein. „Ich bin ja evangelisch, aber schön, du musst diesen Augenblick mit- wir haben sehr viele Dinge gemeinsam, nehmen, ich lebe in diesem Augenblick.“ mehr als man denkt“, so Isobel. „Ich Neben der Fotografie hat sie noch ein habe aber später mit Rankler Frauen anderes Hobby. „Ich betreue auch die viel Frauenarbeit und Basistheologie beiden Bücherschränke in Rankweil. gemacht.“ Sie waren eine Gruppe von Das macht mir sehr viel Spaß. Ich sechs Frauen und haben gemein- schaue, welche Bücher reinkommen. sam Themenabende organisiert, Die Antiquarischen gebe ich wei- bei denen es unter anderen um ter an das Gemeindearchiv. Andere 8
gebe ich zum Bücherbasar von Kurt Arnoldini. Da ist immer was los.“ Literatur ist ihr Hobby und sie ist auch in einer Literaturgruppe, in der moderne, englische Literatur gelesen wird. „Manchmal denke ich mir aber schon: 'Komme ich wieder nach Shet- land?' Mein Bruder ist schon 84 Jahre, werde ich ihn nochmals sehen? Solche Gedanken beschäfti- gen mich schon.“ Geheimtipp fürs Älterwerden Man soll nicht zu viel von anderen Menschen erwarten. Wenn ich einen Groll habe, kann ich mich fragen: 'Liegt es an mir oder an den anderen Leuten?' Man kann an sich selber arbeiten. Sich selber nicht so wichtig nehmen. Eine gute Beziehung zu sich und der Welt haben, in die man hineingeboren wurde. 9
Linde Dietrich – Die 15. Nothelferin Jahrgang: 1940 Aus dem Bregenzerwald 1966 nach Rankweil gezogen „Früher haben bei uns Menschen aus dem ganzen „Acht junge Nicaraguaner kamen nach Dornbirn Land angerufen. Mein Mann und ich hatten zwei und sind hier in die Textilschule gegangen. Sie Telefonanschlüsse. Wenn es ein Problem gab, hat haben hier gelernt und drüben ihr Wissen dann er die Leute zu mir weitergeleitet, egal, ob es um umgesetzt“, so Dietrich. Ihre Augen leuchten, als einen Holzkohleofen oder um Geld ging. Bei den sie das erzählt. Südamerika ist ihre zweite Heimat Behörden war ich wohl schon gefürchtet, da ich geworden. „Als die politische Lage sich verschlech- meistens das bekommen habe, was ich brauch- tert hat, bin ich in die Dominikanische Republik te. Ich war die 15. Nothelferin von hier bis zum ausgewichen. Aber nicht zum Urlaub machen. Ich Bodensee.“ Linde Dietrich erinnert sich gern an die bin in die Dörfer hinaus und habe mit den Men- Zeit zurück, als ihr Mann Nationalratsabgeordne- schen gelebt“. ter war und sie mit ihm zusammengearbeitet hat. „Diese 25 Jahre waren die schönste Zeit meines „Inzwischen haben diese Kinder wieder Lebens!“ Kinder und kennen mich immer noch.“ Es war eine anstrengende, aber auch erfüllende Aufgabe für sie. In eine politische Familie hinein- „'Hola Linda', haben sie alle gerufen, die geboren, ihr Vater war Gewerkschafter, hat sie Frauen und Männer. Es ist wie daheim. sich schon sehr früh für Politik interessiert. „Ich Ich bin mit einem Rucksack voll Menta- habe es geliebt, mit meinem Vater zu poli- Zückerle für die Kinder gekommen. tisieren, und er auch. Auch heute noch Inzwischen haben diese Kinder wie- rede ich gerne mit meinen Söhnen der Kinder und kennen mich immer über Politik. Das ist in unserer Fa- noch, das ist einfach schön. Ich milie so weitergegeben worden.“ habe mein Herz an Lateinamerika Mit 37 Jahren gründete sie 1977 verloren!“, gesteht Dietrich. den Pensionistenverband in Rank- weil, den sie 25 Jahre leitete. „Ich kam Einsamkeit hat Linde Dietrich nie aus der Jugendarbeit mit den 'roten Falken'. gespürt. „Ich weiß immer, was Dann habe ich direkt zur Pensionistenarbeit ge- zu tun. Auch wenn es nur eine wechselt. Als ich angefangen habe, waren wir Schublade ausräumen ist. Es sind acht Leute, als ich aufgehört habe 300.“ oft alltägliche Dinge, aber sie ge- hören auch gemacht.“ Zu einer 1966 hat sie als Geschäftsführerin beim Lebens- Dame im gleichen Stock hatte mittelgeschäft „Osirnig“ angefangen. So ist sie sie lange Kontakt. „Wir haben uns nach Rankweil gekommen. „Ich bin aus dem gegenseitig zum Kaffee eingeladen, Bregenzerwald rausgezogen, ohne dass ich ge- über 40 Jahre lang. Letzten Winter ist wusst habe, was mich erwartet. Ich bin hiergeblie- sie nun mit 89 Jahren gestorben.“ ben, habe eine Familie gegründet und zwei Kinder großgezogen. Mittlerweile lebe ich schon zwei Menschenleben hier“, lacht Linde. Mit ihrem Mann, der im Nationalrat für Entwick- lungshilfe zuständig war, baute sie auch Projekte in Nicaragua, Guatemala und Honduras auf. Es entstand eine Textilschule in Managua, die mit Maschinen aus Vorarlberg ausgestattet wurde. 10
Geheimtipp fürs Älterwerden Nicht ans Älterwerden denken! Ich habe nie daran gedacht, dass ich alt werden könnte. Ich fühle mich auch heute nicht alt. Im Herzen ganz sicher nicht! Entweder man wird so alt oder nicht. Mit den Leuten gut auskommen, sie verste- hen und akzeptieren wie sie sind, einer interessanten und schönen Beschäftigung nachgehen, Bescheidenheit, ich brauche nicht viel Geld. 'Humor ist, wenn man trotzdem lacht', ist mein Lebensmotto. 11
Elmar Simma – Der Zuhörer Jahrgang: 1938 In Rankweil geboren und aufgewachsen „Ich bin gerade in die Sennerei Milch holen gegan- „Ahe zu da Lüt und ussi zu da Lüt“, das ist eine gen, da sind mir französische Panzer in der Lang- typische Handbewegung, eine Grundbewegung gasse entgegengekommen. Die Frutzbrücke haben Gottes“, so würde Simma seinen Beruf beim sie während der Frühmesse gesprengt. SSler heiteren Beruferaten als Seelsorger beschreiben. haben sich bei der Gastra verschanzt und ha- „Man muss zu den Leuten gehen, man sieht ben geschossen. Das war für mich als junger so ihr Umfeld, in dem sie leben. Zuhören ist Bub schon spannend. Diese Ereignisse des ganz wichtig, um die Freuden und Nöte der Krieges haben sich tief in mir eingeprägt.“ Menschen zu erfahren. Ein Hausbesuch ist Pfarrer Elmar Simma war zu Kriegsende ein auch eine Wertschätzung.“ junger Bub und wohnte im Hadeldorf in der Den Glauben habe er mit der Mut- Nähe vom Bahnhof. „Unter der Bahn gab es termilch mitbekommen. Früher außer in der Langgasse nur wenige Häuser. Spä- war es selbstverständlich in ter ist das Karmelkloster dazugekommen“, er- die Kirche zu gehen, es war innert sich Elmar. Zuhause lebten sie ohne Bad auch eine gewisse Strenge im und Dusche. Das Klo war ein Glauben. „Ich bin der Meinung, Plumpsklo. „Das Leben da- dass der Glaube befreien soll. mals war noch sehr bescheiden. Ich selbst werde auch mitge- Riebel und Erdäpfel waren unser tragen vom Glauben der ande- tägliches Abendessen“, so Simma. ren und fühle mich im Glauben verbunden, der Trost gibt, Sie waren, wie viele andere auch, Selbstver- wenn es mir schlecht geht“. sorger*innen. Im eigenen Garten und im Feld „Pfarrer Klaus Bissinger hat wurden Erdäpfel, Weizen, Mais und Gemüse an- die Pfarrgemeinde Rankweil gebaut. „Wir waren sechs Kinder und haben da sehr geprägt“, so Elmar weiter, ordentlich mithelfen müssen. Wenn man spielen „Er war eine markante Persön- wollte, musste man sich schon fast davonschlei- lichkeit und hat den Rankwei- chen.“ Beim Spielen waren sie erfinderisch und ler*innen glaubensmäßig viel haben sich meist am St. Peter-Bühel getrof- mitgegeben.“ Besonders gut kann fen. Da haben dann die Oberdörfler gegen die sich Simma auch an die Lichter- Unterdörfler gekämpft, oder wir haben ge- prozession am 1. Mai erinnern, zu spatzekelt, ein Spiel mit Holzstecken. der immer tausende von Leuten gekommen sind. „Das hat uns „Die Pfarre in Rankweil hat mich sehr geprägt. Rankler schon mit Stolz erfüllt.“ Wir haben den ganzen Ablauf des Kirchenjahres als Ministranten mitbekommen. Ich war auch „Ich war aus meinem Beruf Mesner. Von der Werktags- und Sonntagsmesse heraus nie einsam. Ich habe fast bis zum Aufstellen des heiligen Grabes haben wir immer das Gegenteil erlebt und alles erlebt. Wir waren verbunden mit der Basilika musste flüchten, wenn ich allei- und mit St. Peter, der Schulkirche. Ich habe mich ne sein wollte. Ich bin dann Lau- immer als Rankler gefühlt.“ Später war Elmar fen gegangen.“ Ein Vorteil von Simma im Internat im Obergymnasium in Schwaz Rankweil ist die Nähe zu den und dann sechs Jahre in Innsbruck zum Theolo- Bergen, als begeisterter Ski- giestudium. Eine Weile war er Pfarrer in Göfis, ist fahrer und Wanderer ist das für aber wieder nach Rankweil gezogen, als er ihn besonders schön. Die Natur Caritasseelsorger geworden ist. bietet viele Möglichkeiten. 12
Geheimtipp fürs Älterwerden Es ist ein Geschenk, eine Gnade, dass ich relativ gesund bin. Ich mag alles zum Essen und zum Trinken, gönne mir ein Gläschen Wein am Abend. Zufriedenheit und Dankbar- keit, wenn ich am Abend im Winter in ein warmes Haus komme. „Meine Schwester ist Ende November im Haus Klosterreben gestorben. Sie hat dort bis zum Schluss leben können. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir so ein breites Angebot an Be- treuung haben, zum Beispiel den Krankenpflege- verein, Essen auf Rädern, viele Gasthäuser zum Essen gehen, MOHI und der Seniorentreff Rank- weil und seine gute Infrastruktur. Zum Glück bin ich körperlich und geistig noch gut unterwegs und komme so gut zurecht.“ 13
Tini & Günther Hron – Das spielfreudige Doppel Jahrgänge: 1941 & 1935 1994 sind Tini und Günther von Sulz nach Rankweil gezogen Tini Hron ist in Sulz aufgewachsen, Günther in Arbeiten, wir sind für uns, aber doch nicht alleine. Rankweil. Die Liebe brachte die beiden zusammen. Der Zusammenhalt ist wichtig. Wenn etwas ist, Beim Tischtennisspielen kamen sie sich näher. sind sie da.“ Auch das nachbarschaftliche Verhält- „Ich war mit zwei Freundinnen am Spielen, er ist nis ist sehr gut. „Wir sitzen zwar nicht gegenseitig dann mit einem Freund dazugekommen. Ich habe in den Häusern, aber man hilft einander.“ damals in der Stiegstraße im Lebensmittelgeschäft gearbeitet, Günther kam jeden Tag den Brief- „Was fehlt, ist ein Café oder ein Gasthaus“, meint kasten leeren. Da habe ich ihm einmal einen Brief Tini. „Hier in der Schaufel sind wir schon fast wie zugesteckt“, berichtet Tini. So intensivierte sich ein extra Ortsteil. Wir haben einen ADEG, aber ein die Liebesgeschichte. Tini ist 22 und Treffpunkt fehlt schon etwas.“ Günther 28, als sie sich in Maria- Das jährliche „Schuflafest“ zell das Jawort geben. „Dieser Ort bringt jedoch die Leute zu- ist und bleibt ein besonderer für sammen. Auch die Pensio- uns. Immer, wenn wir einen Öster- nist*innenausflüge sind ein reichurlaub gemacht haben, sind wir regelmäßiges Zusammenkom- auch dort vorbei- men.„Jeden Mittwoch gehen wir gekommen.“ Zur auf den Markt und Goldenen Hoch- danach gelegent- zeit vor acht Jahren lich ins Tüble“, waren sie das letzte so Günther. „Älter- Mal dort. werden ist schön. Wir Nach der Hochzeit sind sie haben hier in Rankweil nach Sulz gezogen, um die alles, was wir brauchen. Es kranke Mama von Tini zu gibt genügend Geschäfte pflegen. „Günther ist aber im und man hat Kontakt zu Herzen immer ein Rankler Leuten, wenn man das geblieben. Wir haben in der will.“ Rankweil sei schon Austraße gewohnt, er war fast eine Stadt geworden, sofort in Rankweil“, sagt Tini merkt Tini an. mit einem Augenzwinkern. Das Paar sieht man selten 32 Jahre arbeitete Günther bei alleine. „Uns kennt man nur im der Post, und in der Pension Doppelpack. Wenn ich alleine 11,5 Jahre als Ausfahrer für Es- unterwegs bin, dann fragt man sen auf Rädern. Seit 1994 leben mich: 'Hoi, wo ist dein Mann?' oder sie im Haus, das Günther damals umgekehrt. Und das schon seit 58 mit seiner Schwester in der Schau- Jahren.“ Auch im Alter sind sie noch fel gebaut hatte. Oben wohnen jetzt unternehmungsfreudig. „Wir gehen ihr Sohn und seine Partnerin. „Das viel Laufen, das hält uns fit. Nach funktioniert sehr gut. Wir leben dem Frühstück spielen wir meistens unter einem Dach und wissen, wir eine Partie Halma, das ist eine uns können uns gegenseitig auf- liebgewordene Tradition.“ einander verlassen“, so Tini Hron. „Untertags sind sie am 14
Geheimtipp fürs Älterwerden Tini: Interessiert an allem bleiben, auch Interesse an der Arbeit von anderen zeigen. Zu jedem Scherz aufgelegt sein, z.B. Sack- hüpfen beim Grillfest, so bleibt man jung. Günther: viel Laufen gehen natürlich. 15
Helene Marmsoler – Die Humorvolle Jahrgang: 1929 1969 von Laterns nach Rankweil gezogen „Ich hatte eine schöne Kindheit in Laterns“, erin- Sie erinnert sich: „Wir hatten in unserer Straße das nert sich Helene Marmsoler zurück. „Wir konnten erste Haus, rund um uns gab es nicht viel. Natür- etwas lernen und die Eltern waren gut zu uns. lich wurden wir gehänselt, weil wir aus Laterns Natürlich, als ich 15 Jahre alt war, waren noch die kamen. Ich mag heute noch keine Laternser- französischen Besatzer bei uns.“ Helene weiß auch witze. Ich wehre mich, wenn einer erzählt wird“, eine Anekdote darüber zu berichten: „Ich fuhr mit so Helene. meiner Freundin Luise mit dem Zug nach Bregenz. Wir haben viel gelacht. Die französischen Soldaten „Ich wohne in Rankweil still hatten jedoch den Eindruck, dass ich sie auslach- und friedlich wie damals. Für mich hat sich te. So wurde ich von ihnen mitgenommen und nicht viel verändert. im Zug in einen Coupé-Wagen eingesperrt. Sie stellten mich vor die Wahl, den Wag- Sie hat vier Kinder großgezogen. „Ich wohne gon zu putzen oder mit ihnen Tanzen zu hier still und friedlich wie damals. Insofern gehen. Ich wollte aber nur nach Hause.“ hat sich für mich nicht viel verändert. Die Zum Glück konnte ihre Freundin franzö- Nachbarschaft ist mir sehr wichtig, hier sind sisch sprechen und sie ist zum Vorgesetz- alle sehr hilfsbereit. Eine Nachbarin klopft ten der Soldaten gegangen. „So bin öfters ans Fenster, wenn sie einkaufen geht ich schließlich ohne Konsequenzen und fragt, ob ich auch etwas brauche. Ein wieder rausgekommen. Ja, ich war anderer Nachbar mäht mir den Rasen und damals noch jung und gutgläubig“, eine Nachbarin habe ich zum Reden.“ so Helene. Ihr liebstes Hobby ist das Lesen. „Ich Da ihr Vater kein Nazi war, wurde habe als Kind schon immer gern gelesen er nach dem Krieg der erste Bür- und habe mich auch von der Haus- germeister von Laterns. „Während arbeit weggeschlichen, damit ich lesen des Krieges hat er den Schweizer konnte. Nicht selten habe ich auch am Radiosender gehört. Wir haben Abend unter der Bettdecke gelesen. immer geschaut, dass niemand Jetzt habe ich eine tolle Leselampe, vorbeikommt. Ich kann mich er- die mir das Lesen erleichtert.“ innern, dass wir damals Angst um Jede zweite Woche trifft sie sich auch ihn hatten.“ mit vier Freundinnen zum Jassen. „Das mache ich auch gerne. Wir sind ja jetzt Ihr Mann arbeitete als Volksschul- alle geimpft und da geht es wieder.“ lehrer in Laterns und unterrichtete die einklassige Volkschule mit über „Hier am Küchentisch ist meine Hei- 30 Kindern. „Meinen Mann zog es mat“, bekräftigt Helene. Gerne geht raus nach Rankweil und so sind wir sie mit der Senior*innenrunde in 1969 umgezogen.“ Mit Hilfe von Freun- verschiedene Gasthäuser essen. „Wir den hat er dann das Haus gebaut. werden jeden Freitag sogar abge- Dadurch hat sich viel in ihrem Leben holt. Man hat es fein im Alter, wenn verändert. „Ich konnte in Rankweil man ein bisschen mag.“ viele Beziehungen zu unterschiedlichen Leuten aufbauen, zum Beispiel in der Familienrunde oder auch bei den Jahr- gänger*innenfesten.“ 16
Geheimtipp fürs Älterwerden Ich habe mich nie an Rezepte gehalten, auch nicht beim Kochen. Man hat mir kein langes Leben prophezeit. Ich hatte eine Bandscheibenoperation am 80. Geburtstag. Ich habe mich immer jünger gefühlt als ich bin. Ab 85 Jahren habe ich die Jahre nicht mehr mitgezählt. Ich bin dankbar für alles, was mir möglich ist. 17
Husseini Soltan – Der Schneider Jahrgang: 1957 2015 von Afghanistan nach Vorarlberg gekommen „Von Beruf bin ich Schneider. Zuerst hab ich in kann, und am Abend wieder heimkommt. Lange- einem Betrieb mitgearbeitet, dann habe ich selbst weile ist ein Gefühl, das er gut kennt. eine Schneiderei aufgemacht. Das geht in Afgha- nistan ganz ohne Ausbildung. Ab und zu habe ich Im November 2015 ist er mit seiner Familie zu- auch als Bauer auf großen Feldern ausgeholfen. erst nach Götzis und kurz danach nach Rankweil Hier in Vorarlberg ist es nun schwierig, eine Arbeit gekommen. Das Leben in Rankweil gefällt ihm. zu finden.“ Husseini Soltan sehnt sich nach „In meiner Heimat gibt es oft Kämpfe zwischen Arbeit. Viel Zeit verbringt er zu Hause. Er den Menschen und es ist in der Nacht ge- bringt und holt die Kinder von der Schule fährlich, auf die Straße zu gehen. Vor allem ab oder er arbeitet im Garten. Doch er auch für die Kinder. Seit Krieg in Afghanistan wünscht sich eine richtige Arbeit. ist, habe ich gemerkt, dass ich schneller alt werde. Hier in Österreich herrscht zum Glück „Ich wünsche mir eine richtige Arbeit. Friede. Das schätze ich sehr.“ Er versteht Ich möchte am Morgen rausgehen sich sehr gut mit den Österreicher*innen und am Abend wieder heimkommen.“ und auch mit den Menschen, die wie er nach Vorarlberg zugezogen sind. Arbeit ist in Afghanistan ein wichtiger Auch mit den Nachbar*innen kommt Teil des Lebens. „Ich war drei Monate er sehr gut aus. Freunde zu finden, im Deutschkurs, aber dann war dieser ist jedoch nicht so einfach. „Nachdem wieder fertig. Mit über 60 Jahren bin der Deutschkurs vorbei war, ist jede*r ich vom AMS schwer vermittelbar“, so wieder seine eigenen Wege gegangen.“ Husseini. „Als ich jünger war, konnte ich machen, was mich interessiert hat. Sein Wunsch ist es, mit seiner ganzen Jetzt im Alter ist dies nicht mehr mög- Familie in einer großen Wohnung zu lich.“ Er wünscht sich einen Arbeits- leben. Und er wünscht sich, auch hier alltag, wo er am Morgen rausgehen Schneider sein zu können. 18
Geheimtipp fürs Älterwerden Gesundes Essen, immer etwas zum Arbeiten haben, denn in meiner Heimat Afghanistan ist Arbeit wichtig. 19
Josef Loretz – Der Pionier Jahrgang: 1947 1954 von Koblach nach Rankweil gekommen „1975 habe ich meinen Raumausstatter-Betrieb und irgendwie ist das schon gegangen. Und wirk- hier in der Merowingerstraße gegründet, als ein- lich: Ich hatte neue Stoffe und Ideen, die ich nach zelner Kämpfer, weg vom Dorf damals. Aber ich Rankweil mitgebracht habe“, schmunzelt Joe, wie hatte gute Vorbilder wie den Schriften 'Nachbauer' er von Freund*innen genannt wird. oder die Spenglerei 'Entner'. Da habe ich mir ge- dacht: Das schaffe ich auch am Rande der „Selbständig sein heißt für mich: Ehrlichkeit, Gemeinde.“ einen vorausschauenden Blick, Pünktlichkeit und eine 60 bis 70 Stundenwoche. Außerdem Geboren wurde Josef Loretz 1947 in ist Service und persönliche Beratung sehr Bludenz. In der Kriegszeit wurde sein wichtig.“ Vater in der kleinen Walsergemeinde Lech als Meisterkäser angestellt. Trotzdem blieb ihm noch genug Zeit, sich für Seine Eltern übersiedelten 1952 seine Familie und seine Hobbies zu engagie- nach Dalaas, 1953 nach Koblach ren. In seiner Wohnung grün- und 1954 nach Rankweil. dete er die Merowinger Rhyth- „Rankweil ist meine Heimat, musgruppe, die später zu den hier fühle ich mich wohl, habe Merowinger Bläsern erweitert viele Kollegen und kenne viele wurde. Joe spielt leidenschaftlich Leute, da ich in etlichen Ver- Klarinette. einen tätig war.“ Die Gesel- In den 1980er Jahren war er zehn lenjahre verbrachte er in der Jahre lang Zunftmeister und organi- Schweiz und machte 1974 den sierte drei Handwerksaustellungen in Meisterbrief als Tapezierer und Rankweil. Auch ein Buch („Arbeit ist des Bettwarenerzeuger. Lebens Würze“) und eine neue Zunftfah- 1968 heiratete Josef Evi und ge- ne entstanden unter seiner Agenda. meinsam haben sie vier Kinder. „Die Pension ist eine schöne Zeit. Ich Auch beruflich änderte sich einiges: verbringe gern Zeit am See und in den Was in einer Doppelgarage seinen Bergen. Mit Fredi Lang spiele ich jeden Ausgangspunkt nahm, entwickelte Dienstagmorgen im Duo Klarinette. Auf- sich mit der Zeit zu einem Raum- tritte haben wir im Haus Klosterreben oder ausstatterhaus. „Ich war auch zwei auch bei Messen in der Valduna und im Jahre Junghandwerkerobmann der St. Peterskirchele. Hier in Rankweil kenne Wirtschaftskammer und habe in ich die Leute und die Leute kennen mich. Ich dieser Zeit viele Kontakte geknüpft. schätze den Garten und da darf ich immer In meiner Selbständigkeit bis zum wieder gute Gespräche führen. Wir haben Jahre 2007 war ich gerichtlich wirklich eine sehr gute Nachbarschaft.“ Das beeideter Sachverständiger. Ich prägt den „Original-Vorarlberger“. wollte einfach den anderen etwas voraus sein. Und so bin ich zu den „Nach dem Tod meiner Frau Evi war ich schon Messen nach Mailand, Paris und einsam, aber da musst du an dir selbst London gefahren.“ Seine Frau arbeiten. Ich bin oft am Abend auf dem hat sich immer gewundert, wie er Hochstand gesessen und habe mit dem das mache, konnte er doch nur Herrgott geredet. '25 Jahre brauch i noch', Rankler Dialekt. „Ich habe mich habe ich ihm gesagt. Und er hat gesagt: 'Ja das mit Händen und Füßen verständigt passt.'“ 20
Geheimtipp fürs Älterwerden Ich war nie richtig krank. Wenn doch, dann bin ich mit Knoblauch, Rum, Tee und acht Pyjamas im Bett gelegen, dann am nächsten Tag wieder in der Werkstatt gestanden. Kein Neid gegenüber anderen, Bescheiden- heit, etwas für die Seele: Klarinette spielen und die Natur genießen. 21
Antonia Gutschner – Die Modeliebhaberin Jahrgang: 1949 1965 von Spanien nach Rankweil gekommen „Ich dachte: Das ist eine Katastrophe, dass ich untertags zu Pflegeeltern gegeben. „Das Kind war hier in Rankweil bin“, so schildert Antonia Gut- bei Erika, sie ist bis heute meine beste Freundin. schner ihre Ankunft in Rankweil mit 15 Jahren. Wir kennen uns jetzt 54 Jahre.“ Ihre Mutter, die zuvor nach Vorarlberg ausgewan- dert ist, hat sie nach einiger Zeit nachgeholt. „Ich „Aufstehen und rausgehen! lebte bei meiner Tante und mit meinen Freun- Nicht nur in der Wohnung sitzen.“ dinnen in einer großen Stadt in Spanien und war glücklich. Dass ich hier in Rankweil gelandet bin, „Ich fühle mich nicht wie 72. Ich will etwas er- das war für mich ein großer Schock.“ leben. Nicht nur in der Wohnung sitzen“, so „Mein Ziel war es, arbeiten zu gehen, etwas Antonia. „Oft stehe ich auf, ziehe mich an Geld zu verdienen, und dann ein Zugticket und sage: 'Aufstehen und rausgehen!' Und zurück nach Spanien zu kaufen. Als ich wenn ich dann nur eine Runde mit dem Bus das Geld zusammen hatte, habe ich aber fahre. Anschließend, wenn ich dann wieder bemerkt, dass meine Mama meinen Pass zuhause bin, fühle ich mich wohler.“ Ein Jahr versteckt hat.“ So blieb Antonia Gutschner hat sie bei der Caritas im carla Store ge- nichts anderes übrig, als sich mit dem Ge- arbeitet. „Leider war diese Arbeit aber danken anzufreunden, in Rankweil zu zeitlich begrenzt.“ leben. Eine große Sorge von Antonia „Mit Erika bin ich früher oft nach St. Gutschner war, ob sie die deutsche Margrethen in den Rheinpark gefah- Sprache jemals lernen würde. „Ich ren. Da haben wir dann alle 'Stück- habe mich dann mit Kindern ange- le' genommen, die wir erwischen freundet und Wort für Wort Deutsch konnten“, lacht Antonia. „In einer gelernt. Zuerst einzelne Wörter, Modeboutique wurde ich vom Chef dann habe ich mir selber Sätze angesprochen, ob ich nicht für die zusammengestellt“, so Antonia. Boutique modeln will. Ich habe ihm „In Spanien sind wir erst um 22 gesagt, dass ich drei Kinder zuhause Uhr weggegangen, hier hat meine habe und dass es nicht geht. Er hat Mama gesagt, dass ich um 21 Uhr lange Zeit nicht lockergelassen.“ zuhause sein soll. Mir hat das gar nicht gefallen.“ Wünsche hat Antonia noch einige: „Ich will etwas unternehmen, ich will „Meine Familie bedeutet mir sehr wer sein. Etwas mit Mode, ja so etwas könnte viel. Ich habe 14 Enkelkinder.“ ich mir vorstellen. Etwas schneidern, Mode ist immer noch meine große Leidenschaft.“ Antonia „Ich bin an einem Montag 1965 gekom- hat früher ihre Kleidung selber geschneidert. men, am Donnerstag habe ich meinen Und zurück nach Spanien? „Für ein Jahr bin ich Ehemann vorgestellt bekommen.“ Es war damals zurück nach Spanien. Ich wollte das ein Bekannter ihrer Cousine. Die Cousine probieren. Aber es hat mir nicht gefallen.“ war sehr begeistert von der Hochzeit. Antonia schildert die Situation so: „Es hat dann aber „Meine Familie bedeutet mir sehr viel. Am trotzdem gut geklappt mit der Ehe.“ Mit 19 besten gefällt es mir, wenn alle hier sind und wurde sie zum ersten Mal schwanger. Insge- mit den Tellern zum Essen anstehen. Letztes samt brachte sie vier Kinder zur Welt. Beim Mal habe ich Spaghetti mit Muscheln gekocht, ersten Kind hat Antonia Gutschner da sind sie zu zehnt angestanden“, schmunzelt noch voll gearbeitet und hat das Kind Antonia. Sie hat 14 Enkelkinder. 22
Geheimtipp fürs Älterwerden Immer positiv bleiben, morgen ist wieder ein neuer Tag, am nächsten Morgen auf- stehen und sagen: 'Hallo Antonia, da bist du. Du musst gute Gedanken haben, kein schlechtes Gewissen. 23
Gerda & Werner Sonderegger – Die Kunstliebhaber Jahrgänge: 1945 & 1940 Gerda Nemec zog 1962 mit ihrer Familie nach Rankweil, mit Werner wohnt sie seit 1972 hier. „Hast du nicht noch einen Platz frei in deinem Werners Herz schlägt auch für die Keramik. Erst Puch 700, um Gerda in ihre Schule mitzunehmen?“ bei der Lehrbefähigungsprüfung kam er mit Ton in Etwa so fragte ein Bekannter. Ab dem 26. Oktober Berührung. Die Begeisterung für das Gestalten mit 1964 hatten sie einen gemeinsamen Schulweg. Ton wuchs. In den Ferien gab er mehrtägige Kurse „Eineinhalb Jahre später haben wir in den österreichischen Bundesländern. 1991 wur- dann geheiratet“, erzählt Werner de der Verein Schlosserhus als Sonderegger. Werner war ab Verein für Bilden und Gestalten 1957 Landesjungscharführer. Er gegründet. Werner ist ein Grün- besuchte die 5. Klasse LBA, Ger- dungsmitglied, fungierte seit da die 1. „Wir Mädchen haben 1994 25 Jahre lang als Obmann ihn sehr geschätzt, weil er und ist bis heute im Vorstand. einer der wenigen war, Seit 1989 pflegt Werner einen der die Mädchen immer intensiven Kontakt mit gegrüßt hat.“ Ich habe dem Keramischen Kreis mir dann gedacht: Kapfenstein. Raku-Bren- „Wen wird der wohl nen und Großplastiken heiraten? Ich werde standen dort im Mittel- es schon erfahren, punkt. Als die Schlos- er ist ja Landesjung- serei beim Schlos- scharführer“, schildert ser-Ammann-Haus Gerda ihre Erinnerun- abgebrochen werden gen. sollte, wurde diese Seit 1972 wohnen sie vom Verein Schloss- gemeinsam in Rankweil, erhus zur Keramik- in dem Haus, das Gerdas werkstätte ausgebaut Vater errichtet und dort sei- und seither intensiv nen Betrieb aufgebaut hatte. genutzt. Seit 1997 gibt Als Wissenschaftler forschte es in Rankweil alle und erfand er elektromedizini- zwei Jahre im Wechsel sche Geräte – die Interferenz- mit Kapfenstein den Rank- stromtherapie. weiler Keramiksommer mit großer Ausstellung und Beide lieben sie die Kunst. internationaler Besetzung. Gerda spielt jeden Tag Klavier. „Das hält zusammen. Sie spielt Gerda ist in der Kirche Klavier und wir singen gemein- sehr aktiv. Zwei Perioden sam dazu“, so Werner. Gerda war sie im Pfarrgemein- ergänzt: „Er sollte auch öfter derat im Arbeitskreis Geige spielen.“ Eine Mitbewoh- „Ehe und Partnerschaft“ nerin im unteren Stockwerk hat und ist heute noch gemeint, Gerda solle doch am Lektorin. Auch das Abend noch länger Klavier spie- Pfarrblättle („Eines der len, sie höre das so gerne. Das besten Österreichs“, wiederum freute Gerda sehr. sagt Gerda) trägt sie 24
Geheimtipp fürs Älterwerden Wir sind beide noch jung. Alle, die unter 90 sind, sind noch jung! Alt werden ist auch schön, man darf sich nicht an Fähigkeiten festklammern, die man früher hatte. Altes geht, Neues kommt. Gutes Miteinander pflegen, wissen wofür wir leben, wertschätzenden Umgang mit sich und miteinander, immer wieder neue Kontakte pflegen. nach wie vor aus. „Gemeinsam gehörten wir dem „Wir haben uns immer gut ergänzt, als Lehrperso- Pilgerteam an“, berichtet Gerda. „Nachdem sich nen, als Eltern, als Referent*in in der Eltern- und die Grenzen zu Osteuropa geöffnet hatten, pilger- Erwachsenenbildung für das Kath. Bildungswerk“, ten wir 1994 von Rankweil nach Maria Zell zum so Gerda. „Wir waren immer zweisam. Auch gute internationalen Treffen.“ nachbarschaftliche Beziehungen sind uns wichtig.“ 25
Karl-Heinz Fritsche – Der Wissensvermittler Jahrgang: 1948 1974 vom Bürserberg nach Rankweil zugezogen Für Karl-Heinz Fritsche war schon früh klar, dass ich in der Volksschule Montfort 46 verschiedene er Lehrer werden wollte. Und das aus zwei Grün- Muttersprachen aus allen Kontinenten. Diese gro- den. „Mit sieben Jahren habe ich mitbekommen, ße Herausforderung wurde bis zum Jahr 2000 wie ein Lehrling vom Meister behandelt sehr gut durch zwei bis drei zusätzliche wurde. Der Meister hatte beim Abmessen Förderstunden gemeistert.“ eines Rohres selbst einen Fehler gemacht, es aber dem Lehrling in die Schuhe gescho- Sein Wissen gab Karl-Heinz Fritsche auch ben und ihm eine Watsche gegeben. Da war als Obmann des Obst- und Gartenbauvereins für mich klar, das wollte ich nicht“, so Karl- Rankweil an viele Kinder und auch Erwach- Heinz Fritsche. „Andererseits war mein Vater sene weiter. Seit mehr als 35 Jahren steht schon früh schwer krank und ich hatte mir er diesem Verein vor. „Mir war es immer überlegt, wie ich ohne allzu lange Ausbildung wichtig, dass die Kinder im wahrsten eigenes Geld verdienen konnte. Nach der Sinn des Wortes geerdet sind. Ich habe Matura wollte ich eigentlich Mathematik und schnell mit Schulprojekten begonnen, Physik studieren, bedingt durch die Krank- wo die Kinder vom Pflanzen des Bau- heit meines Vaters aber wurde ich Lehrer“. mes bis zur Ernte alles miterleben Als Karl-Heinz Fritsche 1974 nach Rank- können“, so Karl-Heinz. weil heiratete, wurde er Lehrer an der Hauptschule Rankweil. „Ich war Fachko- „Die Familie ist der Kern. ordinator für Mathematik und habe den Wenn es in der Familie passt, Schulversuch nach Rankweil gebracht. geht es dir gut.“ Stufenübergeifend zusammenzuarbei- ten erwies sich als effektiv. Aber auch „Die Familie ist der Kern. Wenn es in der die Lehrer*innen konnte man besser Familie passt, geht es dir gut, sonst hast motivieren,“ so Fritsche. Am Lehrer-Sein du schlechte Karten. Meine Frau, unsere gefiel ihm, immer etwas Neues ausprobie- Tochter mit ihrem Mann und ihrem Kind ren zu können und für andere da zu sein. sind das Zentrum meines Lebens“. Dadurch, dass seine Tochter und sein Schwiegersohn 1989 wechselte er schließlich als Direktor an berufstätig sind, ist ihr Enkelkind Leander oft die Volksschule Montfort. „Mein Direktorskol- bei ihnen. „Das genieße ich sehr“, so Karl- lege an der Volksschule Markt, Theo Furxer, Heinz Fritsche. hat mich dabei von Anfang an unterstützt und „Als meine Frau im Spital war, hatte ich zum wir waren 20 Jahre lang ein sehr gutes Team. Glück ein Netz in der Familie und mit lieben Davon haben auch die anderen Pflichtschulen Freund*innen. Auch wenn ein Partner nicht profitiert. Durch einen wöchentlichen Jour fixe da ist, dann gibt es Menschen, die zusam- mit allen Direktor*innen der Rankler Pflichtschulen menrücken und mittragen. Die Tochter und und ein aktives Agieren gegenüber der Gemeinde der Schwiegersohn sind im Haus, also ist konnten wir sehr viel für die Kinder erreichen.“ Einsamkeit kein Thema. Aber ich kenne „Die große Herausforderung in den 1990er Jahren Einsamkeit von meiner Schwester. Ihr war die Integration von migrantischen Kindern. Mann ist im Altersheim, sie konnte ihn Zuerst gab es mehr migrantische Kinder in der nicht mehr pflegen. Ich sehe da durchaus Volksschule Markt, während wir an der auch meine Verantwortung sie zu unter- Volksschule Montfort nur acht Kinder stützen“. hatten. Bevor ich in Pension ging, zählte 26
Geheimtipp fürs Älterwerden Zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht für die Ewigkeit gebaut sind. Sich täglich über das Sein freuen. So wenig wie möglich aufhören, weil alles, was du aufhörst, nicht mehr zurückkommen wird. Zufrieden sein mit dem, was du hast, machen was möglich ist und nicht jammern, wenn etwas nicht mög- lich ist. 27
Franz Schäfer – Der Sportliche Jahrgang: 1944 1960 von Schlins nach Rankweil gezogen „Ich komme ursprünglich aus Schlins, bin das „In Rankweil hat sich viel verändert. Die Josefs- jüngste von fünf Kindern. Ich habe meinen Vater kirche, Schulen, der Vinomnasaal oder Bahn- bereits mit sechs Jahren verloren. Ein Unfall mit unterführungen wurden in den 1960 bis 70iger schweren Kopfverletzungen beeinträchtigte mein Jahren gebaut. Großmärkte sind dazugekommen, Lernen in der Schule, und Fußball spielen mit was nicht unbedingt zu unserem Vorteil war. Das Freunden war nicht mehr möglich. Früh sagte man haben wir drei Metzger im Dorf schon gespürt. Am mir, dass es ideal wäre, wenn ich einen Schluss bin nur ich noch übriggeblieben“, erinnert Beruf mit familiärem Anschluss aus- sich Franz Schäfer. üben würde.“, so Franz Schäfer. Koch oder Metzger waren zwei Berufe, die Bei seiner Pensionierung hat er das Geschäft in der engeren Auswahl standen. verkauft. Sein Sohn hat die Fleischerlehre mit „So kam ich 1960 in einem sehr kalten Meisterprüfung gemacht, wechselte später in eine Winter nach Rankweil zur Metzgerei andere Branche. Seine Tochter arbeitet als Logo- Holzer. „Wir haben 20 Schweine pädin. „Dass ich das Geschäft verkauft habe, ist pro Woche geschlachtet und dann auch der Marktgemeinde zugute gekommen, weil von Hand die Borsten vom Fell sie das Grundstück bekommen haben, auf dem gekratzt.“ Durch diese körper- jetzt das Sozialzentrum 'Klosterreben' steht. Wir lich schwere Arbeit ergab sich ein sind in den Reitweg gezogen und haben dort erfreulicher Nebeneffekt: Beim ein Haus gebaut.“ KJ Skilager war Franz immer der Beste beim „Fingerhöckla“. „Mit 40 Jahren habe ich angefangen Renn- rad zu fahren. Das war für mich immer „Als Lehrling musste ich dann den ein guter Ausgleich zum Beruf. Ich bin Leberkäs mit dem Moped bis nach auch ein leidenschaftlicher Skifahrer und Nofels zustellen. Das ist mir in be- segle gerne am Bodensee“, so Franz. sonderer Erinnerung geblieben, vor Zur körperlichen Fitness verhilft ihm die allem wenn der Winter kalt war.“ Die Turnerschaft und der Radverein mit den Gesellen- und Meisterprüfung legte wöchentlichen Ausfahrten. er bei der Metzgerei Holzer ab. Danach bekam er vom Viehhändler Deutschmann „In Rankweil lebe ich gern, weil ich die das Angebot, das Geschäft in Bludenz Leute sympathisch finde. Beim Spazieren zu übernehmen. Vier Jahre hat er dort treffe ich viele Menschen, alte Kundschaf- mit zwei Mitarbeitern und einem Lehrling ten, die ich kenne. Es gibt viel Programm. gearbeitet. Als Holzer ihm das Geschäft Die Gymnaestradas haben mich besonders übergab, ist er wieder nach Rankweil beindruckt und begeistert. Das Alte Kino zurückgekommen. trägt viel dazu bei. Da wird es nie lang- „Meine Frau war Verkäuferin beim weilig. Ich bin bei verschiedenen Vereinen Lebensmittelmarkt Sutterlüty und ich aktiv: Bei 'Senioren helfen Senioren' im habe dort immer das Fleisch angeliefert. Vermittlungsteam, wo wir Haus-/Garten- So habe ich sie kennengelernt. Sie war arbeiten und Fahrdienste übernehmen. auch schon in Bludenz mit dabei und Die Stelle MITANAND der Marktgemeinde hat mitgeholfen, als wir das Geschäft in unterstützt uns.“ Bei den „Sängern“ ist Rankweil aufgebaut haben. Dank der er seit 1978. „Da haben sie gesagt: treuen Stammkunden und der Zusam- 'Komm zu uns: Singen musst du menarbeit im Betrieb ist es in der Folge nicht können.' Hier geht es auch gut gelaufen.“ um das Beisammensein und die Unterhaltung.“ 28
Geheimtipp fürs Älterwerden Unter die Leute gehen, sich nicht zu viel zurückziehen, gut essen, gut trinken, ein bisschen Geld im Sack. 29
Gertrud Blocher – Die 100-Jährige Jahrgang: 1920 1933 als Kind von Bludenz nach Rankweil gezogen Gertrud ist am 25. Dezember 1920 in Bludenz waren in gleiche Dirndl gekleidet, auch ich hatte geboren. Ihre Mutter war Magdalena Burtscher, für Festtage ein solches Dirndl. Wir haben diese geb. Thaler, die 2. Frau vom Witwer Hermann gemeinsam mit einer Störnäherin selber genäht. Burtscher. „Die Mutter starb als ich 8 Jahre alt Mein Mann war über 50 Jahre Sänger im Lieder- war. Sie hatte die Grippe, es gab damals eine kranz, meine Mädchen waren im Orchesterverein, Grippeepidemie, wie jetzt Corona“, so Gertrud. im Kirchenchor und bei der Kantorei, meine Söhne Ihr Bruder verstarb ein Jahr später an derselben bei den Tornados, bei der Bürgermusik und Joe bei Krankheit. verschiedenen Musikbands. „Mein Vater war Ofenbauer und hat den braunen Kachelofen in der Wirtsstube des Rankweiler Ho- „1960 ist das neunte Kind geboren. Wir hatten fes eingebaut, der heute noch dort steht und von eine große Familie, es gab immer viel zu tun und vielen bewundert wird. Da hat man gesagt, der ich habe mich nie einsam gefühlt. Das Schönste Rankweiler Hof wird verkauft. 1933 hat mein Vater in meinem Leben war, wenn ein Kind gesund das Gasthaus gekauft und wir sind nach Rankweil zur Welt kam und das Schlimmste war der gezogen. In Rankweil bin ich noch kurz zur Schu- Unfalltod von meinem Sohn Ludwig im le gegangen, dann blieb ich zuhause und musste Alter von 26 Jahren.“ im Gasthaus mit anpacken.“ „Das Schönste in meinem Leben Mit 19 Jahren hat sie Ludwig Blocher geheira- war, wenn ein Kind gesund tet, den sie beim Freilichtspiel am Liebfrauen- zur Welt kam.“ berg kennengelernt hat. Er kam dann öfters in den Rankweiler Hof und musizierte für die Schon als Jugendliche spielte Gäste mit verschiedenen Instrumenten. Gertrud gerne Schach. „Mein Vater hat eine Schacholympi- Sie hat für sich und ihre neue Familie ade im Rankweiler Hof veran- immer das Beste gehofft, aber leider staltet. Mit 13 Jahren habe ich ist es anders gekommen. Im gegen den Zahnarzt Bergmann Herbst ist der zweite Welt- eine Partie gespielt und ich krieg ausgebrochen. Das habe ihn Schachmatt gesetzt. war bis Kriegsende und in der Nachkriegs- Er war dann eine Weile auf mich zeit für die Familie mit damals sechs Kindern beleidigt“, erinnert sich Gertrud eine schwierige Zeit. „Mein Mann hat uns neben Blocher. Noch heute spielt sie täg- seinem Beruf mit dem Gitarrespielen finanziell lich eine Partie Schach, gegen sich verhalten. Jedes Kind hat ein Instrument gelernt. selber oder freut sich über eine Wir haben von der Musik gelebt. Am Höhepunkt Partie mit Enkelkindern, denen sie der Musikkarriere ist die Familienkapelle Blocher das Schachspiel beigebracht hat. auf Einladung von Feriengästen 1959 im Tivoli- Oder sie spielt Partien aus dem saal in Kopenhagen aufgetreten. Diese Veranstal- Telemagazin nach. tung wurde im dänischen Fernsehen live über- tragen“, berichtet Gertrud. Sie war bei diesem „Der Wohnort Rankweil bedeutet Auftritt nicht dabei, weil sie ihren Sohn Hubert zur mir sehr viel, hier unter der Basilika Welt brachte. Später spielte die Familienkapelle darf ich wohnen. Mir ist es noch nie bei Weihnachtsfeiern im ganzen Land, bei so gut gegangen. Ich werde jetzt Heimatabenden für Feriengäste und Festver- bedient. Dieses Bedienen wird von anstaltungen von Vereinen. Die vier Mädchen meinen Kindern, die in der Nähe 30
Sie können auch lesen