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einfach und schnell einkaufen subito Menü: Grönland-Suppe Eisbären-Filet Gurkensalat 'Gilgoise' Wir wollen alles und zwar Coupe Packeis Château Traîne-de-gaze Very nice biergarten. A bit alternative. The building ZT visit ET J T e N h ÄN t R s B e I v Fabrikzeitung Nr. 359, Juni/Juli 2020 R its ser ZÜ elf de
Freiheit ist für Grönland anst ecke eine urbane grüne Insel mit Nutzgarten, Pop nd FREI TAG FLAG SHIP FREI SEIN GEHT IMMER Glauben Sie auch an h FREI HEIT? lic irk w ir w nd si t m äm ek r g be au r s Nu Up Stores und vielen bunten Anlässen
D’Bewegig, das war für mich eine gewaltige Eruption, wöhnliche Momente, aber auch an Freundinnen und Freunde, din, die schon lange in Zürich lebt, aber nicht lange genug, Provinzstadt einen nachhaltigen Tritt in den Hintern gegeben. bensfreude, nach Gleichaltrigen, nach Gruppengefühl, nach Lossagung von Autoritäten, nach Gerechtigkeit, eigener Le- schaftsstadt mit einer Handvoll bürgerlicher, ewiggestriger vor dem Zürcher Opernhaus, wo für 60 Millionen ein Fleisch- käse gebaut werden sollte. Wo ich damals war, weiss ich ge- warum die Jugendbewegung von 1980 für Zürich so bedeut- den, aber immer noch stimmig: D’Bewegig hat Zürich kom- Fremdwort. Damit machte d’Bewegig Schluss. Mit ihrer lau- rinnen und Schreiberlinge von damals sind auch heute mit ler und das Chinazelt im Theaterspektakel. Aus dem AJZ-Kino Unruhe, Jugendunruhe oder Jugendbewegung 80. Angefan- nau, aber es ist mir etwas peinlich. Ich war auf jeden Fall weit die das an den Tag beförderte, was damals in vielen jungen Menschen schlummerte: das schiere Bedürfnis nach Lust, Le- Vor ein paar Tagen fragte mich eine deutsche Freun- dentenbewegung von 1968 nicht, obwohl letztere die ganze Welt erschüttert hat. Die Antwort ist schon oft gegeben wor- plett verändert. Sie war ein lokales Phänomen, sie hat einer Bis 1980 war Zürich eine verbunkerte, triste Banken- und Wirt- Kulturtempel. Die Trottoirs waren nach Arbeitsschluss hoch- Für mich dauert d’Bewegig in einem gewissen Sinne bis heute an. Aus dem AJZ-Spunten wurden der Tessiner Kel- das Xenix, das Riffraff und das Kosmos. Aus dem AJZ und der Besetzung am Stauffacher die neuen Wohngenossenschaften Dreieck, Kraftwerk, Karthago und Kalkbreite. Die bunten, wil- den und militanten Strassenproteste führten zur Eroberung des öffentlichen Raumes. Viele Musikerinnen, Zeichner, Filme- Josy Meier ist selbstständige Drehbuchautorin und war während vieler Jahre Teil der ihren Arbeiten präsent. Ebenso einige Politaktivist*innen mit Für uns hiess sie schlicht «d’Bewegig». Nichts mit Zürcher sam ist, dass sie alle zehn Jahre gefeiert wird, aber die Stu- geklappt, die wenigen netten Treffpunkte wurden von der Po- lizei argwöhnisch beobachtet und öffentlicher Raum war ein dend. In meinem Herzen trage ich Erinnerungen an ausserge- gen hatte d’Bewegig mit einem Paukenschlag am 30. Mai 1980 ten Forderung nach Freiräumen und wilden Strassenprotesten brachte sie das langweilige und konservative Zürich zuerst ins D’Bewegig war wild, kompromisslos und überbor- Bewegung (und Stillstand) «D‘ Bewegig» sorgte 1980 für ein stürmisches Klima in Zürich. Die von der damaligen Stadtregierung in den 1970er Jahren für die das Versprechen nach Freiheit zu gross war. ignorierten Forderungen nach alternativen, nicht von den Be- hörden kontrollierten Kulturangebote bildeten den Nährbo- den für zunehmende Demonstrationen und die verzweifelten bensgestaltung und gaaanz viel Freiraum. bis dadaistischen Sprüche, an die wir uns bis heute erinnern. Wanken und dann – langfristig – zu Fall. Das Aufeinanderprallen von jugendlichen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Strukturen fand am 30. Mai 1980 in den Opernhauskrawallen ihren grössten Ausbruch. Die Zürcher anarchistischen Buchhandlung Paranoia City. ihren vielfältigen Aktionsfeldern. Jugendunruhen äusserten sich an diesem Tag mit einer sol- chen Heftigkeit, dass selbst internationale Medien wie die «New York Times» darüber berichteten. weg und ein Greenhorn. Bereits damals war klar, dass Zürich nach 1980 nicht mehr dieselbe Stadt sein würde. Zwar kam die Bewegung nach dem Abriss des Alternativen Jugendzentrums AJZ hinter dem Hauptbahnhof 1982 weitgehend zum Erliegen, aber das vielbeschwörte «Eis» war gebrochen. Davon zeugen nicht nur Josy Meier die erkämpften und erschaffenen heute noch bestehenden Räume in der Roten Fabrik oder dem Kanzleiareal, sondern auch eine offenere Haltung gegenüber Besetzungen und al- ternativer Kultur sowie zahlreiche Anlässe wie das Theater- spektakel, Openair Kinos, oder später der Streetparade. Die Beispiele deuten es an: Durch die neue Akzeptanz damals alternativer Lebens- und Kulturformen entstanden auch neue Zielgruppen für den Konsum- und Werbemarkt. Im Zusammenhang mit der Zürcher Bewegung wird häufig be- tont, wie betoniert Zürich vor 1980 im Stadtbild und in den Köpfen war. Die von der Bewegung geforderte Öffnung wurde zu einem Faktor der ökonomischen Attraktivität Zürichs. Erst die alternative Kultur machte Zürich zur «Weltstadt», die sie alleine durch Banken und Industrie nie geworden wäre. Heute, vierzig Jahre nach dem Höhepunkt der Bewe- gung müssen Industrieareale nicht mehr vor dem Abriss auf Vorrat gerettet werden. Stattdessen werden von der Stadt Projektwettbewerbe zur Entwicklung (oft gleichbedeutend mit Zwischennutzung) von Arealen lanciert. Oder sie werden Die ungeschriebene(n) Geschichte(n) Wo liegen die Untiefen dieser erzählerischen Logik? Und wel- gleich eigenhändig von internationalen Digitalkonzernen und der Achtziger-Bewegung che anderen Geschichten der Achtziger-Bewegung werden von Innovation-Hubs umgebaut, die mit ausgefallenen Arbeits- Nadine Zberg ihr verdeckt? Diese «Festschreibung» der Achtziger-Bewegung modellen das kreative Potential abschöpfen möchten. Vielen sieht in der Bewegung den zentralen und kausalen Ausgangs- scheint dies als gesellschaftlicher Fortschritt zu reichen – und «Im Sinne ihrer politisch definitionsmächtigen Festschreibung punkt der Gegenwart. So wird in «Capitales Fatales» ausführ- so erstaunt es nicht, dass heute der kollektiv-geführte «Ziegel ist die Geschichte des Opernhaus-Krawalls und der Achtziger lich geschildert, wie die «Revolte» in den verkrusteten städte- Oh Lac» von Gästen in einem Zug mit dem kommerziellen Jugendbewegung längst abgeschlossen.» Das schrieb der Zeit- planerischen Stillstand der 1970er Jahre Bewegung brachte «Frau Gerolds Garten» genannt werden kann. Die Grenzen zeuge und Journalist Stephan Ramming in der Einleitung des und die Modernisierung Zürichs (zur «Weltstadt») katalysierte. zwischen alternativem Idealismus und kommerziellem Asset 2001 erschienenen Buchs ‹Wir wollen alles, und zwar subito!›. Ein impliziter Nebeneffekt dieser Darstellung ist, dass den zu- verschwimmen. Jede Neu-Erzählung der Ereignisse könne nur eine subalterne rückblickenden Zeitzeugen – es sind Männer, die dieses Narra- D’Bewegig ist je nach Anschauung in der Stadt auf- Variante dieses bereits bestehenden «Macht-Diskurses» bil- tiv vor allem zu prägen scheinen – darin wie zufällig die Rolle gegangen oder zum Stillstand gekommen. Wir haben fünf den. Seinen eigenen Wunsch nach «Teilhabe am Historisie- der tragischen Helden zukommt, die im Kampf für das Gute Autorinnen und Autoren gebeten, auf die Ereignisse der 80er rungsprozess» der Bewegung bezeichnete Ramming daher als (alternative Freiräume) unwissentlich auch dem Bösen (Kapi- Jahre in Zürich zurückzuschauen und kritisch zu reflektieren. «naiv». Diese unantastbare erzählerische Machtposition ge- talismus, Kommerz, Gentrifizierung) den Weg bereiteten. Nicht Zusätzlich haben wir zehn damalige Bewegte (und Unbeweg- hörte laut Ramming den NZZ-Redaktoren – die Welt damals nur die Kulturschaffenden, Alternativen und Jungen von heute, te) nach ihren Erinnerungen an den 30. Mai 1980 befragt, und bestand aus dem generischen Maskulin – und Vertretern des sondern auch die Kapitalist*innen haben also eigentlich alles auch danach, was in ihren Augen von der Bewegung geblieben «Establishments»: den Erzfeinden der Achtziger-Bewegten, ihnen zu verdanken… ist. Was ist ihr «Verdienst», was hat sie «angerichtet» und wann die jedes Verständnis für die jugendlichen «Verweigerer» ihrer- Dass Zeitzeug*innen geneigt sein mögen, prägenden ist sie zum Erliegen gekommen? Erhalten haben wir persönli- seits verweigerten. und ereignisreichen Phasen in ihrer Biografie eine zentrale che und reflektierte Zeitzeugnisse, die helfen, das Geschehene Im Jahr 2020 scheint deren Deutungsautorität in Rolle ihrer Interpretation der Welt zuzusprechen, ist nachvoll- einzuordnen – und mehr oder weniger explizite Forderungen Bezug auf die Ereignisse der frühen 1980er Jahre in Zürich ziehbar. Hinter dieser kausalen Erzähllogik lauert aber noch und Fragen für heute: «Wo ist die nächste Bewegung?» erodiert worden zu sein. Wer zur Achtziger-Bewegung recher- ein Fallstrick: Sie folgt nämlich einem Geschichtsbild aus dem chiert, stösst vorab auf eine Fülle an Materialien, die vor allem 19. Jahrhundert, das auf der Vorstellung eines stetigen Fort- Editorial von Ivan Sterzinger der Perspektive der Bewegten Raum geben und/oder von schreitens der historischen Entwicklung in Richtung «Moder- damals selbst Beteiligten verfasst wurden. Stilbildend darun- nisierung» oder höherer Stufe des «Zivilisationsprozesses» ter ist zweifellos der erwähnte Sammelband von Heinz Nigg, beruht. Sozialen Bewegungen kommt dabei die Rolle von mit dem dieser der Achtziger-Bewegung ein Denkmal setzte Motoren zu, die diese Entwicklung beschleunigt voranbringen und in dem sich Rammings so pessimistische Einschätzung – in der marxistischen Interpretation bekanntlich solange, bis der eigenen Wirkungsmächtigkeit findet. Der Band präsentiert auf der höchsten Stufe der Entfaltung der Produktivkräfte die sich in einer Form, die späteren Publikationen zur Achtziger- Revolution eintritt. Wenn also die Achtziger-Bewegung als Bewegung als Muster diente: als vielstimmiges Kaleidoskop, progressive «Revolte» letztlich die Höherentwicklung des Zür- das eben gerade kein einheitliches Bild der Bewegung ent- cher Kapitalismus – Stadtvermarktung, Globalisierung, Neo- werfen will. Und doch verdichtet sich in diesem Panorama liberalismus – bewirkt haben soll, dann folgt diese Erzählung eine zwar variierende, aber in ihrem Kern konstante «Fest- genau dieser geschichtlichen Logik. schreibung» oder Deutung der Achtziger-Bewegung, an der Mal abgesehen davon, dass wir nun schon länger auf ehemalige Bewegte einen wesentlichen Anteil haben. die Revolution warten, ist auch diese Auffassung von Geschich- Das Kondensat dieser «Festschreibung» besteht in te nicht mehr ganz taufrisch, und zwar, weil sie Zusammenhän- einem Satz, der als Bilanzierung der Achtziger-Bewegung zu ge so stark vereinfacht, dass viele Phänomene in dieser Logik einer Art Mantra geworden ist. Auch in der Ausschreibung zu nicht erzählt werden können. Die neuere historische Forschung dieser Nummer der Fabrikzeitung fiel er wieder: «Die neuen begreift gesellschaftliche Veränderungen daher als komplexe, Archipele der alternativen Kultur machten Zürich erst zur Welt- willkürliche und von Ungleichzeitigkeiten geprägte Prozesse, stadt, die sie allein mit der distinguierten Monokultur von die in erster Linie andere – nicht bessere oder modernere – Banken und Multis nie geworden wäre.» Er findet sich in der historische Konstellationen hervorbringen. In Bezug auf die Publikation «Capitales Fatales» des International Network for Achtziger-Bewegung würde eine solche Sichtweise erstmal Urban Research and Action (INURA) von 1995 und stammt aus bedeuten, sie als historisches Ereignis von der Last zu befreien, der Feder von den ehemaligen Bewegten Hansruedi Hitz, Ursprung der gegenwärtigen Zu- und Missstände zu sein. Da- Christian Schmid und Richard Wolff. Deren Erzählung geht mit wird der Blick frei auf eine Vielzahl von anderen Geschich- dabei so, dass der Staat 1982 einerseits mit Repression das ten über die Achtziger-Bewegung. Drei Themenfelder, die mir widerständige Moment der «Revolte» der Achtziger-Bewe- besonders interessant scheinen, möchte ich kurz skizzieren. gung zerschlug und andererseits zugleich mit einer guten Als erstes lohnt es sich, das auch von den INURA- Nase für die kommerzielle Verwertbarkeit vieler Anliegen und Autoren starkgemachte Thema der (alternativen) Kultur neu Strategien der Bewegung diese «domestizierte» und sozusa- zu betrachten. Die Achtziger-Bewegung muss hier als ein gen als Triebrad ins ökonomische System «integrierte». Da- Ereignis in einer ganzen Reihe zahlreicher weiterer seit den durch wurde die Achtziger-Bewegung unfreiwillig zur Wegbe- 1960er Jahren gesehen werden. Ab dann wurde in einem Es wurde ein langer, heisser Sommer. Ein Sommer, Freude und grosse Erfolge bringen sollte. Wer hätte gedacht, tiger Sicht, viel Vorstellungskraft!): 60 Millionen mal so hopp, sich der Demo an. Es gab eine regelrechte Strassenschlacht, monstrantInnen gaben nicht auf. Das Ganze verlagerte sich dass diese Nacht meine nächsten zwei Jahre bestimmen wird Miklós Klaus Rózsa (*1954) dokumentiert seit den 1970er Jahren als politischer Aktivist die Polizei die Hippies an der «Riviera» und die Kiffer jagte und Man muss sich vorstellen (es braucht dazu, aus heu- lauten liess: «Popmusik ist keine Kultur». In einer Stadt, wo schäfte geplündert! Und dann das auch noch das: Im Hallen- eine «Rasen betreten verboten»-Mentalität herrschte, in der es kommen musste, die Leute flüchteten und – aber stopp! Das gab es noch nie! Die Polizei zog sich fast zurück, sammel- te sich und schoss dann mit Tränengas zurück. Aber die De- stadion war am selben Abend ein Bob Marley Konzert. «Get Leute strömten von Oerlikon direkt ins Dörfli und schlossen der die Polizei überhaupt nicht gewachsen war. Dann holten der zwei Jahre dauern sollte, der viele Schmerzen, noch mehr Ich war als Fotojournalist unterwegs. Leute rund um die Grup- pe «Luft und Lärm» hatten zu einer Demo aufgerufen gegen einen Umbaukredit für das Opernhaus. Über 60 Millionen soll- in einer Stadt, dessen Stadtpräsident erst gerade noch ver- gab – wobei die «Nacht» um 2 Uhr dann zu Ende war – in die und ein Megafon. Schon kamen sie aus dem Gebäude ge- stand zu spüren: Steine und Baulatten wurden von der NZZ- Richtung Niederdorf. Dort ging es weiter: Leute aus den Spe- lunken kamen heraus und machten mit, plötzlich wurden Ge- die Schmier ihre Geheimwaffe aus der Urania: Gummige- schossgewehre mit entsprechender Munition. Die Leute wa- ren überrascht und entsetzt. Aber in der verwinkelten Altstadt und Fotograf gesellschaftliche und kulturelle Bewegungen. Aufgrund seiner Tätigkeit wurde er jahrelang von der Schweizerischen Bundespolizei, Kantonspolizei und Stadt- man aber kaum reinkam, weil die Security niemanden mehr reinliessen (ausser gegen Bestechung). In einer Stadt, in der gen: 200 bis 300 Menschen, mit einem Fronttransparent «Wir sind die Kulturleichen». Über das Bellevue kommend über- breitet sich auf den Treppen zum Opernhaus aus. Es war alles und alle friedlich, Transparente, eine Kuhglocke, Seifenblasen stürzt, die Trachtengruppe Urania im Vollwichs, die uns im Innern des Opernhauses erwartet hatte. Nun ja, es kam wie Sie kamen zurück! Zum ersten Mal war so etwas wie Wider- und gegen die riesige Übermacht, hatten die Polizisten auch so querte der überschaubare Zug die Sächsilüüte-Wiese und up stand up, fight for your right!» war das letzte Lied, die es keine Freiräume gab für Jugendliche, keine Räume ohne Konsumzwang, wo es gerade mal zwei oder drei Nachtkaffees Baustelle angeschleppt und flogen gegen die Polizisten. Wow! Nun, es versammelten sich die üblichen Verdächti- keine Chance. Erst gegen Morgen früh beruhigte sich die Lage. reiterin des heutigen neoliberalen «Lebensqualitäts»-Zürich Spannungsfeld von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Der 30. Mai 1980 wird mir immer in Erinnerung bleiben. mit Standortranking-Spitzenplatzierung. Varianten dieser These Gruppen, staatlichen Akteuren sowie den Kulturschaffenden scheinen seither immer wieder auf, wenn von der Bewegung selber intensiv über eine «Demokratisierung» der Kultur dis- die Rede ist, auch bei solchen, die die politischen Lager inzwi- kutiert, wobei der Begriff der «Kultur» eine markante Bedeu- schen gewechselt haben. So führt Kenneth Angst, einstiger tungsverschiebung und -ausweitung erfuhr. Konflikte bestan- ten dort verbaut werden. Das nervte – und wie! Bewegter und späterer NZZ-Redaktor, in seiner 2010 im Sam- den nicht so sehr bei der Frage, ob alternative Kultur berechtigt Detailreich, auch heute – 40 Jahre danach….. melband ‹ Zur(e)ich brennt› erschienenen Bilanz sowohl die sei und gefördert werden sollte – sondern vielmehr darüber, plurale und liberale urbane Gesellschaft des 21. Jahrhunderts was dieser Begriff umfasste und was nicht. (Damit beschäfti- als auch «die kulturelle Kommerzialisierung des öffentlichen ge ich mich aktuell in einem Beitrag, der in diesem Jahr in der und mein Leben auf den Kopf stellt! Raums in unserer marketinggesteuerten Event- und Selbstin- Publikation zum 40-jährigen Jubiläum der Roten Fabrik er- szenierungsgesellschaft» auf die Bewegung zurück. scheinen wird.) In diesem Kontext ist auch das berühmt-be- jede Demo im Keim erstickt hat. Deutlich wird, dass gerade für die selbst an der Be- rüchtigte Diktum des damaligen Stadtpräsidenten Sigmund wegung Beteiligten dieses Fazit der eigenen politisch aktiven Widmer, dass «Rockmusik keine Kultur» sei, zu verorten: Dass Vergangenheit von einer tiefen Ambivalenz geprägt ist. Der die in den 1970er Jahren populär werdenden grossen und Alt-Achtziger Mischa Brutschin stellt in einem Interview von kommerziellen Rockkonzerte nun auf einmal auch «Kultur» 2016 resigniert fest: «Das Bittere ist ja – da musste ich leer sein sollten, überstieg wohl tatsächlich den Horizont des Miklós Klaus Rózsa polizei Zürich überwacht. schlucken, als mir das bewusst wurde – dass die Bewegung schöngeistigen Germanisten und Lehrer, als Stapi seines Zei- der 80er-Jahre den Boden für das moderne Zürich gelegt hat.» chens zuständig für die «Kulturpflege», wie es damals noch In die zum Teil vorhandene Genugtuung oder gar zum Stolz, hiess. Der springende Punkt hier ist aber nicht eine Verteidi- den Anstoss zum «bunten», «urbanen», «vielfältigen» Zürich gung von Widmers antiquiertem bildungsbürgerlichen Kultur- der Gegenwart gegeben zu haben, scheint sich Enttäuschung verständnis, sondern die Tatsache, dass die «Kulturalisierung» darüber zu mischen, unabsichtlich der Agenda des politischen von Gesellschaft und Stadt – ein wichtiger Faktor bei der Gegners in die Hände gespielt zu haben. Aufwertung der Stadtzürcher «Standortattraktivität» in den
s‘Operehuus und für di Rot Fabrik» folgten wir deshalb nicht. Am 30. Mai 1980 war ich am historischen Bob Marley Konzert: ner im «Pin-up» – das Tagebuch der «Bewegung» geführt: alle geblich verantwortlich dafür, dass ich heute da bin wo ich bin. Neunzigern – nicht erst durch die Achtziger-Bewegung auf die Traum der Welt «Get up, stand up, stand up for your rights» (Bob Marley, Nach dem Konzert sollte der Abend gemütlich ausklingen, gleichzeitig eine geballte Ladung angewandter Staatskunde. matischer Bob Marley, Party-Stimmung, Ganja-Schwaden. D‘Bewegig war eine eigentliche Kulturrevolution und Heisscoole Reggae-Songs, politisch-lyrische Texte, ein charis- Schade. Aber was wir verpasst hatten, holten wir in den der Befreiung ging durch Zürich und löste gewaltige Energien aus, Energien, die Zürich zu einer anderen Stadt machen soll- und die Beziehungen, die ich hier knüpfen konnte, sind mass- Mein Studieninteresse verlagerte sich auf das Thema Stadt- bruch Zürichs miterleben und mitprägen. Was ich hier lernte Richard Wolff (*1957) ist Stadtentwicklungsforscher und Mitbegründer des Internati- wir wollten schwelgen, mehr Musik hören. Den laut geschrie- Menschen kennen zu lernen, die gewaltigen Kräfte mitzuerle- ben, die mobilisiert wurden. Ein süchtig-machendes Gefühl Rote Fabrik. Von hier aus konnte ich den kulturpolitischen Auf- er in den Zürcher Stadtrat gewählt, wo er aktuell dem Tiefbau- und Entsorgungsde- nen Aufforderungen «Chömed alli i d‘Stadt – a d‘Demo gäge mehrere Jahre als Sekretär und Vorstand in der Roten Fabrik engagiert. 2013 wurde wäre, b) von Staates wegen so darauf reagiert und c) Zürich Es war unglaublich bereichernd, so viele unterschiedlichste entwicklung und beruflich engagierte ich mich im 80er Projekt onal Networks for Urban Research and Action INURA. Ab den 80er Jahren war er über hatte nicht geglaubt, dass a) so etwas in der Schweiz möglich Für mich persönlich war «1980» ein Wendepunkt: Durch d‘Bewegig wurde ich massiv politisiert. Ich Agenda gesetzt wurde. Die Bewegung erscheint somit nicht Michael Hiltbrunner Neuerscheinungen, Gigs und Ereignisse, die ich für wichtig mehr als Initialzündung, die radikale neue Impulse setzte, hielt, sind bis Anfang 1980 durch meine Schreibmaschine ge- sondern als Episode eines vielstimmigen gesellschaftlichen Die 80er-Bewegung in Zürich – eine assoziative Erinnerung auf schleust worden», schreibt er 1982 im Musikzine «Pin-up». Aushandlungsprozesses, der schon jahrelang geführt worden Nebenpfaden… Am liebsten mag ich die Sachen, die von der Der Text wurde in «Hot Love», dem Buch zu Swiss Punk und ten. Das Grau war plötzlich weg, die Starre auch. war. Eine solche Geschichte der Achtziger-Bewegung kann Bewegung selbst nicht sehr geschätzt wurden. Die F+F Schu- Wave, 2006 noch mal abgedruckt. nun neue Fragen stellen. Etwa danach, inwiefern die kultur- le, Bands wie Kleenex/Liliput, das Projekt Verdorbene Jugend, Auch die Lektüre wert sind Ausgaben der Zeitschrift nächsten Tagen, Wochen und Monaten nach. politischen Diskussionen der 1970er Jahre den Rahmen schu- die Welttraumforscher von Christian Pfluger, die Hexenkurse «Der Alltag» aus dieser Zeit, damals im herzerwärmenden A5- fen, in dem die Forderungen der Achtziger-Bewegung erst von Doris Stauffer an der Helmutstrasse, wo auch Luft & Lärm Format (später war sie grösser und dicker aber nicht mehr so artikulierbar wurden. Oder danach, wie die Achtziger-Bewe- ihren Anfang nahm, die Arbeit von Robert A. Fischer oder das charmant). Als «Sensationsblatt des Gewöhnlichen» enthält gung in diesen kulturpolitischen Deutungskampf intervenier- RecRec Musikgeschäft. z.B. die Ausgabe vom Oktober 1980 einen Report mit Foto- sich dermassen verändern würde. te und an welche bereits bestehenden Deutungen und Inhalte Meine Kindheitserinnerung an die 80er-Bewegung in grafien zur Stadtwanderung vom Flughafen Kloten bis nach 30.5.1980, Hallenstadion Zürich) sie dabei anschliessen konnte; und so fort. Zürich ist, dass die Aktiven gar nicht in Zürich waren, sondern Schwamendingen. Ein zweites Themenfeld, dessen Abwesenheit in den vor der polizeilichen Repression ins Tessin und in die Toskana Bei Elke Betzel in Frankfurt am Main erschienen um Erzählungen der Achtziger-Bewegung frappant ist, ist die flohen. Die spannendsten Leute waren besonders unter Druck: 1980 mehrere spannende Bücher aus Zürich: Das Fotobuch Frauenbewegung der 1970er Jahre. In der politischen Auf- einerseits durch staatliche Repression und andrerseits durch von Walter Pfeiffer (mit Aufnahmen in der F+F), das Buch zur bruchsstimmung von 1968 und vor dem Hintergrund der De- ihre eigenen Freund*innen. Das haben sie erzählt, als wir sie F+F («Genie gibt’s») und, sehr wichtig, «Prima Volta»: «der batten im Vorfeld der Einführung des Stimm- und Wahlrechts in Spruga im Onsernonetal und in der Toskana auf einem Bau- erste deutsche Fotoroman» von Beat Schmidlin und Barbara partement vorsteht. für Frauen in der Schweiz 1971 hatte sich in Zürich die Frau- ernhof besuchten. Eigentlich gute Orte. Manchen bezahlten Schneider. Die Geschichte von «Prima Volta» spielt in Zürich. enbefreiungsbewegung (FBB) gebildet – die erste politische die Eltern was dran – sie konnten da ohne Lohnarbeit leben. Sie handelt von einer Selbstfindung im Kunstmilieu, mit be- Richi Wolff Bewegung in der Schweiz, die in ihrem Selbstverständnis War die 80er-Bewegung also eine Mittelklasse-Bewegung? kannten Gesichtern und wundervoller Gestaltung. Die Deka- autonom war. Darin, in ihrer anführerinnenlosen, fluiden Or- Zu einem guten Teil wahrscheinlich schon. Bei diesen Exil- denz, die Drogen, die oben-ohne-Bilder und das Bettgeflüster ganisationsform in Arbeitsgruppen, in ihrem kreativen Aktio- Besuchen habe ich jedenfalls früh nicht nur Skepsis gegen- zeugen von einer machoiden Gesellschaft, von dem sich die nismus und ihrer Forderung nach Räumen nahm die FBB über staatlicher Allmacht, sondern auch gegen selbsternann- Publikation nicht wirklich distanziert. Vielleicht waren das die viele Merkmale der Achtziger-Bewegung vorweg. Weder wird te Szene-Chefs bekommen. Viele der Protagonist*innen sind 80er: Sie waren «dagegen», machten aber trotzdem voll mit. aber die Frauenbewegung als Vorläuferin in den Erzählungen mir recht unsympathisch, sie stellen sich oft extra dumm, Die Macho-Schlagseite von «Prima Volta» erinnert der Achtziger-Bewegung erwähnt, noch der (erfolgreiche) geben sich als Einzelkämpfer*innen, machen derbe Sprüche mich daran: Ja natürlich, «Kassandra» die «feministische zeit- Kampf der FBB für ein Frauenzentrum in die Chronologie des gegen Sensibles und Intellektuelles. schrift für die visuellen künste», die 1978 nur in zwei Ausga- Kampfs um Freiräume gestellt. Ein Gang ins Archiv zeigt, dass Auch gescholten wurde die F+F. Die Schule für expe- ben in Zürich und Berlin erschien, und die 1975 in Zürich die FBBlerinnen schon zu AJZ-Zeiten mit einiger Bitterkeit rimentelle Gestaltung war eine seit 1971 aktive Schule im gegründete «Lesbenfront». Beide sind lesenswerte Zeitschrif- feststellten, dass das, was bei ihnen Jahre davor noch als «zu Sinn der «Radical Education», sie entwickelte eine alternative ten, kulturelle Ereignisse oder noch deutlicher: Wichtiges wenig politisch» verlacht wurde, nun von denselben Männern Gestaltungspädagogik. Im 1987 abgerissenen Drahtschmidli, Kulturgut. Sie sind noch spannender als die «Fraue-Zitig», die «beklatscht» werde. Das spannende Material, zum Beispiel wo heute das Jugendkulturhaus Dynamo steht, hatte die jeweils bei meiner Mutter auflag. In der «Kassandra» Nr. 1 das underground-Heft «hubers modeblatt», enthält Berichte, Schule ihr Zentrum, weitere Schulräume waren Ende der gibt es von der Gestalterin und Verlegerin Alice Juliana Lang denen zufolge sich viele Aktivistinnen aus der Frauenbewe- 1970er-Jahre am Sihlquai 67 im Kreis 5 – gleich neben dem auch einen Bericht zur zweiten «Hexenwoche» bei Doris gung anfänglich mit Begeisterung der Achtziger-Bewegung Autonomen Jugendzentrum AJZ, das am 28. Juni 1980 eröff- Stauffer an der F+F Schule. anschlossen, an den VVs bald aber ein Klima «latenter Frau- nete. Im Kreis 4 hatte die F+F Ateliers an der Freyastrasse 20 Doch zurück zum Kanon: Sicher war es sehr schön, enfeindlichkeit» wahrnahmen und «ein schleichendes … Un- und im Restaurant Sonne an der Hohlstrasse 32. Die Sonne wie Deutsch-Amerikanische Freundschaft im Houdini spielten, behagen unter den ‹eigenen› Leuten» empfanden. Die Verge- war damals auch Treffpunkt der Hell’s Angels und Übungs- das im Kino Walche vom AJZ aus organisiert wurde. Auch hät- waltigungen im AJZ (und der kollektive Umgang damit) raum von Kleenex. Bekannt ist es heute als «Milieulokal», te ich gerne das Festival «Tonmodern» gesehen in der Roten trugen das ihre dazu bei, den Graben zwischen den politisier- oder sagen wir mal «Kontaktlokal». Ebenfalls im Kreis 4 eröff- Fabrik, 1982 und 1983. Es gibt also durchaus bewundernswer- ten Frauen und der Bewegung zu vertiefen. nete Doris Stauffer 1978 die Frauenwerkstatt für die Hexen- te Ereignisse der 80er. Stephan Ramming schrieb in seinem Text, dass sich in kurse, die sie seit 1977 an der F+F angeboten hatte und dafür Der RecRec-Plattenladen war ein absolutes Highlight, der Achtziger-Bewegung «die Jugend … als unsichtbarer Teil vom Schulleiter Hansjörg Mattmüller angefeindet wurde. Und aber gerade der RecRec blieb am Rande der Szene. Es wurde der Gesellschaft plötzlich sichtbar» gemacht hatte. Indem die in der Roten Fabrik hat die F+F seit 1979 ein Atelier, das heute wenig wahrgenommen, was sie dort entwickelten: «RecRec «Jugend» als «Jugend» sichtbar wurde, wurden andere solche noch besteht. Um 1980 war also die F+F Schule an vielen Kno- Music betrachten wir als Forum der Anderen Musik – Musik, politischen Benennungen und Anliegen verdeckt: eben zum tenpunkten der 80er-Bewegung präsent. Sie hat den Style die sich nicht an einer Verkäuflichkeit orientiert oder modi- Beispiel die «Frauen», oder auch die «Migrant*innen» – das und den Drive dieser Bewegung massgeblich mitgeformt. schen Trends anpasst – sondern mehr versucht, neue Formen dritte Themenfeld, auf das ich eingehen möchte. Zwar wird in Klaudia Schifferle hatte an der F+F studiert. Sie war des musikalischen Ausdrucks zu realisieren. (...) Musik reflek- den Erzählungen der Bewegung immer wieder betont, dass bei der Band Kleenex/Liliput dabei, die für die 80er-Bewegung tiert Wirklichkeiten und Veränderungen, in denen wir leben; (vor allem italienische) Secondos und Secondas mit dabei ge- in Zürich doch recht wichtig ist. Eine Frauenband, bei der zeit- sie betrifft, klärt, verwirrt und ist gegenwärtig.» So steht es wesen seien. Mit ihren Slogans wie «Freie Sicht aufs Mittel- weise auch Jungs spielten. Mit einer Musik, die heute noch im RecRec Katalog 1986–1988. meer» bezogen die Bewegten dazu ihre Forderungen nach sehr gut klingt. Man kann natürlich die grosse Box kaufen, die Nachdem Veit Stauffer mit einer Defizitgarantie des einer lebenswerteren Stadt auf eine (romantisierte) Vorstel- 2010 bei Kill Rock Stars erschien. Und sicher sind all die Sing- Vereins «Kunst und Kommunikation» der F+F Schule 1978 in lung des Lebensgefühls im südlichen Nachbarland. Doch die les gut, die sie machten. Aber wenn wir mal eine LP in Ruhe Zürich ein Konzert der Band Henry Cow organisiert hatte, migrantischen Anteile an der Bewegung bleiben in den bishe- hören möchten, spiele ich die Liliput LP von 1982, besonders gründeten er und Daniel Waldner 1979 den RecRec Vertrieb. rigen Erzählungen der Achtziger-Bewegung genauso unsicht- Seite B. Die Plattencovers sind meist von Peter Fischli oder 1981 kam der Laden dazu. Die von ihnen in der Roten Fabrik, bar wie jene der Frauen. Und auch der Verweis auf die migran- Fischli/Weiss gestaltet, was sie auch zu Hinguckern macht. im Houdini des AJZ und anderswo organisierten Konzerte tischen Kämpfe in den 1970er Jahren – etwa im Zusammenhang An der F+F waren auch Fredy Meier, der als Teil von enthalten starke Namen, die ich sehr empfehlen kann. Um nur mit der «Überfremdungs»-Initiative von James Schwarzen- «Herr und Frau Müller» über das Schweizer Fernsehen zu Be- einige zu nennen: Feminist Improvising Group (1979), Aksak bach – fehlt in den Vorgeschichten der Achtziger-Bewegung. kanntheit gelangte, und Daniel Schäublin, der als Mann mit Maboul (1981), Red Crayola (1981), Family Fodder (1981), This Ein weiterer Hinweis darauf, dass das Verhältnis zwischen dem blutendem Auge, getroffen vom Gummigeschoss, abgebildet Heat (1982) oder Honeymoon Killers (1982). Auch die erste LP migrantischen Zürich und der linken Szene, aus der sich die wurde. Daniel Schäublin war an der F+F Dozent und eigentlich ihres Labels mit Débile Menthol (1982) aus Neuchâtel ist ein Bewegung unter anderem rekrutierte, zumindest ambivalent ein spannender Fotograf, wie das Archiv der F+F zeigt. Nun ist Hit. Und die Gestaltung der Platte, gemacht von Peter Bäder, war, könnte sein, dass es gerade die leeren Wohnungen der im er in die USA ausgewandert und äussert sich offenbar nicht very nice. Der Aufkleber des RecRec-Versands gilt als Gütesie- Zug der Rezession ausgewiesenen «Gastarbeiter» in Ausser- mehr künstlerisch – oder versteckt es so gut, dass ich davon gel für Schallplatten. Eine davon ist «Verdorbene Jugend» von sihl waren, in denen sich Mitte der 1970er eine alternative Sze- nichts finde. Ebenso realisierte Stephan Eicher seine erste 1984. Im Lied «süchtig nach dir» lautet der Refrain: «Ich liebe ne von WGs und Kommunen etablierte. Die Forderung nach Single mit Noise Boys, die als Kassette erschien, als Projekt dich, ich will dich vögeln, ich hasse dich, weil ich dich lieb.» einer postmigrantischen Geschichte der Achtziger-Bewegung an der F+F. Vielleicht sind das die 80er, aggressiv auf der Suche nach der stellt aktuell auch Rohit Jain im Buch «Labitzke Farben», das Völlig für sich stand Christian Pfluger mit seinem eigenen Sensibilität. dieses Jahr bei der Edition Hochparterre erscheint. Projekt Welttraumforscher. Aber als Mitarbeiter im Musikzine Doch all diese kleinsten Pendelbewegungen des kul- Damit sind nur drei Themenfelder angedeutet als «cut» war er ab 1982 doch mit der Zürcher Szene verbunden, turellen Sensoriums sind wohl belanglos in der Wahrnehmung Denkfäden, entlang derer sich neue und andere Geschichten für das er auch mal Fischli/Weiss (1984) interviewte. Musika- von aussen. So sind Massenbewegungen: Am Ende bleibt in der Achtziger-Bewegung erzählen lassen. Es gibt mit Sicher- lisch starteten die Welttraumforscher 1981 mit der Kassette den Köpfen nur der liebe Obdachlosen-Prediger mit dem Esel heit noch viele mehr. Nicht nur muss die Frage nach den «Herzschlag Erde» und machten ihr Ziel bekannt: «Der Wel- – und Tränengas. Schon verrückt, dass die gleiche Polizei, die Machteffekten der Bewegung neu gestellt, sondern auch ihr tentraum / der Traum der Welt / steckt irgendwo / auf dieser heute Schwulenclubs beschützt und bei Verbrechen keine Na- Verhältnis zur restlichen Gesellschaft überdacht werden. So Welt / wir wissen nicht / ob es ihn gibt / und doch erforschen tionalitäten mehr bekannt geben darf, damals wöchentlich würde ein Raum geschaffen für eine differenziertere, vielfälti- / wir den Traum der / Welt». Wer die Kassette nicht hat, kann Demos niederknüppelte und mit dem anti-linken Spitzeldienst gere und wie ich meine, aufschlussreichere Geschichte der es im Katalog nachlesen, der 2013 beim Kunsthaus Langen- von Ernst Cincera flirtete. Laut dem Blog von RecRecs Veit Achtziger-Bewegung. Denn diese ist mit Sicherheit noch nicht thal erschien. Stücke von der Kassette erschienen 2005 auf Stauffer war der Polizeichef der Stadt Zürich bei der Beerdi- (fest)geschrieben. der CD-Compilation «21 Weltraum Standards», die ich leider gung der Kleenex/Liliput-Mitbegründerin und Gitarristin Mar- nicht habe. lene Marder (1954–2016) sogar diskret unter den Trauergästen, Nadine Zberg ist Historikerin und forscht an der Universität Zürich zur Politisierung Bei «cut» schrieb manchmal auch Robert A. Fischer, neben der Stadtpräsidentin Corine Mauch. der Stadtplanung im Zürich der 1970er-Jahre. 2016/17 hat sie in der Shedhalle u.a. an einem Projekt zu «Urban Citizenship» mitgewirkt. damals im Tessin wohnhaft, der Ende 1976 das Fanzine «Mi- Michael Hiltbrunner ist Kulturanthropologe und Kunstforschender am Institute for nimal Rock» gestartet hatte: «Ich hab von Anfang an – ab No- Contemporary Art Research der Zürcher Hochschule der Künste. Er arbeitet auch als Quellenhinweise: Kenneth Angst et al.: Zur(e)ich brennt, Zürich: vember 76 im «Minimal Rock» und ab 1978 mit Arnoldo Stei- freischaffender Kurator und unterrichtet Kunsttheorie und Kulturanalyse. Europa Verlag Zürich, 2010. Michele D’Ariano Simionato/Marco Jacomella (Hg.): Katalog der Ausstellung «Alles ist Gut. Freiräume in der Stadt Zürich 1960-2015», Luzern: Präsens Editionen 2016. Hansruedi Hitz et al. (Hg.): Capitales Fatales. Urbanisierung und Politik in den Finanzmetropolen Frankfurt und Zürich, Zürich: Rotpunktverlag 1995. cken neben mir. Was ich ganz sicher weiss, es gab diesen Abend. DRS und arbeitete auch für die Nachrichtenagentur DDP/AP. ofen heizen mussten. Wir hörten Radio. Piratenradio. Ich glaube, ter Fuss doppelt so gross wie mein linker. Ohne Übertreibung. Ich bin dann an Krücken ins Hallenstadion gehumpelt. auch «groovy», was im Nachhinein schwer verständlich ist. Jahre für das Schweizer Fernsehen, zuletzt als Redaktionsleiterin des Kulturplatz. Rollbrett. Das war sehr cool. Wenn ich mich richtig erinnere, men. Ich war wie elektrifiziert. Mein Freund verliebt genug, dass meiner Lieblingstools von Google, zeigt einen leichten Anstieg begonnen für die Neuen Zürcher Nachrichten zu arbeiten, eine habe mein Feuerzeug geschwenkt, als er «No women, no cry» ganz gut das erste Mal. Bin nicht hingefallen. Nur bremsen mit mässiger Begeisterung Germanistik. Nebenbei hatte ich katholische Tageszeitung, die es heute nicht mehr gibt. Ich kam alles scheint mir heute ikonografisch. Ich glaube diese Zeit hat sagten wir damals jedoch nicht «cool», sondern «läss», das zwischen 18 und 19 Uhr von der Redaktionssitzung an der Ja, ich war am legendären Bob Marley-Konzert. Und ja, ich ein anderer Abend, an dem ich dank dem Schwarzsender dabei weniger als einem Jahr tot ist, hätte ich wohl geheult. Dann Mein Freund und seine Kumpels fuhren schon damals ren und einen steilen in den 80er Jahren. Na also!) Wir sagten schüssige Strasse irgendwo auf dem Land, ohne Verkehr. Ging 1980 war ich in meinem zweiten Jahr an der Uni und studierte Holbeinstrasse im Seefeld und bemerkte vor dem Opernhaus Teilnehmern versammelt. Bald flogen die ersten Steine, dann Später wechselte ich zum Regionaljournal von Radio Bei einem Einsatz vor dem AJZ wurde ich einmal von einem den. Einmal wurde ich verhaftet und einige Stunden von der los war. Anscheinend hatten auch Konzertbesucher*innen das kam das Tränengas. Das Geschehen verlagerte sich vom Opern- Gummigeschoss getroffen und musste im Spital verarztet wer- Tönz – er war auch der Schweizer Korrespondent von «Aktzen- der wir jungen Journis damals über diese Unruhen berichtet haben. Umgekehrt war die Antwort des Staates jenseits jeg- licher Verhältnismässigkeit. Mir scheint, diese Zeit werde heu- Das wichtigste war für mich rückblickend die Entfal- war die ganze Bewegungs-Ästhetik. Das Strassenblatt «Iis- brecher», der Film «Züri brännt» und die Musik jener Zeit – den Weg für die Kreativszene geebnet, die dann in den 90er gesungen hat. Wir haben ja damals ausnahmslos alle ge- der – geschriebenen – Anwendung von «cool» in den 70er Jah- an einem schönen Sonntagnachmittag eine kleine, leicht ab- ging nicht. Musste also abspringen. Am Abend war mein rech- War sau-anstrengend. Und sehr uncool. Nach dem Konzert fuh- ren wir nachhause, in die WG. Eine Altbauwohnung unter dem Dach. So alt, dass wir die Küche im Winter mit dem Gasback- es war Radio Banana. So erfuhren wir, was in der Innenstadt «Get Up, Stand Up!» von Bob Marley recht wörtlich genom- er bei mir zuhause blieb. Aber gab es sie tatsächlich, die Live- Regula Bochsler (*1958) ist Historikerin, Journalistin und Künstlerin. Sie arbeitete 25 ein grosses Polizeiaufgebot. Vor dem Eingang hatte sich eine kleine Demonstration mit vielleicht 150 Teilnehmerinnen und tung der Kreativität – Punk war damals angesagt und punkig Berichterstattung vom Opernhaus-Krawall? Vielleicht war es war, bei der «äkschen» auf der Strasse. Fuss hochgelagert. Krü- Ich wundere mich heute über die distanzlose Art, in in der Tasche. Das Lied hat mich sehr gerührt, daran erinnere war die coole Form von «lässig». (Der Ngram Viewer, eines Aber zurück zum Rollbrett. Ich wollte auch. Also suchten wir raucht, die meisten wie die Bürstenbinder. Ich «MARY Long – sie ist so mild». Folglich hatten wir auch alle ein Feuerzeug musste ich mich hinsetzen. Nicht aus Rührung, ich war die Und dass ich, kaum waren die Krücken weg, auch auf der Kriminalpolizei verhört. Zur Anzeige kam es nicht, Kollege Koni ich mich noch gut. Hätte ich gewusst, dass Bob Marley in Dominik Landwehr, *1958, ist nach Jahren bei Radio DRS, IKRK und Migros-Kultur- Heinz Nigg (Hg.): Wir wollen alles, und zwar subito! Die Achtziger Jugendunruhen zeichen XY» – konnte das mit seinen Kontakten verhindern. in der Schweiz und ihre Folgen, Zürich: Limmat Verlag, 2001. haus zum Bellevue und die Sache geriet ausser Kontrolle. Der Arzt diagnostizierte eine schwere Bänderzerrung. Zur Zeit forscht sie schwerpunktmässig zur Geschichte der Emser Werke. prozent heute als selbständiger Autor und Erwachsenenbilder tätig. Jahren mit den illegalen Bars wichtig wurde. ganze Zeit auf einem Fuss gestanden. «Get Up, Stand Up!» Dominik Landwehr te etwas überhöht. www.sternenjaeger.ch Regula Bochsler Strasse war.
Zürich macht's wieder gut Es gibt keine überzeugendere gelebte Utopie als hier Al l es ist E , F F E! mögl HA FF C S CH A S ich! t! M fi ach iib mit bl wo Kultur und Lebenslust zu hause ist ZUREICH STUTZ HÄRE ODER Fast wie im ES BRÄNNT Meh Rahm fürs Volk Kreis 3
Freiheit für Grönland – schmelzt das Packeis das Reden vergehen kann, abgewöhnt werden möchte». Die «That’s the way it was explained to me in Zurich» die Bahnhofstrasse gezeigt – «sie nannten diese ironisch ‹the Lyrics «Zurich» Von Anja Nora Schulthess Parolen der «Bewegig» dagegen werden zu «Gedichte[n] in Von Philipp Anz most beautiful street in the world›, was ich im Song aufgriff» einer kalten Zeit» erklärt. Kanon neben Subkultur. Kunst ne- –, aber auch die anderen, alternativen Orte. «In Erinnerung you meet out on the midnight street BEWEGUNG ben Nicht-Kunst und Pseudokunst («perfide Kunst des Sperr- Der Soundtrack der 80er-Bewegung? «Züri brännt» und «Raz- geblieben ist mir eine Versammlung in einem grossen Saal underneath the lamplight bright die Ausdruck, besser: die Eruption jahrelang falsch drucks und der Gänsefüsschen», «Kunst der Berichterstat- zia» von TNT, klar, «Züri Punx» von Sperma, Stücke von Klee- (wohl das Volkshaus, Anm. d. Autors). Da sassen Politikerinnen outside the diamond jewelry windows gelebten oder nicht gelebten oder abgemurksten tung»), Literatur neben Propaganda. Als Zeitdokument realer nex/Liliput, den Bucks, Mother’s Ruin und anderen mehr. Aber und Politiker auf der Bühne und erklärten den dicht gedräng- dazzling your sight tonight Lebens, jahrelang angestauten Schweinemuts, ein politischer Ereignisse und als ein über diese Ereignisse hin- es gibt auch «Zurich» von Jim Page, in dem der US-Folksänger ten Jugendlichen, dass sie eigentlich kein Verständnis für ihre and something in the blood that pounds altes Wort für Schwermut, unserer Zeit ist ausweisendes künstlerisches Produkt ist er zugleich Ausdruck vom Aufruhr der Jugend über Wasserwerfer und Gummige- Anliegen hatten. Es war ein Paradeschauspiel einer verloge- echoes in the hollow sound einer Verschränkung von Kunst und Leben. schosse, «Anarchie auf den Strassen aus Gold» bis zum Auto- nen Politik. Irgendwann haben die neben mir dann kleine Sa- and it all comes tumbling down Reto Hänny schrieb seine Tirade ‹Freiheit für Grönland – schmelzt Der Text spricht vom Sprengen der «als Herrschaft nomen Jugendzentrum AJZ sehr genau die Stimmung und chen auf die Bühne geschmissen, ich glaube, das war Katzen- in Zurich das Packeis› 1980, mitten im Spätsommer der Zürcher Jugend- oder Herrschaftsstruktur empfundenen Grammatik» und tut Ereignisse jener Tage beschreibt. Das Folgende ist die Ge- streu.» unruhen. Reto Hänny war als Sympathisant auf den Strassen es dort, wo er davon spricht: Visuell werden Textblöcke, «TÜR- schichte eines Songs, den fast niemand kennt, und die seines Dieser Aufenthalt und die Ereignisse des Sommers it’s taught among the rules of school Zürichs dabei und hat für seine Erlebnisse und Eindrücke lite- ME AUS WORTEN» die im Kontext unbedingt mit den «Poten- Komponisten. 1980 und danach inspirierten Page zum Song «Zurich». «Ich that all that glitters must be gold rarische Formen gefunden. So ist etwa ‹Zürich, Anfang Septem- zinsignien», den «aus der Hardau wie verkohlte Schwurfinger Jim Page, Jahrgang 1949, wuchs in der Bay Area in habe die Leute in Zürich gefragt, ob es okay sei, wenn ich and those who would not play the fool ber› ein Bericht über seine Verhaftung; ein Text, der ihm später gen Himmel protzenden Hochhäusern» der zubetonierten Kalifornien auf. «Ich war ein Kid aus dem Mittelstand», betont darüber singen würde. Und sie haben sofort Ja gesagt.» Sie must follow in the social mold den Vorwurf eingebracht hat, seine Verhaftung «in bereichern- Stadt Zürich und allgemeiner der vertikalen, hierarchisch ge- er im Gespräch. Aber ein Kid, das sich fortan immer entlang hätten ihm später dann auch ein Buch über die Bewegung oh but the well to do der Absicht vorsätzlich provoziert» zu haben, um aus dem Vor- prägten Gesellschaftsstruktur assoziert werden müssen, auf- der Gegenkulturen bewegte. Nach dem Schulabschluss kam geschickt, voll mit handschriftlichen Notizen und Übersetzun- beautiful people in public view fall Kapital zu schlagen. «Literatur, wie man sieht, kann also gesprengt. Buchstäblich schafft sich der Text Plätze und Frei- er 1967 mitten hinein in die Flower-Power-Hochblüte und be- gen. «Auf dem Cover war eine Uhr, die mit einem Pflasterstein ain’t got time for the likes of you nicht ganz ungefährlich sein – für den Autor», bemerkte Hänny räume (stellenweise sind halbe Seiten leer). Rhythmisch wird gann sogleich, mit der akustischen Gitarre aufzutreten: «Grup- zerstört worden war – ein eindrückliches Bild.» («Zürcher Be- in Zurich dazu rund zwanzig Jahre später in einer E-Mail an einen Her- der monotone Ton einer sich durch Einschübe unendlich lang pen wie Jefferson Airplane oder Grateful Dead hatten ja auch wegung», Verlag ohne Zukunft, Anm. d. Autors.) ausgeber. Damit weist er auf ein subversives Moment der Lite- hinziehender Wortkette (dort wo es um die Monotonie der Wurzeln im Folk. Doch ich konnte mich nicht mit dem Gedan- «Zurich» paart die aufwühlenden Ereignisse im Text it all begins one morning fine ratur hin: Literatur als Störung, als reale durch die gesellschaft- akademischen Sprache und des akademischen Lebens geht), ken anfreunden, einer Band beizutreten.» Also spielte er al- mit sanften Akkorden auf der akustischen Gitarre. «Ich wollte when the government money comes to town liche Ordnung wahrgenommene Bedrohung. durch ein Stakkato unterbrochen. leine – an Protesten gegen den Vietnamkrieg und auf den bewusst eine Ballade schreiben», sagt Page, «eine Melodie a fortune goes to the opera Wie ‹Zürich, Anfang September› muss auch ‹Freiheit Entscheidend ist, dass die gegebene Sprache und die Uni-Campus. «An den Universitäten gab es viele aktive Stu- wie für ein Liebeslied, die im Kontrast zur Schärfe des Textes but not a penny trickles down für Grönland – schmelzt das Packeis› im Kontext der «Bewegig» Strukturen, die hier als «einengend und also beengen[d]» be- dentengruppen – Anti War, Black Student Union, Chicano Stu- steht.» Beim Schreiben habe er daran gedacht, «dass das, to the youth center in the middle of town gelesen werden. So ist bereits der Titel ein Zitat der «Bewegig»: klagt werden «von innen und von unten her» aufgebrochen dents, Native Americans und so weiter – und ich ging zu all was die Menschen in Zürich und auch anderswo wollten und gonna have to close it down «Eisbrecher» nannte sich die bekannteste Untergrundzeitung werden wollen. Es geht nicht darum, die Sprache zu verlieren den Treffen, Reden und Diskussionen. Das war meine politi- brauchten, eine Realität war, die nicht geleugnet werden konn- can’t afford to have you hangin’ ‘round der Bewegung, wobei der Feind, das «Packeis», als Metapher oder zu verstummen – womit der Text stellenweise zu koket- sche Bildung.» te». Etwa sechs Jahre lang habe er «Zurich» regelmässig an in Zurich galt für den Staat, das starre, zubetonierte, kalte Zürich mit tieren scheint, wenn er davon spricht, dass «einem das Reden Daneben war er als Strassenmusiker unterwegs: «Ich Konzerten gespielt, aber nie auf Platte aufgenommen. Doch seinen Banken und Bürokomplexen und das bürgerliche, enge, vergehen» kann, oder das «Dichten». Der ganze Text ist Aus- habe sehr schnell gelernt, dass die Leute zuhören, wenn man der Song nahm auch noch einen zweiten Weg... all in a shattering instant then unlustvolle Leben überhaupt. Gefordert wurde «freie Sicht aufs druck eines Begehrens danach eine neue Sprache zu suchen, über sie singt. Und ich habe geschaut, dass ich jede Woche Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre war Page oft in upon that well remembered night Mittelmeer». Versprach eine Aktion Erfolg, hiess es: «Das Pack- einer Sprache, die es vermag, sich «Luft für den lang zuge- mindestens ein neues Lied hatte. Je mehr ich sang, desto Irland auf Tour und freundete sich dort mit dem Sänger Christy in a sudden clash with bricks and bottles eis schmilzt». schnürten Atem zu verschaffen». Der Text zeichnet sich durch mehr lernte ich. Was als eine Überlebenstechnik begann, wur- Moore an, der mit der Band Planxty und als Solo-Künstler zu comes a most surprising sight Der Text thematisiert, bei aller Rätselhaftigkeit, die eine ambivalente, eine affirmativ-kritische Haltung aus und de zu einem Lebenswerk.» einem der Grossen der irischen Musik wurde. Als Moores kur- as fired with a smoldering heat ihm aneignet, klar die Ereignisse des «heissen Sommers» von dies sowohl bezüglich der eigenen, paradoxen Position, des 1971 zog Page nach Seattle, wo er bis heute lebt. Er zeitiges Bandprojekt Moving Hearts 1981 ihre erste Single five thousand angry rebels meet 1980. Er thematisiert die Gewalt der Polizei und des Staats, Sprechenden, des literarischen Schreibens als auch bezüglich setzte sich aktiv für die Rechte von Strassenmusiker*innen veröffentlichten, war dies «Hiroshima Nagasaki Russian Rou- and break every window on that most beautiful street die Berichterstattung durch die Medien, den Opernhauskra- der Bewegung auf der Strasse. ein, arbeitete mit der Black Panther Party und nahm 1975 sein lette», ein Anti-Atomkrieg-Stück, das Page 1976 geschrieben in Zurich wall, das Scheitern des Dialogs. Augenfällig sind die Parolen erstes Album «A Shot of the Usual» auf. 1977 folgte die Ein- hatte. «Christy gefiel auch ‹Zurich›, vor allem sprach ihn die der Jugendbewegung, derer sich der Text bedient, und die er BEWEGUNG, ladung ans Cambridge Folk Festival und die erste Reise nach letzte Zeile ‹that’s the way it was explained to me in Zurich› anarchy on streets of gold buchstäblich wie Banner, Barrikaden, «Transparente gegen die die mit Sprache, zumal mit literarischer, vordergründig Europa. «In England ging da gerade Punk los. Auch wenn ich an. Er lud mich nach Belfast ein, um dort Lieder mit ähnlichem lights a-flashing, sirens wail Angst» zwischen die Zeilen schiebt: wenig zu tun hat, aus sichrer Distanz, tränengas- und andere Musik machte, konnte ich den Antrieb dahinter sofort Inhalt über die Proteste und die Troubles zu schreiben.» frightened eyes behind the windows hartgummigeschosshagelsichrer Distanz, allein, in verstehen und fühlte mich ihm verbunden.» Moore spielte auch Pages Song. Bei ihm heisst er «In watch the young ones off to jail WIR HABEN GRUND GENUG ZUM WEINEN, AUCH wohliger Wärme, hinter Schreibtisch und vorgescho- Daneben engagierte sich Page weiter für die Rechte Zurich», hat einen leicht geänderten Text und eine angriffigere soldiers in their shouldered ranks OHNE EUER TRÄNENGAS, WIR HABEN NICHTS ZU benem Alter, hinter einem Wall fadenscheiniger der Native Americans und schrieb den «Song for Leonard Pel- Tonalität. Zu finden ist er auf der Anthologie «The Box Set armed with water canon tanks VERLIEREN, AUSSER UNSERE ANGST; KEINE MACHT Jährchen verschanzt, von idyllischem Abhang aus tier» über den Aktivisten des American Indian Movement, der 1964–2004», wo er lange die einzige verfügbare Aufnahme and rubber bullets to protect the banks FÜR NIEMAND; MACHT AUS DIESEM STAAT DRUM über Feld Wald & Wiesen und über ein paar den Blick 1977 in den USA wegen Mordes an zwei FBI-Beamten zu le- blieb. Bis jetzt. «Ich wollte das Lied schon lange noch einmal of Zurich GURKENSALAT; FREIHEIT FÜR GRÖNLAND, NIEDER kaum ankratzenden Blocks hinweg betrachtet über- benslanger Haft verurteilt wurde und seither im Gefängnis machen», sagt Page, «aber ich geriet immer wieder in diesel- MIT DEM PACKEIS. haupt nichts; hintergründig, aus unmittelbarer Nähe sitzt. «Der Song zirkulierte auf Kassette im ganzen Indian Mo- ben Sackgassen, was das Arrangement betraf. Dann habe ich battle lines are clearly drawn besehen, am eignenLeibe mit eigenem Leibe erfahren vement. Auf einer Tour bin ich dann in Europa mehr zufällig die Anfrage für unser Gespräch bekommen und dachte, okay, to show which side you’re standing on Stellenweise greift der Text gar die Rhetorik der Bewegten auf, – die schiere Unwirklichkeit des Erblickten, so Floyd Westerman über den Weg gelaufen, dem Dakota-Sioux- jemand ausser mir mag den Song immer noch, also werde ich those who sympathize in kind eine Rhetorik, die sich in linken Kreisen in den letzten vierzig zynisch grotesk gegen alles Leben gerichtet kommts Sänger», erzählt Page. «Ein Juwel von einem Mann mit einer das in Ordnung bringen. Ich habe mich hingesetzt und daran wake up to find their jobs are gone Jahren kaum geändert hat. So etwa dort, wo es um die Ak- einem vor, gibt Wirklichkeit dem Blick –, aus eigenster Stimme wie Johnny Cash. Fortan haben wir oft Doppel-Kon- herumgespielt, die Akkordstimmen geändert und einen Inst- speaking up and speaking out quirierung von Polizeiaspiranten geht für «Tätigkeiten [...], bei Getroffen- & Betroffenheit erfahren dafür plötzlich zerte gegeben.» Westerman starb 2007. Davor hatte er nach rumentalabschnitt eingefügt. Meine Frau Katy hat spontan depends on what you talk about denen immer der Mensch im Vordergrund stehe: ja, um ihn umso mehr dem Film «Dancing with Wolves», in dem er den Häuptling Ten Backing-Vocals dazu gesungen. Das war sehr befriedigend.» the real right is coming out mit Knüppel und Tränengas und einem Hartgummigeschoss- Bears spielte, noch eine erfolgreiche Zweitkarriere als Schau- «Zurich» in der Version von Jim Page ist deshalb nach in Zurich hagel umzulegen», oder um die Ausnutzung von Arbeitskräf- Eine Textstelle, die nicht nur von einem gleichzeitigen Be- spieler gestartet. 40 Jahren erstmals als Aufnahme hörbar: auf seiner Sound- ten: «die schickt man, wenn der Frost einbricht, als Gastarbei- wusstsein über die Grenzen des eigenen, distanzierten Wir- Zusammen mit Westerman sei er dann auch erstmals cloud-Seite (/folkpunch/zurich) oder in der Internet-Ausgabe how can such a trouble be ter zurück in ihre Heimat». Es sind jedoch Sätze, die seltsam kens hinter dem Schreibtisch, zeugt, sondern auch von den in der Schweiz aufgetreten, sagt Page. An die einzelnen Kon- der Fabrikzeitung. Zu Zürich habe er leider den Kontakt verlo- is this the writing on the wall quer stehen zum Rest des Texts, die in ihrer klaren Satzstruk- Möglichkeiten des «betroffenen» Schreibens. Darüber hinaus zertorte könne er sich leider nicht mehr im Detail erinnern, er ren, sagt Page. «Aber ich würde diese Menschen sehr gerne the pillars of society tur und Botschaft geradezu lapidar daherkommen. Dennoch lässt es die Textstelle aufgrund ihrer syntaktischen Ambiva- sei damals ständig auf Tour gewesen. Geblieben sind ihm aber einmal wiedersehen. Für mich war es eine wunderbare Zeit. give a very anxious call scheint das sprechende Ich sich klar auf der Seite der Beweg- lenz auch zu, das Prädikat «betrachtet überhaupt nichts» auf die persönlichen Begegnungen: «Viele der Konzerte wurden Überall, wo man hinging, war viel los. Es schien, als stünden and orderly they call for peace ten zu situieren, wenn es opponiert: gegen den herrschenden die «BEWEGUNG» auf der Strasse zu beziehen. Ein erster von der Schweizer NGO Incomindios organisiert, die sich für grosse Veränderungen vor der Tür.» discipline to say the least Diskurs der Politik, den Akademismus, die Behörden, die Hinweis zumindest auf eine mögliche Blindheit der politi- die indigenen Völker einsetzt.» Besonders engagiert sei eine what we need is more police Polizei, die Medien (die NZZ!): die «grauen Eminenzen», die schen Aktionen auf der Strasse. Neben jener Anspielung sind junge Kunststudentin namens Anna gewesen, die ihn regel- Philipp Anz ist Journalist in Zürich. Er war Mitherausgeber des Buchs «Schmieren/ in Zurich Kleben» und gehört zum Redaktionsteam der anstehenden Buch-Veröffentlichung «friedlichen Bürger», «die Fluchtgeldhorter und Kanonenfab- die ganzen Reflexionen über Gewalt im Text widersprüchlich. mässig für Auftritte gebucht habe. «Sie und ihre Freunde wa- zum 40. Geburtstag der Roten Fabrik. rikanten und Waffenschieber bluttriefender Operettengenera- ren alle intelligent, künstlerisch und politisch sehr aktiv. Ein- from the gardens of Geneva Jim Page gibt heute noch regelmässig Konzerte in Seattle und überträgt diese auch le») und insbesondere gegen deren Sprache – eine «Fremd- GELD UND GEWALT, GEWALT UND GELD, mal sagte sie zu mir: ‹Eigentlich bin ich eine Anarchistin!› Das auf Facebook unter «Seattle Jim Page». Weitere Infos: www.jimpage.net to the flowered streets of Amsterdam sprache, auch wenn es meine Muttersprache sein soll». DARAN KANN MAN SICH FREUEN; entsprach mir, ich mochte diese politische Energie.» inside the walls of West Berlin Diese Positionierung ist jedoch durchaus ambivalent. GERECHTIGKEIT UND UNGERECHTIGKEIT, Dann kam der 30. Mai 1980 in Zürich. Page erfuhr vom trouble passes hand to hand Darauf verweist nicht nur, aber auch das damalige Verhältnis DAS SIND NUR LUMPEREIEN Opernhauskrawall durch die US-Medien. «Es war auf den Ti- in among these times that be des Autors zur Jugendbewegung. Als 33-Jähriger war Reto telseiten, auch der Aufmacher in den Fernsehnachrichten. Zü- no future do they see Hänny 1980 älter als die meisten «Bewegten»; als Intellektuel- «GEGEN GEWALT», ein selbst schon doppeldeutiges Demo- rich ist die Stadt, wo die Banken sind, und alle Wirtschaftskrei- that’s the way it was explained to me ler fremd unter den vielen Lehrlingen und Personen mit einem Transparent der «Bewegig», wird hier abermals buchstäblich se wurden deswegen nervös. Die vorherrschende Meinung in Zurich Dünkel gegen die «Uniperversität»; zugleich Teil und Nichtteil als «Transparent gegen die Angst» zwischen den Satz gescho- aber war, dass die jungen Leute plötzlich verrückt geworden der Bewegung; ein Aussenseiter unter Aussenseitern. Diese ben. «GEGEN GEWALT» beinhaltet sowohl Kritik an der Ge- seien, dass sie grundlos auf die Strasse gegangen waren. Ich Gleichzeitigkeit von Drinnen- und Draussensein, von Betrof- walt durch den Staat, die herrschende Ordnung, als auch Af- war damals erfahren genug, um zu wissen, dass solche Dinge fenheit und Distanz lassen sich am Text festmachen – eine Am- firmation von Gewalt als legitime Antwort auf diese Gewalt. nicht ohne Grund passieren.» bivalenz, die auch auf Verhältnis und Differenz von literarischer Jedoch scheint sich der Text auch der begrenzten Kraft von Kurz darauf, Ende Juli 1980, war Jim Page für einen Revolte und Revolte der Strassenkämpfe hinweist. In einer Gegengewalt bewusst zu sein: «...Gewalt weckt wieder Ge- Auftritt am Folk Festival in Nyon, dem Vorläufer des heutigen Anspielung auf Brechts Gedicht «Schlechte Zeit für Lyrik» walt, eine unendliche Kette von Rache und Widerrache...» Paléo Festivals, wieder in der Schweiz. «Ich habe dann Anna und Reinhard Lettaus «Zerstreutes Hinschaun – Vom Schreiben und die Gegengewalt, die «Sprache der Pflastersteine», wur- und ihre Freunde angerufen und gesagt: Ich will für ein paar über Vorgänge in direkter Nähe oder in der Entfernung von de «kapiert», jedoch «längst nicht verstanden». Tage nach Zürich kommen und mehr über diese Bewegung Schreibtischen», reflektiert der Text die Frage nach dem Sinn «Kapiert» und «nicht verstanden», ein Paradox, das erfahren.» Anna und ihre Freund*innen hätten ihm in Zürich des literarischen Schreibens in Zeiten der Unruhe. vielleicht auf das grundlegende Missverständnis, das grund- Die Zürcher «Bewegig» war Ausdruck eines Leidens legende Sich-nicht-Verstehen hinweist zwischen denen, die unter der gegebenen Ordnung, der gegebenen Sprache, der vor- Teil der gesellschaftlichen Ordnung sind, und denen, die ihren gegebenen Identitäten und Lebensweisen, der vordefinierten «Anteil» als «Anteillose» behaupten. Darauf, dass hier zwar, Räume. Reto Hänny bringt diese gegebene symbolische und rein technisch, dieselbe Sprache gesprochen wird, dass die gesellschaftliche Ordnung und das Leiden darunter zur Sprache. Jugend durch ihren Lärm auf den Strassen akustisch gehört, Ordnung wird mit Gewalt assoziert, Gewalt am Andern, an Ab- mit ihren Demonstrationen und Strassenaktionen gar nicht weichung und Widerspruch. Der Text thematisiert das Nichtge- übersehen werden kann («kapiert») und gleichzeitig in ihrer An den Demos selber war ich selten zuvorderst dabei. chenzeitung WOZ, die Druckerei Ropress oder der Videoladen, Am 30. Mai war ich, soweit ich mich erinnere, in München, Heute sind vor allem noch die Institutionen sichtbar, druck basierte, hat sich wohl parallel zur Bewegig entwickelt. zieher-WG» bezeichneten Wohngemeinschaft; obwohl ich Rote Fabrik, das aus dem AJZ-Kino entstandene Xenix oder der halten. 1982 hatte für die Stadt, aber auch für mich persönlich, zogen und waren häufiger an Sachen in kleineren Gruppen Zürich war ich erst 2,3 Tage später. Es gab zu dieser Zeit ja würde. Ich wohnte seit Herbst 1979 in der Stadt Zürich an wehrten uns aber gegen die Politik, die so stark auf Repressi- reits ab Mitte 1981. Viele engagierte Aktive wurden ja bereits hatten wir da bereits bekommen, das AJZ war nicht mehr zu Und letztlich gibt es viele andere Sachen, die zu dieser Zeit Hans X. Hagen (*1955) ist inoffizieller Archivar des Areals der Roten Fabrik und Mit- ich bin dazumals viel per Autostopp herumgereist. Zurück in immer wieder Demos in Zürich, deshalb dachte ich im Vor- der Brandschenkestrasse 38, in einer der damals als «Draht- noch nicht lange in der Stadt wohnte, fand ich dadurch rela- Politik durchzusetzten und wir sahen es als legitim an, uns wegig nie wahrgenommen. Es gab so viele Menschen unter- schiedlichen Alters, die sich für die Sache einsetzten, für Thea- ter, für Konzerte, für Film. Damals gab es ja in der Stadt nur 1980 regelrecht kapputt- oder fertiggemacht. Gleichzeitig wa- ren einzelne Forderungen inzwischen erfüllt; die Rote Fabrik die grosse Depression begonnen. Viele haben sich zurückge- Musikladen RecRec. Auch das Theaterspektakel, das zwar un- abhängig davon entstanden ist, aber auf demselben Leidens- begonnen und durch den kollektiven Geist der Bewegig be- stärkt wurden: Kollektiv verwaltete Betriebe wie z.B. die Wo- dank dem wir heute den Film «Züri brännt» haben. Und letzt- lich ist wohl auch die Festhütte Zürich, 24h, 7-Tage-die-Woche eine Folge der Bewegig. Die Forderung nach Freiraum kann in Wir hatten zu Beginn nichts gegen die Polizei an sich. Wir on setzte. Die Polizei hatte dabei die undankbare Rolle, diese die durch und aus der Bewegig entstanden sind: die geforderte Zum Erliegen kam d’Bewegig in meinen Augen be- aus auch nicht daran, dass es genau am 30. Mai so eskalieren Als eigentliche «Jugendbewegung» habe ich d’Be- hörtwerden der Begehren der Jugend, für das die «somnambu- Sprache nicht verstanden wird, weil diese in der gegebenen la», die «drinnen» im «notdürftig verbrettert und vernagelten» Ordnung nicht vorkommt, gar nicht vorgesehen ist. gewissem Sinne auch als übererfüllt angesehen werden. Opernhaus gespielt wird, Metapher ist. Revolte der Strasse und Wenn auch das sprechende Ich die «Sprache der Pflas- Revolte der Literatur stehen also insofern in Zusammenhang, als tersteine» als «einzige einigen noch gebliebene Sprache, eine engagiert, andere sind aus der Stadt weggezogen. tiv rasch Zugang zum «aktiven» Teil von Zürich. es um den Bruch mit der gegebenen Ordnung geht, für die der verständlich adäquate» bejaht, ist sie ihm «letztlich ohn-mäch- «gut[e] Geschmack», die «Sprachhandhabung der Behörden» tige Antwort». Noch das Wort «ohn-mächtig» zeugt von der beteiligter am ersten Open-Air-Kino in Zürich: «Film am See». und die «domestiziert[e] gepanzert[e] gefängnisordnungsgittri- Ambivalenz, durch die sich der Text auszeichnet. Die Aufsplit- ge Sprache» paradigmatisch stehen. Und sie unterscheiden sich tung des Worts in seine Wortteile durch Bindestrich macht insofern, als es sich dabei um andere Ordnungen, Regeln, Struk- deutlich, dass im Wort «ohnmächtig» (paradigmatisch für die turen handelt – wenn auch die einen (etwa die Grenzen literari- Grenzen von Gegengewalt, die Grenzen der Politik der Strasse, scher Gattungen, die Grenzen zwischen Kunst und Leben, der «Bewegig) auch das Wort «mächtig» (paradigmatisch für Kanon, Kommerz und Subkultur, syntaktische und logische die subversive Kraft der Politik) steckt. Reto Hännys Text ist Strukturen) Ausdruck oder Symptom der anderen (gesellschaft- Ausdruck eines Bewusstseins für die Notwendigkeit von Poli- liche Ordnung, politisch-ökonomische Strukturen) sind. tik/Revolte (sei es diejenige der Strasse oder diejenige der Li- Freiheit für Grönland entzieht sich einer klaren Einor- teratur), aber auch für deren Grenzen, deren Antagonismen sehr wenig Angebote. dagegen zu wehren. dung (Gedicht? Pamphlet? Bericht? Brief?). Der Text bejaht und in diesem Sinne Ausdruck einer affirmativen (Selbst-)Kritik. gerade die Überwindung solcher Grenzen und führt diese Anja Nora Schulthess schreibt kulturwissenschaftliche Beiträge, Essays und Lyrik. 2017 Hans X. Hagen buchstäblich vor. So stehen die nicht ausgewiesenen Zitate erschien ihr lyrisches Debüt «worthülsen luftlettern dreck». 2020 erscheint ihr Sachbuch der «literarischen Väter» (Aischylos, Hölderlin, Büchner, Hohl, zu den Untergrundzeitungen der Zürcher Achtziger Bewegung im Limmat Verlag. Achternbusch) als GLEICHE neben den Parolen der Bewegung. Literatur: Reto Hänny: Freiheit für Grönland – schmelzt das Packeis. In: Zürich, Die literarischen Zitate werden dem Text durch deren Gross- Anfang September. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 1981. schreibung buchstäblich zu «Transparenten gegen die Angst», Reto Hänny: Vorspiel oder Wut hat eine lange Geschichte. In: Zürich, Anfang zu Bannern und Barrikaden – «[i]n einem Klima, in dem einem September.Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 1981
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