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Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten | Ausgabe 2-2020 | www.ngg.net einigkeit Das Magazin der NGG Wir halten Abstand und zusammen!
WIR SAGEN DANKE! In der 2 Coronavirus-Krise einigkeit 2-2019 haben so viele so viel geleistet – unsichtbar und wenig wertgeschätzt: Danke!
EDITORIAL Ihr seid systemrelevant Wie belastbar ein guter Zusammenhalt und wie leistungsfähig Organisationen sind – das merkt man besonders in Ausnahmesitu- ationen. Wir erleben seit Monaten eine Krise historischen Ausmaßes, die unser Leben vollständig auf den Kopf gestellt hat. Niemand hätte sich Anfang dieses Jahres vorstellen können, wie sehr ein Virus innerhalb kürzester Zeit unseren Arbeitsalltag verän- dern würde. Der Spannungsbogen, den wir alle aushalten, ist enorm: Während die einen durch Kurzarbeit in Existenznot geraten sind, müssen andere Sonderschichten fahren, damit Lebensmittel nicht knapp werden. Hinzu kam für Unzählige die Doppelbelastung durch Schul- und Kitaschließungen auf der einen und Homeoffice auf der anderen Seite. Da gibt es nichts zu beschönigen: Die Hauptlast hierbei haben oft die Kolleginnen getragen. Während manche Unternehmen im fairen Dialog mit den Betriebs- räten und der NGG nach flexiblen und tragfähigen Vereinbarungen zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten und Zukunftssicherung der Betriebe suchten, gab es auch das Gegenteil: Arbeitgeber, die sich konstruktiven Gesprächen verweigerten oder egoistisch auf die Unterstützung des Staates schielten und zugleich schamlos Arbeitnehmerrechte aushebeln wollten. An dieser Stelle ist nur selten der Platz für Superlative. Nahezu täglich mussten wir uns in den vergangenen Monaten neuen Heraus- forderungen stellen, vom Lockdown der gesamten Gastronomie und Hotellerie bis hin zu den skandalösen Zuständen in der Schlacht- industrie. Doch das Krisenmanagement im Zusammenspiel von Betriebsräten und NGG war durchweg richtig gut. Und agil. All dem möchten wir in dieser Ausgabe zur Coronavirus-Pandemie Rechnung tragen. Sie soll zeigen, wie unterschiedlich unsere Branchen betroffen waren. Aber für alle gilt: Ihr habt vermutlich enorm belastende Arbeitswochen erlebt. Wir sind an Eurer Seite und danken Euch für Euren unglaublichen Zusammenhalt! Bitte bleibt gesund! Guido Zeitler NGG-Vorsitzender Foto: Stephan Pramme einigkeit 2-2019 einigkeit 2-2020 3
6 FOKUS | POLITIK Coronavirus: Überstunden – Kurzarbeit – Arbeitslosigkeit, so teilte sich in Zeiten 16 FOKUS | POLITIK Endlich öffentlich: Mit massivem des Lockdowns die Arbeitswelt in den NGG-Branchen. Während das Virus unser Druck gegen die skandalösen Leben verändert, war das Gebot der Stunde: Abstand und zusammenhalten. Zustände in Schlachtbetrieben FOKUS | POLITIK NGG AKTIV 6 Coronavirus-Pandemie 20 Von vorbildlich bis katastrophal 23 jungeNGG Wir halten Abstand und Ausbildung à la Corona Fotos: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX; Verena Müller; NGG; Jens Wegener NGG-Vize Freddy Adjan im zusammen! Wer kommt wie durch Interview über Krisenmanagement, 26 Gleichstellung diese Krise? Momentauf- alte Missstände und künftige Jetzt keine Rolle rückwärts nahmen aus den NGG-Branchen Herausforderungen 32 Meldungen 16 Zwischen Kotelett und Corona Burgerbrater im Chaos Seit Jahren prangert die NGG menschenunwürdige Bedingungen Das erste Mal ... bei McDonald´s in deutschen Schlachtbetrieben an in Frankfurt-Kalbach 4 einigkeit 2-2020 einigkeit 2-2019
IN DIESER AUSGABE 18 MENSCHEN Solidarität und Zusammenhalt: 28 NGG VOR ORT Mitgliederbetreuung in Krisenzeiten: Kein Problem für das Team der Region Viele folgten dem Aufruf zur Nürnberg-Fürth. Geschäftsführerin Regina Schleser (Mitte), Laura Schimmel (l.) Digital-Demo #GesichterderKrise. und Kai Eifler setzen auf innovative Formate. MENSCHEN NGG VOR ORT KURZ NOTIERT 18 #GesichterderKrise 28 Regionen 34 Rechtstipp Die NGG Digital-Demo Wir sind für Euch da – Eine Pandemie ist Geschlossene Türen bedeuten kein rechtsfreier Raum 24 Jubilare keinesfalls fehlende Hilfe Wir gratulieren! 34 Ausblick KOPF UND BAUCH 35 Impressum 33 Vorlesen – Nachlesen – Weiterlesen Buchtipps Euer Feedback „einigkeit“ online Das Magazin der NGG digital in der App lesen. Hier gibt es weitere interessante Features: Bildergalerien, Videos und weiterführende Berichte. einigkeit2-2020 einigkeit 2-2019 55
Wir halten Abstand und zusammen! Die Coronavirus-Pandemie verändert die Welt. Während ein Teil der Beschäftigten in den NGG-Branchen am Limit arbeitet, müssen andere mit Kurzarbeitergeld über die Runden kommen oder fürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Die Situation ändert sich rasant. Die „einigkeit“ hat im April und Mai Momentaufnahmen eingefangen. Fotos: Andrea Birr; Uwe Völkner / Fotoagentur FOX; Douwe Egberts; NGG Hygiene und Abstand sind die entscheiden- den Vorgaben in Zeiten der Pandemie: Das gilt für die Terrassen am Bremer Weserbogen ebenso wie für die Handdesinfektion bei Gästen im Kölner „ext- rablatt“. Zusätzlichen Schutz bieten Visiere, eine Idee der JDE-Azu- bis. In vielen Betrieben wurde der Zusammen- halt digital über #GesichterDerKrise demonstriert. 6 einigkeit 2-2020
FOKUS | POLITIK „Für die, die heute den Beschäftigten Hilfe verweigern, dürfte es in Zukunft nicht leichter werden, geeignete Fachkräfte und Auszubildende zu finden.“ Freddy Adjan, stellvertretender NGG-Vorsitzender In den Unternehmen der NGG-Branchen „Wir haben schließlich noch Arbeit, nie- schen tatsächlich aus der Kurzarbeit wie- spiegelt sich eine Situation, mit der heute mand musste entlassen werden“, sagt die der an ihren angestammten Arbeitsplatz fast alle Beschäftigten zu kämpfen haben: Betriebsratsvorsitzende von GB Foods zurückkehren können. Ein Teil der Beschäftigten fährt Überstun- Deutschland (u. a. Erasco), Susanne Kra- den und steht täglich unter dem Druck, nick. Außerdem organisieren die Betriebs- Den Preis für die Folgen der Pandemie möglichst keine Lücken in den Supermarkt- räte mit den Arbeitgebern Entlastung, wo zahlen letztlich oft die Beschäftigten. In regalen zuzulassen. Viele sitzen im Ho- es möglich ist. Die Kantine ist so ein Prob- der Systemgastronomie jedoch ist es der meoffice, die einen recht zufrieden, andere lemort. Mal wird das Essen fertig von au- NGG bereits Ende März gelungen, mit den gestresst zwischen Schreibtisch und Fami- ßen geholt, in anderen Betrieben läuft die Arbeitgebern eine Zusatzvereinbarung zum lie, die auch noch bekocht und bespielt Kantine weiter – mit Corona-gerechtem Tarifvertrag abzuschließen, die eine Erhö- werden will oder Unterstützung bei den Abstand. hung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Pro- Schulaufgaben braucht. Aber es gibt auch zent des Nettolohns sichert. Auch in ande- die andere Seite: In den Hotels, den Gast- Drehen an der Zeitschraube ren Branchen gibt es tarifvertragliche Lö- stätten fehlen die Gäste – und die Arbeit. Während es in vielen Unternehmen nun sungen oder Betriebsvereinbarungen für mehr Lob von oben für die Beschäftigten eine Aufstockung. Doch im stark betroffe- Unsichtbare Helden gibt und die Mehrarbeit mit den Betriebs- nen Gastgewerbe sowie im Fleischer- und Überstunden – Kurzarbeit – Arbeitslosig- räten sorgfältig abgestimmt wird, nutzen Bäckerhandwerk verweigern die Arbeitge- keit, so teilt sich in Zeiten des Lockdowns andere Unternehmen „die Gunst der Stun- ber bis auf wenige Ausnahmen jede Hilfe. die Arbeitswelt. Zusammenhalten war und de, um mit den neuen, politisch gewollten Auch das wird nicht ohne Folgen bleiben. ist das Gebot und Ziel der NGG: Unterstüt- Möglichkeiten grundsätzlich an der Zeit- zung für alle, die mehr arbeiten müssen, schraube zu drehen“, ärgert sich der stell- Unterstützung für die, die mit dem Kurzar- vertretende NGG-Vorsitzende Freddy Adjan. beitergeld nicht mehr ihren Lebensunter- halt finanzieren können. Noch kann niemand abschätzen, wie sich das Geschäftsjahr weiter entwickeln wird. Die Stimmung in den Produktionsbetrie- Bricht nach dem Ende der Vorratskäufe ben, die mehr als ausgelastet sind, ist die Nachfrage massiv ein? Wie viel Umsatz weitgehend gut. Die Beschäftigten dort werden Hotellerie und Gastronomie nach sind die unsichtbaren Helden: Sie sorgen der vorsichtigen Wiedereröffnung retten mit Überstunden und teilweise unter er- können? Wann können die Großabnehmer schwerten Arbeitsbedingungen für volle Kantinen wieder öffnen und Großveran- Regale in den Supermärkten, damit die staltungen wieder stattfinden? Davon wird Versorgungskette nicht abreißt. es nicht zuletzt abhängen, wie viele Men- einigkeit2-2020 einigkeit 2-2019 7
„Arbeits- und Gesundheitsschutz sind Pflicht. Wir reden hier über 220.000 Betriebe im Gastgewerbe. Das ist eine Mammutaufgabe.“ Guido Zeitler, NGG-Vorsitzender Das Hotel- und Gaststättengewerbe ist vor- AccorInvest Germany, einer der größten Ho- aussichtlich die Branche, in der die Folgen telketten weltweit mit mehr als 4200 Hotels, von Corona am härtesten und längsten spür- davon rund 360 in Deutschland. Frauke bar sein werden. Nach Angaben der Bun- Herrmann hat ihr Büro im Ibis Ber- desagentur für Arbeit hatten bis Ende April lin-Spandau. 22 Mitarbeiterinnen und Mitar- bundesweit 115.000 und damit 75 Prozent beiter kümmern sich hier hauptsächlich um aller gastronomischen Betriebe Kurzarbeit Geschäftsreisende. Seit dem 20. April ist das angemeldet. Betroffen waren rund eine Mil- Hotel geschlossen. Neben einer Auszubilden- lion Köchinnen, Kellner und Hotelangestell- den, die sich um anfallende Aufgaben wie te. Zahlen, hinter denen sich existenzielle Spülungen zur Legionellen-Prävention und Frauke Herrmann, stellvertretende GBR- Notsituationen verbergen, zumal die Ende schulische Themen kümmert, gibt es jeweils Vorsitzende bei AccorInvest Germany April von der Bundesregierung beschlosse- einen Mitarbeiter, der in Früh-, Spät- oder ne Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf Nachtschicht im Hotel anwesend ist. „Wir Wartende Wirte 80 oder 87 Prozent erst nach vier Monaten sorgen dafür, dass jeder mal dran ist, aber wirksam wird. Die NGG forderte deshalb be- davon abgesehen, sind alle Kollegen in Kurz- Geschlossene Hotels und Gaststätten, reits in Zeiten des Stillstandes einen Bran- arbeit“, so die gelernte Restaurantfachfrau. Kneipen und Bars: Während Einzelhandel chendialog mit Politik, Arbeitgebern, Ge- Aufgestockt werde bei Accor nicht. Bei und Friseure ihr Geschäft Anfang Mai wie- werkschaft und Berufsgenossenschaft. 100-prozentiger Kurzarbeit greift eine Ko- der aufnehmen durften, blickte die Gastro- operation mit dem Rewe-Konzern. 450 Euro nomie weiter in die Röhre. Erst in der zwei- In Hotelketten wie Maritim oder Steigenber- können die Kollegen dann hinzuverdienen. ten Maihälfte kam es schrittweise zu Wie- ger konnten die Betriebsräte Vereinbarun- deröffnungen. Von Bundesland zu Bundes- gen zur Beschäftigungssicherung verhan- Die NGG drängte auf einen staatlichen land unter abweichenden Vorzeichen. deln. Für einzelne Häuser gibt es auch Re- Schutzschirm für die Branche sowie auf eine Hygiene- und Abstandskonzepte mussten gelungen zur Aufstockung des Kurzarbeiter- zeitlich begrenzte Reduzierung der Mehrwert- erarbeitet, die Anzahl der Tische stark redu- geldes. Gleichwohl stockten etwa 95 steuer, die seit Ende April gilt. Dazu Guido ziert werden. Zuvor hatte der NGG-Vorsit- Prozent der Unternehmen im Gastgewerbe Zeitler: „Als erste Maßnahme war die zeit- zende Guido Zeitler immer wieder darauf nicht auf. Beschäftigte klagten sogar darü- lich befristete Senkung der Mehrwertsteuer hingewiesen, dass ein Wiederhochfahren ber, dass ihnen gar kein Geld ausgezahlt auf Speisen ein gutes Signal. Aber es muss des gastronomischen Betriebs vernünftig wurde. Einer gemeinsamen Lösung mit der nicht nur den Unternehmen geholfen wer- vorbereitet werden muss: „Weder für Gäste NGG verweigerte sich der Deutsche Hotel- den, sondern auch den Beschäftigten, die noch für Beschäftigte darf eine Gesund- und Gaststättenverband Dehoga. Und das unverschuldet in einer existenziell bedrohli- heitsgefährdung bestehen. Dafür braucht es in einer Branche, in der ohnehin Niedrig- chen Situation gelandet sind. Da ist die Po- exakte Planungen: Wer kontrolliert wann löhne gezahlt werden. litik in der Pflicht nachzulegen. Und die Ar- und wie die Vorgaben in den Restaurants, beitgeber müssen Verantwortung überneh- Hotels und Biergärten? Arbeits- und Ge- Leere Betten men. Da bleiben wir dran.“ sundheitsschutz sind Pflicht. Wir reden hier „Das darf sich nicht hinziehen“, sagte auch Foto: privat über 220.000 Betriebe im Gastgewerbe. Frauke Herrmann Mitte Mai. Sie ist stellver- In der Systemgastronomie – bei McDonald’s, Das ist eine Mammutaufgabe.“ tretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Starbucks oder Nordsee – gilt seit März eine 8 einigkeit 2-2020
EDITORIAL FOKUS | POLITIK Zum Gesundheits- schutz für Beschäftigte und Gäste gehört das Servieren mit Mund- Nasen-Schutz. Lange hieß es: Burger nur zum Mitnehmen. Für die Systemgastronomie gelang bereits im März eine Aufstockungsver- einbarung. Erst in der zweiten Maihälfte öff- neten Restaurants schrittweise – und mit Abstandsgebot. tariflich festgelegte Aufstockung auf 90 Unternehmen geöffnet. Mit den Großen der nen kleinen Teil der Umsätze zu retten, Prozent beim Kurzarbeitergeld. Gleichwohl Branche – Sodexo, Aramark und Eurest – Kurzarbeit „Null“ zu vermeiden und bei den agierten die Arbeitgeber unterschiedlich: konnten NGG und Betriebsräte gute Verein- Gästen in Erinnerung zu bleiben. So boten Während der Branchenriese McDonald‘s barungen zur Aufstockung des Kurzarbeiter- Hotels Zimmer als Homeoffice-Ersatz an, eine „Personalpartnerschaft“ mit der Han- geldes abschließen. Andere drängten ihre versendeten Café-Betreiber Kuchen und Ge- delskette Aldi abschloss, kündigte die Beschäftigten, schlechte Einzelvereinbarun- bäck mit der Post und kooperierten Restau- Fotos: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX; NGG Schloss Burger GmbH (Burger King) Mitar- gen zu unterzeichnen. Notlösungen wie Au- rants mit Tafeln. Im Berliner Ibis hielt man beitern in der Probezeit und schickte sie tomatenversorgung oder Lunchpakete waren sich bis Ende Mai mit dem Abbau von unbezahlt nach Hause (siehe Seite 32). nicht mehr als ein „Tropfen auf den heißen Resturlaub und Überstunden einigermaßen Stein“ für die Betriebsgastronomen, die im über Wasser und hoffte vor allem auf ein Bundesweit unterschiedliche Regelungen Bereich Kantinen vom Handeln ihrer Kun- schnelles Ende der Beschränkungen. „Dann galten auch in der Betriebsgastronomie. den abhängig waren. wird es ja auch nicht gleich wieder voll los- Während das Stadion-Catering und die Be- gehen können, aber etwas ist besser als lieferung von Veranstaltungen und Events Etwas ist besser als nichts nichts!“, sagt die Betriebsrätin Frauke Herr- komplett eingestellt wurden, blieb bis Ende Findige Ideen und Kreativität gab es in allen mann und spricht damit Tausenden Be- Mai etwa ein Drittel der Kantinen in den Teilen des Gastgewerbes, um wenigstens ei- schäftigten aus der Seele. einigkeit 2-2020 9
Nicht das, was produziert wird, veränderte sich, sondern das Wie. Udo Eckhoff. Wo die Bänder stillstehen, wird versucht, die Kollegen an andere Ar- beitsplätze umzusetzen. Das funktioniert nicht immer reibungslos: „Wer sonst Milch- pulver macht, kann nicht ohne Einweisung Quark herstellen.“ So wurde auch über den Abbau von Überstunden versucht, alle in der Vollbeschäftigung zu halten. Nicht das, was produziert wird, veränderte DMK-Gesamtbetriebsratsvorsitzender sich, sondern das Wie: Trotz lang eingeüb- Udo Eckhoff ter und gewohnter Hygienevorschriften gel- ten seit Corona in der Herstellung neue Milch und Käse stark gefragt Regeln. Die Arbeitsübergabe erfolgt in Neuburg wie in Niedersachsen kontaktlos. Milch, Sahne, Käse: Ob bei den bayeri- In Bayern gibt es noch zusätzlichen Mund- schen Neuburger Milchwerken oder dem schutz und die Beschäftigten sind generell Deutschen Milchkontor (DMK): Was der aufgefordert, möglichst keine Fahrgemein- Handel bestellt, wird geliefert. Auch zu Co- schaften zu bilden, um die Ansteckungsge- rona-Zeiten. fahr zu verringern. Fotos: DMK; Uwe Völkner / Fotoagentur FOX; dvv1989 – Adobe Stock; Kai-Uwe Knoth Zwar gab es Einbrüche bei den Großbestel- lungen, aber die Verbraucher in Deutsch- land garantierten eine ungebrochene Nach- frage. In Neuburg wurde im März und April an sieben Tagen der Woche im Drei- Schicht-System für Nachschub gesorgt, ebenso beim DMK im niedersächsischen Zeven. „Wegen Corona sind wir bei den Großgebin- den – der sogenannten Eimerware – in der Produktion auf Null, bei der Frischkäserei brummt es dagegen ohne Ende“, berichte- te der DMK-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ob Käse, Joghurt oder Milch: Die Verbraucher sorgten für Vollbeschäf- tigung an vielen Produktionsbändern in der Milchindustrie. 10 einigkeit 2-2020
FOKUS | POLITIK „Unsere Beschäftigten können den Job nicht zwölf Stunden machen, diese Belastung wäre nicht vertretbar.“ Michael Halfpap, Betriebsratsvorsitzender JDE Kaffee macht munter Die Raucherpause Auch in Nicht-Krisenzeiten gehört Kaffee Zum Kaffee gehört offenbar für viele zu den Lieblingsgetränken der Deutschen, auch die Zigarette. Denn obwohl auch in in der Krise scheint der Griff zum Koffein der Tabakindustrie regelmäßige Abnehmer noch wichtiger zu sein. wegfallen, zum Beispiel die Duty-Free- Shops auf Flughäfen, lief bei Reemtsma in Bei Jacobs Douwe Egberts (JDE) wurden Hannover-Langenhagen die Produktion zusätzlich Leiharbeiter angestellt, um die ebenso auf Hochtouren wie bei den Mitbe- Nachfrage zu bewältigen. Der Betriebsrat, werbern. Neben dem normalen Drei- der dies normalerweise nicht schätzt, ist Schicht-System wurde eine Frühschicht aktuell dankbar für die Entlastung der am Samstag und eine Nachtschicht am Kernbelegschaft: „Ich kann mir nicht vor- Sonntag zusätzlich eingeführt. stellen, dass wir über die normalen acht Stunden Arbeitszeit hinausgehen können. Hier wie andernorts sind alle auf Abstand: Unsere Beschäftigten können den Job Die Kantine wurde umgeräumt, in der Pro- nicht zwölf Stunden machen, diese Belas- duktion sorgen Markierungen für die nötige tung wäre nicht vertretbar“, sagte der Be- Distanz und auch bei Seife und Desinfekti- triebsratsvorsitzende Michael Halfpap An- onsmitteln wurde aufgestockt. Es gibt für fang April. Aber erstmals wurde bei dem alle Mund- und Nasenschutz. Ein elektroni- Berliner Kaffeeproduzenten an einem Kar- sches Bildschirmsystem liefert zeitnah In- freitag und an Wochenenden gearbeitet. formationen, auch Fragen an die Geschäfts- führung werden beantwortet. „Das funktio- Mehr Hygiene auch hier: Weil die üblichen niert hervorragend“, lobt der stellvertreten- Bartbinden keinen Schutz bieten und Mas- de Betriebsratsvorsitzende Andreas Kirsch. ken am Anfang Mangelware waren, haben Unter anderem werden so alle über den die Azubis mit einer guten Idee gepunktet: Stand von Infektionen oder Infektionsver- Sie haben ein Plastikvisier entwickelt, das dacht auf dem Laufenden gehalten. Bis sie mit dem Laser-Cutter selbst produzie- Anfang Mai gab es 30 Verdachtsfälle. Alle ren. Zusätzlich gibt es seitdem mehr Beschäftigten konnten wieder arbeiten, Waschbecken sowie in Pausenräumen und waren negativ getestet worden. der Kantine gilt „Abstand halten“. Im Frei- en wurden zusätzliche Bänke aufgestellt, damit die Mitarbeiter ihre Pausen in der Sonne verbringen können. Für die „Krönung“ von Jacobs mussten die Beschäftigten erstmals überhaupt am Wochenende arbeiten. Auch in der Tabak- industrie blieb die Nachfrage hoch. einigkeit einigkeit 2-2019 2-2020 11
Während in der Produktion die Beschäftigten am Limit arbeiten, versucht „der Handel rotzfrech, noch die Preise zu drücken“. Petra Müller-Jungheinrich, Brandt Zwieback-Schokoladen GmbH + Co. KG Süßes stand hoch im Kurs, ob in Gläsern oder als Gebäck. Und wenn es zu süß wurde, fanden die Verbraucher offenbar saure Gurken oder in Essig eingeleg- tes Gemüse besonders schmackhaft. Süßes für die Seele Die Süßwarenbranche hatte ebenfalls kein Nachfrageproblem. Süßes hält sich und war für viele offenbar Trost in der Die „Corona-Prämie“, wie sie intern heißt, Konserven für den Vorratskeller Fotos: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX; Syda Productions – Adobe Stock schwierigen häuslichen Situation. Die Ar- bedeutete 50 Euro mehr für die Nacht- beitgebervereinigung Nahrung und Genuss schicht, 60 für die Früh- und 70 Euro für Die verarbeitende Industrie kämpfte we- war hocherfreut und „lobte” schon früh die die Spätschicht. Außerdem wurden noch gen des Klimawandels bereits in den ver- politische Entscheidung zur Arbeitszeitver- Mitarbeiter gesucht, um das Pensum zu gangenen zwei Jahren mit Engpässen. Im längerung und Wochenendarbeit, auch bewältigen. März und April kletterte die Nachfrage Kurzarbeit war bei den Arbeitgebern ein nach oben, und das könnte an einigen Stel- Thema, obwohl die Nachfrage boomte. Die Produktion sprengte die eigenen Lager- len zu Nachschubproblemen führen. Um- kapazitäten: „Im Moment produzieren wir satzrückgänge bei Großkunden wie der Sys- Bei der Brandt Zwieback-Schokoladen direkt für die Beladung in die Lkw“, sagt temgastronomie oder den Restaurantkü- GmbH + Co. KG im thüringischen Ohrdruf Müller-Jungheinrich. Richtig verärgert ist chen und Caterern bedeuteten für manche war im März und April die Belastung hoch. die Betriebsratsvorsitzende über den Han- Unternehmen Kurzarbeit, während solche, An sechs Tagen wurde im Drei-Schicht- del. Während in der Produktion die Be- die dem Einzelhandel zuliefern, Überstun- System gearbeitet, berichtet die Betriebs- schäftigten am Limit arbeiten, versucht den schieben. ratsvorsitzende Petra Müller-Jungheinrich. „der Handel rotzfrech, noch die Preise zu Sie äußert sich besorgt über die hohe Be- drücken“, schimpft sie, weil sie weiß, dass Denn Gurken, Gemüse, Dosensuppen, Ein- lastung der Beschäftigten. Immerhin gab eine solche Preispolitik Auswirkungen auf töpfe sind gut haltbar und bestens als Vor- es einen Ausgleich für den harten Einsatz. die Beschäftigten haben kann. rat geeignet. Bei GB Foods Deutschland 12 einigkeit 2-2020
Foto: Vorname Nachname FOKUS | POLITIK EDITORIAL (zum Beispiel Erasco) stellte die Betriebs- „Jeder Tag ist ein Corona-Problemlösungs- reien durch die Krise sinken könnte – ab- ratsvorsitzende Susanne Kranick fest: „Die tag“, seufzt Röhricht. Da muss eine Lösung hängig vom jeweiligen Geschäftsmodell. Nachfrage geht durch die Decke. Zusätz- für Alleinerziehende her, die ihre Kinder lich zum normalen Drei-Schicht-System an nicht mehr in Schule oder Kita schicken Beim klassischen Bäcker und Fleischer ste- fünf Tagen gibt es noch eine Samstags- können. Zudem müssen die Älteren in der hen die Kunden geduldig in der Abstands- schicht und am Sonntag ebenfalls eine, für Belegschaft geschützt und beruhigt wer- schlange. Anders bei allen Verkaufsstellen, die Reinigung der Anlagen.“ den, weil sie ein erhöhtes Risiko haben. die auch Schulen, Kantinen oder Veranstal- tungen beliefert haben. Firmen, die Filialen Auch bei der Carl Kühne KG stand große Und es gilt, die immer Sorglosen zu ermah- in Flughäfen und Bahnhöfen betreiben, Nachfrage neben Umsatzrückgängen: Wäh- nen, sich an die Vorgaben zu halten. Den- kämpfen ebenfalls mit Umsatzverlusten. rend die Mayonnaise-Produktion und ande- noch sei die Stimmung insgesamt gut, „weil Dazu kommen die Geschäfte in lange ver- res für die Systemgastronomie stockte, alle froh sind, überhaupt Arbeit zu haben“. waisten Tourismusstandorten. stieg die Nachfrage nach den klassischen Im Berliner Werk sind derzeit 40 von 260 Konserven wie Gurken oder Rotkohl im Beschäftigten in Kurzarbeit. „Umsatzeinbußen von bis zu 90 Prozent Glas enorm an. Der Einkauf mache gerade sind nicht selten“, sagt Daniel Schneider einen „Riesen-Job“, um Rohstoffe und Ver- Die Wurst aufs Brot vom Zentralverband des Deutschen Bäcker- packungsmaterial zu beschaffen, lobt der handwerks. Bei den Fleischern sieht es Betriebsratsvorsitzende des Berliner Werks In Bäckereien und Fleischereien herrscht nicht viel besser aus. Sie kämpften schon Mirko Röhricht die Kollegen. Denn gerade zu diesen Zeiten oft Hochbetrieb. Doch auch vor Corona: Mit den Angeboten der Dis- die Nachfrage bei Gemüse und Gurke in hier ist die Situation unterschiedlich. In den counter und Supermärkte konnten sie Essig führe zu einem weiteren Problem: Für vergangenen Jahren gab es eine überdurch- kaum Schritt halten. Beide Handwerksbe- Essig brauchen die Produzenten Alkohol, schnittliche Zunahme von zusätzlichen reiche, Bäcker wie Fleischer, leiden ohne- den brauchen aber auch die Hersteller der Snack-, Imbiss-, Café- und Cateringangebo- hin schon lange unter Nachwuchssorgen. Desinfektionsmittel. Und die Gurken müs- ten. Ein enorm zukunftsträchtiger Markt – sen nachwachsen, bevor sie verarbeitet wie es schien. Nun steht zu befürchten, werden können. dass die Zahl der Bäckereien und Fleische- Brot und Wurst laufen immer: Doch das Bäcker- und Fleischer- handwerk hatte auch vor Corona schon Probleme, die jetzt nicht weniger wurden. einigkeit einigkeit 1-2017 2-2020 13 13
„Noch ist das Oktoberfestbier nicht gebraut, aber die Absage ist dennoch rundum ein Desaster." Mustafa Öz, Vorsitzender des NGG-Landesbezirks Bayern Die wichtigen Auslandsmärkte Italien und China brachen praktisch weg. Selbst die Hopfenernte war betroffen, weil die Saison- arbeitskräfte fehlten. Kleinen und mittelständischen Privatbraue- reien geht es an die Existenz. Aber auch die Großen müssen kämpfen. „Seit Corona geht hier alles gegen Null“, stellt Sabine Lenius Astrid Neumann, Betriebsratsvorsitzende fest. Sie ist Betriebsratsvorsitzende beim bei Coca-Cola in Halle fränkischen Tucher Bräu, das zur Radeber- ger Gruppe gehört. Der Außendienst und Kein Bier vom Fass die Fuhrpark-Beschäftigten sind bereits seit Mitte April in Kurzarbeit. Auch die Getränkeindustrie leidet – trotz Hamsterkäufen. Ohne Restaurants, Kneipen, Obwohl das nach Kaffee zweitliebste Ge- Bars und Clubs fehlen die Kunden. tränk der Deutschen in diesen Zeiten durch- aus gehortet wurde – wie das viel zitierte Die Erfrischungsgetränke waren nicht weni- Klopapier – kann der häusliche Bierkonsum ger betroffen als Bier oder Mineralwasser. die Verluste beim Fassbier nicht auffangen. „Der März war noch gut, aber seit April sind Die Getränkevorräte von Bier und Mineral- die Umsätze rückläufig“, berichtet Astrid wasser in den Vorratskammern und Kellern Neumann, Betriebsratsvorsitzende von sorgten für ein weiteres Problem: Das Leer- Coca-Cola am Standort Halle. Hier wird gut wurde knapp. Eistee der Marke Fuze produziert – norma- lerweise im Frühjahr und Sommer ein Ver- Besonders das „Bierland“ Bayern hat Corona kaufsschlager. Jetzt „gehen die Kollegin- hart getroffen. Mehr als 40 Prozent der nen und Kollegen nach und nach in Kurzar- Braustätten bundesweit haben ihren Sitz im beit“. Die Schließung der Gastronomie traf Freistaat, zuletzt gut 650 Betriebe. Vor al- Fotos: privat; NGG; Uwe Völkner / Fotoagentur FOX erst einmal nur den Außendienst, dann ka- lem die Absage des Oktoberfestes ist ein men die anderen Bereiche dazu. Immerhin Verlust, den viele Unternehmen und Be- gibt es eine Betriebsvereinbarung, sodass das Kurzarbeitergeld auf 85 Prozent aufge- stockt wird. In den 1500 deutschen Brauereien sieht es noch problematischer aus. Abgesagte Groß- veranstaltungen führten ebenso wie die Bier war gefragt, doch der private Schließung der Gastronomie zu Umsatz- Konsum konnte den fehlenden verlusten, dazu fehlen Pachteinnahmen Umsatz durch Gastronomie und aus den Vertragsgaststätten. Veranstaltungen nicht ersetzen. 14 einigkeit 2-2020 einigkeit 1-2019
EDITORIAL FOKUS | POLITIK schäftigte nur schwer verkraften werden. es den Versuch, Pausenzeiten zu verän- „Bayern steht Kopf“, so der Vorsitzende des dern. Aber, so Brede, „unsere Betriebsräte NGG-Landesbezirks Bayern, Mustafa Öz. arbeiten bundesweit zusammen und blei- „Sechs Millionen Besucher und damit Kon- ben wachsam“. sumenten fehlen ohne die ‚Wiesn‘. Das hat durch die Bank massive Auswirkungen auf Seelentröster Außendienst Getränkelieferanten, Hotels, Gaststätten, Bäckereien und die Brauereien. Noch ist Sie sitzen selten am Schreibtisch, ihr Ar- das Oktoberfestbier nicht gebraut, aber die beitsplatz ist das Auto: die Außendienstler. Absage ist dennoch rundum ein Desaster.“ Sie sorgen unter anderem dafür, dass die Kunden von neuen Produkten erfahren und Inzwischen sind Gaststätten und Biergärten diese testen können. Homeoffice ist für die wieder geöffnet. Bei Einhaltung der Hygie- Beschäftigten, die sonst davon leben, un- neregeln darf auch wieder sicher Bier ge- terwegs und im Gespräch zu sein, eine ge- trunken werden. wöhnungsbedürftige Umstellung. Das Büro zu Hause halten nicht alle für einen guten Die Kühltruhe ist gefüllt Arbeitsplatz, sagt Stefan Jünger, Gesamt- betriebsratsvorsitzender des Außendiensts Wann passt nichts mehr in die Tiefkühl- beim Zigarettenhersteller Reemtsma. Es truhe zu Hause? Das ist die Frage, die sich gebe Kollegen, die den Tag herbeisehnen, der Betriebsratsvorsitzende von TK-Pizza an dem sie das Homeoffice wieder schlie- Freiberger Lebensmittel, Peter Fliegauf, ßen können, aber auch „die, die auf den stellt. Denn die produzierte Menge war im- Geschmack gekommen sind“. mens, Mehrarbeit stand auf der Tagesord- nung. Am Standort Muggensturm in Baden- Aber nicht nur der Arbeitsplatz hat sich ge- Württemberg gab es zu Zeiten der Grenz- ändert. Anfangs, so Jünger, „waren wir für schließungen noch ein anderes Problem: unsere Kunden eher Sorgentelefon und Die Tagespendler aus dem nahen Elsass Seelentröster“. Alles musste sich einspie- hatten durch Grenzkontrollen und Sonder- len. Bei Reemtsma arbeitet der Außen- genehmigungen Mühe, überhaupt rechtzei- dienst seit März im Homeoffice und durfte tig an ihren Arbeitsplatz zu kommen. ab Anfang Mai wieder raus ins normale Ar- beitsleben. In anderen Branchen sieht es Beim Tiefkühlkost-Hersteller Frosta in Bre- schlechter aus, insbesondere bei Zuliefe- merhaven war die Situation nicht anders. rern für Hotels, Gaststätten oder auch Kan- Es gab Sonderschichten und Samstagsar- tinen. Sie sind überwiegend in Kurzarbeit, beit. „Die Belegschaft geht hier gut mit“, denn ihre Kunden bestellen derzeit gar stellt der Betriebsratsvorsitzende Frank nichts – auch nicht am Telefon. Brede fest. Aber es gilt auch, die Betriebs- ratsarbeit nicht zu vernachlässigen: So gab Tiefkühlkost wie Fischstäbchen wurde in Mengen gebunkert, schätzen die Hersteller und fürchten, dass sie später kaum noch nachproduzieren müssen. einigkeit2-2020 einigkeit 2-2019 15
Foto: Vorname Nachname Die festgeschriebenen Mengenvorgaben erzeugen enormen Druck Medienwirksame NGG-Aktionen zeigten Wirkung und zwangen die Politik schließlich zu konse- bei den zumeist osteuropäischen Schlachtern und Zerlegern. quentem Handeln, um die systematische Ausbeutung zu beenden. Zwischen Kotelett und Corona Seit Jahren prangert die NGG die skandalösen Arbeits- und Wohnbedingungen von Werkvertragsbeschäftigten in der Fleischindustrie an. Mit dem Coronavirus und den lokalen Infektionsausbrüchen im Umfeld einiger Schlachtbetriebe sind die Zustände in der Fleischproduk- tion in den vergangenen Wochen schlagartig öffentlich geworden. Es ist eine Katastrophe mit Ansage. Mehr als 20 Jahre lang hat die Politik auf tel stieg beispielsweise zu Beginn des Schichten verlängert Druck der Fleischbarone und Lobbyisten Lockdowns der Absatz der ostwestfälischen Auch bei Westfleisch im nordrhein-westfäli- weggeschaut, obwohl kein Jahr ohne Skan- Tönnies Holding. Eine Zeit, in der die Be- schen Erkenschwick ist die Belastung hoch. dale um menschenunwürdige Unterkünfte, schäftigten unter Druck stehen und die „Wir haben unsere Schichten jeweils um nicht bezahlte oder gesetzwidrige Arbeits- Branche besonders freudig neue Regeln, eine Stunde verlängert“, sagt der Betriebs- zeiten oder die Umgehung des Mindest- die Mehr- und Sonntagsarbeit erlauben, be- ratsvorsitzende Siegmund Koscielski. In Er- lohns verging. Das alles waren keine Einzel- grüßt. kenschwick werden vor allem Wurst und fälle. Sie waren Teil eines Systems, das Schinken für Supermärkte und Discounter Fotos: industrieblick – Adobe Stock; Verena Müller künftig durch konsequentes Handeln des Bei Tönnies gibt es noch ein weiteres Prob- produziert. Hier wurden die ohnehin stren- Gesetzgebers hoffentlich unterbunden wird. lem. Von den rund 6500 Beschäftigten gen Hygienevorschriften in der Produktion kommen bis zu 90 Prozent aus Ländern zum Schutz der Beschäftigten noch einmal Heimat oder Kohle wie Bulgarien, Rumänien oder Ungarn. Für verschärft. Auch der vorgeschriebene Ab- Mitte März in Deutschland: Die Maßnah- sie gibt es quasi keine Heimatbesuche stand muss eingehalten werden. men zur Eindämmung des Coronavirus las- mehr. Wer nach Hause will, muss dort zwei sen den deutschen Fleischproduzenten die Wochen in Quarantäne und bei der Einrei- Doch es gibt Ausnahmen. In vielen Betrie- Großkunden wegbrechen. Restaurants und se nach Deutschland ebenso wieder. Vier ben stehen die Zerleger zu dicht, warnte der Hotels sind geschlossen, ebenso Kantinen Wochen, in denen die in den Werkverträ- stellvertretende NGG-Vorsitzende Freddy und Imbisse. Gleichzeitig steigt der private gen vorgegebenen Mengen nicht erfüllt Adjan bereits zu Beginn der Coronavi- Konsum. Vor allem Wurstwaren, Dosen- werden können. Die Konsequenz: kein Hei- rus-Pandemie. Diese Arbeitsplätze „bergen und Hackfleisch sind gefragt. Um ein Drit- maturlaub oder kein Geld. immense Gefahren“. Hier werden Anste- 16 einigkeit 2-2020 einigkeit 1-2017
FOKUS | POLITIK ckungsgefahren ausgeblendet, um noch unternehmer delegieren, die wiederum mit sind, sollen wieder aufgestockt, mit einer mehr verkaufen zu können. Privatleuten oder Immobilienbesitzern zu- digitalen Zeiterfassung soll endlich dem sammenarbeiten, die alle kräftig mitverdie- Betrug bei den Arbeitszeiten ein Ende ge- Vergammelte Zimmer nen. Bis zu 350 Euro sind für ein Bett in setzt werden. Mit dem Beschluss der Bun- Wie Recht er damit haben sollte, zeigte sich einer überbelegten Wohnung zu zahlen. desregierung, Werkverträge in der Fleisch- Ende April: Bei Müller Fleisch in Birkenfeld produktion zu verbieten, endet hoffentlich (Pforzheim) wurden zunächst 168 Werkver- Ende Mai sind schließlich mehr als 1400 für rund Zehntausende Menschen, die meist tragsbeschäftigte positiv auf das Coronavi- Beschäftigte an deutschen Schlachthöfen aus Südosteuropa kommen, die Ausbeutung rus getestet. Der Betrieb wurde unter Qua- mit dem Coronavirus infiziert. Und die Zahl in einem anonymen System von Sub-, Sub,- rantäne gestellt. In einzelnen Landkreisen steigt weiter. Im Fokus: Müller Fleisch, der Subunternehmen. mussten die Behörden, nachdem Mitte Mai größte Billigschlachthof in Baden-Württem- die Corona-Auflagen gelockert wurden, die berg. Mit Unterstützung des DGB-Projekts Verantwortung übernehmen Notbremse wegen zu hoher Infektionszah- „Faire Mobilität“ startete eine großangeleg- Mit der Möglichkeit der Festanstellung und len ziehen. Betroffen waren Mitarbeiter von te Aktion in Pforzheim: Die NGG versuchte, einer digitalen Arbeitszeiterfassung müs- Westfleisch in Coesfeld und Erkenschwick, die größtenteils osteuropäischen Werkver- sen die Fleischkonzerne Verantwortung für ebenso ein Schlachthof in Schleswig-Hol- tragsbeschäftigten über ihre Arbeitnehmer- eine korrekte und transparente Lohnab- stein. In der Krise ist nur zu deutlich gewor- rechte zu informieren und sich ein Bild von rechnung übernehmen. Künftig haben die den, wie wichtig konsequentes Gegensteu- den Bedingungen bei der Birkenfelder Beschäftigten die Chance, sich beim Be- ern seitens Politik und Behörden ist. „Wir Großschlachterei und den Unterkünften zu triebsrat oder ihrer Gewerkschaft über ihre brauchen endlich flächendeckende Kontrol- verschaffen. Trotz Einschüchterungsversu- Rechte zu informieren, sich vertreten zu len und Regeln für die Unterkünfte der Be- chen seitens der Subunternehmer war es lassen und sich zu beteiligen. Wenn nötig schäftigten“, so Adjan. möglich, mit Beschäftigten zu sprechen auch an einem Streik. Das ist ihnen als und Infomaterialien zu verteilen. letztes Glied im Subunternehmersystem Die Wohnverhältnisse sind derart miserabel, bisher verwehrt worden. Die Werkvertrags- dass ein Virus leichtes Spiel hat: Viele Men- Keine Werkverträge mehr beschäftigten brauchen keinen weiteren schen leben auf einem begrenzten Raum Druck und Medienpräsenz zeigen am 20. Runden Tisch, keine weitere freiwillige und sind oft in Unterkünfte einquartiert, die Mai schließlich Wirkung: Das Bundeskabi- Selbstverpflichtung und keine Absichtser- nicht den Standards entsprechen: kleine, nett beschließt, dass Schlachten und Zerle- klärungen. Ihnen ist nur wirklich geholfen, vergammelte Zimmer mit schlecht funktio- gen ab 2021 nur noch mit Beschäftigten wenn der Kabinettsbeschluss im Gesetzge- nierenden sanitären Einrichtungen und des eigenen Unternehmens zulässig sind. bungsverfahren Eins zu Eins umgesetzt ohne die Möglichkeit, auch mal für sich zu Die Kontrollen sollen verschärft und auf die wird. Heftiger Widerstand der Arbeitgeber sein. Die Unternehmen machen es sich ein- Wohnungen und Unterkünfte ausgedehnt und ihrer Lobbyisten ist zu erwarten. fach, indem sie die Frage, wo die Werkver- werden. Kontrollkapazitäten in den Bundes- tragsbeschäftigten unterkommen, an Sub- ländern, die teilweise kaputtgespart worden NGG-Referatsleiter Thomas Bern- hard verteilte mit Unterstützung von „Faire Mobilität“ Infomaterial an Beschäftigte des Schlachthofs Müller in Pforzheim. Unterbrin- gung auf engstem Raum: In den teilweise vergammelten und über- füllten Unterkünften hat das Virus leichtes Spiel. einigkeit 2-2020 17
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MENSCHEN | PORTRÄT # Gesichter der Krise Die NGG Digital-Demo Corona hat Demonstrationen und Streiks unmöglich gemacht. Deshalb hat die NGG ihre Mitglieder zur Digital-Demo aufgerufen: Viele sind dem Aufruf gefolgt und haben ihre Forderungen an Politik und Arbeitgeber unter dem Hashtag #GesichterderKrise öffentlich gemacht. www.ngg.net/GesichterderKrise einigkeit 1-2020 19
Foto: Vorname Nachname Von vorbildlich bis katastrophal Die letzten Monate gehörten für viele zu den schwersten ihres Arbeitslebens. Während die einen durch Kurzarbeit in Existenznöte gerie- ten, arbeiteten andere unter Volllast auch an Wochenenden oder wurden durch Kita- und Schulschließungen an den Rand ihrer Belastbar- keit gebracht. NGG-Vize Freddy Adjan über erfolgreiches Krisenmanagement, alte Missstände und künftige Herausforderungen. Der Lockdown seit März hat die Wirtschaft ganz unterschiedlich auch vorher schon Missstände gab, und Arbeitgeberverbände, die getroffen. Wie sieht es in den NGG-Branchen aus? nur an ihre eigenen Interessen denken. Wer zum Teil schwarzgear- Sehr unterschiedlich. In einigen Bereichen der Lebensmittelindus- beitet und dann noch einen guten Teil des Lohnes über Trinkgelder trie ist der Absatz eingebrochen. Vor allem, wenn für das Gastge- aufgebessert hat, guckt nicht nur später bei der Rente, sondern werbe produziert wird. Das betrifft unter anderem Brauereien oder auch jetzt beim Kurzarbeitergeld, in die Röhre. Dies zeigt deutlich, Hersteller von Erfrischungsgetränken. Hier haben wir in der Folge dass an guten Löhnen und geregelten Arbeitsbedingungen kein Kurzarbeit. Aber überwiegend hat sich für die Lebensmittelindus- Weg vorbeiführt. trie nichts verändert. Im Gegenteil: Seit März boomte die Produk- tion in anderen Bereichen für mehrere Wochen. Das hieß für unse- Was konnte die NGG konkret in den letzten Monaten für die re Kolleginnen und Kollegen: Sonderschichten und Mehrarbeit Beschäftigten erreichen? unter den erschwerten Arbeitsbedingungen mit Abstandsgebot und In vielen Fällen konnten wir schnell Regelungen zur Aufstockung veränderten Abläufen sowie der Sorge, sich auf dem Weg zur Arbeit des Kurzarbeitergeldes abschließen, da haben wir als Gewerkschaft oder im Betrieb anzustecken. Unsere Leute haben Großartiges ge- sehr zügig gemeinsam mit den Betriebsräten vor Ort passgenaue leistet, um die Bevölkerung sicher und verlässlich mit Lebensmit- Lösungen verhandelt. Kurzarbeit hilft den Beschäftigten, da sie mit teln zu versorgen. Dieser riesige Beitrag blieb aber weithin unsicht- dem staatlichen Kurzarbeitergeld und einer Aufstockung über einen bar. Da hat kaum jemand für die Beschäftigten unserer Branchen NGG-Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung dann halbwegs Beifall geklatscht. den Verlust an Einkommen ausgleichen können. Das rettet die Men- schen in vielen Fällen über die ersten Wochen oder Monate, und die Wirkt Corona wie ein Brennglas, unter dem deutlich wird, was Unternehmen behalten ihren Beschäftigtenstamm und können sehr schon vorher schieflief? flexibel reagieren, wenn die Nachfrage wieder anzieht. Seit Beginn Allerdings. Vor allem im Gastgewerbe. Es ist eine der am stärksten der Coronavirus-Pandemie haben wir auf Entscheidungen von außen betroffenen Branchen gewesen – und ist es immer noch. Seit Mitte reagiert und dabei immer unsere Kolleginnen und Kollegen im Blick Mai gibt es eine schrittweise Öffnung. Die NGG hat diesen Prozess gehabt. Ich glaube, das Krisenmanagement, dass die NGG und die Fotos: NGG; Bettina Schmidt eng begleitet, wir haben uns stark gemacht gegenüber der Politik Betriebsräte bislang hingelegt haben, war richtig gut. und unser Fachwissen eingebracht. Uns ist wichtig: Die Beschäf- tigten müssen geschützt arbeiten können, das Ansteckungsrisiko Und die Arbeitgeber? muss so gering wie möglich gehalten werden. Und auch die Gäste Da sehen wir eine große Bandbreite: von vorbildlich bis katastro- in Hotels, Cafés und Restaurants müssen sicher sein – sonst kom- phal. Es gibt Betriebe, denen es wichtiger war, im März und April men sie nicht. Wir alle wollen ein Gastgewerbe, in dem der Laden die große Nachfrage des Handels bedienen zu können, um damit brummt. Jetzt zeigen sich die Branchen und Betriebe, in denen es einen Extraprofit zu machen. Andere haben gern die Hilfen des 20 einigkeit 2-2020 einigkeit 1-2017 2-2020
FOKUS | POLITIK Oben: Anfang Juni de- monstrieren in Rosen- heim Beschäftigte von Danone gegen die dro- hende Werksschließung Unten: Wut vor den Werkstoren. Die Be- schäftigten von Wurze- ner Dauerbackwaren fordern die Angleichung ihrer Löhne an den Flä- chentarifvertrag der Süßwarenindustrie Ost. Staates wie das Kurzarbeitergeld angenommen und sich dann we- Seite unserer Mitglieder und helfen, dass NGG und Betriebsräte nig um den Schutz der Beschäftigten gekümmert. Und dann gibt die beste Lösung für unsere Leute erreichen. Wir haben aber auch es solche Unternehmen, in denen die Geschäftsleitungen ganz fix schon in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gesehen, gemeinsam mit dem Betriebsrat einen Krisenstab gegründet und dass die Lebensmittelindustrie sehr krisenfest ist, denn auch in vernünftige Lösungen gefunden haben. Krisenzeiten wird gut gegessen und getrunken. Sollte allerdings der Konsum der Menschen weiterhin schwach bleiben, dann wer- Was steht in den Betrieben jetzt an? den auch wir Probleme bekommen. Priorität hat weiterhin der Arbeits- und Gesundheitsschutz: Wie kann die Produktion laufen, ohne dass sich jemand ansteckt? Wie Was bedeutet das für anstehende Tarifverhandlungen? kann dabei 1,5 bis zwei Meter Abstand gehalten werden? Gibt es Wir sehen jetzt, dass viele Arbeitgeber mit dem Hinweis auf Corona Masken für alle? Wie oft, wann, von wem werden Treppengeländer, alles abblocken wollen: keine Tarifverhandlungen, keine Lohnerhö- Knöpfe, Werkzeuge gereinigt und desinfiziert? Das ist seit März hungen! Das ist völlig unangemessen, denn einem großen Teil der eine Riesenaufgabe für die Betriebsräte vor Ort. Hut ab, die haben Unternehmen in den NGG-Branchen geht es in Coronazeiten gut sehr schnell gehandelt und sich für die Beschäftigten eingesetzt. oder sogar sehr gut. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben die Menschen in diesem Land mit Lebensmitteln versorgt und in einer Wie wird es weitergehen? schwierigen Zeit ihre Gesundheit riskiert, um arbeiten zu gehen. Die erste, akute Krisenphase ist vorbei. Jetzt müssen wir mit dieser Da erwarten wir Respekt und Anerkennung. Und, natürlich, Lohn- neuen „Normalität“ umgehen. Es wird in vielen Branchen gearbei- erhöhungen in den jetzt anstehenden Tarifverhandlungen. Das ha- tet, zum Teil mit versetzten Schichten, aber doch in Volllast. ben sie sich verdient und das hilft der ganzen Wirtschaft, weil or- Wir alle hoffen, dass es in der Industrie und auch im Handwerk dentliche Lohnerhöhungen den Binnenkonsum ankurbeln. Ich keine Insolvenzen oder Teilschließungen von Produktionsbereichen habe schon wieder die ersten Anträge auf Warnstreiks auf dem geben wird. Wenn es doch dazu kommen sollte, sind wir an der Tisch liegen – gut so! Wir lassen uns das nicht gefallen. einig- einigkeit2-2020 einigkeit 2-2019 21
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NGG BRANCHE AKTIV Ausbildung à la Corona Coronavirus und Ausbildung: zwei Dinge, die scheinbar nur schwer zusammengehen. Nach einer aktuellen Prognose des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) könnten durch die Pandemie in diesem Jahr mindestens 25.000 Ausbildungsplätze verloren gehen. Zu den am meisten betroffenen Branchen gehört das Gastgewerbe. In Hotels und Gaststätten machten die Schließungen die hebungsvertrag gegeben. Wenn ich jünger und unerfahrener ohnehin schwierige Ausbildungssituation noch komplizier- wäre, würde ich das gar nicht aushalten. Aber es geht ja ter. Ein finanzieller Anreiz für Ausbildungsbetriebe soll Ab- allen so. Jetzt ist wieder Berufsschule. Ich lerne weiter, ko- hilfe schaffen. Partner der sogenannten Allianz für Aus- und che jeden Tag Gerichte aus dem Schulbuch und notfalls Weiterbildung einigten sich Anfang Juni auf ein Maßnah- ziehe ich für einen neuen Ausbildungsplatz auch um.“ menpaket, das das duale Ausbildungssystem stützen – und damit den Auszubildenden unter die Arme greifen soll. Unsichere Zeiten Auch in der Hotellerie ist Ausbildung zu Corona-Zeiten Die stellvertretende NGG-Vorsitzende Claudia Tiedge hatte besonders schwierig. Anna-Lena Federl steht kurz vor ihrer bereits zu Beginn der Coronavirus-Pandemie einen staatli- Prüfung zur Hotelfachfrau. chen Bonus für Unternehmen gefordert, die trotz Kurzarbeit Sie ist Mitglied der Jugend- an der Berufsausbildung festhalten. „Das kann dazu beitra- und Auszubildendenvertre- gen, Kurzarbeit für Azubis zu vermeiden und ihnen helfen, tung in einem Münchner den Berufsabschluss auch in der Krise zu erreichen“, so Hotel. Zurzeit ist sie im Tiedge. Wie schwierig das dennoch sein kann, berichten Marketing eingesetzt. Das zwei junge NGGler. Büro besetzt sie während des Lockdowns häufig allein, ihre Und dann kam Corona Kolleginnen und Kollegen ar- So leicht lässt sich Jens Neumann (Name von der Redakti- beiten zu Hause. „Da gestal- on geändert) nicht unterkriegen, aber was die Coronavi- Anna-Lena Federl tet sich Ausbildung erstmal rus-Pandemie Auszubildenden im Gastgewerbe abverlangt, nicht so einfach, wenn alle ist heftig. Als der heute 28-Jährige im Januar 2018 seine anderen im Homeoffice sind. Aber nach und nach haben wir Kochausausbildung in einem Restaurant in Baden-Würt- das übers Telefon gut hingekriegt“, lacht sie. Seit Anfang temberg begann, war die Welt noch in Ordnung. Alles lief Mai geht Anna-Lena auch wieder zur Berufsschule. „Bis gut in seinem Traumjob. Erst als sein Küchenchef Anfang dahin gab es ein Online-Tool zum Selberlernen. Für manche des Jahres den Betrieb verließ, fragten ihn die Chefs, ob er war das neben der Arbeit ziemlich stressig, denn die nicht woanders hingehen wolle. Es gebe niemanden, der wenigsten haben von ihren Arbeitgebern Zeit für die ihn weiter ausbilden dürfe. schulischen Aufgaben bekommen. Neben der Unsicherheit, wie nun die Noten zustande kommen, beschäftigt viele – Neumann: „Ich habe dann tatsächlich einen neuen Ausbil- vor allem die Auszubildenden aus Betrieben ohne Betriebs- dungsplatz bei einer großen Hotelkette gefunden. Ich war rat – wie es um die Übernahme steht. Alles in allem eine gerade eine Woche da, alles war prima und dann kam Coro- sehr unsichere Situation.“ Anna-Lena Federl hofft, dass na…“ Da hieß es, es täte ihnen leid, aber es gebe keine sich ihre eigene Zukunft bald entscheidet. Arbeit mehr. Es folgte die betriebsbedingte Kündigung: „Das lief alles korrekt ab. Sie haben mir gleich das Geld für die eine Woche gezahlt und keine 24 Stunden später hatte Kopf an, Füße hoch ich die Arbeitsbescheinigung. Es gibt da einen Betriebsrat. Das merkt man gleich.“ Viele Weiterbildungen der jungenNGG kommen jetzt direkt zu Euch. Macht ganz bequem von Eurer Couch Jens Neumann brennt für seinen Beruf und will unbedingt online mit bei unserem Webinar-Programm. die Ausbildung im Winter abschließen. „Ich werde jetzt ge- Foto: privat Alle Infos und die Anmeldung findet Ihr auf meinsam mit der NGG juristisch gegen meinen alten Be- www.ngg-veranstaltungen.de trieb vorgehen. Die haben mir noch nicht einmal einen Auf- einigkeit einigkeit 2-2019 2-2020 23
Foto: Vorname Nachname Herzlichen Dank für Eure Treue! In dieser Ausgabe gratulieren wir Mitgliedern, die im zweiten Quartal der Jahre 1950 (vor 70 Jahren) und 1970 (vor 50 Jahren) in die Gewerkschaft NGG eingetreten sind. Wir sind dankbar und sehr stolz, dass uns so viele von Euch über Jahrzehnte ihr Vertrauen schenken. Haltet uns auch weiterhin die Treue! Seit 75 Jahren Mitglied Seit 50 Jahren Mitglied Dortmund: Alfred Döding Allgäu: Laurenz Boedeker Mannheim-Heidelberg: Gertrud Lohmann Baden-Württemberg-Süd: Katharina Barsi, Mecklenburg-Vorpommern: Heinz Häse Stevan Berkovic, Caterina Bongarzone, Rosario Errico, Schleswig-Holstein-Nord: Karl-Heinz Jensen Rudolf Gemlin, Doris Herre, Aldo Sia Berlin-Brandenburg: Marianne Heinrich, Hermann Heu- er, Klaus Hoffmann, Wolfgang Hornfeldt, Doris Linstaedt, Norbert Ziesemer Seit 70 Jahren Mitglied Bielefeld-Herford: Werner Flottmann, Joachim Grabbe, Heinz-Dieter Müller, Manfred Scholz Baden-Württemberg-Süd: Egon Eisele, Kurt Schaffart Bünde-Lübbecke-Minden: Herbert Greimann Berlin-Brandenburg: Harald Ledat Darmstadt und Mainz: Herbert Schwantzer, Bünde-Lübbecke-Minden: Erich Dettmer, Hermann Staiger, Hans Walter Herbert Döring Dortmund: Harald Bode, Heinz-Dieter Gros, Detmold-Paderborn: Adolf Hübner, Georg Lukas Günter Knäpper, Hannelore Straube, Heinz-Jürgen Tepel Dortmund: Friedrich Horn, Dieter Karaus, Max Klinke, Dresden-Chemnitz: Christine Lieber, Christian Medack, Hans Nennstiel, Josef Rohla, Hans-Dieter Ullrich Ursula Scheibig Dresden-Chemnitz: Brigitte Hauschild, Hannover: Bernd Behre, Gunold Fischer, Annemarie Moeser Werner Gniffke, Traute Grass, Hartmut Hepke, Düsseldorf-Wuppertal: Guenther Freyer Kurt Schaller, Uwe Schaper Köln: Gottfried Mueller Heilbronn: Monika Bayer, Werner Schiffner Lübeck: Rita Liedtke Hamburg-Elmshorn: Antje Ahmling, Siegfried Kästner, Magdeburg: Günter Viergutz Karl-Heinz Kaufhold, Günther Mohr, Peter Mrutzek, Mannheim-Heidelberg: Rudolf Weick Gisela Paulsen, Rolf Peters, Roderich Vogel, Mittelrhein: Kastor Schneider Rainer Wankum München: Valentin Bauer Köln: Aydin Durkan, Anton Kirschbaum Nord-Mittelhessen: Johann Eschinger Krefeld-Neuss: Helmut Crienen, Karin Dollbaum, Nürnberg-Fürth: Edith Dietz, Anny Jelifier Georg Klober, Irene Koenen, Heinrich Koester, Oberfranken: Alfred Grampp, Annerose Motschmann, Walter Quack Christoph Strötz Lübeck: Jutta Bohnert Pfalz: Otto Müller, Kurt Scherff Lüneburg: Walter Johannes, Jose Angel Sanz-Catalina Rhein-Main: Nikolaus Bieber Magdeburg: Monika Drieselmann Ruhrgebiet: Otto Imm Mannheim-Heidelberg: Werner Schneider Stuttgart: Oskar Rattai Mecklenburg-Vorpommern: Werner Skomski Süd-Ost-Niedersachsen-Harz: Hermann Limburg Mittelrhein: Alex Höfer Trier: Klaus Steinhauer Niederbayern: Franz-Xaver Altmannsdorfer, 24 einigkeit 2-2020 einigkeit 1-2017 4-2019
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