WISSEN, WAS WIRKT - WENN FREUNDE ZU PATIENTEN WERDEN Das Magazin der für Gesundheit und Soziales Corona
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Doppelausgabe 3-4/2020 AUS IHRERN Das Magazin der REGIO für Gesundheit und Soziales Corona WENN FREUNDE ZU PATIENTEN WERDEN Infektionsstation COVID-19 WAR UND IST UN KALKULIERBAR ARZNEIMITTELTHERAPIE WISSEN, WAS WIRKT
14 inhalt Wenn Freunde zu Patienten werden Die Covid-19-Pandemie hat un- seren Alltag weiter fest im Griff. Nach den Sommerferien infizierten sich wieder mehr Menschen. Dr. Andreas Zaruchas erlebt all das am Brüderkrankenhaus St. Josef in Paderborn hautnah mit. Er leitet dort die Pneumologie, in seinen Verantwortungsbereich fällt die Be- handlung von Covid-19-Patienten. Wissen, ARZNEIEN was wirkt Im Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn und im St.-Marien-Hospital Marsberg arbeiten nicht nur Mediziner und Pflegekräfte, sondern auch mehrere Apotheke rinnen. Sie kontrollieren die Medikationspläne von Patienten, beraten Ärzte oder kümmern sich um die 6 fachgerechte Herstellung von Krebsmedikamenten. Das Ziel: Die Arzneimittel- therapie noch sicherer zu machen. Wie das konkret aussieht, zeigt ein Arbeits- tag von Oberapothekerin Corinna Wiebeler. 12 Gepflegte Hände im „Corona-Winter“ Alle Jahre wieder bringt die Wintersaison neben Kälte, weiß glitzernden Landschaften und Glühwein auch kleinere Probleme mit sich. Durch die Mischung aus kalter Luft und geheizten Räumen werden die Hände trocken und rissig. In diesem Jahr kommt durch die Corona-Pandemie häufi- ges Händewaschen oder -desinfizieren hinzu. Dr. Alexander Menzer, Ärztlicher Leiter Hygiene und Mikrobiologie am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur, hat Tipps, Foto: istockphoto wie Händehygiene mit Hautschutz funktioniert. BBT-Magazin 3-4/2020 2
editorial Covid-19 war und ist unkal- Heinrich Lake Stellvertretender kulierbar Hausoberer Region Als das Corona- Paderborn/Marsberg Virus ausbricht, 22 steht das Team der Infektionsstation vor besonderen Herausforderungen. INHALT LIEBE LESERINNEN UND LESER, intro „wir leben in unsicheren Zeiten“, hörte ich von einem 4 Nachrichten aus der BBT-Gruppe Nachbarn, der damit die Fülle an Informationen in diesem Jahr meinte: Corona. Ständig neue Erkennt- arzneien nisse, aktualisierte Zahlen und besorgniserregende 6 Wissen, was wirkt Berichte in den Medien sorgen für Unsicherheit. Da- 11 Keime wirkungsvoll bekämpfen bei wünschen sich doch alle das Gegenteil: Sicherheit. gesund&fit 12 Gepflegte Hände Absolute Sicherheit gibt es nicht, wie die Erfahrungen im „Corona-Winter“ zeigen. Aber es gibt Möglichkeiten, Risiken zu mini- mieren. In unseren Einrichtungen ist uns Sicherheit coronavirus im Zusammenhang mit Qualität und Hygiene sehr 14 Wenn Freunde zu Patienten werden wichtig. Patienten und Besucher sollen darauf ver- standpunkt trauen können, dass bei uns neueste Erkenntnisse der 18 Zeit für ein Umdenken Wissenschaft umgesetzt werden. Aber worin zeigt sich das? Oft sieht man nur die äußeren Maßnahmen wie 21 momentmal Besuchsbeschränkungen und Hinweisschilder mit infektion der Bitte um Einhaltung der Hygienevorschriften wie 22 Covid-19 war und die AHA-Formel (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken). ist unkalkulierbar Wie sieht es aber „hinter den Kulissen“, für Patienten und Besucher kaum wahrnehmbar, aus? Was heißt kurz&knapp Patientensicherheit für ein Krankenhauslogistikun- 26 Nachrichten aus der Region ternehmen? Antworten zu diesen Fragen finden Sie rhythmologie Bei Fragen rund um Ihre in der vorliegenden neuen Ausgabe unseres Magazins 28 Dolce Vita dank Defi Gesundheit helfen wir „Leben!“ Ihnen gerne weiter. 32 Kinderseite Schreiben Sie uns unter Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre, bei 33 Kreuzworträtsel info@bk-paderborn.de der das Stichwort Sicherheit im Krankenhaus für Sie 34 Veranstaltungstipps oder etwas konkreter wird. 35 Impressum info@bk-marsberg.de Ihr Heinrich Lake BBT-Magazin 3-4/2020 3
intro SORGE VOR GRIPPEWELLE IN CORONA-ZEITEN Auf zur Impfung Foto: istockphoto Ärzte und Politiker raten, die Grippeimpfung in diesem Jahr verstärkt zu nutzen. Denn es sei problematisch, wenn zur Corona-Pandemie auch noch eine Grippewel- le komme. „Gleichzeitig eine größere Grippewelle und die Pandemie kann das Gesundheitssystem nur schwer verkraften“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Die Bundesregierung habe deshalb zusätzlichen Impfstoff bestellt. „Jeder, der sich und seine Kinder imp- fen lassen will, sollte und kann das tun“, so der CDU- Politiker. Angesichts der Corona-Pandemie raten auch Fotocollage: kkvd Kinderärzte zur Impfung von Kindern. „Wir wissen, dass Kinder den Influenza-Virus maßgeblich übertragen“, sagte Johannes Hübner, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. Abgesehen KAMPAGNE DES KKVD von den Risiken für die Gesundheit der Kinder gebe es in Zeiten der Corona-Pandemie eine gesellschaftliche FÜR EIN Verpflichtung zum Schutz anderer. OFFENES MITEINANDER Mit der aktuellen Kampagne „Vielfalt ist gesund“ des Katholischen Krankenhausverband Deutschlands e.V. (kkvd) wollen katholische Krankenhäuser einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte leisten und damit ein politisches Zeichen für ein offenes Miteinander in unserer Gesellschaft setzen. Auch die BBT-Gruppe unterstützt als Mitglied des kkvd die Kampagne. Menschen sind vielfältig. Sie unterscheiden Neuer Blog der BBT-Gruppe sich in ihrer kulturellen und religiösen Zugehörigkeit, in Geschlecht, Lebensform, sexueller Identität, Alter, Weltanschauung, körperlichen Haben Sie sich schon einmal gefragt, was sich hinter Merkmalen, sozialem Status, Bildung und vielem mehr. „In unseren den Kulissen eines Krankenhauses oder einer Senioren Krankenhäusern treffen tagtäglich die unterschiedlichsten Menschen einrichtung abspielt? Im neuen Blog der BBT-Gruppe lesen zusammen. Also sind auch Kliniken Orte der Vielfalt und Begegnung“, Sie aus unterschiedlichen Perspektiven, was uns bewegt sagt Dr. Albert-Peter Rethmann, Sprecher der Geschäftsführung der und was wir erleben – persönlich, subjektiv und möglichst BBT-Gruppe. „Wir behandeln in unseren Häusern jährlich mehr als nah. Erfahren Sie mehr unter www.bbtgruppe.de 700.000 Patienten, rund 14.000 Mitarbeitende arbeiten zusammen – aller Generationen, Kulturen, Religionen. Jeder Mensch ist so, wie er ist, einzigartig“, betont Dr. Rethmann weiter. „Daher betrachten wir Vielfalt als Bereicherung und wissen zugleich: Sie ist Herausforderung und will gestaltet sein. Wir haben den Anspruch, gemeinsam in einem Klima der Offenheit und gegenseitigen Wertschätzung miteinander zu arbeiten und in dieser Haltung begegnen wir auch unseren Patienten und allen, die in unsere Einrichtungen kommen.“ Machen Sie mit: Auf www.vielfalt-ist-gesund.de erhalten Sie mehr Informationen und können selbst aktiv an der Kampagne teilnehmen. BBT-Magazin 3-4/2020 4
NATIONALES GESUNDHEITSPORTAL Wissen im Web Erst mal „Dr. Google“ fragen: Rund 40 Millionen Deutsche recher- chieren zuerst im Netz, wenn sie Fragen zum Thema Gesundheit ASSISTIERTER SUIZID haben. Dabei erhalten sie neben geprüften Auskünften auch Falschinformationen, Halbwahrheiten, Werbung und Mythen. An der Seite des Lebens Das Bundesgesundheitsministerium möchte dem mit seinem neuen Gesundheitsportal etwas entgegensetzen und fundierte Informationen zu den häufigsten Krankheitsbildern, zu Themen wie Pflege, Prävention und Digitalisierung im Gesundheitswesen liefern. Eine Arzt- und Krankenhaussuche ist ebenfalls integriert. Weitere Themen sollen Schritt für Schritt hinzugefügt werden. Die Inhalte wurden unter anderem mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Robert Koch-Institut erstellt. Das Gesundheitsportal finden Sie unter www.gesund.bund.de Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Februar 2020, das das Verbot zur geschäfts- mäßigen Förderung der Selbsttötung aufhebt, stößt bei einem großen Bündnis katholischer Träger sozialer Einrichtungen – darunter auch die BBT-Gruppe – auf entschiedene Kritik. Als Christ, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Titel „An der Seite des Lebens“, vertraue man darauf, dass jedes menschliche Leben in ZWEITER STANDORT IN TRIER ERÖFFNET jeder Phase von Gott gewollt und angenommen sei. „Aus dieser Überzeugung erwächst uns die Ethik im Gesundheitswesen Verpflichtung, menschliches Leben in seinem unbedingten Wert zu schützen“, heißt es weiter. Nicht erst die Corona-Krise hat gezeigt, dass ethische Fragen insbeson- Deshalb lehnen es die Träger auch grundsätzlich dere mit Blick auf den Gesundheitssektor zunehmen und an Komplexität ab, dass Ärzte oder Mitarbeiter aus den Bereichen gewinnen. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, haben die Philo- Pflege, Betreuung und Begleitung in ihren Einrich- sophisch-Theologische Hochschule Vallendar (PTHV), die Theologische tungen Beihilfe zum Suizid leisten oder bei der Vor- Fakultät Trier und die BBT-Gruppe als konstitutiver Kooperationspartner bereitung eines Suizids helfen. „Unsere Botschaft gemeinsam das Ethik-Institut Vallendar-Trier gegründet. Die Räumlichkei- an Menschen mit Krankheiten, Behinderungen ten liegen im Geburtshaus des Begründers der Katholischen Soziallehre, oder Pflegebedarf ist, dass sie willkommen sind Oswald von Nell-Breuning. Der Standort Trier unter der Leitung von und ihr Leben nicht als wertlos oder nicht mehr Professor Dr. Ingo Proft (PTHV) setzt seine Schwerpunkte auf Organisa- lebenswert angesehen wird“, betont Dr. Albert- tions- und Unternehmensethik und versteht sich als Ergänzung zu dem Peter Rethmann, Sprecher der BBT-Geschäfts 2006 von Professor em. Dr. Heribert Niederschlag SAC gegründeten führung. Ethik-Institut an der PTHV, das vornehmlich Fragen der Medizin- und Fotos: istockphoto Pflegeethik untersucht. In Planung ist außerdem die Einführung des Lesen Sie die gemeinsame Erklärung unter Masterstudiengangs Theologie und Ethik im Sozial- und Gesundheits www.bbtgruppe.de wesen. BBT-Magazin 3-4/2020 5
arzneien TEXT: JORIS HIELSCHER | FOTOS: ANDRÉ LOESSEL WISSEN, WAS WIRKT Im Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn und im St.-Marien-Hospital Marsberg arbeiten nicht nur Mediziner und Pflege- kräfte, sondern auch mehrere Apotheke rinnen. Sie kontrollieren die Medikations pläne von Patienten, beraten Ärzte oder kümmern sich um die fachgerechte Herstellung von Krebsmedikamenten. Das Ziel: Die Arzneimitteltherapie noch sicherer zu machen. Wie das konkret aussieht, zeigt ein Arbeitstag von Ober apothekerin Corinna Wiebeler. BBT-Magazin 3-4/2020 6
arzneien 7.20 Uhr In ihrem kleinen, Erkenntnisse im Blick haben. „Das alles dem gerade ihre Kollegin Stefanie Kunt- aber ordentlich motorisierten machen wir, weil wir die Behandlung mit ze sitzt. Kuntze, die neben Wiebeler die Auto, einem Mini, biegt Corin- Arzneimitteln weiter verbessern wollen“, zweite Oberapothekerin ist, führt hier na Wiebeler auf das Gelände erklärt Corinna Wiebeler. eine sogenannte Arzneimittelanamnese des Brüderkrankenhauses St. Josef ein. durch. Eine ältere Patientin, die nächste Unmittelbar neben der Klinik befindet 8.30 Uhr Eine Stunde hat sie Woche operiert wird, hat mehrere Me- sich in einem modernen dreistöckigen Mails beantwortet und sich dikamente, die sie einnimmt, in einer Gebäude das paderlog Zentrum für Kran- um die Personalplanung ge- braunen Papiertüte mitgebracht und kenhauslogistik und Klinische Pharma- kümmert. Im paderlog arbei- breitet sie auf dem Tisch aus. zie, von allen Mitarbeitern kurz paderlog ten die Apothekerinnen in einem Rotati- Stefanie Kuntze schaut sich die Pa- genannt. Schnellen Schrittes – ihrem onssystem. Die meisten sind abwechselnd ckungen genau an: „Wie häufig nehmen normalen Bewegungstempo, wie sich im in der Logistik, der Medikamentenher- Sie diese Tabletten am Tag? Und wie Laufe des Tages zeigt – geht die 34-Jährige stellung und auf Station eingesetzt. „Wir viele davon?“, fragt sie. Während die Pa- in ihr Büro im zweiten Stock, wo sie sofort sind so deutlich flexibler, gleichzeitig ist tientin erzählt, tippt Stefanie Kuntze die den Computer startet. Ein typischer Ar- es aber auch anspruchsvoller. Unsere Antworten in den Computer. „Wir berei- beitstag beginnt. Apothekerinnen müssen sich in allen ten einen Medikationsplan für die Ärzte Corinna Wiebeler ist Oberapothe- drei Bereichen auskennen“, erklärt Wie- mit unseren pharmazeutischen Anmer- kerin im paderlog und koordiniert die beler. Als Oberapothekerin übernimmt kungen vor“, erklärt sie. Dabei achten die Arbeit von insgesamt zwölf Apothekerin- auch sie verschiedene Aufgaben, springt Apothekerinnen auf mögliche Wechsel- nen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn bei Bedarf ein und wird von ihren Kolle- wirkungen mit den Arzneimitteln, die die Krankenhausapothekerinnen küm- ginnen bei komplizierten Fällen gerufen. im Krankenhaus verabreicht werden mern sich nicht nur um die Bestellung Insgesamt besuchen die Mitarbeiter des sollen, und geben Empfehlungen, wel- von Medikamenten und Medizinpro- paderlog Stationen von insgesamt neun ches Medikament vor einer Operation dukten und kontrollieren die eigene Her- Krankenhäusern in der Region. abgesetzt werden sollte. stellung, sondern sie gehen selbst auf die Doch nicht immer ist die Arzneimit- Stationen mehrerer Krankenhäuser. Dort 9.00 Uhr Heute hat Corinna telanamnese so einfach wie bei diesem erfassen sie die Medikation in der Patien- Wiebeler es nicht weit. Sie ist Mal. „Manche Patienten wissen gar nicht tenaufnahme, beraten Ärzte und Pflege- als Stationsapothekerin im genau, welche Medikamente sie neh- kräfte bei der Arzneimitteltherapie oder benachbarten Brüderkran- men. Dann rufen wir bei den Angehöri- achten zum Beispiel darauf, dass Antibio- kenhaus St. Josef eingeteilt. Kurz nach gen oder beim Hausarzt an“, sagt Kuntze. tika nach klaren Regeln eingesetzt wer- der Eingangshalle schaut sie in einem Das betreffe vor allem ältere Patienten den. Dazu müssen sie wissenschaftliche Büro der Patientenaufnahmen vorbei, in oder welche mit mehreren chronischen Die Aufgaben von Corinna Wiebeler und der anderen Apotheker sind vielfältig. Eine davon ist die Arzneimittelanamnese: Vor der stationären Aufnahme eines Patienten erfassen die Apotheker genau, welche Medikamente er einnimmt. BBT-Magazin 3-4/2020 8
VIDEO VIDEO Sehen Sie mehr über den Weg von Sehen Sie mehr zum Thema Arzneimittelsi- Silvana Doman zurück ins Leben unter cherheit unter www.bbtgruppe.de/leben www.bbtgruppe.de/leben eine ergänzende zur AMTS-Managerin absolviert. AMTS ist die Abkürzung für Arzneimitteltherapiesicherheit. „Ganz einfach gesagt: Wir haben gelernt, wie wir die individuelle Therapie sicherer und damit besser machen können“, so Wiebeler. Und dieses Wissen gibt sie wei- ter. Regelmäßig veranstaltet sie interne Schulungen, bei denen sie zusammen mit den anderen Apothekerinnen kom- plizierte Fälle noch einmal bespricht oder neue Präparate vorstellt. 12.45 Uhr Nur kurz will Co- rinna Wiebeler in der Lo- gistik vorbeischauen. Dafür Als Stationsapotheker beraten Corinna Wiebeler und ihre Kollegen täglich geht es zwei Stockwerke Pflegekräfte und Ärzte. runter, einmal ums Haus herum und auf der Rückseite durch eine schwere Metall- Erkrankungen. Dabei fällt den Apothe- Insgesamt 35.000 Patienten schauen tür. Das langgestreckte Bürogebäude ent- kern auch immer wieder auf, dass Pati- sich die Apothekerinnen des paderlog puppt sich als großes Logistikzentrum mit enten Wirkstoffe doppelt oder in der fal- jedes Jahr auf diese Weise an, bei rund Hochregal-Lager, automatisch laufenden schen Dosierung einnehmen. einem Drittel werden sie tätig. Sie prüfen Bändern und hochmoderner Sortieranla- Von der Patientenaufnahme läuft unklare Angaben, fragen gezielt nach ge sowie unzähligen Kartons, Boxen und Corinna Wiebeler weiter auf Station. und geben Empfehlungen, wie die Me- Schränken voll mit Arzneimitteln und „Wir besuchen täglich alle chirurgischen dikation umgestellt werden soll. Medizinprodukten. Das paderlog beliefert Stationen, die innere sowie die pneumo- mehr als 20 Krankenhäuser. Eine Apothe- logische Station und schauen uns alle 11.00 Uhr Corinna Wiebe- kerin ist immer vor Ort und bearbeitet die Patienten an, die ungeplant ins Kran- ler ist zurück in ihrem Büro. Anfragen der Stationen. kenhaus kommen“, erzählt die 34-Jäh- Am Computer beantwortet Nun ist Zeit für die Mittagspause – rige. Auf der jeweiligen Station kontrol- sie Anfragen von Ärzten und ganz allein genießt sie ihr mitgebrach- liert sie Patientenakten nach möglichen Pflegekräften der versorgten Kliniken. tes Essen im Büro. Sie lacht: „Da ich den Übertragungsfehlern und Unklarheiten. „Dabei kann es um komplexe oder seltene ganzen Tag viel kommuniziere, freue ich Dabei achtet sie auch auf die Nie- Arzneimitteltherapien gehen. Manchmal mich, einfach mal etwas Ruhe zu haben renfunktion von Patienten. „Wenn die recherchieren wir zu einem schwierigen und durchzuschnaufen.“ Niere nicht mehr richtig funktioniert, Fall mehrere Stunden“, erklärt sie. Dazu können Medikamente nicht mehr so nutzt sie das umfangreiche Archiv des pa- 13.30 Uhr Es geht ins haus- schnell abgebaut werden und es kann derlog sowie internationale Datenbanken. eigene Labor des paderlog zu einer Überdosierung kommen“, er- „Wir müssen auf dem neuesten Stand der im ersten Stock. Dafür muss klärt Corinna Wiebeler. Vor Ort können Forschung sein“, erklärt sie. Mehr als 2.000 die Apothekerin zunächst die Apotheker Ärzte und Pflegekräfte Anfragen jährlich bearbeiten sie und ihre durch eine Schleuse. In einem Raum mit bei Fragen beraten. Zudem nehmen Kolleginnen in der Arzneimittelinformati- Überdruck wechselt sie die Schuhe, zieht sie regelmäßig an Visiten teil und ge- onsstelle. einen Kittel über ihre normale Kleidung ben kurze Schulungen, beispielsweise Sowohl auf Station als auch bei An- sowie eine Haube an und desinfiziert zu neuen Präparaten. „Gemeinsam mit fragen von Ärzten müssen sich die Phar- sorgfältig ihre Hände. In dem Vorraum den Ärzten und Pflegekräften wollen mazeuten sehr gut auskennen. Da es bis arbeitet Corinna Wiebeler zusammen mit wir besser werden“, sagt sie mit Nach- zu diesem Jahr keine spezielle Weiterbil- Pharmazeutisch-technischen Assistenten druck. dung zur Stationsapothekerin gab, hat sie (PTA). Es ist ein sogenannter Reinraum BBT-Magazin 3-4/2020 9
therapie Das paderlog beliefert mehr als 20 Krankenhäuser in der Region mit Medizinpro- Zytostatika für die Krebstherapie dukten und Medikamenten. werden im eigenen Labor hergestellt. der Reinraumklasse D, was bedeutet, dass werden, da Infusionen keimanfällig sind für den weiteren Transport in andere es bestimmte Obergrenzen für die zuläs- und Krebspatienten häufig geschwächt. Kliniken vorbereitet. sige Zahl an Partikeln und Mikroorganis- Das Besondere bei der Zytostatika- men in der Luft gibt. Herstellung: Die Infusionen werden in- 15.45 Uhr Der Arbeitstag Durch Fenster ist der eigentliche dividuell für jeden Patienten produziert. geht bald zu Ende, doch vor- Herstellungsraum zu sehen, in dem zwei „Jeder Krebs ist anders und die körper- her kehrt Corinna Wiebeler moderne Werkbänke mit speziellen liche Verfassung von Patienten ist sehr nochmals in ihr Büro zu- Belüftungs- und Filteranlagen stehen. unterschiedlich. Sie brauchen daher auf rück. Sie überprüft ihre Mails und macht Wer dort hinein möchte, muss weitere sie zugeschnittene Medikamente“, er- sich einen Plan für den kommenden Schleusen passieren und eine spezi- klärt sie. Über die Arzneimitteltherapie Tag. Und nun: Feierabend! Mit schnellen elle Laborkleidung anziehen – steriler entscheidet der Arzt, basierend auf den Schritten eilt sie zu ihrem Mini. ■ Overall, feste Sicherheitshandschuhe, Erkenntnissen wichtiger wissenschaft- Mundschutz, Kopfhaube und spezielles Schuhwerk. Das Labor hat die höchste licher Studien. Im Labor werden in der Regel mehrere Wirkstoffe kombiniert WARUM ARZNEI Reinraum-Stufe. Jeweils zwei PTA sitzen und genau dosiert. Die Dosierung richtet MITTELSICHERHEIT an einer Werkbank – eine produziert das Medikament, während die andere die sich dabei nicht nur nach dem Gewicht, sondern auch nach der Körperoberflä- SO WICHTIG IST notwendigen Wirkstoffe anreicht. che der Patienten – also nach der Fläche, Wenn Arzneimittel nicht aufeinander In dem Reinraumlabor werden so- die von Haut bedeckt ist. abgestimmt sind, ein neues Präparat da- genannte Zytostatika hergestellt, auch Als Apothekerin macht Corinna zukommt oder die Dosis falsch eingestellt „Zellstopper“ genannt. Es sind Arznei- Wiebeler eine sogenannte Plausibili- ist, können unerwünschte Arzneimittel- mittel, die die Teilung und Vermehrung tätsprüfung. Sie überprüft unter an- wirkungen auftreten – mit ernsten Fol- von Tumorzellen hemmen. Sie werden derem die Dosierung, die Menge oder gen. Rund eine halbe Million Menschen in der Chemotherapie bei Krebserkran- auch die Haltbarkeit der Infusion. „Wir werden deswegen jährlich ins Kranken- kungen eingesetzt und in der Regel als gehen alle Fragen, die sich der Arzt haus eingewiesen, zeigen Studien. Mit Infusion verabreicht. „Es sind potenziell stellt, noch einmal durch – und schaf- einer älter werdenden Gesellschaft und toxische Substanzen. Deshalb müssen fen so eine größere Sicherheit“, sagt sie. einer steigenden Zahl von Präparaten ge- unsere Mitarbeiter geschützt werden“, In den kommenden zwei Stunden winnt das Thema weiter an Bedeutung, erklärt Oberapothekerin Corinna Wiebe- produzieren sie gemeinsam mehrere die Expertise der Krankenhausapotheker ler. Gleichzeitig müssen die Zytostatika Boxen mit den Infusionen. Diese gehen ist daher dringend gefragt. unter sterilen Bedingungen produziert entweder direkt auf Station oder werden BBT-Magazin 3-4/2020 10
Keime wirkungsvoll bekämpfen Resistenzen gegen Antibiotika also den Gesamteffekt im Blick haben. Er- Antibiotika in der Praxis gelernt haben. sind weltweit ein immer größer schwerend kommt hinzu, dass nur wenige Aufbauend auf diesem Wissen haben wir werdendes Problem: Bakterielle neue Antibiotika auf den Markt gebracht in Zusammenarbeit mit den Ärzten einen Krankheitserreger, gegen die werden, die bei diesen hochresistenten Online-Leitfaden entwickelt. Für die fünf die gängigen Antibiotika wir- Erregern helfen. Das heißt: Jetzt müssen häufigsten Erkrankungen in den einzelnen wir vorsorgen, damit wir nicht in Zukunft Fachabteilungen beschreiben wir dort kungslos sind, breiten sich aus. Probleme bekommen. Als Krankenhaus- die Antibiotika-Therapie. So geben wir Oberapothekerin Corinna Wie- apothekerinnen schauen wir uns genau den behandelnden Ärzten Empfehlun- beler erklärt, was das paderlog den Einsatz von Antibiotika im Kranken- gen, welches das optimale Antibiotikum dagegen unternimmt. haus an, nicht nur im Brüderkrankenhaus, je nach Ausprägung der Erkrankung ist, sondern auch in anderen Kliniken in der und liefern wichtige Informationen zu Region, die das paderlog versorgt. Dosierung und Dauer der Behandlung. Frau Wiebeler, wie wird ein Patient Durch den Leitfaden, den wir individuell behandelt, der solch hochresistente Was kann da verbessert werden? für ein Krankenhaus erstellen, können die Keime hat? Verschiedene Untersuchungen an deut- Medikamente deutlich zielgerichteter ein- Die gute Nachricht: Der einzelne Patient schen Krankenhäusern haben zwei Pro- gesetzt werden. Wir haben so den Einsatz wird in der Regel wieder gesund. Denn blemstellungen gezeigt: Häufig werden von Antibiotika reduziert. in den allermeisten Fällen können wir so- Antibiotika-Therapien zu lange verordnet. genannte Reserve-Antibiotika einsetzen. Außerdem wird häufig ein Antibiotikum Das sind spezielle Medikamente, die nur gewählt, das sehr breit wirkt und zu viele bei Infektionen mit resistenten Erregern Keime neben dem eigentlichen Erreger angewandt werden. So können wir den abdeckt. Also einfach ausgedrückt: An- Keim effektiv bekämpfen. Allerdings müs- tibiotika werden im Krankenhaus häufig sen wir bei dem Einsatz dieser Antibiotika zu lang und zu breit eingesetzt, wodurch sehr vorsichtig sein. Resistenzen gefördert werden. paderlog Warum? Wie wollen Sie das ändern? Zentrum für Krankenhauslogistik und Pharmazie Je mehr und je früher wir solch ein Wir haben eine spezielle Fortbildung Tel.: 05251 702-2000 Reserve-Antibiotikum einsetzen, desto zu Antibiotic-Stewardship-Experten www.paderlog.de eher steigt die Wahrscheinlichkeit, dass (ABS-Experten) absolviert, bei der wir Ihr Kontakt sich neue Resistenzen bilden. Wir müssen den verantwortungsvollen Umgang mit Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn BBT-Magazin 3-4/2020 11
gesund&fit GEPFLEGTE Warum werden unsere Hände so trocken? Gesunde Haut hat einen pH-Wert von Seife reduziere ich Keime und reinige gleichzeitig. Beim Desinfizieren reduziere ich lediglich die Keime. HÄNDE IM 5,5, sie ist also leicht sauer. Das verhindert, dass unerwünschte Bakterien auf der Haut wachsen. Wichtig für die Barriere sind die Sie raten also zum Händewaschen. Wie oft oder wann sollte man sie „CORONA- äußere Hornschicht und ein intakter Wasser- Fett-Film. Sind unsere Hände zu lange oder zu oft feucht, kann das den sauren Wasser- waschen? Zu oft ist nicht gut, weil der natürliche Hautschutz durch die Feuchtigkeit zerstört WINTER“ Fett-Film zerstören und Hautfette zwischen den Hornzellen auswaschen. Das kennt jeder, wenn nach dem Schwimmen oder wird. Hände nur dann waschen, wenn sie wahrnehmbar verschmutzt sind, man sich zum Beispiel im Bus an den Griffen fest- Spülen die Haut runzelig wird. Der Verlust gehalten hat oder nach dem Einkaufen. Alle Jahre wieder bringt die von Feuchtigkeit und Hautfetten sorgt für Wintersaison neben Kälte, weiß trockene und spannende Haut, in die Krank- Egal ob desinfizieren oder waschen, glitzernden Landschaften und heitserreger leichter eindringen können. Zu- wie denke ich daran, mir nicht ins sätzlich kann die Empfindlichkeit gegenüber Gesicht zu greifen? Glühwein auch kleinere Probleme potenziellen Allergenen zunehmen. Es komplett zu vermeiden, ist schwer, da mit sich. Durch die Mischung aus es häufig eine unbewusste Bewegung ist. kalter Luft und geheizten Räumen Was kann ich dagegen tun? Jedoch gilt: Wer eine Maske trägt, kann sich werden die Hände trocken und Haut- und spezielle Handcremes helfen, die nicht direkt an Nase und Mund greifen. Hände zu pflegen. Prinzipiell gilt: Die Hände rissig. In diesem Jahr kommt durch zu desinfizieren ist hautschonender als wa- Viele gehen mit Maske und Handschu- die Corona-Pandemie häufiges schen. Hauteigene Fette werden zwar durch hen einkaufen. Ist das ein guter Schutz? Händewaschen oder -desinfizie- den enthaltenen Alkohol gelöst, die gängi- Nein, denn unsere Hände schwitzen in den ren hinzu. Dr. Alexander Menzer, gen Desinfektionsmittel enthalten jedoch Handschuhen, was, wie bereits erwähnt, Rückfetter. Trotzdem rate ich Personen, die den Wasser-Fett-Film der Haut stört. Au- Leitender Arzt Hygiene und nicht im medizinischen Bereich arbeiten, ßerdem können Erreger, die auf die Haut Mikrobiologie am Katholischen davon ab. Das Desinfizieren schädigt unsere kommen, durch das körpereigene Abwehr- Klinikum Koblenz · Montabaur, eigene nützliche Bakterien-Flora, da ist system sofort inaktiviert werden. Dieser hat Tipps, wie Händehygiene mit Händewaschen deutlich besser und bein- Schutz fehlt bei Handschuhen komplett, haltet im Gegensatz zur Handdesinfektion sodass die aktiven Erreger ungehindert Hautschutz funktioniert. auch einen reinigenden Aspekt. Nach dem weitergegeben werden können. Waschen am besten die Hände mit einer Fettcreme mit leicht saurem pH-Wert Die Auswahl ist riesig – sind alle Desin- einreiben. Das regeneriert den Säure- fektionsmittel und Seifen gleich gut? schutzmantel. Wenn das nicht reicht, Beim Kauf sollten Sie grundsätzlich darauf einfach die Hände für ein paar achten, dass Seifen, Desinfektionsmittel Minuten in Oliven-, Mandel- oder und Cremes frei von Duft-, Farb- und Jojobaöl halten. Konservierungsstoffen sind. Seife sollte Dr. Alexander Menzer, pH-hautneutral sein und nur auf bereits Leitender Arzt Hygiene Was ist der Unterschied zwi- angefeuchtete Haut gegeben werden, und Mikrobiologie am schen Desinfizieren und also immer zuerst die Hände kurz nass Katholischen Klinikum Waschen? machen und dann die Seife verreiben. Koblenz · Montabaur Der Effekt ist ein Cremes sollten in einer Tube sein und anderer: Beim nicht in einem Tiegel, der ein idealer Waschen mit Nährboden für Bakterien ist. BBT-Magazin 3-4/2020 12
Richtig Hände waschen – so geht`s! „Waschen Sie sich die Hände, wenn sie wahrnehmbar verschmutzt sind, man sich zum Beispiel im Bus an den Griffen festgehalten hat, einkaufen war oder nach Hause kommt. Das reicht völlig“, sagt der Experte Foro und Illustrationen: istockphoto Hände anfeuchten Seife auftragen Handinnenflächen Handrücken Fingerzwischenräume Fingerspitzen und Nägel Daumen Handgelenk einseifen Seife abwaschen Hände abtrocknen Eincremen Nun sind die Hände sauber 13
coronavirus TEXT: LENA REICHMANN | FOTOS: ANDRÉ LOESSEL WENN FREUNDE ZU PATIENTEN WERDEN Die Covid-19-Pandemie hat unseren Alltag weiter fest im Griff. Nach den Sommer ferien infizierten sich wieder mehr Menschen. Dr. Andreas Zaruchas erlebt all das am Brüderkrankenhaus St. Josef in Paderborn hautnah mit. Er leitet dort die Pneumologie, in seinen Verantwortungsbereich fällt die Behandlung von Covid-19-Patienten. Außer- dem war er von Beginn an Mitglied des Corona-Krisenstabes des Krankenhauses und im regionalen Krisenstab der Stadt Paderborn. Im Interview erzählt er, wie er persönlich die zurückliegenden Monate erlebt hat, wie das Brüderkrankenhaus sich in der Pande- mie aufgestellt hat und wie man sich für eine zweite Welle wappnen kann. BBT-Magazin 3-4/2020 14
Das Virus hatte schon sehr früh im Februar Paderborn erreicht, erinnert sich Dr. Andreas Zaruchas. Die Probe des ersten Verdachtsfalles ging mit dem Taxi direkt in die Charité nach Berlin zu Professor Christian Drosten. BBT-Magazin 3-4/2020 15
coronavirus Ja. Wir haben ausreichend Vorräte an Schutzausrüstung, ausreichend Testkapa- zitäten, Organisationspläne für steigende Patientenzahlen, das Personal ist geschult. Alle wissen jetzt Bescheid, die Strukturen Wir müssen verhindern, sind geschaffen. Wir sehen uns deshalb gut auf eine zweite Welle vorbereitet. dass uns eine mögliche zweite Corona-Welle Helfen Ihnen die Erfahrungen aus dem Frühjahr auch bei der Behand- zusammen mit der lung der Patienten? Grippewelle erreicht. Zu Beginn der Pandemie wurden Patienten sehr früh künstlich beatmet. Damit kann Dr. Andreas Zaruchas man der Lunge auch Schaden zufügen. Wir Chefarzt wissen heute, dass das in vielen Fällen gar nicht nötig ist. Oft können wir sie mit einer intensiven Sauerstofftherapie ebenso gut behandeln. Dabei bekommen die Patienten reinen Sauerstoff über eine Nasensonde statt, wie bei der künstlichen Beatmung, über einen Schlauch in der Luftröhre. Herr Dr. Zaruchas, das Coronavirus be- Im Herbst sind wir generell deutlich anfälliger Wenn Sie sich zurückerinnern: Was stimmt seit März unseren Alltag. Was für Atemwegsinfektionen. Die Schleimhäute haben Sie gedacht, als Sie zum ersten genau macht es so gefährlich? trocknen schneller aus, das Immunsystem Mal von dem neuen Coronavirus Ich halte das Virus für deutlich gefähr- ist empfindlicher. Gleichzeitig bevorzugt das gehört haben? licher als die normale Grippe. Es ist an- Coronavirus offenbar kühlere Temperaturen. Zum ersten Mal vom Coronavirus habe ich steckender und macht viel kränker. Man Von daher sind die Bedingungen für eine an einem Abend im Januar 2020 gehört. kann es am ehesten mit der Spanischen zweite Welle dann auf jeden Fall da. In der Tagesschau war damals die Rede Grippe vergleichen, die vor rund 100 von einem neuen Virus in China. Damals Jahren weltweit Millionen Todesopfer Wie können wir uns darauf vorbe- schien das noch weit weg. Aber ich hatte gefordert hat. Denn es greift nicht nur die reiten und gibt es Erkenntnisse aus trotzdem schon ein mulmiges Gefühl. Lunge an, sondern kann auch das Gefäß- der ersten Welle, die wir mitnehmen Ich hatte nämlich gleich die Befürchtung, system, das Herz, das zentrale Nervensys- können? dass sich das Virus weltweit ausbreiten tem und die Nieren befallen. Das macht Wir kennen das Virus inzwischen viel könnte. Wir hatten diese Erfahrung es zu einer sehr komplexen Erkrankung. besser und können deshalb gezielter bereits mit anderen Virusepidemien darauf reagieren. Wir wissen, dass die gemacht, zum Beispiel mit der Schwei- Als im Sommer die Fallzahlen zurück- Übertragung hauptsächlich über die negrippe im Jahr 2009/2010. Die hat uns gingen, glaubten einige schon, das Atemluft erfolgt. Und genau da müssen schon sehr stark getroffen. Mir war des- Virus sei besiegt. Doch nach den Ferien die Schutzmaßnahmen ansetzen. halb klar, dass in einer globalisierten Welt gab es wieder mehr Infizierte. Was Viruserkrankungen immer das Potenzial denken Sie: Wie lange werden wir in Wie wichtig ist es in dem Zusammen- haben, sich weltweit auszubreiten. dieser „neuen Normalität“ noch leben? hang, dass weiterhin viel getestet wird? Mindestens bis es einen Impfstoff gibt. Es ist wichtig, dass weiter viel und intensiv Damit haben Sie recht behalten. Doch Das Virus ist weiter existent, und es ist getestet wird, vor allem in bekannten gerade zu Beginn der Pandemie war hochansteckend. Hotspots. Wir müssen wissen, wie präsent nur wenig über das Virus bekannt. Wie das Virus ist. haben Sie diese Ungewissheit erlebt? Viele Experten haben vorausgesagt, Am Anfang war die Situation zunächst dass es im Herbst eine zweite Welle Haben Sie sich auch im Brüderkran- völlig unklar. Wir hatten irgendetwas, von geben wird. Für wie wahrscheinlich kenhaus St. Josef bereits auf eine dem keiner genau wusste, was es macht, halten Sie das? mögliche zweite Welle vorbereitet? wie gefährlich es ist oder wie es behandelt BBT-Magazin 3-4/2020 16
VIDEO Hören Sie selbst, wie Dr. Zaruchas die Pandemie erlebt hat unter www.bbtgruppe.de/leben wird. Als ich dann die ersten Bilder aus Es kamen dann in rascher Folge immer Sehr große Angst sogar. Dort ist das Wuhan mit den drastischen Maßnahmen, mehr Patienten. Darunter auch welche, Gesundheitssystem zum Teil komplett die die chinesischen Behörden getroffen die schwer erkrankt waren und auf die zusammengebrochen. Es herrschten zum haben, um diese Epidemie einzudämmen, Intensivstation mussten. Das war eine Teil lazarettähnliche Zustände, die eher an gesehen habe, als uns die ersten Bilder große Herausforderung für den Kranken- Krieg erinnerten. Uns war klar: Wir müs- von Toten erreicht haben, da war mir sehr hausbetrieb. Auch in meinem privaten sen jetzt ganz schnell und an ganz vielen schnell klar, dass es sich dabei nicht nur Umfeld gab es dann den ersten Fall. Fronten gleichzeitig handeln, um solche um eine einfache Grippe handelt. Da rollte Ein guter Bekannter von mir wurde auf Zustände hier in Paderborn zu verhindern. etwas Größeres auf uns zu. einmal mein Patient und musste auf der Intensivstation behandelt werden. Inzwi- Das ist Ihnen zum Glück gelungen. Was genau das sein würde, ließ sich schen hat er sich zum Glück erholt. Was, glauben Sie, war dabei das Ent- damals nur erahnen. Gab es denn scheidende? einen Moment, in dem Ihnen klar Sie sprachen es schon an: Das Virus Wir konnten uns vorbereiten, und wir wurde, wie ernst die Lage ist? hat auch das Krankenhaus vor eine haben uns vorbereitet. Außerdem haben Die Ansprache von Kanzlerin Angela schwierige Aufgabe gestellt. Wie wir ein sehr gut ausgestattetes Gesund- Merkel, in der sie von der größten Her- haben Sie sich damals gerüstet? heitssystem: Es gibt in Deutschland ausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg Wir haben rasch einen Krisenstab gebildet deutlich mehr Krankenhausbetten, mehr sprach, hat uns alle hier im Krankenhaus und direkt mit der Arbeit begonnen: Wir Intensivplätze und auch mehr Beatmungs- sehr beeindruckt und auch Angst ge- haben Schutzausrüstung besorgt, Infekti- kapazitäten als zum Beispiel in besonders macht. Wir haben uns damals gefühlt wie onseinheiten eingerichtet, auf der Inten- schwer betroffenen Staaten wie Italien. Soldaten im Schützengraben, die auf das sivstation zusätzliche Betten geschaffen, Das Entscheidende war meiner Meinung Trommelfeuer warten. unsere Beatmungskapazitäten verdoppelt, nach aber, dass die Bevölkerung vom Sinn Personal geschult und die Notaufnahme der getroffenen Maßnahmen überzeugt Wissen Sie noch, wann Sie selbst das aufgerüstet. Das war sehr viel in sehr kurzer war und mitgezogen hat. erste Mal direkt mit dem Virus zu tun Zeit. Auch für die Patientinnen und Patien- hatten? ten und für die Besucher haben wir schon Und gerade im Hinblick auf eine Das war lange davor. Im Februar hier sehr früh Schutzmaßnahmen getroffen. mögliche zweite Welle werden wir im Brüderkrankenhaus, noch vor der Kontakte wurden erfasst, Besuchsein- alle wohl noch einen langen Atem Heinsberg-Epidemie. Damals ist ein junger schränkungen ausgesprochen und eine und viel Disziplin benötigen. Haben Mann mit grippeähnlichen Symptomen Maskenpflicht für alle eingeführt. Sie noch Ratschläge, wie man sich vor in die Notaufnahme gekommen. Er gab einer Infektion schützen kann, abge- an, kurz vorher in China gewesen zu sein, In der „heißen Phase“ im März und sehen von den allgemein bekannten? ausgerechnet in der Nachbarprovinz von April stieg dann die Zahl der Infizier- Entscheidend ist ein intaktes Immunsys- Wuhan. Da gingen direkt unsere Alarm- ten täglich rasant. Wie haben Sie tem. Was kann ich dafür tun? Vor allem glocken an. Wir haben den Mann dann diese Zeit erlebt? viel Bewegung an der frischen Luft! Auch sofort isoliert und den ersten Corona-Test Das waren Zwölf- bis 14-Stunden-Tage. Vitamin D kann vor Atemwegserkran- überhaupt in Paderborn durchgeführt. Wir machten täglich neue Erfahrun- kungen schützen. Wichtig ist zudem die Das war damals noch ein enormer Auf- gen, die Ereignisse haben sich teilweise Grippeschutzimpfung, denn wir müssen wand. Wir haben die Probe mit dem Taxi überschlagen. Es handelte sich um ein verhindern, dass uns eine mögliche zweite direkt in die Charité nach Berlin zu Profes- noch komplett unbekanntes Virus. Keiner Corona-Welle zusammen mit der Grippe- sor Drosten geschickt. Zum Glück war sie wusste, wie es zu behandeln war, und es welle erreicht. negativ. Unser erster bestätigter Corona- gab keine offiziellen Empfehlungen. Da Fall im Brüderkrankenhaus war ein älterer konnten wir nur mit Schwarmintelligenz Mann aus einer Senioreneinrichtung. Wir und gebündelter Expertise gegenhalten. ENTSCHIEDEN haben ihn getestet und sofort auf unsere GEGEN VIREN: Infektionsstation verlegt. Er war dort der Hatten Sie Angst, dass die Fallzah- GRIPPESCHUTZ- erste Patient. Uns war dann klar: Das len hier genauso schnell steigen IMPFUNG 2020! Virus ist in Paderborn angekommen. könnten, wie zum Beispiel in einigen norditalienischen Regionen, und dass Gab es dann das befürchtete „Trom- die medizinische Versorgung dadurch melfeuer“? gefährdet sein könnte? BBT-Magazin 3-4/2020 17
standpunkt Zeit für ein Applaus! Die Corona-Krise ist noch nicht überstanden und der Beifall schon ver- Umdenken hallt. Vor wenigen Monaten noch wurde das Pflegeper- sonal von Politikern und Wir müssen uns immer wieder klarmachen, dass Covid-19 nicht die letzte Bürgern angefeuert. Wir Pandemie gewesen sein galten als Alltagshelden Ein Frühjahr der Helden erlebten wir. Die Kas- wird. Vielmehr ist davon und bekamen von allen siererin, die Erzieherin in der Notbetreuung, Seiten Zuspruch, sogar ein auszugehen, dass es andere, eventuell noch infektiösere der Logistiker im Lebensmittelhandel und viele Pflegebonus wurde groß Erreger geben wird oder andere sorgten dafür, dass das öffentliche Leben angekündigt. Die Wert- vergleichbare Erkrankungen. schätzung und Dankbarkeit, während des Lockdown nicht zusammenbrach. Hierfür müssen wir uns welche wir in dieser Zeit für Wer im Gesundheitswesen arbeitete, kämpfte unseren Beruf erfahren durf- langfristig vorbereiten und aufstellen. Was in dieser um das Leben der Infizierten oder sorgte für ten, tat gut. Für die Leistung Krise noch einmal deut- Schutzausrüstung, Medikamente und andere des Pflegepersonals zu lich wurde: Wir brauchen klatschen war schön, doch dringend notwendige Materialien. Was bleibt? Ressourcen in der Medizin! viel wichtiger war uns, nach Viele der Helden sind ernüchtert und enttäuscht. der Krise nicht in Vergessen- Wir hatten in Deutsch- land bislang deshalb eine Hatte die Corona-Krise doch das Zeug dazu, heit zu geraten. Doch was deutlich geringere Sterb- Grundlegendes zu verändern. Einige Mitarbei- davon ist geblieben? – Kein lichkeit als in vielen anderen Applaus und bisher auch tende aus den Einrichtungen der BBT-Gruppe Ländern, weil wir vergleichs- kein Pflegebonus sowie kein schildern ihre Sicht. zusätzliches Personal. Wir weise hohe Kapazitäten an Intensivbetten haben. Und würden uns wünschen, das zeigt, dass wir bei allem dass die kurzzeitige Wert- Kostendruck, bei jedem Ver- schätzung auch auf Dauer ständnis für Einsparungen ihre Wirkung entfaltet. immer darauf achten müs- Katharina Fischer sen, dass solche Kapazitäten ist Gesundheits- und vorgehalten werden. Denn Krankenpflegerin und wie bereits gesagt – es wird arbeitet in der Gefäß zu vergleichbaren Situatio- ambulanz des Theresien- nen kommen. krankenhauses Mannheim. Privatdozent Dr. Tim Piepho, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin im Krankenhaus der Barm- herzigen Brüder Trier. Illustration: istockphoto BBT-Magazin 3-4/2020 18
Insgesamt hatten wir deutlich mehr Beatmungs- patienten als zu Normal- zeiten – das war eine hohe Belastung für alle im Team. Aber es hat sich ein toller Zusammenhalt im Team entwickelt. Es gab nieman- den in der Pflege, der nicht Die bedrohlichen Ausblicke versucht hätte, alles möglich zu Beginn der Pandemie zu machen. Keiner hat sein haben Ängste wachge- Seit Mitte März hat sich der der steten Möglichkeit der Team oder die Patienten im rufen und Bereitschaft zu Krankenhausalltag maßgeb- Rücksprache mit dem Hygi- Stich gelassen. Dennoch: Veränderungen gefordert. lich verändert. Ungewissheit eneteam. Unser Anspruch Dass wir eine so große Mir persönlich haben der und Unsicherheit standen ist weiterhin, den Patienten Anstrengung brauchten, ständige Informationsfluss, zu Beginn der Pandemie vor während der Isolation ein um Personal in kurzer Zeit die effektive Vorbereitung und während des Dienstes Umfeld für eine angeneh- anzulernen und Material zu und die übergreifende auf der Tagesordnung. Von me Genesung zu schaffen besorgen, ist auch eine Fol- Teamarbeit im Corona- heute auf morgen musste oder auch einen würdigen ge der jahrelangen Sparpo- Gemeinschaftskrankenhaus eine den Umständen ent- Abschied. Dies ist verstärkt litik im Gesundheitswesen. geholfen, mich gut einzu- sprechend angepasste Ar- nötig aufgrund der strengen Das hat zu einer Unterbeset- finden. Schließlich war ich beitsroutine gemeinschaft- Besuchsrichtlinien und der zung in der Pflege geführt, wieder Lernende und froh, lich entwickelt werden. Der Ängste der Angehörigen vor wir müssen in kürzerer Zeit dass die Hauptverantwor- Umgang mit der aufwen- Ansteckung. Wünschens- immer mehr schwerkranke tung bei den gestandenen digen Schutzkleidung bei wert wäre eine anhaltende Patienten versorgen. Daher Kolleginnen und Kollegen dieser speziellen Erkrankung Honorierung und ein zu- muss sich langfristig die lag, die ich als sehr profes- nimmt mehr Zeit in An- künftig angemessener Um- Situation in der Pflege ver- sionell erlebt habe. Das gilt spruch. Neben der Sorge gang für diesen in unserer bessern, Applaus auf dem auch für die urologische um den ausreichenden Gesellschaft unabdingbaren Balkon genügt nicht. Ich Station, in der ich eingesetzt persönlichen Schutz führen Beruf, denn wir werden fürchte, dass sonst einige war, weil dort wiederum die sprunghafte tägliche auch weiterhin an jedem den Beruf enttäuscht auf- Mitarbeitende anderweitig Patientenfluktuation sowie neuen Tag an vorderster geben. Pflege ist ein toller gebraucht wurden. Für die anhaltend wechselnden Front unser Bestes geben! Beruf, er muss attraktiver mich steht fest: Pflege kann Vorgaben zu Abläufen und Applaus für uns! werden, damit sich wieder Krisenmodus. Das darf aber Hygienestandards zu einem Sunja Baschizada, mehr junge Menschen dafür nicht aufgrund von Leis- unvorhersehbaren Arbeits- seit sieben Jahren entscheiden. tungsdichte und schlechten aufkommen. Erleichtert Gesundheits- und Kran- Raphael Gerlach Arbeitsbedingungen der wurde dies durch ein Team, kenpflegerin im Brüder- arbeitet als stellvertreten- Normalfall sein. Dafür brau- das durch die Krise gestärkt krankenhaus St. Josef de pflegerische Leitung chen wir keinen einmaligen zusammengewachsen ist. Paderborn, arbeitete auf auf der Intensivstation Z2 Bonus, sondern nachhaltige Sicherheit bekamen wir aus der Isolierstation. im Caritas-Krankenhaus Verbesserungen. Bad Mergentheim. Marion Stein, Krankenschwester und Leiterin des Patienten- Informationszentrums (PIZ) am Brüderkranken- haus Trier. BBT-Magazin 3-4/2020 19
standpunkt Corona hat bei uns in der in Gefahr gebracht, dafür Pflege Spuren hinterlassen. bekommen wir eigentlich Am Anfang war alles neu, nichts. Aus der enttäuschten keiner hatte Erfahrung mit Hoffnung, eine Anerken- der Erkrankung und wir nung für unsere Leistung zu haben jeden Tag neu prak- bekommen, erwuchs einiges tikable Lösungen für den an Frustration. Umgang mit den infektiö- Auch die neuerliche Diskus- sen Patienten gesucht. Die sion über Bonuszahlungen täglichen Besprechungen mit ist an zu viele Bedingungen PFLEGE UND MEDIZINER den Stationsleitungen der anderen Isolierstationen und geknüpft, als dass sie als echte Anerkennung gelten MACHEN MOBIL der Hygienefachkraft sowie könnte. Die Krankenpflege Gerade in den Wochen nach der ersten Corona-Phase erho- der für Hygiene zustän- hätte kollektiv eine faire ben Pflegekräfte ihre Stimme und machten sich für bessere digen Laborärztin haben Behandlung verdient. Für Rahmenbedingungen in ihrem Beruf stark. Die Kampagne sehr geholfen. Natürlich die Pflege wünsche ich mir #PflegeNachCorona wurde im Mai durch den Deutschen war da auch die Angst, sich vor allem mehr Entlastung Berufsverband für Pflegeberufe ins Leben gerufen, um Pflege- anzustecken und vor allem von Bürokratie, etwa durch fachpersonen eine Plattform für ihre Forderungen an die Politik die Sorge, man könnte die eine digitalisierte Patienten- zu bieten. Auf der Petitionsplattform change.org haben bereits Familie zu Hause gefährden. akte oder durch den Einsatz mehrere Hunderttausend einen gemeinsamen Aufruf von Die verschiedenen Spenden von Hilfskräften für nicht Pflegefachkräften an Jens Spahn unterzeichnet. Der Pflegebe- von Privatleuten und Firmen, pflegerische Tätigkeiten. auftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, schlug denen es oft selbst nicht so Damit wir wieder Zeit für ebenfalls kürzlich Alarm: „Wenn es jetzt nicht ein klares Signal gut ging, waren ein schönes unsere eigentliche Arbeit, gibt, dass sich etwas ändert an Tarifen und Löhnen sowie an Zeichen der Anerkennung. die Pflege der Patienten den Arbeitsbedingungen, können wir nach der Pandemie in Umso größer ist nun die haben. die Situation kommen, dass wir nicht über zusätzliche Auszu- Enttäuschung, dass Zusagen Harald Döppler, bildende sprechen, sondern über eine weitere Abwanderung der Politik nicht eingehalten stellvertretender von Personal. Das wäre fatal.“ werden. Die Altenpflege Stationsleiter, organisier- Auch Assistenzärzte der Medizinervereinigung Hartmann- bekommt einen Pflegebo- te die Pflege auf einer bund haben infolge der Corona-Pandemie zu einer gesell- nus. Aber wir waren täglich der Covid-19-Stationen schaftlichen Debatte über das deutsche Gesundheitssystem an der Front und haben im Caritas-Krankenhaus aufgerufen. Die Bewältigung der Pandemie habe lange beste- uns und unsere Familien Bad Mergentheim. hende Fehlentwicklungen sowie unausgeschöpfte Potenziale des Gesundheitswesens aufgezeigt, erklärte Hartmannbund- Vorstandsmitglied und Vertreter der Assistenzärzte des Ver- bandes, Theo Uden. Bei einer Grundsatzdebatte müssen nach Ansicht der jungen Ärzte vor allem Stimmen der beteiligten Berufsgruppen aus Pflege, Ärzteschaft und weitere Akteure des Gesundheitswesens gehört werden. BBT-Magazin 3-4/2020 20
momentmal Die große Verwandlung Corona – plötzlich ist alles ganz anders, ungewohnt und besorgniserregend. Die große Leere überall machte nachdenklich, aber auch erfinderisch. Die große Unterbrechung bringt uns zum Staunen. Wir sehen alles in einem anderen Licht, unsere Welt, die Natur, vor allem unsere Mitmenschen. Wesentliches rückt mehr in den Blick, wir besinnen uns auf das Wichtige. Wir gewinnen eine tiefere Wahrnehmung für die Nöte und Freuden Foto: istockphoto in der Begegnung auf Distanz. Wir sind dankbar für kleine Zeichen und Gesten der Zuwendung. Vielleicht erleben wir gerade eine ungeahnte Verwandlung, die uns in eine neue Zukunft führt. Elke Deimel BBT-Magazin 3-4/2020 21
infektion BBT-Magazin 3-4/2020 22
COVID-19 WAR UND IST UNKALKULIERBAR Als das Coronavirus ausbricht, steht das Team der Infektionsstati- on vor besonderen Herausforderungen. Wenn man Stationsleiterin Katharina Fröhling fragt, was sie in den vergangenen Wochen bei der Arbeit auf der Infektionsstation am allermeisten bewegt habe, dann kommt spontan diese Antwort: „Patienten, denen es schlecht ging, tagelang ohne Besuche von Angehörigen alleine auf den Zimmern zu wissen, das war schon schlimm.“ Das Team der Infektions- station ist in der Krise über sich hinausgewach- sen und hat sich jederzeit gegenseitig unterstützt. BBT-Magazin 3-4/2020 23
infektion A b Mitte März wurden für meh- galt auch, als in anderen Bereichen hier rere Wochen keine Besucher und da Engpässe drohten.“ ins Krankenhaus gelassen, Patienten und Angehörige Grüße auf allen Kanälen traf der Lockdown besonders hart. „Wir konnten die Familien und Freunde der Von einer Routine im Arbeitsalltag am Coronavirus Erkrankten ja nicht konnte man erst einmal nicht sprechen. ersetzen!“, sagt Katharina Fröhling. „Die Informationsflut war heftig“, so Aber das Team habe alles versucht, um Sunja Baschizada. „Es änderte sich ja Schwerstkranke und Sterbende mög- ständig alles.“ Und natürlich habe das lichst nicht alleine zu lassen. Die Na- Anlegen der Schutzkleidung eine Men- men der Verstorbenen haben die Pfle- ge Zeit in Anspruch genommen – eine genden sich gemerkt. „Wir haben alles Tätigkeit, bei der alle Mitarbeitenden, getan, um den Patienten beizustehen“, die Kontakt zu Infizierten oder Ver- berichtet Sunja Baschizada, stellvertre- dachtspatienten hatten, keine Kompro- tende Stationsleiterin. misse machen konnten. Um möglichst Bei Weitem hört man nicht nur Be- zu verhindern, dass mehr Zeit als nötig lastendes, Ernstes und Angespanntes mit dem An- und Ablegen der Schutz- vom Team der Station 3. Das Team habe kleidung investiert wurde, planten die gut funktioniert, die Gesundheits- und Pflegekräfte jeden Gang in das Zimmer Übermittlung von Grüßen und hielten Krankenpfleger haben sich gegenseitig des infizierten Patienten ganz genau: Telefonhörer an Ohren, Bilder über unterstützt, Angst hatten sie zu keinem Blutdruck messen, Essen bringen, In- Köpfe, Facetime vor die Nase oder Fotos Zeitpunkt. „Wir waren hier von Anfang fusionen erneuern, Medikamente ver- und Zeichnungen an die Wände. an durch das paderlog, unser Zentrum abreichen, Katheter prüfen – das wurde Das Ärzteteam war über Dr. Andreas für Krankenhauslogistik und Klinische alles während eines Kontakts erledigt. Zaruchas ständig aktuell informiert über Pharmazie, gut und sicher mit Schutz- Parallel dazu unterstützten die Mit- alle Neuigkeiten und Veränderungen material versorgt“, sagt Fröhling, „das arbeitenden die Angehörigen bei der rund um das Coronavirus. Der Krisen- BBT-Magazin 3-4/2020 24
Lukas Kloppenburg aus dem Team Pflege zieht die Schutzkleidung an. „ES GEHT MIR WIEDER GUT“ Nach mehreren nicht bestätigten Verdachtsfällen wurde im St.-Marien- Hospital Marsberg ein schwer an Co- vid-19 erkrankter Patient behandelt. Der 60-Jährige wies im Röntgen und in der Computertomografie der Lunge eine fortgeschrittene Schädigung des Organs Stationsleiterin Katharina auf. Zuvor hatte sich der Zustand des Fröhling und ihre Kollegin- Patienten über eine Woche mit grippalen nen und Kollegen müssen Beschwerden zusehends verschlechtert. jeden Schritt genau doku- Die eingeleitete stationäre Behandlung mentieren, bevor sie ein mit engmaschigen klinischen Kontrollen, Patientenzimmer betreten. kontinuierlicher Sauerstoffgabe, labor- technischen Kontrollen und Blutgasana- lysen führte zu einer raschen Besserung. stab aus Direktorium, Krankenhaus- vor Corona war – darin sind sich nicht „Mit rückläufigen klinischen Symptomen hygieniker, Pflegedirektor, Leitenden nur die Mitglieder des Krisenstabs ei- und weitgehend normalisierten Ent- Ärzten, dem Teamleiter Hygiene, dem nig. Das Krankenhaus und mit ihm alle zündungswerten konnte der Patient Ärztlichen Direktor und seinem Vertre- Mitarbeitenden bleiben in Alarmbereit- zehn Tage nach stationärer Aufnahme ter und der Unternehmenskommuni- schaft. Vermutlich, bis es einen Impf- symptomfrei entlassen werden. Der kation kam anfangs täglich zusammen. stoff gegen das Virus gibt, möglicher- radiologische Befund hatte sich erheblich „Der intensive Austausch war für alle weise darüber hinaus. Denn Covid-19 verbessert“, erklärt Dr. Norbert Bradtke, Beteiligten dringend nötig und hilfreich. war und ist unkalkulierbar. Das zeigen Chefarzt der Inneren Medizin. Bei seinem Nicht nur, um die aktuellen Infektions- auch die aktuellen, regional eingrenz- Kontrolltermin bestätigte der Patient: zahlen im Kreis Paderborn und die Bele- baren Ausbrüche der Viruserkrankung. „Es geht mir wieder gut.“ gung unserer Stationen auszutauschen, Angespannte und aufreibende Mo- sondern auch, um beispielsweise Stan- nate liegen hinter allen Mitarbeitenden. dards beim Umgang mit Verdachtsfällen Das gilt ganz besonders für die Teams in und Infizierten, Hotspots, Schutzmaß- den Kliniken. „Dass wir innerhalb kür- nahmen für alle Mitarbeitenden, den zester Zeit zusätzliche Intensiv- und Be- Nachschub von Schutzmaterial und die atmungsplätze einrichten konnten, dass Durchführung von Abstrichen festzule- wir es geschafft haben, unsere Arbeit in gen“, sagt Dr. Andreas Zaruchas. dieser schweren Krise verantwortungs- voll und unverdrossen fortzuführen, dass Die neue Normalität wir Leben geschützt und gerettet haben – dafür sind wir als Verantwortliche sehr, In den kommenden zwölf bis 18 Mo- sehr dankbar“, sagt Christoph Robrecht, naten wird sicher nichts so sein, wie es Hausoberer und Regionalleiter. Bei der Übergabe sprechen sich die Gesundheits- und Kranken Überstanden – Chefarzt Dr. Norbert pflegerinnen in einem möglichst Bradtke freut sich mit dem Patienten kleinen Kreis kurz und knapp ab. über dessen Genesung. BBT-Magazin 3-4/2020 25
Sie können auch lesen