Einzelhandelsbezogenes Nutzungskonzept für die innerstädtische Brachfläche "am Marstall" in Greiz - Stoppt das Marstall-Center Greiz
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Einzelhandelsbezogenes Nutzungskonzept für die innerstädtische Brachfläche „am Marstall“ in Greiz Abschlussbericht im Rahmen des Studienprojektes MA3, Studiengang Stadt- und Raumplanung Leonie Eilers (B.Sc.) Katharina Maria Poll (B.A.) André Fischer (B.Sc.) Peter Grossmann (B.Sc.) Studienprojekt MA 3 I
Einzelhandelsbezogenes Nutzungskonzept für die innerstädtische Brachfläche „am Marstall“ in Greiz Abschlussbericht eingereicht an der Fachhochschule Erfurt in der Fakultät Architektur und Stadtplanung Masterstudiengang Stadt- und Raumplanung von Leonie Eilers (10219768) André Fischer (10123335) Peter Großmann (10123799) Katharina Maria Poll (10235472) Betreuer: Prof. Dr. Wolfgang Rid Erfurt, 05.03.2015 II
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................... IV 1 Einleitung .........................................................................................................................1 1.1 Relevanz und Abgrenzung des Themas .....................................................................1 1.2 Fallstudie und Vorgehensweise ..................................................................................2 1.3 Zielsetzung und Fragestellungen ................................................................................4 2 Einzelhandel und Stadtentwicklung ...............................................................................5 2.1 Bedeutung des Einzelhandels für Städte und Innenstädte ..........................................5 2.2 Aktuelle Situation und Trends .....................................................................................5 2.3 Innerstädtische Einkaufszentren als Modell der Stadtentwicklung ...............................8 3 Integration innerstädtischer Einkaufszentren als Aufgabe der Stadtplanung .......... 11 3.1 Städtebauliche Typologie und Lagemerkmale innerstädtischer Einkaufszentren....... 11 3.2 Raumstrukturelle und städtebauliche Einbindung innerstädtischer Einkaufszentren . 15 4 Analyse des Einzelhandels in der Altstadt von Greiz .................................................17 4.1 Rahmenbedingungen des Einzelhandels in der Altstadt ............................................ 17 4.2 Struktur des Einzelhandels in der Altstadt .................................................................19 5 Empirische Untersuchung - Konsumentenbefragung .................................................22 5.1 Methodik ...................................................................................................................22 5.2 Zentrale Ergebnisse ..................................................................................................24 6 Nutzungskonzept zur Entwicklung der Marstallfläche.................................................29 6.1 Mikrostandort Marstall ...............................................................................................29 6.2 Einzelhandelsbezogenes Nutzungskonzept ..............................................................30 7 Diskussion ......................................................................................................................37 8 Fazit .................................................................................................................................39 9 Quellenverzeichnis ........................................................................................................41 10 Selbstständigkeitserklärung .........................................................................................45 Anlagen ...............................................................................................................................46 III
Abbildungsverzeichnis Abb.1: Shopping-Center nach Standortlage und Eröffnungsjahren ......................................9 Abb.2: Lagemerkmale und ihre Bedeutung für die Stadtentwicklung .................................. 12 Abb.3: Städtebauliche Typologien innerstädtischer Einkaufszentren ................................. 14 Abb.4 Verflechtungsraum des Mittelzentrums Greiz..........................................................14 Abb.5: Bindungsquoten im Greizer Verflechtungsraumes ..................................................18 Abb.6: Einzelhandelsstruktur in der Greizer Altstadt ..........................................................19 Abb.7: Top 10 der fehlenden Sortimente............................................................................25 Abb.8: Wünsche der Befragten bezüglich der Angebote in der Greizer Altstadt ................. 26 Abb.9: Durchschnittliche Bewertung der Einkaufsqualität in der Greizer Altstadt ............... 27 Abb.10: Luftbild der Fläche „am Marstall“ .............................................................................29 Abb.11: Mögliche zukünftige Nutzer des Marstallcenters .....................................................32 Abb.12: Städtebaulicher Entwurf des Marstallcenters ..........................................................34 Abb.13: Flächenhafte Darstellung des Untergeschosses .....................................................35 IV
1 Einleitung 1.1 Relevanz und Abgrenzung des Themas Seit jeher übernehmen Innenstädte in Abgrenzung zu anderen Bereichen der Stadt wichtige urbane Funktionen (vgl. Brinker, Sinning 2011: 9). Das in der deutschen Raumordnung angewandte „Zentrale-Orte-Konzept“ ordnet Städten die Aufgabe zu, abhängig von der Größe und Entfernung zueinander, das jeweilige Umland (mit) zu versorgen (vgl. ebd., zitiert nach: vgl. ARL 2005: 1307). Historisch betrachtet dienten vor allem zentral gelegene Einzelhandelsquartiere der Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfes, wie Lebensmittel, sowie die des gehobenen Bedarfes, zum Beispiel Kleidung. Aus dieser Versorgungsfunktion lässt sich die Bedeutung der Innenstadt für die Stadt selbst und das Umland ableiten (vgl. Brinker, Sinning 2011: 9). Trotz der allgemein hohen Wertschätzung in Vergangenheit und Gegenwart unterlagen Innenstädte in den letzten Jahrzehnten einem stetigen Wandlungsprozess. Die Abwanderung von Wohnbevölkerung und Arbeitsplätzen in städtische Randlagen sowie der steigendende Wettbewerbsdruck durch Shopping-Center und Supermärkte auf der „Grünen Wiese“ stell(t)en für Innenstädte in gleichem Maße Herausforderungen dar wie die Veränderung der Einzelhandelsstrukturen und des individuellen Kaufverhaltens. Der durch diese und weitere Faktoren erwirkte Funktionsverlust schuf vielerorts eine durch Ladenleerstände, brachgefallene Flächen und/ oder sanierungsbedürftige Gebäudebestände gekennzeichnete (Einzelhandels-)Struktur. (vgl. ebd.: 10) Dort, wo jene Strukturen das Bild einer Innenstadt dominieren, sind negative Auswirkungen auf weitere Bereiche der Stadt zu befürchten beziehungsweise schon seit Jahrzehnten zu beobachten. Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von „Trading-down- Prozessen“ oder „kumulativen Abwärtstrends“, also Prozessen der stetigen Abwertung der Innenstadt bis hin zum vollständigen Funktionsverlust (vgl. Glock 2006: 40 f.). Da eine vielfältige und funktionierende Einzelhandelsstruktur in hohem Maße zur Funktionalität der Innenstadt beiträgt, wird deren Revitalisierung respektive Aufrechterhaltung in Wissenschaft und Praxis eine zunehmende Bedeutung beigemessen. Belegen lässt sich das anhand einer Vielzahl spezifischer Initiativen („Genial Zentral“), Programme („Soziale Stadt“), formeller und informeller Instrumente (Gutachten, Nutzungs- und Standortkonzepte) sowie Veröffentlichungen. Als Beispiele aus dem Bereich fachspezifischer Veröffentlichungen kann die Dissertation „Was kommt nach dem Handel? Umnutzung von Einzelhandelsflächen und deren Beitrag zur Stadtentwicklung“ von Tilman Sperle oder die Publikation „Handel und Urbanität. 1
Städtebauliche Integration innerstädtischer Einkaufszentren“ von Anne Mayer-Dukart angeführt werden. In den genannten Veröffentlichungen wird von unterschiedlichen Blickwinkeln ausgegangen, in Sperles Dissertation wird speziell das Thema Einzelhandelsleerstand, in Mayer-Dukarts Publikation vor allem die Rolle und Einbindung von Einkaufscentern im städtischen Kontext betrachtet. Gemeinsam haben sie, dass sie den Wandel deutscher Innenstädte dokumentieren, die Ursachen aufzeigen und aus der gegenwärtigen Situation Handlungsansätze im Umgang mit Leerstand entwickeln. In der nachfolgenden Ausarbeitung steht die Verfolgung der zweit genannten Strategie im Fokus der Betrachtung. Gleichwohl die Wissenschaft darauf hinweist, dass die Auswirkungen überregionaler Schrumpfungsprozesse sowie anderer exogener Einflüsse auf den Einzelhandel der Innenstadt lokal nur begrenzt steuerbar sind, ist ein gezieltes Gegensteuern der Akteure vor Ort unabdingbar (vgl. Brinker, Sinning 2011: 6). In diesem Sinne wird im Rahmen der Arbeit ein einzelhandelsbezogenes Nutzungskonzept (Shoppingcenter) für eine innerstädtische Brachfläche entwickelt. Dieses ist als einer mehrerer notwendiger Bausteine zur Qualifizierung des innerstädtischen Einzelhandels zu betrachten. 1.2 Fallstudie und Vorgehensweise Fallstudie. Unter Berücksichtigung der dargestellten Thematik spielt auf kommunaler Ebene die Reaktion auf die genannten Prozesse durch die Stärkung der Einzelhandelsstrukturen eine wichtige Rolle. Die Stadt Greiz ist in diesem Zusammenhang bezüglich ihrer vergleichsweise auch überregional geringen Versorgungsfunktion interessant. Greiz befindet sich im gleichnamigen Landkreis im Osten Thüringens und verzeichnete im Jahr 2012 knapp 21.600 Einwohner (vgl. Landkreis Greiz 2015). Die wichtigsten größeren Städte in näherer Umgebung sind Gera in Thüringen sowie Plauen und Zwickau in Sachsen. Im Landesentwicklungsplan (LEP) 2025 ist Greiz als Mittelzentrum ausgewiesen und muss gemäß seiner zugeschriebenen Kategorisierung auch Teilräume innerhalb seines Funktionsraumes mit Waren und Dienstleistungen des gehobenen Bedarfes versorgen. Anhand einzelhandelsrelevanter Kenndaten zeigt sich jedoch, dass Greiz neben schwachen Bindungsquoten und Kaufkraftabflüssen auch unterdurchschnittlich einzelhandelsrelevante Kaufkraftwerte verzeichnet. Diese Daten haben sich seit der politischen Wende in den Jahren 1989/90 stetig verschlechtert. (vgl. BBE Handelsberatung 2009: 13ff.). Weiterhin wird die mangelhafte ökonomische Situation durch sozio-demographische Verschlechterungen wie Schrumpfungsprozesse und Überalterung verschärft. In Bezug auf die 2
Einwohnerzahl wurde durch die 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung bis 2030 ein Rückgang von 30 % in Bezug auf das Jahr 2010 prognostiziert. Die Wanderungssalden befinden sich zusätzlich im negativen Bereich und können demnach nicht kompensierend wirken. Die Altersstruktur zeigt klar, dass in den letzten Jahren eine Verschiebung in Richtung ältere Generationen abzulesen ist, die weiter fortschreitet. (vgl. GRAS 2013: 4ff.) Diese Voraussetzungen dienen als erster Anhaltspunkt für eine nähere Beschäftigung mit möglichen Gegenmaßnahmen und Handlungsstrategien. In bestehenden informellen Instrumenten, wie dem Einzelhandelskonzept der BBE Handelsberatung aus dem Jahr 2009, werden künftige Einzelhandelsentwicklungen bereits auf eine brachliegende Fläche in direktem Anschluss an die Fußgängerzone der Altstadt fokussiert. Durch die Entwicklung des Areals „am Marstall“ wird die Qualifizierung der Innenstadt, insbesondere in Form der Erweiterung des bestehenden Einzelhandelsangebotes, angestrebt. Dazu wurden im bestehenden Einzelhandelskonzept ausgehend von einer Markt- und Standortanalyse bereits Nutzungsmöglichkeiten für die Fläche erarbeitet, die es im Verlauf dieser Arbeit um ein weiteres einzelhandelsrelevantes Konzept zu erweitern gilt. Vorgehensweise. Die Vorgehensweise der zugrunde liegenden Arbeit zielt auf die Erstellung eines Nutzungskonzeptes mit abgeleitetem städtebaulichen Entwurf ab. Teil A der Arbeit basiert vor allem auf einer grundlegenden Literaturrecherche zum Thema Einzelhandel und Stadtentwicklung. Hierzu wurde in einschlägiger Literatur die allgemeine Bedeutung des Einzelhandels im städtischen Kontext, die aktuellen einzelhandelsrelevanten Trends und die Bedeutung von innerstädtischen Einkaufszentren als Modell zur Stadtentwicklung erarbeitet. Weiterhin spielte die Auseinandersetzung mit den Fragen zu integrierten und nicht-integrierten Einzelhandelsstandorten und die funktionale sowie städtebauliche Einbindung von innerstädtischen Einkaufszentren eine Rolle. In Teil B steht die Fallstudie mit der Entwicklung des Nutzungskonzeptes für die innerstädtische Brachfläche „am Marstall“ in Greiz im Vordergrund. Dabei wurden zunächst wichtige Festsetzungen aus den übergeordneten Planwerken und grundlegende Rahmendaten bezüglich der Einzelhandelsstruktur ermittelt. In diesem Zusammenhang erwiesen sich die Expertengespräche mit dem Leiter des Sachgebietes Stadtplanung der Stadt Greiz, Herrn Obenauf, und Herrn Vlcek von der BBE Handelsberatung in Erfurt als sehr informativ. Eine eigene Bestandsaufnahme der einzelhandelsrelevanten Versorgungseinrichtungen in der Altstadt, für die im weiteren Verlauf auch das Synonym Innenstadt verwendet wird, und eine darauf folgende Analyse der Einzelhandelsstrukturen lieferten erste Erkenntnisse zur Entwicklung des 3
Nutzungskonzeptes. Wichtigste Grundlage der Planungen ist jedoch die Konsumentenbefragung in der Greizer Altstadt bezüglich fehlender Sortimente und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger, deren Methodik und zentrale Ergebnisse in Kapitel 5 dargestellt werden. Aus diesen Ergebnissen konnten für die Erstellung des Nutzungskonzeptes Rückschlüsse gezogen werden. Aufbauend auf den generierten Erkenntnissen stehen in Kapitel 6 das Konzept und der städtebauliche Entwurf im Vordergrund, der abschließend diskutiert wird. 1.3 Zielsetzung und Fragestellungen Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines einzelhandelsbezogenes Nutzungskonzeptes mit abgeleitetem städtebaulichen Entwurf für die Brachfläche „am Marstall“ vor allem unter Berücksichtigung der durch die Befragung ermittelten Versorgungslücken. In diesem Zusammenhang spielt auch eine Stärkung der mittelzentralen Handelsfunktion von Greiz durch die Steigerung der Zentralität und Erhöhung der Bindungsquoten eine Rolle. Für die Fallstudie stellen sich konkrete Fragen, wobei letztere im Fokus steht: • Wie gestaltet sich die Einzelhandelsstruktur in Greiz? • Wie beurteilen die Bewohner von Greiz die Einzelhandelssituation und in welchen Branchen sehen sie Versorgungslücken? • Welche Anforderungen stellen sich an die Entwicklung des einzelhandelsbezogenen Nutzungskonzeptes mit abgeleitetem städtebaulichen Entwurf auf der Brachfläche „am Marstall“? 2 Einzelhandel und Stadtentwicklung 4
2.1 Bedeutung des Einzelhandels für Städte und Innenstädte Eine bedeutende Stellung im innerstädtischen Kontext nimmt der (Einzel-)Handel ein. Wie bereits erwähnt wurde, ordnet das „Zentrale-Orte-Konzept“ Städten die Aufgabe zu, abhängig von der Größe und Entfernung zueinander, das jeweilige Umland (mit) zu versorgen (vgl. ARL 2005: 1307). Aus der Tatsache, dass die Versorgung der Bevölkerung historisch betrachtet vor allem durch zentral gelegene Einzelhandelsquartiere wahrgenommen wurde, lässt sich die Bedeutung der (Einzel)Handelsfunktion der Innenstadt für die Gesamtstadt und das Umland ableiten (vgl. Brinker, Sinning 2011: 9; vgl. Mayer-Dukart 2010: 40). Heute wie damals wird dem Handel eine wichtige Funktion beigemessen. Das Zentrum wirkt(e) durch diesen nicht nur anziehend auf potentielle Käufer, sondern stellt(e) für Stadtbevölkerung und Pendler immer auch einen Ort des Erwerbes dar, was sich in zahlreichen deutschen Stadtzentren heute noch anhand historischer berufsbezogener Straßennamen belegen lässt (vgl. Sperle 2012: 37). Während sich der Einzelhandel in deutschen Zentren bisher vor allem auf Fußgängerzonen konzentrierte, ist in den letzten Jahrzehnten ein verstärkter Trend hin zur Verlagerung in innerstädtische und (innen)stadtferne Einkaufscenter zu beobachten (vgl. Mayer-Dukart 2010: 73-64, nach: Tietz 1991: 158). 2.2 Aktuelle Situation und Trends In Wissenschaft und Praxis wird dem Einzelhandel eine zentrale Bedeutung für die Innenstadt zugeordnet (vgl. BMVBS 2010b). So lassen sich rückblickend auf die historische Entwicklung deutscher Innenstädte vor allem jene Erfolge als positiv bewerten, die auf die Anwesenheit des Handels zurückzuführen sind (vgl. Mayer-Dukart 2010: 34ff.). Die strukturellen Veränderungen, denen der Einzelhandel in den letzten Jahrzehnten ausgesetzt war, haben jedoch eine wissenschaftliche Debatte ausgelöst, in der die aktuellen Errungenschaften des Handels im innerstädtischen Kontext zunehmend in Frage gestellt werden. Tilman Sperle spricht in diesem Zusammenhang von einem schwindenden positiven Einfluss des Handels auf die Stadt und stellt Verbindungen zu Problemfeldern, wie Ladenleerstände beziehungsweise Trading- down-Prozesse, im Allgemeinen her (vgl. Sperle 2012: 54). Die strukturellen Veränderungen, denen der innerstädtische Einzelhandel ausgesetzt war, ist und sein wird sowie deren Auswirkungen, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Verändertes Nutzer- beziehungsweise Kaufverhalten. Eine bedeutende Stellung hinsichtlich der Entwicklung des Einzelhandels nimmt die schrittweise Veränderung des Kaufverhaltens ein. Ausgelöst durch den Wirtschaftsboom der 1950er Jahre in den Alten 5
Bundesländern und dem damit verbundenen Anstieg des Wohlstandes setzte seit den 1980er Jahren ein Wandel des Konsumverhaltens ein. War das Kaufverhalten bis dahin geprägt durch einen hohen Grad an Homogenisierung und Standardisierung der Produkte, veränderte es sich dahingehend, dass zunehmend eine Individualisierung der Produkte in den Vordergrund rückte. (vgl. Kanzler 2008: 26) „Einkaufen soll Spaß machen, soll ein Erlebnis sein, soll Freizeit ausfüllen“ (ebd.: 26, zitiert nach: Giese 1999: 36, im Original kursiv gedruckt). Parallel dazu entwickelte sich ein Konsum-Denkmuster der Bevölkerung, dass Konrad Kanzler als eine „Art […] Skepsis […] gegenüber Produkten und Anbietern“ (ebd.: 26) skizziert. Dieses veränderte Denkmuster drückte sich in einem „zweigleisigen Einkaufsverhalten“ (ebd.: 26) aus, das dazu führte, dass bei Waren des täglichen Bedarfes Wertmaßstäbe wie der geringe Preis und eine gute Erreichbarkeit in den Vordergrund rückten, während bei Produkten des höheren Bedarfes zunehmend Qualität, Beratung, Shoppingerlebnis und Atmosphäre an Bedeutung gewannen (vgl. ebd.: 26, zitiert nach: vgl. Beck 1995: 53, vgl. Giese 1999: 53ff.). Die ökonomischen Gewinner dieser Entwicklung waren einerseits der auf Verbrauchsgüter und andererseits der auf hochwertige Waren spezialisierte Einzelhandel. Rückgänge in der Nachfrage hatten hingegen Waren des mittleren Preissegmentes und damit in erster Linie der innerstädtische, inhabergeführte Einzelhandel zu verzeichnen. Einhergehend mit dem sich verändernden Konsumverhalten lässt sich seit den 1960er Jahren ein Wandel der Einzelhandelsstrukturen beobachten. Zunächst verschwanden die klassischen „Tante- Emma-Läden“, die der Konkurrenz der neu entstehenden Supermärkte in den Städten und Shopping-Center auf der „grünen Wiese“ hinsichtlich deren Vorteile in Erreichbarkeit, Sortiment, Preispolitik und Größe nicht mehr standhalten konnten. (vgl. Sperle 2012: 46) Ab den 1970er Jahren traten dann auf das Prinzip der Selbstbedienung ausgerichtete Verbrauchermärkte und Discounter in Erscheinung. Auf der Non-Food- Ebene lösten SB-Warenhäuser und Fachmärkte inhabergeführte Warenhäuser und Fachgeschäfte ab (vgl. Kanzler 2008: 30, zitiert nach: vgl. Stumpf 2003: 10, vgl. Giese 1999: 45). Der Transformationsprozess seit den 1960er Jahren bildet die Grundlage für jene Tendenzen und Herausforderungen, denen der Einzelhandel aktuell ausgesetzt ist: Großflächigkeit. „Umsatzwachstum beruht zwar auch auf Flächenproduktivität, aber in einem viel größeren Maße auf der Vergrößerung von Flächen“ (Kanzler 2008: 29, zitiert nach: vgl. Oehme 1992: 106). Die Nutznießer der Flächenexpansion sind Nahversorger, Fachmärkte und Shopping-Center, die durch Vergrößerung der Fläche nicht nur das Sortiment, sondern auch die Aufenthalts- und Erlebnisqualität erhöhen und damit den 6
Umsatz steigern können. Sind periphere Standorte aufgrund der besseren Pkw- Erreichbarkeit, einer höheren Anzahl an Stellplätzen und hinsichtlich des Kostenvorteils bei der Erstellung der Stellplätze ohnehin bevorzugt, verschärft sich dieses Ungleichgewicht aufgrund der umfeldbedingten Faktoren, denen der Einzelhandel in den Kernstädten ausgesetzt ist (vgl. BMVBS 2010b). „Im Ergebnis werden die Unternehmen in gewachsenen Zentren gegenüber nicht integrierten Standorten stärker belastet“ (ebd. 2010b). Obwohl der Einzelhandel noch vor zehn Jahren Umsatzeinbußen von rund 2,5 Mrd. Euro hinnehmen musste und auch in jüngster Vergangenheit keine wesentlichen Umsatzgewinne verzeichnen konnte, ist der Trend zur Flächenerweiterung ungebrochen. Einer Expertenschätzung zu Folge lag im Jahr 2003 eine Überversorgung von Verkaufsflächen bis zu 40 % vor. (vgl. ebd.: 27; vgl. Handelsverband BAG, 2003) Filialisierung. Eine weitere Erscheinung bildet die Unternehmenskonzentration, auch Filialisierung genannt, die in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg an Bedeutung gewann (vgl. ebd.: 31, zitiert nach: vgl. Beck 1995: 33ff., vgl. Heinritz, Popp, Klein 2003: 37f.). Kennzeichen der Filialisierung ist das verstärkte Auftreten nationaler und internationaler Konzerne auf dem deutschen Markt, deren Größe auf vorhergegangene Unternehmensübernahmen oder Fusionen zurückzuführen ist. Geprägt ist der Prozess durch eine quantitative Abnahme der Einzelhandelsunternehmen bei gleichzeitiger Zunahme der Marktanteile der verbleibenden großen Anbieter. Aus Sicht der Wissenschaft wird die Rolle von Einzelhandelsfilialen, insbesondere in Innenstädten, kontrovers diskutiert. Kritisieren Gegner eine Homogenisierung der Innenstädte und des Warenangebots durch Filialen wie H&M und Douglas, so weißen Befürworter auf deren Funktion als Frequenzbringer und Bestandteil zur baulich- gestalterischen Aufwertung des Stadtbildes hin. (vgl. DIE WELT, 2011) E-Commerce. Parallel zum Wandel im stationären Einzelhandel, veränderte sich das Nutzerverhalten im Versandhandel. War dieser seit der Phase des 2. Weltkriegs vornehmlich mit dem klassischen Katalogversand, vertreten durch Quelle, Bauer oder Otto geprägt, gewann seit Ende des 20. Jahrhunderts der internetbasierte Versandhandel, E-Commerce, an Bedeutung. Nutznießer dieser Entwicklung waren und sind in erster Linie etablierte Filial- und Versandunternehmen, die bessere Personal-, Vertriebs- und Betriebsstrukturen als der inhabergeführte Einzelhandel aufweisen und daher das Internetgeschäft ökonomisch (erfolgreicher) nutzen können. (vgl. Kanzler 2008: 29, zitiert nach: vgl. Jenne 2005:70) Innerstädtische Warenhäuser. „Neben der Verdrängung des Facheinzelhandels spielen Probleme der innenstadtorientierten Warenhäuser eine Rolle“ (BMVBS, 2010b). Der 7
Konkurrenz (innerstädtischer) Shopping- Center, Fachmärkte oder Discounter können Warenhäuser nur bedingt standhalten, da diese ihnen in puncto Angebotsvielfalt, Shoppingerlebnis und Raumqualität in der Regel voranstehen. Eine weitere Gefährdung stellt die zunehmende Bedeutung des Internetversandhandels dar. Fungiert ein Warenhaus als Ankermieter in der Innenstadt, fällt dessen Schließung umso mehr ins Gewicht und kann sich, erfolgt keine zeitnahe Nachnutzung, negativ auf den Einzelhandel auswirken (vgl. DStGB, 2004). Die für den innerstädtischen Einzelhandelsleerstand verantwortlichen Faktoren lassen sich in endogene und exogene Kräfte unterscheiden (vgl. Sperle 2012: 59). Während endogene Ursachen betriebsinterne Faktoren, wie Fehler der Geschäftsleitung oder altersbedingte Geschäftsaufgaben meinen, umfassen exogene Faktoren äußere Rahmenbedingungen, die auf den Einzelhandel einwirken. Zu diesen zählen steigende Anforderungen an Innovation und Verkaufsflächen oder räumliche Veränderungen von Kundenströmen. (vgl. ebd.: 59; vgl. Mayer-Dukart 2010: 59ff.) Endogene und exogene Faktoren müssen nicht zwangsläufig innerstädtische Leerstände erzeugen, können aber kumulative Abwärtstrends in Gang setzen (vgl. ebd.: 61; vgl. ebd.: 55ff.). An dieser Stelle sind Akteure vor Ort aufgerufen, frühzeitig instrumentativ entgegenzusteuern. 2.3 Innerstädtische Einkaufszentren als Modell der Stadtentwicklung Eine zunehmende Einflussgröße im innerstädtischen Einzelhandel bilden, neben den in Kapitel 2.2 genannten Faktoren, Shopping- beziehungsweise Einkaufscenter. Ursprünglich für die „Grüne Wiese“ konzipiert, verfestigte sich seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre der Trend zur Ansiedlung in Innenstädten (vgl. BMVBS 2010b, zitiert nach: vgl. EHI Retail Institute GmbH 2006: 29). Die Gründe für den Erfolg lassen sich vielfach herleiten, werden in der Wissenschaft aber überwiegend auf die Mischung sowie Diversifizierung innerstädtischer Funktionen und Branchen zurückgeführt. Ähnlich wie am Beispiel der Filialen wird der Einfluss der Shopping-Center auf die Städte kontrovers diskutiert. Ob die Funktionalität eines Geschäftsstandortes nach Ansiedlung eines Einkaufscenters aufrecht erhalten oder sogar gesteigert werden kann, hängt davon ab, inwiefern bestehende Angebote ergänzt oder dupliziert wurden, ob das Einkaufscenter offen-extrovertiert oder geschlossen-introvertiert konzipiert und ob es unmittelbar im Geschäftsbereich oder in einer Randlage errichtet wurde. (vgl. ebd. 2010b; vgl. Difu 2008: 22ff.) Die Neuansiedlung kann eine Verschiebung von Kaufkraftströmen oder eine Verlagerung von Einkaufslagen erwirken (vgl. ebd.: 22ff.). 8
Der häufig angeführten These der Verödung einer Innenstadt durch Shopping-Center stehen „Anzeichen für eine Aufwertung durch Cluster- und Milieu-Vorteile entgegen, die Abb. 1: Shopping-Center nach Standortlage und Eröffnungsjahren Quelle: EHI Retail Institute 2007: 259 im globalen Wettbewerb zunehmend höher eingeschätzt werden“ (ebd.: 73, nach: Läpple 2003: 147ff.). Eine Abbildung jener räumlichen Zentralisierungstendenzen findet auch beziehungsweise insbesondere im Einzelhandel statt, wovon die Zahl neu errichteter Flagship-Stores, anhaltend hohe Passantenfrequenzen in den Fußgängerzonen oder die in den letzten Jahren steigende Anzahl innerstädtischer Shopping-Center zeugen (vgl. Mayer-Dukart 2010: 73; vgl. EHI 2007: 259). Abbildung 1 zeigt, dass der Trend zur Ansiedlung von Einkaufszentren „auf der Grünen Wiese“ seit 1996 stark rückläufig ist und vor allem Innenstädte und Stadtteile im Fokus aktueller Standortentscheidungen liegen. Als Erklärung für den Gründungsboom jenes Einzelhandelstyps am Standort Innenstadt in den letzten Jahrzehnten (siehe Tabelle oben) führt die Wissenschaft verschiedene Faktoren auf: Stärkung zentralörtlicher Funktionen. Die Innenstadt gilt als Entsprechungsort des urbanen Lebens und nimmt im gesamtstädtischen Kontext eine wichtige Rolle hinsichtlich der Gewährleistung zentralörtlicher Funktionen wahr. Insbesondere in den Innenstädten der Neuen Bundesländer hat das Zusammenspiel endogener und exogener Ursachen, vor allem seit den Jahren der politischen Wende 1989/90, zu einem erheblichen Bedeutungsverlust geführt. Dort, wo sich Trading-down-Prozesse manifestieren, ist die Funktion der Innenstadt als Ort zur Durchführung der Daseinsgrundfunktionen, als Ort des öffentlichen Lebens und als Ort mit Symbol- und Identitätswirkung in Gefahr. Durch die Ansiedlung eines Einkaufscenters sollen die verloren gegangenen zentralörtlichen Funktionen der Innenstadt, vor allem in 9
Konkurrenz gegenüber nicht-integrierten Lagen, wiederhergestellt werden. (vgl. Mayer- Dukart 2010: 76) Shopping-Center als Magnet- und Frequenzbringer. Angesichts des Bedeutungsverlustes innerstädtischer Kauf- und Warenhäuser, zum Beispiel Schließung zahlreicher Karstadt- Filialen in deutschen Mittelstädten, können Shopping-Center als Magneten und Frequenzbringer einen wichtigen Beitrag zur einzelhandelsspezifischen Aufwertung der Innenstadt leisten (vgl. ebd.: 76). So kann die an den konkurrierenden Einzelhandel in nicht-integrierten Lagen abgeflossene Kaufkraft zurückgewonnen, der Einzugsbereich ausgedehnt und die Kaufkraftbindung im Einzelhandel erhöht werden. Als Vorteil erweist sich in diesem Kontext auch die mit der Ansiedlung verbundene Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie ein Anstieg der Steuereinnahmen der Kommune. (vgl. Falk et al. 2006) Flächenrecycling. Mit der Errichtung von Einzelhandelsbetrieben in nicht-integrierten Lagen sind häufig die Ausweisung neuen Baulandes sowie die kostenaufwändige Schaffung neuer technischer Infrastruktur verbunden. Darüber hinaus findet eine aus ökologischer Sicht kritische Versiegelung von Flächen statt, die dem Leitbild der Innenentwicklung respektive dem 30-Hektar-Ziel der Bunderegierung grundsätzlich entgegensteht. Durch den Bau von Shopping-Centern in integrierten Lagen hingegen wird häufig ein Beitrag zum Flächenrecycling geleistet, da insbesondere Baulücken oder zusammenhängende Brachflächen genutzt werden. Durch das Flächenrecycling werden Impulse für die Revitalisierung der Innenstadt gesetzt. (vgl. Mayer-Dukart 2010: 77; vgl. Walther 2006: 19) Zunehmende Präferenz für den Standort Innenstadt von Seiten der Investoren. Für Investoren von Shopping-Centern in der Innenstadt, gilt die hohe Besucherfrequenz als wichtiger Erfolgsfaktor. Sichere Erträge sind somit trotz häufig hoher Bau- und Planungskosten garantiert. Darüber hinaus besteht in Deutschland eine restriktive Genehmigungspraxis bezogen auf die Errichtung von Einzelhandelsansiedlungen mit zentrenrelevanten Sortimenten in nicht-integrierten Lagen. Eine Ansiedlung „auf der grünen Wiese“ ist, da sie den Zielen der Raumordnung entgegensteht, häufig kompliziert und langwierig und somit für den Projektentwickler zunehmend uninteressanter. (vgl. ebd.; vgl. ebd.) 3 Integration innerstädtischer Einkaufszentren als Aufgabe der Stadtplanung 10
3.1 Städtebauliche Typologie und Lagemerkmale innerstädtischer Einkaufszentren In der Fachliteratur existieren eine Reihe verschiedener Abgrenzungsmerkmale hinsichtlich städtebaulicher Typologien und Lagemerkmale innerstädtischer Einkaufszentren. Im nachfolgenden Abschnitt wurde vor allem auf die Publikation von Anne Mayer-Dukart Bezug genommen, in der, zum Bereich städtebauliche Typologie, zunächst zwischen zwei grundlegenden Organisationsprinzipien unterschieden wird (vgl. Mayer-Dukart 2010: 20): Eine Form innerstädtischer Einkaufszentren bilden die sogenannten offenen/ extrovertierten Einzelhandelseinrichtungen. Hierbei handelt es sich um einen Typus, der sowohl nach innen als auch nach außen orientiert ist und aktiv Bezug zur unmittelbaren Umgebung nimmt. Es findet eine Interaktion zwischen öffentlichem und privatem Raum statt. Bei jenen extrovertierten Einzelhandelseinrichtungen kann es sich um Einkaufspassagen, Einkaufshöfe oder geplante offene Einzelhandels-anordnungen handeln. Dem entgegen stehen die geschlossenen/ introvertierten Typen, die sich ausschließlich nach innen orientieren und keinen Bezug zur unmittelbaren Umgebung nehmen. Es findet demnach keine Interaktion zwischen privatem und öffentlichem Raum statt. Der introvertierten Einzelhandelseinrichtung wird klassischer Weise die städtebauliche Typologie der Shopping- Mall zugeordnet. (vgl. ebd.) Hinsichtlich der städtebaulichen Typologien wird zwischen den vier Grundarten „Passage“, „Einkaufshöfe“, „Geplante offene Anordnungen“ und „Shopping- Mall“ unterschieden (vgl. ebd.): 1) Passage. Bei der Passage handelt es sich um „einen zwischen den Straßen hindurchgeführten, glasüberdachten Verbindungsgang, der auf beiden Seiten gesäumt ist von Reihen einzelner Läden“ (Geist 1982: 12). Wesentliche Charakteristika dieses städtebaulichen Typus sind die Anordnung zwischen zwei hochfrequentierten Straßen, eine Erreichbarkeit ausschließlich zu Fuß, kleinteilige Nutzungsstrukturen sowie das Fehlen eines Magnets/ Ankermieters. Letzteres ist, anders als beim Großteil der restlichen Einzelhandelseinrichtungen, nicht zwingend notwendig, da die Passage von den starken Kundenströmen der angrenzenden Straße profitiert. Die direkte Abhängigkeit von belebten Fußgängerbereichen führt dazu, dass dieser Typus fast ausschließlich in sehr zentralen Lagen der Stadt/ Innenstadt zu finden ist. Eine Passage kann entweder in einen Block integriert sein, sie ist dann lediglich über einen Mittelgang erschlossen, oder einen Block ausfüllen. (vgl. Mayer-Dukart 2010: 21) 11
2) Einkaufshöfe. Von Gebäuden und/ oder Gebäudeteilen umschlossene öffentliche Räume. Die Erschließung der Einkaufshöfe erfolgt in der Regel von innen, weshalb diese als Gegenstück zum klassischen Block angesehen werden. Die Vorteile dieses Typus bestehen in seiner hohen Durchlässigkeit, der guten Erschließung aller Einzelhandelsflächen und teils geschützten, weniger stark frequentierten Hofbereichen, sodass sich dieser Typus auch für Wohn- und Dienstleistungszwecke eignet. Da der Einkaufshof sowohl von innen als auch von außen von öffentlichem Raum umgeben wird, verfügt er über große, für den Einzelhandel wichtige, Fassadenflächen. Allen Vorteilen entgegen steht die Problematik, dass Einkaufshöfe nur über geringe Gebäudetiefen verfügen. Da die geringe Größe der Raumeinheiten nur kleinteiligen Einzelhandel zulässt, lassen sich Magnetbetriebe wie H&M oder C&A nur bedingt/ nicht integrieren. (vgl. ebd.: 21f.) Abb. 2: Lagemerkmale und ihre Bedeutung für die Stadtentwicklung Quelle: Mayer- Dukart 2010: 27 Geplante offene Anordnungen. Der städtebauliche Typus der geplanten offenen Anordnungen folgt „den traditionellen Raumfolgen der europäischen Stadt“ (ebd.: 23). Das Grundprinzip beruht auf der Anordnung von Bausteinen verschiedener Höhe und Größe, die einzeln angeordnet, miteinander verbunden oder additiv aneinander gereiht 12
werden. Der Vorteil dieser Einzelhandelskonzeption liegt in eben jener Verschiedenheit der einzelnen Baukörper, wodurch eine hohe Mischung aus kleinteiligem und großflächigem Einzelhandel erreicht werden kann. Durch die offene Anordnung der Baukörper findet darüber hinaus ein Zusammenspiel mit dem öffentlichen Raum, also eine Belebung der Umgebung, statt. (vgl. ebd.) 4) Die Shopping-Mall. Die Shopping- Mall ist häufig gekennzeichnet durch einen geplanten Mix aus kleinflächigen Einzelhandels- und großen Magnetbetrieben. Der Aufbau zahlreicher Shopping- Mall- Typen entspricht dem Prinzip einer Hantel; an den Enden (den Gewichten einer Hantel) befinden sich große Magnetbetriebe als Ankermieter, die über eine überdachte Mall mit sehr kleinteiligen Geschäften miteinander verbunden sind. Die Orientierung der Shopping- Mall erfolgt nach innen, es handelt sich demnach um einen introvertierten nach außen hin geschlossenen Gebäudetyp. Wurde bis in die 1990er Jahre der Gestaltung der Außenfassade nur wenig Beachtung geschenkt, zeichnet sich seit einigen Jahren ein verstärkter Trend zur dekorativen Ausgestaltung der Fassaden ab. Der Vorteil der Shopping- Mall als Einzelhandelseinrichtung besteht in der Möglichkeit der Integration größerer Magnetbetriebe sowie in deren Zusammenspiel mit kleinteiligen Einzelhandelsbetrieben. Als wesentlicher Nachteil wird in der Fachliteratur die mangelnde Interaktion mit dem öffentlichen Raum, also die fehlende Integration der Shopping- Mall in das städtische Gesamtgefüge, angeführt. (vgl. ebd.: 23f.) Neben der Abgrenzung hinsichtlich des städtebaulichen Typus lässt sich eine Unterscheidung nach Lagemerkmalen vornehmen. Mayer-Dukart unterscheidet im innerstädtischen Kontext zwischen „Standorte[n] innerhalb der bestehenden Geschäftslage in der City“ (ebd.: 26), „Standorte[n] am Rand der Geschäftslage in der City“ (ebd.) und „Standorte[n] in einem Nebenzentrum“ (ebd.): „Standorte innerhalb der bestehenden Geschäftslage in der City“ (ebd.). Eine Einzelhandelseinrichtung innerhalb einer bestehenden Geschäftslage in der Innenstadt kann zu einer Stärkung der City durch eine Verdichtung des Zentrensystems führen. Aus städtebaulicher und stadtfunktionaler Sicht ist die Ansiedlung eines Shopping- Centers an jenem Standort daher zu begrüßen. (vgl. ebd.) „Standorte am Rand der Geschäftslage in der City“ (ebd.). Insbesondere in den Neuen Bundesländer sind seit den Jahren der politischen Wende 1989/ 90 und den damit einhergegangenen Transformationsprozessen zahlreiche innenstadtnahe Flächen brachgefallen. Die Errichtung eines Einkaufscenters an jenem Standort trägt zur Flächenrevitalisierung bei. Grenzt die Fläche unmittelbar an den zentralen 13
Einzelhandelsbereich einer City an, kann durch die Neuansiedlung außerdem eine Erweiterung zentraler Lagen erreicht werden. Die Gefahr bei der Entscheidung für jenen Standorttyp besteht in der möglichen Verlagerung von Schwerpunkten im Einzelhandel und der damit verbundenen Abwertung anderer Lagen. (vgl. ebd.) „Standorte in einem Nebenzentrum“ (ebd.). Durch die Ansiedlung einer Einzelhandelseinrichtung an jenem Standort kann eine Stärkung des Nebenzentrums erreicht werden. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass der zentrale Geschäftsbereich bei zu geringer räumlicher Distanz in seiner Funktion geschwächt werden kann. (vgl. ebd.) Standort innerhalb der Standort am Rand der Standort in einem bestehenden Geschäftslage Geschäftslage Nebenzentrum Verlagerung bzw. Stärkung eines Stärkung der City Erweiterung der City Nebenzentrums 3.2 Raumstrukturelle und städtebauliche Einbindung innerstädtischer Einkaufszentren Abb. 3: Städtebauliche Typologien innerstädtischer Einkaufszentren Quelle: Eigene Bearbeitung, nach: Mayer- Dukart 2010: 21 14
Bei der Entscheidung eines Projektentwicklers für die Errichtung eines Shopping- Centers sind raumstrukturelle und städtebauliche Faktoren maßgeblich für den Erfolg des Vorhabens. In Bezug auf jene Faktoren spielen die Wahl des richtigen Makro- und Mikrostandortes, die Einbindung in Wegenetz und Bebauungsstruktur sowie die Gewährleistung einer optimalen Verkehrsanbindung und Bereitstellung von Pkw- Stellflächen eine wichtige Rolle. (vgl. Mayer-Dukart 2010: 81) Makro- und Mikrostandort. Während unter Makrostandort eine bestimmte Stadt, als übergeordnete Raumeinheit, verstanden wird, meint Mikrostandort einen Bereich innerhalb der Stadt, wie zum Beispiel eine ungenutzte Fläche in der City. Bei der Wahl des Makrostandortes sind zunächst bestimmte rechtliche und raumordnerische Bedingungen zu erfüllen. Fällt die Entscheidung auf die Errichtung eines Einkaufscenters in der Innenstadt eines Ober-, Mittel- oder Unterzentrum, so gilt es, die Gebote der Konzentration und Integration zu beachten (vgl. ebd.) • Konzentrationsgebot: meint, dass großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten Sortimenten nur in zentralen Orten entwickelt werden dürfen/ sollten (vgl. ebd.: 77) • Integrationsgebot: meint, dass großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Sortimenten ausschließlich in integrierten bzw. mit dem Zentrum in Verbindung stehenden Lagen realisiert werden sollen. Dadurch soll einer Entstehung von Shopping-Centers „auf der Grünen“ Wiese Einhalt geboten werden. (vgl. ebd.: 77f.) Hinsichtlich der Wahl eines geeigneten Mikrostandortes gilt es, einen möglichst zentralen Raum für die Realisierung des Vorhabens zu wählen, da die Chancen einer erfolgreichen Integration in die bestehende Einzelhandelsstruktur dann am größten sind. Mögliche Standorte (siehe Kapitel 3.1) sind dabei auf ihre Vor- und Nachteile zu überprüfen. Da Standorte innerhalb der bestehenden Geschäftslage in der City nur begrenzt vorhanden beziehungsweise eine Umsetzung von Vorhabens dort mit hohen Kosten verbunden sind, wird ein großer Teil innerstädtischer Einkaufzentren an den Rändern zentralen Einzelhandelsbereiche realisiert. In diesem Fall ist zu prüfen, inwiefern negative Auswirkungen von dem Vorhaben auf die restliche Innenstadt ausgehen können. (vgl. ebd.: 81f.) Einbindung in Wegenetz und Bebauungsstruktur. Eine erfolgreiche Integration innerstädtischer Einkaufszentren gilt dann als erreicht, wenn von diesen positive Impulse auf die nähere Umgebung in Bezug auf das Wegenetz und die Bebauungsstruktur ausgehen. Im Optimalfall findet durch die richtige Integration eines Shopping-Centers 15
eine Aufwertung, Ergänzung und Verdichtung bestehender Wegebeziehungen statt. Konfliktpotentiale gehen unter anderem von einer Überdimensionierung der Verkaufsflächen beziehungsweise Gesamtfläche des Shopping- Centers aus. Durch geschlossene Fassaden, große Baukörper oder Beeinträchtigung von Wegebeziehungen durch Überbauung kann es zu einer Schädigung des Stadtbildes kommen. Darüber hinaus können jene Vorhaben vor allem in durch kleinteiligen Einzelhandel geprägten Städten die Einzelhandelsstruktur der Innenstadt massiv beeinträchtigen. (vgl. ebd.: 83) Im Falle der Ansiedlung einer Einzelhandelseinrichtung am Rand einer zentralen Geschäftslage nennt die Fachliteratur eine Entfernung von maximal 200 Metern, die nicht überschritten werden sollte, um Synergieeffekte mit dem Zentrum zu gewährleisten (vgl. Heinritz et al. 2003: 72; vgl. ebd.: 83). Verkehrsanbindung und Bereitstellung von Pkw-Stellflächen. Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg innerstädtischer Einkaufszentren sind aus Investorensicht die Anzahl vorhandener Stellplätze sowie die verkehrliche Anbindung. In diesem Zusammenhang besteht ein Zielkonflikt, da innerstädtische Einkaufscenter zwar weniger Verkehr verursachen als jene „auf der Grünen Wiese“, trotzdem aber für den Anstieg innerstädtischer Verkehrs- und Umweltbelastungen verantwortlich sind. Für die Planer der Stadt gilt es daher Auswirkungen und Nutzen, die mit der Entstehung eines innerstädtischen Shopping-Centers verbunden sind, sinnvoll abzuwägen. Als Instrument zur Reduzierung des Pkw-Verkehrs besitzt die Stadt die Möglichkeit, die Anzahl der zulässigen Stellplätze zu begrenzen. (vgl. Mayer-Dukart 2010: 83) Für den Pkw- Stellplatzbedarf bei innerstädtischen Shopping-Centern wird in der Wissenschaft von der Formel „37 Parkplätze je 1000m2 Geschäftsfläche“ (IFG 2007: 26) ausgegangen (vgl. ebd.). 16
4 Analyse des Einzelhandels in der Altstadt von Greiz 4.1 Rahmenbedingungen des Einzelhandels in der Altstadt Greiz ist im LEP 2025 als Mittelzentrum ausgewiesen. Die Stadt sollte dementsprechend „über ein breites Spektrum von Einrichtungen mit regionaler Bedeutung sowie umfassende Angebote an Gütern und Dienstleistungen des gehobenen Bedarfes“ (ROP 2012: 9) verfügen und als Versorgungsschwerpunkt für den umliegenden ländlichen Raum fungieren. Dieser ist überwiegend von kleineren und mittleren Ortschaften geprägt, die als Einzelhandelsstandorte keine überörtliche Bedeutung besitzen. Der mittelzentrale Funktionsraum von Greiz umfasst knapp 33.500 Einwohner (vgl. LEP 2025: 32). Das Marktgebiet ist allerdings nicht statisch, sondern wird vor allem durch die räumliche Nähe zu den Städten Gera, Zwickau, Reichenbach, Plauen und Zeulenroda- Triebes beeinflusst. Abb. 4: Verflechtungsraum des Mittelzentrums Greiz Quelle: Eigene Darstellung 2015 Vor allem die Oberzentren Gera, Zwickau und Plauen ziehen aufgrund ihrer höheren zentralörtlichen Bedeutung einzelhandelsrelevante Kaufkraft aus Greiz ab, die im Jahre 2008 83,6 % betrug. Im Vergleich zum Freistaat Thüringen, zum gesamten Landkreis Greiz und zu den soeben angeführten thüringischen und sächsischen Ober- und Mittelzentren fällt die einzelhandelsrelevante Kaufkraft der Kreisstadt um bis zu 4,7 Prozentpunkte geringer aus. (vgl. BBE Handelsberatung 2009: 12) Werden zusätzlich zur Kaufkraft auch die einzelhandelshandelsrelevanten Umsätze betrachtet, lässt sich die Bindungsquote beziehungsweise Zentralität der Stadt ermitteln. Für Greiz 17
und die Städte innerhalb des Verflechtungsbereiches ergeben sich folgende Bindungsquoten: Stadt Bindungsquote 2008 Bindungsquote 2013 Differenz Oberzentren Gera 136,9 % 128,4 % -8,5 pp Zwickau 129,4 % 135,6 % +6,2 pp Plauen 135,4 % 142,8 % +7,4 pp Mittelzentren Zeulenroda-Triebes 107,6 % 95,7 % -11,9 pp Reichenbach 102,7 % 98,6 % -4,1 pp Greiz 114,9 % 105,6 % -9,3 pp Abb. 5: Bindungsquoten im Greizer Verflechtungsraum Quelle: Eigene Berechnung und eigene Darstellung, nach BBE Handelberatung 2009: 36; BBE Handelsberatung, 13.10.2014 Mit Ausnahme der sächsischen Oberzentren Zwickau und Plauen besitzen alle Städte des Greizer Verflechtungsraumes eine vergleichbar schwache und darüber hinaus rückläufige Bindungsquote. Die Zentralität von Greiz ist von 114,9 % im Jahre 2008 auf 105,6 % im Jahre 2013 um 9,3 Prozentpunkte gesunken. Vor allem im lang- (59 %) und mittelfristigen (53 %) Bedarfsbereich fallen die Bindungsquoten für die Stadt und ihr Einzugsgebiet unterdurchschnittlich aus (vgl. BBE Handelsberatung 2009: 36). Diese Werte werden der Stadt in ihrer Funktion eines Mittelzentrums nicht gerecht. Erfahrungswerten zufolge sollte ein vitales Mittelzentrum, welches einen mit Greiz vergleichbaren Funktionsraum besitzt, einen Zentralitätswert von etwa 150 % aufweisen (vgl. BBE Handelsberatung, 13.10.2014). Um die Kaufkraft und Umsätze an den Greizer Einzelhandel zu binden, müssen folglich zielgerichtete Strategien entwickelt werden, die das Leistungs- und Qualitätsniveau der Stadt langfristig aufrechterhalten. Die Entwicklung der Marstallfläche erscheint vor diesem Hintergrund als zielführende Maßnahme, durch die der Anteil der Stadt an dem Einzelhandelsmarktvolumen im Einzugsgebiet erhöht werden könnte, das 2008 auf 194 % geschätzt wurde (vgl. BBE Handelsberatung 2009: 12). 4.2 Struktur des Einzelhandels in der Altstadt 18
Um Erkenntnisse zu der Einzelhandelsstruktur der Greizer Altstadt zu gewinnen, wurden im November 2014 die dort ansässigen einzelhandelsrelevanten Betriebe kartiert und gemäß ihrer Umsatzschwerpunkte einer Branche nach Heineberg und Tappe zugeordnet (vgl. Heineberg et al. 2014: 66). Die Ausstattung der Altstadt, die im Wesentlichen die Funktion des Einzelhandelszentrums von Greiz erfüllt, kann der nachfolgenden Bestandkarte entnommen werden. Abb. 6: Einzelhandelsstruktur in der Greizer Altstadt Quelle: Eigene Daten und eigene Berechnung, nach Open Street Maps 2014 Mit insgesamt 27 Betrieben wird die Altstadt von der Bekleidungsbranche dominiert, die weiterhin die Bedarfsgruppen Textilien, Schuhe und Lederwaren umfasst. Die Branchen rund um Körperpflege- und Heilbedarf, Lebens- und Genussmittel, Schmuck- und Zierbedarf, Unterhaltungsbedarf sowie Haushaltsartikel und -geräte umfassen im Durchschnitt 7,6 Betriebe. Der Modesektor der Altstadt stellt einen wesentlichen Attraktivitätsfaktor und Frequenzbringer für Greiz dar. Es gilt allerdings anzumerken, dass einige der Bekleidungsgeschäfte allgemein anerkannte und zeitgemäße Qualitätsstandards des Einzelhandels nicht einhalten. (vgl. BBE Handelsberatung 2009: 22) Im Rahmen der Bestandsaufnahme war es nicht möglich, die Verkaufsflächen der kartierten Betriebe zu ermitteln. Es wurde jedoch ersichtlich, dass die Altstadt von einer äußerst kleinteiligen Ladenstruktur geprägt ist, die den derzeitigen Trend zu immer größeren Verkaufsflächen nicht widerspiegelt. Als Referenzwert kann die durchschnittliche Verkaufsfläche von 77 m² je Ladeneinheit im Jahre 2008 herangezogen werden. In Bezug auf die Gesamtstadt besitzt die Altstadt eine um 104 m² geringere durchschnittliche Verkaufsfläche je Ladeneinheit. Auch in Bezug auf die 19
Innenstädte vergleichbarer Mittelzentren ist dieser Wert als unterdurchschnittlich einzustufen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Trend zu größeren Verkaufsflächen vor allem von dem Wunsch der Konsumenten nach einem breiteren und tieferen Sortiment herrührt, ist dieser Umstand problematisch. (vgl. ebd.: 20; BBE Handelsberatung, 13.10.2014) Es kann gefolgert werden, dass die Altstadt von Greiz unter anderem aufgrund ihrer Kleinteiligkeit Kaufkraftabflüsse hinzunehmen hat, da eine derartige Struktur von den Einwohnern der Stadt und des Einzugsgebietes als unattraktiv bewertet wird. Als unattraktiv kann auch die erhebliche Anzahl von Leerständen bewertet werden. Insgesamt sind fast ein Drittel aller Betriebe der Altstadt ungenutzt. Angesichts dieser hohen Leerstandsquote stellt sich die Frage, ob die Greizer Innenstadt ihrer Versorgungs- und Aufenthaltsfunktion langfristig gerecht werden kann. Hinzu kommt, dass es aufgrund der relativ kleinen Verkaufsflächen schwierig ist, den Gebäudeeinheiten eine Einzelhandelsnutzung zuzuführen. Viele Händler, vor allem Filialisten, stellen konkrete Größenanforderungen an die Fläche eines potentiellen Niederlassungsstandortes. Die leerstehenden Geschäfte in der Altstadt erfüllen diese Anforderungen zumeist nicht. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, alternative Nutzungskonzepte für die Leerstände des Greizer Zentrums zu entwickeln. Abseits dessen weist die Altstadt von Greiz weitere Merkmale auf. Sie besitzt kein innerstädtisches Warenhaus, in dem Güter verschiedener Branchen angeboten werden. Dagegen befinden sich in der Altstadt eine Passage, die Kinopassage, sowie die Altstadtgalerie, die beide jedoch keine zentralitätsrelevanten Einzelhandelsangebote bereitstellen. Ferner verfügt der Stadtteil über keinen Lebensmitteldiscounter oder Supermarkt, der ein breiteres Vollsortiment bereitstellt, wobei allerdings zahlreiche Lebensmittelhandwerker ansässig sind, wie Bäcker und Fleischer. Es wird deutlich, dass in Bezug auf den Einzelhandel der Altstadt eine komplexe Problemlage vorherrscht. Diese kann auf lange Sicht die Leistungsfunktionen des Greizer Zentrums erodieren. Deshalb ist es notwendig, Strategien und Instrumente zu entwickeln, die das Leistungs- und Qualitätsniveau des Greizer Einzelhandels zunächst stabilisieren und langfristig steigern. Wie in Teil A bereits dargelegt wurde, kann ein innerstädtisches Einkaufscenter eine geeignete Möglichkeit darstellen, ein zusätzliches und darüber hinaus attraktiveres Einzelhandelsangebot zu schaffen, welches die lokale Kaufkraft bindet. Um weitere Basisdaten für die Entwicklung des Nutzungskonzeptes für das Marstallcenter zu gewinnen, wurde neben der dargelegten Analyse der Einzelhandelsstruktur in der Altstadt eine Befragung der Greizer Bürgerinnen und Bürger 20
durchgeführt. Das Ziel, die Vorgehensweise und die Ergebnisse der empirischen Untersuchung sollen im nachfolgenden Kapitel erörtert werden. 5 Empirische Untersuchung-Konsumentenbefragung 5.1 Methodik 21
Da das Ziel der vorliegenden Arbeit darin besteht, ein Nutzungskonzept unter Berücksichtigung der Interessen und Bedarfe der Greizer Bürgerinnen und Bürger zu entwerfen, kam der Konsumentenbefragung eine einschlägige Rolle zu. Hierzu wurde ein Fragebogen konstruiert, dessen Fragen sich sowohl räumlich als auch inhaltlich auf die Greizer Altstadt konzentrieren. Dadurch konnten im Umkehrschluss Erkenntnisse für das spätere Nutzungskonzept abgeleitet werden. Der Entschluss, die Erkenntnisse quantitativ und weitestgehend vollstandardisiert zu erheben, trug neben der Wahl diversifizierter Befragungsformen wesentlich zu der abschließend hohen Fallzahl bei. Bei der Konsumentenbefragung handelt es sich um eine Teilerhebung, die im Verlauf methodisch offengelegt wird, damit sie intersubjektiv nachvollzogen werden kann (vgl. Schnell, Hill, Esser 2005: 304). Bei der Konstruktion des Fragebogens als Erhebungsinstrument (siehe Anhang) spielte die genannte Standardisierung eine wesentliche Rolle, um die gängigen Gütekriterien einer Messung zu erfüllen. So wurde bei jeder Befragungsform der gleiche Fragebogen mit den gleichen Frage- und Antwortmöglichkeiten in derselben Reihenfolge benutzt. Zum hohen Standardisierungsgrad trägt zusätzlich auch ein mehrheitlich geschlossenes Fragesystem bei. (vgl. Seipel, Rieker 2003: 140) Da die Antwortmöglichkeiten innerhalb des Fragebogens überwiegend durch Mehrfachvorgaben bereits angegeben wurden, waren sie bei der Auswertung und der Analyse besser verwertbar. Für die Befragten bedeutete dies darüber hinaus einen geringeren zeitlichen Aufwand sowie eine leichtere Beantwortbarkeit der Fragen selbst. (vgl. Raithel 2006: 67f.) Durch die Wahl eines mehrheitlich geschlossenen Fragesystems können jedoch schlechter Erkenntnisse abseits der Antwortvorgaben generiert werden (vgl. Seipel, Rieker 2003: 140). Deshalb wurde vor allem Frage 6 zu den gewünschten Angeboten in der Altstadt offen gestellt, da hier eine individuelle Beantwortung für den Erkenntnisgewinn besonders wichtig war. Weiterhin wurden bei den Fragen 1 und 4 mit der Antwortkategorie „Sonstiges“ eine Möglichkeit für die Befragten geschaffen, für sich passende Antworten zu formulieren. Abgeschlossen wurde der Fragebogen mit drei persönlichen, quantitativen Angaben bezüglich Geschlecht, Alter und Postleitzahl, welche im Verlauf der Auswertung mit anderen Fragen in Verbindung gebracht wurden. Auch die Formulierung der Fragen unterlag wissenschaftlichen Kriterien. Sie wurden kurz, prägnant und einfach formuliert. Die Fragen dürfen die Untersuchungspersonen bei der Beantwortung nicht von vornherein in eine bestimmte Richtung lenken, also keine vorgeschalteten, falschen Suggestionen auslösen. (vgl. Raithel 2006: 72) Wie bereits erwähnt, wurde ein Mix bei den Befragungsarten angewandt, bei dem insbesondere die Online-Befragung durch die Umfragesoftware UniPark von Questback 22
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