Elsass-Gazette Nr. 146 Oktober 2019 - Mitteilungsblatt Kulturverein Elsass-Freunde Basel
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Elsass-Gazette Nr. 146 Oktober 2019 Mitteilungsblatt Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l’Alsace Bâle
Impressum Inhaltsverzeichnis Mitteilungsblatt Elsass-Gazette 2 Impressum Postadresse: Kulturverein Elsass-Freunde Basel, 3 Inhaltsverzeichnis Postfach 3405, CH 4002 Basel Internet: www.elsass-freunde-basel.ch 4–5 Leitartikel Peter Obrist Sekretariat: Sibyll Holinger Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel 6 Gedicht „Gang im Spöötlig“ Markus Manfred Jung Mobile: +41 (0)79 461 72 28 E-Mail: sekretariat@elsass-freunde-basel.ch 7–9 Ausschreibung Literarischer Abend 7. November 2019 Redaktion: redaktion@elsass-freunde-basel.ch 10–12 Ausschreibung Süsser Adventszauber 5. Dezember 2019 Irma Brantschen (Leitung) Rudolfstrasse 22, CH-4054 Basel 13–16 Bericht über den Ausflug ins Mittlere Tel: +41 (0)61 273 64 21 Wiesental Irma Brantschen E-Mail: ibrantschen@bluewin.ch Peter Obrist (Leitung) 17–20 Ausstellung: Menschen und Flugzeuge – Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel Destination EuroAirport Peter Peyer Tel: +41 (0)61 261 54 31 E-Mail: tsirbo@bluewin.ch 21–23 Der Staatsvertrag vom 4. Juli 1949 Hans-Jörg Renk Serge Iseli Lenzgasse 31, CH-4056 Basel 24–27 Der EuroAirport im Zwiespalt zwischen Tel: +41 (0)79 416 75 00 Wachstum und Umwelt Peter Peyer E-mail: serge.iseli@iselioptik.ch 28–31 Portrait Marianne von Grünigen Serge Iseli Hans-Jörg Renk Niederholzstrasse 45, CH-4125 Riehen 32–33 „Leben im Umbruch“, Weil in Tel: +41 (0)76 459 94 40 E-Mail: hj.renk@sunrise.ch den 1920er Jahren Serge Iseli Ursula Schmitt 34 Geschichte „De Schwämmlichrieg“ Markus Manfred Jung Schützenmattstrassse 35, CH-4051 Basel Tel. +41 (0)61 274 02 47 35 Verleihung „Beatus-Rhenanus-Preis“ an E-Mail: uschmitt@bluewin.ch Dominik Wunderlin Hans-Jörg Renk Gestaltung: Peter Birbaumer Fuchshagweg 22, CH-4103 Bottmingen 36 Nachruf Karl-Heinz Matthes Robert Heuss Tel: +41 (0)61 422 06 30 E-Mail: peter@birbaumer.ch 37–38 Buchbesprechung: „Verlorene Leben“ Druck: Dietrich AG von Pierre Kretz Hans-Jörg Renk Pfarrgasse 11, CH-4019 Basel 39–40 Leserbriefe/In eigener Sache Auflage: 500 Exemplare 41 Veranstaltungen Die nächste Ausgabe erscheint am 21. Januar 2020 42 Bildernachweis Redaktionsschluss: 27. Dezember 2019 43 Adressliste 2 3
Leitartikel Meine Eltern hatten kein eigenes die „Aviatik“ gegründet, die zu einem Geburt problemloser. Die entschlos- Gleichzeitig werden die Auflagen Auto, längere Ausflüge fanden mit der grössten Flugzeugwerke der Welt sen auftretenden Basler Vertreter der Behörden strenger und die For- der Eisenbahn, kürzere mit dem Tram werden sollte. wurden nämlich immer wieder durch derungen der Umweltschützer zu- statt. Zum ersten Mal in einem Flug- die Berner und Pariser Administration nehmend radikaler. Klima-Aktivisten 1920 nahm das Sternenfeld seinen zeug sass ich erst mit 20. Greta Thun- gebremst. Dass sie ihr Ziel nach drei möchten das Fliegen gleich gänzlich Betrieb als ziviler Flugplatz auf und berg hätte ihre helle Freude an mir nervenaufreibenden Jahren dennoch verbieten und übersehen, dass der wurde zu einer ersten Drehscheibe gehabt. erreichten, verdankten sie ihrem poli- EuroAirport als grösster Arbeitge- des europäischen Luftverkehrs. Den tischen Ungehorsam und grossem di- ber im Südelsass auch eine soziale In jener Zeit gab es Familien, die am letzten Höhepunkt seiner kurzen Ge- plomatischem Geschick. Mit der Ver- Verpflichtung hat. Im Spannungs- Sonntag von der Zuschauerterrasse schichte erlebte das Sternenfeld am tragsunterzeichnung vom 4. Juli 1949 feld zwischen volkswirtschaftlichem ankommenden und abfliegenden 12. Oktober 1930, als rund 30‘000 begann eine Erfolgsgeschichte, die al- Nutzen und ökologischer Nachhal- Passagieren zuwinkten – wir gehör- Menschen die Landung des Luft- lerdings auch vor Rückschlägen nicht tigkeit die richtigen Entscheidungen ten nicht zu diesen. Dafür fuhr ich als schiffs „Graf Zeppelin“ miterlebten. gefeit war: der Konkurs der Charter- zu treffen, erinnert an die Quadra- Junge mit dem Fahrrad nach Blotz- Das Sternenfeld war nämlich von gesellschaft Globe-Air, die Übernah- tur des Kreises. heim, als das erste Okapi für den Bas- Anfang an ein Flugplatz auf Zeit, auf me der Crossair durch die Swissair, das ler Zolli aus Afrika eintraf. Weil es gut dessen Gelände dereinst das Kraft- Im Rahmen von Anlässen mit den Grounding der Muttergesellschaft verpackt in einer Holzkiste anreiste, werk und der Hafen Birsfelden ge- Elsass-Freunden hatte ich zweimal oder der Rückzug der Swiss aus Basel. sah ich vom Okapi zwar nichts, aber baut werden sollten. So begann denn das Vergnügen, Paul Rhinow über ich lernte die damals noch recht be- ab 1930 die Suche nach einem neuen Aktuell verzeichnet der EuroAirport seine Zeit als Flughafendirektor scheidenen Gebäude des Flugplatzes Standort für den Basler Flugplatz. Basel – Mulhouse – Freiburg jährlich plaudern zu hören. Seine herrlichen kennen. Fündig wurde man schliesslich auf gegen 100‘000 Starts und Landun- Anekdoten, als man Probleme noch französischem Boden, in einem Ge- gen, transportiert fast 9 Millionen unter vier Augen bei einem Feier- Erst viel, viel später – dank den Elsass- biet zwischen Allschwil und Hegen- Passagiere und beschäftigt rund abend-Bier löste, stammen aus ei- Freunden, notabene1 – wurde mir be- heim. Über die frühen Jahre unseres 6‘000 Arbeitskräfte. ner Zeit, die leider vorbei ist. Heute wusst, welch bedeutende Rolle unsere Flugplatzes – das Wort geht mir auch heisst „bilateral“ Diskussionen am Region in der Geschichte der Luftfahrt Mit dem Anwachsen der Passagier- heute noch leichter über die Lippen Verhandlungstisch in paritätischen spielte. Sie begann schon im frühen 18. zahlen wachsen aber auch die Auf- als „EuroAirport“ – gibt der Artikel Kommissionen mit allen Interes- Jahrhundert, als der Basler Daniel Ber- gaben und Herausforderungen. Der von Hans-Jörg Renk Auskunft. Anlass sensvertretern beider Länder. Unse- noulli wegweisende Entdeckungen im Terminal mit seinem Y-förmigen ist das 70-jährige Jubiläum des Staats- re Welt ist zweifellos komplizierter Bereich der Hydrodynamik machte. Das Dock genügt den Anforderungen der vertrags zwischen den Flughafenbe- geworden, und kühne Ideen lassen ging weiter mit dem Franzosen Jean- heutigen Flugzeug-Generation nicht treibern Schweiz und Frankreich. sich nicht mehr so leicht realisieren. Pierre Blanchard, der 1788 mit seinem mehr. Der dringend notwendige Trotzdem wünschte ich mir, dass der Gasballon über die Stadt Basel flog. Dass ich am Tag vor der Vertragsunter- Bahnanschluss steckt noch in der Pla- Pioniergeist der „Gründerjahre” die 1919 startete Oskar Bider aus Langen- zeichnung zur Welt kam, ist wohl ein nungsphase – und die Finanzierung heutigen und künftigen Verant- bruck in der Ebene von St. Jakob mit Zufall. Bestimmt verlief aber meine dieses Grossprojekts erst recht. Der wortlichen des EuroAirports inspi- zwei Passagieren zu einem siebenstün- 1 Siehe Elsass-Gazette Nr. 140, Aus- bedeutende Frachtverkehr möchte rieren möge. digen Flug rund um die Schweiz. Und schreibung „Historisches, Kulinari- seine Flüge morgens lieber noch frü- im benachbarten Mülhausen wurde sches und Natur im nahen Elsass“ her und abends später abwickeln. Peter Obrist 4 5
Gang im Spöötlig Literarischer Abend Von Markus Manfred Jung Ausschreibung von Markus Manfred Jung Spöötlig Datum Donnerstag, 07. November 2019 so klaris Liecht Ort Zunftsaal des Schmiedenhofs, ass i mi wend Eingang Rümelinsplatz 4, Basel De Blick zruck Beginn 18:30 Uhr, Saalöffnung 18:00 Uhr e heisse Summer in dim goldige Hoor Ende 21:00 Uhr Verantwortlich Markus Manfred Jung, Ursula Schmitt, Hans-Jörg Renk, Erinnrig Werner Schwarzwälder an d Chindheit Teilnehmer: Bis 100 Personen, offen gerne auch für Nichtmitglieder wie ne Gwitter im riife Chorn Un alli Weg Eintrittspreis CHF 30.– inklusive Apéro mit Gugelhopf in der Pause führe zruck un jede Schritt wird tausigmool gange Das geit uf ke Chuehut – vier grosse Mundart-Künstler aus dem Dreyland Spöötlig e Pfad dur langi Schatte Unter diesem Motto soll der Litera- Wir freuen uns auf Sie und vor allem im Gruch vo überriifem Obscht rische Abend das fachkundige Pu- auf die Künstler. Uf Widerluegen un De Blick suecht blikum wiederum überraschen und -loose am sibte November. ruehjg über d Vogese erfreuen. Alle vier Vertreter der en Ahnig vom erschte Schnee Mund-Art sind ausgewiesene Könner Aus der Schweiz ihres Fachs und weit über die Gren- „Das geit uf ke Chuehut, itz isch S Wisse vom Winter zen der Dreilandregion hinaus be- gnue Höi dunger, blaas mer i d Schue, streut wiissi Äsche in di Hoor kannt. Ein unterhaltsamer, witziger vom Pontius zum Pilatus schicke, für De Weg verlirt sich zmool im Wald und tiefsinniger Abend ist garantiert. öpper d Cheschtene us em Füür hole, D Nacht das cha me nid eifach us em Eermel Während der Pause können Sie sich keit in d Matte schüttle“ – woher stammen diese von Conny und Urs Rinklin vom und andere Redensarten? Christian „Wyyguet Rinklin z Rieche im Schlipf“ Un de Heimweg Schmid führt uns mit seinen Büchern mit einem Apéro verwöhnen lassen. goht im Chreis „Blas mer i d Schue“ und „Mir stinkts“ Zudem haben Sie Gelegenheit zum in die faszinierende Bildergalerie der persönlichen Kontakt mit den Inter- Gang im Spätjahr// Spätjahr/ so klares lange Schatten/ im Geruch von über- Sprache. Er erläutert, erklärend und preten, deren Bücher und CDs zum Licht/ dass ich mich wende/ der Blick reifem Obst/ Der Blick sucht/ ruhig unterhaltend, Herkunft und Bedeu- Verkauf aufliegen. zurück/ ein heisser Sommer/ in deinem über die Vogesen/ eine Ahnung vom tung mundartlicher Redensarten. Er goldenen Haar// Erinnerung/ an die ersten Schnee// Das Wissen vom Win- Eine Anmeldung ist nicht notwen- räumt auch auf mit falschen Behaup- Kindheit/ wie ein Gewitter im reifen ter/ streut weisse Asche in dein Haar/ dig, der Eintrittspreis wird direkt an tungen und Herkunftsmärchen. Im Korn/ Und alle Wege/ führen zurück/ der Weg verliert auf einmal sich im der Abendkasse bezahlt. Auch Ihre anregenden Gespräch beim Apéro und jeder Schritt wird tausendmal Wald// Die Nacht/ fällt in die Wiesen// Freunde und Bekannten sind herzlich beantwortet er auf Wunsch gerne gegangen// Spätjahr/ ein Pfad durch Und der Heimweg/ geht im Kreis willkommen. Fragen aus dem Publikum. 6 7
Auf die Welt gekommen ist Christian ter“ sowie mehrere Bände mit launig steller und arbeitet jetzt als selbstän- „L’Alsace“ in Saint-Louis, wo er auch Schmid 1947 in Rocourt (heute Kan- geschriebenen Glossen zu Schweizer diger Medien-Designer zusammen Beiträge auf Elsässerdeutsch verfasst. ton Jura), Er ist Dr. phil., begann mit Spezialwörtern. 2018 erhielt er in mit Jeannot im „Chäfi“, im früheren Er ist aber insbesondere ein, inzwi- Lehre und Arbeit als Chemielaborant Deutschland den Friedestrompreis für Schopfheimer Gefängnis, also „dem schen auch preisgekrönter, Dichter. (1963-1974), dann Matura, Studium sein Lebenswerk. Mehr kann man er- Knascht“. Ihre „selbergschtrickti“ Nach einigen Gedichtbänden in fran- der Germanistik und Anglistik in Ba- fahren über Wikipedia. Musik geht unter die Haut und ans zösischer Sprache (darunter einer, sel und New York, Lizentiat und Pro- Herz. Man kennt sie von zahlreichen Aus dem Badischen der in Québec, Kanada, veröffent- Auftritten her, von Funk und Fernse- licht wurde) hat er 2015 „Liechtùnge/ „Mir singe un texte uf Alemannisch, hen, auch im Elsass und der Schweiz, Clairières“ herausgebracht, seinen well des jede Tag un jedi Nacht unsi und durch ihre CDs „Doppelherz“, ersten zweisprachigen Gedichtband, Sproch isch. Mer bruuche si un mer „Chäfi Musigg“, „Hart an de Gränze“ auf Elsässisch und Französisch. pflege si, un wenn mer mit unse Lie- und „Alles in de Finke“. Man kann sie der e paar alti Usdrück rette, soll is auf youtube finden und unter www. Im Dreiländereck, wo er lebt, nimmt des recht sii.“ Jeannot & Christian knaschtbrueder.de. er am grenzüberschreitenden kultu- (d‘Knaschtbrüeder) rellen Leben teil. Mit der Veröffent- Aus dem Elsass lichung einer Anthologie, zusammen Jeannot Weissenberger, die eine motion in Basel. Tätig gewesen ist er Ich bì ìm Elsassische edder Elsasserdit- mit Louis Perin, hat er zwischen den Hälfte des alemannischen Liederma- als Assistent am Deutschen Seminar sche ùffgewàchse. Eerscht vor e pààr Dichtern aus dem Dreiländereck Brü- cherduos „D’Knaschtbrüeder“, wurde der Universität Basel (1980-1988), als Johr, sitter àss ìch bi Bàsel wohn, hàwi cken geschlagen. 1951 in Lörrach-Stetten geboren, ging wissenschaftlicher Mitarbeiter beim verstànde wìe wìchtig es ìsch, s Elsassi- dort und anschliessend in Wieslet, Seine neuen Gedichtbände sind wie- Sprachatlas der deutschen Schweiz sche àls Àlemànnische ze betrààchte. Kleines Wiesental, auf die Grundschu- derum in französischer Sprache: “Les (1983-1996) und als Lehrbeauftragter Will s Àlemànnische ùns verënt, ùns le. Von Beruf ist er Schriftsetzer und aigrettes des cirses dans le jour qui an der Universität Zürich (1997-2003). verbìndt, ìm Drèilandereck ùn noch seit 1974 arbeitet er als Grafiker, wo- naît“ (2016) und „Dans la paume viel widderscht ìwwer d'Granze, ùn Von 1988 bis zur Pensionierung 2012 bei er sich 1982 selbständig machte. d'une feuille d'érable“ (2017, mit Al- ìwwer d'Johrhùnderte. Un àss i mìch war er Redaktor bei Schweizer Radio Viele seiner gnitzigen Zeichnungen bert Strickler und Delphine Gutron). ùm mini Kìnder bekìmmer, àss dìe äu DRS1, „Land und Leute“, „Siesta“, und Karikaturen sind veröffentlicht in Er hat 2010 in Blienschwiller mit der Elsassisch bzw. Àlemànnisch redde „Reisen Freizeit Kultur“ und zuletzt in dem Buch „Mol mer mol e Männli“. Unterstützung der Einwohner einen känne! der Literaturredaktion der Abteilung Dichterweg gegründet, ist seit 2015 Kultur SRF. Er ist Mitbegründer der Jean-Christophe Meyer Schriftführer des Vereins Mundartsendung „Schnabelweid“, (1978) ist in Blienschwiller AGATE (Académie pour arbeitete als Mundartspezialist (kurze aufgewachsen, einem klei- une Graphie Alsacienne Worterklärungen) mit bei allen Staf- nen Dorf von 300 Seelen Transfrontalière – Akade- feln „Heimspiel“ und als Sagenerzäh- an der elsässischen Wein- mie für eine grenzüber- ler bei SRF bi de Lüt „Sagen und My- strasse. Er stammt aus ei- schreitende elsässische then aus der Schweiz“. Er lebt heute ner alten Winzerfamilie. Schreibweise) und Mit- als Autor und Publizist in Schaffhau- Die Eltern haben ihm das glied mehrerer anderer sen. Neben Gedichtbänden im Ber- Elsässische, seine Mutter- Vereinigungen, die sich für ner Dialekt und auf Schriftdeutsch sprache, übertragen. Seine den Schutz und die Erhal- veröffentlichte er den autobiogra- Sein 22 Jahre jüngerer Bruder und erste literarische Sprache tung der elsässischen Spra- fischen Roman „Nebenaussen“ und Duopartner Christian Weissenberger ist jedoch Französisch, die Unterrichts- che und Kultur einsetzen. 2020 soll den Essayband „Durchs wilde Wortis- (1973), absolvierte nach der Realschu- sprache. Er ist Politikwissenschaftler seine nächste poetische Sammlung tan – Unterwegs in der Welt der Wör- le eine Lehre als Druckvorlagenher- und Journalist an der Tageszeitung auf Elsässisch erscheinen. 8 9
Süsser Adventszauber Ausschreibung von Irma Brantschen Datum Donnerstag, 5. Dezember 2019 08:15 Uhr Besammlung Basel, Bahnhof Süd, Meret Oppenheim-Strasse 08:30 Uhr Abfahrt 09:00 Uhr ca. Kaffeehalt in Rixheim 10:30 Uhr ca. Ankunft im Ecomusée, 1-stündige Führung 12:00 Uhr Apéro und Mittagessen im Restaurant La Taverne im Ecomusée 14:15 Uhr Weiterfahrt nach Gertwiller 15:00 Uhr Führung durch das Musée „Pains d’Epices“ 17:00 Uhr Abfahrt Gertwiller 18:15 Uhr Ankunft in Basel, Meret Oppenheim-Strasse verantwortlich Irma Brantschen, Daniel Braun Teilnehmerzahl maximal 50 Personen Kosten CHF 98.– Anmeldeschluss Samstag, 16. November 2019 Noch geniessen wir nach einem wei- Nach dem Kaffee in der Patisse- Weihnachtszeit strahlt das festlich ist auch die Hauptstadt des elsässi- teren Rekordsommer die schönen rie Muller in Rixheim, wo wir statt geschmückte Museum einen mär- schen Lebkuchens. Seit dem 18. Jahr- Herbsttage und mögen nicht an Gipfeli die traditionellen „Manela“ chenhaften Zauber aus. Nach einer hundert wird das feine Gebäck dort Winter, Glühwein und Adventszau- serviert bekommen, geht die Fahrt rund einstündigen Führung wird hergestellt, um das Jahr 1900 gab es ber denken. Die kürzer werdenden nach Ungersheim ins Ecomusée. Für uns in der Taverne des Museums neun Lebkuchenhersteller. Tage und die kühleren Temperaturen die meisten ist dies nicht der erste ein Apéro serviert und an- sind aber untrügliche Zeichen für die Besuch im grössten Freilichtmuse- schliessend geniessen wir näher kommende Adventszeit. um Frankreichs. Doch gerade in der ein feines Menu „Noël“. Die Elsass-Freunde haben dieses Jahr Nach dem Mittagessen wieder zahlreiche interessante und führt uns unser Bus nach spannende Veranstaltungen und Gertwiller, einem sympa- Ausflüge genossen. Den Abschluss thischen Weindorf am Fuss bildet ein gemütlicher Ausflug, der des Mont Sainte-Odile. die Adventszeit widerspiegelt und Vor einem mit Lebkuchen uns genügend Zeit lässt für Zusam- dekorierten Haus steigen mensein und Gedankenaustausch, wir aus. Aber nicht Hänsel aber auch die Möglichkeit bietet zum und Gretel erwarten uns, Einkaufen von ersten Weihnachtsge- sondern die Lebkuchenbä- schenken. ckerei Lips, denn Gertwiller 10 11
als 10‘000 Exponate bestaunt werden können, von Gugelhopf-Formen, Back- Auf den Spuren von Hebel und Gerhard Jung formen, Töpferwaren, Geschirr bis zur (13. September 2019) kompletten Stube eines elsässischen Hauses. Und über allem liegt der Duft von frischem Lebkuchen, es schmeckt Ein Streifzug durchs Mittlere Wiesental nach Kindheit und guter alter Zeit! Von Irma Brantschen Die reich bestückte und liebevoll de- Blauer Himmel, Sonnenschein, an- fred, der uns durch den heutigen korierte Boutique lässt die Herzen genehme Temperaturen – ein wun- Ausflug führt. der Einkaufswilligen höher schlagen. derbarer Spätsommertag kündigt Die Gelegenheit, einen Bhaltis oder Am Bahnhof Schopfheim erwartet Heute sind noch zwei Unternehmen sich an! Kurz vor 8 Uhr treffen sich Weihnachtgeschenke zu erstehen. uns Markus Manfred und begrüsst in Gertwiller tätig. In der familiär knapp 30 Elsass-Freundinnen und uns zur Einstimmung mit einem Ge- geführten Lebkuchenbäckerei Lips, Ebenfalls lohnt sich ein Spaziergang -Freunde am Bahnhof SBB beim Gleis dicht seines Vaters. Während des die seit 200 Jahren ihre Lebkuchen durch das Dorf Gertwiller, die ver- 2, denn dieses Mal wird uns kein Bus, ganzen Tages werden unsere Pro- in Handarbeit herstellt, erfahren wir schiedenen Caveaux haben sicher sondern die S6 auf unserem Ausflug grammpunkte mit passenden Versen Näheres über Geschichte und Produk- passende Getränke für die kommen- begleiten. Wir folgen heute den lite- aus der Feder von Gerhard Jung, vor- tion der Lebkuchen, können bei der den Festtage im Angebot. rarischen Spuren der beiden aleman- getragen von Markus Manfred, be- Herstellung zuschauen und die Pro- nischen Dichter Johann Peter Hebel Wir freuen uns auf einen vorweih- gleitet und diese bereichern. dukte selbstverständlich probieren. und Gerhard A. Jung, dem Vater un- nachtlichen Ausflug, perfekt wär‘s, seres Vizepräsidenten Markus Man- Gemütlich spazieren wir durch die Direkt über der Produktion befindet wenn Frau Holle an diesem Tag ihre beschauliche Alt- sich das „Musée du pain d’épices et Decken ausschütteln würde. Doch dar- stadt von Schopf- de l’art populaire alsacien“, wo mehr auf hat das OK-Team keinen Einfluss …. heim und stossen beim Johann-Peter- Hebel-Haus (ehe- malige Lateinschu- le) bereits auf die Spuren des grossen Dichters, Theolo- gen und Pädago- gen (1760 – 1826). Hebel, in Basel ge- boren, verlebte die Hälfte seiner Kind- heit in der Stadt, wo seine Eltern im Sommer im Patrizi- er-Haus Iselin tätig waren. Die Winter- monate verbrachte die Familie in Hau- sen im Wiesental, 12 13
wo sein Vater als Weber arbeitete. Ab Dachbalken Verse des alemanni- ganze Inventar 1769 besuchte Hebel in Schopfheim schen Dichters Gerhard Jung und der Fasnachtsge- die Lateinschule, in den Sommermo- laden zum Lesen, Nachdenken und sellschaft von den naten das Gymnasium am Münster- Schmunzeln ein. einzelnen Mit- platz in Basel. Hebel gilt allgemein gliedern irgend- Mit der S6 erreichen wir Zell, den Ge- als Pionier der alemannischen Mund- wo und irgend- burtsort des Dichters Gerhard Jung artliteratur, in seinen Versen stellt er wie gelagert. Um (1926 – 1998). Nach seiner Pensio- Lebensart, Landschaft und Dialekt alles an einem Ort nierung widmete er sich ganz seiner seiner Heimat dar. aufzubewahren, Leidenschaft, dem Schreiben. Stark erfüllte sich die Nicht zu übersehen ist nahe beim Rat- von den Kriegsjahren geprägt, zähl- Fastnachtsgesell- haus die 2004 enthüllte monumen- ten Frieden und Versöhnung zu den schaft 2005 einen tale Plastik von (Skandal-) Bildhauer Schwerpunkten seiner Texte. Sein alten Traum und Peter Lenk mit dem Titel „Badische umfangreiches Werk umfasst ca. 20 erwarb das Haus Revolution“ zu den Ereignissen von Bücher, über 60 Theaterstücke und an der Schönauer-Strasse, um die Führung erfahren wir vieles über die 1848. Damals waren die Bürgerinnen Hörspiele, über 50 Lieder, von ihm ereignisreiche Geschichte der Zeller Einzigartigkeiten des fasnächtlichen und Bürger für einige Tage selbst in selbst und namhaften Komponisten Fasnacht an einem einzigen Ort zu Brauchtums in Zell. das revolutionäre Geschehen verwi- vertont, drei Bildbände, einige Fest- präsentieren und zu erhalten. Das ckelt. Lenk schlägt mit seinen Figuren schriften und vieles mehr. Die Höhe- Das feine Mittagessen im schön ge- verwahrloste Haus konnte dank den Bogen zur wirklich Badischen punkte seines literarischen Schaffens deckten Saal im Gasthaus Löwen unzähliger ehrenamtlicher Arbeits- Revolution und stellt den Bezug zur erlebte Gerhard Jung zu Beginn der wird musikalisch umrahmt von Sabi- stunden und mit Unterstützung Gegenwart dar. 1970er Jahre, als er die Johann-Peter- ne Ging (Gitarre) und Markus Man- des 2012 gegründeten Förderver- Hebel-Plakette durch die Gemeinde fred mit Liedern von Gerhard Jung, Neben der ältesten Kirche Schopf- eins 2018 eingeweiht werden und Hausen im Wiesental 1973 und den und zum Abschluss singen auch die heims, die Alte Stadtkirche St. Mi- ist heute ein Schmuckstück, das auf Johann-Peter-Hebel-Preis vom Land Elsass-Freunde gerne mit. chael, erwarten uns im gemütlichen vier Ebenen mit unzähligen Requisi- Baden-Württemberg 1974 verliehen Gasthaus Sonne Kaffee und feiner ten und Unterlagen die spannende Für den nächsten Programmpunkt bekam. Russenzopf. Wir geniessen kulinari- Geschichte der Zeller Fasnacht zeigt. geht es zu den Sheddachhallen, wo schen und gleichzeitig literarischen Das grösste Volksfest in Zell ist die In einer lebendigen, engagierten das 1996 eröffnete Wiesentäler Tex- Genuss, finden sich doch auf den Fasnacht, welche auf eine lange Ge- schichte zurückbli- cken kann. Seit 1927 obliegt die Organisa- tion der Fastnachts- gesellschaft, und im Jahr 2012 wurde das Fasnachtshus einge- weiht, welches wir mit Peter Zluhan, Mitglied des För- dervereins für das Fasnachtshus, be- sichtigen. Jahrzehn- telang wurde das 14 15
tilmuseum in einer ehemaligen We- berei am Ufer des Flusses Wiese un- seiner Eröffnung dafür sorgt, dass die Erinnerung an diesen Teil der re- „Menschen und Flugzeuge – Destination tergebracht ist. gionalen Geschichte nicht verloren EuroAirport“ geht. Ein lebendiges Museum, das Über 200 Jahre lebte ein grosser Teil die Entwicklung und den Bestand der der Talbevölkerung von der Textilin- einst wichtigen Textilindustrie erläu- Eine Ausstellung zum Staatsvertrags von 1949 dustrie. In den besten Zeiten waren tert. Lebendig deshalb, weil Spulen, über 20‘000 Menschen zwischen Ba- Von Peter F. Peyer Spinnen und Weben auf betriebsfä- sel und Todtnau mit Spinnen, Weben, higen Maschinen und Einrichtungen Bleichen und dazugehörigen Teilbe- Auch Flughäfen haben ihre Geschichte – und der EuroAirport hat gezeigt werden. Beeindruckend, wie reichen z.T. auch in Heimarbeit be- die Webstühle vorgeführt und die eine ganz besondere. Er ist der einzige auf der ganzen Welt, der schäftigt. von zwei Nationen gemeinsam betrieben wird. Und er wurde schon Maschinen im laufenden Betrieb vor- Das Wiesentäler Textilmuseum zeigt gestellt werden. Ein spannender und drei Jahre vor der Unterzeichnung eines Staatsvertrags zwischen der den textilen Werdegang von 1750 lehrreicher Einblick in die Geschichte Schweiz und Frankreich eröffnet! Bald gibt es also wieder Grund zum bis zur Neuzeit auf. Vom Spinnrad der Textilherstellung! Jubilieren – am 8. Mai 2021, wenn „unser“ Flugplatz 75 Jahre alt wird. über hochmoderne Ringspinnanlage, Bei einem reichhaltigen Vesperplättli Handwebstuhl und Jaquardweben im Gasthaus zum Wilden Mann lassen Die Leserinnen und Leser unserer Der ehemalige Crossair-Pilot in Gazette erinnern sich sicher noch seinem Element: André Goepfert wird den Besuchern der Wandel der wir einen erlebnisreichen, interessan- an den Beitrag in der Ausgabe im führt durch „seine“ Ausstellung Textilindustrie an voll funktionstüch- ten Tag ausklingen, bevor uns die S6 tigen Maschinen vermittelt. wieder pünktlich zum Bahnhof SBB Herbst letzten Jahres, wo die er- Flughafens Basel-Mulhouse im Be- bringt. Dem Organisationsteam Bet- wähnte Ausstellung in der Mairie sonderen. In etwas verkleinerter Andreas Müller, stellvertretender tina Bohn und Markus Manfred Jung der Flughafen-Standortgemeinde Form – die grossen in St. Louis ge- Vorstandsvorsitzender des Wiesen- ein grosses Dankeschön für diesen St. Louis vorgestellt wurde. Sie be- zeigten Objekte wie Propeller und täler Textilmuseums, führt uns kom- Anlass, der durch die persönliche Prä- handelte die Geschichte der Luft- Flugzeugmotoren fehlten – präsen- petent durch das Museum, das seit gung eine besondere Note erhielt. fahrt im Allgemeinen und jene des tierte André Goepfert in Zusam- 16 17
menarbeit mit Werner von Arx und tige, erfahre ich, dass vielleicht be- erteilt wöchentlich Kurse im Fach Patrick Nobel diese statische „Flug- reits im Jahr 1901 einem deutscher Technik für angehende Privatpilo- show“ nun während sechs Wochen Einwanderer mit Namen Gustav ten. Zusammen mit André Goepfert im EuroAirport selbst, und zwar Weisskopf (Gustave Whitehead) ein hat er die Experimental Aircraft As- im französischen Teil der Abflug- motorisierter Flug gelang. Wer sich sociation Alsace gegründet, welche halle. für diese möglicherweise infame auch über einen eigenen Hangar Geschichtsklitterung interessiert, am Flughafen verfügt und dort ein Erweitert wurde die Ausstellung schaue sich auf auf youtube den fol- selbst gebautes Flugzeug ihr Eigen durch die sehr speziellen Objekte aus genden Film an: www.youtube.com/ nennt. der Sammlung von Patrick Nobel aus watch?v=NTIZYGNS61A Buckten. Zwar liegt Buckten nicht So erstaunt es wenig, dass in dieser gerade am Ende der Landebahn ei- Zurück in die Ausstellung. Dort er- Ausstellung ein geballtes Wissen nes Interkontinentalflughafens, und klärte Wolfgang Neumann unter über die Entstehung der Fliegerei es ist deshalb umso erstaunlicher, anderem, weshalb ein Flugzeug aus ihren Anfängen bis heute zusam- dass der Oberbaselbieter Primarleh- überhaupt fliegt. Der ehemalige menkommt. Mit den zeitweise sehr rer sich der Frühzeit der Fliegerei Flugzeugmechaniker, Ausbildner und rasch voranschreitenden Neuerun- verschrieben hat. In akribischer Ar- Cheftechniker gab dem interessier- gen musste unser Flughafen Schritt beit hat er über viele Jahre Gegen- ten Publikum sein immenses Wissen halten. Nicht zuletzt die rasante Ent- stände wie Instrumente, welche zum über die Funktionsweise der ausge- wicklung der Fliegerei während des Dabei erinnere ich mich noch an mei- Beispiel in Luftschiffen Verwendung stellten Instrumente weiter. Mit über 2. Weltkrieges machte es nach dem ne fliegerische Ausbildung, während fanden, oder Uniformen und Flug- 70 Lenzen arbeitet er noch heute Krieg unumgänglich, das Sternen- der ich zeitweilig von Rudolf Klemm, ausweise (Brevets) aus jener Zeit ge- an der Restaurierung einer Vickers feld bei Birsfelden aufzugeben und einem deutschen Fliegerass aus dem sammelt, als die Fliegerei noch von Viking der ehemaligen Balair und ein weitläufigeres Gelände für einen 2. Weltkrieg, in die Geheimnisse des den „tollkühnen Männern in ihren modernen Flughafen zu suchen. Die Motorflugs eingeweiht wurde. Dass fliegenden Kisten“ betrieben wur- „Giganten der Lüfte“ waren nämlich „der Feind immer aus der Sonne de. Bei genauerem Hinsehen und inzwischen ganz aus Metall gefer- kam“ und „wer oben war“ immer nach den Ausführungen von Patrick tigt, verfügten oft über vier Motoren im Vorteil, sagte er mir eindringlich Nobel wird bald klar, dass das Flie- und kamen auf hochbeinigen Fahr- und fuchtelte mit seinen Händen im gen schon sehr früh in den Dienst werken daher. Cockpit herum. So war mit Fluglehrer der Kriegsführung gestellt wurde. Klemm auch kein Start denkbar, be- Die langwierige und mühsame Su- So erklärte uns der passionierte vor nicht die von jeglichem Schmutz che nach einem geeigneten Areal für Sammler, wie schon im 1. Weltkrieg befreite Windschutzscheibe den eine betonierte Piste von mindestens Grundlagen für den Luftkampf er- glasklaren Blick freigab, denn „der 2000 Metern Länge dokumentiert stellt wurden, die auch heute noch Feind erschien zuallererst als Punkt die Ausstellung mit einer Reihe von Gültigkeit haben. Damals wurde ein irgendwo im Blau des Himmels“. heftig diskutierten Plänen auf an- junger Pilot erst definitiv in eine Flie- gerstaffel aufgenommen, wenn er Für mich völlig neu waren die Aus- schauliche Weise. sich über Feindesgebiet mit einem führungen von André Goepfert über Fotografisch sehr schön festgehal- Abschuss hervorgetan hatte. Zur den vermeintlich ersten motorge- ten ist auch die Entstehung des so- Illustration hielt uns Patrick Nobel triebenen Flug der Gebrüder Wright genannten „Miracle de Blotzheim“, eine Art Becher mit Gravur entge- in Kitty Hawk, North Carolina, USA jener rund sechs Wochen dauernden gen, die ein erfolgreicher Pilot je- im Dezember 1903. Erstmals seit Erstellung des ersten provisorischen weils erhielt. ich mich mit der Fliegerei beschäf- Flugplatzes, welcher am 8. Mai 1946 18 19
in einem Staatsakt feierlich seiner Bestimmung übergeben wurde. Die- des Flughafens befragt worden war, der definitive Terminal für Passagiere Der Flughafen-Vertrag von 1949 – Erfolg ser umfasste eine mit Hilfe deutscher eröffnet werden. Einige Jahre zuvor dank Druck aus Basel Kriegsgefangener in der Ebene zwi- hatte man bereits eine Frachthalle schen Blotzheim, Häsingen und St. und Hangars für den Unterhalt von Louis verlegte Piste aus gelochtem Flugzeugen in Betrieb genommen. Von Hans-Jörg Renk Stahlblech (pierced steel plates), wel- Rund 20 Elsass-Freunde besuchten tigen Hafen und Kraftwerk weichen Alle diese Bauten sind heute aber che aus amerikanischen Beständen am 18. Juli die Ausstellung im Eu- musste und ein brauchbarer Ersatz entweder verschwunden oder so stammten, und die barackenartigen roAirport. Höhepunkt im Rahmen- nur im benachbarten Elsass möglich sehr umgebaut und erweitert wor- Gebäude für die Abfertigung der programm jenes heissen Vormittags war. Deshalb nahm der Bundesrat in den, dass ihre ursprüngliche Form Passagiere. Ebenso dazu gehörten war ein spannendes Referat über enger Abstimmung mit dem Regie- kaum noch erkennbar ist. Der heu- die provisorischen Zufahrten – bis die Entstehung des Staatsvertrags rungsrat Basel-Stadt Verhandlungen tige Flughof ummantelt so gewisser- 1952 war der Flughafen nur über von 1949 durch Thomas Minger, stv. mit Frankreich auf, die 1939 zu einem massen den ersten Terminal aus der Frankreich erreichbar – und der voll- Generalsekretär der Konferenz der Projekt auf der Grenze zwischen All- Hand der Architekten Suter & Suter. ständig aus Holz gebaute fachwerk- Kantonsregierungen (KdK) in Bern, schwil und Hégenheim führten. Da- artige Kontrollturm. Eine Person auf französischer Seite der 1997 an der Universität Bern eine bei sollten das Aufnahmegebäude sollte dabei nicht vergessen Lizentiatsarbeit zu diesem Thema auf schweizerischem und die Pisten gehen: René Lemaire. René verfasst hatte. Wir veröffentlichen auf französischem Boden liegen. Lemaire war seines Zeichens hier eine Zusammenfassung, die vor Die Verhandlungen wurden durch vor und nach dem 2. Welt- allem die zentrale Rolle hervorhebt, den Ausbruch des Zweiten Welt- krieg bei allen Verhandlun- welche der Kanton Basel-Stadt beim kriegs unterbrochen. Aber die Bas- gen der Schweiz mit Frank- Zustandekommen dieses Vertrags ler Regierung wartete dessen Ende reich federführend auf der spielte. nicht ab, sondern setzte bereits im Seite unseres Nachbarlandes. Sommer 1944 alles daran, dass die Kaum eine andere Person Bereits in den 1930er Jahren war Gespräche an dem Punkt wieder auf französischer Seite hat klar, dass der 1920 eröffnete Flug- aufgenommen werden konnten, an sich vor und nach den Wirren platz auf dem Sternenfeld dem heu- welchem sie vor Kriegsbeginn ange- des Krieges so vehement für langt waren. das Zustandekommen des Flughafens eingesetzt wie Im März 1945, also noch vor Kriegs- er. Ich hatte das Vergnügen ende, reiste M. Hatt, der Direktor der René Lemaire im hohen Alter Danzas und Mitglied der Basler Han- von über 90 Jahren in seiner delskammer, im Auftrag der Basler Pariser Wohnung zu besu- Regierung nach Paris, wo er im Luft- chen, um von ihm persönlich fahrtministerium mit René Lemaire wichtige Informationen und auf den gleichen Experten traf, der Dokumente über die Ent- bereits die Vorkriegsverhandlungen stehung des Flughafens zu geleitet hatte. Im August 1945 kam Ein Leben für die Luftfahrt: Der Flugpionier Lemaire mit zwei weiteren Experten erhalten. Vielleicht wäre am Werner von Arx im angeregten Gespräch nach Basel, um die flugtechnischen 8. Mai 2021 der Zeitpunkt Erst im April 1970 konnte nach diver- gekommen, ihn in geeigneter Weise Thomas Minger in angeregtem Möglichkeiten vor Ort zu prüfen. sen Abstimmungen, bei denen das für seine Verdienste für unseren Flug- Gespräch mit dem ehemaligen Rasch stellte sich heraus, dass das Basler Stimmvolk zur Ausgestaltung hafen zu ehren. Flughafen-Direktor Paul Rhinow Projekt von 1939 überholt war. Beide 20 21
Seiten – für die Schweiz das Eidge- erteilte der Bundesrat grünes Licht wurden. So drängten sie darauf, dass sel, der vorsah, dass Frankreich die nössische Luftamt (heute: BAZL) – ka- zur Aufnahme formeller Verhand- die strittigen Punkte aus dem Ver- Pisten im Kriegsfall zerstören wür- men zum Schluss, dass der Flugplatz lungen mit Paris, unter Einbezug des trag ausgeklammert und in separa- de. Die Schweiz hatte vor dem Hin- weiter nördlich und ganz auf franzö- Kantons Basel-Stadt. ten Abkommen geregelt wurden: tergrund des beginnenden Kalten sischem Territorium zu erstellen sei. Die Besteuerungs- und Zahlungs- Krieges darauf insistiert. Ob die Ein halbes Jahr nach der Inbetrieb- Gestützt darauf richtete die Basler modalitäten, das Polizeiregime und dafür erforderlichen baulichen Vor- nahme des provisorischen Flugplat- Regierung im Oktober 1945 eine de- die Neutralisierung des Flughafens kehrungen je getroffen wurden, zes legte Frankreich Ende 1946 einen taillierte Eingabe an den Bundesrat in Kriegszeiten. Dank diesem Kunst- liess sich in den Akten nicht verifi- Vertragsentwurf vor, der die Schweiz für einen binationalen Flughafen auf griff lag nach nur zwei Tagen ein pa- zieren. Der Vertrag legte fest, dass jedoch nicht überzeugte. Daraufhin Elsässer Boden. raphierter Vertrag vor, mit dem bei- Frankreich das Land und die Ein- verfasste die Basler Regierung ei- de Seiten einverstanden waren. Aber richtungen für den gemeinsamen Nachdem Frankreich Ende 1945 nen Gegenentwurf, den der Bun- der Bundesrat wollte den Vertrag Flughafen zur Verfügung stellt und seine grundsätzliche Zustimmung desrat im Dezember 1947 nach Paris erst unterzeichnen, wenn auch die- die Schweiz die Kosten für dessen zum neuen Standort erteilt hat- übermittelte. Von dort kam im Mai se drei Punkte geregelt waren. Die Bau vollumfänglich übernimmt. Er te, nahm sich der Bundesrat dieser 1948 ein weiterer Gegenentwurf, finanziellen Angelegenheiten und trat nach der Ratifikation durch die Eingabe an. Regierungsrat Gustav der die Grundlage für die formellen die Neutralitätsfrage konnten zwar Parlamente der beiden Staaten am Wenk, Vorsteher des Departements Verhandlungen im Juli 1948 in Paris im März 1949 geregelt werden, doch 25. November 1950 in Kraft. Das des Innern und treibende politische bildete. Der fünfköpfigen schwei- die Lösung des Polizeiregimes blieb Polizeiregime wurde erst ein gutes Kraft in der ganzen Flugplatzfrage, zerischen Verhandlungsdelegation weiterhin offen. Angesichts dieser Jahrzehnt später geregelt. wollte jedoch keine Zeit verlieren gehörten auch zwei Basler Regie- neuerlichen Verzögerung und suchte nach einer Lösung für rungsräte an. Diese setzten alles da- riss in Basel der Gedulds- einen raschen Anschluss Basels an ran, dass handfeste Resultate erzielt faden: Der Regierungsrat den internationalen insistierte im April 1949 Luftverkehr. Am 16. vehement und öffentlich Januar 1946 reiste in Bern, nun endlich den er ohne Wissen des Vertrag zu unterzeichnen für die Aussenpoli- und das Polizeiregime erst tik zuständigen Bun- später zu regeln. Grund desrates nach Paris dieser Ungeduld war die und traf sich dort mit Tatsache, dass zur gleichen Jules Moch, damals Zeit Zürich und Genf ihre französischer Bau- Flughäfen in Kloten und und Verkehrsminis- Cointrin ausbauten und Basel ris- Man kann ohne Übertreibung fest- ter. Vermittler dieses kierte, ins Hintertreffen zu geraten. stellen, dass dieser Vertrag ohne den Treffens war Charles Der Druck wirkte, stimmte doch der Druck und die aktive Mitwirkung aus Koepke, Direktor des Bundesrat der Vertragsunterzeich- Basel nicht oder erst viel später zu- Flugplatzes Sternen- nung zu. Diese fand am 4. Juli 1949 stande gekommen wäre. Wesentlich feld. Moch stimmte in Bern statt; für den Bundesrat dazu beigetragen haben drei Persön- dem Basler Vorschlag unterschrieb Aussenminister Max lichkeiten, die die Verhandlungen zu, zunächst einen Petitpierre und für Frankreich Bot- jahrelang vorantrieben: Die Basler provisorischen Flug- schafter H. Hoppenot. Gleichzeitig Gustav Wenk und Charles Koepke platz zu erstellen. unterzeichneten sie einen separa- und ihr französischer Verhandlungs- Am 5. Februar 1946 Der undatierte „Plan de Masse“ war ein integrieren- der Bestandteil des Staatsvertrags ten und vertraulichen Notenwech- partner René Lemaire. 22 23
Der EuroAirport im Zwiespalt zwischen schäftsmodells werden die Flüge der Integrators an den äussersten Rand- welche verschiedene Massnahmen zur Lärmreduktion nicht nur der Flü- Wachstum und Umwelt stunden zwischen 23 und 24 Uhr ge in den Randstunden präsentieren abends und 05 bis 06 Uhr morgens soll. abgewickelt. Diese zunehmend mit Von Peter F. Peyer Mit der Annäherung an die 10-Mio.- grösseren und schwereren, oft aber Grenze beim Fluggastaufkommen älteren Maschinen durchgeführten Seit rund zehn Jahren steigen die nannten Integrators, d.h. der Paket- ist der Passagierterminal definitiv an Flüge bringen in letzter Zeit nicht nur Passagierzahlen am EAP unent- und Expressdienste – langfristig ein seiner Kapazitätsgrenze angelangt. die Anwohner um ihren Schlaf, sie ru- wegt und dürften Ende des Jahres deutlicher Aufwärtstrend zu ver- Der heutige Terminal mit seinem fen vermehrt auch Politiker auf den 2019 einen neuen Rekord von etwas zeichnen. Wurden 2009 insgesamt Y-förmigen Dock wurde anfangs der Plan, welche eine Einschränkung der über 9 Mio. Passagieren erreichen. erst 84'000 Tonnen Fracht umge- Nullerjahre nach den Bedürfnissen Betriebszeiten am EAP fordern. Die überdurchschnittlichen Zuwachs- schlagen, waren es letztes Jahr rund der Crossair gebaut, welche den raten verdankt der EAP vor allem den 110‘000 Tonnen. Der Flughafen reagierte darauf kürz- EuroAirport zu einem Mini-Hub im Aktivitäten von Billigfluglinien wie lich mit einer in Auftrag gegebenen europäischen Regionalluftverkehr Mit dem Anstieg der Passagierzahlen Studie, welche nach EU-Richtlinien machen wollte. Doch dazu kam es EasyJet und Wizz Air, aber auch einer wuchs die Anzahl der Flugbewegun- durchgeführt eine Verminderung wegen des Untergangs der Crossair- Vielzahl von Flügen nach beliebten gen jedoch nur unterproportional. der Flugbewegungen in den frag- Mutter Swissair jedoch nur für kur- Feriendestinationen und sogenann- Zeitweise wurde sogar ein Rückgang lichen Randstunden zum Ergebnis ze Zeit. Von den heute gängigen ten ethnischen Flügen1. Das Wachs- der Flugbewegungen verzeichnet, haben soll. Federführend dabei ist Flugzeugmustern Airbus A319 bis tum hat sich aber in den letzten Mo- dies vor allem aufgrund des Wegfalls naten etwas abgeschwächt. von vielen Schulungs- und Trainings- Letztmals im Jahr 2009 verzeichne- flügen der Allgemeinen Luftfahrt. te der EAP einen Passagierrückgang Aber auch der Einsatz von immer von rund 10% und zählte damals grösseren Maschinen mit mehr Sitz- 3,85 Mio. ankommende und abflie- plätzen hat den Anstieg der Flugbe- gende Passagiere. Ausschlaggebend wegungen moderat ausfallen lassen. für den damaligen Rückgang waren Im vergangenen Jahr wurden so rund die wirtschaftlichen Verwerfungen 97‘000 Starts und Landungen ver- im Nachgang zur Bankenkrise im zeichnet, vor zehn Jahren waren es Jahr 2008. noch 75‘000. Heute zeigt sich ein völlig anderes Gerade die Flüge der Integrators wie Bild. Im Jahr 2018 verzeichnete der DHL, UPS und Fedex verursachen der EAP ein Passagieraufkommen von Flughafendirektion Kopfzerbrechen rund 8,58 Mio., was einer Zunahme und bei den Anwohnern je nach Sen- gegenüber dem Vorjahr um 8,7% sibilität Kopfschmerzen und schlaf- entsprach. In den vergangenen Jah- lose Nächte. Aufgrund ihres Ge- ren waren zweistellige Zuwachsra- 1 Ethnische Flüge dienen praktisch ten keine Seltenheit. Dies gilt aller- ausschliesslich dem Bedürfnis dings nicht für den Frachtverkehr, die französische Zivilluftfahrtbehör- A321 oder der Boeing B737-Serie von Migranten regelmässig in welcher von einer hohen Volatilität ihr Heimatland zurückkehren, so de DGAC unter Beizug des schwei- können jeweils nur wenige Flug- gekennzeichnet ist. Doch ist auch vor allem nach Algerien, in die zerischen BAZL. Spätestens 2021 soll zeuge angedockt werden. Meistens hier – dank der Tätigkeit der soge- Balkanländer und in die Türkei. das Ergebnis dieser Studie vorliegen, stehen die Maschinen von EasyJet 24 25
veranschlagte Bahnanschluss soll mit Ein weiterer gewichtiger Wirt- einer einfachen Abzweigung von der schaftsfaktor ist der EAP auch als bestehenden Hauptlinie Basel SNCF Arbeitgeber. Mit weit über 6‘000 – Mulhouse abzweigen und unmit- Arbeitsplätzen stellt er den gröss- telbar östlich des Terminals einen ten Stellen-Cluster im Südelsass dar. Haltepunkt erhalten. Dabei soll der Allein in der aufstrebenden Bran- Flughafen von Basel im 10-Minuten- che des Flugzeugumbaus und der takt und von Mulhouse aus im 15-Mi- Ausstattung von Grossflugzeugen nutentakt bedient werden. zu fliegenden Luxuskarossen stel- len Unternehmen wie Jet Aviation, Widerstand erhält dieses Projekt AMAC Aerospace, ASB Air Service nun aber von den Umweltaktivis- Basel AG und neuerdings Nomad ten, welche diesen Bahnanschluss Aviation über 2‘000 Arbeitsplätze als zusätzlichen Wachstumsfaktor zur Verfügung. für den EAP fürchten. Den dadurch generierten Mehrverkehr sähen sie Den Spagat zwischen wirtschaft- vermutlich lieber in Zürich, Paris oder lichem Wachstum und ökologi- Frankfurt als vor der eigenen Haus- scher Nachhaltigkeit zu schaffen südlich des Terminals und die Passa- für eine Terminalerweiterung auf giere werden per Bus gebracht und der Nordseite zu gewinnen. geholt. Für die Entwicklung unseres Flugha- Somit ist der Flughafen nun auch ge- fens wird sicher auch mitentschei- fordert, seine landseitige Infrastruk- dend sein, ob sich der projektierte tur – d.h. ohne das bestehende und Bahnanschluss wie geplant bis ins kaum ausbaubare Pistensystem – zu Jahr 2028 realisieren lässt. Hierfür erweitern. In einem ersten Schritt stehen die Zeichen inzwischen güns- wurde dieses Jahr die Abstellfläche tiger als auch schon. Zwar wurde der nach Norden erweitert. Nördlich Bahnanschluss vor Jahresfrist aus der der bestehenden Terminalanlagen Planung der französischen Grossregi- stehen aber seit den Anfängen des on Grand Est gestrichen, dafür wurde Flughafens vor nunmehr über 70 Jah- nach heftiger Intervention unserer ren die Anlagen der General-Aviati- Lokalpolitiker das Projekt nachträg- on, also der Allgemeinen Luftfahrt, lich in die Finanzierung der Bahninf- welche vorwiegend den Aktivitäten rastruktur des Bundes für das nächs- tür. Der Flughafen selbst spricht von ist sicher keine leichte Aufga- der Privatfliegerei und der Piloten- te Jahrzehnt aufgenommen. Auch einer geringfügigen Zunahme des be, um welche die Verantwort- schulung dienen. Der Flughafen tut in Paris wurde inzwischen ein Wie- Passagierverkehrs von rund 4%; um- lichen niemand beneidet und sich bisher schwer, für diese Aktivi- dererwägungsgesuch gestellt, wel- gekehrt erwartet er, dass rund ein welche letztlich auch durch die Bi täten ein Ersatzareal zu finden, um ches hoffentlich positiv beantwor- Drittel der PW-Kunden auf den öf- nationalität des Flughafens nicht den dadurch freiwerdenden Platz tet wird. Der auf rund 280 Mio. CHF fentlichen Verkehr umsteigen. einfacher wird. 26 27
Ein Besuch bei Marianne von Grünigen Zum Apéro in der geräumigen Wohn- stube mit klassizistischem Prachtofen Vater führte sie früh in die bildende Kunst und später in die Politik ein. Als trinken wir einen Kluser Rosé. Zwar Schülerin hat er sie bei jedem Urnen- Von Serge Iseli steht auf der Etikette noch Domaine gang mitgenommen und ihr erklärt: Nussbaumer, aber, so klärt mich Frau „Eines Tages wirst auch Du die Geschi- An einem Nachmittag im August bin Benjamin der Runde begeistert den von Grünigen auf, das bekannte Wein- cke der Schweiz mit Deiner Stimme ich zusammen mit Hans-Jörg Renk, Geschichten dieser oberrheinischen gut in Aesch trage nun den Namen mitbestimmen können.“ Das sollte je- dem elsässischen Schriftsteller Pierre Runde zuhöre. Mit Anekdoten aus ih- Klus177 und erzählt mir gleich auch doch noch eine ganze Weile dauern. Kretz und dessen Frau Astrid Ruff rer langen Zeit als Diplomatin fesselt noch die Geschichte, die sie damit Zuerst bestimmte sie auf anderen Ebe- bei Marianne von Grünigen zu einem mich die Gastgeberin ganz beson- verbindet. Einen Teil ihres Rotweins nen die Geschicke der Schweiz mit. Nachmittagstee eingeladen. Auf ders. Und ich vergesse die Zeit. Ich bestellt sie beim Bioweinhandel Deli- Zuerst aber wurde sie oberrheinisch, dem Weg dorthin muss ich mich ver- sollte doch schon längst beim Zahn- nat, und zwar seit Jahren den Château was auf Französisch besser klingt: gewissern, ob die Adresse wirklich an arzt sein! Als wir herausfinden, dass Duvivier aus der Provence. Dies erzählt Devenir Rhénane. Dies beschreibt sie der St. Alban-Vorstadt ist und nicht wir beide zum gleichen Zahnarzt ge- sie dem neuen Winzer Antoine Kauf- in ihrem Aufsatz „Der Rhein als Ver- an der St. Alban-Anlage mit ihren hen, telefoniert Frau von Grünigen mann aus der Klus, und als der den Na- bindung im Dreiländereck“ von 2015 grossen Appartementhäusern. Denn kurzerhand und kündigt meine Ver- men hört, meint er ganz erstaunt, er ausführlich. So scheint ihr eine prä- ich stehe vor einem klassizistischen spätung an. Das beeindruckt mich habe 18 Jahre lang genau dieses Wein- gende Erinnerung zu sein, dass sie als Haus, das mir irgendwie bekannt vor- doch gleich noch einmal. Von dieser gut auf Biodynamik umgestellt und Primarschülerin im Petersschulhaus kommt. Ging ich nicht vor 45 Jahren Frau möchte ich mehr erfahren. Also habe jetzt dasselbe vor mit Klus177. am Hebel-Tag jeweils mit ihren Mit- in diesem Haus zum Schularzt? Am verabreden wir uns zum Lunch ein Die Familie von Grünigen stammt aus schülerinnen und Lehrerinnen vor das Durchgang zum Hinterhaus sind tat- paar Tage später. Saanen im Berner Oberland. Marian- Hebel-Denkmal gezogen ist, um den sächlich zwei Klingeln, ne von Grünigen wächst als Einzelkind Identität stiftenden Dichter zu wür- die eine mit dem passen- vorerst in Zürich auf und kommt 1944 digen. Natürlich wurde bei der Gele- den Namen versehen. mitten im Krieg nach Basel. Ihr Vater genheit „Z Basel an mym Rhy“ ange- Das Schularztamt ist in- wurde als Direktor der Kunstgewerbe- stimmt. Oder, dass sie gleich nach dem zwischen ausgezogen, schule und des dazugehörigen Muse- Krieg an Sonntagen mit ihren Eltern was Frau von Grünigen, ums nach Basel berufen. Ihre Mutter Ausflüge über die Grenze ins Elsass wie sie mir bei einem war Pianistin. Sie musste ihre eben be- und ins Markgräflerland unternahm. späteren Mittagessen er- gonnene Karriere durch diesen Wech- Auch hier zeigte sich die Weltoffen- zählt, sehr bedauert. Ihr sel ziemlich einschränken. Ihr Klavier- heit der Eltern. So wurden auswärtige würde der Betrieb der trio in Zürich gab sie auf, gründete Gäste nach Folgensbourg oder Haltin- vielen Schulkinder feh- aber bald ein neues in Basel, um der gen in Stammlokale eingeladen, als len. Es sei jetzt zu ruhig. von ihr sehr geliebten Kammermusik es noch Passierscheine brauchte. Und Für den Nachmittagstee treu zu bleiben. Wie damals weit ver- Marianne hatte ihren eigenen Kinder- hatte ich eine Stunde ein- breitet, hat sie sich in erster Linie der pass, ein doppeltes A4-Blatt mit Foto. geplant. Es sollte ein ers- Familie gewidmet, jedoch der Musik Dass mein Vater, der zur gleichen Zeit tes Kennenlernen sein. samt Unterricht immer einen würdi- in Basel aufwuchs, so ein Dokument Doch das Gespräch wird gen Raum erhalten. Davon profitier- besass, ist mir nicht bekannt. Auf den lebhafter und lebhafter. te auch Marianne, lernte zuerst bei sonntäglichen Ausflügen durchstreif- Dreisprachig auf Ale- ihr Klavier, dann aber bald Querflöte, te die Familie zusammen mit Freun- mannisch, Deutsch und um mit einem eigenen Instrument mit den zu Fuss das Basler Hinterland. Mit Französisch, wobei ich als der Mutter musizieren zu dürfen. Der dabei war ein elsässischer Chemiker 28 29
namens Engel, den sie alle liebevoll ten zuständig ist, gibt es schon den Von einem Ereignis möchte ich je- rung für eine gemeinsame Entwick- „Angel“ nannten und der Ausflüge in einen oder anderen Bezug zum Ober- doch berichten. Anfang November lungskonzeption Elsass-Südbaden- Dörfer und natürlich auch zu den all- rhein. So erzählt sie mir die Anekdo- 1989 kehrt Frau von Grünigen nach Nordwestschweiz“ unterzeichnet gegenwärtigen Kirchen organisierte. te, dass Anfang der 1970er-Jahre von Bern zurück und baut eine Abteilung wurde, und am Abend gibt es mit Re- Also scheine ich nicht der Einzige zu deutscher Seite Druck auf die Schwei- für Friedens-, Sicherheits- und Abrüs- gierungspräsident Kurt Jenny einen sein, der seine Liebe zu romanischen zer gemacht wurde, endlich etwas ge- tungspolitik des EDA auf, die auch Empfang im Basler Rathaus. Vor allem Kirchen als Kind auf Streifzügen durch gen die Verschmutzung des Rheins zu für die KSZE (heute OSZE) zuständig die osteuropäischen Mitglieder des das Elsass entdeckt hat. Oft war auch unternehmen. Es war klar, dass damit ist. Unter ihrer Leitung setzt sich der Treffens sind zutiefst beeindruckt von Rudolf „DingeDinge“ Riggenbach, der neben dem elsässischen Kali-Abbau schweizerische Vorschlag durch, 1991 dieser Zusammenarbeit dreier Länder allseits bekannte und umtriebige Bas- die Basler Chemie als Hauptverursa- in Genf eine KSZE-Konferenz über – und dem visafreien Grenzübergang. ler Denkmalpfleger und Freund der cherin gemeint war. So geht Frau von Familie, auf diesen Exkursionen dabei. Grünigen zum zuständigen Verant- Zu seinen Erklärungen gehörten nicht wortlichen in Basel und klopft auf nur Kunsthistorisches und Geschicht- den Tisch. Dieser meint anscheinend liches, sondern auch Kulinarisches. etwas verschüchtert: „Mr sin jo draa.“ So erzählte Marianne von Grünigen Zu der Zeit gilt im EDA noch der Grund- von zahlreichen fröhlichen Abenden satz für eine Frau: entweder Familie im „Aigle“ oder „Hirschen“, während oder Karriere. Eine Geisteshaltung, die sie für sich und mich ein wunderbares schon der Mutter zu schaffen machte. Dreigangmenü auftischte. Marianne von Grünigen entscheidet Obwohl ihr von vielen Seiten geraten sich schliesslich für die Karriere. Nach wurde, wegen ihres familiären Hin- Bonn kommt sie 1975 nach Bern, wo ihr tergrundes Kunstgeschichte zu stu- das UNO-Dossier, vorab die erste Bot- dieren, wählt sie ein Jurastudium in schaft zum UNO-Beitritt der Schweiz Basel mit anschliessenden Aufenthal- anvertraut wird. Anfang der 1980er- ten in Paris und Berlin als Assistentin Jahre geht sie als Stellvertreterin des des Staatsrechtlers Professor Max Im- Botschafters nach Moskau, wo sie den boden. Mitte der 1960er-Jahre ist sie Beginn von Glasnost und Perestroika im Rechtsdienst der OECD in Paris und hautnah miterlebt. Damit aber nicht v.l.n.r: Botschafter Franz Birrer (EDA), Regierungspräsident Kurt Jenny, am Max-Planck-Institut für ausländi- genug. Ab Mitte 1986 ernennt sie der Botschafterin Marianne von Grünigen, Botschafter Kjartan Johannsson (Island), sches öffentliches Recht und Völker- Bundesrat zur Botschafterin in Helsin- Hans-Peter Ryhiner, Direktor des Basler Verkehrsbüros (heute: Basel Tourismus) recht in Heidelberg tätig und besteht ki. Sie wird somit die zweite Schweizer nationale Minderheiten abzuhalten. 2001 tritt Frau von Grünigen in den Ru- an der Yale Law School/USA den LL.M. Botschafterin, nach Francesca Pomet- Zusammen mit unserem Präsidenten hestand, lässt sich in Basel nieder und 1967 tritt sie in den diplomatischen ta. Selbstverständlich gibt es auch aus Robi Heuss, damals in seiner Funktion wird Mitglied bei den Elsass-Freunden. Dienst des EDA ein. Mit diesem Karrie- dieser Zeit Unmengen von Geschich- als Staatsschreiber, plant sie für die Gerne hätte ich noch lange zugehört, reverlauf, der sie in alle Teile der Welt ten und Anekdoten. Die alle hier zu Delegationen einen Tagesausflug von aber ich muss schon wieder überstürzt bringt, verlässt sie für vierzig Jahre erzählen, würde den Rahmen dieses Genf in die Regio. Zuerst besuchen sie aufbrechen. Diesmal wegen einer das Dreiland. Zuerst wird sie Stagiaire Artikels vollkommen sprengen und Mülhausen, wo die Delegierten er- dringenden Bausitzung, denn aus der an der Schweizer Botschaft in Kopen- gehören vielleicht auch nicht in eine staunt sind über die eidgenössischen vorgesehenen 90-minütigen Mittags- hagen, der dänischen Hauptstadt, die Elsass-Gazette. Umso mehr fühle ich Wappen am Rathaus. Das Mittages- pause wurde eine 3½-stündige Unter- sie liebevoll København ausspricht. In mich geehrt, dass die Gastgeberin mir sen findet auf Schloss Bürgeln statt, haltung mit einem der spannendsten Bonn, wo sie für Rechtsangelegenhei- so viel historisch Wichtiges erzählt. dem Ort, wo 1989 die „Willenserklä- Mitglieder unseres Vereins. 30 31
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