Empa Quarterly - SMARTER BAUEN FOKUS
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Empa Quarterly FORSCHUNG & INNOVATION II #73 II OKTOBER 2021 FOKUS SMARTER BAUEN EXPERIMENTELLE WÄRMESPEICHER SCHONENDERE KREBSTHERAPIE GIFTSPUREN IM NATIONALPARK www.empaquarterly.ch
[ EDITORIAL ] [ INHALT ] [ FOKUS: SMARTER BAUEN ] «QUERDENKEN» – ABER GANZ ANDERS [ FOKUS ] [THEMEN ] [ RUBRIKEN ] Liebe Leserin, lieber Leser 13 FENSTER 08 NANOMEDIZIN 04 WISSEN IM BILD Energie sparen mit Metalloxid-Partikel für Wer sein Material kennt, Recycling-Dämmsteg sanftere Krebstherapie 06 IN KÜRZE kann daraus die erstaun- lichsten Sachen machen: 16 LEICHTBAU 10 INFRAROT- 24 ZUKUNFTSFONDS aus Zellulose einen Kleb- Neue NEST-Unit HiLo TECHNIK stoff, um alte Kunstwerke zu restaurieren, Infrarot-Bildschirm aus 34 UNTERWEGS aus Metalloxiden eine Krebsbehandlung mit 19 MATERIAL- Nano-Schichten weniger Nebenwirkungen oder aus ultradünnen KREISLAUF Schichten eine günstige Wärmebildkamera. Ein «Sprint» zur 26 PORTRAIT Kreislaufwirtschaft Mikroskopiker Rolf Erni Clevere Ideen, entstanden in einem der rund forscht und hilft 30 Empa-Labors, die eines gemein haben: 22 ENERGIE- Ihre ErfinderInnen haben über den Teller- SPEICHER 30 PCB-BELASTUNG rand ihres Fachbereichs hinausgedacht, sich Experimenteller Giftquelle im Schweizer mit KollegInnen aus anderen Disziplinen Wärmespeicher in Nationalpark quervernetzt. Kurzum: Sie haben «querge- der Tiefe dacht» – im positivsten Sinne. Denn nur so 30 entsteht Neues, also das, was eine echte Innovation im (Wort-)Kern ausmacht. Auch wenn wir «nur» bauen, versuchen wir, daraus Erkenntnisse für neuartige Lösungsan- sätze zu gewinnen. So etwa durch ein expe- Fotos: Schweizerischer Nationalpark, Roman Keller, Nicolas Zonvi, Hochuli advanced, Wikimedia/ Extreme CCTV [ TITELBILD ] [ IMPRESSUM ] rimentelles Erdsondenfeld als nachhaltiger Alte Teppiche als akusti- sches Isolationsmaterial HERAUSGEBERIN Empa Wärmespeicher für den Winter, das wir derzeit für Zwischenwände von Büros? Das geht! Und Überlandstrasse 129 unter unserem neuen Multifunktionsgebäude es sieht gut aus. Die NEST-Unit Sprint setzt 8600 Dübendorf, Schweiz in rund 100 Meter Tiefe anlegen (S. 22) oder neue Masstäbe für kreislaufgerechtes www.empa.ch in der neuen NEST-Unit Sprint, die vollständig Bauen – und wurde in nur zehn Monaten erstellt REDAKTION Empa Kommunikation aus gebrauchten Materialien entstand (S.19). (Seite 19). Bild: Martin Zeller ART DIREKTION PAUL AND CAT. 16 10 www.paul-and-cat.com KONTAKT Tel. +41 58 765 47 33 So viel Kreativität braucht oft Zeit, sprich Geld. Daher haben wir uns entschieden, vermehrt empaquarterly@empa.ch auf private Geldgeber zuzugehen. Darüber, www.empaquarterly.ch wie wir die eingeworbenen Mittel einsetzen, VERÖFFENTLICHUNG werden wir regelmässig berichten; den Anfang Erscheint viermal jährlich macht ein Artikel über ein Verfahren, Beton Drucksache PRODUKTION deutlich umweltschonender zu machen (S. 24). myclimate.org/01-21-387731 rainer.klose@empa.ch Viel Vergnügen beim Lesen und ISSN 2297-7406 bis zur nächsten Ausgabe! Empa Quarterly (deutsche Ausg.) 13 26 Ihr MICHAEL HAGMANN 2 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 3
[ WISSEN IM BILD ] VERKLEBTE KUNST Historische Kulturgüter aus Holz für die Nachwelt zu erhalten, ist alles andere als trivial. Die Brandmalerei aus dem 19. Jahrhundert auf einer dünnen Linden- holztafel hier im Bild ist komplett auseinandergebro- chen. Das Miniaturbild oben links zeigt denn auch lediglich eine Hälfte des Artefakts. Forschende der Empa und der Hochschule der Künste Bern haben nun einen Zellulose-Kleber entwickelt, der das Lindenholz stabil und gleichzeitig schonend zusam- menfügt. Denn der Holz-basierte Kleber beschädigt das Kunstwerk nicht und trotzt dennoch den oft harschen Umgebungsbedingungen der Kulturgüter in alten Schlössern oder feuchten Kirchengewölben. Mehr Information zum Thema finden Sie unter: www.empa.ch/web/gei/wnb Foto: Karolina Soppa, HKB 4 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 5
[ IN KÜRZE ] HEIMKEHR DER BIOTECH-VIOLINE BESSERE KLIMAMODELLE DANK SUPERCOMPUTER KOSTPROBE Irina Pak vom Tonhalle-Orchester Zürich spielte auf der Myco- wood-Geige – mit sichtlicher Begeisterung. Walter Fischli, Stiftungsratspräsident BERECHNET MIT ICON-ART Die Karte zeigt die Verteilung von der gleichnamigen Stiftung in Allschwil Stickstoffmonoxid (NO) am 19. Januar (BL), überreichte der Empa kürzlich die 2015 um 16 Uhr. Man erkennt Städte und Strassen als Quelle von Stickoxiden. Mycowood-Geige «Caspar Hauser II». Im Westen ist die Verteilung glatter als Die Stiftung unterstützt ein langjähriges im Osten – wegen chemischer Prozesse Forschungsprojekt an der Empa, bei dem und weil die Sonne im Osten bereits untergegangen ist. Biotech-Geigen entwickelt werden: Mit Hilfe eines Weissfäule-Pilzes ist es dem Team um Pilzforscher Francis Schwarze gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, bei dem Pilze die Holzzellen gezielt abbauen – und dabei die akustischen Eigenschaften des Klangholzes verändern. Auf diese Weise wurde in den Empa-Labors das sogenannte Mycowood Die Schweizer «Platform for Advanced Scientific Computing» finanziert seit Juli ein dreijähriges Projekt unter Leitung von Empa-Forscher Domi- hergestellt, das der «Caspar Hauser II» nik Brunner – zu einer grossen Herausforderung für Rechenmodelle, nämlich dem Klima. Atmosphärische Prozesse mit ihren Wechselwirkungen ihren Körper gab. Das Instrument ist eine und Folgen für Erderwärmung oder Luftverschmutzung bringen herkömmliche Rechner längst an ihre Grenzen – und leistungsfähigere Archi- exakte Kopie einer Guarneri-Meistergeige tekturen ins Spiel. GPUs («Graphic Processing Units») mit vielen Prozessoren rechnen massiv parallel, doch sie erfordern eine andere Program- aus dem Jahr 1724. Erste vergleichende mierung. Mit dem Projekt HAMAM will das Team zwei besonders rechenintensive Erweiterungen des Wetter- und Klimamodells ICON für GPUs akustische Analysen vom Original und fit machen: die Module ART für Simulationen von Luftqualität und HAM für die Wechselwirkungen zwischen Aerosolen und Klima. Diese Mo- seiner Biotech-Kopie sind delle werden auf dem Supercomputer «Piz Daint» am «Swiss National Supercomputing Center» in Lugano implementiert und getestet. KOSTBARKEIT Stiftungspräsident Walter bereits erfolgversprechend Fischli (rechts) überreicht Em- www.empa.ch/web/s503/team-modelling verlaufen. Nun gelangte pa-Forscher Francis Schwarze die Mycowood-Violine. das Mycowood-Instrument wieder zurück an seinen «Geburtsort». Doch nur für kurze Zeit: Damit die «Caspar Hauser II» zu ihrem ausserge- DER CHEMIE AUF DER SPUR wöhnlichen Körper auch eine einzigartige Ein IRsweep-Spektrometer im Einsatz in der Prozessanalytik. Seele entwickeln kann, soll das Instru- ment durch regelmässiges Spielen in den SPIN-OFF AUF ERFOLGSKURS kommenden Jahren seinen Klang entfalten In wenigen Jahren auf gutem Kurs: IRsweep wurde 2014 dürfen. Zur Feier der Übergabe spielte die gegründet – als Spin-off von Empa und ETH Zürich. virtuose Geigerin Irina Pak vom Tonhalle-Or- Im Mai übernahm Sensirion, Hersteller von digitalen chester Zürich auf der «Caspar Hauser II». Mikrosensoren und -systemen, das junge Unternehmen Die Violinistin entlockte der neuen Geige mit seinen elf Mitarbeitenden. Seine Laborspektrometer dabei zeitgenössische Klänge sowie Barock- mit Frequenzkamm-Technologie im mittleren Infrarotbe- melodien aus der Bauzeit der Originalgeige. reich dienen in Forschung und Entwicklung dazu, schnelle chemische Reaktionen in kürzester Zeit zu erfassen. www.empa.ch/web/s604/mycowood-violin IRsweep-Geräte sind bereits in Europa, Nordamerika und Asien im Einsatz. Auf lange Sicht sollen mit dieser Technologie kostengünstige Sensoren entstehen, die Fotos: Empa, IRsweep AG beispielsweise Spuren von Gasen in der Umwelt erfassen. Fotos: Empa https://irsweep.com/ 6 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 7
[ NANOMEDIZIN ] SANFTERE sistente Tumore würden sogar end- BESSER ALS GOLD IM ZELLINNERN lich empfindlich für eine Bestrahlung. Nachdem die Nanopartikel in Nanopartikel aus Haf- niumdioxid (eingefärbt) Das Team um Lukas Gerken und Inge geeigneten Mengen vorlagen, sammeln sich in den TUMORBEHANDLUNG Herrmann vom «Particles-Biology konnte Lukas Gerken die «Klein- Krebszellen an und kön- Interactions Laboratory» der Empa odien» detailliert durchleuchten, nen nach Bestrahlung Zellschaden anrichten. in St. Gallen und dem «Nanoparticle etwa mittels Röntgenspektrosko- (Aufnahme aus dem Systems Engineering Laboratory» der pie und Elektronenmikroskopie. Elektronenmikroskop). ETH Zürich sucht daher gemeinsam mit Sein Urteil: «Wir können sterile, Onkologen am Kantonsspital St.Gal- qualitativ hochwertige Metalloxid-Nano- len nach Wegen, um Tumorzellen für partikel erzeugen, die für gesunde Die Strahlentherapie ist einer der Eckpfei- die Bestrahlung zu sensibilisieren. Körperzellen ungefährlich erscheinen», ler der Krebsbehandlung. Einige Tumorar- erklärt der Forscher. Bewiesen hat er ten sprechen jedoch wenig bis kaum auf Die Forschenden haben Nanopartikel aus dies mit Hilfe von Zellkulturen, die er mit eine Bestrahlung an. Gelänge es, Tumor- Metalloxiden ins Visier genommen, die unterschiedlichen Nanopartikel-Suspensi- zellen empfindlicher zu machen, wäre als sogenannte Radiosensitizer wirken onen im Labor behandelte. Die Metal- GLÄNZENDES HILFSMITTEL die Behandlung wirksamer und sanfter. können. Dem Team ist es nun gelungen, loxide sammelten sich dabei in grossen Das chemische Element Hafnium ist nach Empa-Forschenden ist es nun gelungen, diese Radiosensitizer in grossen Mengen Mengen innerhalb der Zellen an. Spit- seinem Entdeckungsort Kopenhagen Metalloxid-Nanopartikel als «Radiosensi- herzustellen und ihre Wirkung genauer zenreiter war dabei Hafniumdioxid: Hier (lat. Hafnia) benannt. Der Chemiker und tizer» einzusetzen – und diese auch gleich zu analysieren. Ihre Ergebnisse veröf- gelangten eine halbe Milliarde Nano-Par- Nobelpreisträger George de Hevesy und der im industriellen Massstab herzustellen. fentlichten die Forschenden unlängst im tikel in jede einzelne Zelle, ohne dabei Physiker Dirk Coster konnten das Element Fachmagazin «Chemistry of Materials». giftig zu sein. Im Vergleich zu den Me- aus der Titan-Gruppe 1923 endlich mittels Text: Andrea Six talloxiden machte Nanogold bei gleicher Röntgenspektroskopie nachweisen, nachdem IM FEUER GEREIFT Partikelgrösse einen deutlich schlechte- diverse Wissenschaftler wie etwa der Nobel- B In der Krebsforschung laufen derzeit Stu- ren Schnitt: Etwa 10 bis 30-mal weniger preisträger Niels Bohr dessen Existenz zuvor ei einer Krebserkrankung dien mit verschiedenen Stoffklassen, um Goldteilchen schafften es ins Zellinnere. lediglich vermutet hatten. Hafnium kommt stehen heute verschiedene die Bestrahlung von Tumoren effizienter normalerweise nicht im menschlichen Körper Behandlungsmethoden zur zu machen. Wie genau hierbei Nano- So ungefährlich die Substanzen zu- vor und ist ungiftig. Verfügung, die sich ergänzen partikel aus Gold oder aus exotischeren nächst für die gesunden Zellen sind, In der Onkologie hofft man auf die unter- können. Häufig angewendet Metalloxiden wie Hafniumdioxid wirken, so kraftvoll entfalten sie ihre Wirkung, stützende Wirkung von Hafnium bei der wird die Strahlentherapie, die etwa mit ist noch nicht völlig geklärt. Bekannt ist, wenn sie bei einer Bestrahlung einge- Krebsbehandlung. Erste klinische Studien einer Operation und einer Chemothe- dass eine komplexe Reaktionskaskade setzt werden. Dies konnte das Team wurden bereits erfolgreich abgeschlossen. rapie kombiniert werden kann. Zwar oxidativen Stress in den Krebszellen anhand von Krebszelllinien demons- wird die Behandlung mit ionisierenden ausübt. Auf diese Weise lassen sich mög- trieren. Wurden die Zellkulturen mit Strahlen seit über 100 Jahren in der licherweise die Reparaturmechanismen Metalloxiden behandelt und danach mit Die Ergebnisse machen Lukas Gerken Medizin eingesetzt, doch auch die der bösartigen Zellen überwältigen. Röntgenstrahlen beschossen, verstärk- zuversichtlich: «Wir werden diesen Weg moderne Onkologie ist zuweilen nicht te sich der abtötende Effekt deutlich. weiterverfolgen, um den Wirkmechanis- zufrieden mit ihrer Wirksamkeit. Der Empa-Forscher Gerken ist es nun gelun- Hafniumdioxid entpuppte sich als das mus der Nanopartikel zu erforschen und Grund: Die bösartigen Tumore reagie- gen, Metalloxid-Radiosensitizer mit einer potenteste Hilfsmittel: Tumorzellen, die ihre Effizienz weiter zu optimieren.» Er ren nicht immer empfindlich genug Methode herzustellen, die sich bestens mit Hafnium-Partikeln behandelt wur- hofft, dass seine Studien so die klinische auf die Strahlung. «Könnte die Emp- für die industrielle Anwendung eignet: den, konnten schon mit weniger als der Anwendung von Nanopartikeln bei der findlichkeit der Tumorzellen gesteigert Er setzte auf die Flammensynthese, halben Strahlendosis beseitigt werden. Bestrahlungstherapie voranbringen. ■ werden, liesse sich die Radiotherapie um Oxide aus Hafnium, Zirconium und Diese erste Vergleichstudie zeigte ausser- FIRE AND ICE Empa-Forscher Lukas wirksamer und schonender ausführen», Titan in höchster Qualität zu gewinnen. dem, dass Hafniumdioxid sogar viermal Gerken stellt Nanopartikel sagt Empa-Forscher Lukas Gerken. «Dank der Herstellungsart können – je besser als Nanogold und Titandioxid für die Krebstherapie mittels nach Anlage – sogar mehrere Kilogramm wirkt. Gesunde menschlichen Zellen (so Flammensynthese her. Um die winzigen Metallpartikel Will heissen: Ein erwünschtes Behand- am Tag synthetisiert werden», erklärt genannte Fibroblasten) zeigten hingegen sichtbar zu machen, wird lungsziel könnte mit einer niedrigeren Gerken. Für die Laboranalysen an der keine negativen Bestrahlungseffekte das Elektronenmikroskop mit Mehr Informationen zum Thema finden Sie unter: Foto: Empa Foto: Empa Flüssigstickstoff auf eisige Strahlendosis als derzeit üblich erreicht Empa begnügte sich der Wissenschaft- nach einer Nanopartikel-Behandlung. www.empa.ch/web/s403 Temperaturen gekühlt. werden oder besonders strahlungsre- ler allerdings mit einigen Gramm. 8 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 9
[ INFRAROT-TECHNIK ] DIE WELT MIT ANDEREN I nfrarotlicht (IR) ist für Menschen Glasscheibe auf eine Farbstoffschicht wir sind bereits dran, die Absorption unsichtbar. Manche Tiere, etwa in einem Photodetektor. Dort beginnen zu grösseren Wellenlängen, also weiter Klapperschlangen oder blutsaugen- Elektronen zu wandern – diese Wan- hinein in den IR-Bereich zu verschieben. AUGEN SEHEN de Fledermäuse, können IR-Strah- derungsbewegung wird durch eine Wenn uns dies gelingt, kann unser lung jedoch wahrnehmen und zur elektrische Spannung verstärkt. Die elekt- Sensor Wasser und Feuchtigkeit noch Nahrungssuche nutzen. Doch auch für rischen Ladungen wandern dann in die deutlich besser erkennen als jetzt.» Menschen wäre eine Sehfähigkeit im OLED-Schicht und erzeugen dort einen kurzwelligen IR-Bereich («short wave grünen Lichtpunkt. Eine elektronische SUCHE NACH EINEM INDUSTRIEPARTNER infrared», SWIR) bisweilen nützlich. Signalverarbeitung durch einen Rechner Hany nennt das von seiner Gruppe ent- Allein mit Hilfe von Sternenlicht könn- ist nicht nötig: Das einfallende (unsicht- deckte Modul am liebsten OUC: «organic te man dann auch in der Nacht recht bare) SWIR-Licht wird gewissermassen upconversion device». Denn es verwan- Kurzwelliges Infrarotlicht (SWIR) ist für vieles nützlich: Es hilft, beschädigte Früchte auszusortieren, entdeckt scharf sehen. Für Mechaniker wäre die «analog» verstärkt und direkt auf dem delt schwaches IR-Licht in stärkeres, Fehler in Siliziumchips und ermöglicht Nachtsichtgeräte mit scharfen Bildern. Doch SWIR-Kameras basieren Hitze einer Lötspitze auf den ersten Blick Bildschirm angezeigt. Die Farbe des emit- sichtbares Licht («upconversion») und bislang auf teurer Elektronik. Forscher der Empa, der EPFL, der ETH Zürich und der Universität Siena haben nun erkennbar. Und Obsthändler könnten tierten sichtbaren Lichts – blau, grün, funktioniert mit Hilfe dünner Farbstoff- einen preisgünstigen SWIR-Bildschirm entwickelt, der aus nur acht Schichten auf einer Glasoberfläche besteht. beschädigte Ware erkennen, noch gelb oder rot – lässt sich durch die Wahl schichten aus kohlenstoffbasierter Che- bevor der Fäulnisprozess beginnt. des Farbstoffs in der OLED einstellen. mie («organic»). Ein Problem ist, dass das Text: Rainer Klose Knowhow zur industriellen Herstellung Doch IR-Licht hat ein «Problem»: Es NÜTZLICH FÜR ANWENDUNGEN organischer, optoelektronischer Bauteile ist schwächer als sichtbares Licht und SWIR-Licht ist für viele Anwendungen in vor allem in Asien angesiedelt ist. Hany als UV-Licht auf der anderen Seite des der Lebensmittelindustrie, der Logistik ist jedoch zuversichtlich, dass seine Lichtspektrums. Während also UV-Licht oder im Handwerk nützlich. So kann Entdeckung bald zum Zuge kommt: «Im FALSCHFARBEN In Infrarot sieht die Welt in einer Diskothek weisse Hemden und man etwa die Temperatur von Lötspitzen Moment arbeiten wir daran, die Emp- anders aus: Landschafts- Zähne der Tänzer blau leuchten lässt – sichtbar machen oder die Abkühlung findlichkeit des Moduls zu erhöhen, und aufnahmen mit einer dazu braucht es nur einen fluoreszieren- von neu hergestellten Gläsern und verbessern die Langzeitstabilität.» ▲ SWIR-Kamera. den Farbstoff im Waschmittel –, ist IR- Flaschen überwachen. SWIR-Licht lässt Licht fürs menschliche Auge nur schwer feuchte Gegenstände dunkler erschei- sichtbar zu machen. Denn Farbstoffe nen, was nützlich ist zum Sortieren können zwar energiereiches Licht direkt von Kaffeebohnen oder schwarzen in energieärmeres umwandeln, nicht Oliven: Steine und Metallgegenstän- aber energiearmes in energiereiches. de als Verunreinigungen leuchten auf dem Förderband hell zwischen all EINE GANZE IR-KAMERA AUF EINEM CHIP den dunklen (feuchten) Früchten. IR-Kameras brauchen also Elektronik, um IR-Licht einzufangen, einen elektroni- Der Schlüssel zum Erfolg für Roland schen Verstärker und schliesslich einen Hanys SWIR-Bildschirm sind spezielle Bildschirm, der das künstlich erzeugte Farbstoffe, die er und seine Kolleginnen Bild anzeigt. Das kostet Geld. Heute und Kollegen schon lange erforschen. übliche SWIR-Kameras für den Indust- Es sind sogenannte Squaraine – der rieeinsatz kosten um die 7000 Franken. Name stammt von der Grundstruktur des chemischen Moleküls, der Quadratsäure. Den Empa-Forschern Roland Hany, Karen Diese Farbstoffklasse wurde erstmals in Strassel, Wei-Hsu und Michael Bauer den 1960er-Jahren entdeckt und zeich- ist es nun gelungen, SWIR-Licht mit net sich durch tiefe Farbe und gute Tem- einem einzigen Bauteil einzufangen und peraturbeständigkeit aus. Die Forscher Fotos: 120_foto-bylines_x12 sichtbar zu machen. Der an der Empa veränderten die Quadratsäure chemisch entwickelte Baustein ist im Grunde ein so, dass sie im Bereich des SWIR-Lichts Was kann man mit solchen SWIR- Foto: iStockfoto OLED-Display mit drei weiteren Zusatz- absorbiert. «Im Moment arbeiten wir mit Sichtgeräten anfangen? Ein Werbefilm schichten (siehe Grafik). Das SWIR-Licht Farbstoffen, die bei knapp 1000 Nano- des Kamerherstellers Sony zeigt es. fällt durch eine elektrisch leitfähige meter absorbieren», sagt Hany. «Aber https://youtu.be/mS4EBbALAFM 10 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 11
[ INFRAROT-TECHNIK] [ FOKUS: SMARTER BAUEN ] Aufbau des Photodetektors FLASCHE LEER Elektrode OLED Aluminium-Elektrode (100nm) Ca (10nm) Alq3 (40nm) TPD (50nm) – FENSTER DICHT MoO3 (15nm) OPD Elektrode Farbstoff (65nm) Dämmstege sind in Alu-Fensterprofilen und Fassaden für eine gute Wärmedämmung unerlässlich. Empa-Forschen- TiO2 (35nm) ITO-Elektrode (135 nm) de und ihre Partner arbeiten seit längerem an einem neuartigen «Sandwich»-Produkt mit einer umweltfreundlichen Glasscheibe Füllung: Recyclingmaterial aus PET-Flaschen. Nun steht die Markteinführung an – mit guter Aussicht auf Erfolg. Text: Norbert Raabe Infrarot-Licht Sichtbares Licht S ie sind noch besser versteckt Absorption von Wasser als Schrauben, von denen man immerhin noch die Köpfe sieht, 100 Lichtstärke des Photodetektors doch genauso allgegenwärtig: Dämmstege stecken im Inne- Transmission [%] ren von Aluminium- und Metallprofilen für Fenster und Fassadenverglasungen Helligkeit eines Pixels [cd/m2] NIR-Licht (980nm) 50 100 – als thermische Trenner zwischen der 10 Aussen- und Innenseite, weil Kälte oder 1 (an/aus)max Wärme sonst ungebremst durch das 0 Metall strömen würde. Ein unscheinbares 0 1000 2000 0.1 Bauteil also, das mit der Erderwärmung Wellenlänge [nm] dunkel und der Notwendigkeit, CO2-Emissio- 0.01 nen zu mindern, noch wichtiger wird. 0 6 12 Spannung [V] Doch obwohl seit über vier Jahrzehnten etabliert, hat der Dämmsteg Verbes- AUFBAU DES PHOTODETEKTORS LICHTSTÄRKE DES PHOTODETEKTORS ABSORPTION VON WASSER serungspotenzial. Ein Empa-Team Der IR-Photodetektor gleicht einem Sandwich Zwischen den beiden Elektroden wird eine Wasser absorbiert im sichtbaren Bereich kein um Michel Barbezat und Giovanni aus mehreren Schichten. Infrarot-Licht (IR) wird variable Spannung angelegt. Je höher die Licht, ist also «farblos». Es besitzt allerdings Terrasi von der Abteilung «Mechani- im organischen Photodetektor (OPD) absor- Spannung ist, desto leichter wandern die vom einige prominente Absorptionsbanden zwischen cal Systems Engineering» arbeitet an biert, dabei entstehen elektrische Ladungen: IR-Licht generierten Ladungen in die OLED und 760 nm und 2000 nm. Wird etwa ein Apfel mit einem neuartigen Produkt – zusam- Elektronen und Löcher. Die Elektronen wandern rekombinieren dort unter Emission von sichtbarem IR-Licht bei 1450 nm bestrahlt, dann absorbiert men mit Experten des Metallbauun- zur positiven (und transparenten) Elektrode Licht. Die Intensität des sichtbaren Lichts wird in das Wasser im Apfel diese Strahlen, während ternehmens Hochuli in Wigoltingen, (Titandioxid, TiO2/Indium-Zinn-Oxid, ITO), die Candela pro Quadratmeter (cd/m2) angegeben. die nicht-wasserhaltigen Bestandteile des das dazu eigens die Schwesterfirma Löcher wandern in die organische Leuchtdiode Bei hohen Spannungen – zwischen sechs und Apfels das IR-Licht reflektieren. Dadurch werden «hochuli advanced» gegründet hat. (OLED). Dort vereinigen sie sich mit Elektronen, zwölf Volt – fliesst auch in Abwesenheit von beispielsweise innere Quetschungen von Äpfeln die über die negative Elektrode (Aluminium, IR-Licht («dunkel») schon ein kleiner Leckstrom, als dunkle Flecken sofort sichtbar. So lassen Der Clou des «Alpet»-Dämmstegs: Al/Kalzium, Ca) eingespeisst werden. Dabei der den Pixel schwach leuchten lässt. Um einen sich beschädigte Äpfel leicht aussortieren, um Im Inneren des glasfaser-verstärkten emittieren sie sichtbares Licht. Abkürzungen: TBD möglichst hohen Bildkontrast zu erhalten, sollte sie direkt zu Apfelsaft weiterzuverarbeiten. Kunststoffs steckt ein Schaumstreifen Foto: Shutterstock = N,N’-Bis(3-methylphenyl)-N,N’-diphenylben- der Helligkeitsunterschied des leuchtenden Pixels aus Polyethylenterephthalat – PET also, Grafik: Empa UMWELTFAKTOR zidin; Alq3 = Tris(8-hydroxyquinolin)aluminium mit und ohne IR-Strahlen möglichst gross sein. Mehr Informationen zum Thema finden Sie unter: aus recycelten Flaschen. Die vielen Glasfassaden müssen www.empa.ch/web/s209 Luftporen in dieser Schicht däm- gut wärmedämmen. ▲ 12 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 13
[ FOKUS: SMARTER BAUEN ] [ FENSTER ] scher Barbezat findet. «Technisch gese- Steg mit seinem «Schwalbenschwanz» stattgefunden; die ersten Kunden starten «STEPPED ISOSTRESS»-METHODE hen haben wir sicher sehr gute Chan- als Montage-Anschluss mit allen gängi- bereits Versuche. «Ich bin auf jeden Fall Wie verformt sich ein Kunststoffbauteil über cen», sagt er. Die Messwerte und das gen Systemen kompatibel ist, könne man optimistisch!», sagt Hochuli. «Sonst hätte einen Zeitraum von 30 oder mehr Jahren Produkt, das sich trotz zweier Materialien bestehende Lösungen damit relativ ein- ich ja kaum eine Firma gegründet, um – unter Dauerlast und grossen Temperatur- einfach rezyklieren liesse, seien schon fach upgraden – zum Beispiel für hohe unsere Idee auf den Markt zu bringen.» differenzen? Gängige «Kriechversuche» im überzeugend. Und auch bei der nötigen Anforderung nach Passivhaus-Standards. Ein Alleingang wird der weitere Weg Labor über 1000 Stunden unter kombinier- Langzeit-Stabilität über viele Jahre, die «Das schafft man mit Aluminiumprofilen dennoch nicht: Die Empa-Fachleu- ten thermisch-mechanischen Belastungen sein Team mit Experimenten und der heutzutage ja nur mit grösster Mühe», te werden den Dämmsteg nach der erlauben dazu keine seriöse Aussage. Um innovativen «Stepped Isostress Methode» sagt er, «unser System würde das sicher jahrelangen Betreuung auch weiterhin dennoch langfristige Prognosen treffen zu (siehe Infobox) abzuschätzen versuch- erleichtern.» Detaillierte Tests überneh- mit ihrem Knowhow begleiten. ■ können, wurden in den vergangenen Jahren te, sind die Fachleute zuversichtlich. men die Fabrikanten dann auch selbst, DER ALPET-DÄMMSTEG Die grünliche Farbe rührt von neue Methoden entwickelt und verfeinert, in ihren eigenen Labors mit den eigenen Mehr Informationen zum Thema finden Sie unter: der Verwendung von PET aus darunter die «Stepped-Isostress-Method» UNABHÄNGIGE PRÜFUNGEN Profilsystemen. Gespräche dazu haben https://www.empa.ch/web/s304 rezyklierten Flaschen her. (SSM), die Empa-Fachleute beim neuen Eine Herausforderung sieht Barbezat Unten: ein früher Prototyp des Dämmstegs. Dämmsteg anwendeten. Vereinfacht gesagt, freilich darin, ein grosses Systemhaus, addiert man dabei die Verformungen aus das Profile für Fensterbauer herstellt zahlreichen Einzelversuchen mit steigen- und vertreibt, von einer Kooperation den Lasten zu einer «Masterkurve» auf, zu überzeugen. «Verglichen mit gros- die Aufschluss über grössere Zeiträume sen Unternehmen sind wir schliesslich gibt. Dieses Verfahren lässt sich auch mit ‹Nobodys›», sagt er. Um Kunden zu einem einzigen Messgang mit schrittwei- gewinnen, braucht es also auch einen SIMULATION se steigenden Belastungen durchführen unabhängigen Segen von oben – und Berechnung der – und erleichtert es, zugleich kritische so schickten die Partner ihren «Al- Belastung des Dämmsteg-Bauteils. Temperaturbereiche zu untersuchen. pet»-Dämmsteg an das Prüfinstitut ift im bayerischen Rosenheim, das in der Bran- MIKROSKOPIE Die grössten übersteht; inklusive der Nachbehand- che seit Jahrzehnten als Referenz gilt. Luftporen sind lung des fertigen Gesamtprofils, etwa Die Fachleute dort wiederholten nicht 0,5 Millimeter gross. das Pulverlackieren oder Eloxieren. nur Schweizer Versuche, sondern setzen VERSUCH die Prototyen auch Brandversuchen, Der Dammsteg, Aus zahlreichen Mustern destillierten Bruchtests und anderen Belastungen eingebaut in einem pulverbeschichteten men effizient: Die Wärmeleitfähigkeit weicher Teig durch einen Schlitz gepresst die Entwickler sieben Varianten für aus – zum Beispiel auf nicht sichtbare Aluminiumprofil, wird der Prototypen liegt im Durchschnitt, und so geformt wird – um den Streifen Tests heraus – insgesamt rund 1000 Mikrorisse nach 1000-stündiger La- auf Stabilitat getestet. je nach Stegbreite, bei etwa 0,1 W/ aus PET herum. Doch das warf wieder- Laufmeter Dämmsteg – und daraus gerung in Öl oder leichter Säure oder mK – weit weniger als bei einem Stan- um Fragen auf, zum Beispiel nach dem schliesslich den endgültigen Prototyp auch auf starken Zug in Querrichtung. dard-Dämmsteg aus dem Kunststoff Anteil der Luftporen in dieser «Füllung». als Grundlage für fertige Produkte. Auf Mittlerweile liegen laut Frank Hochuli Polyamid (etwa 0,25 W/mK) und auch diesem Weg gelang auch ein wichtiger offizielle Zertifizierungen zum Brand- deutlich tiefer als bei High-End-Pro- «So viele wie möglich» lautet die Schritt im Produktionsverfahren: Der verhalten, zur statischen Belastbar- dukten, die heute erhältlich sind. Antwort, um eine hohe Dämmwirkung Steg verschweisst sich durch die Hitze keit und zur Wärmedämmung vor. zu erreichen. Nur: «Zu viele» hätte die quasi von selbst – ohne, dass noch FEINABSTIMMUNG VON VIELEN DETAILS Stabilität des vorbereiteten PET-Stranges eine «Naht» verklebt werden muss. GROSSES POTENZIAL Ein simpler Ansatz, wie es auf den ersten gefährdet, weil seine Ummantelung «Das ist schon ein grosser Vorteil», sagt Wie würde sich der neue Dämmsteg Blick erscheint – doch um die Idee in ein mit dem schwarzen Kunststoff bei Metallbauingenieur Frank Hochuli vom im Gesamtsystem «Fenster» mitsamt Produkt zu verwandeln, war im Rahmen Temperaturen bis 300 Grad und ho- Industriepartner. «Es gibt keine lokalen Glasscheiben, Aluprofilen, Dichtungen eines Innosuisse-Projektes viel Konzep- hem Druck geschieht. Auch die Dicke Schwachstellen, an denen sich Material und allen anderen Details auswirken? Fotos: Hochuli advanced, Empa tarbeit nötig. Beispiel Produktionsme- dieser «Hülle» passten die Forscher den ablösen könnte. Und je weniger Arbeits- Verglichen mit heutigen High-End-Aus- Fotos: Hochuli advanced thode: Nach Tests mit unterschiedlichen Notwendigkeiten an: möglichst schmal schritte, umso günstiger das Produkt.» führungen liesse sich die Wärmdäm- Verfahren entschieden sich die Fachleute für eine gute Dämmwirkung – doch mung, etwa in einem neuen Bürogebäu- für die so genannte Extrusion, bei der dick genug, damit der Steg später auch Ein langwieriger Prozess, der sich am de, durchaus um bis zu einem Fünftel erhitzter, geschmolzener Kunststoff als die mechanischen Belastungen gut Ende gelohnt hat, wie auch Empa-For- verbessern, schätzt Hochuli. Und weil der 14 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 15
[ FOKUS: SMARTER BAUEN] [ LEICHTBAU ] DIE LEICHTIGKEIT Anfang Oktober wurde im Forschungs- und Innovationsgebäude NEST die neueste Unit eröffnet – HiLo. HiLo DES BAUENS verbindet attraktive Architektur mit emissions- und ressourcenschonendem Bau und Betrieb. Neuartige Planungs- und Konstruktionsmethoden verbinden effiziente Betonstrukturen und eine in- tegrierte und adaptiven Gebäudetech- nik. Realisiert wurde das zweistöckige Modul von zwei Forschungsgruppen der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit zahlreichen Industriepartnern. Text: Stephan Kälin WEGWEISEND Die speziellen Betondecken des HiLo sparen rund 70 Prozent an Material. Oben: Ein Fenster mit I adaptiven Solarpanels reguliert den Wärme- n der neuesten NEST-Unit HiLo treffen eintrag von aussen. Bauprinzipien aus dem Mittelalter auf Baumethoden der Zukunft: Geplant und gebaut wurde das zweistöckige Gebäudemodul mit dem markan- ten doppelt-gekrümmten Betondach mit modernsten Design- und Fabrika- tionsmethoden. Inspiriert wurden die Forschenden der ETH Zürich allerdings nicht zuletzt von den alten Kathedralen- bauern, die es verstanden, Strukturen zu schaffen, die sich selber tragen. HiLo ist eine Büroumgebung, die in Kürze bezogen wird. Ihr Name steht für «High Performance – Low Emissi- ons»: Mit der Unit wird erprobt, wie das Bauen und der Betrieb von Gebäuden möglichst energie- und ressourcen- schonend gestaltet werden können – und dabei gleichzeitig eine attraktive Architektur und einen hohen Komfort für die Benutzerinnen und Benutzer der Gebäude gewährleistet werden kann. FORSCHUNGSKONZEPTE WERDEN REAL OBENAUF Für die Realisierung von HiLo – das mitt- Fotos: Roman Keller Foto: Roman Keller Die Unit HiLo thront auf der südwestichen lerweile achte Modul im NEST – haben Ecke des Forschungs- sich die beiden ETH-Forschungsgruppen gebäudes NEST. rund um Philippe Block, Professor für ▲ 16 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 17
[ FOKUS: SMARTER BAUEN ] [ MATERIALKREISLAUF ] ABBRUCH, AUFBRUCH, Architektur und Tragwerk, und Arno MEHRSCHICHTIGER BETON-LEICHTBAU Auch für die Zwischenböden der Schlüter, Professor für Architektur und Besonders auffällig ist das doppelt zweistöckigen Unit setzten sich die Gebäudesysteme, zusammengetan. gewölbte Dach, das seine Stabilität Forschenden das Ziel, mit möglichst DURCHBRUCH primär aus der Geometrie gewinnt. Es wenig Material auszukommen. Die In mehrjähriger Forschungsarbeit besteht aus zwei Betonschichten, die Leichtbau-Bodenkonstruktion von HiLo entwickelten sie wegweisende neue durch ein Netz aus Betonrippen und spart im Vergleich zu herkömmlichen Konzepte und Technologien, bauten in Stahlanker verbunden sind. Gebaut Betonböden mehr als 70% an Material enger Zusammenarbeit mit Industrie- wurde es mit Hilfe einer flexiblen Scha- ein. Erreicht wird diese Einsparung durch partnern Prototypen und entwickelten lung aus einem gespannten Kabelnetz die dünne, gewölbte Rippenstruktur Die neue NEST-Unit Sprint setzt Massstäbe für kreislaufgerechtes Bauen: In nur zehn Monaten wurden flexible, ihre Ideen weiter, bevor diese gesam- und einer Membran, auf die der Beton des Bodens. Die eingesetzten digita- COVID-19-konforme Büroräume aus grösstenteils wiederverwendeten Materialien und Komponenten fertiggestellt. melten Innovationen schliesslich zum gespritzt wurde. Mit dieser Bauweise len Fertigungsmethoden ermöglichen Sprint zeigt: Der «Vorrat» an wiederverwendbaren Materialien sowie das Re-Use-Potential in der Industrie sind ersten Mal in einem realen Bauprojekt können grosse Mengen Beton und es, Lüftung, Kühlung und Niedertem- enorm – man muss es nur nutzen. – eben in HiLo – umgesetzt wurden. Schalungsmaterial eingespart werden. peraturheizung in die Rippenstruktur zu integrieren und damit weiteres Text: Annina Schneider Material und Volumen einzusparen. SELBSTLERNENDE GEBÄUDETECHNIK Im Hinblick auf das Integrieren von Ge- bäudetechnik kommt auch der Fassade eine immer stärkere Bedeutung zu. In der HiLo-Unit ist eine von der Gruppe um RE-USE Arno Schlüter entwickelte adaptive Solar- Für die Fassade der fassade im Einsatz. Diese besteht aus 30 Sprint-Unit wurden Photovoltaik-Modulen, die sich nach der die Holzlatten des NEST «Backbone», Sonne ausrichten können. Die flexiblen welche beim Einfü- Module lassen sich zudem dafür nutzen, gen der neuen Unit abmontiert wurden, den Sonneneinfall in den Raum zu steu- wiederverwendet. ern, um passiv zu heizen, oder – im Ge- genteil – den Kühlungsbedarf zu senken. Die adaptive Solarfassade ist Teil einer Reihe innovativer Komponenten der Gebäudetechnik für die effiziente Regu- lierung des Raumklimas. Während des Betriebs wird das Zusammenspiel der einzelnen Technologien unter Einbezug der Benutzerinnen und Benutzer von den Forschenden nun mittels «Machine Lear- ning» ständig optimiert, um zu untersu- M chen, wie komfortable Innenraumbedin- gungen mit möglichst wenig Energie und it Sprint wurde vor auf und verleihen der Unit einen einzig- Sprint demonstriert, was in der Bauwirt- Emissionen erzielt werden können. ■ kurzem im NEST eine artigen Charakter. Die gesamte Unit folgt schaft heute noch immer auf Skepsis neue Büroeinheit aus dem «Design for Disassembly»-Ansatz stösst: Das Bauen mit wiederverwen- grösstenteils wieder- (siehe Box Seite 20), so dass bei Bedarf deten Materialien und Bauteilen ist LUFTIG UND LEICHT verwendeten Materia- etwa die flexiblen Trennwände rück- eine echte Alternative zum Bauen mit Das selbsttragende, lien und Bauteilen in Betrieb genommen. gebaut werden und so die Einzelbüros Neumaterial und wird den Marktan- Foto: Roman Keller Foto: Martin Zeller gewölbte Dach entstand durch Flexibel rückbaubare Trennwände aus zu Mehrpersonen-Büros umgewandelt forderungen an flexibles und schnelles Aufsprühen von Beton Re-Use-Materialien teilen die Büroeinheit werden können. Bauen gerecht. «In einer Welt, in der die auf eine vorgespannte Mehr Informationen zum Thema finden Sie unter: www.empa.ch/web/nest/hilo in zwölf COVID-19-konforme Einzelbüros Ressourcen stetig knapper werden, ▲ Textil-Membran. 18 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 19
[ FOKUS: SMARTER BAUEN ] [ MATERIALKREISLAUF ] der Geschäftsleitung beim baubüro in geprüft. Die Teppichtrennwand hat «Es braucht eine Zudem kann das Material hinsichtlich Bauen mit wiederverwendeten Materi- «DESIGN FOR DISASSEMBLY» situ, das die Sprint-Unit geplant hat. sich hinsichtlich ihrer bauakustischen CO2-Besteuerung, die der CO2-Einsparung bewertet werden. alien ist es, eine Balance zwischen dem Unter dem Ansatz «Design for Disassem- Eigenschaften bewährt und tritt nun in neue Materialien technisch Machbaren und dem technisch bly» versteht man ein Design, das bereits Auch beim Verständnis von Wirtschaft- Sprint den Praxistest an (siehe Box). Bei technischen Komponenten wie Pum- Sinnvollen zu finden», so Maike Stroet- verteuert und gebrauchte den Rückbau mitberücksichtigt, und eine lichkeit erfordert das Bauen mit wieder- pen oder Ventilen stellt sich hinsichtlich mann, Abteilungsleiterin BIM CAD bei Materialien entlastet.» Bauweise, die zukünftige Änderungen verwendeten Materialien ein Umdenken. CHANCEN NUTZEN, GRENZEN ERKENNEN der Garantie und Lebensdauer allerdings Bouygues Energies & Services. ■ und Demontagen zur Rückgewinnung Der Mehrwert beim Re-Use liegt klar Sprint zeigt aber auch, dass Wiederver- die Frage, ob sich das Wiederverwen- von Systemen, Komponenten und darin, dass dem Material den nötigen wendung in der heutigen Marktlage Re-Use bietet zudem neue Möglichkei- den lohnt. Es ist gut möglich, dass es Materialien erleichtert. So kann sicher- Respekt gezollt wird. Hans Emmeneg- nicht per se billiger ist. Oliver Seidel ten. So werden gewisse wiederverwen- sinnvoller ist, diese Komponente neu zu stellt werden, dass Gebäude und deren ger, Spartenleiter Zimmerei bei HUSNER ist jedoch überzeugt: «Sobald sich dete Materialien wie Naturstein oder au- beschaffen. Die Überprüfung der Lebens- Bestanteile am Ende ihrer Lebensdauer Holzbau, sieht darin grosse Chancen: ein wettbewerbsfähiger Markt mit tomatisch schliessende Brandschutztüren dauer solcher technischen Komponenten so effizient wie möglich in einen weite- «Ich bin der Meinung, dass zum Bei- wiederverwendeten Materialien und auf einmal erschwinglich, im Gegensatz ist zwar machbar, aber zeitintensiv und Mehr Informationen zum Thema finden Sie unter: ren Zyklus überführt werden können. spiel Holz ein sehr dankbarer Rohstoff Bauteilen etabliert hat, werden auch zu denselben Bauteilen als Neumaterial. aufwendig. «Die Herausforderung beim www.empa.ch/web/nest/sprint ist. Man kann es gut bearbeiten, was beim Re-Use Kostenvorteile anfal- es wiederum gut wiederverwendbar len. Ausserdem bin ich der Meinung, ist kreislaufgerechtes Bauen dringlicher macht. Wenn Holz gesund, also trocken, dass es etwa eine CO2-Besteuerung denn je und bildet die Grundlage zur eingebaut wird, verliert es nicht an Wert. braucht, die kostenmässig neue Mate- Erreichung unserer CO2-Ziele», betont Im Gegenteil, es gewinnt durch die cha- rialien be- und gebrauchte Materialien Enrico Marchesi, Innovation Manager rakteristische Ästhetik sogar an Wert.» entlastet, um so den ökologischen und Projektverantwortlicher seitens Mehrwert beziffern zu können.» NEST. «Mit der Sprint-Unit haben wir BOOSTER FÜR INNOVATIONEN uns deshalb zum Ziel gesetzt, möglichst Das Bauen mit wiederverwendeten allgemeingültige Lösungen zu finden Materialien erfordert neben einer BESTE SCHALLDÄMMUNG und damit die Wiederverwendung von flexiblen Planung und Ausführung auch AUS ALTEN TEPPICHEN Baumaterialien zu vereinfachen.» mehr Flexibilität in der Gestaltung. So Forschende der Empa haben die eigens ALT UND FLEXIBEL Die Trennwände müssen sich Planer bewusst sein, dass für Sprint konzipierte Teppichtrennwand zwischen den Büros UMDENKEN NOTWENDIG das gefundene Material zum Teil auch im Akustiklabor auf Luftschalldämmung bestehen aus alten Bü- chern, Ausschuss-Zie- Das Bauen mit wiederverwendeten Ma- das finale Design bestimmt. «Sprint geprüft. Dafür wurde die Trennwand in geln und Teppichfliesen terialien ist ein iterativer Prozess, bei dem zeigt eindrücklich, dass wiederverwen- einem Adapter zwischen zwei Testräumen und können bei Bedarf sich die Frage nach den verfügbaren Ma- detes Material keineswegs eine Hürde aufgebaut und der Luftschalldurchgang leicht wieder abgebaut werden. terialien durch den ganzen Bauprozess für die Gestaltung darstellt, sondern gemessen. Aus den frequenzabhängi- hindurchzieht. Damit ein solches Projekt dass man mit Kreativität gestalterische gen Messdaten wurde das «bewertete in kürzester Zeit umgesetzt werden kann, Elemente erreicht, auf die man ur- Schalldämm-Mass» (Rw) berechnet. benötigt es unter anderem ein Umden- sprünglich gar nicht gekommen wäre. ken in der Planung und Ausführung so- Ein schönes Beispiel hierfür sind die Mit mehreren Messungen haben die For- wie einen flexiblen Zeitplan. «Der Faktor unterschiedlichen Trennwände: Eini- schenden untersucht, wie die Teppichfliesen Zeit ist beim Re-Use eine grosse Heraus- ge haben wir aus Ausschuss-Ziegeln, für eine optimale Schalldämmung gefaltet forderung, da das wiederverwendete andere aus alten Büchern und wieder sein müssen. Im besten Fall erreichten die Material gefunden werden und auch andere aus altem Teppich gebaut», so Forschenden eine Schalldämmung von zur Verfügung stehen muss. Entgegen Oliver Seidel, Architekt und Mitglied der 26dB. Das bedeutet: Die Teppichwand unseren anfänglichen Bedenken gegen- Geschäftsleitung beim baubüro in situ. als Raumtrenner erreicht eine wesentlich über dem knappen Zeitplan, konnten wir bessere akustische Dämmung als beispiel- die Re-Use-Materialien dann aber sogar Die Teppichtrennwand etwa hat Jonas weise mobile Stellwände in Gruppenbüros. schneller als neue Materialien finden. Schafer, Bauteiljäger beim baubüro Das hängt vor allem mit der aktuellen in situ, für Sprint entwickelt. Sie kann Diese innovative und kreislaufgerechte Trenn- Ressourcenknappheit zusammen – zeigt nach ihrer Verwendung vollständig wand hat also überall dort Potential, wo Ge- Fotos: Martin Zeller aber auch, dass Re-Use keine Auswir- zurückgebaut werden. Forschen- bäude flexibel oder gar nur auf Zeit gestaltet kungen auf die Bauzeit hat», erklärt de der Empa haben die Wand im werden, etwa bei Zwischennutzungen. Kerstin Müller, Architektin und Mitglied Akustiklabor auf Luftschalldämmung 20 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 21
[ FOKUS: SMARTER BAUEN ] [ ENERGIESPEICHER ] Forschungscampus WÄRMEDEPOT IM ERDREICH «co-operate» Energiezentrale mit Wärmepumpe An der Empa in Dübendorf entsteht der Für zehn Jahre kann die Empa den Wär- zukunftsorientierte Forschungscampus mespeicher in erster Linie zu Forschungs- Mitteltemperaturnetz (38°C / 28°C) «co-operate» – ein Gebäudekomplex, in zwecken nutzen. Der Wärmespeicher Anbindung an Erdsondenfeld dem wegweisende Forschung betrieben – ein Erdsondenfeld mit einem Tempera- Erdsondenfeld wird und der zugleich selber Objekt der turgradienten – umfasst 144 Erdsonden, 15°C – 50°C Forschung ist. Denn unter dem Areal die bis zu 100 Meter tief in den Boden entsteht ein experimenteller, saisona- reichen. In dieser Tiefe arbeitet der ler Energiespeicher, der nicht nur die Speicher besonders effektiv und verliert neuen Gebäude, sondern das gesamte dabei nur einen geringen Anteil der Empa-Areal mit Energie beliefern wird. gespeicherten Wärme an die Umgebung. Erdsondenfeld Im Sommer wird etwa die Abwärme von Im Zentrum des Erdsondenfelds können Lüftungen und Laborgeräten gespei- die Maximaltemperaturen bis zu 50°C be- im Sommer «beladen» chert – um diese dann im Winter zum tragen und am Rand liegen die Werte bei Heizen oder für die Produktion von ungefähr 10°C. Über ein Röhrensystem Brauchwarmwasser nutzen zu können. ist es möglich, jede Röhre der Erdsonde einzeln oder auch definierte Bereiche Angestrebt wird, rund 90% der generier- anzusteuern und so den optimalen Mix ten Abwärme entweder direkt zu nutzen zwischen Temperatur, Wirkungsgrad Forschungscampus oder im Erdspeicher «zwischenzulagern». und Energiespeicher zu erreichen. «co-operate» Dadurch will die Empa den CO2-Ausstoss Energiezentrale ihrer Gebäude auf ein Minimum senken Ein solcher Erdspeicher ist zwar sehr mit Wärmepumpe und so einen wichtigen Meilenstein für effektiv, wegen seiner grossen Masse eine nachhaltige Energiezukunft legen. aber auch träge. Die Empa-Forschenden gehen davon aus, dass sich die endgül- tige Betriebstemperatur nach circa drei bis vier Jahren eingestellt haben wird. Mitteltemperaturnetz (38°C / 28°C ) Anbindung an Erdsondenfeld Erdsondenfeld 10°C – 23°C Erdsondenfeld im Winter «entladen» Grafik: Empa 22 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 23
[ EMPA ZUKUNFTSFONDS ] KLIMASCHUTZ DURCH Das Empa-Buch. INTELLIGENTE BAUSTOFFE Forschung in Zeiten des Wandels. Für die Schweiz. Seit 140 Jahren. V I EL M EH R A L S Wissenschaftler sind Visionäre. Bisweilen reichen ihre Ideen weiter, als ein Industrie- partner zu gehen bereit ist. Durch den Empa Zukunftsfonds sollen gerade solch visionäre M AT E R I A L I E N HOFFNUNGS- Projekte gefördert werden, bei denen trotz TRÄGER hohem Risiko – oder gerade deswegen – Moslem Shahverdi mit Drahtstücken, durchschlagende Erfolge zu erwarten sind. die Beton um- Neustes Beispiel ist ein Forschungsprojekt weltfreundlicher machen könnten. zu vorgespanntem Hochleistungsbeton, das durch Förderung der Ernst Göhner- Stiftung nun umgesetzt werden kann. Text: Rainer Klose Die Herstellung von Beton trägt rund neun sich «auf Knopfdruck» in allen Raumrichtungen Risiko eines Fehlschlags ist hoch, aber es gibt Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoss bei. von selbst vorspannt. Und sehr viel stärker und auch sehr viel zu gewinnen.» Immer wieder ist Wenn wir den Klimawandel bekämpfen dauerhafter wäre als herkömmlicher Stahl- Motavalli seit 2008 mit dieser Idee an Förder- wollen, brauchen wir also neue Betonsorten, beton, wie wir ihn seit 140 Jahren nutzen. agenturen und Industrieunternehmen herange- die länger halten, weniger Treibhausgase treten, lange ohne Erfolg.Nun gelang es dem erzeugen und vielleicht sogar so stabil sind, Forschende aus zwei weiteren Empa-Abteilungen Empa Zukunftsfonds, die Ernst Göhner-Stiftung dass man schlankere – sprich: materialsparen- unterstützen Shahverdi: Experten der Abteilung für eine Finanzierung zu gewinnen. Damit kann de – Strukturen bauen kann. Empa-Forscher «Beton und Asphalt» entwickeln Betonmischun- das ehrgeizige Projekt nun endlich starten. «Wir haben dazu eine Idee: Könnte ein sich selbst gen mit einem geringerem CO2-Fussabdruck. sind sehr glücklich und dankbar darüber, dass vorspannender Beton die Lösung sein? Und KollegInnen der Abteilung «Mechanical wir mit dieser grosszügigen und mutigen An- Systems Engineering», die auf die Berechnung schubfinanzierung durch die Ernst Göhner-Stif- Eine kurze Geschichte der Empa: Wo liegen eigentlich die Wurzeln der Empa? Wie wurde aus der altehrwürdigen Materialprüfanstalt ein modernes Forschungsinstitut mit internationalem Renommee? Woran forscht Schon jetzt experimentieren die Forscher mit der Festigkeit kleiner und grosser Bauteile tung ein grosses Ziel ins Visier nehmen können: die Empa heute? Welche Innovationen stammen aus der «Empa-Küche»? Wie hilft die Empa der Schweizer Industrie Stahlbeton-Elementen, die nicht hydraulisch, spezialisiert sind, können Shahverdi mit Hilfe Klimaschutz mit Hilfe intelligenter Baustoffe der in einem immer kompetitiveren Umfeld? Und was sind die Herausforderungen der Zukunft? Neugierig? sondern mittels Wärme gespannt werden. sogenannter Finite-Elemente-Simulationen Zukunft», sagt Gabriele Dobenecker vom Fund- «VIEL MEHR ALS MATERIALIEN» gibt Antworten – ein unterhaltsamer Streifzug durch ein Stück Schweizer Geschichte, grosszügig bebildert mit mehr als 120 Fotos, Abbildungen und Grossgrafiken. Moslem Shahverdi aus der Empa-Abteilung besonders vielversprechende Versuchsanord- raising-Team der Empa. Unterstützung seitens «Ingenieur-Strukturen» möchte noch einen nungen vorschlagen. Dadurch lässt sich die Stiftungen, aber auch private Spenden an den CHF 36.– zzgl. Versand, 216 Seiten, 125 Forschungsbilder, 4 ausklappbare Infografiken, ISBN: 978-3-905594-68-3 Schritt weitergehen: Kleine, zwei bis drei Anzahl der tatsächlichen Experimente deutlich Empa Zukunftsfonds würden solche visionären Zentimeter lange Drahtstücke werden im senken, die Forscher kommen schneller ans Ziel. Projekte überhaupt erst ermöglichen und seien Jetzt bestellen: www.empa.ch/web/s604/beyond-materials Beton verteilt. Erhitzt man diese Drähte, die daher für die Empa von grosser Bedeutung. ■ aus einer speziellen Legierung bestehen – so MUT ZUM RISIKO genannte Formgedächtnislegierungen («shape «Es ist ein klassisches ‹High-Risk-High-Gain›-Pro- Fotos: Empa Mehr Informationen zum Thema finden memory alloys», SMA) –, dann ziehen sie sich jekt», so Masoud Motavalli, der die Forschungs- Sie unter: zusammen. So könnte Beton entstehen, der abteilung «Ingenieur-Strukturen» leitet. «Das www.empa.ch/web/zukunftsfonds 24 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 25
[ PORTRAIT ] MIT BLICK FÜRS KLEINSTE Als Leiter des Zentrums für Elektronenmikroskopie bringt Rolf Erni viele Aufgaben unter einen Hut: Industrieaufträge, Nachwuchsförderung, Lehre und Unterstützung für viele Wissenschaftsprojekte der Empa. Seine faszinierende Grundlagenforschung, hat ihm nun den Titel als «Distinguished Senior Researcher» der Empa eingebracht. Text: Norbert Raabe W er googelt, was angehört – mit Neugierde, Fleiss, viel steckt ein Kupferdraht, der sich unter Rolf Erni eigentlich beachteten Publikationen in Fachzeit- Dauerstrom aufheizt. «Der muss mit so macht, muss schriften und Buchform. Kurz: mit Erfolg. Wasser gekühlt werden», erklärt Erni, sich auf vielsilbige «und nur schon die Vibrationen, wenn Wörter gefasst Geplant, nein, war diese Laufbahn nicht. es dort hindurchläuft, hätten für die machen. «Wir verwenden atomar aufge- Nach einer Dissertation in Materialwis- Stabilität kritisch werden können.» löste Bildgebung, meist im STEM-Modus, senschaften an der ETH Zürich wollte kombiniert mit lokaler Elektronen-Ener- Erni ursprünglich gleich in die Industrie ERFOLG? AM BALL BLEIBEN gieverlustspektroskopie (EELS), energie- – und «driftete dann ab», wie er sagt. So lernte er sein Werkzeug über die dispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) Zunächst ein Postdoc-Jahr am «Nati- Jahre kennen – in- und auswendig – und sowie Off-Axis-Elektronenholographie» – onal Center for Electron Microscopy» erlebte die rasante Entwicklung in zwei Gedankenfutter aus der englischsprachi- in Kalifornien; ab 2004 dann Mitarbeit Dekaden als Akteur mit: von Aberrati- gen Webseite des Zentrums für Elektro- bei FEI, einem führenden Hersteller von onskorrekturen, die «Unschärfen» durch nenmikroskopie, bei dem auch geschulte Elektronenmikroskopen. Sein Job: Ge- zu stark abgelenkte Elektronen besei- Forscher die Stirn in Falten legen dürften. burtshelfer bei einem neuartigen Gerät, tigten, bis zu den ersten CCD-Kameras mitsamt Einführung auf dem Markt. in den 1990er-Jahren. Sie lösten, wie in «Das ist keine ‹Rocket Science›», sagt der Fotografie, Filme ab, die Elektronen Rolf Erni dann gern, wie kürzlich bei «Superstabil» sollte dieses Mikroskop aufgezeichnet hatten, nachdem sie die einem Vortrag über seine Arbeit – beru- werden und – analog zu optischen hauchdünne Probe durchdrungen hat- higendes Understatement, das wohl aus Geräten – selbst minimale «Verwackler» ten. Und vom Vordringen in die atomare seiner Forscherzeit in den USA stammt. verringern, um höhere Auflösungen Auflösung von weniger als einem Zehn- Will sagen: keine Superforschung für zu ermöglichen. Das erforderte auch tel Nanometer bis zu neuen Detektoren, IN SEINEM ELEMENT Rolf Erni vor dem Trans- eine Handvoll Auserwählter, kein Ding Lösungen für unscheinbare Details. In die einzelne Elektronen direkt erfassen. missions-Elektronenmi- der Unmöglichkeit für Normalbegab- den ringförmigen elektromagnetischen kroskop für Empa-For- Foto: Nicolas Zonvi te. Sondern letztlich alltägliche Arbeit Linsen zum Beispiel, die den Elektronen- «Es gibt ständig etwas Neues!», sagt Rolf schung und externe Aufträge. Zum Schutz vor von «Mikroskopikern», wie Erni die strahl – analog dem Lichtstrahl eines Erni, «da stimmt es wirklich: Wer nicht Erschütterungen ruht es Zunft nennt, der er seit rund 20 Jahren optischen Mikroskops – fokussieren, mitmacht, der rostet.» Und diese auf passiven Luftkissen. ▲ 26 I EMPA QUARTERLY II OKTOBER 2021 II # 73 # 73 II OKTOBER 2021 II EMPA QUARTERLY I 27
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