Erfahrungsbericht für ein Erasmus Jahr am Imperial College London, Großbritannien, 2008/09
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Julian Maluck Studienfach: Physik Erfahrungsbericht für ein Erasmus Jahr am Imperial College London, Großbritannien, 2008/09 1) Vorbereitungen und Formalitäten bevor London Wenn man einmal nominiert für einen Erasmus Platz am Imperial London College ist, dann hat man die größte Hürde schon genommen. Die Austausch Koordinatoren meiner physika- lischen Fakultäten in London (Andrew Knight) und in Freiburg (Dr. Kamke, Prof. Blumen) sind in allen Punkten sehr hilfsbereit, nett, und zuvorkommend. Email-Anfragen an Herrn Knight wurden zum Teil sogar innerhalb einer Stunde beantwortet. Das College fordert einige Formulare (z.B. Empfehlung eines akademischen Mitarbeiters der Heimatuniversität) zu der Bewerbung, die online zu bewerkstelligen und relativ einfach zu durchschauen war. Falls doch einige Punkte unklar waren, wurde mir von Andrew Knight schnell und höflich weitergeholfen. Es besteht überhaupt kein Grund sich vor Anfragen an sei- ne Person zu scheuen, auch dann nicht, wenn es um das Bewerbungsverfahren gehen sollte. Was ich weiterhin als sehr angenehm empfand war die Tatsache, dass das College keinen Nachweis über meine Englischkenntnisse forderte, sondern davon ausging, dass Studenten, die für ein Erasmus Aufenthalt bei Ihnen vorgeschlagen werden, über diese schon verfügen. Die Webseite des IC und speziell des Department of Physics besitzt eine relativ leichte Navi- gation, um sein Erasmus Jahr und die Veranstaltungen, die man belegen möchte, schon einmal grob zu planen. (Man muss immer nach “Occasional Students” ausschau halten, so wird man dort als Erasmusler betitelt). Details, wie zum Beispiel Hören einer Vorlesung in einer anderen Fakultät, oder Belegung eines Projektes, kann man ohne Probleme aber noch in der ersten Wo- che nach Ankunft in London, ändern. 2) Sprache Meine Englischkenntnisse beriefen sich bei der Bewerbung auf 9 Jahre Schulbildung, welche mir auch ausreichten um das Studium und das Leben in London zu bewältigen. Nach dem Lernen einiger Fachbegriffe und nach Übernehmen der Fachsprache gelang es mir relativ leicht sprachlich dem Inhalt der Veranstaltungen an der Universität zu folgen. Falls man sich unsicher fühlt mit Englisch, gibt es auch noch am Imperial College die Möglichkeit unterschiedliche Englischkurse zu belegen, die alle möglichen Schwerpunkte (Writing, Reading, Comprehen- sion, Pronunciation,....) und Levels haben können. Neben Englischkursen werden auch noch unzählige andere Sprachen angeboten. Es besteht außerdem die Möglichkeit einen Kurs zu belegen, bei dem man nach Bestehen der Prüfung das “Cambridge Certificate in Advanced English” erhält. Allerdings ist dieser Kurs gebührenpflichtig. Im Studentenwohnheim wimmelte es bei mir nur so von Erasmus-Studenten, mit denen man Dank des langsameren Tempos bei Unterhaltungen keinerlei Probleme hatte sich zu verstän- digen. Die meisten Nicht-Erasmusler, sprich meist Briten oder Asiaten, konnte ich auch ganz gut verstehen, allerdings gab es immer wieder Ausnahmen, da manche englische Dialekte doch recht tückisch sein können. Man gewöhnt sich jedoch an fast alles, was man ein wenig öfters -1-
hört, und in der Stadt sich zurechtzufinden ist auch kein Problem. Die Leute nehmen Rück- sicht und haben Verständnis, wenn man einmal etwas nicht versteht und sie bittet, ob sie das eben Gesagte vielleicht noch einmal wiederholen könnten. 3) Belegte Veranstaltungen an der Universität Meine besuchten Veranstaltungen am Imperial College lauteten: Department of Physics: Lecturer: - Atomic and Molecular Physics - Dr. Juliet Pickering - Solid State Physics - Dr. Alasdair Campbell - Statistical Mechanics - Prof Dimitri Vvedensky - Quantum Field Theory - Prof. Daniel Waldram - Nuclear & Particle Physics - Dr. Gavin Davies - Foundations of QM - Dr Fay Dowker - Dynamical Systems & Chaos - Dr Frank Berkshire Humanities Department: - European History 1871-1989 - Dr. David Munns Projects: Supervisor: - Nuclear Magnetic Resonance - Dr. Ben Sauer Allgemein gilt - so glaube ich - für die Vorlesungen am physikalischen Institut des Imperial College: Es ist einfacher als in Freiburg dem physikalischen Inhalt der Vorlesungen zu folgen, da weniger mathemisch argumentiert wird. Die Übungsblätter waren in meinen Veranstaltungen in der Regel auf weit weniger kniffligem Niveau als von meinen ersten 4 Semestern gewohnt. Selbst in einem sehr komplizierten und schwierigen Thema wie Quantenfeldtheorie, war es mit ein bisschen Arbeit möglich dem Kurs vernünftig folgen zu können, obwohl ich damals erst im 5. Semester war. Generell gilt, dass die Kurse nicht zu sehr in die Tiefe gingen und nicht zu viele mathematischen Tricks angewandt werden, sondern dass sie eher einen Überblick und das Grundwissen zu einem bestimmten Thema geben sollen. So fühle ich mich zum Beispiel in den Themen, die in Freiburg in fortgeschrittenen Experi- mentalphysik Vorlesung behandelt werden (Atom & Molekülphysik, Kern & Teilchenphysik), leider noch nicht ganz genügend vorbereitet für eine spätere Diplom-Prüfung, obwohl die Titel der Kurse in London direkt übereinstimmen. Bei meiner Kursplanung vor dem London Aufenthalt, bin ich auf der Homepage des Colleges auf ein Dokument gestoßen, welches einen über die nötigen Vorkenntnisse zu den Vorlesungen informiert. Da in Freiburg allerdings im Grundstudium viel mehr wert auf eine mathematische Ausbildung gelegt wird, muss man diese Grafik, so empfehle ich, nicht allzu ernst nehmen. Es ist gut im Hinterkopf zu behalten, dass man in Freiburg schon mindestens 2 Vorlesungen zu theoretischer Physik gehört hat. Ähnliche Veranstaltungen werden in London erst im 3. Jahr angeboten (Berichten zufolge beinhaltet Advanced Classical Physics in etwa Theo I ). Man kann, meiner Meinung nach, es gut einmal versuchen sich eine Vorlesung vorzunehmen zu hören, auch wenn man sich nicht zu 100 % sicher ist, ob man das nötige Vorwissen hat. Es gibt sicherlich auch schwierige Vorlesungen, allerdings sieht man relativ schnell, nachdem man die ersten Vorlesungsstunden gehört hat, ob man eine Vorlesung bewerkstilligen kann oder nicht. -2-
Das Imperial College bietet die optimale Möglichkeit Grundwissen und einen Überblick von Themen zu erhalten, für die man sich schon immer einmal interessiert hat. Was für mich persönlich eine sehr wertvolle Erfahrung war, war die Bearbeitung eines Projektes. Projekte können Occasional Students entweder über 1 Jahr lang oder über einen Term machen. Es gibt ganz unterschiedliche Projekte. Bei jenem welches ich durchgeführt habe, handelte es sich um ein experimentelles Projekt, welches hauptsächlich aus Laborarbeiten bestand. Dabei hatte man aber keineswegs einen schon aufgebauten Versuch, bei dem man nur Messwerte ent- nehmen musste, vielmehr musste man sich seinen Versuch selber aufbauen und sich über evtl. Probleme bei der Versuchsdurchführung Gedanken machen und versuchen Lösungen zu diesen zu finden. Wenn man allerdings nicht weiterkommt, half uns unser Supervisor immer gerne wieder auf die Sprünge. Die Projekte werden meist im Zweierteam durchgeführt. Am Ende des Projekts ist ein ca. 10 seitiger Bericht abzugeben, was mir eine sehr gute Möglichkeit bot, mein schriftliches Englisch ein wenig aufzufrischen. Es ist außerdem auch möglich Vorlesungen in anderen Fakultäten zu hören, was sich auch loh- nen kann, um sein Allgemeinwissen und sein Englisch zu verbessern. Der größte Unterschied zum deutschen Studiensystem, den man als Erasmusler als erstes wahr- nimmt, ist die Einteilung in Terms anstatt in Semester. Ein Sudienjahr besteht aus 3 Terms, das erst von Oktober bis Weihnachten, das zweite von Neujahr bis Ostern, und das dritte, ab Ostern bis zum Sommer. Die Vorlesungen finden in den ersten 2 Terms statt, jede dauert in der Regel 1 Term. Im 3. Term werden fast ausschließlich die Klausuren geschrieben. Dies bedeutet, man hat dann meistens relativ viele Klausuren in einem relativ knappen Zeitfenster. Die Note der Klausur bestimmt die Note der Vorlesung. Die einheimischen Studenten studieren nach dem Bachelor/Master System. 4) Rahmenprogramm / Fürsorge Als Erasmusstudent in London alleine zu bleiben, ist meiner Erfahrung nach, relativ schwierig, es sei denn, man will es. An der Universität wird jedem Erasmusler beim Willkommenheißen ein persönlicher Tutor zugeteilt. Dieser ist dazu da für jegliche Fragen beliebiger Art bereit zu stehen. Ich hatte in London kein einziges Mal das Gefühl jemanden ein bisschen lästig zu sein, wenn ich eine Frage hatte. Sei es nun bei den Dozenten mit einer Frage zur Vorlesung, bei dem Supervisor meines Projekts, bei meinem Tutor oder beim Erasmus Koordinator gewesen. Freizeitlich wird von der Uni auch einiges geboten. Es gibt Societies in der Imperial College Union allermöglicher Art. Am besten versteht man eine Society als eine Art von Interessenge- meinschaft. So kann man eine Society zu jeglicher Sportart finden, zu jeglicher Art von Musik, zu jeglichem Hobby, usw.. Es gibt in der Regel wöchentliche Meetings jeder Society, manche Societies machen auch einmal größere Ausflüge und jedem ist jederzeit freigestellt einfach mal bei Ihnen vorbeizuschauen. Organisiert werden sie alle von Studenten und auf dem “Fresher’s Fair” kann man sich einen guten Überblick verschaffen, wie das alles genau funktioniert und wo man eventuell gerne mitmachen würde. Außerdem steht einem ein Sportzentrum (sog. “Ethos”) jederzeit zur Verfügung, um den Fit- nessraum oder das Hallenbad zu besuchen, oder sich irgendwie anders sportlich zu betätigen. In einem Studentenwohnheim des Imperial College, im Wilson House, gibt es für die Bewohner -3-
sogar die Möglichkeit jederzeit wenn frei ist umsonst Squash zu spielen. Und wenn man einmal weg von der Uni will, dann geht das auch sehr einfach, man ist ja schließlich in London. Aufzuzählen was es dort für Beschäftigungsmöglichkeiten gibt geht schlicht und einfach nicht, weil es einfach (fast) alles gibt. Für kulturelle Veranstaltungen ist die Homepage www.timeout.com zu empfehlen. 5) Unterkunft / Geld / öfftl. Verkehrsmittel / Anreise Wegen der hohen Mietpreise lohnt es sich auf jeden Fall sich für ein Zimmer im Studenten- wohnheim zu bewerben. Man findet relativ leicht auf der Homepage des College die Details und Kosten zu den einzelnen Wohnheimen. Was allerdings passieren kann ist, dass man kein Zimmer für sich allein bekommt, sondern es mit einem (oder manchmal auch zweien) anderen Studenten teilen muss. Man kann sich nicht direkt aussuchen, was für ein Zimmer man be- kommt, bei meiner Bewerbung war es so, dass ich fünf Optionen angeben konnte, nach denen sich die Verwaltung bemüht hat zu halten. Garantiert, dass man in eines der fünf kommt, ist dies dann allerdings nicht. Ein paar Monate bevor das Erasmus Jahr anfängt, erhält man dann einen Vorschlag für ein Zimmer, den man entweder annehmen kann oder nicht. Lehnt man ihn ab, ist man mit der Wohnungssuche auf sich allein gestellt und muss wahrscheinlich mit sehr hohen Mieten rechnen. Ich habe gehört, dass Studenten, die privat unterkommen ca. 140 Pfund pro Woche (!) zahlen müssen, solange sie nicht jeden Tag eine 1,5 Stunden lange U-Bahnfahrt unternehmen wollen. Bis auf die überdimensionalen Mietpreise (ich habe eines der billigsten Einzelzimmer des Col- leges für 92 Pfund die Woche bekommen) ist das tägliche Leben in London allerdings recht gut erschwinglich. Ich muss hier hinzufügen, dass ich einen sehr günstigen Pfundkurs hatte. Während meines Aufenthalts belief sich dieser auf ca. 1 Pfund zu 1,11 Euro. Dieser hatte zur Folge, dass ich für das Ausgehen und für das tägliche Essen etwa gleich viel ausgab als zuhause. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind auch billiger als in Deutschland. Hier ein Tip, welcher mir viel Geld eingespart hat: Beim Kauf einer Railcard 16-25, (sie kostet 24 Pfund) kann man seine Oyster Card (eine Prepaid Karte fürs U-Bahn/Bus fahren, funktioniert wie beim Zahlen in der Mensa) registrieren, was zur Folge hat, dass eine Tageskarte um 30 % billiger ist. 2009 kostete die Tageskarte dann 3,35 Pfund, was ungefähr dem Preis für zwei U-Bahn Fahrten in der In- nenstadt entspricht. Das heißt man fährt 2 mal U-Bahn am Tag und alles weiter was an diesem Tag gefahren wird, ist umsonst. Das war sehr günstig. Eine Monatskarte war für meinen Fall nicht notwendig, da es von den meisten Studentenwohnheimen kein Problem ist an die Uni zu laufen und somit nicht jeden Tag ein öffentliches Verkehrsmittel braucht. Eine Monatskarte ist wirklich nur dann sinnvoll, wenn man wirklich jeden Tag fährt, auch wenn man die um 30% reduzierte kaufen könnte. Die öfftl. Verkehrsmittel funktionieren meistens sehr gut und man kommt immer da an, wo man gerne möchte. Einzig an den Wochenende muss man sich zuerst informierten, ob die U- Bahn und die Züge, die man gerne nutzen möchte, fahren, da jedes Wochenende eine andere Linie wegen Bauarbeiten geschlossen wird. Anreisemöglichkeiten nach London gibt es auch unzählige. Praktisch in meinen Augen ist die Zugfahrt, da, wenn man früh genug bucht, es mit der Bahn nicht zu teuer ist (ich zahlte 88 €), und man soviel Gepäck mitnehmen kann, wie man tragen will. Flüge mag es zwar billigere -4-
geben, allerdings ist nicht zu vergessen, dass man für den Flughafentransfer pro Strecke auch noch einmal 10 € bezahlt und nicht unbegrenzt Gepäck mitnehmen darf. Ein Konto in Großbritannien einzurichten war in meinem Fall nicht notwendig. Bei der deut- schen Kreditbank (DKB) kann man weltweit an jedem Automaten kostenlos Bargeld abheben und bei der Deutschen Bank funktioniert dies bei den Barclays Banken in Großbritannien. Beide Girokonten sind kostenlos. Was allerdings von Vorteil sein könnte ist eine Kreditkarte, gerade um online einkaufen zu können oder vielleicht auch um die Wohnung zu bezahlen. Hier ist die Visa Karte zu empfehlen, da man mit Master Card immer mind. 1,75 € für jeden Aus- landseinsatz zahlt, bei Visa hingegen lediglich 1,5 %. 6) Zusammenfassung Mein Erasmus Aufenthalt am Imperial College London brachte mir viele wertvolle Erfah- rungen und gab mir die Möglichkeit sowohl meine physikalischen als auch meine Kenntnisse in Englisch stark zu verbessern. Dies denke ich obgleich meines Empfindens, dass die Vorle- sungen in der Physik nicht ganz so in die Tiefe gehen wie in Freiburg. Nichts desto trotz habe ich viele mir zuvor weniger bekannten Themengebiete erschlossen und viel physikalisches Wis- sen dazugewonnen. Das Protokollschreiben und das Schreiben der Hausarbeiten für den Ge- schichtskurs hat mir sehr geholfen, meinen Umgang mit der englischen Sprache zu verbessern. Diese Fähigkeit wird mir in meinem Berufsleben sicherlich sehr von Vorteil sein. Desweiteren hatte ich wenig Schwierigkeiten mich an der Gasthochschule und in London zu- rechtzufinden. Die Unterschiede zur Heimat wurden relativ schnell erkennbar und es war nicht zu schwer sich auf diese einzustellen und mit Ihnen umzugehen. Außerdem konnte ich auch viele neue Bekanntschaften aus ganz Europa schließen, darunter auch einige Kontakte, die ich weiterhin pflegen will. Kurz zusammengefasst, ich bin sehr froh das Jahr am Imperial College London verbracht zu haben und ich bin überzeugt, dass dieses Jahr mich persönlich sehr vorangebracht hat. Ich kann jedem der Großstädte mag empfehlen, sich für einen Erasmus Aufenthalt in London zu bewerben. -5-
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