AKTEURE - Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Frauen und Existenzgründung

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AKTEURE - Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Frauen und Existenzgründung
AKTEURE                       Zeitschrift des Thüringer Ministeriums
                              für Wirtschaft, Arbeit und Technologie
                              zum Europäischen Sozialfonds

Perspektiven in Thüringen

Fachkräftestudie

Jobchance Sozialwirtschaft
                                                                       Ausgabe
Frauen und Existenzgründung                                            Nr. 11
                                                                       4. Ausgabe 2010
                                                                       3. Jahrgang
AKTEURE - Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Frauen und Existenzgründung
Alles Große hat mal
klein angefangen!
        D                  er Thüringer Mikr
                                             ok
                         unterstützt Existe redit
                                           nzg
                         und Selbstständig ründer
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                                           e.
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AKTEURE - Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Frauen und Existenzgründung
editorial

                                                                             Sehr geehrte
                                                                             Leserinnen und Leser,

das Jahr 2010 war für Thüringen ein gutes Jahr. Die konjunkturelle Ent-      Das alles zeigt: Thüringen macht wieder eine Politik für Gute Arbeit, die
wicklung wirkte sich positiv auf den Thüringer Arbeitsmarkt aus. Die         Schwächere nicht zurücklässt, sondern ihnen neue berufliche Perspek-
Arbeitslosigkeit war über das gesamte Jahr hinweg deutlich rückläufig.       tiven bietet. Einen entscheidenden Beitrag dazu leistet der Europäische
Die Zahl der Arbeitslosen lag im November um rund 20.000 unter dem           Sozialfonds (ESF). Im September hat Thüringen der EU-Kommission
Vorjahreswert, im Oktober wurde erstmals die Zahl von 100.000 Arbeit-        den Schlussbericht über die ESF-Förderung in der Förderperiode 2000
suchenden unterschritten. Die Arbeitslosenquote erreichte mit 8,4 Prozent    bis 2006 vorgelegt. Die Bilanz ist beeindruckend: 882 Millionen Euro
einen neuen Tiefststand. Thüringen zählte zu den Bundesländern mit der       standen dem Freistaat aus dem ESF zur Verfügung, insgesamt konnten da-
günstigsten Entwicklung bei der Erwerbstätigkeit. Mit 1,03 Millionen Er-     mit mehr als 256.000 Personen unterstützt werden, u.a. 112.000 Jugendli-
werbstätigen wurde der Vorjahreswert im dritten Quartal um 1,3 Prozent       che und 54.000 Langzeitarbeitslose. Für mehr als 17.000 Schulabgänger
übertroffen. Die Erwerbstätigenquote liegt mit 71,1 Prozent erstmals über    wurde mit ESF-Mitteln der Zugang zu einer Erstausbildung ermöglicht,
dem westdeutschen Durchschnitt.                                              mit Einstellungshilfen wurde die Beschäftigung von fast 16.000 schwer
                                                                             vermittelbaren Arbeitslosen gefördert.
Grund zum Jubel gibt es angesichts solcher Zahlen aber noch nicht: Die
strukturelle Spaltung des Arbeitsmarkts besteht weiter, vor allem Ältere,    Diese Zahlen macht deutlich: Der ESF ist das wichtigste arbeitsmarktpoli-
Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende oder gering Qualifizierte profitie-    tische Instrument im Freistaat Thüringen. Wie es eingesetzt wird, darüber
ren noch zu wenig von der positiven Wirtschaftsentwicklung. Die Ab-          wollen wir Sie mit der vorliegenden Zeitschrift regelmäßig informieren.
wanderung vor allem jüngerer Menschen aus Thüringen hält an. Zudem           Ab der kommenden Ausgabe wird ihr Titel „Gute Arbeit – ESF-Zeitschrift
werden die insgesamt erfreulichen Arbeitsmarktdaten nicht zuletzt durch      für die Akteure des Arbeitsmarkts“ lauten, und mit diesem Titelwechsel
eine drastische Zunahme prekärer Beschäftigung erkauft – so stieg die        verbunden ist eine gründliche Überarbeitung von Konzept und Layout.
Zahl der Beschäftigten in der Leih- und Zeitarbeit in Thüringen im dritten   Nicht ändern wird sich die dagegen klare Ausrichtung auf den ESF und
Quartal weit überdurchschnittlich um 42,1 Prozent.                           auf die Akteure, die ESF-Programme und –Projekte umsetzen. Sie möch-
                                                                             ten wir als unsere Leserinnen und Leser weiterhin mit allen notwendigen
Das alles sind Entwicklungen, die Interventionen durch eine gestaltende      Informationen rund um die Arbeitsmarkt-, Berufsbildungs- und Sozialpo-
Arbeitsmarktpolitik auch weiterhin notwendig machen. Die Thüringer           litik im Freistaat Thüringen versorgen.
Landesregierung leistet ihren Beitrag dazu:

• Wir haben uns gegen die Pläne der Bundesregierung erfolgreich dafür        Ein erfolgreiches und glückliches Neues Jahr 2011 wünscht Ihnen
  eingesetzt, dass die bewährte einheitliche Betreuung von Langzeitar-
  beitslosen in den Jobcentern erhalten bleibt.
• Am 5. Mai ist das Landesarbeitsmarktprogramm in Kraft getreten.
• Seit Juni wird in Thüringen das Bundesprogramm Bürgerarbeit umge-
  setzt.                                                                     Matthias Machnig
• Im Dezember ist die verfassungsrechtlich bedenkliche Hartz-IV-Re-          Thüringer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie
  form der Bundesregierung im Bundesrat gescheitert – auch weil Thü-
  ringen dem Gesetzentwurf seine Zustimmung verweigert hat.
• In der „Konzertierten Aktion“ entwickeln wir seit Februar gemeinsam
  mit Wirtschaft und Gewerkschaften Strategien gegen Abwanderung,
  Fachkräftemangel und niedrige Tarifbindung.
• Mit dem im August vom Thüringer Kabinett verabschiedeten „Aktions-
  programm Fachkräftesicherung und Qualifizierung“ sollen u.a. gering
  Qualifizierte neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten.

AKTEURE 11 | 2010                                                                                                                                   1
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INHALTSVERZEICHNIS

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    08 | Von der Ausgebildeten zur Ausbilderin

                                    Die Themen

                                   Fachkräfte                        Pilotprojekte und
01 | Editorial                     04 | Qualifizierung und           Nachhaltigkeit
                                        Fachkräftesicherung          08 | Von der Ausgebildeten
26 | News                                                                 zur Ausbilderin
                                   Fachkräfte
29 | Impressum                     06 | Jobchance Sozialwirtschaft   Qualifizierung
                                                                     09 | Jobchance Betreuung
                                   Fachkräfte
                                   07 | 	Interview mit               Existenzgründung
                                        Prof. Dr. Michael Behr       10 | Viel Verantwortung,
                                                                          Spaß, gute Nerven

2                                                                                      AKTEURE 11 | 2010
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                                                                                                                   Foto: Der PARITÄTISCHE Thüringen
                               Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska

                                                                                   ESF in Thüringen
                                                                                   24 | ESF auf Schienen

Existenzgründung
18 | Die Kerze mit der Pauke

Qualifizierung                                                                     Existenzgründung                                                   Chancengleichheit
12 | Kreative Gestaltung und                                                       17 | Gründung innovativ                                            23 | CORAs Bergfest
     Verkaufserfolge
                                                                                   Existenzgründung                                                   ESF in Thüringen
Vereinbarkeit von                                                                  18 | 	Die Kerze mit der Pauke                                      24 | ESF auf Schienen
Familie und Beruf
14 | Große Pläne nach                                                              Existenzgründung                                                   ESF und Unternehmen
     der Familienzeit                                                              20 | Schub für Gründer                                             25 | Ernst-Abbe-Preis für
                                                                                        und Kleinunternehmer                                               innovativen Unternehmer
Berufsorientierung                                                                                                                                         mit sozialem Engagement
15 | Berufsspaß stiften                                                            Qualifizierung
                                                                                   22 | Thüringen als
Beschäftigung                                                                           Weiterbildungsmeister
16 | Klassik zum Anfassen

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AKTEURE - Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Frauen und Existenzgründung
FACHKRÄFTE

         Qualifizierung und
        Fachkräftesicherung
Eine gute Förderbilanz konnte auf der ESF-Jahreskonferenz 2010 im Weimarer congresscentrum
vorgestellt werden. Bisher wurden mit 587 Mio. € rund 56 % der in der aktuellen Förderperiode zur
Verfügung stehenden Mittel bewilligt. Rund 76.000 Thüringerinnen und Thüringer profitierten davon.

I
    nsbesondere Ältere sol-        rungsgrundlagen, um auch ab         ein Rückfall auf das Niveau der     informierten sich rund 90
    len künftig stärker von der    2014 die Potenziale voll aus-       1990er Jahre“, erklärte die GD-     Gäste der Veranstaltung. Udo
    Förderung profitieren. Der     schöpfen zu können. Das Motto       Referatsleiterin. Die EU sähe       Philippus vom Thüringer Wirt-
Anteil von über 55-Jährigen        laute: „In Thüringen ausbilden      sich nach der Krise mit einem       schaftsministerium kündigte
bei der beruflichen Integrati-     und in Thüringen arbeiten“, so      niedrigeren Wachstumspoten-         eine unternehmerfreundlichere
on liegt bei 8,5 %. „Wir haben     der Minister.                       zial, einem Produktivitätsge-       Gestaltung der Weiterbildungs-
ein großes Potenzial von Men-                                          fälle, demografischer Alterung,     richtlinie an. So soll es künftig
schen, die noch zehn Jahre im      Die Referatsleiterin Deutsch-       Armut und einem begrenzten          auch möglich werden, mit Pau-
Berufsleben stehen“, so ESF-       land, Österreich und Slowenien      finanziellen Spielraum kon-         schalen die Weiterbildung ein-
Fondsverwalter Gerd Fuchs.         in der Generaldirektion (GD)        frontiert. Zudem verschärfen        zelner Arbeitnehmer zu fördern.
8,5 % der geförderten Thürin-      für Beschäftigung, soziale An-      sich die globalen Herausforde-      Thematisiert wurden in diesem
gerinnen und Thüringer waren       gelegenheiten und Chancen-          rungen wie der steigende Wett-      Zusammenhang auch geeignete
älter als 50 Jahre. Am stärksten   gleichheit, Manuela Geleng,         bewerbsdruck und knappe Res-        Konzepte für ältere Arbeitneh-
profitierte diese Altersgruppe     warnte in Bezug auf die Ge-         sourcen. Die EU-Kommission          mer. Im Sinne der Lissabons-
von der Förderung in struktur-     samtsituation des Arbeitsmark-      setzt nun auf eine neue Stra-       trategie und angesichts des
wirksamen Beschäftigungspro-       tes in der Europäischen Union       tegie. „Europa 2020“ hat das        Fachkräftebedarfs sollten ge-
jekten (27,8 % der Teilnehmer      vor zu viel Euphorie. „Die Wirt-    Ziel, intelligentes, nachhaltiges   rade auch über 50-Jährige ver-
waren älter als 50) und bei der    schaftskrise hat die Fortschritte   und integratives Wachstum und       stärkt Weiterbildungsangebote
Förderung der beruflichen Inte-    der letzten Zeit zunichte ge-       damit auch eine hohe Beschäf-       nutzen können. Die noch recht
gration (17,4%).                   macht“, so Geleng. EU-weit          tigungsquote zu erreichen.          junge Förderung von FuE-
                                   sind derzeit 23 Mio. Menschen                                           Personal hat sich in Thüringen
Seit 2008 werden über den Eu-      arbeitslos. Die Kommission                                              gut entwickelt. Unternehmen,
ropäischen Sozialfonds auch        geht von einem Anstieg der Ar-      Die Workshops                       Studenten, Absolventen oder
Projekte zur Förderung von         beitslosigkeit auf über 10,3 %,     Über die Aus- und Weiterbil-        Fachkräfte profitieren von den
Forschung und Entwicklung          bei der Jugendarbeitslosigkeit      dung in Unternehmen und die         Programmen Thüringen-Sti-
unterstützt. 157 Unternehmen       sogar über 21 % aus. „Das ist       Förderung von FuE-Personal          pendiums Plus und Entsendung
profitierten von der Hilfe durch                                                                           von F- und E-Personal.
Innovationsassisten, Thürin-                                                                               Thematisiert wurden auch neue
gen-Stipendiaten (Thüringen                                                                                Ansätze für die Integration von
Stipendium und Thüringen              Strategie Europa 2020 – die Kernziele                                Schul- und Ausbildungsabbre-
Stipendium plus) sowie durch                                                                               chern.
Technologiescouts. Rund 3,8           -    Anstieg der Beschäftigungsquote auf                             Die „Soziale und berufliche
Mio. € ESF-Mittel standen da-              mindestens 75 % (20- bis 64-Jährige)                            Integration mit Hilfe des ESF“
für zur Verfügung. „Der ESF ist       -    3 % des BIP für Forschung und Entwicklung                       stand im Mittelpunkt des Work-
für die ostdeutschen Länder ei-       -    Erreichung der 20-20-20-Klimaschutz- und                        shops B. „Geplant ist die Inte-
nes der wichtigsten Instrumen-             Energieziele                                                    grationsrichtlinie weiter für die
te, um Bildung, Beschäftigung         -    Absenkung der Schulabbrecherquote auf unter 10 %,               soziale Integration zu öffnen“,
und soziale Eingliederung zu               Erhöhung des Anteils der 30- bis 34-Jährigen mit                erklärte Moderator Gerd Fuchs.
fördern“, so Wirtschaftsmi-                Hochschulstudium auf mindestens 40 %                            Die 2009 ins Leben gerufe-
nister Machnig. Thüringen             -    Verminderung der Armut (20 Mio. Menschen                        ne ESF-Initiative TIZIAN des
brauche klare Rahmenbedin-                 sollen vor dem Risiko bewahrt werden)                           Thüringer Sozialministeriums
gungen und stabile Finanzie-                                                                               mit insgesamt 37 Projekten bei

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AKTEURE - Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Frauen und Existenzgründung
FACHKRÄFTE

31 Trägern soll auch 2011 und
2012 von Armut betroffenen
Eltern bei der Wiedereinglie-
derung helfen. Bei der Integra-
tion von Langzeitarbeitslosen
plädierten Workshopteilnehmer
für individualisierte Begleitung,
gerade bei Menschen „mit mul-
tiplen Vermittlungshemmnis-
sen“. Beschäftigung für diesen
Personenkreis sei zum Beispiel
in „sozialen Wirtschaftsbetrie-
ben“ zu finden. Auch der Man-
gel an Erzieherinnen in Thü-
ringen wurde diskutiert. „Wir
müssen dieses Thema gezielt
verfolgen“, so der ESF-Fonds-
verwalter.
Die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf und die Aufstiegs-
chancen von Frauen wurden
im dritten Workshop der ESF-
Jahrestagung behandelt. „Die
Vereinbarkeit von Familie und
Beruf ist ein Standortfaktor“,
erklärte Dr. Cornelia Haase-
Lech von der IHK Erfurt. Es
sei immer noch nötig, die Un-
ternehmen für dieses Thema
zu sensibilisieren. Die Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer
diskutierten Ideen wie eine
Anlaufstelle für alle Fragen der

                                                                                                                                                               Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
Vereinbarkeit      einschließlich
der Kinderbetreuung und die
Einrichtung eines Netzwerks
für Mütter.

Fachkräftestudie
Auf der ESF-Jahreskonferenz
wurde auch die aktuelle Fach-
kräftestudie des Instituts für So-   Eine gute Bilanz, eine europäische Strategie, Workshops und die aktuelle Fachkräftestudie – zur ESF-Jahreskonferenz
                                     kamen 400 Gäste.
ziökonomische Strukturanaly-
sen (SÖSTRA) im Auftrag des
Wirtschaftsministeriums vorge-       großes Angebot an Arbeitneh-             bereits geeignete Instrumente             Berufe (+13.300), Gesundheits-
stellt. Bis zum Jahr 2020 wer-       mern. Dazu zählen neben den              entwickelt. Zudem müsse sich              dienstberufe (+12.500), Waren-
den in Thüringen 200.000 neue        Absolventen der beruflichen              Thüringen künftig stärker auch            kaufleute (+9.000) und Techni-
Arbeitskräfte benötigt. Für Un-      und akademischen Ausbil-                 um die Berufsrückkehrer sowie             ker (+5.800). Berufe mit einem
ternehmen und Standorte wer-         dung vor allem rund 100.000              die per Saldo rund 75.000 Aus-            Bedarf von mehr als 4.000
de es schwerer, Fachkräfte zu        Arbeitslose. „Deshalb müssen             pendler bemühen.                          neuen Fachkräften sind Lehr-
gewinnen und zu halten: Schon        wir alle Anstrengungen darauf                                                      berufe, EDV-Berufe, Unterneh-
jetzt gibt jedes fünfte Unterneh-    konzentrieren, die vorhandenen           Laut Fachkräftestudie entsteht            mensführung und Management,
men laut Studie an, dass offene      Fachkräftepotentiale besser zu           die größte Arbeitskräftenach-             Ingenieure, Reinigungs- und
Stellen nicht besetzt werden         erschließen“, erklärte Mach-             frage in der Industrie und in             Entsorgungsberufe, Lager- und
konnten, so Wirtschaftsminister      nig. Dazu habe die Landesre-             den Gesundheits- und Sozialbe-            Transportberufe sowie Land-
Matthias Machnig.                    gierung mit dem Aktionspro-              rufen. Die Tätigkeitsfelder mit           und Forstwirtschaftsberufe.
Die Studie zeigt allerdings          gramm „Fachkräftesicherung               dem größten Bedarf sind die Bü-
auch: Zumindest rechnerisch          und Qualifizierung“ und dem              roberufe (+21.500), Metallberu-           www.thueringen.de/de/tmwat
gibt es noch ein ausreichend         Landesarbeitsmarktprogramm               fe (+16.500), sozialpflegerische          www.esf-thueringen.de

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FACHKRÄFTE

                     Viele Jobchancen
                      in der Thüringer
                      Sozialwirtschaft
In der Gesundheits- und Sozialwirtschaft gibt es bis 2020 einen Bedarf von rund 43.000 Fachkräften.
Das belegt eine Studie der FSU Jena im Auftrag des Wirtschaftsministeriums. Dieser Bereich muss sich
neben der sinkenden Zahl von Ehrenamtlichen und Zivildienstleistenden zudem mit einem Imageprob-
lem auseinandersetzen. Eine Tagung der Friedrich Ebert Stiftung zeigte Chancen und Risiken auf. Die
Arbeitsbedingungen und die Entlohnung sind derzeit Gründe für mangelnde Interessenten.

                                                                                                                                                            Foto: www.istockphoto.com
Helfende Hände sind in der Sozialwirtschaft gefragter denn je – bis 2020 werden rund 43.000 Fachkräfte benötigt.

W
           ir erleben einen Ar-            und eine Kultur der Integration             de in diesem Bereich logisch.      gebildete Pflegekräfte würden
           beitsmarkt, der im              zu fördern. Den allgemeinen                 Doch Arbeitskräfte zu finden,      aufgrund des Lohnniveaus das
„          demografischen Rü-              Entwicklungen am Arbeits-                   ist nicht leicht. Thomas Voß       Land verlassen. Bereits heute
ckenwind steht“, sagte Prof.               markt folgt auch die Sozialwirt-            von ver.di sieht vor allem das     sind der Studie zufolge zwei
Michael Behr, der die Studie               schaft, mitunter mit noch dra-              Lohngefüge in der Sozialwirt-      Drittel der Unternehmen in der
damals im Auftrag des Wirt-                matischeren Zahlen: Allgemein               schaft als Bremse: „Der nied-      Sozial- und Gesundheitswirt-
schaftsministeriums erstellte.             sind 28 % der Beschäftigten in              rige Lohn und die Arbeitsbe-       schaft mit einem Mangel an
Die Zahl der Renteneintritte               Thüringen älter als 55 Jahre,               dingungen spielen eine große       Fachkräften konfrontiert, jede
habe sich verdoppelt, die Zahl             in der Sozialwirtschaft sind es             Rolle. Wir müssen den Wert         vierte Einrichtung beklagt ei-
der Nachwuchskräfte halbiert.              36 %. In den kommenden fünf                 dieser Arbeit neu definieren“,     nen generellen Mangel, weitere
Das Qualifikationsniveau der               Jahren erreicht jeder achte Be-             so Voß. Der Landesgeschäft-        37 % haben mit qualifikations-
neuen Rentner ist besonders                schäftigte das Rentenalter, 2020            führer des PARITÄTISCHEN           und berufsspezifischen Rekru-
hoch und damit werde eine Lü-              bereits jeder fünfte. Rund 43.00            Thüringen, Reinhard Müller,        tierungsengpässen zu tun.
cke gerissen, wenn es um Jobs              Fachkräfte werden in den kom-               hält einen generellen Image-       Die Studie zur Fachkräfteent-
geht, die eine höhere Qualifi-             menden 15 Jahren gebraucht,                 wechsel der Branche für erfor-     wicklung in der Thüringer Ge-
kation erfordern. In Thüringen             um Stellen neu zu besetzen.                 derlich. „Die Sozialwirtschaft     sundheits- und Sozialwirtschaft
ginge es darum, den Anteil an              Neben dem Ersatzbedarf sind                 ist nicht nur ein Kostenfaktor“,   kann über www.paritaet-th.de
Erwerbstätigen stabil zu halten            Beschäftigungszuwächse gera-                so Müller. In Thüringen aus-       bezogen werden.

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QUALIFIZIERUNG

        Für eine gute soziale
            Infrastruktur
                                                                         einer neuen Kultur der Integra-
  Prof. Dr. Michael Behr, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik
                                                                         tion. Darin sehe ich durchaus
  und Berufliche Arbeit im Thüringer Ministerium für Wirt-
                                                                         etwas Gutes. Unternehmen, die
  schaft, Arbeit und Technologie im „AKTEURE“-Interview
                                                                         personalpolitisch gut aufgestellt
  zu Berufschancen in der Sozialwirtschaft und dem Thüringer
                                                                         sind und bessere Erschließungs-
  Arbeitsmarkt.
                                                                         strategien für verschiedenste
                                                                         Arbeitskräftegruppen haben, die
                                                                         bessere Bindungspolitiken und
                                                                         Anreizstrukturen haben, werden
                                                                         im Vorteil sein. Der neue Wettbe-
Akteure: Sind die Handlungs-         sozialen und menschlichen Infra-    werb um Fachkräfte, aber auch
empfehlungen, die Sie in Ihrer       struktur des Freistaats Thüringen   um geschickte und motivierte          Prof. Michael Behr

Studie zur Personalentwicklung       hinaus. Zudem verschärft die        Angelernte wird uns dem Ziel
in der Sozialwirtschaft geben,       enge Personaldecke die ohnehin      „guter Arbeit“ näherbringen.          der Wende regelrecht einen er-
auch auf andere Bereiche über-       auch im Rahmen der Studie the-      Diese neue Kultur der Arbeit in       werbsbiographischen Filmriss
tragbar, zum Beispiel die Frage      matisierten psychischen Belas-      Thüringen kann ein Standortfak-       erlebten und nie wieder in regu-
der Entlohnung?                      tungen der Arbeitskräfte. Dem       tor werden.                           läre Arbeit kamen. Wer aktive
   Prof. Behr: Zukunftsfähige        Mangel an Arbeitskräften muss       Akteure: Das Landesarbeits-           Arbeitsmarktpolitik für diese
Beschäftigungsstrukturen set-        daher mit einer Vielzahl von        marktprogramm zielt vor allem         Beschäftigtengruppen, wie sie
zen eine angemessene Entloh-         Maßnahmen begegnet werden,          auf die Integration von Ge-           das LAP vorsieht, ablehnt, ver-
nung, Vertragssicherheit und         wobei die Qualität der Arbeit ge-   ringqualifizierten und Langzeit-      sündigt sich nicht nur an den
Aufstiegsperspektiven voraus.        nauso wichtig ist, wie vermehrte    arbeitslosen. Sie sprechen von        Menschen, die ohnehin einen ho-
Die Beschäftigungs- und Ent-         Anstrengungen in der Aus- und       einer Kultur der Integration. Wie     hen Preis für eine unverschuldete
lohnungsstrukturen in der Sozi-      Weiterbildung sowie der Image-      sieht der Thüringer Arbeitsmarkt      soziale Lage gezahlt haben, son-
alwirtschaft sind nicht anders als   politik für Sozialwirtschaftliche   nach Ihrer Ansicht in zehn Jah-       dern lässt auch Erwerbsperso-
die in der Privatwirtschaft durch    Berufe.                             ren aus?                              nenpotential ungenutzt, das von
eine für Arbeitgeber besonders       Akteure: Der Arbeitsmarkt in           Prof. Behr: Ich habe es an-        der Wirtschaft wieder gebraucht
günstige Sondersituation auf         Thüringen hat sich positiv entwi-   gedeutet. In den vergangenen          wird. Denn interessanterweise
dem Arbeitsmarkt geprägt. Mit        ckelt, das Zukunftsszenario mit     Jahren sind viele arbeitswillige      profitieren in den letzten Jahren
den veränderten Rahmenbedin-         allen Folgen der demografischen     Menschen Opfer struktureller          nicht nur die Fachkräfte sondern
gungen und der zunehmenden           Entwicklung sieht eher düster       Verwerfungen im Beschäfti-            auch engagierte Angelernte von
Personalknappheit werden aus         aus, was kann die Arbeitsmarkt-     gungssystem Ost geworden die          der zunehmenden Arbeitskräf-
vermeintlichen Stärken eher          politik ausrichten und welche       unter „normalen“ Arbeitsmarkt-        tenachfrage gut aufgestellter Be-
Defizite, die abgebaut werden        Hausaufgaben müssen andere,         bedingungen entweder nie ar-          triebe im verarbeitenden Gewer-
müssen. Dazu gehört auch das         zum Beispiel auch die Unterneh-     beitslos geworden, oder schnell       be, im Handwerk, aber auch dem
deutliche Einkommensgefälle zu       men, erledigen?                     wieder in Beschäftigung gelangt       Dienstleistungssektor. Wenn es
anderen Bundesländern.                  Prof. Behr: In der Tat sind      wären. Der demographische Rü-         gelingt, Fachkräftemangel zu
Akteure: Die Studie haben Sie        mit den demographisch beding-       ckenwind auf dem Arbeitsmarkt,        verhindern und auch Angelernte
damals im Auftrag des Wirt-          ten Veränderungen besonders         der jetzt einsetzt, bedeutet nichts   oder Berufsfremde teilhaben zu
schaftsministeriums erstellt, nun    in Ostdeutschland beträchtliche     anderes, als dass wir in die Lage     lassen, dann haben wir Chancen
sind Sie als Abteilungsleiter für    Risiken verbunden. Der verren-      geraten, diesen Menschen eine         auf das Erreichen positiver Kenn-
Arbeitsmarktpolitik verantwort-      tungsbedingte Verlust an Erfah-     zweite Chance zu organisieren.        ziffern auf dem Arbeitsmarkt, die
lich. Was sind die drängensten       rungsträgern bei gleichzeitig       Dies gilt für die geburtenstarken     imagepolitisch von größter Be-
Aufgaben?                            stark abnehmenden Nachwuchs-        Jahrgänge der um 1980 gebore-         deutung wären und nicht zuletzt
   Prof. Behr: Ein Mangel an         jahrgängen zwingt uns zu einem      nen, die oft keine angemessene        über die zentrale Frage entschei-
geeigneten Fachkräften in der        Paradigmenwechsel von der Pra-      Ausbildungschance        bekamen      den, welches Vorzeichen der
Pflege, der Jugendhilfe und der      xis der Selektion und der Aus-      und sich durch Jobben über Was-       Wanderungssaldo hat.
Behindertenarbeit läuft letztlich    grenzung von scheinbar überflüs-    ser halten, genauso wie für die
auf einen Qualitätsverlust in der    sigen Arbeitsmarktpotentialen zu    um 1955 geborenen, die nach           www.thueringen.de/de/tmwat

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AKTEURE - Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Frauen und Existenzgründung
PILOTPROJEKTE UND NACHHALTIGKEIT

    Von der Ausgebildeten
       zur Ausbilderin
In Deutschland leben gegenwärtig etwa 1,2 Mio. Demenzkranke. Jedes Jahr erkranken 300.000 Men-
schen daran. Nach Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft steigt die Zahl der Demenzerkrank-
ten bis 2050 auf etwa 2,6 Mio. Beate Schulz hat vor drei Jahren eine Qualifizierung zur Seniorenbeglei-
terin absolviert und arbeitet nun als Dozentin für Pflege.

D
        ie 54-Jährige ist viel       Umkreis von 50 km an und ab-      Fachwissen auch wichtige
        unterwegs, in Erfurt,        solvierten „hoch motiviert“ die   persönliche Eigenschaften. Sie

                                                                                                                                              Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
        Eisenach, Weimar –           800 Unterrichtsstunden in den     müssten schon ein „Helfersyn-
„ich unterrichte bei Bildungs-       Bereichen Medizin, Sozial-        drom im positiven Sinne“ mit-
anbietern, die sich mit Pflege       pädagogik, Sozialrecht, BWL       bringen und wissen, worauf
beschäftigen – alles, was mit        und Marketing. Am Ende des        sie sich einlassen. „Es ist nicht
Demenz zu tun hat“. Die ge-          Lehrgangs wagten ein Drittel      einfach zu begreifen, dass ehe-
lernte Krankenschwester will,        der Absolventinnen und Ab-        mals hochintelligente Men-
dass ihre Schülerinnen und           solventen den Sprung in die       schen sehr hilfebedürftig sind,
Schüler viel mitnehmen von           Selbständigkeit, zwei Drittel     nur noch essen und schlafen
dem, was sie über „Hygiene,          arbeiten als Angestellte. „Der    können, der Geist aber nicht
Arzneimittellehre und vor al-        Bedarf ist offenkundig, doch      mehr funktioniert. Demenz ist       Dozentin Beate Schulz

lem Kommunikation“ vermit-           die Hürde ist die Anerken-        nicht heilbar. Für die Betreuer
telt. Das, was jetzt ihre Ar-        nung dieser beruflichen Qua-      heißt das zu kommunizieren,         bildet. „Meistens sind es All-
beitstage füllt, ist eher zufällig   lifizierung im niedrigschwel-     zu verstehen, ruhig zu bleiben,     tagsbegleiter, die über sechs
zu ihrer Berufung geworden.          ligen Betreuungangebot“, sagt     auf die Wünsche und Bedürf-         Monate ausgebildet werden.
Vor ihrer Qualifizierung zur         Rupp.                             nisse zu reagieren und auch         Viele werden nach dem Prak-
Seniorenbegleiterin arbeitete                                          mit Beschimpfungen umgehen          tikum übernommen“, freut sie
sie in der Poliklinik, dann für                                        zu können“, sagt Schulz.            sich. Neben ihrer Arbeit als
den Verband medizinischer            Fachwissen                                                            Dozentin bildet sie sich selbst
Fachberufe. „Und auf einmal          und viel Geduld                   Seniorenbegleiterinnen und          weiter, zum Beispiel in Kursen
war ich arbeitslos und habe          Beate Schulz hat den Weg in       Seniorenbegleiter      könnten      zu „Methodenkompetenz und
mich bei dem Qualifizierungs-        die Selbständigkeit nie bereut.   daher eine große Entlastung         Sozialkompetenz“, absolvier-
Modellprojekt beim PARITÄ-           „Ich wollte das zwar nie und      für die Familien sein. Das          te eine Ausbildung zur „Hygi-
TISCHEN beworben“.                   war es dann innerhalb eines       Problem sei die Entlohnung.         enebeauftragten“ und fährt zu
                                     Viertel Jahres doch“, nicht als   Einige Kolleginnen aus der          bundesweiten Demenzforen.
Von 2005 bis 2007 wurden 20          Betreuerin oder Begleiterin,      Qualifizierung arbeiteten auf       „Ich habe den Anspruch an
Frauen zur Seniorenbeglei-           sondern als Dozentin. Eine        400 €-Basis in Familien. Wenn       mich, viel zu wissen und Fra-
terIn mit Handlungsschwer-           „ordentliche Ausbildung“ räu-     sich Angehörige diese Hilfe         gen, die ich nicht beantwor-
punkt Demenz im Rahmen               me mit Vorurteilen auf und be-    nicht leisten können und nur        ten kann, grämen sehr“, sagt
eines Pilotprojektes ausgebil-       schönige nichts. „Ein Demenz-     stundenweise auf die Dienste        sie. Außerdem wolle sie in
det. „Es ging um eine Aus-           kranker muss in der Regel acht    der Begleiter zurückgreifen,        den kommenden zehn bis 15
bildung, die die Angebote der        bis zehn Jahre gepflegt werden,   brauche ein „Berufsbetreuer         Jahren noch weitere Schüler
medizinischen und pflegeri-          vor allem brauchen die Betrof-    zwischen 16 bis 18 Fälle, um        ausbilden. „Der Bedarf wird
schen Versorgung ergänzt und         fenen Beschäftigung, die ihrer    davon leben zu können“.             steigen und wir brauchen gut
die Familien begleitet“, sagt        Neigung und ihrem erlernten       Im Verein Seniorenbegleiterin       ausgebildete Fachkräfte“.
Hans-Georg Rupp vom PARI-            Beruf entspricht“, so Schulz.     e.V. sind 17 Absolventen des
TÄTISCHEN. Es habe damals            Gut ausgebildete Fachkräfte       Qualifizierungsprojektes orga-
einen regelrechten „Run“ auf         sind bereits jetzt nur schwer     nisiert. Als Dozentin hat Beate     www.paritaet-th.de
die Ausbildung gegeben. Die          zu bekommen. Denn gute Be-        Schulz bereits rund 250 Schü-       www.seniorenbegleiterinnen.de
Teilnehmer reisten aus einem         treuer benötigten neben dem       lerinnen und Schüler ausge-         www.esf-thuringen.de

8                                                                                                                         AKTEURE 11 | 2010
QUALIFIZIERUNG

  Eine neue Arbeit als
Betreuerin oder  Betreuer
In den kommenden Jahren werden immer mehr Fachkräfte für die Betreuung älterer Menschen gebraucht.
Für Benachteiligte am Arbeitsmarkt ergeben sich daraus neue Chancen. Die Ziola GmbH in Eisenach
qualifiziert seit 1. August 2010 über insgesamt acht Monate mit ESF-Geldern 29 Männer und Frauen zur
Betreuungskraft in der Altenpflege. Sie sind zwischen Anfang 20 und über 50 Jahre alt.

C
        hristiane Krautwand ist                                                                                                                                        te nach dem Praktikum sofort
        25 und damit eine der                                                                                                                                          in eine Anstellung vermittelt.
        Jüngsten. Sie hat Haus-                                                                                                                                        „Mit diesen Jobs fallen sie aus
wirtschaftshelferin gelernt, als                                                                                                                                       dem ALG II-Bezug raus und
Reinigungskraft gearbeitet und                                                                                                                                         sind auch keine Aufstocker“,
hofft nun auf einen Job im Pfle-                                                                                                                                       sagt Reiner Sippel von der Zio-
gebereich. „Ich habe während                                                                                                                                           la GmbH und hofft, dass dieses

                                                                                                                   Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
der Lehre in einem Pflegeheim                                                                                                                                          Mal möglicherweise die Ver-
gearbeitet, das hat mir Freu-                                                                                                                                          mittlungsquote noch übertroffen
de gemacht und nun möchte
ich viel lernen, damit ich eine
Arbeit bekomme, von der ich
leben kann“, sagt die junge
Mutter. Sie ist eine der 29 Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer,
die durch die ARGE an die Zi-
ola GmbH vermittelt wurden.         Michaela Schulze, Christian Lehmann (v.l.) und Christiane Krautwand suchen
                                    eine Jobchance in der Pflege.
„Wir haben dann Vorgesprä-
che geführt und einen kleinen
Eingangstest gemacht, weil          bot kam zur richtigen Zeit“.              Einblick erhalten, ist Bestandteil
die Teilnehmer wissen müssen,       Aufgrund seiner körperlichen              der Ausbildung. Die Seminare
worauf sie sich einlassen, auf      Einschränkungen ist ein Einsatz           werden von erfahrenen Alten-
                                                                                                                                                                                                                  Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
Wochenendarbeit, auf Teamar-        im Pflegebereich nicht möglich,           pflegerinnen und Heimleiterin-
beit und natürlich auf ihre Pa-     aber als Betreuer, der „geduldig          nen gehalten. Die intensiven
tienten“, sagt Anne Röthig von      und mit viel Verständnis“ ältere          Kontakte zu den Unternehmen
Ziola.                              Menschen begleitet, würde er              der Sozialwirtschaft erhöhen
                                    gern arbeiten.                            auch die Vermittlungschancen
Alle seien „mit dem Herzen                                                    der Teilnehmer. „Wir stehen in
dabei“ erklärt, Christian Leh-      Michaela Schulze hat Erfah-               Kontakt zu 30 bis 40 Einrich-
mann. Der 29-Jährige hat be-        rung in der Pflege. Sie pflegte           tungen im Wartburgkreis, sogar
reits Erfahrungen im Sozial-        Familienangehörige, hat eine              bis nach Bad Langensalza“,
bereich gesammelt und freut         Ausbildung zur Kranken-                   sagt Röthig. Rund die Hälfte                                                             Die Ausbildung wird praxisnah von erfah-
                                                                                                                                                                       renen Pflegekräften geleitet.
sich nun auf einen beruflichen      schwester begonnen und sich               der 29 Teilnehmerinnen und
Neubeginn. „Wir werden doch         dann um ihre Kinder geküm-                Teilnehmer haben bereits eine
alle hoffentlich alt“, sagt der     mert. „Das Grundwissen ist da.            Ausbildung im Sozialbereich.                                                             wird. In Eisenach sind derzeit
ausgebildete Kinderpfleger, der     Ich weiß wirklich, worauf ich             „Die beiden Gruppen sind sehr                                                            drei neue Einrichtungen für De-
auch eine Ausbildung zum Bü-        mich einlasse und möchte un-              motiviert und freuen sich auf ihr                                                        menzkranke im Bau und sollen
rokaufmann und zum Familien-        bedingt eine Arbeit im Pflege-            Praktikum am Ende der Quali-                                                             2011 fertig gestellt werden.
assistenten absolviert hat. „Ich    bereich haben“, sagt sie.                 fizierung“, sagt Röthig. Nach
habe überlegt, mich selbständig     Dass auch Teilnehmer ohne Er-             den Erfahrungen ähnlicher Qua-                                                           www.ziola.de
zu machen, doch dieses Ange-        fahrungen in der Pflege diesen            lifizierungen wird jeder zwei-                                                           www.esf-thueringen.de

AKTEURE 11 | 2010                                                                                                                                                                                            9
EXISTENZGRÜNDUNG

            Viel Verantwortung,
            Spaß, gute Nerven
Mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds wagten seit Beginn der aktuellen Förderperiode 2.268
Thüringer den Sprung in die Selbständigkeit. Eine von ihnen ist die Jenaerin Susanne Steininger. Sie erhält
eine einjährige Förderung. Seit Frühjahr dieses Jahres arbeitet die 41-Jährige als Tagesmutter.

E
        s ist 14.30 Uhr und          sich von „Susanne“. Vor allem      Gäste. „Wir gehen viel an die
        Noah* wartet auf seine       bei Studenten ist die Betreu-      frische Luft, füttern Enten, ma-
        Mama. Susanne Stei-          ung der frischen Tagesmutter       chen Musik“. Das Essen lässt
ninger trägt den Eineinhalb-         gefragt. Die Zeiten sind für       sie sich von einer Küche lie-
jährigen durch die Wohnung           Vollberufstätige auch wenig        fern, die Bioqualität anbietet.
mit den breiten Holzdielen ins       geeignet. „Meine Tageskinder       „So habe ich mehr Zeit für die
Spielzimmer, beruhigt ihn und        sind zwischen ein paar Mo-         Kinder“. Die Plätze für diese
setzt sich dann mit ihm auf den      naten und zwei Jahre alt. Zur      individuellere Betreuung der
bunten Teppich.                      Zeit gewöhnen sich die beiden      Kinder sind heiß begehrt und
                                     anderen noch ein, das ist schon    „schnell weg“, bei Susanne
                                     manchmal etwas anstrengender       Steininger wohl auch wegen
Füttern,Trösten,                     als sonst“, sagt sie gelassen.     der zentralen Lage in der Nähe
Spielen                              Als Tagesmutter zu arbeiten,       des Holzmarktes.
Ihr Arbeitstag ist fast vorbei.      liegt ihr im Blut. „Ich kann es
Sechs Stunden lang hat sie auf       nicht erklären, vielleicht liegt   Die kinderfreundliche Atmo-
ihre drei Tageskinder aufge-         es daran, dass meine Mutter        sphäre überzeuge dann auch
passt, mit ihnen gespielt, sie ge-   als Kindergärtnerin gearbeitet     viele Eltern. „Es ist schon fas-
füttert, getröstet, erklärt. Wenn    hat“. Susanne Steininger hat       zinierend, wie sich die Kinder
Noah* geht, hat sie Zeit für         dagegen erst Technische Zeich-     nach der Eingewöhnungs-
ihre eigenen Kinder, die sechs       nerin gelernt und anschließend     zeit voller Vertrauen an mich
und acht Jahre alt sind und jetzt    Sozialwesen studiert. Dass sie     wenden, Trost bei mir suchen,
schon in der Küche nebenan           viele Dinge bereits aus dem        wenn sie traurig sind“. Bis
spielen und reden. „Ich wollte       Studium kannte, habe ihr ge-       zum nächsten Tag müssen ihre
viel Zeit auch für meine Kin-        holfen. Alle Tagesmütter, die      beiden eigenen Kinder nun
der haben. Als Tagesmutter zu        in Thüringer kleine Kinder be-     die Mutter nicht mehr teilen,
arbeiten, ist ideal. Ich bin zu-     treuen und über die Jugendäm-      erst um halb neun wird wieder
hause auch ansprechbar, wenn         ter vermittelt werden, müssen      eine Mutter oder ein Vater an
die Kleinen noch da sind“, sagt      eine Ausbildung absolvieren.       der Tür stehen, Sachen reichen
sie und geht in den Flur.            Bis zu einem Jahr dauern die       und mit einem guten Gefühl
                                     Kurse mit Abschluss bei der        den Nachwuchs in die Pflege
                                     Thüringer      Sozialakademie.     der selbständigen Tagesmut-
Kleiner Nachwuchs                    „Schließlich müssen wir nach       ter geben. Beim Start in die
der Studenten                        dem Bildungsplan arbeiten“,        Selbständigkeit werden Exis-
ist gut versorgt                     sagt die Jenaerin.                 tenzgründer mit bis zu 600 €
Es hat geklingelt. Noahs* Mut-                                          monatlich über bis zu ein Jahr
ter ist es nicht. Der Vater des      Bio-Essen für die                  durch den Europäischen Sozi-
Jungen steht im Flur und sor-        kleinen Tageskinder                alfonds unterstützt.
tiert die Sachen: Ein Rucksack       Bestens geschult in Bereichen
mit den Lieblingsspielsachen,        wie Psychologie, Soziologie,
eine Tasche mit Wäsche. Noah         Pädagogik und musischer Er-        www.gfaw-thueringen.de
lässt sich von Susanne Steinin-      ziehung ist der Alltag dann        www.esf-thueringen.de
ger anziehen und verabschiedet       auch spannend für die kleinen      * Name geändert

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EXISTENZGRÜNDUNG

   Selbständige in Thüringen

   Im Jahr 2009 arbeiteten durchschnittlich 111.000 Erwerbstätige in Thüringen als Selbständige. Das waren 10 % aller Erwerbs-
   tätigen. Nach Informationen des Thüringer Landesamtes für Statistik lag der Anteil der weiblichen Selbständigen bei 32 %. Von
   den 35.000 weiblichen Selbständigen waren 21.000 im Dienstleistungsbereich tätig. Darunter allein 14.000 Frauen im Bereich
   der öffentlichen und privaten Dienstleistungen (z. B. Gesundheits- und Sozialwesen) sowie 11.000 im Handel und Gastgewerbe.
   Die Hälfte der Selbständigen gab an, ihre Erwerbstätigkeit nie zu Hause auszuüben. Weitere 33.000 Selbständige gehen Ihrer
   Tätigkeit manchmal zu Hause nach. Die verbleibenden 22.000 Erwerbstätigen sind hauptsächlich, d.h. mindestens die Hälfte der
   Arbeitstage, zu Hause tätig. Selbständige arbeiten mit einer durchschnittlich geleisteten Arbeitszeit von 42 Stunden pro Woche
   von allen Erwerbstätigen am längsten (zum Vergleich: Arbeiter 34 Wochenstunden; Angestellte 32 Wochenstunden). Rund jeder
   Fünfte arbeitet in der Woche 55 bis 69 Stunden. 18.000 Selbständige gaben an, eine Wochenarbeitszeit von 50 bis 54 Stunden zu
   haben. Weitere 15.000 Selbständige haben den Wunsch, mehr als gegenwärtig zu arbeiten.

   www.statistik.thueringen.de

                                                                                                                                     Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska

                                                                                                                                    11
AKTEURE 11 | 2010
QUALIFIZIERUNG

           Kreative Gestaltung
           und Verkaufserfolge
Ein eisiger Weihnachtsbaum im Herbst, faszinierendes Glas, ein Designerstuhl - vier Wochen lang
konnten die Besucher einer Bank in der Erfurter Innenstadt Exponate von „Gestaltern im Handwerk“
bewundern. Nach einem zweijährigen berufsbegleitenden Studium mit insgesamt 1200 Unterrichtsstun-
den haben acht Thüringer Handwerker ihre Weiterbildung bei der Handwerkskammer Erfurt zum „Ge-
stalter im Handwerk“ erfolgreich abgeschlossen. Der Bildungsgang wird mit ESF-Mitteln unterstützt.
                                                                            Foto: Handwerkskammer Erfurt

Die Weiterbildung zum „Gestalter im Handwerk“ eröffnet neue Chancen.

                                                                                                                                                                              Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
I
     m Mittelpunkt dieser Aus-           interessanten Studienganges.
     stellung stehen die Ab-             In den vier Semestern wer-
     schlussarbeiten von sechs           den die Handwerker in den
Gestaltern im Handwerk, die in           Bereichen Freihandzeichnen,
ihrer technischen Ausführung             Kunstgeschichte, Darstellende
und Formgebung eindrucks-                Perspektive,    Materialkunde,
voll eines deutlich machen: In           Grundlagen der Gestaltung,
den meisten Handwerksberu-               materialspezifisches Entwerfen,
fen macht erst die Einheit von           Entwerfen, Entwurf und Kons-
Funktion und Form ein gutes              truktion unterrichtet. Rechtli-
Produkt aus. Darüber hin-                che und betriebswirtschaftliche                                   Der Studiengang zum „Ge-         Lehrgang zum „Gestalter im
aus zeichnet die Ausstellung             Grundlagen für Design, Kom-                                       stalter im Handwerk“ wird        Handwerk“ begonnen. Nach
die wesentlichen Inhalte des             munikation, Marketing, Infor-                                     für Thüringer Teilnehmer aus     Angaben der Handwerkskam-
Lehrganges nach. Ton- und                matik und CAD, Entwurf und                                        Mitteln des Europäischen So-     mer Erfurt können Interessierte
Emailarbeiten, Natur- und Ob-            Konstruktion, berufsbezogene                                      zialfonds (ESF) entsprechend     noch einsteigen.
jektskizzen, technische Zeich-           Aufgabenstellung von Pro-                                         der Thüringer Weiterbildungs-
nungen und Plastiken wurden              dukten, Möbeln und Räumen                                         richtlinie gefördert. 80 % der
in den zwei Studienjahren ge-            stehen ebenfalls auf dem Stun-                                    förderfähigen Kosten werden
fertigt und geben Einblick in            denplan. Die in der Ausstellung                                   vom ESF übernommen.              www.hwk-erfurt.de
das umfangreiche und vielfäl-            präsentierten Produkte sind Teil                                  Bei der Handwerkskammer Er-      www.gfaw-thueringen.de
tige Themenspektrum dieses               der Prüfung.                                                      furt hat inzwischen der vierte   www.esf-thueringen.de

12                                                                                                                                                      AKTEURE 11 | 2010
QUALIFIZIERUNG

                                                                  Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
 Ulrich Thiele,
 Tischler aus Oßmannstedt

 „Stuhl Nr. 1“
 „Ich bin seit 30 Jahren Tischler, seit 10 Jahren selbständig.
 Mir hat die Ausbildung beim schwierigen Entwicklungspro-
 zess geholfen. Geometrische Formen so zu verbinden, dass
 die Funktion erhalten bleibt oder sogar zwei Sitzpositionen
 möglich sind, macht mich stolz.“

                                                                                                                                                                                       Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
                                                                  Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska

                                                                                                                      Danny Bartholmes,
                                                                                                                      Glasbläser aus Limbach

 Katrin Rose,
 Glasgestalterin und Glasmalerin aus Manebach
                                                                                                                      „Eis – eine Willkür der Natur“
                                                                                                                      „Mit der eigene Farb- und Formgebung hebe ich mich von der
 „Lichtfänger“                                                                                                        Masse ab. Nach meiner Lehre in Lauscha habe ich am liebsten
 „Mir ging es um spezielle Strukturen. Das in Scheiben ge-                                                            Artikel frei geformt. An einem normalen Arbeitstag stelle ich
 schnittene Glas nur mit Stein zu bearbeiten und dabei die Fas-                                                       500 bis 600 Stück Kugeln oder Zapfen für die Weihnachtsbäu-
 zination von einfachem Fensterglas zu zeigen, ist mir gelun-                                                         me auf der ganzen Welt her. Die Ausbildung zum Gestalter im
 gen. Das ist eine ungewöhnliche Arbeit, denn sonst restauriere                                                       Handwerk hat mir vor allem auch durch die Kontakte zu den
 ich Kirchenfenster oder Jugendstilscheiben.“                                                                         anderen Handwerkern viel gebracht.“

AKTEURE 11 | 2010                                                                                                                                                                 13
VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF

             Große Pläne
         nach der Familienzeit
 Nach der Elternzeit oder der Pflege von Familienangehörigen wartet auf viele nicht der geregelte Wie-
 dereinstieg in den alten Job. In Eisenach und der Wartburgregion gibt es rund 600 Alleinerziehende, der
 größte Teil von ihnen ist auf Sozialleistungen angewiesen. 14 von ihnen wollen dem ESF-Projekt „Inte-
 gration für Alleinerziehende und Berufsrückkehrer“ der Ziola GmbH einen Job finden.

                                        machen“, sagt sie selbstbe-       Vereinbarkeit von Familie und
                                        wusst. Nach ihrer Ausbildung      Beruf spielen eine Rolle. Die
                                        war sie selbständig und könn-     einjährige Qualifizierung bein-
                                        te sich vieles vorstellen, „nur   haltet auch drei Praktika bei den
                                        nicht im Büro“, vielleicht auch   Kooperationspartnern der Ziola
                                        im Garten- und Landschafts-       GmbH. Insgesamt konzentrie-
                                        bau. „Ich muss mit den Händen     re sich das Projekt auf bessere
                                        etwas selber machen, auch Re-     Betreuungsmöglichkeiten, eine
                                        staurationsarbeiten oder Stuck-   Verbesserung der Vorausset-
                                        arbeiten sind mein Ding“.         zungen für die Aufnahme einer
                                                                          Arbeit und auf die Motivation
                                        Katrin Illert ist eine von 14     der Teilnehmerinnen.
                                        Frauen, die seit September 2010
                                        in dem Integrationsprojekt auf
                                        den Wiedereinstieg in den Job     Chancen eröffnen,
                                        vorbereitet werden. Das Pro-      Mut machen, gute
                                                                          Beispiele zeigen

                                                                                                                                                   Fotos: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
                                        jekt wird mit knapp 130.000 €
                                        durch den Europäischen Sozi-      Katja Lemm, die in einem klei-
                                        alfonds unterstützt.              nen Dorf bei Eisenach lebt, will
                                                                          eine berufliche Chance finden.
                                        „Wir möchten Möglichkeiten        Die 36-Jährige ist seit über 14
                                        finden, Chancen eröffnen, Mut     Jahren Hausfrau. Ihre 14 und
                                        machen, die Unsicherheit neh-     acht Jahre alten Kinder erzieht
                                        men“, sagt Reiner Sippel von      sie allein. „Die beiden finden
                                        der Ziola GmbH in Eisenach.       es gut, dass ich nun unter Leute
                                        Zu den Teilnehmerinnen gehö-      komme, um mich neu zu ori-
 Katrin Illert ist „Handwerkerin“.      ren Alleinerziehende, die noch    entieren. Gern würde ich im         Katja Lemm will ins „Soziale“.

                                        nicht berufstätig waren und Be-   Sozialbereich arbeiten“, sagt

 M
                                        rufsrückkehrerinnen. „Es geht     Katja Lemm. Ihre Ausbildung
              ein Sohn ist jetzt fast   nicht vordergründig um fach-      zur Köchin habe sie kurz vor        Altersunterschiede und die ver-
              20 Monate alt und         praktische Inhalte, die meisten   dem Abschluss abgebrochen.          schiedenen Mentalitäten seien
„             ich möchte wieder         haben ja eine Ausbildung, wir     „ich versuche hier auch heraus-     sehr bereichernd. „Das Klima
  eine Arbeit haben“, sagt Kat-         bieten eine berufsübergreifen-    zufinden, was ich tun kann“.        hier ist gut, wir profitieren ja
  rin Illert. Die 26-Jährige wohnt      de Qualifizierung“. Dazu ge-      Sie wünsche sich einen Job, bei     auch gegenseitig von unseren
  in Eisenach und weiß, was sie         hören Angebote wie Coaching,      dem sie mit Menschen arbeiten       Erfahrungen, verstehen uns,
  möchte: „Ich habe als Raumaus-        Selbstmanagement, Englisch        kann. Katrin Illert, ihre Kurs-     weil wir die gleiche Wellenlän-
  statterin gearbeitet, warn früher     und EDV, Kompetenztrai-           Mitteilnehmerin, bestätigt sie:     ge haben“.
  auch viel auf Montage, habe im        ning, Bewerbungstraining und      „Katja ist geduldig, ruhig und
  Ladenbau und Bühnenbau gute           rechtliche Fragen. Aber auch      freundlich“, sagt sie. Die unter-
  Erfahrungen gemacht und will          Alternativen zu Betreuungs-       schiedlichen Erfahrungen der        www.ziola.de
  irgendetwas Handwerkliches            möglichkeiten, zur besseren       anderen aus der Gruppe, die         www.gfaw-thueringen.de

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BERUFSORIENTIERUNG

                 Berufsspaß in der
                  Schule stiften
Das „www“ steht bei der Bürgerstiftung Zwischenraum in Jena nicht nur für das Internet. „www“ steht
für „Wir werden was – Berufsorientierung durch bürgerschaftliches Engagement“. Seit 2008 ist die
Stiftung mit ESF-Unterstützung in Schulen aktiv – mit Hilfe vieler Ehrenamtlicher, die ihre Berufe ganz
praktisch erklären. Die Wünsche der Jungen und Mädchen spielen bei der Auswahl eine große Rolle.

W
            ir wollen die Schüler   schon von unserer Stiftungsar-

                                                                                                                                                   Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska
            von den 0815-Be-        beit, andere haben wir direkt
„           rufswünschen weg-       angesprochen und sie haben
bringen und konkrete Vor-           sofort zugesagt“. Durch eige-
stellungen fördern“, sagt Kati      nes Engagement ist Langenber-
Langenberger von der Bürger-        ger zu ihrem Job gekommen.
stiftung Zwischenraum. Da für       „Ich habe mich damals bei der
die wenigsten Schüler in Jena       Freiwilligenagentur gemeldet,
eine Karriere als „Model, Sän-      den ersten Freiwilligentag mit
ger und Rennfahrer“ realistisch     organisiert und dann als Elter-
erscheint, überzeugen die Mit-      zeitvertretung angefangen“, so       Kati Langenberger von der Bürgerstiftung Zwischenraum

arbeiter der Stiftung mit Be-       die Diplom-Sozialpädagogin.
rufsbildern, die ganz praktisch     Mit dem Berufsorientierungs-
vorgestellt werden. „Wir konn-      projekt sollen die Kinder und            Über die Stiftung
ten schon einen Tierarzt, einen     Jugendlichen angeregt werden,
Bäcker, einen Elektroniker,         über ehrenamtliche Tätigkeit             Die Bürgerstiftung Zwischenraum in Jena existiert im 8.
eine Erzieherin und sogar einen     ihren Berufswunsch zu finden.            Jahr und engagiert sich u. a. auch für Lesepatenschaften.
Bestatter gewinnen“, sagt Lan-      „Es braucht schon Überzeu-               Über 70 Lesementoren sind an den neun Schulen und ei-
genberger und erklärt, dass vor     gung. Oft ist es ja so, dass junge       nem Hort in Jena aktiv. In den Kindergärten arbeiten 21
allem der Besuch des Tierarz-       Menschen, die bereits engagiert          Vorlesepaten der Stiftung ehrenamtlich. Die Freiwilligen-
tes in Begleitung eines Hundes      sind, sich dann noch für etwas           agentur engagiert sich im sozialen Bereich, für den Natur-
eine beliebte Stunde der insge-     anderes engagieren“. Einige              und Umweltschutz. Nach einem Beratungsgespräch mit ei-
samt 14 www-Stunden ist.            Schüler hat das Projekt bereits          nem potentiellen Freiwilligen werden aus einer Datenbank
                                    in die Freiwilligenagentur Juni-         entsprechende Gesuche ausgewählt.
Neun Berufe werden vorge-           or vermittelt oder auf die Idee          Die Stiftung wird von der Stadt Jena, der Thüringer Ehren-
stellt. Die freie Ganztagsschule    gebracht, eigene Ideen zu ent-           amtsstiftung, Spenden und durch Projektmittel des ESF und
in Milda, das Förderzentrum in      wickeln. „In Milda wollten die           der Agentur für Arbeit finanziert. Die Stiftung hilft mit Ver-
Hainspitz und das Ernst-Abbe-       Schüler den Wald an der Saale            anstaltungen wie dem „Marktplatz gute Geschäfte“, Unter-
Gymnasium in Jena nehmen            aufräumen. Andere arbeiten               nehmen und Vereine zusammenzubringen. „Geld ist immer
an dem Projekt teil. „Natürlich     nun im Tierschutzverein mit“.            Tabu. Unternehmen schenken einem Verein beispielsweise
stellen wir in einem Gymnasi-       Auch für Berufe, die nicht für           Computer, Schreibtische oder ein altes Faxgerät und erhal-
um andere Berufe vor als in der     alle hochinteressant sind, ver-          ten dafür im Gegenzug ein musikalisches Programm für die
Förderschule. Aber gerade bei       sucht Langenberger, Ansprech-            Firmenfeier“, so Langenberger.
den Förderschülern haben wir        partner zu finden, wie zum               Auch ungewöhnliche Versteigerungen zugunsten von Ver-
den Eindruck gewonnen, dass         Beispiel für einen Schüler, der          einen werden organisiert. „Es werden unkäufliche Gele-
es für sie besonders wichtig        einen Nachmittag mit einem               genheiten angeboten – eine Nacht im Möbelhaus oder eine
ist, das Ziel ihrer Bemühungen      Historiker verbringen durfte.            Windrad-Besteigung“.
hautnah zu erleben“, erklärt
Langenberger und freut sich
über die Unterstützung der Un-      www.gfaw-thueringen.de                   www.stiftung-zwischenraum.de
ternehmen: „Viele kannten wir       www.esf-thueringen.de

AKTEURE 11 | 2010                                                                                                                             15
BESCHÄFTIGUNG

     Klassik zum Anfassen
Der ESF unterstützt in der laufenden Förderperiode viele Projekte der Klassik Stiftung Weimar. Von ei-
nem profiieren vor allem die jüngeren Besucher des Schillerhauses. Vom 1. August 2008 bis zum 31. Juli
2011. werden zwei Mitarbeiter des Studiolos gefördert, einer von ihnen ist Matthias Möhl. An fünf Tagen
in der Woche begleitet der 47-Jährige die Fächerwerkstatt, hilft Interessierten beim Silhouettieren, be-
treut die Schreibwerkstatt und bietet Hilfe beim Kutschen- und Maskenbau an.

D
         as im Schiller-Jubilä-
         umsjahr 2005 aufge-                                                                                                         Die Klassik-Stiftung und der ESF
         baute Studiolo ist in-
zwischen zu einem festen Teil                                                                                                        Vom 1. Februar 2008 bis 31. Dezember 2010 finanziert der
                                                                              Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska

der      museumspädagogischen                                                                                                        ESF den Umzug und die Inbetriebnahme des Stammhau-
Arbeit der Klassik Stiftung Wei-                                                                                                     ses der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Vom 1. August
mar geworden. Kinder, Jugend-                                                                                                        2008 bis 31. Juli 2011 finanzieren der ESF und das Land
liche, aber auch Erwachsene                                                                                                          die Buchpflege in der Anna Amalia Bibliothek. Hauseigene
können sich in der Werkstatt                                                                                                         Restauratoren und Buchbinder leiten diese Arbeiten an.
praktisch ausprobieren. Der                                                                                                          Vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2011 finanzieren der ESF
Weg ins Studiolo ist einfach                                                                                                         und das Land Thüringen die Erfassung und Erschließung
zu finden. Im ersten Stock des                                                                                                       der Zeitungsausschnittsammlung des Nietzsche-Archivs
Schillerhauses wartet Mathias                                                                                                        im Goethe-Schiller-Archiv. Die Sammlung umfasst 75 Ar-
Möhl an einem der großen Ti-        Matthias Möhl arbeitet im Schillerhaus.                                                          chivkästen mit ca. 150 Zeitungsausschnitten pro Kasten.
sche mit den vielen Stühlen für                                                                                                      Das Projekt mit der größten finanziellen Zuwendung der
die Besucher. Der 47-Jährige ar-    schnitten, das Schreiben mit                                                                     ESF und dem Land Thüringen ist die Parkpflege in den his-
beitet gern hier. Bei der Klassik   Federn für Sütterlinschriftstü-                                                                  torischen Parkanlagen vom 1.09.2008 bis 31.08.2011. Die
Stiftung ist er seit fünf Jahren    cke, Gestalten von Rokoko-                                                                       Klassik Stiftung Weimar betreut sieben historische Parkan-
beschäftigt. „Damals wurden         rahmen, eine Maskenwerkstatt                                                                     lagen und sechs Museumsgärten nach gartendenkmalpfle-
künstlerisch interessierte Leu-     und Gipsarbeiten angeboten. In                                                                   gerischen Zielsetzungen. Es handelt sich um ca. 140 ha
te gesucht, die in der Werkstatt    den ersten sechs Monaten die-                                                                    Die Verbesserung bzw. Instandhaltung der Rad- und Wan-
arbeiten wollen“. Möhl war zu       ses Jahres kamen 6000 kleine                                                                     derwege im Ilmtal und im Possenbachtal Weimar/Belvede-
diesem Zeitpunkt arbeitslos und     und größere Gäste ins Studiolo.                                                                  re wird vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2011 aus ESF- und
seine Chancen auf dem Arbeits-      „Wir betreuen zusammen mit                                                                       Landesmitteln unterstützt. Die Parkanlagen gehören zum
markt nicht groß. Als gelernter     den Museumspädagogen Schul-                                                                      UNESCO-Weltkulturerbe und stehen unter besonderem
Schlosser und Stuckateur hät-       klassen, die beispielsweise ei-                                                                  Schutz.
te er einen Job gefunden, aber      nen Scherenschnitt mit einem
durch eine Erkrankung konnte        Pantographen herstellen“.                                                                        www.klassik-stiftung.de
er nicht mehr auf einer Baustel-    Die guten Nerven für diese Ar-                                                                   www.gfaw-thueringen.de
le arbeiten. „Einen Handwerker,     beit hat der Vater eines 13jäh-
der nicht voll belastungsfähig      rigen Jungen. „Die Kinder sind
ist, nimmt keiner“. Inzwischen      unterschiedlich, die Mädchen                                                                  gefertigt und die Kinder können    den beiden Weimarer Klassikern
hat die Arbeit im Studiolo nicht    sind eher begeistert, es gibt aber                                                            die Formen dann einfach mit        ist mir Schiller näher, Wilhelm
nur einen Job, sondern auch vie-    auch Jungs, die voller Eifer mit-                                                             Gips füllen“, erklärt Möhl.        Tell mag ich auch sehr“.
le Hobbys gebracht. „Natürlich      machen“.                                                                                      In der kleinen Werkstatt erfah-    Die Arbeiten, die die Besucher
habe ich früher viel Handwerk-      Auch die Fächerwerkstatt und                                                                  ren die Besucher auch mehr über    zusammen mit Mathias Möhl
liches gemacht, hier habe ich       das Fertigen von griechischen                                                                 die Farbenlehre, können sich an    herstellen, sind in vielen Kin-
gelernt, auch mehr zu kommu-        und römischen Göttern in Gips                                                                 Prismenversuchen ausprobieren,     derzimmern zu finden. Auf
nizieren und ein großes Interesse   werden gern gebucht, zum Bei-                                                                 eine Postkutsche basteln oder      seine ehemaligen Arbeiten als
für Geschichte und Literatur zu     spiel für Kindergeburtstage.                                                                  in der Theaterwerkstatt Köpfe      Handwerker kann Möhl auch
entwickeln“.                        „Die Formen für die Götter in                                                                 für Handpuppen modellieren,        ab zu einen Blick werfen. „Ich
Für die Besucher, die sich aus-     Gips habe ich hergestellt, ich                                                                zum Beispiel für Schillers „Der    habe damals am Reithaus und
probieren wollen, werden Ar-        war ja Stuckateur. Aus dem Ton-                                                               Handschuh“. „Das ist ein sehr      am Shakespeare-Denkmal mit-
beiten an historischen Scheren-     modell wird ein Silikonmodell                                                                 schönes Gedicht, so fassbar. Von   gearbeitet“.

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