AKTEURE - Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Frauen und Existenzgründung
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AKTEURE Zeitschrift des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie zum Europäischen Sozialfonds Perspektiven in Thüringen Fachkräftestudie Jobchance Sozialwirtschaft Ausgabe Frauen und Existenzgründung Nr. 11 4. Ausgabe 2010 3. Jahrgang
Alles Große hat mal klein angefangen! D er Thüringer Mikr ok unterstützt Existe redit nzg und Selbstständig ründer Mehr Informationen e. unter 0361 / 7 447 699 oder www.mikrofinanzagentur- thueringen.de
editorial Sehr geehrte Leserinnen und Leser, das Jahr 2010 war für Thüringen ein gutes Jahr. Die konjunkturelle Ent- Das alles zeigt: Thüringen macht wieder eine Politik für Gute Arbeit, die wicklung wirkte sich positiv auf den Thüringer Arbeitsmarkt aus. Die Schwächere nicht zurücklässt, sondern ihnen neue berufliche Perspek- Arbeitslosigkeit war über das gesamte Jahr hinweg deutlich rückläufig. tiven bietet. Einen entscheidenden Beitrag dazu leistet der Europäische Die Zahl der Arbeitslosen lag im November um rund 20.000 unter dem Sozialfonds (ESF). Im September hat Thüringen der EU-Kommission Vorjahreswert, im Oktober wurde erstmals die Zahl von 100.000 Arbeit- den Schlussbericht über die ESF-Förderung in der Förderperiode 2000 suchenden unterschritten. Die Arbeitslosenquote erreichte mit 8,4 Prozent bis 2006 vorgelegt. Die Bilanz ist beeindruckend: 882 Millionen Euro einen neuen Tiefststand. Thüringen zählte zu den Bundesländern mit der standen dem Freistaat aus dem ESF zur Verfügung, insgesamt konnten da- günstigsten Entwicklung bei der Erwerbstätigkeit. Mit 1,03 Millionen Er- mit mehr als 256.000 Personen unterstützt werden, u.a. 112.000 Jugendli- werbstätigen wurde der Vorjahreswert im dritten Quartal um 1,3 Prozent che und 54.000 Langzeitarbeitslose. Für mehr als 17.000 Schulabgänger übertroffen. Die Erwerbstätigenquote liegt mit 71,1 Prozent erstmals über wurde mit ESF-Mitteln der Zugang zu einer Erstausbildung ermöglicht, dem westdeutschen Durchschnitt. mit Einstellungshilfen wurde die Beschäftigung von fast 16.000 schwer vermittelbaren Arbeitslosen gefördert. Grund zum Jubel gibt es angesichts solcher Zahlen aber noch nicht: Die strukturelle Spaltung des Arbeitsmarkts besteht weiter, vor allem Ältere, Diese Zahlen macht deutlich: Der ESF ist das wichtigste arbeitsmarktpoli- Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende oder gering Qualifizierte profitie- tische Instrument im Freistaat Thüringen. Wie es eingesetzt wird, darüber ren noch zu wenig von der positiven Wirtschaftsentwicklung. Die Ab- wollen wir Sie mit der vorliegenden Zeitschrift regelmäßig informieren. wanderung vor allem jüngerer Menschen aus Thüringen hält an. Zudem Ab der kommenden Ausgabe wird ihr Titel „Gute Arbeit – ESF-Zeitschrift werden die insgesamt erfreulichen Arbeitsmarktdaten nicht zuletzt durch für die Akteure des Arbeitsmarkts“ lauten, und mit diesem Titelwechsel eine drastische Zunahme prekärer Beschäftigung erkauft – so stieg die verbunden ist eine gründliche Überarbeitung von Konzept und Layout. Zahl der Beschäftigten in der Leih- und Zeitarbeit in Thüringen im dritten Nicht ändern wird sich die dagegen klare Ausrichtung auf den ESF und Quartal weit überdurchschnittlich um 42,1 Prozent. auf die Akteure, die ESF-Programme und –Projekte umsetzen. Sie möch- ten wir als unsere Leserinnen und Leser weiterhin mit allen notwendigen Das alles sind Entwicklungen, die Interventionen durch eine gestaltende Informationen rund um die Arbeitsmarkt-, Berufsbildungs- und Sozialpo- Arbeitsmarktpolitik auch weiterhin notwendig machen. Die Thüringer litik im Freistaat Thüringen versorgen. Landesregierung leistet ihren Beitrag dazu: • Wir haben uns gegen die Pläne der Bundesregierung erfolgreich dafür Ein erfolgreiches und glückliches Neues Jahr 2011 wünscht Ihnen eingesetzt, dass die bewährte einheitliche Betreuung von Langzeitar- beitslosen in den Jobcentern erhalten bleibt. • Am 5. Mai ist das Landesarbeitsmarktprogramm in Kraft getreten. • Seit Juni wird in Thüringen das Bundesprogramm Bürgerarbeit umge- setzt. Matthias Machnig • Im Dezember ist die verfassungsrechtlich bedenkliche Hartz-IV-Re- Thüringer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie form der Bundesregierung im Bundesrat gescheitert – auch weil Thü- ringen dem Gesetzentwurf seine Zustimmung verweigert hat. • In der „Konzertierten Aktion“ entwickeln wir seit Februar gemeinsam mit Wirtschaft und Gewerkschaften Strategien gegen Abwanderung, Fachkräftemangel und niedrige Tarifbindung. • Mit dem im August vom Thüringer Kabinett verabschiedeten „Aktions- programm Fachkräftesicherung und Qualifizierung“ sollen u.a. gering Qualifizierte neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten. AKTEURE 11 | 2010 1
INHALTSVERZEICHNIS Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska 08 | Von der Ausgebildeten zur Ausbilderin Die Themen Fachkräfte Pilotprojekte und 01 | Editorial 04 | Qualifizierung und Nachhaltigkeit Fachkräftesicherung 08 | Von der Ausgebildeten 26 | News zur Ausbilderin Fachkräfte 29 | Impressum 06 | Jobchance Sozialwirtschaft Qualifizierung 09 | Jobchance Betreuung Fachkräfte 07 | Interview mit Existenzgründung Prof. Dr. Michael Behr 10 | Viel Verantwortung, Spaß, gute Nerven 2 AKTEURE 11 | 2010
INHALTSVERZEICHNIS Foto: Der PARITÄTISCHE Thüringen Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska ESF in Thüringen 24 | ESF auf Schienen Existenzgründung 18 | Die Kerze mit der Pauke Qualifizierung Existenzgründung Chancengleichheit 12 | Kreative Gestaltung und 17 | Gründung innovativ 23 | CORAs Bergfest Verkaufserfolge Existenzgründung ESF in Thüringen Vereinbarkeit von 18 | Die Kerze mit der Pauke 24 | ESF auf Schienen Familie und Beruf 14 | Große Pläne nach Existenzgründung ESF und Unternehmen der Familienzeit 20 | Schub für Gründer 25 | Ernst-Abbe-Preis für und Kleinunternehmer innovativen Unternehmer Berufsorientierung mit sozialem Engagement 15 | Berufsspaß stiften Qualifizierung 22 | Thüringen als Beschäftigung Weiterbildungsmeister 16 | Klassik zum Anfassen AKTEURE 11 | 2010 3
FACHKRÄFTE Qualifizierung und Fachkräftesicherung Eine gute Förderbilanz konnte auf der ESF-Jahreskonferenz 2010 im Weimarer congresscentrum vorgestellt werden. Bisher wurden mit 587 Mio. € rund 56 % der in der aktuellen Förderperiode zur Verfügung stehenden Mittel bewilligt. Rund 76.000 Thüringerinnen und Thüringer profitierten davon. I nsbesondere Ältere sol- rungsgrundlagen, um auch ab ein Rückfall auf das Niveau der informierten sich rund 90 len künftig stärker von der 2014 die Potenziale voll aus- 1990er Jahre“, erklärte die GD- Gäste der Veranstaltung. Udo Förderung profitieren. Der schöpfen zu können. Das Motto Referatsleiterin. Die EU sähe Philippus vom Thüringer Wirt- Anteil von über 55-Jährigen laute: „In Thüringen ausbilden sich nach der Krise mit einem schaftsministerium kündigte bei der beruflichen Integrati- und in Thüringen arbeiten“, so niedrigeren Wachstumspoten- eine unternehmerfreundlichere on liegt bei 8,5 %. „Wir haben der Minister. zial, einem Produktivitätsge- Gestaltung der Weiterbildungs- ein großes Potenzial von Men- fälle, demografischer Alterung, richtlinie an. So soll es künftig schen, die noch zehn Jahre im Die Referatsleiterin Deutsch- Armut und einem begrenzten auch möglich werden, mit Pau- Berufsleben stehen“, so ESF- land, Österreich und Slowenien finanziellen Spielraum kon- schalen die Weiterbildung ein- Fondsverwalter Gerd Fuchs. in der Generaldirektion (GD) frontiert. Zudem verschärfen zelner Arbeitnehmer zu fördern. 8,5 % der geförderten Thürin- für Beschäftigung, soziale An- sich die globalen Herausforde- Thematisiert wurden in diesem gerinnen und Thüringer waren gelegenheiten und Chancen- rungen wie der steigende Wett- Zusammenhang auch geeignete älter als 50 Jahre. Am stärksten gleichheit, Manuela Geleng, bewerbsdruck und knappe Res- Konzepte für ältere Arbeitneh- profitierte diese Altersgruppe warnte in Bezug auf die Ge- sourcen. Die EU-Kommission mer. Im Sinne der Lissabons- von der Förderung in struktur- samtsituation des Arbeitsmark- setzt nun auf eine neue Stra- trategie und angesichts des wirksamen Beschäftigungspro- tes in der Europäischen Union tegie. „Europa 2020“ hat das Fachkräftebedarfs sollten ge- jekten (27,8 % der Teilnehmer vor zu viel Euphorie. „Die Wirt- Ziel, intelligentes, nachhaltiges rade auch über 50-Jährige ver- waren älter als 50) und bei der schaftskrise hat die Fortschritte und integratives Wachstum und stärkt Weiterbildungsangebote Förderung der beruflichen Inte- der letzten Zeit zunichte ge- damit auch eine hohe Beschäf- nutzen können. Die noch recht gration (17,4%). macht“, so Geleng. EU-weit tigungsquote zu erreichen. junge Förderung von FuE- sind derzeit 23 Mio. Menschen Personal hat sich in Thüringen Seit 2008 werden über den Eu- arbeitslos. Die Kommission gut entwickelt. Unternehmen, ropäischen Sozialfonds auch geht von einem Anstieg der Ar- Die Workshops Studenten, Absolventen oder Projekte zur Förderung von beitslosigkeit auf über 10,3 %, Über die Aus- und Weiterbil- Fachkräfte profitieren von den Forschung und Entwicklung bei der Jugendarbeitslosigkeit dung in Unternehmen und die Programmen Thüringen-Sti- unterstützt. 157 Unternehmen sogar über 21 % aus. „Das ist Förderung von FuE-Personal pendiums Plus und Entsendung profitierten von der Hilfe durch von F- und E-Personal. Innovationsassisten, Thürin- Thematisiert wurden auch neue gen-Stipendiaten (Thüringen Ansätze für die Integration von Stipendium und Thüringen Strategie Europa 2020 – die Kernziele Schul- und Ausbildungsabbre- Stipendium plus) sowie durch chern. Technologiescouts. Rund 3,8 - Anstieg der Beschäftigungsquote auf Die „Soziale und berufliche Mio. € ESF-Mittel standen da- mindestens 75 % (20- bis 64-Jährige) Integration mit Hilfe des ESF“ für zur Verfügung. „Der ESF ist - 3 % des BIP für Forschung und Entwicklung stand im Mittelpunkt des Work- für die ostdeutschen Länder ei- - Erreichung der 20-20-20-Klimaschutz- und shops B. „Geplant ist die Inte- nes der wichtigsten Instrumen- Energieziele grationsrichtlinie weiter für die te, um Bildung, Beschäftigung - Absenkung der Schulabbrecherquote auf unter 10 %, soziale Integration zu öffnen“, und soziale Eingliederung zu Erhöhung des Anteils der 30- bis 34-Jährigen mit erklärte Moderator Gerd Fuchs. fördern“, so Wirtschaftsmi- Hochschulstudium auf mindestens 40 % Die 2009 ins Leben gerufe- nister Machnig. Thüringen - Verminderung der Armut (20 Mio. Menschen ne ESF-Initiative TIZIAN des brauche klare Rahmenbedin- sollen vor dem Risiko bewahrt werden) Thüringer Sozialministeriums gungen und stabile Finanzie- mit insgesamt 37 Projekten bei 4 AKTEURE 11 | 2010
FACHKRÄFTE 31 Trägern soll auch 2011 und 2012 von Armut betroffenen Eltern bei der Wiedereinglie- derung helfen. Bei der Integra- tion von Langzeitarbeitslosen plädierten Workshopteilnehmer für individualisierte Begleitung, gerade bei Menschen „mit mul- tiplen Vermittlungshemmnis- sen“. Beschäftigung für diesen Personenkreis sei zum Beispiel in „sozialen Wirtschaftsbetrie- ben“ zu finden. Auch der Man- gel an Erzieherinnen in Thü- ringen wurde diskutiert. „Wir müssen dieses Thema gezielt verfolgen“, so der ESF-Fonds- verwalter. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Aufstiegs- chancen von Frauen wurden im dritten Workshop der ESF- Jahrestagung behandelt. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Standortfaktor“, erklärte Dr. Cornelia Haase- Lech von der IHK Erfurt. Es sei immer noch nötig, die Un- ternehmen für dieses Thema zu sensibilisieren. Die Teil- nehmerinnen und Teilnehmer diskutierten Ideen wie eine Anlaufstelle für alle Fragen der Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska Vereinbarkeit einschließlich der Kinderbetreuung und die Einrichtung eines Netzwerks für Mütter. Fachkräftestudie Auf der ESF-Jahreskonferenz wurde auch die aktuelle Fach- kräftestudie des Instituts für So- Eine gute Bilanz, eine europäische Strategie, Workshops und die aktuelle Fachkräftestudie – zur ESF-Jahreskonferenz kamen 400 Gäste. ziökonomische Strukturanaly- sen (SÖSTRA) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums vorge- großes Angebot an Arbeitneh- bereits geeignete Instrumente Berufe (+13.300), Gesundheits- stellt. Bis zum Jahr 2020 wer- mern. Dazu zählen neben den entwickelt. Zudem müsse sich dienstberufe (+12.500), Waren- den in Thüringen 200.000 neue Absolventen der beruflichen Thüringen künftig stärker auch kaufleute (+9.000) und Techni- Arbeitskräfte benötigt. Für Un- und akademischen Ausbil- um die Berufsrückkehrer sowie ker (+5.800). Berufe mit einem ternehmen und Standorte wer- dung vor allem rund 100.000 die per Saldo rund 75.000 Aus- Bedarf von mehr als 4.000 de es schwerer, Fachkräfte zu Arbeitslose. „Deshalb müssen pendler bemühen. neuen Fachkräften sind Lehr- gewinnen und zu halten: Schon wir alle Anstrengungen darauf berufe, EDV-Berufe, Unterneh- jetzt gibt jedes fünfte Unterneh- konzentrieren, die vorhandenen Laut Fachkräftestudie entsteht mensführung und Management, men laut Studie an, dass offene Fachkräftepotentiale besser zu die größte Arbeitskräftenach- Ingenieure, Reinigungs- und Stellen nicht besetzt werden erschließen“, erklärte Mach- frage in der Industrie und in Entsorgungsberufe, Lager- und konnten, so Wirtschaftsminister nig. Dazu habe die Landesre- den Gesundheits- und Sozialbe- Transportberufe sowie Land- Matthias Machnig. gierung mit dem Aktionspro- rufen. Die Tätigkeitsfelder mit und Forstwirtschaftsberufe. Die Studie zeigt allerdings gramm „Fachkräftesicherung dem größten Bedarf sind die Bü- auch: Zumindest rechnerisch und Qualifizierung“ und dem roberufe (+21.500), Metallberu- www.thueringen.de/de/tmwat gibt es noch ein ausreichend Landesarbeitsmarktprogramm fe (+16.500), sozialpflegerische www.esf-thueringen.de AKTEURE 11 | 2010 5
FACHKRÄFTE Viele Jobchancen in der Thüringer Sozialwirtschaft In der Gesundheits- und Sozialwirtschaft gibt es bis 2020 einen Bedarf von rund 43.000 Fachkräften. Das belegt eine Studie der FSU Jena im Auftrag des Wirtschaftsministeriums. Dieser Bereich muss sich neben der sinkenden Zahl von Ehrenamtlichen und Zivildienstleistenden zudem mit einem Imageprob- lem auseinandersetzen. Eine Tagung der Friedrich Ebert Stiftung zeigte Chancen und Risiken auf. Die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung sind derzeit Gründe für mangelnde Interessenten. Foto: www.istockphoto.com Helfende Hände sind in der Sozialwirtschaft gefragter denn je – bis 2020 werden rund 43.000 Fachkräfte benötigt. W ir erleben einen Ar- und eine Kultur der Integration de in diesem Bereich logisch. gebildete Pflegekräfte würden beitsmarkt, der im zu fördern. Den allgemeinen Doch Arbeitskräfte zu finden, aufgrund des Lohnniveaus das „ demografischen Rü- Entwicklungen am Arbeits- ist nicht leicht. Thomas Voß Land verlassen. Bereits heute ckenwind steht“, sagte Prof. markt folgt auch die Sozialwirt- von ver.di sieht vor allem das sind der Studie zufolge zwei Michael Behr, der die Studie schaft, mitunter mit noch dra- Lohngefüge in der Sozialwirt- Drittel der Unternehmen in der damals im Auftrag des Wirt- matischeren Zahlen: Allgemein schaft als Bremse: „Der nied- Sozial- und Gesundheitswirt- schaftsministeriums erstellte. sind 28 % der Beschäftigten in rige Lohn und die Arbeitsbe- schaft mit einem Mangel an Die Zahl der Renteneintritte Thüringen älter als 55 Jahre, dingungen spielen eine große Fachkräften konfrontiert, jede habe sich verdoppelt, die Zahl in der Sozialwirtschaft sind es Rolle. Wir müssen den Wert vierte Einrichtung beklagt ei- der Nachwuchskräfte halbiert. 36 %. In den kommenden fünf dieser Arbeit neu definieren“, nen generellen Mangel, weitere Das Qualifikationsniveau der Jahren erreicht jeder achte Be- so Voß. Der Landesgeschäft- 37 % haben mit qualifikations- neuen Rentner ist besonders schäftigte das Rentenalter, 2020 führer des PARITÄTISCHEN und berufsspezifischen Rekru- hoch und damit werde eine Lü- bereits jeder fünfte. Rund 43.00 Thüringen, Reinhard Müller, tierungsengpässen zu tun. cke gerissen, wenn es um Jobs Fachkräfte werden in den kom- hält einen generellen Image- Die Studie zur Fachkräfteent- geht, die eine höhere Qualifi- menden 15 Jahren gebraucht, wechsel der Branche für erfor- wicklung in der Thüringer Ge- kation erfordern. In Thüringen um Stellen neu zu besetzen. derlich. „Die Sozialwirtschaft sundheits- und Sozialwirtschaft ginge es darum, den Anteil an Neben dem Ersatzbedarf sind ist nicht nur ein Kostenfaktor“, kann über www.paritaet-th.de Erwerbstätigen stabil zu halten Beschäftigungszuwächse gera- so Müller. In Thüringen aus- bezogen werden. 6 AKTEURE 11 | 2010
QUALIFIZIERUNG Für eine gute soziale Infrastruktur einer neuen Kultur der Integra- Prof. Dr. Michael Behr, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik tion. Darin sehe ich durchaus und Berufliche Arbeit im Thüringer Ministerium für Wirt- etwas Gutes. Unternehmen, die schaft, Arbeit und Technologie im „AKTEURE“-Interview personalpolitisch gut aufgestellt zu Berufschancen in der Sozialwirtschaft und dem Thüringer sind und bessere Erschließungs- Arbeitsmarkt. strategien für verschiedenste Arbeitskräftegruppen haben, die bessere Bindungspolitiken und Anreizstrukturen haben, werden im Vorteil sein. Der neue Wettbe- Akteure: Sind die Handlungs- sozialen und menschlichen Infra- werb um Fachkräfte, aber auch empfehlungen, die Sie in Ihrer struktur des Freistaats Thüringen um geschickte und motivierte Prof. Michael Behr Studie zur Personalentwicklung hinaus. Zudem verschärft die Angelernte wird uns dem Ziel in der Sozialwirtschaft geben, enge Personaldecke die ohnehin „guter Arbeit“ näherbringen. der Wende regelrecht einen er- auch auf andere Bereiche über- auch im Rahmen der Studie the- Diese neue Kultur der Arbeit in werbsbiographischen Filmriss tragbar, zum Beispiel die Frage matisierten psychischen Belas- Thüringen kann ein Standortfak- erlebten und nie wieder in regu- der Entlohnung? tungen der Arbeitskräfte. Dem tor werden. läre Arbeit kamen. Wer aktive Prof. Behr: Zukunftsfähige Mangel an Arbeitskräften muss Akteure: Das Landesarbeits- Arbeitsmarktpolitik für diese Beschäftigungsstrukturen set- daher mit einer Vielzahl von marktprogramm zielt vor allem Beschäftigtengruppen, wie sie zen eine angemessene Entloh- Maßnahmen begegnet werden, auf die Integration von Ge- das LAP vorsieht, ablehnt, ver- nung, Vertragssicherheit und wobei die Qualität der Arbeit ge- ringqualifizierten und Langzeit- sündigt sich nicht nur an den Aufstiegsperspektiven voraus. nauso wichtig ist, wie vermehrte arbeitslosen. Sie sprechen von Menschen, die ohnehin einen ho- Die Beschäftigungs- und Ent- Anstrengungen in der Aus- und einer Kultur der Integration. Wie hen Preis für eine unverschuldete lohnungsstrukturen in der Sozi- Weiterbildung sowie der Image- sieht der Thüringer Arbeitsmarkt soziale Lage gezahlt haben, son- alwirtschaft sind nicht anders als politik für Sozialwirtschaftliche nach Ihrer Ansicht in zehn Jah- dern lässt auch Erwerbsperso- die in der Privatwirtschaft durch Berufe. ren aus? nenpotential ungenutzt, das von eine für Arbeitgeber besonders Akteure: Der Arbeitsmarkt in Prof. Behr: Ich habe es an- der Wirtschaft wieder gebraucht günstige Sondersituation auf Thüringen hat sich positiv entwi- gedeutet. In den vergangenen wird. Denn interessanterweise dem Arbeitsmarkt geprägt. Mit ckelt, das Zukunftsszenario mit Jahren sind viele arbeitswillige profitieren in den letzten Jahren den veränderten Rahmenbedin- allen Folgen der demografischen Menschen Opfer struktureller nicht nur die Fachkräfte sondern gungen und der zunehmenden Entwicklung sieht eher düster Verwerfungen im Beschäfti- auch engagierte Angelernte von Personalknappheit werden aus aus, was kann die Arbeitsmarkt- gungssystem Ost geworden die der zunehmenden Arbeitskräf- vermeintlichen Stärken eher politik ausrichten und welche unter „normalen“ Arbeitsmarkt- tenachfrage gut aufgestellter Be- Defizite, die abgebaut werden Hausaufgaben müssen andere, bedingungen entweder nie ar- triebe im verarbeitenden Gewer- müssen. Dazu gehört auch das zum Beispiel auch die Unterneh- beitslos geworden, oder schnell be, im Handwerk, aber auch dem deutliche Einkommensgefälle zu men, erledigen? wieder in Beschäftigung gelangt Dienstleistungssektor. Wenn es anderen Bundesländern. Prof. Behr: In der Tat sind wären. Der demographische Rü- gelingt, Fachkräftemangel zu Akteure: Die Studie haben Sie mit den demographisch beding- ckenwind auf dem Arbeitsmarkt, verhindern und auch Angelernte damals im Auftrag des Wirt- ten Veränderungen besonders der jetzt einsetzt, bedeutet nichts oder Berufsfremde teilhaben zu schaftsministeriums erstellt, nun in Ostdeutschland beträchtliche anderes, als dass wir in die Lage lassen, dann haben wir Chancen sind Sie als Abteilungsleiter für Risiken verbunden. Der verren- geraten, diesen Menschen eine auf das Erreichen positiver Kenn- Arbeitsmarktpolitik verantwort- tungsbedingte Verlust an Erfah- zweite Chance zu organisieren. ziffern auf dem Arbeitsmarkt, die lich. Was sind die drängensten rungsträgern bei gleichzeitig Dies gilt für die geburtenstarken imagepolitisch von größter Be- Aufgaben? stark abnehmenden Nachwuchs- Jahrgänge der um 1980 gebore- deutung wären und nicht zuletzt Prof. Behr: Ein Mangel an jahrgängen zwingt uns zu einem nen, die oft keine angemessene über die zentrale Frage entschei- geeigneten Fachkräften in der Paradigmenwechsel von der Pra- Ausbildungschance bekamen den, welches Vorzeichen der Pflege, der Jugendhilfe und der xis der Selektion und der Aus- und sich durch Jobben über Was- Wanderungssaldo hat. Behindertenarbeit läuft letztlich grenzung von scheinbar überflüs- ser halten, genauso wie für die auf einen Qualitätsverlust in der sigen Arbeitsmarktpotentialen zu um 1955 geborenen, die nach www.thueringen.de/de/tmwat AKTEURE 11 | 2010 7
PILOTPROJEKTE UND NACHHALTIGKEIT Von der Ausgebildeten zur Ausbilderin In Deutschland leben gegenwärtig etwa 1,2 Mio. Demenzkranke. Jedes Jahr erkranken 300.000 Men- schen daran. Nach Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft steigt die Zahl der Demenzerkrank- ten bis 2050 auf etwa 2,6 Mio. Beate Schulz hat vor drei Jahren eine Qualifizierung zur Seniorenbeglei- terin absolviert und arbeitet nun als Dozentin für Pflege. D ie 54-Jährige ist viel Umkreis von 50 km an und ab- Fachwissen auch wichtige unterwegs, in Erfurt, solvierten „hoch motiviert“ die persönliche Eigenschaften. Sie Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska Eisenach, Weimar – 800 Unterrichtsstunden in den müssten schon ein „Helfersyn- „ich unterrichte bei Bildungs- Bereichen Medizin, Sozial- drom im positiven Sinne“ mit- anbietern, die sich mit Pflege pädagogik, Sozialrecht, BWL bringen und wissen, worauf beschäftigen – alles, was mit und Marketing. Am Ende des sie sich einlassen. „Es ist nicht Demenz zu tun hat“. Die ge- Lehrgangs wagten ein Drittel einfach zu begreifen, dass ehe- lernte Krankenschwester will, der Absolventinnen und Ab- mals hochintelligente Men- dass ihre Schülerinnen und solventen den Sprung in die schen sehr hilfebedürftig sind, Schüler viel mitnehmen von Selbständigkeit, zwei Drittel nur noch essen und schlafen dem, was sie über „Hygiene, arbeiten als Angestellte. „Der können, der Geist aber nicht Arzneimittellehre und vor al- Bedarf ist offenkundig, doch mehr funktioniert. Demenz ist Dozentin Beate Schulz lem Kommunikation“ vermit- die Hürde ist die Anerken- nicht heilbar. Für die Betreuer telt. Das, was jetzt ihre Ar- nung dieser beruflichen Qua- heißt das zu kommunizieren, bildet. „Meistens sind es All- beitstage füllt, ist eher zufällig lifizierung im niedrigschwel- zu verstehen, ruhig zu bleiben, tagsbegleiter, die über sechs zu ihrer Berufung geworden. ligen Betreuungangebot“, sagt auf die Wünsche und Bedürf- Monate ausgebildet werden. Vor ihrer Qualifizierung zur Rupp. nisse zu reagieren und auch Viele werden nach dem Prak- Seniorenbegleiterin arbeitete mit Beschimpfungen umgehen tikum übernommen“, freut sie sie in der Poliklinik, dann für zu können“, sagt Schulz. sich. Neben ihrer Arbeit als den Verband medizinischer Fachwissen Dozentin bildet sie sich selbst Fachberufe. „Und auf einmal und viel Geduld Seniorenbegleiterinnen und weiter, zum Beispiel in Kursen war ich arbeitslos und habe Beate Schulz hat den Weg in Seniorenbegleiter könnten zu „Methodenkompetenz und mich bei dem Qualifizierungs- die Selbständigkeit nie bereut. daher eine große Entlastung Sozialkompetenz“, absolvier- Modellprojekt beim PARITÄ- „Ich wollte das zwar nie und für die Familien sein. Das te eine Ausbildung zur „Hygi- TISCHEN beworben“. war es dann innerhalb eines Problem sei die Entlohnung. enebeauftragten“ und fährt zu Viertel Jahres doch“, nicht als Einige Kolleginnen aus der bundesweiten Demenzforen. Von 2005 bis 2007 wurden 20 Betreuerin oder Begleiterin, Qualifizierung arbeiteten auf „Ich habe den Anspruch an Frauen zur Seniorenbeglei- sondern als Dozentin. Eine 400 €-Basis in Familien. Wenn mich, viel zu wissen und Fra- terIn mit Handlungsschwer- „ordentliche Ausbildung“ räu- sich Angehörige diese Hilfe gen, die ich nicht beantwor- punkt Demenz im Rahmen me mit Vorurteilen auf und be- nicht leisten können und nur ten kann, grämen sehr“, sagt eines Pilotprojektes ausgebil- schönige nichts. „Ein Demenz- stundenweise auf die Dienste sie. Außerdem wolle sie in det. „Es ging um eine Aus- kranker muss in der Regel acht der Begleiter zurückgreifen, den kommenden zehn bis 15 bildung, die die Angebote der bis zehn Jahre gepflegt werden, brauche ein „Berufsbetreuer Jahren noch weitere Schüler medizinischen und pflegeri- vor allem brauchen die Betrof- zwischen 16 bis 18 Fälle, um ausbilden. „Der Bedarf wird schen Versorgung ergänzt und fenen Beschäftigung, die ihrer davon leben zu können“. steigen und wir brauchen gut die Familien begleitet“, sagt Neigung und ihrem erlernten Im Verein Seniorenbegleiterin ausgebildete Fachkräfte“. Hans-Georg Rupp vom PARI- Beruf entspricht“, so Schulz. e.V. sind 17 Absolventen des TÄTISCHEN. Es habe damals Gut ausgebildete Fachkräfte Qualifizierungsprojektes orga- einen regelrechten „Run“ auf sind bereits jetzt nur schwer nisiert. Als Dozentin hat Beate www.paritaet-th.de die Ausbildung gegeben. Die zu bekommen. Denn gute Be- Schulz bereits rund 250 Schü- www.seniorenbegleiterinnen.de Teilnehmer reisten aus einem treuer benötigten neben dem lerinnen und Schüler ausge- www.esf-thuringen.de 8 AKTEURE 11 | 2010
QUALIFIZIERUNG Eine neue Arbeit als Betreuerin oder Betreuer In den kommenden Jahren werden immer mehr Fachkräfte für die Betreuung älterer Menschen gebraucht. Für Benachteiligte am Arbeitsmarkt ergeben sich daraus neue Chancen. Die Ziola GmbH in Eisenach qualifiziert seit 1. August 2010 über insgesamt acht Monate mit ESF-Geldern 29 Männer und Frauen zur Betreuungskraft in der Altenpflege. Sie sind zwischen Anfang 20 und über 50 Jahre alt. C hristiane Krautwand ist te nach dem Praktikum sofort 25 und damit eine der in eine Anstellung vermittelt. Jüngsten. Sie hat Haus- „Mit diesen Jobs fallen sie aus wirtschaftshelferin gelernt, als dem ALG II-Bezug raus und Reinigungskraft gearbeitet und sind auch keine Aufstocker“, hofft nun auf einen Job im Pfle- sagt Reiner Sippel von der Zio- gebereich. „Ich habe während la GmbH und hofft, dass dieses Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska der Lehre in einem Pflegeheim Mal möglicherweise die Ver- gearbeitet, das hat mir Freu- mittlungsquote noch übertroffen de gemacht und nun möchte ich viel lernen, damit ich eine Arbeit bekomme, von der ich leben kann“, sagt die junge Mutter. Sie ist eine der 29 Teil- nehmerinnen und Teilnehmer, die durch die ARGE an die Zi- ola GmbH vermittelt wurden. Michaela Schulze, Christian Lehmann (v.l.) und Christiane Krautwand suchen eine Jobchance in der Pflege. „Wir haben dann Vorgesprä- che geführt und einen kleinen Eingangstest gemacht, weil bot kam zur richtigen Zeit“. Einblick erhalten, ist Bestandteil die Teilnehmer wissen müssen, Aufgrund seiner körperlichen der Ausbildung. Die Seminare worauf sie sich einlassen, auf Einschränkungen ist ein Einsatz werden von erfahrenen Alten- Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska Wochenendarbeit, auf Teamar- im Pflegebereich nicht möglich, pflegerinnen und Heimleiterin- beit und natürlich auf ihre Pa- aber als Betreuer, der „geduldig nen gehalten. Die intensiven tienten“, sagt Anne Röthig von und mit viel Verständnis“ ältere Kontakte zu den Unternehmen Ziola. Menschen begleitet, würde er der Sozialwirtschaft erhöhen gern arbeiten. auch die Vermittlungschancen Alle seien „mit dem Herzen der Teilnehmer. „Wir stehen in dabei“ erklärt, Christian Leh- Michaela Schulze hat Erfah- Kontakt zu 30 bis 40 Einrich- mann. Der 29-Jährige hat be- rung in der Pflege. Sie pflegte tungen im Wartburgkreis, sogar reits Erfahrungen im Sozial- Familienangehörige, hat eine bis nach Bad Langensalza“, bereich gesammelt und freut Ausbildung zur Kranken- sagt Röthig. Rund die Hälfte Die Ausbildung wird praxisnah von erfah- renen Pflegekräften geleitet. sich nun auf einen beruflichen schwester begonnen und sich der 29 Teilnehmerinnen und Neubeginn. „Wir werden doch dann um ihre Kinder geküm- Teilnehmer haben bereits eine alle hoffentlich alt“, sagt der mert. „Das Grundwissen ist da. Ausbildung im Sozialbereich. wird. In Eisenach sind derzeit ausgebildete Kinderpfleger, der Ich weiß wirklich, worauf ich „Die beiden Gruppen sind sehr drei neue Einrichtungen für De- auch eine Ausbildung zum Bü- mich einlasse und möchte un- motiviert und freuen sich auf ihr menzkranke im Bau und sollen rokaufmann und zum Familien- bedingt eine Arbeit im Pflege- Praktikum am Ende der Quali- 2011 fertig gestellt werden. assistenten absolviert hat. „Ich bereich haben“, sagt sie. fizierung“, sagt Röthig. Nach habe überlegt, mich selbständig Dass auch Teilnehmer ohne Er- den Erfahrungen ähnlicher Qua- www.ziola.de zu machen, doch dieses Ange- fahrungen in der Pflege diesen lifizierungen wird jeder zwei- www.esf-thueringen.de AKTEURE 11 | 2010 9
EXISTENZGRÜNDUNG Viel Verantwortung, Spaß, gute Nerven Mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds wagten seit Beginn der aktuellen Förderperiode 2.268 Thüringer den Sprung in die Selbständigkeit. Eine von ihnen ist die Jenaerin Susanne Steininger. Sie erhält eine einjährige Förderung. Seit Frühjahr dieses Jahres arbeitet die 41-Jährige als Tagesmutter. E s ist 14.30 Uhr und sich von „Susanne“. Vor allem Gäste. „Wir gehen viel an die Noah* wartet auf seine bei Studenten ist die Betreu- frische Luft, füttern Enten, ma- Mama. Susanne Stei- ung der frischen Tagesmutter chen Musik“. Das Essen lässt ninger trägt den Eineinhalb- gefragt. Die Zeiten sind für sie sich von einer Küche lie- jährigen durch die Wohnung Vollberufstätige auch wenig fern, die Bioqualität anbietet. mit den breiten Holzdielen ins geeignet. „Meine Tageskinder „So habe ich mehr Zeit für die Spielzimmer, beruhigt ihn und sind zwischen ein paar Mo- Kinder“. Die Plätze für diese setzt sich dann mit ihm auf den naten und zwei Jahre alt. Zur individuellere Betreuung der bunten Teppich. Zeit gewöhnen sich die beiden Kinder sind heiß begehrt und anderen noch ein, das ist schon „schnell weg“, bei Susanne manchmal etwas anstrengender Steininger wohl auch wegen Füttern,Trösten, als sonst“, sagt sie gelassen. der zentralen Lage in der Nähe Spielen Als Tagesmutter zu arbeiten, des Holzmarktes. Ihr Arbeitstag ist fast vorbei. liegt ihr im Blut. „Ich kann es Sechs Stunden lang hat sie auf nicht erklären, vielleicht liegt Die kinderfreundliche Atmo- ihre drei Tageskinder aufge- es daran, dass meine Mutter sphäre überzeuge dann auch passt, mit ihnen gespielt, sie ge- als Kindergärtnerin gearbeitet viele Eltern. „Es ist schon fas- füttert, getröstet, erklärt. Wenn hat“. Susanne Steininger hat zinierend, wie sich die Kinder Noah* geht, hat sie Zeit für dagegen erst Technische Zeich- nach der Eingewöhnungs- ihre eigenen Kinder, die sechs nerin gelernt und anschließend zeit voller Vertrauen an mich und acht Jahre alt sind und jetzt Sozialwesen studiert. Dass sie wenden, Trost bei mir suchen, schon in der Küche nebenan viele Dinge bereits aus dem wenn sie traurig sind“. Bis spielen und reden. „Ich wollte Studium kannte, habe ihr ge- zum nächsten Tag müssen ihre viel Zeit auch für meine Kin- holfen. Alle Tagesmütter, die beiden eigenen Kinder nun der haben. Als Tagesmutter zu in Thüringer kleine Kinder be- die Mutter nicht mehr teilen, arbeiten, ist ideal. Ich bin zu- treuen und über die Jugendäm- erst um halb neun wird wieder hause auch ansprechbar, wenn ter vermittelt werden, müssen eine Mutter oder ein Vater an die Kleinen noch da sind“, sagt eine Ausbildung absolvieren. der Tür stehen, Sachen reichen sie und geht in den Flur. Bis zu einem Jahr dauern die und mit einem guten Gefühl Kurse mit Abschluss bei der den Nachwuchs in die Pflege Thüringer Sozialakademie. der selbständigen Tagesmut- Kleiner Nachwuchs „Schließlich müssen wir nach ter geben. Beim Start in die der Studenten dem Bildungsplan arbeiten“, Selbständigkeit werden Exis- ist gut versorgt sagt die Jenaerin. tenzgründer mit bis zu 600 € Es hat geklingelt. Noahs* Mut- monatlich über bis zu ein Jahr ter ist es nicht. Der Vater des Bio-Essen für die durch den Europäischen Sozi- Jungen steht im Flur und sor- kleinen Tageskinder alfonds unterstützt. tiert die Sachen: Ein Rucksack Bestens geschult in Bereichen mit den Lieblingsspielsachen, wie Psychologie, Soziologie, eine Tasche mit Wäsche. Noah Pädagogik und musischer Er- www.gfaw-thueringen.de lässt sich von Susanne Steinin- ziehung ist der Alltag dann www.esf-thueringen.de ger anziehen und verabschiedet auch spannend für die kleinen * Name geändert 10 AKTEURE 11 | 2010
EXISTENZGRÜNDUNG Selbständige in Thüringen Im Jahr 2009 arbeiteten durchschnittlich 111.000 Erwerbstätige in Thüringen als Selbständige. Das waren 10 % aller Erwerbs- tätigen. Nach Informationen des Thüringer Landesamtes für Statistik lag der Anteil der weiblichen Selbständigen bei 32 %. Von den 35.000 weiblichen Selbständigen waren 21.000 im Dienstleistungsbereich tätig. Darunter allein 14.000 Frauen im Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleistungen (z. B. Gesundheits- und Sozialwesen) sowie 11.000 im Handel und Gastgewerbe. Die Hälfte der Selbständigen gab an, ihre Erwerbstätigkeit nie zu Hause auszuüben. Weitere 33.000 Selbständige gehen Ihrer Tätigkeit manchmal zu Hause nach. Die verbleibenden 22.000 Erwerbstätigen sind hauptsächlich, d.h. mindestens die Hälfte der Arbeitstage, zu Hause tätig. Selbständige arbeiten mit einer durchschnittlich geleisteten Arbeitszeit von 42 Stunden pro Woche von allen Erwerbstätigen am längsten (zum Vergleich: Arbeiter 34 Wochenstunden; Angestellte 32 Wochenstunden). Rund jeder Fünfte arbeitet in der Woche 55 bis 69 Stunden. 18.000 Selbständige gaben an, eine Wochenarbeitszeit von 50 bis 54 Stunden zu haben. Weitere 15.000 Selbständige haben den Wunsch, mehr als gegenwärtig zu arbeiten. www.statistik.thueringen.de Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska 11 AKTEURE 11 | 2010
QUALIFIZIERUNG Kreative Gestaltung und Verkaufserfolge Ein eisiger Weihnachtsbaum im Herbst, faszinierendes Glas, ein Designerstuhl - vier Wochen lang konnten die Besucher einer Bank in der Erfurter Innenstadt Exponate von „Gestaltern im Handwerk“ bewundern. Nach einem zweijährigen berufsbegleitenden Studium mit insgesamt 1200 Unterrichtsstun- den haben acht Thüringer Handwerker ihre Weiterbildung bei der Handwerkskammer Erfurt zum „Ge- stalter im Handwerk“ erfolgreich abgeschlossen. Der Bildungsgang wird mit ESF-Mitteln unterstützt. Foto: Handwerkskammer Erfurt Die Weiterbildung zum „Gestalter im Handwerk“ eröffnet neue Chancen. Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska I m Mittelpunkt dieser Aus- interessanten Studienganges. stellung stehen die Ab- In den vier Semestern wer- schlussarbeiten von sechs den die Handwerker in den Gestaltern im Handwerk, die in Bereichen Freihandzeichnen, ihrer technischen Ausführung Kunstgeschichte, Darstellende und Formgebung eindrucks- Perspektive, Materialkunde, voll eines deutlich machen: In Grundlagen der Gestaltung, den meisten Handwerksberu- materialspezifisches Entwerfen, fen macht erst die Einheit von Entwerfen, Entwurf und Kons- Funktion und Form ein gutes truktion unterrichtet. Rechtli- Produkt aus. Darüber hin- che und betriebswirtschaftliche Der Studiengang zum „Ge- Lehrgang zum „Gestalter im aus zeichnet die Ausstellung Grundlagen für Design, Kom- stalter im Handwerk“ wird Handwerk“ begonnen. Nach die wesentlichen Inhalte des munikation, Marketing, Infor- für Thüringer Teilnehmer aus Angaben der Handwerkskam- Lehrganges nach. Ton- und matik und CAD, Entwurf und Mitteln des Europäischen So- mer Erfurt können Interessierte Emailarbeiten, Natur- und Ob- Konstruktion, berufsbezogene zialfonds (ESF) entsprechend noch einsteigen. jektskizzen, technische Zeich- Aufgabenstellung von Pro- der Thüringer Weiterbildungs- nungen und Plastiken wurden dukten, Möbeln und Räumen richtlinie gefördert. 80 % der in den zwei Studienjahren ge- stehen ebenfalls auf dem Stun- förderfähigen Kosten werden fertigt und geben Einblick in denplan. Die in der Ausstellung vom ESF übernommen. www.hwk-erfurt.de das umfangreiche und vielfäl- präsentierten Produkte sind Teil Bei der Handwerkskammer Er- www.gfaw-thueringen.de tige Themenspektrum dieses der Prüfung. furt hat inzwischen der vierte www.esf-thueringen.de 12 AKTEURE 11 | 2010
QUALIFIZIERUNG Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska Ulrich Thiele, Tischler aus Oßmannstedt „Stuhl Nr. 1“ „Ich bin seit 30 Jahren Tischler, seit 10 Jahren selbständig. Mir hat die Ausbildung beim schwierigen Entwicklungspro- zess geholfen. Geometrische Formen so zu verbinden, dass die Funktion erhalten bleibt oder sogar zwei Sitzpositionen möglich sind, macht mich stolz.“ Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska Danny Bartholmes, Glasbläser aus Limbach Katrin Rose, Glasgestalterin und Glasmalerin aus Manebach „Eis – eine Willkür der Natur“ „Mit der eigene Farb- und Formgebung hebe ich mich von der „Lichtfänger“ Masse ab. Nach meiner Lehre in Lauscha habe ich am liebsten „Mir ging es um spezielle Strukturen. Das in Scheiben ge- Artikel frei geformt. An einem normalen Arbeitstag stelle ich schnittene Glas nur mit Stein zu bearbeiten und dabei die Fas- 500 bis 600 Stück Kugeln oder Zapfen für die Weihnachtsbäu- zination von einfachem Fensterglas zu zeigen, ist mir gelun- me auf der ganzen Welt her. Die Ausbildung zum Gestalter im gen. Das ist eine ungewöhnliche Arbeit, denn sonst restauriere Handwerk hat mir vor allem auch durch die Kontakte zu den ich Kirchenfenster oder Jugendstilscheiben.“ anderen Handwerkern viel gebracht.“ AKTEURE 11 | 2010 13
VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF Große Pläne nach der Familienzeit Nach der Elternzeit oder der Pflege von Familienangehörigen wartet auf viele nicht der geregelte Wie- dereinstieg in den alten Job. In Eisenach und der Wartburgregion gibt es rund 600 Alleinerziehende, der größte Teil von ihnen ist auf Sozialleistungen angewiesen. 14 von ihnen wollen dem ESF-Projekt „Inte- gration für Alleinerziehende und Berufsrückkehrer“ der Ziola GmbH einen Job finden. machen“, sagt sie selbstbe- Vereinbarkeit von Familie und wusst. Nach ihrer Ausbildung Beruf spielen eine Rolle. Die war sie selbständig und könn- einjährige Qualifizierung bein- te sich vieles vorstellen, „nur haltet auch drei Praktika bei den nicht im Büro“, vielleicht auch Kooperationspartnern der Ziola im Garten- und Landschafts- GmbH. Insgesamt konzentrie- bau. „Ich muss mit den Händen re sich das Projekt auf bessere etwas selber machen, auch Re- Betreuungsmöglichkeiten, eine staurationsarbeiten oder Stuck- Verbesserung der Vorausset- arbeiten sind mein Ding“. zungen für die Aufnahme einer Arbeit und auf die Motivation Katrin Illert ist eine von 14 der Teilnehmerinnen. Frauen, die seit September 2010 in dem Integrationsprojekt auf den Wiedereinstieg in den Job Chancen eröffnen, vorbereitet werden. Das Pro- Mut machen, gute Beispiele zeigen Fotos: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska jekt wird mit knapp 130.000 € durch den Europäischen Sozi- Katja Lemm, die in einem klei- alfonds unterstützt. nen Dorf bei Eisenach lebt, will eine berufliche Chance finden. „Wir möchten Möglichkeiten Die 36-Jährige ist seit über 14 finden, Chancen eröffnen, Mut Jahren Hausfrau. Ihre 14 und machen, die Unsicherheit neh- acht Jahre alten Kinder erzieht men“, sagt Reiner Sippel von sie allein. „Die beiden finden der Ziola GmbH in Eisenach. es gut, dass ich nun unter Leute Zu den Teilnehmerinnen gehö- komme, um mich neu zu ori- Katrin Illert ist „Handwerkerin“. ren Alleinerziehende, die noch entieren. Gern würde ich im Katja Lemm will ins „Soziale“. nicht berufstätig waren und Be- Sozialbereich arbeiten“, sagt M rufsrückkehrerinnen. „Es geht Katja Lemm. Ihre Ausbildung ein Sohn ist jetzt fast nicht vordergründig um fach- zur Köchin habe sie kurz vor Altersunterschiede und die ver- 20 Monate alt und praktische Inhalte, die meisten dem Abschluss abgebrochen. schiedenen Mentalitäten seien „ ich möchte wieder haben ja eine Ausbildung, wir „ich versuche hier auch heraus- sehr bereichernd. „Das Klima eine Arbeit haben“, sagt Kat- bieten eine berufsübergreifen- zufinden, was ich tun kann“. hier ist gut, wir profitieren ja rin Illert. Die 26-Jährige wohnt de Qualifizierung“. Dazu ge- Sie wünsche sich einen Job, bei auch gegenseitig von unseren in Eisenach und weiß, was sie hören Angebote wie Coaching, dem sie mit Menschen arbeiten Erfahrungen, verstehen uns, möchte: „Ich habe als Raumaus- Selbstmanagement, Englisch kann. Katrin Illert, ihre Kurs- weil wir die gleiche Wellenlän- statterin gearbeitet, warn früher und EDV, Kompetenztrai- Mitteilnehmerin, bestätigt sie: ge haben“. auch viel auf Montage, habe im ning, Bewerbungstraining und „Katja ist geduldig, ruhig und Ladenbau und Bühnenbau gute rechtliche Fragen. Aber auch freundlich“, sagt sie. Die unter- Erfahrungen gemacht und will Alternativen zu Betreuungs- schiedlichen Erfahrungen der www.ziola.de irgendetwas Handwerkliches möglichkeiten, zur besseren anderen aus der Gruppe, die www.gfaw-thueringen.de 14 AKTEURE 11 | 2010
BERUFSORIENTIERUNG Berufsspaß in der Schule stiften Das „www“ steht bei der Bürgerstiftung Zwischenraum in Jena nicht nur für das Internet. „www“ steht für „Wir werden was – Berufsorientierung durch bürgerschaftliches Engagement“. Seit 2008 ist die Stiftung mit ESF-Unterstützung in Schulen aktiv – mit Hilfe vieler Ehrenamtlicher, die ihre Berufe ganz praktisch erklären. Die Wünsche der Jungen und Mädchen spielen bei der Auswahl eine große Rolle. W ir wollen die Schüler schon von unserer Stiftungsar- Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska von den 0815-Be- beit, andere haben wir direkt „ rufswünschen weg- angesprochen und sie haben bringen und konkrete Vor- sofort zugesagt“. Durch eige- stellungen fördern“, sagt Kati nes Engagement ist Langenber- Langenberger von der Bürger- ger zu ihrem Job gekommen. stiftung Zwischenraum. Da für „Ich habe mich damals bei der die wenigsten Schüler in Jena Freiwilligenagentur gemeldet, eine Karriere als „Model, Sän- den ersten Freiwilligentag mit ger und Rennfahrer“ realistisch organisiert und dann als Elter- erscheint, überzeugen die Mit- zeitvertretung angefangen“, so Kati Langenberger von der Bürgerstiftung Zwischenraum arbeiter der Stiftung mit Be- die Diplom-Sozialpädagogin. rufsbildern, die ganz praktisch Mit dem Berufsorientierungs- vorgestellt werden. „Wir konn- projekt sollen die Kinder und Über die Stiftung ten schon einen Tierarzt, einen Jugendlichen angeregt werden, Bäcker, einen Elektroniker, über ehrenamtliche Tätigkeit Die Bürgerstiftung Zwischenraum in Jena existiert im 8. eine Erzieherin und sogar einen ihren Berufswunsch zu finden. Jahr und engagiert sich u. a. auch für Lesepatenschaften. Bestatter gewinnen“, sagt Lan- „Es braucht schon Überzeu- Über 70 Lesementoren sind an den neun Schulen und ei- genberger und erklärt, dass vor gung. Oft ist es ja so, dass junge nem Hort in Jena aktiv. In den Kindergärten arbeiten 21 allem der Besuch des Tierarz- Menschen, die bereits engagiert Vorlesepaten der Stiftung ehrenamtlich. Die Freiwilligen- tes in Begleitung eines Hundes sind, sich dann noch für etwas agentur engagiert sich im sozialen Bereich, für den Natur- eine beliebte Stunde der insge- anderes engagieren“. Einige und Umweltschutz. Nach einem Beratungsgespräch mit ei- samt 14 www-Stunden ist. Schüler hat das Projekt bereits nem potentiellen Freiwilligen werden aus einer Datenbank in die Freiwilligenagentur Juni- entsprechende Gesuche ausgewählt. Neun Berufe werden vorge- or vermittelt oder auf die Idee Die Stiftung wird von der Stadt Jena, der Thüringer Ehren- stellt. Die freie Ganztagsschule gebracht, eigene Ideen zu ent- amtsstiftung, Spenden und durch Projektmittel des ESF und in Milda, das Förderzentrum in wickeln. „In Milda wollten die der Agentur für Arbeit finanziert. Die Stiftung hilft mit Ver- Hainspitz und das Ernst-Abbe- Schüler den Wald an der Saale anstaltungen wie dem „Marktplatz gute Geschäfte“, Unter- Gymnasium in Jena nehmen aufräumen. Andere arbeiten nehmen und Vereine zusammenzubringen. „Geld ist immer an dem Projekt teil. „Natürlich nun im Tierschutzverein mit“. Tabu. Unternehmen schenken einem Verein beispielsweise stellen wir in einem Gymnasi- Auch für Berufe, die nicht für Computer, Schreibtische oder ein altes Faxgerät und erhal- um andere Berufe vor als in der alle hochinteressant sind, ver- ten dafür im Gegenzug ein musikalisches Programm für die Förderschule. Aber gerade bei sucht Langenberger, Ansprech- Firmenfeier“, so Langenberger. den Förderschülern haben wir partner zu finden, wie zum Auch ungewöhnliche Versteigerungen zugunsten von Ver- den Eindruck gewonnen, dass Beispiel für einen Schüler, der einen werden organisiert. „Es werden unkäufliche Gele- es für sie besonders wichtig einen Nachmittag mit einem genheiten angeboten – eine Nacht im Möbelhaus oder eine ist, das Ziel ihrer Bemühungen Historiker verbringen durfte. Windrad-Besteigung“. hautnah zu erleben“, erklärt Langenberger und freut sich über die Unterstützung der Un- www.gfaw-thueringen.de www.stiftung-zwischenraum.de ternehmen: „Viele kannten wir www.esf-thueringen.de AKTEURE 11 | 2010 15
BESCHÄFTIGUNG Klassik zum Anfassen Der ESF unterstützt in der laufenden Förderperiode viele Projekte der Klassik Stiftung Weimar. Von ei- nem profiieren vor allem die jüngeren Besucher des Schillerhauses. Vom 1. August 2008 bis zum 31. Juli 2011. werden zwei Mitarbeiter des Studiolos gefördert, einer von ihnen ist Matthias Möhl. An fünf Tagen in der Woche begleitet der 47-Jährige die Fächerwerkstatt, hilft Interessierten beim Silhouettieren, be- treut die Schreibwerkstatt und bietet Hilfe beim Kutschen- und Maskenbau an. D as im Schiller-Jubilä- umsjahr 2005 aufge- Die Klassik-Stiftung und der ESF baute Studiolo ist in- zwischen zu einem festen Teil Vom 1. Februar 2008 bis 31. Dezember 2010 finanziert der Foto: Medienbüro Text und Ton Anke Schmidt-Kraska der museumspädagogischen ESF den Umzug und die Inbetriebnahme des Stammhau- Arbeit der Klassik Stiftung Wei- ses der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Vom 1. August mar geworden. Kinder, Jugend- 2008 bis 31. Juli 2011 finanzieren der ESF und das Land liche, aber auch Erwachsene die Buchpflege in der Anna Amalia Bibliothek. Hauseigene können sich in der Werkstatt Restauratoren und Buchbinder leiten diese Arbeiten an. praktisch ausprobieren. Der Vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2011 finanzieren der ESF Weg ins Studiolo ist einfach und das Land Thüringen die Erfassung und Erschließung zu finden. Im ersten Stock des der Zeitungsausschnittsammlung des Nietzsche-Archivs Schillerhauses wartet Mathias im Goethe-Schiller-Archiv. Die Sammlung umfasst 75 Ar- Möhl an einem der großen Ti- Matthias Möhl arbeitet im Schillerhaus. chivkästen mit ca. 150 Zeitungsausschnitten pro Kasten. sche mit den vielen Stühlen für Das Projekt mit der größten finanziellen Zuwendung der die Besucher. Der 47-Jährige ar- schnitten, das Schreiben mit ESF und dem Land Thüringen ist die Parkpflege in den his- beitet gern hier. Bei der Klassik Federn für Sütterlinschriftstü- torischen Parkanlagen vom 1.09.2008 bis 31.08.2011. Die Stiftung ist er seit fünf Jahren cke, Gestalten von Rokoko- Klassik Stiftung Weimar betreut sieben historische Parkan- beschäftigt. „Damals wurden rahmen, eine Maskenwerkstatt lagen und sechs Museumsgärten nach gartendenkmalpfle- künstlerisch interessierte Leu- und Gipsarbeiten angeboten. In gerischen Zielsetzungen. Es handelt sich um ca. 140 ha te gesucht, die in der Werkstatt den ersten sechs Monaten die- Die Verbesserung bzw. Instandhaltung der Rad- und Wan- arbeiten wollen“. Möhl war zu ses Jahres kamen 6000 kleine derwege im Ilmtal und im Possenbachtal Weimar/Belvede- diesem Zeitpunkt arbeitslos und und größere Gäste ins Studiolo. re wird vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2011 aus ESF- und seine Chancen auf dem Arbeits- „Wir betreuen zusammen mit Landesmitteln unterstützt. Die Parkanlagen gehören zum markt nicht groß. Als gelernter den Museumspädagogen Schul- UNESCO-Weltkulturerbe und stehen unter besonderem Schlosser und Stuckateur hät- klassen, die beispielsweise ei- Schutz. te er einen Job gefunden, aber nen Scherenschnitt mit einem durch eine Erkrankung konnte Pantographen herstellen“. www.klassik-stiftung.de er nicht mehr auf einer Baustel- Die guten Nerven für diese Ar- www.gfaw-thueringen.de le arbeiten. „Einen Handwerker, beit hat der Vater eines 13jäh- der nicht voll belastungsfähig rigen Jungen. „Die Kinder sind ist, nimmt keiner“. Inzwischen unterschiedlich, die Mädchen gefertigt und die Kinder können den beiden Weimarer Klassikern hat die Arbeit im Studiolo nicht sind eher begeistert, es gibt aber die Formen dann einfach mit ist mir Schiller näher, Wilhelm nur einen Job, sondern auch vie- auch Jungs, die voller Eifer mit- Gips füllen“, erklärt Möhl. Tell mag ich auch sehr“. le Hobbys gebracht. „Natürlich machen“. In der kleinen Werkstatt erfah- Die Arbeiten, die die Besucher habe ich früher viel Handwerk- Auch die Fächerwerkstatt und ren die Besucher auch mehr über zusammen mit Mathias Möhl liches gemacht, hier habe ich das Fertigen von griechischen die Farbenlehre, können sich an herstellen, sind in vielen Kin- gelernt, auch mehr zu kommu- und römischen Göttern in Gips Prismenversuchen ausprobieren, derzimmern zu finden. Auf nizieren und ein großes Interesse werden gern gebucht, zum Bei- eine Postkutsche basteln oder seine ehemaligen Arbeiten als für Geschichte und Literatur zu spiel für Kindergeburtstage. in der Theaterwerkstatt Köpfe Handwerker kann Möhl auch entwickeln“. „Die Formen für die Götter in für Handpuppen modellieren, ab zu einen Blick werfen. „Ich Für die Besucher, die sich aus- Gips habe ich hergestellt, ich zum Beispiel für Schillers „Der habe damals am Reithaus und probieren wollen, werden Ar- war ja Stuckateur. Aus dem Ton- Handschuh“. „Das ist ein sehr am Shakespeare-Denkmal mit- beiten an historischen Scheren- modell wird ein Silikonmodell schönes Gedicht, so fassbar. Von gearbeitet“. 16 AKTEURE 11 | 2010
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