Erneuerung Textilmuseum St. Gallen - Zweistufiger anonymer Projektwettbewerb Stufe I: Ideenwettbewerb im offenen Verfahren Stufe II: ...
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Erneuerung Textilmuseum St. Gallen Zweistufiger anonymer Projektwettbewerb Stufe I: Ideenwettbewerb im offenen Verfahren Stufe II: Projektwettbewerb im Einladungsverfahren mit Zugeladenen Programm, März 2020
1 Allgemeine Bestimmungen 6 1.1 Auftraggeberin 6 1.2 Organisation 6 1.3 Verfahren 6 1.4 Teilnahmeberechtigung und Teambildung 6 1.5 Verbindlichkeit und Rechtsschutz 7 1.6 Preisgericht 7 1.7 Preissumme 7 1.8 Weiterbearbeitung und Honorargrundlagen 8 1.9 Vorbehalte 8 1.10 Urheberrecht 8 1.11 Ablauf 9 1.12 Termine 11 2 Bauvorhaben 14 2.1 Ausgangslage 14 2.2 Ziele der Erneuerung 16 3 Stufe I: Ideenwettbewerb im offenen Verfahren 18 3.1 Aufgabe 18 3.2 Einzureichende Unterlagen I 18 3.3 Abgegebene Grundlagen I 18 3.4 Vorprüfungs- und Beurteilungskriterien 18 4 Stufe II: Projektwettbewerb im Einladungsverfahren 20 4.1 Aufgabenstellung 20 4.2 Raumprogramm 20 4.3 Abgegebene Grundlagen II 20 4.4 Einzureichende Unterlagen II 21 4.5 Vorprüfungs- und Beurteilungskriterien 22 5 Rahmenbedingungen 24 5.1 Baurecht und Perimeter 24 5.2 Kontext 25 5.3 Denkmalpflege 26 5.4 Museumskonzept 29 5.5 Betrieb 30 5.6 Waren- und Personenfluss 36 5.7 Umgebungsgestaltung 37 5.8 Brandschutz 37 5.9 Statik 37 5.10 Erschliessung Energie und Wasser 38 5.11 Etappierung 38 5.12 Allgemeines 38 6 Genehmigung 40 2
Vorwort Das Gebäude und die Sammlungen des Textilmuseums St. Gallen sind Zeugen und Wegbereiter des internationalen Erfolges der Schweizer Textilindustrie während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Gebäude wurde 1886 errichtet und orientiert sich an den grossen Kunstgewerbemuseen. Wichtige architektonische Vorbilder waren das Victoria & Albert Museum in London und insbesondere das MAK – Museum für an- gewandte Kunst in Wien. Den internationalen Anspruch unterstrich die damalige Wahl des Architekten, Gustav Gull, einer der wichtigsten Schweizer Vertreter des Historis- mus und Erbauer des Landesmuseums in Zürich, das allerdings erst fünf Jahre nach dem Textilmuseum fertiggestellt wurde. Das Museum ist zudem ein wichtiger Angelpunkt der Ostschweizer Identität. Fast jede Familie, fast jede Unternehmung der Region waren in der Vergangenheit mit der Textilindustrie direkt oder indirekt verknüpft. Die Textilindustrie war die Mutter vieler heute noch in der Schweiz tätiger Wirtschaftszweige, von der Maschinenindustrie über die Chemie bis hin zum Bankenwesen. Das Textilmuseum St. Gallen ist das Gedächtnis dieser für unser Land entscheidenden wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung. Dem Museum war eine Zeichenschule angeschlossen, die lokale Entwerfer für die im 19. Jahrhundert boomende Textilindustrie ausbildete. Die historische Sammlung des Hauses diente den Schülern als Vorlage. Dieser Tradition als Inspirationsort blieb das Museum bis heute treu. Die Gründung des Textilmuseums war eine äusserst weitsichtige Massnahme, deren selbstbewusste Haltung sich auch in der Grosszügigkeit des Museumsbaus aus- drückt. Der Charakter des Gebäudes, seine Lage im Herzen der Stadt St. Gallen und die Sammlungen von Weltgeltung müssen nun fit gemacht werden, um auch zukünftige Generationen zu begeistern und mit Wissen zu bereichern. Nach circa 140 Jahren entsprechen die Räumlichkeiten nicht mehr den geforder- ten Bedingungen bezüglich Sicherheit und Besucherfreundlichkeit. Die über das Haus verteilten Lagerräume, in denen die Sammlung untergebracht ist, sowie die Ausstel- lungstechnik sind bezüglich Sicherheit und Pflege nicht auf der Höhe der Zeit. Der Bau muss nicht nur grundsaniert werden. Mit einer Neugestaltung soll er sich in Zukunft dem Publikum noch offener und beeindruckender präsentieren. Es ist an der Zeit, das Haus für Besucherinnen und Besucher von Nah und Fern zum Leuchten zu bringen. Dazu soll zuerst das architektonische Potenzial aufgezeigt und eruiert werden, um schliesslich eine Initialzündung für einen markanten Schritt in die Zukunft auszulösen. 4
1 Allgemeine Bestimmungen 1.1 Auftraggeberin Eigentümerin und Auftraggeberin ist die Stiftung Textilmuseum, vertreten durch Vincenzo Montinaro, Präsident der Stiftung, und Peter Kriemler, Verantwortlicher Bauressort. Die Adresse lautet: Stiftung Textilmuseum St. Gallen Vadianstrasse 2 9000 St. Gallen 1.2 Organisation Der Wettbewerb wird von Marina Tüscher, Architektin (Basel), in Zusammenarbeit mit Dani Burkhart, Raum und Architektur (St. Gallen), und Eva Keller, Keller Hubacher Architekten (Herisau), ausgeschrieben und durchgeführt. Das gesamte Verfahren wird über die Wettbewerbsplattform Konkurado abgewi- ckelt. Technische Auskünfte erhalten Sie zu Bürozeiten unter 079 631 41 04. 1.3 Verfahren Um für diese ausserordentliche Bauaufgabe ein breit gefächertes Teilnehmerfeld res- pektive eine möglichst grosse Vielfalt an Ideen zu gewinnen, lädt die Stiftung zu einem massgeschneiderten, zweistufigen Projektwettbewerb ein. In einem offenen Ideenwettbewerb (Stufe I) können sich lokale Architekturbüros mit einer überzeugenden Idee für den Projektwettbewerb (Stufe II) qualifizieren. Zum Projektwettbewerb werden mitunter internationale Architekturbüros zugeladen. Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen jungen und gestandenen, lokal ansässigen und internationalen Architekturbüros. Das Verfahren ist anonym und wird in deutscher Sprache geführt. 1.4 Teilnahmeberechtigung und Teambildung Am Ideenwettbewerb teilnahmeberechtigt sind Fachleute aus dem Bereich Architek- tur mit Wohn- oder Geschäftssitz in der Schweiz, in den Landkreisen Konstanz oder Bodensee (D), im Bundesland Vorarlberg (A) oder im Fürstentum Liechtenstein. Sollten Sie in einem Abhängigkeits- oder Zusammengehörigkeitsverhältnis zu einem Mitglied des Preisgerichts stehen, informiert die Wegleitung des SIA „Befan- genheit und Ausstandsgründe“ (www.sia.ch/fileadmin/content/download/sia-norm/ sia_142_143/142i-202d_Befangenheit_2013.pdf), ob Ihre Teilnahme zulässig ist. Zum Projektwettbewerb werden folgende Architekturbüros zugeladen: – Tatiana Bilbao Estudio, Mexico – Brandlhuber+, Berlin – Diener Diener Architekten, Basel 6
– Sou Foujimoto Architects, Tokyo / Paris – Marie-José van Hee Architecten, Gent – Jessen Vollenweider Architektur, Basel – Christian Kerez, Zürich / Berlin Eine Teambildung (erst im Projektwettbewerb relevant!) mit Fachleuten, z.B. aus den Bereichen Kunst, Museologie, Denkmalpflege, Statik, ist möglich. Die Federführung des Teams liegt beim Architekten oder bei der Architektin. Beigezogene Planer oder Planerinnen dürfen bei mehreren Teams mitwirken, müssen dies aber den Federführen- den offenlegen. Alle Informationen der Veranstalterin werden an die Federführenden gerichtet. 1.5 Verbindlichkeit und Rechtsschutz Durch die Teilnahme am Wettbewerb anerkennen die Teilnehmenden die Wettbewerbs- und Programmbestimmungen, die Fragenbeantwortung sowie den Entscheid des Preisgerichtes in Ermessensfragen. Gerichtsstand ist St. Gallen, anwendbares Recht ist Schweizerisches Recht. 1.6 Preisgericht Sachpreisrichterinnen und Sachpreisrichter – Barbara Karl, Direktorin Textilmuseum – Peter Kriemler, Verantwortlicher Bauressort, Stiftung Textilmuseum – Vincenzo Montinaro, Präsident Stiftung Textilmuseum – Maria Pappa, Direktorin Planung und Bau, Stadt St. Gallen – Alexis Schwarzenbach, Vorstandsmitglied Verein Textilmuseum (Ersatz) Fachpreisrichterinnen und Fachpreisrichter – Werner Binotto, Kantonsbaumeister St. Gallen (Vorsitz) – Zita Cotti, Architektin, Zürich – Jasmin Grego, Architektin, Zürich – Jörg Haspel, Denkmalpfleger, Berlin – Eva Keller, Architektin, Herisau – Florian Kessler, Stadtplaner, St. Gallen (Ersatz) Expertinnen und Experten – Brandschutz: Keller Hubacher Architekten – Denkmalpflege: Niklaus Ledergerber, Denkmalpfleger, Stadt St. Gallen – Kulturförderung: Katrin Meier, Kanton und Kristin Schmidt, Stadt St. Gallen – Statik: Grünenfelder & Lorenz Bauingenieure und Planer (bei Bedarf) – Wettbewerbsbegleitung: Dani Burkart, St. Gallen und Marina Tüscher, Basel 1.7 Preissumme Für die Teilnahme am Ideenwettbewerb wird keine Entschädigung ausgerichtet. 7
Für den Projektwettbewerb stehen dem Preisgericht insgesamt CHF 150 000 (inkl. MwSt.) zur Verfügung. Eine allfällige Überarbeitung wird separat entschädigt. Die Auszahlung der Preise oder Ankäufe erfolgt an das federführende Mitglied. Die Aufteilung ist Sache des Teams. 1.8 Weiterbearbeitung und Honorargrundlagen Die Auftraggeberin beabsichtigt, die Verfassenden des vom Preisgericht empfohlenen Siegerprojektes mit der Weiterbearbeitung zu beauftragen. Der Stiftungsrat entschei- det über die Auftragserteilung. Beigezogene Fachleute können dann mit Projektierung und Ausführung beauftragt werden, wenn sie am Wettbewerbsprojekt einen erkenn- baren Anteil haben, gute Referenzen aufweisen und ein konkurrenzfähiges Angebot einreichen. Das Beurteilungsgremium kann auch hervorragende Beiträge, die wesentliche Ver- stösse gegen die Programmstimmungen aufweisen, zur Weiterbearbeitung empfehlen. Voraussetzung hierfür sind ein Preisgerichtsentscheid mit einer Mehrheit von mindes- tens drei Vierteln der Stimmen und die Zustimmung aller Vertretenden der Auftragge- berin. In Anlehnung an die Praxis des Kantonalen Hochbauamtes St. Gallen kann von den folgenden Honorarkonditionen ausgegangen werden: Schwierigkeitsgrad (n) 1.2 Anpassungsfaktor (r, Umbauzuschlag) 1.1 Teamfaktor (i) 1.0 Faktor für Sonderleistungen (s) 1.0 Mittlerer Stundenansatz (h) max. CHF 132 Der Leistungsanteil q wird mit dem Planungsteam vereinbart. Für die von Fachplane- rinnen und Fachplanern bearbeiteten Gewerke können für die aufwandbestimmenden Baukosten zur Berechnung des Architekturhonorars 75% (MSRL: 50%) der effektiven Kosten eingesetzt werden. Die Nebenkosten werden pauschal mit 4% der Honorarsumme vergütet. 1.9 Vorbehalte Die Stiftung Textilmuseum behält sich vor, Einfluss auf die Zusammensetzung des Fachplanungsteams zu nehmen. Auch behält sich die Auftraggeberin für die Aus- führung eine GU-Vergabe oder eine separate Vergabe der Bauleitung vor Ort sowie der Kostenplanung (Kostenschätzung und -voranschlag) vor. In diesem Fall verblieben min. 58.5 Teilleistungsprozente beim Architekturbüro. 1.10 Urheberrecht Das Urheberrecht an den Wettbewerbsbeiträgen verbleibt bei den Verfassenden. Die eingereichten Unterlagen der mit Preisen und Ankäufen ausgezeichneten Wettbe- werbsbeiträge gehen ins Eigentum der Auftraggeberin über. Unter Voraussetzung des 8
gegenseitigen Einverständnisses besitzen Auftraggeberin und Teilnehmende das Recht zur Veröffentlichung der Wettbewerbsprojekte. Die Stiftung Textilmuseum behält sich vor, in Absprache und mit Einwilligung der Urheberin oder des Urhebers auch Ideen aus Wettbewerbsbeiträgen zu verwenden, die vom Preisgericht nicht zur Weiterbearbeitung empfohlen wurden. Die Verwendung einer Idee von Dritten würde im Rahmen des Preisgeldes entschädigt. 1.11 Ablauf Anmeldung Interessierte können sich bis spätestens 18. Juni 2020 unter https://konkurado.ch/wettbewerb/tex- tilmuseumsg anmelden. Begehung Stufe I Es findet eine Einführung mit anschliessender Bege- hung des Textilmuseums statt. Treffpunkt: Empfang Textilmuseum. Fragenstellung Fragen zum Verfahren können unter https://konkura- und -beantwortung Stufe I do.ch/wettbewerb/textilmuseumsg online eingereicht werden. Die Fragen und Antworten werden allen Teilnehmenden auf Konkurado zugänglich gemacht. Die Fragenbeantwortung ist integraler Bestandteil des Wettbewerbsprogramms. Abgabe Ideen Die verlangten Unterlagen sind unter Wahrung der Anonymität, mit Kennwort und Vermerk «Erneuerung Textilmuseum St. Gallen» in Papierform beim Textil- museum St. Gallen einzureichen, Adresse siehe 1.1. Der Poststempel ist massgebend. Beurteilung Preisgericht Anhand der Eignungs- und Beurteilungskriterien und Einladung zum selektiert das Preisgericht 5 bis 7 Architekturbüros, Projektwettbewerb die zusammen mit den unter 1.4 aufgeführten Archi- tekturbüros zum anschliessenden Projektwettbewerb eingeladen werden. In einem Bericht hält das Preisgericht seine Entscheide und Empfehlungen fest. Der Stiftungsrat wird über das Ergebnis des Ideenwettbewerbs res- pektive die Auswahl der Ideen informiert. Die aufgrund des Ideenwettbewerbs ausgewählten Architekturbüros verpflichten sich, beim Projekt- wettbewerb fristgerecht einen Beitrag einzureichen. Die im Bericht festgehaltenen Empfehlungen des Preisgerichts sind für die Teilnehmenden am Projekt- wettbewerb verbindlich. 9
Bezug Grundlagen Die Grundlagen für den Projektwettbewerb werden Projektwettbewerb auf https://konkurado.ch/wettbewerb/textilmuseumsg zur Verfügung gestellt. Begehung Stufe II und Es findet eine Einführung mit anschliessender Bege- Bezug Modellgrundlage hung des Textilmuseums statt. Treffpunkt: Empfang Textilmuseum. Im Anschluss an die Begehung können die Modelle bezogen werden. Fragenstellung Fragen zum Verfahren können unter https://konkura- und -beantwortung Stufe II do.ch/wettbewerb/textilmuseumsg online eingereicht werden. Die Fragen und Antworten werden allen Teilnehmenden auf Konkurado zugänglich gemacht. Die Fragenbeantwortung ist integraler Bestandteil des Wettbewerbsprogramms. Abgabe Projekte Die vollständigen Unterlagen und das Modell sind, unter Wahrung der Anonymität, mit Kennwort und Vermerk «Erneuerung Textilmuseum St. Gallen» in Pa- pierform beim Textilmuseum St. Gallen einzureichen. Bei Versand gilt das Datum des Poststempels bzw. Auftragsbelegs. Wir bitten Sie, sich eine Bestätigung der Poststelle respektive der Versandfirma ausstellen zu lassen, um bei Bedarf den Nachweis der fristge- rechten Einreichung erbringen zu können. Ausstellung und Publikation Nach Abschluss des Verfahrens werden alle zur Beur- teilung zugelassenen Projekte unter Namensnennung der Verfassenden öffentlich ausgestellt. Der Bericht des Preisgerichts wird den Teilnehmenden nach Er- scheinen zugeschickt sowie der Tages- und Fachpres- se zur Publikation zur Verfügung gestellt. Die übrigen Projekte können von den Verfassenden nach Veröffentlichung und Abschluss des Wettbe- werbsverfahrens zurückgenommen werden. 10
1.12 Termine Ideenwettbewerb Anmeldung zum Ideenwettbewerb bis 18. Juni Begehung 14 Uhr, 3. April Fragenstellung bis 9. April Fragenbeantwortung ab 27. April Abgabe Unterlagen Ideenwettbewerb (Datum Poststempel) 19. Juni Beurteilung Preisgericht Ideenwettbewerb 29. Juni Projektwettbewerb Einladung zum Projektwettbewerb, Bezug Grundlagen Juli Begehung und Bezug Modellgrundlage KW 32 / 33 Fragenstellung bis 14. August Fragenbeantwortung ab 31. August Abgabe Unterlagen Projektwettbewerb (Datum Poststempel) 20. November Abgabe Modell (Datum Poststempel) 27. November 1. Beurteilung des Preisgerichtes 9. Dezember 2. Beurteilung des Preisgerichtes 16. Dezember Entscheid Stiftungsrat Information der Teilnehmenden Ende Dezember Ausstellung und Pressekonferenz Januar 2021 11
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2 Bauvorhaben 2.1 Ausgangslage Die Sammlungen des Textilmuseums und der Textilbibliothek St. Gallen gehen in ihren Ursprüngen auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und stehen in der Tradi- tion der Gewerbemuseen und Mustersammlungen, die in jener Zeit europaweit ge- gründet wurden. Sie sollen der Industrie als Inspiration und Vorbild der eigenen Produk- tion dienen, der Bevölkerung Wissen vermitteln, aber auch den „guten Geschmack“ bilden. Von Anfang an ist der Anspruch international: 1863 beginnt das Kaufmännische Directorium – die Vereinigung der St. Galler Kaufleute – weltweit Mustervorlagen für die heimischen Produzenten zu sammeln und baut den bereits existierenden Bestand sys- tematisch aus. 1878 kommt es zur Gründung des Museums. Vier Jahre später erwirbt das Kaufmännische Directorium das Areal „Zum Seidenhof“ an der Vadianstrasse. Emil Wild wird neuer Direktor. 1884 erfolgt die Ausschreibung eines Architekturwettbe- werbs für den Museumsbau. Der zweite Preis geht an Gustav Gull aus Zürich (erster Preis wird keiner vergeben). Wild überarbeitet in der Folge den Gull‘schen Entwurf und übernimmt die Bauleitung persönlich. Gewerbemuseum anno 1910, Denkmalpflege Stadt St.Gallen / Fotosammlung Uhler Am 2. November 1886 findet die Eröffnung des Industrie- und Gewerbemuseums statt. Der Anspruch der Sammlungen ist so international wie die Vorbilder des Ge- bäudes: das Victoria & Albert Museum in London, insbesondere aber das Museum für angewandte Kunst in Wien stehen dafür Pate. Auch die Bibliothek und die Zeichen- schule ziehen in das aufgrund seiner roten Backsteinfassade „Palazzo Rosso“ genan- nte Gebäude. 1890 wird im Museumsgebäude eine Stickereischule eingerichtet. Ab 1900 finden vermehrt Wechselausstellungen statt. Im Laufe der Zeit wird die Samm- lung durch Ankäufe, vor allem auch durch Schenkungen bedeutender Privatsammlun- 14
gen und Archive der Textilindustrie, erweitert. 1956 erfolgt die Aufstockung des Museumsgebäudes im mittleren Abschnitt, was eine Veränderung des Erscheinungsbildes bedeutet. Ab 1982 heisst das „Industrie- und Gewerbemuseum“ neu „Textilmuseum“ und „Textilbibliothek“. 1987 / 88 erfolgen Umbau und Erweiterung der Textilbibliothek. 1991 werden Museum und Bibliothek in die Stiftung IHK / Industrie- und Handelskammer überführt. 2012 überträgt die IHK die Führung des Textilmuseums sowie die Betreuung der Textilsammlung dem Ver- ein Textilmuseum. Mit dem Ziel, die verbandspolitischen und kulturellen Aufgaben zu entflechten, übernimmt 2018 schliesslich die «Stiftung Textilmuseum St. Gallen» die Trägerschaft des Museums. Die Sammlung umfasst cirka 40 000 Objekte und zeichnet die facettenreiche Textilgeschichte der Antike bis in die Gegenwart nach. Zu den Highlights zählen Gewebe aus ägyptischen Gräbern, historische Stickereien, handgearbeitete Spitzen bedeutender europäischer Provenienz, völkerkundliche Textilien, historische Gewebe und Kostüme, sowie Objekte zeitgenössischer Textilkunst. Die Textilbibliothek umfasst mehrere Tausend Musterbücher mit Textilmustern Schweizer Firmen. Das Textilmuseum ist heute ein offenes Haus für alle Besucherinnen und Be- sucher. Rund 140 Jahre nach seiner Eröffnung sieht es sich jedoch mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Nicht nur die Infrastruktur ist veraltet, auch das für einen Palazzo typische, von der Strasse entrückte Erdgeschoss ist aus betrieblicher Sicht unbefriedigend. So ist das Museum für Passantinnen und Passanten trotz seiner herausragenden Architektur wenig spürbar, der Eingang schlecht erkennbar. Auch fehlt ein Café zum Verweilen. Hinzu kommt, dass Menschen mit Behinderung die verschie- denen Ausstellungsebenen nur mühsam erreichen. Weiter platzt das Museum buchstäblich aus allen Nähten. Während die Samm- lung stetig wuchs, blieben die räumlichen Verhältnisse abgesehen von einem geringen Zuwachs im Dachgeschoss gleich. Der fehlende Raum führt zu betrieblich unbefriedi- genden Kompromissen. Um einige Beispiele zu nennen: die wertvollsten Stickereien werden im Dach aufbewahrt und sind extremen, klimatischen Schwankungen aus- gesetzt; die Schulungsräume befinden sich im dritten Obergeschoss, weitab von der Ausstellung; Publikationen lagern offen auf Paletten im Gang. Auch bleibt der Wunsch nach einer umfassenderen Dauerausstellung, die neben lokalen Trouvaillen auch Stücke aus der Sammlung zeigt, seit Jahren unerfüllt. Nicht zuletzt ist die Personensicherheit, namentlich der Brandschutz, gemäss den heutigen Normen nicht mehr gewährleistet. Kurzum: es besteht auf verschiedenen Ebenen grosser Handlungsbedarf! Im Rahmen einer Testplanung haben die ARGE Keller Hubacher Architekten und Dani Burkhart Raum und Architektur AG die Mach- barkeit der geplanten baulichen Massnahmen geprüft. 15
2.2 Ziele der Erneuerung Nach der Erneuerung des Textilmuseums bietet sich folgendes Bild: Der «Palazzo rosso» wirkt freundlich und einladend. Ein von aussen zugängliches und gut sichtbares Café zieht sowohl einheimisches als auch neues Publikum an und wird zum lebendigen Begegnungsort im Stickereiquartier. Die zeitgemässe Krone auf dem altehrwürdigen Palast sowie der attraktive Museumsrundgang erregen Aufmerksamkeit und strahlen weit über St. Gallen hinaus. Dank der Aufstockung steht beinahe doppelt so viel Fläche für Ausstellungen zur Verfügung wie zuvor. Die neue Grosszügigkeit ermöglicht eine umfassende Dauerausstellung, die dem Textilmuseum seine unverwechselbare Iden- tität verleiht. Auch Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, erreichen alle Ausstellungsebenen problemlos. Im grosszügigen, zeitgemäss ausgestatteten Depot finden die wertvollen, textilen Sammlungsgegenstände, die gerade nicht Teil einer aktu- ellen Ausstellung sind, kurz- oder langfristig einen sicheren Platz. Die neuen Elemente heben die Pracht des historischen Bauwerks zusätzlich hervor statt sie zu schmälern. Trotz seines hohen Alters erfüllt das Museum die bautechnischen Anforderungen sei- ner Zeit. Zur Erreichung dieser Ziele sind folgende Massnahmen geplant: – der Bau eines zusammenhängenden, unterirdischen Archivs (Depots) im Hof – die Verbesserung des Brandschutzes / die Erhöhung der Personensicherheit – die Verbesserung der Anbindung des Erdgeschosses an den öffentlichen Raum – die Optimierung des Museumsrundgangs – die Aufstockung mit attraktivem Ausstellungsraum Ziel ist ein wandelbares Haus, das auch in Zukunft mit dem Geist der Zeit gehen kann. Gesucht ist ein architektonisch und städtebaulich überzeugendes Projekt, das die baukünstlerischen Qualitäten des bestehenden Gebäudes respektiert sowie sinnvoll ergänzt, langfristig optimale Betriebsabläufe sicherstellt und insbesondere Besucherin- nen und Besucher begeistert. 16
3 Stufe I: Ideenwettbewerb im offenen Verfahren 3.1 Aufgabe Um seine Attraktivität zu steigern, will sich das Textilmuseum im Rahmen der Sa- nierung einerseits öffnen und andererseits über sich hinauswachsen. Mit dem Ideen- wettbewerb suchen wir architektonisch, denkmalpflegerisch und funktional überzeu- gende Ideen für die Aufstockung des Textilmuseums. Folgende Frage steht im Vordergrund: Welchen Auftritt bekommt der «Palazzo ros- so», und was bedeutet er für das Ortsbild? 3.2 Einzureichende Unterlagen I – Darstellung der Aufstockung mit Ausstellungsraum auf zwei A3 - Blättern Form und Massstab der Darstellung stehen den Teilnehmenden frei. Die Disposition der verschiedenen Bereiche und Räume ist nicht Teil des Ideenwettbewerbs. Die Wettbewerbsbeiträge sind anonym mit Kennwort und dem Vermerk «Textilmu- seum St. Gallen» einzureichen. Zudem sind die Unterlagen im PDF - Format in einer für den Print sinnvollen Auflösung auf die Wettbewerbsplattform Konkurado hochzuladen. Alle Dateinamen beginnen mit dem Kennwort. Die Angaben zu den Verfassenden werden von Konkurado beim Upload der Dateien abgefragt und bleiben bis zum Verfahrensende unter Verschluss. 3.3 Abgegebene Grundlagen I – Wettbewerbsprogramm inkl. Raumprogramm – Grundrisse und Schnitte als PDF und DWG – Fotodokumentation – Historische Pläne als PDF – Machbarkeitsstudie der ARGE Keller Hubacher Architekten und Dani Burkhart Raum und Architektur, 9. August 2019 (ergänzt) 3.4 Vorprüfungs- und Beurteilungskriterien Die Beiträge werden vor der Beurteilung anhand der formellen Kriterien: Fristgerechte Einreichung, Vollständigkeit der Unterlagen, Lesbarkeit, Anonymität und Sprache ge- prüft. Für den Ideenwettbewerb gelten folgende Beurteilungskriterien: – Attraktivität des Textilmuseums – Architektur und Städtebau – Bezug zur geschützten Bausubstanz – Ökonomie der Mittel, Kosten / Nutzen Die Reihenfolge der Kriterien entspricht keiner Gewichtung. 18
4 Stufe II: Projektwettbewerb im Einladungsverfahren 4.1 Aufgabenstellung Der Projektwettbewerb zur Erneuerung des Textilmuseums umfasst folgende Teilauf- gaben: – den Entwurf eines zusammenhängenden, unterirdischen Archivs (Depots) im Hof – die Verbesserung der Visibilität des Museums respektive der Anbindung des Erdgeschosses an den öffentlichen Raum – die Aufstockung mit grosszügigem Ausstellungsraum – den Vorschlag für einen attraktiven Museumsrundgang – die Verbesserung der horizontalen und vertikalen Betriebsabläufe – die Erhöhung der Personensicherheit (Fluchttreppen) – den Vorschlag einer sinnvollen, wirtschaftlichen Etappierung Mit dem Projektwettbewerb sucht die Stiftung Textilmuseum Antworten auf fol- gende Fragen: Wie gelingt es, das Raumprogramm im erweiterten Gebäude so zu organisieren, dass ein attraktiver Museumsrundgang entsteht, der sowohl optimale Betriebsabläufe gewährleistet als auch die denkmalpflegerischen und bautechnischen Auflagen erfüllt? Welcher «Öffnungsgrad» des Sockelgeschosses ist dem geschützten Gebäude angemessen? Wie wird das Museum für Passantinnen und Passanten spür- barer? Welches innere und äussere Erscheinungsbild ist angemessen für den neuen Ausstellungsraum im Dachgeschoss? Wie lassen sich lichtempfindliche Ausstellungs- gegenstände und wünschenswerte Ausblicke vereinbaren? 4.2 Raumprogramm Für den Ideenwettbewerb hat das Raumprogramm lediglich informativen Charakter. Die Organisation der Räume ist Aufgabe des Projektwettbewerbs. Da es sich um den Umbau eines bestehenden «Denkmals» handelt, gilt der Grund- satz, die räumlichen Bedürfnisse den gegebenen Verhältnissen unterzuordnen. Höchs- te Priorität haben die Ausstellungsräume respektive der Museumsrundgang. Für den Betrieb ist jeder zusätzliche Quadratmeter Archiv und / oder Lager wertvoll, die verfügbare Fläche ist jedoch begrenzt. Die optimale Nutzung und Organisation des Archivs sowie der Lagerräume ist in der Projektierungsphase Thema. Sollte sich zei- gen, dass es an Archiv- oder Lagerraum mangelt, ist es die Aufgabe der Stiftung, nach externen Lösungen zu suchen. 4.3 Abgegebene Grundlagen II Folgende Grundlagen werden auf Konkurado zur Verfügung gestellt: – Wettbewerbsprogramm inkl. Raumprogramm – Formular «Verfassende» 20
– Pläne Situation als PDF und DWG Grundrisse, Schnitte, Fassaden als PDF und DWG Historische Pläne als PDF Auszug Leitungskataster als PDF – Beilagen Orthofoto als PDF Fotodokumentation Machbarkeitsstudie der ARGE Keller Hubacher Architekten, Dani Burkhart Raum und Architektur, 9. August 2019 (ergänzt) Technischer Bericht von Grünenfelder & Lorenz AG, 1. Mai 2019 Brandschutzschema – Modellgrundlage 1:200 4.4 Einzureichende Unterlagen II Alle verlangten Unterlagen sind anonym mit Kennwort und dem Vermerk «Textilmuse- um St. Gallen» einzureichen. – Verschlossenes Couvert mit ausgefülltem Formular «Verfassende» – Pläne, max. 4 A0 Querformat, 1-fach: Situationsplan / Dachaufsicht, Massstab 1:500 Grundriss Erdgeschoss mit Umgebung, Massstab 1:200 Grundrisse, Schnitte und Fassaden, Massstab 1:200 Konstruktionsschnitt Dachaufbau, Massstab 1:50 – Erläuterungsbericht betreffend den Bezug der Aufstockung zur historischen Bausubstanz – Visualisierung der Gestaltungsprinzipien der Innenraumgestaltung – Verkleinerungen der Pläne, A3 Querformat, 4-fach Die erläuternden Texte müssen lesbar sein oder als separate Beilage mitgeliefert werden. – Modell Modellergänzung 1:200 auf abgegebener Grundlage Die Grundrisse sind analog zu den ausgehändigten Basisplänen auszurichten. Wich- tige Höhenkoten müssen angegeben werden. Alle Räume sind gemäss der im Raum- programm angegebenen Bezeichnung und mit der Nettofläche zu beschriften. Die Pläne sind auf Papier, ungefaltet und nicht aufgezogen in einer Planmappe oder Rolle einzureichen. Lösungsvarianten sind ausgeschlossen. Zugleich sind alle Unterlagen im PDF - Format in einer für den Print sinnvollen Auflösung auf die Wettbewerbsplattform Konkurado hochzuladen. Alle Dateinamen beginnen mit dem Kennwort. 21
4.5 Vorprüfungs- und Beurteilungskriterien Die Projekte werden vor der Beurteilung nach folgenden Kriterien geprüft: – Formelle Kriterien: Fristgerechte Einreichung, Vollständigkeit der Unterlagen, Lesbarkeit, Anonymität, Sprache – Materielle Kriterien: Erfüllung der Wettbewerbsaufgabe und des Raumprogramms, Einhaltung der Rahmenbedingungen Für die Jurierung der Projekte gelten die folgenden Beurteilungskriterien als Zu- schlagskriterien: – Städtebau: Einordnung ins Ortsbild – Architektur: Gestaltungsidee, Identität, Visibilität / Adressbildung – Denkmalpflege: Bezug zur und Umgang mit der schützenswerten Bausubstanz – Funktionalität: Museumsrundgang, Betriebsabläufe – Wirtschaftlichkeit: Kosten / Nutzen, Etappierbarkeit Die Reihenfolge entspricht nicht der Gewichtung der Kriterien. 22
5 Rahmenbedingungen 5.1 Baurecht und Perimeter Das Stickereiquartier ist im Zonenplan als geschütztes Ortsbild verzeichnet. Neu- und Umbauten sowie Veränderungen des Aussenraumes müssen sich deshalb in allen Be- langen besonders gut in das Ortsbild einordnen – gilt u.a. insbesondere für die Dachge- staltung der Bauten (BO Art. 47ff). Das Textilmuseum befindet sich in der Kernzone K5. Es gelten folgende Grundmasse: Geschosszahl 5 Gebäudehöhe (18) Höhe im Rahmen der umgebenden Bebauung Gebäudelänge 60 Gebäudetiefe 14 Kl. Grenzabstand 6 Gr. Grenzabstand 6 Die Bauherrschaft beabsichtigt, aufgrund des Wettbewerbsergebnisses einen Sonder- nutzungsplan zu erarbeiten. Der Sondernutzungsplan kann im Interesse einer Über- bauung von hoher städtebaulicher und architektonischer Qualität eine höhere bauliche Nutzung Amtlichezulassen. Vermessung Gde Situationsplan mit Perimetern: Archiv (braun),FürAufstockung (blau), die Richtigkeit und Aktualität der DatenAnbindung (grün) wird keine Garantie übernommen. Massstab 1: 1'000 Es gelten die Nutzungsbedingungen des Geoportals. Koordinaten 2'746'000, 1'254'322 14.02.2020 Perimeter Archiv (Depot) Mit dem Ziel, die bestehende Bausubstanz so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, beschränkt sich der Perimeter für das Archiv (Depot) auf den Hinterhof des Textilmu- seums. Es sind nur unterirdische Bauten zulässig. Perimeter Aufstockung Siehe denkmalpflegerische Rahmenbedingungen. Das Fluchttreppenhaus kann sowohl 24
im bestehenden Gebäude als auch im Perimeter Archiv umgesetzt werden. Perimeter Anbindung an den öffentlichen Raum Dieser Perimeter steht für stadträumliche Gestaltungselemente zur besseren An- bindung des Museums an die Vadianstrasse sowie für das Strassencafé zur Verfügung. In diesem Bereich sind keine Bauten möglich. 5.2 Kontext Erweist sich die Handstickerei schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts als heraus- ragender Industriezweig der Ostschweiz, so erfolgt der eigentliche Durchbruch der Stickerei – nun als Maschinenstickerei – in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Das Ende des amerikanischen Sezessionskrieges im Jahre 1865 sowie die damit verbun- dene Freihandelspolitik, aber auch die vom französischen Hof protegierte Mode des zweiten Rokokos begründen den ungeheuren Aufschwung der St. Galler Stickerei, die schon bald den Stellenwert der wichtigsten Schweizer Exportindustrie einnimmt. Men- genmässig erreicht der Stickereiexport um 1910 seinen Höchststand, wertmässig um 1920, kurz vor dem darauffolgenden Zusammenbruch 1921. 2 1 3 4 Luftaufnahme 2018: 1 Textilmuseum, 2 eh. Stickereibörse, 3 eh. Multertor, 4 Bahnhofsgebäude Mit dem Stickereiboom orientiert sich St. Gallen sowohl exportgeographisch als auch städtebaulich in Richtung Westen: einerseits sind die USA wichtigster Abnehmer der St.Galler Stickereien, andererseits verlegt sich der Schwerpunkt der Bautätigkeit ausserhalb der Altstadt zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf die Westseite. Auf den ehe- maligen Bleichen entsteht in Etappen das Handels- und Bahnhofquartier, auch unter dem Namen Stickereiquartier bekannt: dazu gehören die St. Leonhard-Strasse und die Vadianstrasse, die die Multergasse – zentrale Ost-West-Achse von der Marktgasse zum Börsenplatz und dem ehemaligen Multertor – in Richtung Westen verlängert. Das Textilmuseum ist Teil der zweiten Überbauungsphase des Quartiers Bahnhof-, St. Leon- hard- und Poststrasse und bildet zusammen mit dem Bankgebäude der Credit Suisse 25
– 1884 als Wohn- und Geschäftshaus «Seidenhof» erbaut, 1960 zu Gunsten des Bank- neubaus abgerissen – den östlichen Auftakt der Vadianstrasse. Ehemalige Unionbank mit Stickereibörse, 1889-91 In der nahen Umgebung des Textilmuseums, an der Neugasse 54, befindet sich die 1889 - 1891 erbaute ehemalige Schweizerische Unionbank mit Stickereibörse – ein repräsentativer, üppig instrumentierter «Bankpalast» zwischen Neurenaissance und Neubarock, der eine wichtige Stellung zwischen Oberer Graben und Neugasse, am Anfang der Multergasse beim ehemaligen Multertor, einnimmt. Historisch betrachtet ist der Raum vor dem ehemaligen Multertor und dem Ge- bäude der Unionbank ein Kristallisationspunkt für die St.Galler Textilbranche und damit auch für das wirtschaftliche und kulturelle Leben St. Gallens im 19. und beginnen- den 20. Jahrhundert. Die Fläche stand ganz im Zeichen der Textilindustrie. Die Achse Stickereibörse – Multertor – Textilmuseum kann als ein für die Textilstadt St. Gallen eminent wichtiger Raum betrachtet werden. Im Rahmen der Aufwertung der Innenstadt plant die Stadt St. Gallen, den westli- chen Zugang zur Altstadt beim Multertor attraktiver zu gestalten. Dabei sollen der Bro- derbrunnen, die Vadianstrasse und damit auch das Textilmuseum besser an die Altstadt angebunden werden. 5.3 Denkmalpflege Das Industrie- und Gewerbemuseum sollte ein Gebäude ohne alles Luxuriöse und Überflüssige werden, war in der Ausschreibung zum Wettbewerb für den Bau des Industrie- und Gewerbemuseums zu lesen. Entstanden ist in den 1885er Jahren ein repräsentatives Bauwerk, das mit seinen charakteristischen Blendarkaden und dem Piano nobile Motive der klassizistischen Palastarchitektur geschickt mit der back- steinernen Fabrikarchitektur jener Zeit verbindet. In kaum einem anderen Gebäude in St. Gallen sind Nutzung und Ausdruck so kohärent abgebildet wie hier. Die hohen Blendarkaden, die zwei Geschosse verbinden und auf einem massiven Sockel stehen, 26
bestimmen die Fassadengliederung. Das kräftige Horizontalgesims über dem dritten Obergeschoss schliesst die Fassade ab und leitet zum Dachaufbau über. Strassenfassade und Grundriss Piano Nobile, gezeichnet um 1884 Im Innern wird der Gast von der prachtvollen Ausstattung des Treppenhauses und der öffentlichen Bereiche empfangen. Auch hier dominiert die Formensprache des Klassizismus, die sich auch in den Materialien und der Farbigkeit der Oberflächen wi- derspiegelt. Der Erhaltung der historischen Bausubstanz und des Erscheinungsbildes ist deshalb aus denkmalpflegerischer Sicht höchste Priorität einzuräumen. 27
Trotz kleinerer Umbauten – 1956 wurden die Trauflinie des Mittelrisalits auf jene der Seitentrakte angehoben sowie die Strassenfassaden verputzt, 1980 das Dach des Ostflügels ausgebaut und 1987 kleinere Veränderungen und Einfügungen im Innern vorgenommen – hat das Gebäude seine hohe architektonische Qualität erhalten kön- nen. Aufgrund seiner herausragenden Architektur, des guten Erhaltungszustandes sowie seiner markanten städtebaulichen Position und Bedeutung ist das Textilmuse- um im städtischen Inventar der schützenswerten Bauten aufgeführt. Zudem wird das Museum im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) sowohl als Einzelbau als auch als wichtiges ortsbildprägendes Element mit dem Erhaltungsziel A – gleichbedeutend mit «Integralem Erhalten der Substanz» – klassiert. Die Schutzziele sind entsprechend umfassend und beinhalten die Fassaden, die Gebäudestruktur sowie die historische Bausubstanz im Innern: die Bibliothek, das Treppenhaus und den heutigen Museumsshop (altes Sitzungszimmer). Sie, die Schutzziele, orientieren sich einerseits an der historischen Bausubstanz, definieren sich aber auch durch die ein- schlägigen Zielformulierungen der Charta von Venedig und die Leitsätze zur Denkmal- pflege in der Schweiz (EKD 2006). Wie erwähnt, wird ein sehr sorgfältiger Umgang mit der historischen Bausubstanz verlangt. Zu den gewünschten Baumassnahmen sind ergänzend aus denkmalpflegeri- scher Sicht folgende Anmerkungen zu machen: – Eine Unterkellerung in der unmittelbaren Umgebung von Schutzobjekten oder im Schutzobjekt selbst ist grundsätzlich heikel und stellt eine Gefahr für das Schutzobjekt sowie die umgebenden Gebäude dar. Sie führt aber auch zu einem veränderten Empfinden in Bezug auf Identität und Authentizität. Auf alle Fälle ist der statischen Sicherung der aufgehenden Mauerwerke grosse Beachtung zu schen- ken. Da im Hofbereich keine archäologisch heiklen Zonen bekannt sind, scheint dieser Ort für die unterirdischen Archivräume eher geeignet. – Das heutige Fassadenbild ist durch seine eindrückliche Architektur im Stras- senbild sehr präsent. Im Gegensatz zu den neueren Geschäftsbauten, welche ihre Verkaufslokale zur Strasse öffnen, weisen die älteren Geschäftsbauten jedoch ein Hochparterre auf, das ihre Palast-ähnliche Architektur unterstreicht und damit auch die besondere Nutzung auszeichnet. Diese Erkennungsmerkmale gehören unbestritten zu den Erhaltungszielen der Fassaden. Grossflächige Öffnungen auf Strassenniveau oder eine Abkehr von der zentralen Erschliessung sind darum aus Schutzüberlegungen nicht denkbar. Vorgeschlagene Veränderungen in der heutigen Fassadenarchitektur bedürfen einer denkmalpflegerisch plausiblen und architek- tonisch sowie nutzungstechnisch nachvollziehbaren Begründung. – Beim Erscheinungsbild der Aufstockung sind der Einordnung ins Ortsbild sowie dem architektonischen Bezug zur Bausubstanz besondere Beachtung zu schenk- en. Ganz im Sinne der klassizistischen Architektur bilden die markanten Dachge- simse den Abschluss der Fassaden und weisen dem bestehenden Schrägdach eine 28
untergeordnete, kaum sichtbare Rolle zu. Diese Erkenntnisse lassen einen neuen Umgang mit dem Thema Dach zu. Dabei steht in denkmalpflegerischer Hinsicht weder eine stark expressive Lösung noch das simple Weiterbauen des Bestands im Vordergrund. Aus städtebaulicher Sicht soll die Silhouette des neuen Aufbaus die bestehenden Gebäudehöhen nicht wesentlich überragen. – Die neuen Infrastruktureinrichtungen, wie Lift oder WC-Anlagen, sollten, wenn immer möglich, in die strukturell und baukünstlerisch weniger bedeutenden Neben- räume gelegt werden. Bei der Planung ist ebenso darauf zu achten, dass die heute notwendigen, neuen Medienleitungen möglichst konzentriert und nicht im Bereich historisch wertvoller Wand- und Deckenpartien geführt werden können. 5.4 Museumskonzept Das Textilmuseum St. Gallen zählt zu den wichtigsten Textilsammlungen der Schweiz und Europas und dokumentiert alle massgeblichen Bereiche der Schweizer Produktion bis in die Gegenwart. Eine zentrale Aufgabe stellt die Präsentation der Bestände für die Öffentlichkeit im Rahmen von Sammlungs- und Sonderausstellungen dar. Das Zusam- menspiel von Sammlungsbeständen, Textilbibliothek und Archiv macht das Haus heute zu einem textilen Hotspot mit internationaler Ausstrahlung. Vision Das ausgebaute und sanierte Textilmuseum St. Gallen ist ein Leuchtturm in der Schweizer Museumslandschaft. Zusätzlich zum Stiftsbezirk ist es ein national eigen- ständiger, kultureller und touristischer Anziehungspunkt, der nachhaltig zum sozialen und kulturellen Leben der gesamten Region Ostschweiz beiträgt. Das Museum bereichert das kulturelle Leben der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt und ihrer Besucherinnen und Besucher mit kontextualisierendem textilem Wissen. Es ist eine Institution von nationaler und internationaler Ausstrahlung, ein offenes Haus mit grenzüberschreitender Ausstrahlung. Leitbild Basis für die internationale Ausstrahlung des Museums ist seine Verankerung in der traditionsreichen Textillandschaft Schweiz, die über Jahrhunderte das wirtschaftliche und soziale Gefüge des Landes prägte. Seine Sammlungen von internationaler Bedeu- tung stellen einen Fixpunkt im Bewusstsein der Öffentlichkeit dar. Erhaltung, wissen- schaftliche Aufarbeitung und Ergänzung der Sammlungen und Bibliothek bilden einen zentralen Teil der Arbeit im Textilmuseum und halten die Sammlungen lebendig. Das Museum ist ein offenes Haus. Es nutzt seine Ausstellungen und das Vermitt- lungsprogramm, um einem breiten Publikum den Zugang zur Welt der Textilien zu er- möglichen. Es erläutert mit seinem Programm die Wechselwirkungen von technischen und kunsthistorischen Entwicklungen des textilen Erbes und macht sie als Teil einer kulturellen Gesamtentwicklung sichtbar. Das Museum beschäftigt sich mit den aktuel- 29
len Entwicklungen im Textilbereich ebenso wie mit Fragen nach grösseren historischen Zusammenhängen. Den Besucherinnen und Besuchern wird durch unterschiedliche partizipative Pro- jekte die Möglichkeit gegeben, ihr eigenes Wissen einzubringen. Für den Tourismus- standort St. Gallen bedeutet das Textilmuseum eine wichtige Attraktion. Durch seinen Verein sucht die Institution die breite Verankerung in der Bevölkerung. Besonders wichtig ist dem Museum die Zusammenarbeit mit Schulen, Hochschulen und Universi- täten. 5.5 Betrieb Wichtig sind eine klare Gliederung der verschiedenen Bereiche – idealerweise nach Geschossen –, um eine «Fragmentierung» der Angebote und Nutzungen zu vermeiden sowie eine klare Trennung unterschiedlich gesicherter und klimatisierter Bereiche. Auch eine gut durchdachte, den Betriebsabläufen angepasste Trennung von öffentlichen und nicht öffentlichen Bereichen ist anzustreben. Empfang, Café, Shop und Veranstaltungen Strassenfassade und Treppenaufgang Die Visitenkarte eines Museums ist der Empfang. Er bildet den Auftakt eines angeneh- men und inspirierenden Museumsbesuchs. Ein einladender Eingang holt Interessierte ins Museum und heisst sie willkommen. Der Empfang ist so organisiert, dass die Mitarbeitenden sowohl den Überblick haben als auch gesehen werden. Besucherinnen und Besucher können sich problemlos orientieren und die verschiedenen Aus- stellungen und Vermittlungsangebote auf einen Blick wahrnehmen. An den Empfang schliessen das Café und der Vortragssaal / Eventsaal an. Vom Eingang her erschliessen 30
idealerweise zwei Lifte, von denen einer gross genug für Objekttransporte ist, alle Stockwerke. In Empfangs- bzw. Garderobennähe befinden sich genügend WCs für Gruppen und Menschen mit Beeinträchtigung. Das Café wirkt einladend auf Passantinnen und Passanten und ist direkt von der Strasse zugänglich. Es bietet die Möglichkeit einer kleinen Verpflegung und ist lebendi- ger Treffpunkt sowohl im Museum als auch in der Stadt – quasi das «Schaufenster» zur Stadt. Im Sommer können Tische im Aussenraum stehen. Eingangsbereich des Muse- ums und Café sind verbunden, aus feuerpolizeilichen Gründen lässt sich das Café vom Eingangsbereich abtrennen. Von aussen unterscheiden sich die Eingänge zu Café und Museum deutlich. Im Shop finden Interessierte Ausstellungskataloge, Bücher, Postkarten und aus- gewählte Geschenkartikel. Das Angebot bezieht sich auf den Inhalt des Hauses. Die Garderobe ist vom Eingangsbereich gut zugänglich und auf ungefähr 50 Be- sucherinnen und Besucher angelegt. Grosse Taschen dürfen nicht in die Ausstellung mit, Platz finden sie in absperrbaren Schränken. Schulen und Gruppen deponieren ihre Taschen in grösseren abschliessbaren Wagen, die auch im Untergeschoss unterkom- men können. Altes Sitzungszimmer, als Museumsshop genutzt Das alte Sitzungszimmer (momentan Shop) auf Empfangsebene könnte für Kabi- nettausstellungen genutzt werden, etwa die Geschichte des Hauses erläutern und / oder eine Leseecke beinhalten, die Bücher zu textilen Themen bietet. Der / die Vortragssaal / Lounge im Erdgeschoss schliesst an den Empfang an und wird für Vernissagen mit Apéro sowie Konferenzen und Vorträge verwendet, manchmal wird die Lounge Teil von Ausstellungen, bleibt aber zugleich für Events nutzbar und kann vermietet werden. Sie wird flexibel bespielt und bietet rund 100 Personen Platz. 31
Stühle und Tische lagern unweit des / der Vortragssaals / Lounge. Die Medienanlage ist einfach und zentral bedien- sowie variabel einsetzbar. Museumsrundgang, Ausstellungen, Bibliothek Ausstellungsraum mit prägenden Stahlstützen Hohe Priorität im Projektwettbewerb haben die Ausstellungsflächen, die von der historischen Architektur strukturiert werden. Ziel ist ein attraktiver Museumsrundgang. Dabei stehen die Besucherin und der Besucher im Vordergrund. Die Wahl der Richtung des Rundgangs – wie bisher von unten nach oben oder umgekehrt von oben nach unten – ist Sache der Teilnehmenden. Ausstellungen mit textilen Objekten sind sehr kompliziert zu planen. Die Objekte werden flach in Kartons gelagert oder gerollt und bedürfen aufwendiger Montagen, bevor sie ausgestellt werden können. Soll etwa eine Puppe für ein historisches Kleid massgetreu angefertigt werden – heute gebräuchliche Schneiderpuppen haben nicht die Masse der Körperstrukturen des 19. Jahrhunderts –, ist mit einer Montagezeit von bis zu drei Wochen für ein Objekt zu rechnen. Auch Kostümteile müssen, um als Kra- gen oder Manschetten erkannt zu werden, auf Träger montiert werden. Ausstellungen zu textilen Themen sind also ungleich aufwendiger als Bilder- oder andere Objektaus- stellungen. Dies muss auch im Bereich der Vorbereitungsräume für Ausstellungsräume bedacht werden, für die Vorbereitung der Objekte ist ausreichend Raum nötig. Textilien müssen zum grössten Teil in Vitrinen ausgestellt werden (Staub, Zugriff, Fragilität). Insbesondere Kostüme benötigen grosse Vitrinen aus Glas. Darin werden Objekte gestellt, auf unterschiedlichen Höhen gelegt oder auch abgehängt. Im «neuen» Textilmuseum haben Glasvitrinen (Tiefe min. 120 cm) in gewissen Räumen ihren festen Platz. Fest eingebaute Vitrinen eignen sich insbesondere für permanente 32
Ausstellungen und bieten zudem den Vorteil, dass sie klimatisiert werden können. Vitrinen in der Ausstellung «Die Spitzen der Gesellschaft» In den Räumen herrscht derzeit ein Klima, das nicht internationalen musealen Stan- dards entspricht. Da gute internationale Leihgaben nur erhältlich sind, wenn das Muse- um klimatisierte und durch Alarmanlagen gesicherte Räume vorweisen kann, wird mit dem Umbau ein möglichst konstantes Klima angestrebt. Von einer Vollklimatisierung ist jedoch zur Schonung der Gebäudesubstanz sowie aus Kostengründen abzusehen. Historische Textilien sind extrem lichtempfindlich und können nur bei 50 lux aus- gestellt werden. Nach dem Umbau lassen sich folglich alle Fenster verdunkeln und sind mit UV abschirmenden Gläsern / Auflagen versehen. Diskrete Lichtanlagen be- leuchten die Objekte aus unterschiedlichen Richtungen. Aufgrund ihrer Lichtempfind- lichkeit können die Objekte im Laufe ihrer Lebensdauer nicht länger als 5 Jahre aus- gestellt werden. Dies bedingt einen regelmässigen Wechsel aller Ausstellungen des Hauses. Es sind permanente und regelmässiger wechselnde Ausstellungen zu folgen- den Themen geplant: Permanente Ausstellungen: – zu Highlights der Sammlung – zur lokalen Textilproduktion inkl. Handstickmaschine – zur Geschichte des Hauses Wechselnde Ausstellungen: – zu aktuellen Themen, die an die Sammlung und ihre Geschichte anknüpfen – Format der Vision: aktuelle Tendenzen Idealerweise steht nach dem Ausbau des Dachgeschosses für permanente 33
Ausstellungen, die zusammen mit der Textilbibliothek in Zukunft das Herzstück des Hauses bilden, rund doppelt so viel Fläche wie für Wechselausstellungen zur Verfügung. Die historische Architektur, ein Trumpf des Hauses, ist auch in den Ausstellungsräumen spürbar. Der Abbruch der Rigipswände, die der Idee des White Cube verpflichtet waren, bringt die einzigartige Identität des Hauses zum Vorschein. Auf den Ausstellungsebenen befinden sich kleinere Lagerräume für mobile Vitrinen. Die Handstickmaschine ist ein Dauerausstellungsstück, das aktiv bedient wird und gut zugänglich im Haus ausgestellt werden muss. Sie ist sehr schwer, kann daher nicht überall stehen und befindet sich derzeit im hinteren Bereich der Lounge im Erdge- schoss. Eine Platzierung der Maschine in der permanenten Ausstellung wäre jedoch vom Kontext her besser. Handstickmaschine Das Ausstellungsformat Vision und zeitgenössische Projekte, das aktuelle Tex- tiltrends zeigt, verfügt über einen separaten Bereich, der nicht klimatisiert sein muss. Das Format kann auch mit anderen Inhalten kombiniert werden. Die Textilbibliothek im ersten Obergeschoss ist öffentlich zugänglich, sie ist der Wissensspeicher des Hauses, steht integral unter Denkmalschutz und soll deshalb grundsätzlich so bleiben, wie sie ist. Die Bibliothek besteht aus zwei räumlich vonein- ander getrennten Bereichen: dem Freihandbereich und den historischen Beständen, die aus konservatorischen Gründen nicht frei zugänglich respektive in abschliessba- ren Vitrinen aufbewahrt sind. Der repräsentative Bereich der Bibliothek als Herzstück des Museums ist künftig auch zugänglich, wenn der Freihandbereich geschlossen ist. Entsprechende organisatorische Massnahmen sind in der Projektierungsphase zu prüfen. 34
Zu Gunsten eines überzeugenden Gesamtkonzepts kann die Verschiebung der Bibliothek mit entsprechender Begründung in Betracht gezogen werden. Textilbibliothek Kulturvermittlung Die Kulturvermittlung ist essentieller Teil der Museumsarbeit. Sie wird in Form von Führungen und gestalterischen Workshops für ein unterschiedliches Zielpublikum durchgeführt. Hierfür stehen zwei Vermittlungsräume zur Verfügung, die sich idealer- weise in der Nähe der Ausstellungsräume befinden, die oft in die Workshops mitein- bezogen werden. Einer der beiden Räume ist so ausgestattet, dass er sich auch für Vorträge (bis ca. 30 Personen) eignet. Tageslicht ist nötig sowie jeweils ein Wasseran- schluss. Die Vermittlungsräume sind mit Heatpress, Nähmaschinen etc. und Wand- schränken für Arbeitsmaterialien (Sammlung Kulturvermittlung / Arbeitsmaterial für Workshops / Bastelmaterialien / Stofflager) ausgestattet. Depot / Lager / Werkstatt Im Museum sind unterschiedliche Lager nötig: – Sammlungsdepot: Hier werden die wertvollen Sammlungsobjekte bei kontrol- liertem Klima eingelagert (Musterbücher und Textilsammlung sowie Rara Bestand der Bibliothek). Abgetrennt von anderen Lagern. Soweit wie möglich staubfrei und klimakonstant (18°C und 45 -50% Luftfeuchtigkeit) – kein Tageslicht. – Lager Bibliothek: Nicht alle Bücher der Bibliothek sind in der Freihandabtei- lung, zahlreiche Bücher befinden sich im Lager im Keller. Es muss für zeitgenös- sische Bücher nicht klimatisiert sein. – Vitrinen- / Ausstellungslager: Hier finden die für die Ausstellungen nötigen Vi- 35
trinen Platz. Zudem weitere Utensilien, wie Puppen, die für Ausstellungen benötigt werden. Keine Klimatisierung nötig. Der im Raumprogramm genannte Bedarf (60m2) geht davon aus, dass ein Teil der Vitrinen fix eingebaut wird. Wird auf fixe Vitrinen verzichtet, vergrössert sich die benötigte Lagerfläche entsprechend. – Lager Archiv des Museums, Shop und Publikationen: keine Klimatisierung nötig, teilweise im Keller für Anlieferungen, fallweise dort auch für Quarantäneob- jekte. – Eventlager für Stühle und Tische In der Nähe der Eventflächen. Eine Werkstatt für den Haustechniker steht im Keller zur Verfügung, wo auch die ebenerdige Anlieferung stattfindet. Ein mittlerer LKW kann dort gut wenden. Die Objekte können geschützt ins Haus gebracht werden. Anlieferung und Werkstatt / Zwischenlager sind untereinander gut erreichbar. Angelieferte Objekte können per Lift problemlos ins Restaurierungsatelier und ins Depot transportiert werden. Der Transport von Kulturgut ist sehr delikat und birgt Gefahren für die zu liefernden Objekte, daher ist es wichtig, die Weiterleitung der gelieferten Objekte so hindernisfrei wie möglich zu organisieren. Eine strikte Trennung vom Lager des Cafés ist absolut nötig (Ungeziefer). Das Restaurierungs- / Konservierungsatelier braucht Tageslicht. Abtrennbar davon befindet sich in Zukunft ein verfliester Waschraum, der auch für Objekthandling genutzt werden kann. Kommunikation zwischen Restauratorin und Kuratorin ist wichtig, daher befinden sich ihre Arbeitsplätze in räumlicher Nähe. Büros / Aufenthaltsräume Mitarbeitende Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen das inhaltliche Programm des Museums, kommunizieren und administrieren es. Sie kennen, bearbeiten, erforschen und ver- mitteln die einzigartige Sammlung. Der Umbau des Hauses schafft für das Team eine ausgezeichnete Arbeitsfläche in Form von Werkstätte / Atelier und Büros. Die Ar- beitsflächen lassen sich vom Publikumsbereich abtrennen. Büros sind max. mit zwei Personen belegt. Restauratorin und Kuratorin können sich ein Büro teilen, wichtig ist die Nähe zum Restaurierungsatelier. Ein separater Raum für das Objekthandling und die Ausstellungsvorbereitung ist wichtig. Für die Direktion und die Kommunikation sind Einzelbüros erforderlich. Zudem stehen den Mitarbeitenden ein Sitzungsraum sowie ein heller, freundlicher Aufenthaltsraum samt Kaffeeküche zur Verfügung. 5.6 Waren- und Personenfluss Die Anlieferung mit LKW erfolgt weiterhin via St. Leonhard Strasse – Kanzleigasse über den Hinterhof. Von da gelangen Palette mit dem Rollwagen ebenerdig ins Textilmuse- um. Die grossen Archivschachteln (110 x 150 cm) und die Möbel (min. 140 x 200 cm) müssen mit einem Lift auf jedes Geschoss transportiert werden können. Der hindernisfreie Eingang zum Museum ist gut auffindbar. Besucherinnen und Be- 36
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