Die Zukunft fängt heute an - GEMEINDEARBEIT IN MOSAMBIK In Betrieb: die neue Flüchtlingsschule - Stiftung Jesuiten weltweit

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Die Zukunft fängt heute an - GEMEINDEARBEIT IN MOSAMBIK In Betrieb: die neue Flüchtlingsschule - Stiftung Jesuiten weltweit
SOMMER 2016

G E M E I N D E A R B E I T I N M O SA M B I K
Die Zukunft
fängt heute an

                   NORDIRAK                 VOLUNTEERS           JESUITEN
                   In Betrieb: die neue     Jetzt bewerben für   Tagung: Religion
                   Flüchtlingsschule        ein Auslandsjahr     und Gewalt
Die Zukunft fängt heute an - GEMEINDEARBEIT IN MOSAMBIK In Betrieb: die neue Flüchtlingsschule - Stiftung Jesuiten weltweit
J E S U I T E N W E LT W E I T A K T U E L L

     Grünes Licht für Konzerninitiative                                                             BESUCH AUS CHENNAI
                                                    dass Schweizer Konzerne für ihre Ge-
                                                    schäftsbeziehungen eine Sorgfaltsprü-
                                                    fung bezüglich Menschenrechten und
                                                    Umweltschutz einführen. «Die globalen
                                                    Formen des Wirtschaftens brauchen ver-
                                                    bindliche Regeln», betont Pater Kurmann.
                                                    «Als Christen wissen wir uns einem Glau-
                                                    ben verplichtet, der Gerechtigkeit sucht
                                                    und auch den Menschen an den Rändern
                                                    von Gesellschaft und globaler Wirtschafts-

     E
             in erster Erfolg: Die Initiative zur   tätigkeit als unseren Nächsten erkennt.         Im Mai kommen unsere Partner aus
             Konzernverantwortung kommt zu-         Verplichtende Regeln für weltweit tätige
                                                                                                    Indien regelmässig in die Schweiz: Pater
             stande. Mit ihren Unterschriften       Unternehmen leisten dazu einen zentra-
                                                                                                    Francis P Xavier SJ, (l.), Physikprofessor
     haben zahlreiche Schweizerinnen und            len Beitrag», so Kurmann.
     Schweizer die Forderung unterstützt, dass        Sklaverei bei der Crevetten-Fischerei,        und Direktor des College of Engineering
     Unternehmen auch im Ausland Men-               Kinderarbeit im Kakaoanbau, Menschen-           & Technology (LICET) der Jesuiten-Hoch-
     schenrechte und Umwelt respektieren            rechtsverletzungen beim Goldabbau: Die-         schule in Chennai, berichtete diesmal
     sollen. Die von 77 Organisationen der Zi-      se Beispiele zeigen, wie problematisch          gemeinsam mit seinem Stellvertreter
     vilgesellschaft initiierte Konzernverant-      manche Tätigkeiten von Schweizer Kon-           und künftigen Nachfolger Pater Ignacy
     wortungs-Initiative wird nun im Oktober        zernen im Ausland sein können. Trotzdem         Arockyaa SJ (r.), Professor für Visuelle
02   eingereicht. Sie setzt ein Zeichen vor allem   verschliessen sich Parlament und Bundes-        Kommunikation, über die Fortschritte des
     gegen Kinderarbeit, Formen moderner            rat bisher gesetzlichen Regelungen und          College: Mit Unterstützung auch aus der
     Sklaverei und von weiteren Menschen-           setzen allein auf freiwillige Massnahmen
                                                                                                    Schweiz wurde in kurzer Zeit eine akade-
     rechtsverletzungen.                            der Konzerne. Nach einer Studie von «Brot
                                                                                                    mische Ingenieurausbildung angegliedert
        Zu den Erstunterzeichnern gehört auch       für alle» und «Fastenopfer» verfügen je-
     Pater Toni Kurmann SJ, Verantwortlicher        doch nur elf Prozent der 200 umsatz-            an die Anna Universität etabliert. Das LI-
     für die Stiftung Jesuiten weltweit. Die Ini-   stärksten Schweizer Konzerne über ein           CET unterhält Hochschulpartnerschaften
     tiative orientiert sich an den 2011 veröf-     verbindliches Regelwerk, das sich in Men-       in Europa, den USA und in Taiwan und
     fentlichten UNO-Leitprinzipien für Wirt-       schenrechtsfragen an den UNO-Leitprin-          rangiert auf Top 12 im Staat Tamil Nadu.
     schaft und Menschenrechte und verlangt,        zipien orientiert.

        Editorial
                           Liebe Freundinnen        besteht darin, gemeinsam eine für alle         dem anderen verändert die eigene
                           und Freunde              sinnvolle Welt zu gestalten. Dies wird nur     Sicht auf die Welt. So erleben wir gera-
                           unserer Missionare       möglich, wenn wir lernen, die anderen in       de bei den Volontären eine grosse Be-
                           und unserer              ihrer Eigenart zu verstehen und respekt-       reitschaft, sich nach dem Auslandsauf-
                           Partner weltweit!        voll miteinander umzugehen. Auch wenn          enthalt hierzulande in Gesellschaft und
                           Mission, deiniert als    das alles andere als einfach ist, ebnet dies   Kirche zu engagieren. Auch wir sam-
                           «Theorie und Praxis      den Weg zu einem sinnstiftenden Zusam-         meln durch den mal mehr und mal we-
                           kirchlicher Fremd-       menleben selbst mit ursprünglich als           niger gelingenden Dialog mit den Pro-
                           begegnung» (Chris-       fremd erlebten Kulturen und Religionen.        jektpartnern wichtige Erfahrungen für
                           tine Lienemann-             Als Theorie stehen uns die christlichen     die weitere Zusammenarbeit und kön-
        Perrin), ist alles andere als ein           Werte zur Verfügung. In der Praxis greifen     nen so gemeinsam den Menschen vor
        Ladenhüter. So verstanden ist Mission       wir auf relektierte Erfahrungen aus dem        Ort eine bessere Zukunft eröfnen.
        in unserer globalen Welt absolut zeit-      konkreten Zusammenleben mit dem                  Ihnen danken wir für Ihre Unterstüt-
        gemäss. Fremden begegnen wir nicht          Fremden zurück. Ob als Pfarrer wie Heri-       zung vieler oft auch unscheinbarer und
        nur auf Ferienreisen, sondern auch im       bert Fernando Müller in Mosambik oder          gleichwohl sehr wirksamer Projekte.
        hiesigen Alltag. Die Herausforderung        als «Zivi» in Indonesien: Die Erfahrung mit                       Ihr P. Toni Kurmann SJ
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K A M PA G N E N

Bildung — das Tor zur Selbstständigkeit
Jesuiten bieten gezielt Förderprogramme für Flüchtlinge und andere Benachteiligte

Wo könnten Hilfsgelder für Flücht-             100 000 Flüchtlingskinder. Der internatio-     für den guten Zweck zu verkaufen. «Schön
linge besser angelegt sein als in der          nale Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS)      wäre auch, die Herkunftsländer der Flücht-
Schulbildung? Daher unterstützt die            hat diese Aktion mit Unterstützung von         linge im Rahmen von ‹Mensch und Um-
                                               Papst Franziskus Ende 2015 lanciert. Der       welt› im Unterricht zu behandeln», sagt
Stiftung Jesuiten weltweit die glo-            JRS betreut bereits weltweit 140 000 Kin-      Pater Kurmann. Die Jesuiten liefern dazu
bale Spendenkampagne «Mercy in                 der in Flüchtlingslagern. Das Thema ist        bei Bedarf Material und Hefte mit Zeich-
Motion» und spricht in der Schweiz             brandaktuell und spricht viele an: Bislang     nungen von Flüchtlingskindern und ver-
dazu auch Schulen an. Bildung                  wurden in der Schweiz 165 000 Franken          mitteln den Kontakt zu Flüchtlingscamps.
als Basis für eine bessere Zukunft ist         für «Mercy in Motion» gespendet. Im Som-       Umgekehrt sind Fotos von Spenden-
                                               mer wird die Aktion ausgeweitet: «Wir          aktionen willkommen für die Webseite
ebenfalls das Anliegen von Pater               möchten gezielt Schulkinder, Lehrerinnen       www.mercy-in-motion.ch und für www.
Saju George SJ. Der «tanzende Jesuit»          und Lehrer ansprechen», erklärt Pater Toni     facebook.com/MercyMotion.
aus Kalkutta war im Mai erneut in              Kurmann SJ, Missionsprokurator der Stif-
der Schweiz.                                   tung Jesuiten weltweit in Zürich.              Hitzkirch lädt zum Tempeltanz
                                                 Daher erscheint im Juli in hoher Aulage      Es war ein farbenprächtiges Bild: acht in-

D
         iese Zahlen sind erschreckend:        eine achtseitige Broschüre, die sich direkt    dische Tänzerinnen und Tänzer in der Ba-
         Mehr als 60 Millionen Menschen        an Kinder wendet und Ideen vermittelt,         rockkirche von Hitzkirch. Da wollte man-
         sind weltweit auf der Flucht, da-     wie man ohne grossen Aufwand helfen            cher ein Selie mit den Schülern von Pater
runter mehr als die Hälfte Kinder und Ju-      könnte. Die Broschüre ist als Beilage in das   Saju George SJ, der in Kalkutta das Sozial-
gendliche. In der Regel verbringt eine         katholische Kindermagazin «jumi» einge-        und Kulturzentrum Kalahrdaya aufgebaut
Flüchtlingsfamilie 17 Jahre in einem           heftet. Sie ist auch bei der Stiftung Jesui-   hat und dafür um Spenden bittet. In Ka-            03
Flüchtlingslager – eine unvorstellbar lange    ten weltweit erhältlich.                       lahrdaya erhalten derzeit 80 Kinder und
Zeit. Wenn diese Zeit des Wartens nutzlos                                                     junge Erwachsene neben Unterricht in
verstreicht, wird eine ganze Generation        Mercy in Motion@School                         Englisch und Mathematik eine Ausbildung
ohne Ausbildung und damit ohne Zu-             Zu den Ideen für eine Spendenaktion ge-        in klassischem Tempeltanz, eine Chance
kunftsperspektive aufwachsen. Um diese         hören Schulfeste, Sport- oder Konzertan-       fürs Leben. Denn die Schüler stammen alle
Bildungskatastrophe zu verhindern, un-         lässe, die für Sammelaktionen unter dem        aus sehr armen und rechtlosen Familien.
terstützt die Stiftung Jesuiten weltweit die   Motto «Mercy in Motion@School» genutzt         Der Auftritt in Hitzkirch war ein Höhe-
Spendenkampagne «Mercy in Motion»              werden könnten. Kinder können aber auch        punkt von Pater Sajus Spendentournee im
zugunsten von Schulbildung für weitere         etwas malen, kochen oder backen, um es         Mai in der Schweiz.

                                                                                                                       L I N K S : Dieses Mäd-
                                                                                                                      chen aus Bangui in
                                                                                                                        der Zentralafrika-
                                                                                                                           nischen Republik
                                                                                                                      geht in eine Flücht-
                                                                                                                     lingsschule des JRS.

                                                                                                                     RECHTS: Auftritt der
                                                                                                                      Kalahrdaya-Tänzer
                                                                                                                     in der Barockkirche
                                                                                                                       von Hitzkirch LU.
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MOSAMBIK

04   Gottesdienst in Beira: Der Gesang spielt dabei eine grosse Rolle.

     Basisgemeinden leisten die Sozialarbeit
     Schuldirektor, Beichtvater, Sprachschüler: Pater Müller über den Alltag als Pfarrer in Beira

     Nach mehreren Jahrzehnten in                     rikanische Venedig, liegt an vielen Stellen    sung schon froher Gesang entgegen. Als
     Simbabwe ist der 54-jährige Jesuit               tiefer als der Meeresspiegel. In der Regen-    Witwe lebt sie allein, ist geh- und sehbe-
     Heribert Ferdinand Müller SJ im ver-             zeit verwandeln sich dann grosse Teile der     hindert. Vier der fünf Kinder sind verstor-
                                                      dicht besiedelten Armutsviertel in riesige     ben und der einzige Sohn lebt im 200 Ki-
     gangenen Jahr zum Pfarrer in Beira,              Schlammlöcher. Das Wasser dringt überall       lometer entfernten Chimoyo. Ich begrüsse
     Mosambik, ernannt worden. Aus                    ein, von unten und von oben. Der ganze         sie auf Portugiesisch, aber das versteht sie
     Father Heribert wurde dort im                    Unrat von alten Plastiklaschen, Tüten,         nicht. So probiere ich es auf Sena und
     Portugiesischen Padre Fernando. Er               vielen Essensresten und verschlissenen         schon zeigt sich ein Lächeln auf ihrem Ge-
     berichtet von seinen Erlebnissen als             Kleidungsteilen wird hin und her ge-           sicht. Sie sitzt auf einer alten Strohmatte
                                                      schwemmt. Doch erfahrene Slumbewoh-            in einem kleinen Raum, zahllose Fliegen
     Pfarrer in dem für ihn neuen Land.               ner kennen längst die besseren Fusswege.       schwirren umher und lassen sich immer
                                                                                                     wieder auf den Resten des gebratenen

     E
            in alter Simbabwe-Missionar sagte         Brutstätten für Moskitos                       Fischs nieder. Mitglieder der Basisgemein-
            mir einmal: «Als neuer Pfarrer            Hitze und Feuchtigkeit sind ideale Bedin-      de kümmern sich um Mbuya Migolo. Sie
            musst du dir deine Gemeinde er-           gungen für Moskitos, die hier in grossen       reinigen das Haus, versorgen sie mit Nah-
     laufen.» In Begleitung von drei oder vier        Schwärmen auftreten. Regelmässig füllt         rungsmitteln und Medikamenten und
     Verantwortlichen einer Basisgemeinde             sich das grosse Zentralkrankenhaus der         bringen ihr jeden Sonntag die heilige
     besuche ich also Häuser und Hütten un-           Stadt mit Malariapatienten, viele von ih-      Kommunion.
     serer Christen. Wer allerdings die hohen         nen überleben nicht. Fast jedes Jahr bricht       Seit mehr als einem halben Jahr lebe ich
     Gipfel der Schweiz kennt und das Bergstei-       auch in irgendeinem Slum die Cholera aus,      nun schon in Beira. Nach so vielen Jahren
     gen liebt, wird hier rasch frustriert sein. Es   soviel zum Klima in Beira. Als wir die Hütte   in Simbabwe ist es schön, noch einmal
     gibt weder Berg, Tal noch Hügel. Alles ist       von Mbuya Migolo (Mbuya heisst Gross-          etwas ganz Neues anzufangen. Die Pfarrei
     super lach. Die Küstenstadt Beira, das af-       mutter) erreichen, schallt uns zur Begrüs-     hat mich liebevoll aufgenommen und ist
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MOSAMBIK

                                              SIMBABWE          Beira

                                                            Maputo

sehr geduldig mit dem neuen Pfarrer, der      Die Jesuitenpfarrei Sankt Johannes der         kurz, zur Kirche kommt? Da stossen die
ihre Sprachen noch etwas holprig spricht.     Täufer ist schon über 50 Jahre alt, und        Meinungen verschiedener Generationen
Zur Pfarrei gehören drei grosse Slumvier-     meine Vorgänger, die meisten aus Portu-        und Kulturen aufeinander und als Pfarrer
tel mit kleinen Kapellen und Gemeinde-        gal und Brasilien, haben mir eine lebendi-     stehe ich mittendrin.
schulen. Viele Gebäude haben schon seit       ge Gemeinde mit vielen Aktivitäten und           Die grösste Herausforderung bleiben
Jahrzehnten keinen Maurer mehr gese-          Bewegungen hinterlassen.                       die Sprachen. Alle möchten die Lieder in
hen. Im hiesigen Gemeindezentrum, das           Auf dem Platz vor der Kirche ist immer       ihrer Muttersprache singen und auch das
auch als Schule dient, waren alle Toiletten   etwas los: Viele Jugendliche mit ihren         Evangelium und die Predigt in der eige-
verstopft. Was das für empindliche Nasen      Handys sind da, Katecheten, alte Men-          nen Sprache hören. Die Kolonialsprache
bei dieser Hitze bedeutet, ist leicht vor-    schen, Eltern, die ihr Kind taufen lassen      Portugiesisch vereint zwar alle, wird aber
stellbar. Und so war es meine erste Aufga-    wollen, ein Kommen und Gehen.                  von der Mehrheit nicht gut oder gar nicht
be, die Kläranlage zu erneuern und die                                                       verstanden oder gesprochen. Schon am
Rohre tiefer zu legen. Die Herausforderun-    Diskussion um Miniröcke                        Anfang teilte man mir mit, dass die Frage
gen sind gross, aber ich fühle mich hier      Bei der Geräuschkulisse halte ich mit dem      der Sprachen in unserer Pfarrei ziemlich
am richtigen Platz.                           Empfangskomitee der Pfarrei eine abend-        delikat sei. In den 1970er Jahren sei des-
  Vor der Tür des Pfarrbüros üben Pfadin-     liche Fortbildung. Die 20 Personen starke      wegen schon einmal ein nicht sehr ein-
der Lieder für ihr Sommerlager ein, im        Gruppe ist für den Empfang bei den gros-       fühlsamer Priester, der das weitverbreitete
Pfarrsaal nebenan probt der Ndau-Chor         sen Sonntagsmessen zuständig und küm-          Sena unterdrücken wollte, beinahe ver-
mit kräftigen Batuken (Trommeln), aus         mert sich um einen geordneten Verlauf          prügelt worden.
der Nachbarschaft dröhnt es full-blast aus    der Liturgie. Wenn die Kirche sehr voll ist,     In der Pfarrei wird vor allem Ndau, Sena,
einer Musikbox, immer wieder der gleiche      helfen sie den Nachzüglern dabei, noch         Shwabu und Shitswa gesprochen und ge-              05
Schlager, und von der Moschee im Mun-         einen Platz zu inden. Wenn die geistig         sungen. Jeden Sonntag feiern wir den
hava-Viertel lässt der Muezzin seine Stim-    behinderte Mudiwa wieder einmal aggres-        Gottesdienst in Ndau um 7 Uhr, in Sena
me erschallen. Ich schliesse für einen Mo-    siv wird und die Kinder mit ihrem Stock        um 8.30 Uhr, in Portugiesisch um 10 Uhr
ment die Augen und kann es kaum               bedroht, begleiten sie sie behutsam, aber      und gleichzeitig für die kleine nigeriani-
glauben, wie viel Leben mich hier umgibt.     unnachgiebig zum Ausgang.                      sche Gemeinde in Englisch im Pfarrsaal.
Eine bunte Pfarrei. Besonders rund geht          Heute Abend tauschen wir unsere Er-         Ndau fällt mir leicht, weil es eng mit dem
es von 17 bis 21 Uhr. Um 18 Uhr feiern wir    fahrungen aus. Eine heftige Diskussion         in Simbabwe gesprochenen Shona ver-
jeden Abend die heilige Messe, die von        entsteht bei der Frage: Was tun, wenn eine     wandt ist. Für Sena nehme ich mir Zeit.
verschiedenen Gruppen gestaltet wird.         Frau im Minirock, super-eng und super-         Der Glaube kommt vom Hören.

                                                                                                                      L I N K S : Als Pfarrer
                                                                                                                     ist er hier automa-
                                                                                                                             tisch auch der
                                                                                                                    Direktor der Schule.

                                                                                                                          R E C H T S : Padre
                                                                                                                    Fernando predigt in
                                                                                                                    Portugiesisch, Ndau
                                                                                                                                und Sena.
Die Zukunft fängt heute an - GEMEINDEARBEIT IN MOSAMBIK In Betrieb: die neue Flüchtlingsschule - Stiftung Jesuiten weltweit
MOSAMBIK

     Olympio wartet schon etwas ungeduldig                                                          auch Hochzeiten in kleinerem Rahmen,
     auf mich. In seiner Comunidade wird heu-                                                       wobei die Comunidade die anschliessen-
                                                       IN KÜRZE
     te ein Familienfest gefeiert und die soll mit                                                  de Feier übernimmt.
     einer Messfeier beginnen. In schnellem            Simbabwe und Mosambik wur-                     Eine weitere Gruppe kümmert sich um
     Schritt und mit Mess-Rucksack über der                                                         den Dízimo, den Zehnten, eine freiwillige
                                                       den zu einer Ordensprovinz mit
     Schulter machen wir uns auf den Weg zur                                                        Abgabe zur Unterstützung der Gemeinde.
                                                       insgesamt 187 Jesuiten zusam-
     kleinen Basisgemeinde mit dem Namen                                                            zehn Prozent gehen an die Diözese, 70
     São Charles Lwanga, einer der ugandi-             mengelegt. Die Länder haben eine             Prozent sind für den Unterhalt der Pfarrei
     schen Märtyrer aus dem 19. Jahrhundert.           je eigene Kolonialgeschichte und             und 20 Prozent bleiben in der Comunida-
        Unsere grosse Pfarrei ist in 13 kleine Ba-     neben Englisch bzw. Potugiesisch             de. Jede Familie hat eine Dízimo-Karte, auf
     sisgemeinden (Comunidades) aufgeteilt,            auch unterschiedliche Sprachen.              der die monatlichen Beiträge notiert wer-
     die erstaunlich gut organisiert sind. Sie         Aber die Kultur ist ähnlich.                 den. Diese Verwaltung funktioniert und
     sind wie die Lunge, durch die die Pfarrei                                                      hält Pfarrei und Comunidade inanziell am
     atmet. Dort kennt man sich mit Namen,                                                          Laufen, verlangt aber einen hohen Grad
     weiss, wo die anderen wohnen und wie es         ten in ihrer eigenen Sprache beichten und      an Einsatz und Transparenz. Drei der klei-
     um die Familie steht. Innerhalb der Comu-       der arme Beichtvater dann nur die Hälfte       nen Gemeinden nutzen ihre Kapelle und
     nidades gibt es nochmals kleinere Nuc-          oder weniger versteht. Doch Busse und          anliegende Gebäude auch als Schule.
     leos (Kreise), die nach Sprachgruppen           Absolution werden niemals verweigert.
     geordnet sind.                                     In den Comunidades gibt es viele Auf-       Drei Franken Schulgeld im Monat
        Schon hundert Meter vor der kleinen          gaben. Um Kranke und Sterbende küm-            940 Kinder und Erwachsene gehen in un-
06   Kapelle begrüsst uns eine Abteilung litur-      mert sich die Gruppe Saude e Esperança         serer Pfarrei zur Schule, und als Pfarrer bin
     gischer Tänzerinnen. Mit Gesang und Tanz        (Gesundheit und Hofnung). Eine andere          ich automatisch Schuldirektor. Ich bewun-
     begleiten sie uns zu dem Ort, an dem alle       Gruppe bemüht sich um die Katechese            dere die 28 meist jungen Lehrer, die sich
     versammelt sind. Heute ist die Kapelle zu       der ganz Kleinen, die noch nicht zur Pfarr-    für weniger als 50 Euro pro Monat für die
     klein, und die Männer haben mit viel Ge-        kirche gehen können. Für die gemeinsa-         Schulbildung der Kinder einsetzen. Eine
     schick eine provisorische Zeltkirche her-       men Wortgottesdienste in der Kapelle ist       der Schulen bietet für Erwachsene einen
     gerichtet. Besuche in den Comunidades           die Liturgiegruppe zuständig. Für Paare,       Alphabetisierungskurs an, der mit dem
     sind immer eine gute Gelegenheit, das           die sich nach einer kirchlichen Trauung        Abschluss der Grundschule endet. Jeder
     Sakrament der Beichte anzubieten. Doch          sehnen, aber nicht die Mittel für eine gros-   Schüler zahlt umgerechnet drei Franken
     es ist gewagt, weil die meisten am liebs-       se Feier haben, halten wir in der Kapelle      Schulgeld pro Monat. Das Schulsystem in

     RECHTS:  Die Gottes-
     dienste in den Ge-
     meinden sind gut
     besucht.

     L I N K S : Für die Re-
     novierung der Kir-
     chen wird Geld be-
     nötigt.
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MOSAMBIK

Mosambik ist noch sehr schwach entwi-
ckelt, der Bedarf an neuen Schulen ist
                                                 SPENDENBITTE
gross. Deshalb möchten die anderen Co-
munidades auch Schulen einrichten.
                                                 Die Zusammenlegung der beiden
  Bei meinen Besuchstouren trefe ich
                                                 Ordensprovinzen Simbabwe und
auch den Farmer Senhor Ramiro da Silva,
ein Mitglied unserer Pfarrei. Er ist einer der   Mosambik bedeutet Pionierarbeit –
wenigen Portugiesen, die Beira nie verlas-       zwei Regionen mit unterschiedli-
sen haben. Das hat damit zu tun, dass die        chen Stukturen sollen zusammen-
Familie da Silva ihre 103 Farmarbeiter und       wachsen. Neben seiner Arbeit als
deren Familien immer respektvoll behan-          Pfarrer in Beira ist Pater Heribert
delt hat. Ramiro besitzt 800 Milchkühe,          Fernando Müller SJ auch Delegat
darunter auch einige, die über Südafrika         für Mosambik. Das heisst, dass er
aus der Schweiz kamen. Wegen des feuch-          als Vertreter des Provinzials für
theissen Klimas mussten die europäischen
                                                 Verwaltungs- und Personalfragen
Kuhrassen mit den einheimischen ge-
kreuzt werden. Auch ein Käse wird seit           verantwortlich ist. In Mosambik
neuestem auf der Farm produziert und in          allein gibt es 22 Jesuiten für sieben
der Stadt verkauft.Geschmacklich sehr gut,       Standorte; weitere 20 junge Ordens-     Sozialarbeit in den Gemeinden und
nur die Löcher im Käse, die fehlen noch.         mitglieder befinden sich in der         auch die Förderung der Landwirt-
  Einmal im Jahr feiert jede der kleinen         Ausbildung, etwa im benachbarten        schaft als Existenzgrundlage. Eine              07
Gemeinden ihr Patronatsfest. Es wird ge-         Harare (Simbawe). In Mosambik           lange Liste, die wir gemeinsam
gessen, getanzt und gesungen. Ich merke,         stehen viele Projekte an, die nötig     Schritt für Schritt umsetzen
dass man sich über meinen Besuch freut.          sind, damit Gemeinden leben und         können, wenn Sie uns dabei helfen.
Am Abend begleiten mich zwei Ministran-
                                                 Stabilität geben können: die            Ganz herzlichen Dank für Ihre
ten nach Hause. Die feuchte Hitze treibt
                                                 Renovierung von Häusern und             Unterstützung!
mir den Schweiss aus allen Poren. Aber ich
fühle mich trotzdem leicht und unbe-             Kapellen, die Ausbildung von                              P. Toni Kurmann SJ
schwert.                                         Katecheten, die Unterstützung der                         Missionsprokurator
              P. Heribert Fernando Müller SJ

                                                                                                                     L I N K S : Padre
                                                                                                                Fernando nimmt
                                                                                                                sich Zeit für das
                                                                                                               Gespräch mit sei-
                                                                                                                  nen Gemeinde-
                                                                                                                    angehörigen.

                                                                                                               RECHTS:Maximale
                                                                                                                Nutzung – man
                                                                                                             muss sich zu helfen
                                                                                                                        wissen.
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NORDIRAK

08   Betonfundamente statt Lehm: In den Gebäuden des Jesuiten-Flüchtlingsdientes gibt es auch psychologische Betreuung für Familien.

     Ein Ankerplatz: die JRS-Schule in Ozal
     Neue Containerbauten bieten Platz für Förderunterricht und Weiterbildungen

     Wer sich mit dem Schicksal von              Halle für Versammlungen und mehrere          als auch Sekundarschüler unterrichtet,
     Flüchtlingen beschäftigt, muss mit          Räume für Computerunterricht und Näh-        erklärt mir Bruder Wissam Marzeena, der
     schlechten Nachrichten leben. Doch          klassen. Die beiden Einfamilienhäuser am     Leiter des JRS-Projektes in Ozal. Er gehört
                                                 Ende der Strasse sind vom Flüchtlings-       einer lokalen Ordensgemeinschaft an, die
     es gibt auch Positives: Etwa im Nord-       dienst der Jesuiten (JRS) angemietet wor-    mit drei Mitgliedern direkt in der Nachbar-
     irak, wo der Jesuiten-Flüchtlings-          den. Hier sind die Kindergartengruppen,      schaft lebt und sich gemeinsam mit den
     dienst (JRS) Bildungsangebote               die Küche für Kochkurse, der Salon für       ebenfalls nach Ozal gezogenen Domini-
     organisiert. Judith Behnen hat sich         Friseur- und Kosmetikkurse, Bespre-          kanerinnen auch um die Seelsorge in der
     dort umgesehen. Hier ihr Bericht.           chungsräume für die Psychologin und          vom JRS gebauten Kirche kümmert, die
                                                 Familienbesuch-Teams sowie Büros unter-      hinter der Containerschule steht. Bruder

     I
          ch stehe am Ende einer Sackgasse in    gebracht. Links vom Sportplatz geht es zur   Wissam ist wie fast alle JRS-Mitarbeiter
          Ozal, einem Neubaugebiet am Rande      Containerschule.                             selbst 2014 vor der Terrormiliz IS nach Erbil
          der kurdischen Provinzhauptstadt Er-                                                gelohen.
     bil. Vor meinem inneren Auge taucht das     Betreuung ganzer Familien                      Das Schulsystem in Ozal ist kompliziert:
     Bild auf, wie es hier bei meinem letzten    Auf einem fest gegossenen Betonfunda-        Die lokale Regierung in Erbil hat für die
     Besuch im Januar 2015 aussah: Eine Zelt-    ment stehen die einzelnen Klassenräume,      Flüchtlingskinder im Grundschulalter
     kirche und daneben nur leeres, lehmiges     Lehrerzimmer und Toiletten. Die Wege         staatlichen Schulunterricht organisiert.
     Land. Jetzt, im Frühjahr 2016, fällt mein   zwischen den Containern sind überdacht       Diese Kinder werden nicht in die Regel-
     Blick als erstes auf den hoch umzäunten     und ebenfalls betoniert. Denn der Boden      schulen integriert, sondern gesondert
     Sportplatz. Auf dem Kunstrasen in sattem    hier ist so lehmig, dass nach jedem Regen    unterrichtet – allerdings in grossen Klas-
     Grün übt ein Lehrer mit einer Klasse Vol-   hartnäckige Schlammbrocken an den            sen mit 60 Schülern und dies auch nicht
     leyballschläge. Rechts vom Sportplatz       Schuhen hängen bleiben. In der Contai-       täglich. Der JRS hat daher in der Contai-
     stehen in Container-Bauweise eine grosse    nerschule werden sowohl Grundschüler         nerschule ergänzenden Unterricht an den
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E C U A D O R U N D N E PA L

     Hilfe für Erdbebenopfer
     1600 Franken für eine Notunterkunft – in Ecuador sind tausende Familien obdachlos

     Die Jesuiten in Ecuador bitten um
     Spenden für den Aufbau von Not-
     unterkünften und Lagern nach dem
     schweren Erbeben im April. Tausende
     Menschen haben dadurch ihre
     Wohnung verloren.

     E
             cuador im Ausnahmezustand:
             Kaum einen Monat nach dem
             schweren Erdbeben vom 16. April
     mit der Stärke 7,8 haben weitere Beben
     das südamerikanische Land erschüttert.
     Die Wirkungen waren selbst in der Haupt-
     stadt Quito und im benachbarten Kolum-
     bien zu spüren, wie es in Medienberichten
     hiess. 661 Tote und über 17 000 Verletzte
     lautete die schreckliche Bilanz. Mehr als
     33 000 Menschen verloren ihre Woh-           Das Erdbeben mit Stärke 7,8 hinterliess an vielen Orten nur noch Trümmerfelder.
     nungen und Häuser – die schlimmste Ka-
10   tastrophe seit sechs Jahrzenten.             Duschen, Toiletten und Kanalisation kos-       bäuden. Betrofen sind die katholische
        Wie Provinzial Pater Gilberto Freire SJ   tet etwa 27 000 Franken. Für die Soforthil-    Universität in Manabí, verschiedene Schu-
     berichtete, werden jetzt Spendengelder       fe haben die Jesuiten Medikamente, Le-         len unsere Schulwerkes Fe y Alegría, die
     benötigt, um zunächst den Bau von Not-       bensmittel, Hygieneartikel, Decken und         Kirche La Merced und vor allem unser So-
     unterkünften und Zeltlagern in den am        Planen organisiert. Die Verteilung der         zialzentrum Río Manta.» Der Provinzial
     meisten betrofenen Gebieten zu inan-         Hilfsgüter läuft über das Entwicklungsbü-      dankt allen Förderern für jede Unterstüt-
     zieren: Die Kosten für eine Notunterkunft    ro der Jesuitenprovinz in Ecuador. Der         zung. Die jesuitischen Werke in Europa
     belaufen sich auf etwa 1600 Franken, ein     Orden selbst, so Pater Freire SJ, hat keine    koordinieren die Hilfe für Ecuador im Xa-
     Lager oder eine Wohneinheit für elf Fami-    Toten oder Verletzten zu beklagen. «Es         vier-Netzwerk unter Federführung der
     lien mit einer zentralen Kochgelegenheit,    gibt jedoch erhebliche Schäden an Ge-          Schwesterorganisation «Entreculturas».

       ERDBEBEN IN NEPAL: EIN JAHR DANACH
       Es war verheerend: Am 25. April 2015
       erschütterte ein Erdbeben Nepal und
       hinterliess rund 9000 Todesopfer und
       mehr als 22 000 Verletzte. Rund eine
       Million Häuser wurden vollstän-
       dig zerstört oder beschädigt. Vielen
       Men schen blieb nichts ausser einem
       Haufen Steine, Schulunterricht war
       unmöglich. Im Mai folgte ein zweites
       Beben, das weitere Todesopfer forder-      diniert. In einer zweiten Phase der           oberste Priorität. Die Stiftung Jesu-
       te und die Lage noch verschlimmerte.       Hilfe konzentrierte sich das NJSI auf         iten weltweit unterstützt die Arbeit
       Die Phase der Soforthilfe bis August       Materialausgabe, um den Schulbtrieb           der Partnerorganisationen vor Ort in
       2015 wurde durch das Nepal Jesuit          zum Laufen zu bringen. Seit Anfang            schwer zugänglichen Bergdörfern, in
       Social Institute (NJSI, dem Sozial-        2016 konnte der Wiederauf bau begin-          denen oft Armut herrscht. Denn die
       institut der Jesuiten in Nepal) koor-      nen. Feste Häuser und Schulen haben           Ärmsten trifft es meist am härtesten.
SPOTLIGHTS

Indiens Probleme in entlegenen Dörfern
Jesuiten entwickeln Bildungs- und Sozialprojekte für die Landbevölkerung

Mehr als 150 Projekte betreut die            DVDs mit Lehrilmen und IT-Tools für den
Stiftung Jesuiten weltweit pro Jahr.         Unterricht am Laptop entwickelt sowie
                                                                                           Anti-Drogen-Angebot
Naturgemäss können sie nicht alle            Lehrer ausgebildet. Dabei geht Pater God-     Ebenfalls in der Chennai Mission hat sich
                                             frey sparsam mit den knappen Ressourcen       seit zwei Jahren ein Projekt erfolgreich
im Rampenlicht stehen. Daher sollen          um: So wurden etwa Schaubilder für den        etabliert, das sich mit einem gravierenden
hier einmal Projekte vorgestellt             Englischunterricht auf alte Lastwagenpla-     Problem innerhalb der erwachsenen Dalit-
werden, die mit wenigen Mitteln              nen gedruckt. Sie sind im Monsun wetter-      Bevölkerung befasst: dem Alkoholismus.
dennoch grosse Wirkung erzielen –            fest und können problemlos transportiert      Vor allem Männer sind betrofen. Sie be-
drei Spotlights aus Indien.                  werden. Ziel ist es, die Kinder zu befähi-    lasten das Familienleben schwer, viele
                                             gen, nach der Grundschule auch eine hö-
                                             here Ausbildung zu absolvieren. Dafür gibt
                                             es ein College mit derzeit 160 Schülern.
50 Lernzentren                               Pater Godfrey und sein Team setzen auf
Rund drei Autostunden von der pulsieren-     den Multiplikatorenefekt: Die Schüler von
den Metropole Mumbai entfernt tut sich       heute sollen als Lehrer von morgen
auf dem Land eine andere Welt auf, fernab    zurückkehren. Mehr Infos unter https://
von Hektik und Hightech: Hier, in Nashik     vimeo.com/jesuitenweltweitch/nashik.
in der Region Maharashtra, leitet Pater
Godfrey D’Lima SJ das Maharashtra Pra-
bodhan Seva Mandal (MPSM), ein Bil-
dungszentum für die ländliche Bevölke-
                                             Studenten als Lehrer                          Die Gruppe bietet Halt: Dr. Masillamani        11
                                             Auch in Chennai an der Ostküste Indiens       SJ (1. Reihe, 2. v. r.) leitet das Programm.
                                             setzen sich die Jesuiten für bessere Bil-
                                             dung ein. Im Loyola College Vettavalam        sterben an den Folgen des übermässigen
                                             der Jesuiten wurde ein «Outreach Pro-         Alkoholkonsums. Das «De-Addiction-Pro-
                                             gramme» entwickelt. Das Konzept ist           gramme» der Jesuiten soll Hilfe leisten
                                             ebenso einfach wie eizient: Die Studie-       durch psycho-soziale Beratung und Be-
                                             renden des Jesuiten-College geben Kin-        treuung, Veranstaltungen und Entgif-
                                             dern in Dörfern Unterricht in Schreiben,      tungsprogramme. Dabei stehen vier Ziele
                                             Lesen und in Mathematik. Denn laut einer      im Mittelpunkt: die Förderung einer Kultur
                                             indischen Studie ist das Bildungsniveau in    der Nüchternheit, idealerweise die Hei-
                                             der Primarstufe vor allem in diesen Fä-       lung der Alkoholkrankheit, Prävention bei
Unterricht in einem der 50 Lernzentren       chern alarmierend tief, es gibt im District   den Kindern von Alkoholikern und die
der Jesuiten auf dem Land                    sehr viele Analphabeten. Das staatliche       Stärkung der vielfältig leidenden Ehefrau-
                                             Schulsystem ist überfordert, es krankt wie    en von Alkoholkranken. Im letzten Jahr
rung. Die Menschen leben hier mehr                                                         haben die Jesuiten in 14 Dörfern Sensibi-
schlecht als recht von der Landwirtschaft,                                                 lisierungstagungen organisiert und die
Bildung wird klein geschrieben. Lange                                                      Mitarbeitenden dafür monatlich geschult.
Wege, schlechte Strassen, Lehrermangel,                                                    In 46 Dörfern fanden alkoholfreie Feste
marode Schulgebäude und ein staatlicher                                                    statt, um aufzuzeigen, dass man sich auch
Lehrplan, der mit dem Dorleben wenig                                                       ohne Alkohol vergnügen kann. Zudem
zu tun hat, machen es schwer, die Kinder                                                   können Betrofene an dreiwöchigen Ent-
adäquat zu unterrichten. Meist sind es                                                     giftungsprogrammen in Häusern der Je-
Adivasis oder Dalits («Unberührbare»), ge-                                                 suiten teilnehmen, im Durchschnitt sind
hören also Bevölkerungsgruppen an, die                                                     es acht Personen pro Monat. Es gibt regel-
im indischen Alltagsdenken nicht viel wert                                                 mässige Trefen zur Beratung und zur Aus-
sind. Pater Godfrey will den Kindern eine    Das Loyola College in Vettavalam liegt        sprache in verschiedenen Dörfern. Der
Chance auf eine bessere Zukunft geben        rund 190 Kilometer von Chennai entfernt.      Erfolg ist sichtbar: Etwa 60 Prozent der
und hat über die Jahre – auch in Koopera-                                                  Teilnehmer blieben nach dem ersten Jahr
tion mit dem Staat – das MPSM mit 50         so häuig an der Infrastruktur. Der Unter-     «trocken». Einige konnten sogar eine re-
Lernzentren in den Dörfern aufgebaut.        richt indet in Kirchen, Gemeinschaftsräu-     guläre Arbeitsstelle antreten und ihre Fa-
Rund 4000 Kinder proitieren inzwischen       men oder unter freiem Himmel statt. So        milien wieder ernähren, ohne sich als Ta-
von dem Angebot: Am MPSM werden              konnten 2015 mehr als 1000 Kinder in 15       gelöhner durchschlagen zu müssen.
Lehrpläne und Lehrmittel wie Schulhefte,     entlegenen Dörfern erreicht werden.                                          Ralph Bohli
ZIVILDIENST

12   Das Umfeld stimmt: Raffael Haldi gehörte bei seinen indonesischen Kolleginnen und Kollegen von Anfang an dazu.

     Erster Zivi im Indonesien-Einsatz
     Die Stiftung Jesuiten weltweit bietet zwei Stellen im Polytechnikum ATMI auf Java an

     Seit kurzem ist die Stiftung Jesuiten         das der Fall. Zu seinen Aufgaben gehört      der Gründung des Polytechnikums mit
     weltweit oiziell als Einsatzbetrieb           es, Instruktoren im Mechatronik-Bereich      einer dualen Berufsbildung begann. Es
     für den Zivildienst anerkannt. Dazu           zu unterrichten, Industrieprojekte aufzu-    wurde eine Erfolgsgeschichte der Entwick-
                                                   gleisen und auch an der Überarbeitung        lungszusammenarbeit zunächst zwischen
     wurden zwei Stellen in Indonesien             des Lehrplans mitzuarbeiten. Alles andere    dem Technischen Dienst in Bern (heute
     bewilligt. Rafael Haldi aus der Ost-          als langweilige Tätigkeiten, dazu in einem   DEZA) und den Jesuiten. Weil in Indonesi-
     schweiz ist der erste Zivildienst-            spannenden Land. Nach den ersten Mo-         en die Firmen keine Lehrlinge ausbildeten,
     leistende dort.                               naten schwärmt Rafael Haldi denn auch:       machte die ATMI aus der Not eine Tugend
                                                   «Die Arbeit als Zivi im Auslandseinsatz      und baute einen eigenen Industriebetrieb

     N
              och ist alles ein bisschen neu für   eröfnet einen unerwartet tiefen Einblick     für Spitalbetten und Registrierkästen auf,
              Rafael Haldi. Seit wenigen Wo-       in die Kultur des Landes, wie ich sie bei    der auch ausbildete. Das ATMI entwickelte
              chen ist er als Zivildienstleis-     einer Ferienreise nicht annähernd erleben    sich zu einer der angesehensten Berufsbil-
     tender im Einsatz: Er arbeitet am Poly-       würde.»                                      dungsstätten Indonesiens, seit 16 Jahren
     technikum ATMI, dem «Akatemi Teknik                                                        wird es von einem indonesischen Jesuiten
     Mesin Industri» in Solo (Surakarta) auf der   Eine lange Beziehung                         gemanagt.
     Insel Java, das einst von Jesuiten gegrün-    Der 25-Jährige ging übrigens nach Indo-         Jahrelang schickte man Instruktoren in
     det wurde. Nach der Anerkennung der           nesien gewissermassen nach dem Motto:        die Schweiz, bis dies aus verschiedenen
     Stiftung Jesuiten weltweit als Einsatzbe-     Wenn der Berg nicht zum Propheten            Gründen am Ende zu teuer wurde. Neben
     trieb haben Zivildienstleistende nun die      kommt, muss der Prophet zum Berg kom-        der jüngsten Zusammenarbeit mit Siteco
     Möglichkeit, mindestens vier Monate im        men. Denn ursprünglich kamen ATMI-           (Association for Swiss International Tech-
     ATMI Dienst zu leisten – sofern sie auch      Ausbilder oder -Studierende in die Schweiz   nical Cooperation) eröfnet sich jetzt eine
     eine entsprechende Ausbildung und Be-         und nicht umgekehrt. Diese Beziehung         neue Form des Wissenstransfers: über Zi-
     rufserfahrung mitbringen. Bei Haldi war       hat eine lange Vorgeschichte, die 1969 mit   vildienstleistende aus der Schweiz.
VOLUNTEERS

«Ich möchte viel von anderen lernen»
Noémie erklärt, warum sie ein Jahr lang freiwillig in einem Sozialprojekt arbeiten will

                      Noémie Issartel,        Was willst du auf jeden Fall erleben?
                      28, Psychologin,        Ich möchte Momente erleben, in denen                AUSLAND VERÄNDERT
                      wird ein Jahr in        zwei Kulturen aufeinander trefen, um
                                              mich dabei selbst zu erleben und die an-                             Neues wagen?
                      der Dominikani-         dere Person wahrnehmen zu können. Da-                                Das Buch «Mis-
                      schen Republik in       bei interessiert mich, wie ich und wie die                           sion possible»
                      einem Gesund-           andere Person funktionieren. (Denkt nach)                            dokumentiert in
                      heitsprogramm           Ich fände es schön, wenn ich Teil einer Ge-                          25 Interviews
Noémie Issartel       mitarbeiten.            meinschaft werden darf. Das würde dann                               mit Porträtfo-
                                              auch heissen, dass ich die Menschen vor
                                                                                                                   tos, wie sich
                                              Ort verstehe und mich anpassen kann. Ich
Warum willst du ein Jahr lang etwas           möchte im Einsatz viel von anderen lernen                            der Blickwinkel
Soziales tun?                                 und hofe zugleich, dass ich im Gegenzug             von Volunteers im Verlauf ihrer
Am Ende meines Psychologiestudiums            den Menschen vor Ort etwas geben kann,              Einsätze verändert. Herausgeber
war für mich klar, dass nun etwas Neues       was sie sich wünschen.                              Klaus Väthröder ist Direktor der
kommen muss. Ich möchte aus alten Ket-                                                            Jesuitenmission Deutschland.
ten ausbrechen. Dazu kommt, dass ich          Was bedeutet es für Dich, dass die                  Erschienen ist das Buch 2015 im
mich in meinem Umfeld immer stark für         Stiftung Jesuiten weltweit eine katho-              Herder Verlag Freiburg/Breisgau.
andere engagiere. Solidarität und Gerech-     lische Organisation ist?
tigkeit sind mir wichtig. Das gibt mir Sinn   (Überlegt) Meine Familie ist römisch-ka-
im Leben. Ausserdem will ich mich auch        tholisch, ich bin damit aufgewachsen,                                                        13
selbst besser kennenlernen. Ich weiss, dass   hatte aber früher zur Institution Kirche         Wie sieht dein Umfeld den Einsatz?
ich perfektionistisch und leistungsorien-     keinen direkten Zugang. Mein Bild der            Mein Familie und meine Freunde freuen
tiert bin. Ich will lernen, lernen, lernen!   Kirche war sicher mit Vorurteilen behaftet.      sich für mich, meine Eltern sind auch ein
Ich mag es, gefordert und überfordert zu      Das hat sich im Verlauf der Jahre aber ge-       bisschen wehmütig. Aber alle nehmen
sein, neue Perspektiven und Lösungen          ändert. Bei den Jesuiten hatte ich das Ge-       Anteil an den Vorbereitung, lernen sogar
kennenzulernen. Lernen und Verstehen −        fühl: Hier kann ich so sein, wie ich bin, und    Spanisch und haben einen guten Eindruck
das steht bei mir immer im Vordergrund        muss mich nicht verstellen oder verste-          von Jesuit Volunteers. Mein Freund macht
und zieht sich wie ein roter Faden durch      cken. Mit den Werten der Jesuiten kann           ja auch mit bei diesem Einsatz, da kann
mein Leben.                                   ich mich gut identiizieren.                      man gegenseitig auf sich schauen.

   JETZT BEWERBEN: DAS MUSST DU WISSEN
   Alter: Engagement kennt keine              des Programms, ebenso wie ein
   Altersbeschränkung! Unser Freiwil-         Seminar zur Reflexion während
   ligendienst richtet sich an Erwach-        des Einsatzes. Das Team der Jesuit
   sene ab 18 Jahren.                         Volunteers und Ansprechpartner am
   Zeitrahmen: Ein Jahr ist aus Erfah-        Einsatzort begleiten Dich/Sie.
   rung eine «runde Sache» für Jesuit         Lebensbedingungen: Man muss
   Volunteers. Die Vorbereitungszeit          sich auf einen einfachen Lebensstil
   beginnt schon im Herbst zuvor, die         in einem christlich-interreligiös
   Ausreise erfolgt dann im Sommer.           geprägten Umfeld einlassen.                     und Organisation für Sprachkurse,
   Einsatzort: Darüber entscheiden            Kosten: Wir übernehmen einen                    Visum und Impfungen.
   wir gemeinsam mit den Freiwilligen         Grossteil der Reisekosten und sor-              Zertifizierung: RAL-Gütesiegel
   und unseren Projektpartnern wäh-           gen für Unterkunft, Verpflegung,                «Internationaler Freiwilligendienst».
   rend der Vorbereitungszeit.                Versicherungen und ein ortsan-                  Bewerbungsfrist für 2017/2018:
   Begleitung: Eine intensive Vor-            gepasstes Taschengeld. Die Frei-                31. Oktober 2016. Mehr Infos unter:
   und Nachbereitung ist fester Teil          willigen beteiligen sich an Kosten              www.jesuiten-weltweit.ch/volunteers
JESUITEN SCHWEIZ

14   Frisch renoviert: Das Lassalle-Haus in Bad Schönbrunn bietet ideale Rahmenbdingungen für ein Symposium.

     Symposium zu Religion und Gewalt
     Jesuiten beschäftigen sich mit Fragen der Macht und der Opfertheologie

     Das regelmässig wiederkehrende                anderseits ist die Frage nach dem Verhält-     listen für «Dramatische Theologie» Profes-
     Symposium der Jesuiten in der                 nis von Religion und Gewalt hochaktuell.       sor Józef Niewiadomski, der in Innsbruck
     Schweiz ist der Ort für eine Standort-        «Religionen stehen heute unter dem Ge-         lehrt, sowie die Fundamentaltheologin
                                                   neralverdacht, eine fundamentalistische        Professor Hildegund Keul aus Würzburg.
     bestimmung und für die Relexion               Haltung und damit Gewalt gegen Anders-         Sie lenkte bei der Tagung den Blick auf die
     auf ein bestimmtes Thema: In                  denkende zu fördern», erklärt Pater Rutis-     Versuchung des Menschen, sich unver-
     diesem Jahr geht es um das Verhält-           hauser SJ. Es werde öfentlich debattiert,      wundbar zu geben, und auf die Anerken-
     nis von Religion und Gewalt.                  ob nicht eine durchgängig säkulare Ge-         nung der Verletzlichkeit (Vulnerabilität)
     Provinzial Pater Christian Rutishau-          sellschaft besser geeignet sei, ein friedli-   durch den Kreuzestod Jesu.
                                                   ches Miteinander zu gewährleisten.                Für Pater Rutishauser sind bei den Stich-
     ser SJ erklärt, was ihm an dieser                                                            worten Religion und Gewalt vor allem drei
     Thematik so wichtig ist.                      Renommierte Referenten                         Aspekte interessant: Zunächst geht es ihm
                                                   Im Kern geht es also um die Frage, wie         um die Ursachen von Gewalt. Für ihn ist

     G
             otteskrieger, «Verteidiger des        Menschen zusammenleben wollen. Daher           Gewaltanwendung keine Frage der religi-
             Glaubens» oder vermeintliche          hat Provinzial Rutishauser dieses Thema        ösen Überzeugung, sondern ein anthro-
             «Märtyrer», die sterben, nur um       für das diesjährige Symposium seiner Or-       pologisches Problem. Mit anderen Wor-
     andere in den Tod zu reissen – die Bezeich-   densbrüder Mitte Juni im Lassalle-Haus         ten: Gewalt gehört zum Menschsein. Die
     nungen wechseln, doch das Phänomen ist        gewählt und dazu renommierte Referen-          Entscheidung, Gewalt auszuüben oder sie
     das gleiche: Menschen töten oder verlet-      ten eingeladen: den deutschen Kultur-          zu verhindern, liegt bei jedem einzelnen.
     zen andere Menschen im Namen ihres            theoretiker und Schriftsteller Klaus Thewe-    Damit wehrt sich Pater Rutishauser gegen
     Glaubens. Angesichts des islamistischen       leit, der mit seiner Untersuchung über         eine einseitig positive Sicht der säkularen
     Terrors einerseits, aber auch brennender      faschistoide Männerphantasien Ende der         Gesellschaften und die Behauptung, Reli-
     Moscheen wie etwa 2015 in Schweden            1970er-Jahre bekannt wurde, den Spezia-        gionen wie der Islam, aber nicht nur der
JESUITEN SCHWEIZ

Islam, seien Ursache von Gewalt. «Die                                                        kommen.» Schliesslich spielt für den Pro-
Rechtsstaatlichkeit einer Gesellschaft mit                                                   vinzial beim Symposium die theologische
einer Trennung von Religion und Staat ist                                                    Frage eine grosse Rolle, wie der christliche
sicher die beste Form, um Gewalt einzu-                                                      Glaube an die Erlösung des Menschen mit
dämmen. Doch die säkulare Weltordnung                                                        dem Thema Gewalt zusammengeht. Hier-
verschleiert die eigene Gewalttätigkeit                                                      zu setzt der Beitrag des Religionsphiloso-
und die des einzelnen», ist Pater Rutishau-                                                  phen Niewiadomski zum Thema «In Gott
ser überzeugt. Die grösste Gewalt im                                                         ist keine Gewalt» spannende Impulse:
20. Jahrhundert sei schliesslich von Natio-    Provinzial Christian Rutishauser SJ           Niewiadomski gibt seit 2014 mit Unter-
nalstaaten ohne jegliche religiöse Fundie-                                                   stützung durch die Jesuiten in der Schweiz
rung ausgegangen, so der Provinzial. Er        «Wir beinden uns in einem Transforma-         die «Gesammelten Schriften» von Pater
meint damit unter anderem den National-        tionsprozess und das Ergebnis und damit       Raymund Schwager heraus, der in Inns-
sozialismus in Deutschland. Zudem fühl-        auch die künftige Rolle der Religion sind     bruck lehrte und 2004 früh verstarb.
ten sich gerade nicht-religiös sozialisierte   noch ofen», so der 50-jährige Jesuit.
junge Männer aus einem säkularen Um-              Das Ethos der christlichen Gewaltlosig-    Der Sündenbock-Mechanismus
feld von der Terror-Gruppe des Islami-         keit verbietet es jedenfalls, die eigenen     «Auf Schwager wie auch auf den amerika-
schen Staates angezogen. Nicht von un-         religiösen Werte und Ziele mit Gewalt         nischen Kulturphilosophen Réne Girard
gefähr lautete daher das Thema des             durchzusetzen. Wie weit darf man gehen,       bezieht sich Niewiadomski», erklärt Rutis-
Vortags von Klaus Theweleit «Von der Lust      um seine Werte zu verwirklichen? «Es ist      hauser. Es geht um die Deutung von Kreu-
an der Gewalt».                                sicher eine Tragik im menschlichen Leben,     zigung und Eucharistie als Opferhandlun-
                                               das oft das Gute auch Schaden anrichtet»,     gen, die die Schuld des einzelnen oder         15
Die Sozialform der Zukunft                     so Pater Rutishauser. Dabei ist er sich be-   einer Gruppe sühnen sollen. Der Vergleich
Was die gesellschaftliche Ebene von Ge-        wusst, dass die Frage nach dem Verhältnis     mit archaischen Mythen und gesellschaft-
walt angeht, so will Rutishauser nicht ste-    von Religion und Gewalt nicht nur für die     lichen Verhaltensmustern, die einen reini-
hen bleiben bei den Errungenschaften der       Gesellschaft insgesamt von Bedeutung          genden Sündenbock-Mechanismus ken-
Aufklärung, also der Rechtsstaatlichkeit.      ist, sondern auch für einzelne gesell-        nen, hat Theologen, Psychoanalytiker und
Das allein schütze nicht vor Gewalt. Man       schaftliche Gruppen, wie sie der Jesuiten-    Literaturwissenschaftler beschäftigt. «Es
müsse, so sein zweites Anliegen, «tiefer       orden als «Societas Jesu» selbst darstellt.   lohnt sich, darüber neu nachzudenken»,
bohren», um die Sozialform der Zukunft,        «Wenn Menschen die Welt gestalten wol-        resümiert Rutishauser.
der Postmoderne, entwickeln zu können.         len, wird es immer zu Fragen der Macht                              Cornelia zur Bonsen

   TREFFEN DER MITARBEITENDEN IM LASSALLE-HAUS
   Zwei Tage lang haben sich Mitar-            Corporate Design standen auf der Ta-
   beitende und Jesuiten der Provinz           gesordnung. Zur internen Kommuni-
   Zeit für den Informationsaustausch          kation gehört zudem das Verständnis
   genommen. Ein Fazit: Die Werke der          der ignatianischen Begrifflichkeit,
   Provinz bewegen vieles. Auch die            die Provinzial Christian Rutishauser
   Provinz selbst wird sich verändern.         erläuterte. Mit grossem Interesse
                                               wurden seine Ausführungen zu neu-
   Wissen, was der andere tut, ist eines       en Provinzgrenzen aufgenommen:
   der wichtigsten Ziele des Treffens          Künftig wird die Schweiz Teil einer
   von Mitarbeitenden und Jesuiten der         viel grösseren Provinz sein, der auch
   Provinz Schweiz. Viel Raum nahm             Deutschland, Österreich, Ungarn,
   daher die Vorstellung aktueller Her-        Lettland, Litauen und Schweden an-
   ausforderungen der einzelnen Werke          gehören. Für die Schweizer Mitarbei-
   ein. Auch die interne und externe           tenden bringt dies keine personellen
   Kommunikation mit Hinweisen zum             Veränderungen mit sich.
8001 Zürich
                                                                                                                                          AZB   Adressberichtigung melden
 MISSION MITMENSCH

Was Pater Müller SJ in Mosambik erlebt +++ Wie die JRS-Schule im Irak
den Flüchtlingsalltag verändert +++ Wie man Erdbebenopfern in Ecuador
helfen kann +++ Weshalb Provinzial Rutishauser das Thema Religion und
Gewalt so wichtig findet +++ Warum Noémie ein Jahr soziale Arbeit leistet

                                                                                                             Das Magazin von
                                                                                                             Jesuiten weltweit
                                                                                                             Erscheint viermal im Jahr
                                                                                                             Abonnementspreis: Fr. 8.–
                                                                                                             Abonnementsverwaltung:
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                                                                                                             Hirschengraben 74, 8001 Zürich,
                                                                                                             Telefon 044 266 21 30
                                                                                                             E-Mail: magazin@jesuiten-weltweit.ch
                                                                                                             IBAN: CH51 0900 0000 8922 2200 9
                                                                                                             Redaktion: Toni Kurmann SJ,
Ruine der Reduktionen in Bolivien                     Neue Molkerei für Center in Sambia                     ZURBONSEN Communications
Gedenkjahr 2017                                       Aufruf zum Crowdfunding                                Gestaltung, Druck und Versand:
                                                                                                             Cavelti AG
Man nennt sie «Jesuitenstaaten» oder «Reduktio-       Rund 45 Kühe werden im Kasisi Agricultural             medien. digital und gedruckt.
nen», abgeleitet vom spanischen Wort reducir für      Training Centre (KATC) in Sambia gehalten, einem
                                                                                                             9201 Gossau SG
zusammenführen. Der Begrif steht für ein hoch-        Jesuiten-Projekt, das die Lebensbedingungen auf        Bildnachweis:
spannendes missionarisches und gesellschaftliches     dem Land verbessern soll. Geleitet wird es von Paul    Väthröder SJ (Titel, S. 4–7, 16),
                                                                                                             Stiftung Jesuiten weltweit (S. 2,
Modell, das die Jesuiten im 18. Jahrhundert in        Desmarais SJ, der von dem Schweizer Biobauern
                                                                                                             13) zur Bonsen (S. 2, 11, 15),
Lateinamerika für die Indios etablierten. 2017 wird   Markus Schär beraten wird. Schär arbeitet derzeit      Kurmann SJ (S. 3), JRS (S. 3, 8, 9),
es genau 250 Jahre her sein, dass der damalige        für Commundo in Sambia. Um das Bildungszent-           KNA (S. 9), Jesuitas Ecuador
spanische König Carlos III. den Reduktionen ein       rum der Jesuiten inanziell zu sichern, ist eine neue   (S. 10), Jesuiten Nepal (S. 10),
Ende bereitete. Grund genug, an dieses Missions-      Molkerei geplant. Dabei soll die Wertschöpfung         MPSM (S. 11), Chennai Mission
                                                                                                             (S. 11), Haldi (S. 12), Issartel
Experiment in einem Gedenkjahr zu erinnern. Um        aus der selbstproduzierten Milch erhöht werden.
                                                                                                             (S. 13), Herder Verlag (S. 13),
die Ruinen der Jesuiten-Reduktionen, von denen        Zudem soll der Betrieb als Vorbild die Lernenden       Lassalle-Haus (S. 14, 15), istock-
heute zwölf zum Weltkulturerbe gehören (s. Foto),     ermutigen, selbst Unternehmen zu gründen. Für          photo (S. 16), von Schöler (S. 16)
kümmern sich die Jesuitenmission in Deutschland       die Gebäude und Anlagen der neuen Molkerei
und die Stiftung Jesuiten weltweit in der Schweiz.    werden 15 000 Franken benötigt. Schär will das
In Bolivien hat der früh verstorbene Schweizer        Geld durch «Crowdfunding» im Internet sammeln.
Architekt Hans Roth 20 Jahre lang alte Kirchen der    Mehr dazu unter www.100-days.net/de/projekt/
Reduktionen von Grund auf restauriert.                eine-molkerei-fuer-kasisi.
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