Es ist nicht alles Kopfsache - FIDD Förderinstitut
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Marie-Louise Lützenkirchen Es ist nicht alles Kopfsache ES IST NICHT Wer kennt nicht die Kinder, die trotz nachgewiesener Be- gabung keine guten Leistungen in der Schule zeigen? Oder Kinder, die über Tische und Bänke gehen, einfach nicht still sitzen und sich scheinbar nicht konzentrie- ren können? Kinder, die bei den Schularbeiten eher auf dem Tisch liegen denn sitzen, sich bei der Arbeit gerne ALLES KOPFSACHE auf ihre Füße setzen und/oder zu keinem Ende mit der Arbeit kommen? Kinder, die „überschießend“ reagieren oder ohne ersichtlichen Grund sich ängstlich verhalten? Die Liste an Verhaltensauffälligkeiten lässt sich beliebig fortsetzen, ohne dass eine der gängigen Diagnosen die Schwierigkeiten und Auffälligkeiten erklären würde. All diese Kinder sind möglicherweise in ihrer Neuro- motorik nicht altersentsprechend entwickelt. Dieser Ratgeber führt Sie in die neuromotorische Entwicklung ein. Ausgelöst wird diese Entwicklung über frühkindliche Reflexe, die schon vorgeburtlich ihre Arbeit aufnehmen und im ersten Lebensjahr präsent sind. Für die Entwick- lung eines Menschen hat es weitreichende Konsequen- zen, wenn diese Reflexe nicht zum richtigen Zeitpunkt gehemmt werden und fortbestehen. Bei uns finden Sie die passende Hilfe bei LRS – Lese-/ Fremdsprachen LRS Englisch FIDD Förderinstitut Rechtschreibschwäche AD(H)S Wilhelmstr. 7 Bewegungsentwicklung und ihre Bedeutung für Lernen und Verhalten Dyskalkulie – 42697 Solingen Rechenschwäche Neuromotorische 0212 233 55 11 Entwicklungsförderung Lern- und post@fiddplus.de ISBN 978-3-00-052064-8 Leistungsblockaden Englisch für Senioren www.fiddplus.de Preis 12,95 €
Liebe Leserinnen und liebe Leser, es gibt viele Kinder, die ohne „besonderes“ Zutun Ihrer Eltern wachsen und gedeihen. Und es gibt immer mehr Kinder, die mehr als die normale Aufmerksamkeit und Förderung von Idee, Text und Ansprechpartnerin zu Hause brauchen. Oftmals haben die betroffenen Kinder Marie-Louise Lützenkirchen Diagnosen wie AD(H)S, LRS, Dyskalkulie, soziale Ängstlichkeit oder Anpassungsstörungen, Schwierigkeiten mit dem Gleich- Diplom-Sozialpädagogin gewicht etc. erhalten. Systemischer Schulcoach (IFW) Diesen sehr unterschiedlichen Störungsbildern liegt häufig Systemische Beraterin (SG) eine gemeinsame Ursache zu Grunde. Bei genauem Hin- Verhaltenstrainerin Intra Act schauen lassen sich bei all diesen unterschiedlichen Neuromotorische Entwicklungsförderung Diagnosen Ausreifungsverzögerungen der neuromotorischen nach der INPP-Methode Entwicklung beobachten. Ausgelöst wird die neuro- motorische Entwicklung eines Menschen über von der Grafikdesign, Konzeption und Illustration Natur vorgegebene Bewegungsmuster, die Reflexe. Anna-Lena Meyer Kommt es zu Abweichung von der normalen Entwicklung, info@viel-freude.de kann dies weitreichende Folgen haben. Die wichtigsten www.viel-freude.de Ursachen und Folgen sowie alternative Fördermöglichkeiten finden Sie in diesem Ratgeber beschrieben. 2. Auflage 2017 Alle Rechte vorbehalten Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen. Ihre ISBN 978-3-00-052064-8
ES IST NICHT ALLES KOPFSACHE 1 as Sie vorab wissen W sollten 2 Neuromotorische Unreife 3 as vestibulare D Wahrnehmungs- 7 er Asymmetrisch- D Tonische-Nackenreflex 8 er Symmetrisch- D Tonische-Nackenreflex 9 ie Gruppe der Greif- D und Klammer-Reflexe system ATNR STNR (Streckung und Seite 11 Seite 12 Beugung) Seite 31 Seite 16 Seite 26 Seite 28 4 ewegung durch B Reflexe 5 Furcht-Lähmungs- Reflex (FLR) und 6 er Tonische- D Labyrinth-Reflex TLR 10 Kurz und knapp 11 ier finden Sie H die richtige Hilfe 12 Fallstudie Tom Moro-Reflex (vorwärts und rück- Seite 34 Seite 19 bilden zusammen wärts) Seite 36 Seite 38 das Schutz- und Alarmsystem eines Seite 24 Babys. Seite 20
Über die Zusammenhänge Was Sie vorab wissen von Bewegung, Gleichgewicht sollten und Lernen Über Bewegungen und Bewegungserfahrungen, die wir zu- INPP in Chester hat ein Testverfahren entwickelt, mit dem nächst einmal mit uns selbst machen, lernen wir uns und die sich Defizite in der neuromotorischen Entwicklung erfassen Welt kennen. Den ersten Bewegungsradius hat uns die Natur lassen. Gleichzeitig hat INPP ein Bewegungsübungspro- über frühkindliche Reflexe zur Verfügung gestellt. Mit Reifung gramm zur Reflexhemmung aufgestellt, um dem Gehirn die des Gehirns werden diese stereotypen Bewegungsmuster Chance zur Nachreifung zu geben. Das Reflexausreifungs- von reiferen Reaktionen und gezielterem Handeln abgelöst. programm nach der INPP-Methode verändert die Qualität Die Integration bzw. die Hemmung* frühkindlicher Reflexe der Nervenverbindungen mit dem Ziel, die kortikale Kontrolle ist neben weiteren Aspekten Voraussetzung, dass Kinder mit zu verbessern. Interventionsmöglichkeiten nach der INPP- einer angemessenen Leichtigkeit in der Lage sind, ihr Verhal- Methode finden Sie ab Seite 34 beschrieben. ten zu steuern und ihrer Intelligenz entsprechende gute Leis- tungen in der Schule und bei sonstigen Aktivitäten zu erzielen. Mangelnde Hemmungen frühkindlicher Reflexe führen meist zu Schwierigkeiten in der Entwicklung. Die Ausprägungen sind individuell verschieden und werden unterschiedlich kompen- siert. Die wichtigsten frühkindlichen Reflexe werden auf den Seiten 20 bis 29 vorgestellt. Neben den allgemeinen Informa- tionen finden Sie Checklisten. Sie können über das Ausfüllen der Listen Hinweise erhalten, ob frühkindliche Reflexe für die Schwierigkeiten Ihres Kindes verantwortlich sein könnten. Mit Schuleintritt erwartet unsere Gesellschaft von Kindern, still sitzen zu können, sich möglichst wenig zu bewegen, um fokussiert und konzentriert dem Unterricht zu folgen. Konzentriertes Arbeiten stellt hohe Anforderungen an das Gleichgewichtssystem. Kognitive Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen verlangen Richtungswahrnehmung. Diese Fähigkeit beginnt sich mit dem Wissen um die eigene Position im Raum zu entwickeln. Haben Kinder Schwierigkei- ten beim Erwerb des Lesens und Schreibens (LRS) und/oder des Rechnens (Dyskalkulie), sind häufig auch Fehlfunktionen des Gleichgewichtssystems zu beobachten. Körperliches und seelisches Gleichgewicht muss sich jeder Mensch immer wieder neu schaffen, da beides sich täglich verändert. Trai- niert wird das Vestibularsystem durch Bewegung. Gleichzeitig aber ist das Vestibularsystem Experte für Bewegung. Ab Seite 16 finden Sie hierzu weitere Informationen. Lassen sich bei einem Kind/einem Erwachsenen Unreifen des neuromotorischen Systems beobachten, leidet das Kind/der Erwachsene meist unter Einschränkungen und Schwierig- keiten. Das Institut für Neuro-Physiologische Psychologie * Unterdrückung der Reflexfunktion durch die Entwicklung einer diffe- renzierteren Reaktionsfähigkeit. Die Reflexfunktion wird in die Reaktion integriert. 10 11
Neuromotorische Unreife Was ist neuromotorische Unreife? Schlägt man die Wortbe- systeme zur Verfügung stellen) als auch Rückmeldungen Zunahme von Kindern, die Schwierigkeiten haben. Unterstellt aus, da die negativen Aspekte der Nicht-Hemmung frühkind- deutungen im Duden nach, leitet sich das Wort „neuro“ von von Klein- und Großhirn an unsere Muskeln werden über das man, dass persistierende (nicht gehemmte) frühkindliche Re- licher Reflexe überwiegen. So bleiben frühkindliche Reflexe bei dem griechischen Wort neural ab und meint einen Nerv bzw. Stammhirn geleitet. In den ersten zwei Lebensjahren sind die flexe die Ursache dafür sind, bleibt zu klären, wie es sich heute Kindern in unterschiedlicher Konstellation und Stärke aktiv das Nervensystem. Das lateinische Wort Motorik steht für Gehirnregionen aus Stamm-, Klein- und Großhirn noch nicht mit diesen Reflexen verhält. und beeinflussen Motorik, Sensorik und Verhalten. die Gesamtheit aller Muskelbewegungen. Neuromotorische richtig miteinander verbunden, obwohl ein Baby bei der Ge- Reife beschreibt folglich ein Entwicklungsstadium des Ner- burt eine vollständige Ausstattung an Nervenzellen besitzt. Im letzten Jahrhundert haben sich die Lebensumstände in Durch ein Mehr an Bewegung und Motorik im Verlauf der vensystems in Bezug auf den Grad der ausgebildeten Bewe- Durch wiederkehrende Reize und vor allem sich wiederho- der westlichen Gesellschaft gravierend verändert. Zuneh- weiteren Kindheit (Spontanmotorik, aber auch Frühförderung gungsfähigkeit eines Menschen. lende Bewegungen werden die Hirnareale vernetzt. Reflexe mende körperliche Fehlbelastungen sowie Stress während oder Therapien) gelingt es oft, die Ausprägung und Stärke haben in der kindlichen Entwicklung Auswirkungen auf Mo- der Schwangerschaft sind zu nennen. Auch der deutliche der Reflexe abzuschwächen. Durch die Persistenz (Restreak- Die neuromotorische Entwicklung eines Kindes ist eng mit torik, Sensorik, Wahrnehmung sowie Reizverarbeitung und Anstieg von Kaiserschnittentbindungen kommt hier zum tionen) ist den Kindern häufig jedoch der Zugang zu einem der Reflexentwicklung verbunden. Reflexe sind unbewusste, Impulskontrolle. Mit zunehmendem Alter übernehmen hö- Tragen. Eine Fehllage des Babys mit nachfolgend notwendi- freudigen, unbeschwerten Umgang mit Motorik verbaut. Sie immer gleich ablaufende Bewegungen, die nicht variiert wer- here Hirnzentren mehr und mehr die Kontrolle und hemmen gem Kaiserschnitt kann sowohl Folge als auch Ursache (oder merken schnell, dass bestimmte Bewegungen anderen Kin- den können. Erste Reflextätigkeit lässt sich bereits in der die Reflexe. Die Reflexe, die diese Entwicklung auslösen, sind beides) einer gestörten vorgeburtlichen Reflexentwicklung dern viel leichter fallen. Beim passiven Fernsehen oder Com- sechsten Schwangerschaftswoche beobachten. Der gesamte bis zur Vorsorgeuntersuchung U6 wesentlicher Gegenstand sein. Meist sind auch die Kinder einer Mehrlingsschwanger- puterspiel fällt dies nicht oder nicht sehr ins Gewicht, sodass Schwangerschaftsverlauf und die Entwicklungsschritte des einer Untersuchung. Die Auswirkungen nicht gehemmter schaft oder Frühchen stark von persistierenden (überdauern- Betroffene in einen Teufelskreis geraten. ersten Lebensjahres sind durch eine bestimmte Abfolge auf- (persistierender) frühkindlicher Reflexe können mehr oder den) frühkindlichen Reflexen betroffen. tretender Reflexe und deren entwicklungsgerechte Hemmung weniger erfolgreich kompensiert werden. Im Volksmund heißt gekennzeichnet. Geschieht dies nicht oder nur unzureichend, es dann, dass sich ein Problem „ausgewachsen“ hat. Diese Veränderungen in der frühen Kindheit lassen sich ebenso als können neuromotorische Unreifen auftreten, die zu spezifi- Kompensation führt aber zu erheblichem Stress und letztend- Gründe festmachen. Babys werden heute deutlich weniger schen Lern- und Verhaltensproblemen führen können. lich meist zu mannigfaltigen Erkrankungen und Auffälligkei- und auch kürzer gestillt. Dies wirkt sich auf die Hand-Mund- ten. Die indirekten Auswirkungen, die nicht gehemmte Reflexe Fuß-Reflexe aus, die beim Stillen aktiviert werden (Händchen Wie ein Haus sollte auch ein heranwachsender Mensch ein haben können, sind gravierend: Stress, Verminderung der und Füße bewegen sich beim Saugen an der Brust), während stabiles Fundament besitzen. Das Fundament eines Kindes Leistungsfähigkeit und des Selbstvertrauens und auch Fehl- dies bei Flaschenernährung nicht stattfindet. Durch die feh- besteht aus einem liebvollen Elternhaus mit intakten sozialen belastungen des Körpers können eine betroffene Person er- lenden Bewegungen werden die entsprechenden Nerven- Strukturen und einer möglichst unbelasteten Gesundheit. Auf heblich belasten. Zudem können sich die genannten Faktoren zellverknüpfungen nicht gebildet. Darüber hinaus liegt beim solch einer Basis können frühkindliche Reflexe ungehindert untereinander wiederum negativ auswirken. So erzeugt z.B. Stillen das Gesicht der Mutter in dem Bereich, in welchem das agieren, sodass Motorik, Sensorik, Wahrnehmung, Reizverar- ein verringertes Selbstvertrauen noch mehr Stress und umge- Kind am besten sehen kann, sodass es fokussieren übt. beitung und Impulskontrolle sich unbeeinträchtigt entwickeln kehrt. Die Folgen nicht gehemmter frühkindlicher Reflexe sind können. Damit ist dem Kind im Regelfall eine gute Alltags- häufig schwerwiegend für einen Betroffenen. Der Förderung von Kindern kommt heute eine große Bedeu- und Lebensbewältigung möglich. Ist aber eine unzureichende tung zu. Über die Förderung sind sie jedoch auch einer Flut Basis gegeben, verändern sich Motorik, Sensorik, Wahrneh- Was passiert nun, wenn die Reflexe, welche zu einem be- von Reizen ausgesetzt. Während Kinder früher während des mung, Reizverarbeitung und Impulskontrolle in einer Weise, stimmten Zeitpunkt im Entwicklungsplan gehemmt oder ersten Lebensjahres häufig längere Zeit alleine auf einer dass – auch bei sonst guten Voraussetzungen wie Intelligenz, transformiert sein sollten, nicht oder nicht ausreichend ge- Decke lagen und sich mit sich selbst beschäftigen konnten Förderung und Erziehung etc. – eine adäquate Alltags- und hemmt oder transformiert sind? bzw. mussten und dabei den Bewegungen der Finger Lebensbewältigung sowie Gesundheit nur schwer zu errei- Es kann an vielen Stellen zu ganz unterschiedlichen Störun- zusahen, welche sich vor ihren Augen drehten, liegen sie heu- chen ist. Dies wollen wir uns nun im Einzelnen genauer an- gen der normalen Abläufe kommen. Mit Sicherheit hat es te unter Mobiles, werden von Spieluhren beschallt und oft in schauen. immer schon Ursachen gegeben, die die optimale Reifung und Wippen und Ähnliches gelegt. Durch diese Reize abgelenkt, Hemmung von frühkindlichen Reflexen beeinflusst haben: Ur- findet bei vielen Kindern das von der Natur vorgegebene Unser Gehirn besteht, vereinfacht ausgedrückt, aus drei Re- sächlich wirken genetische Dispositionen sowie der Einfluss tägliche Bewegungsprogramm weder ausreichend oft, noch gionen: dem Stammhirn (ältester Teil, auch zu finden bei den von persistierenden frühkindlichen Reflexen der Mutter (und in ausreichender Bewegungsqualität statt, was die Ausrei- Fischen und Amphibien), dem Kleinhirn (welches alle Säu- vielleicht durch den genetischen Anteil des Vaters) auf den fung und spätere Hemmung der frühkindlichen Reflexe ab- getiere besitzen) und dem Großhirn, dem Ort der bewussten Schwangerschaftsverlauf. Auch körperliche Störungen und schwächt. Handlungssteuerung. Reflexe werden im Stammhirn ver- Erkrankungen haben von je her die normale Reflexentwick- arbeitet. Sowohl Außenreize (Reize, die uns unsere Sinnes- lung beeinflusst. Dies allein erklärt jedoch nicht die deutliche Die positiven Effekte einer frühen Förderung wirken sich nicht Typische Sitzhaltung eines Kindes mit Restreflexen 12 13
Hinweise auf neuro- motorische Unreife Als Ursache für überdauernde primitive Reflexe kommt meist In der Schwangerschaft Bei der Geburt Die Neugeborenenzeit Die Kindheit nicht ein Auslöser allein in Betracht. In der Regel handelt es sich um mehrere Faktoren, die dazu führen, dass primitive genetische Disposition Frühgeburt oder länger geringes Geburtsgewicht Erkrankungen mit hohem Reflexe nicht zeitgerecht in der kindlichen Entwicklung inte- als 2 Wochen übertragen von unter 2500 Gramm Fieber griert bzw. gehemmt werden. Die nachfolgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Jedoch geben überdauernde (persis- Verzögerungen oder Ab- die genannten Faktoren – besonders in Kombination – signi- tierende) frühkindliche extrem lange Geburt Sauerstoffmangel weichungen beim Errei- fikante Hinweise auf mögliche Störungen der vorgeburtlichen Reflexe bei der Mutter, chen der Meilensteine der dem Vater Bewegungsentwicklung Gehirnentwicklung und damit auf Störungen in der Reflexent- (verzögertes Drehen, Aus- wicklung. aber auch Sturzgeburt Intensivmedizin lassen der Krabbelphase starker emotionaler etc.) Stress Sprachentwicklungsver- Nabelschnurvorfall oder verlängerte Neugeborenen- zögerung -umschlingung gelbsucht drohende Fehlgeburt häufige Hals-, Nasen- Zangen- oder Saugglo- und Ohrenentzündungen verformter Schädel ckengeburt viraler Infekt große Schwierigkeiten, sich selber anziehen zu Kaiserschnitt blaue Flecken lernen hoher Blutdruck Fütterungsprobleme Impfreaktionen Steißlage während der ersten 6 Monate unbehandelter (Schwan- gerschafts-) Diabetes Daumenlutschen über Kristellern Kiss-Syndrom das 5. Lebensjahr hinaus Alkohol-, Nikotin-, Drogenkonsum Bettnässen über das 5. Lebensjahr hinaus Plazenta-Insuffizienz anhaltendes Schwanger- schaftserbrechen Teratogenbelastung (Umweltgifte) Machen Sie den Test. Den ausführlichen Fragebogen „harmlose“ Infekte wie finden Sie unter: z. B. Grippe, Blasenent- zündung, Zahnfleischent- www.fiddplus.de/Neuromotorik zündungen 14 15
Das vestibulare Wahrnehmungssystem Unter unseren Sinnessystemen nimmt der Vestibularappa- bularapparat veranlasst die Augenmuskeln zu ausgleichen- rat (= Gleichgewichtssystem) eine zentrale Stellung ein. Er den Bewegungen und hält damit unser Gesichtsfeld konstant. befindet sich im Innenohr und beginnt sich schon am 34. Häufig finden sich bei Kindern mit Schwierigkeiten in der Schwangerschaftstag zu bilden. Entwicklungsgeschichtlich vestibulären Verarbeitung auch Schwierigkeiten beim ist unser Gleichgewichtssystem ca. 600 Millionen Jahre alt. Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Als einziges Sinnessystem ist es mit der Geburt voll funkti- onsfähig. In der Diagnostik wird vestibuläre Über- und Unterempfind- lichkeit unterschieden. Oft jedoch vermischen sich die Der Moro-Reflex, der Tonische-Labyrinth-Reflex, der Erscheinungsbilder in der Praxis. Kinder mit einer vestibulären Asymmetrisch-Tonische-Nackenreflex und der Symmetrisch- Unterempfindlichkeit klettern in große Höhe, springen herunter, Tonische-Nackenreflex werden über das Vestibularsystem schaukeln heftig, schätzen Gefahren oft nicht richtig ein, und ausgelöst. Damit kommt unserem Gleichgewichtssystem das Stillsitzen in der Schule scheint fast unmöglich zu sein. eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung, Ausreifung und Kinder, die zur Gruppe der Überempfindlichen gehören, sind Hemmung frühkindlicher Reflexe zu. Die Informationen, die motorisch häufig genauso unruhig und zappelig, vermeiden uns das Vestibularsystem zur Verfügung stellt, werden uns jedoch oft Schaukeln und Klettern. Das Verhalten beider häufig nicht bewusst. Erst wenn wir zu wenige oder zu wider- Gruppen in Bezug auf motorische Unruhe sieht identisch aus, sprüchliche Informationen erhalten, fangen wir in der Regel jedoch sind die Ursachen verschieden. an, unser Gleichgewichtssystem wahrzunehmen. Das Vesti- bularsystem ermöglicht uns, in Bewegung wie auch in Bewe- gungslosigkeit (= Statik) unseren Körper im Gleichgewicht zu halten. Schon in den späten 1980er-Jahren postulierte Jean Ayres den Gleichgewichtsapparat als „alles vereinendes Be- zugssystem“1, da die vestibularen Informationen das gesamte Nervensystem und die übrigen Sinnessysteme synchronisie- ren. Über die mütterlichen Bewegungen erfährt das Ungeborene Bewegungsreize und reagiert. So ist es auch in der Lage, sich in die Geburtsposition zu bewegen. Lise Elliot meint, dass das Risiko einer Beckenendlage deutlich erhöht sei, wenn ein Defekt im Vestibularsystem vorliege.2 Die Ausreifung des Gleichgewichtssystems ist für die weitere kindliche Entwick- lung von großer Bedeutung. Kinder verschaffen sich selbst oft intensive Reize, indem sie wippen, schaukeln, springen, sich drehen und kullern. Sie erleben Bewegung als lustvoll und stimulierend. Darüber entwickeln sich Körperhaltung, Mo- torik, Koordination, Muskeltonus und nicht zuletzt die Spra- che. Deshalb wird in der Ergotherapie zur Verwunderung von Außenstehenden immer wieder gerollt, geschwungen, ge- wippt, gedreht und geschaukelt. Ca. 20 Prozent der visuellen Informationen werden in den Teilen des Gehirns verarbeitet, die für das Gleichgewichtssystem zuständig sind. Der Vesti- 16 17
Anzeichen und Symptome, die auf Bewegung durch Reflexe Gleichgewichtsprobleme hindeuten Die Entwicklung der meisten Babys verläuft im ersten können3 Lebensjahr ähnlich: Erst lernt ein Baby, in der Bauchlage den Kopf anzuheben, dann sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen, später kommt es ins Sitzen, wird mobil und beginnt mit dem Krabbeln. Es folgt die Aufrichtung in den Stand und schlussendlich das freie Gehen. Reflexe Machen Sie den Test. Den stellen das erste „Vokabular“ für Bewegung zur Verfügung. ausführlichen Fragebogen Primitive Reflexe – stereotype (immer gleich ablaufende) finden Sie unter: Bewegungsmuster, die im Hirnstamm verarbeitet werden – www.fiddplus.de/Neuromotorik schaffen die Voraussetzung, dass das neugeborene Baby in seiner Umwelt überleben kann. Ohne den Such,- Saug- und Schluckreflex beispielsweise würde das Baby verhungern. Reflexe ermöglichen erste Bewegungsantworten auf Umweltreize. Anzeichen und Symptome Bis ein Kind in die Schule kommt, sollten die Anteile des Kortex (jüngster und bestentwickelter Teil unseres Gehirns) die Steuerung über den Körper übernommen haben. Das bei Geburt Steißlage keinerlei Angst vor Höhen (unteraktives vestibuläres geschieht allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im System) oder übermäßige Wesentlichen im ersten Lebensjahr die primitiven Reflexe Höhenangst (hypersensi- gehemmt werden. Durch die reflexbedingten Bewegungen tives vestibuläres System) Verzögerung in der Ent- werden nach und nach neuronale Verbindungen geschaffen wicklung der Kopfkontrol- und ausgeformt. Die Reifung des Nervensystems ermöglicht le bzw. anderen Meilen- steinen der motorischen übermäßiges Schaukeln willentlich gesteuerte Bewegungen, die nun die ersten Entwicklung wie Sitzen, und Drehen Bewegungsmuster ersetzen. Je mehr Bewegungserfahrungen Krabbeln, Laufen ein Kind macht, desto mehr werden Bewegungen von höheren schlecht entwickeltes Regionen des Gehirns geplant und kontrolliert. Das Gehirn Körperschema – körper- bleibt zeitlebens auf Bewegung angewiesen, da es sich nur schlecht entwickelter liche Distanzlosigkeit Muskeltonus über ausreichend Bewegung organisieren kann. Der Körper trainiert das Gehirn, und das Gehirn steuert den Körper. Schwierigkeiten bei der Bewegungsplanung, wie Das Institut für Neuro-Physiologische Psychologie INPP häufiges Fallen oder ziehen-drücken, rechts- in Chester hat die nachfolgend beschriebenen Reflexe Unfälle links als maßgeblich identifiziert, wenn Auffälligkeiten in den Bereichen Bewegung, Wahrnehmung, Verhalten und Lernen Schwierigkeiten, Objekte zu beobachten sind. mental (geistig) zu dre- Vermeidung von Bewegung hen (Geometrie) oder die Uhrzeit lesen zu lernen Tollpatschigkeit Reiseübelkeit über das 8. Lebensjahr hinaus Anziehen von Strümpfen Probleme beim Radfah- und Hose eher im Sitzen ren lernen Typische Sitzhaltung eines Kindes mit Restreflexen 18 19
Die Reflexe Furcht-Lähmungs-Reflex (FLR) und Moro-Reflex bilden zusammen das Schutz- und Alarmsystem eines Babys Vorgeburtlich hat der Furcht-Lähmungs-Reflex Schutz- bzw. transformiert. Transformation bedeutet in diesem funktion und regelt die Sauerstoffversorgung während der Zusammenhang, dass die primitiven Reflexe unterdrückt Geburt. Noch in der Schwangerschaft wird er vom Moro werden und sich dadurch eine andere Funktion, d.h. im Fall teilweise gehemmt, dessen Entwicklung ca. in der neunten des FLRs/ Moros die reife Schreckreaktion, entwickeln kann. Schwangerschaftswoche beginnt. Setzt die Atmung des Geschieht dies nicht, ist bedachtes Handeln oft nicht möglich, Babys unmittelbar nach der Geburt nicht spontan ein, da keine Zeit für die Situationsanalyse und damit für eine geschieht dies durch den berüchtigten Klaps auf den Po, angemessene Reaktion zur Verfügung steht. Hier finden sich der den Moro-Reflex auslöst und damit die Atmung in Gang die Ursachen für starke Impulsivität und nicht angepasstes setzt. soziales Verhalten. Betroffene handeln, bevor sie denken. Gelingt die Hemmung und damit die Transformation von Nachgeburtlich ist der Moro das „eingebaute Alarm-System“ FLR und Moro nicht, kann dies lebenslang Auswirkungen auf eines Babys. Der Moro- Reflex aktiviert die Stresshormone das emotionale Erleben eines Betroffenen haben. Hier finden Adrenalin und Cortison. Unter normalen Umständen sich einerseits sowohl introvertierte als auch extrovertierte wird der Moro bis zum vierten Lebensmonat gehemmt Verhaltensweisen. Moro-Reflex beim Neugeborenen 20 21
Anzeichen und Symptome die auf Restreaktionen des FLRs und Moros hindeuten können4 Anzeichen und‚Symp- Anzeichen und Symp- Anzeichen und Symp- tome für den tome für den Moro tome sowohl für FLR FLR (introvertiertes (extrovertiertes als auch Moro Verhalten) Verhalten) Anfälligkeit für Allergien hypoaktiv, ADS hyperaktiv, ADHS Stimmungsschwankungen aller Art körperlich: schmal, dünn körperlich: fester Muskel- Lebensmittelunverträg- tonus, dicklich, „hitzig“ lichkeit geringes Selbstwertgefühl und blass, frierend überschießende Reaktio- HNO- Infektionen und anpassungsfähig über die nen, leicht erregbar sonstige Schwierigkeiten eigenen Grenzen hinaus sehr leicht ablenkbar Handeln ohne Denken Gleichgewichtsprobleme Kontaktscheue Machen Sie den Test. Den ausführlichen Fragebogen finden Sie unter: Schwierigkeiten, sich in www.fiddplus.de/Neuromotorik Koordinationsprobleme, andere Menschen hinein- Ängstlichkeit (auch ohne Tollpatschigkeit zuversetzen Realitätsbezug) Schwierigkeiten, Zunei- Reizoffenheit und Anten- gung zu geben und/oder nen für alles zu zeigen Rückzugverhalten Schwierigkeiten, mit Ver- Lärm- und Geräusch- änderungen oder Kritik empfindlich umzugehen Nackenbeschwerden dominant Lichtempfindlich Asthma Hautprobleme Geruchsempfindlich 22 23
Der Tonische-Labyrinth-Reflex TLR Anzeichen und Symptome, die auf (vorwärts und rückwärts) stellt die erste Möglichkeit des Restreaktionen des TLRs hindeu- Neugeborenen dar, auf die Schwerkraft zu reagieren ten können5 Der Tonische-Labyrinthreflex (TLR) lässt sich in Mit Einsetzen der Kopfkontrolle fängt die schrittweise zwei Positionen beobachten: Vorwärts entspricht er Hemmung des TLRs an. Dieser Prozess reicht bis ca. der fötalen Beugehaltung im Mutterleib, rückwärts ins vierte Lebensjahr hinein. Machen Sie den Test. Den ausführlichen Fragebogen hilft er dem Baby, sich aus der fötalen Haltung finden Sie unter: „herauszustrecken“. Beide Positionen des TLRs bilden www.fiddplus.de/Neuromotorik die erste muskuläre Möglichkeit, auf die Schwerkraft zu reagieren und Muskelspannung aufzubauen. Ausgelöst werden die TLR vorwärts und rückwärts über eine vertikale Lageveränderung des Kopfes über die Mittellinie hinaus. Dadurch verändert sich die Anzeichen und Muskelspannung im gesamten Körper, Gleichgewicht, Symptome Eigenwahrnehmung und auch die Muskelspannung werden geschult. schlechte Haltung – Probleme der Integration der Sinneswahrnehmun- krummer Rücken oder gen schlechte Haltung – Nei- TLRv: Höhenangst, da bei gung, auf Zehenspitzen einer Beugung des Kop- zu gehen fes nach vorne im ganzen Körper die Empfindung entsteht, nach vorne Muskelverspannungen gezogen zu werden TLRr: steife, ruckartige Bewegungen, da die Schwindel Streckmuskeln mehr Einfluss als die Beuge- muskeln ausüben schwacher Muskeltonus und dadurch Abneigung schlechte Balance und gegen sportliche Aktivi- Koordination täten schwach entwickelter schwach ausgebildete Gleichgewichtssinn Organisationsfähigkeit Mangel an Bewegungs- Probleme der Augen- koordination motorik Schwächen beim Erken- nen und Einhalten von logischen Abfolgen Der Tonische-Labyrinth-Reflex vorwärts Der Tonische-Labyrinth-Reflex rückwärts 24 25
Der Asymmetrisch-Tonische-Nackenreflex Anzeichen und Symptome, die auf ATNR, im Deutschen auch umgangssprachlich Restreaktionen des ATNR hindeu- als „Fechterposition” bezeichnet ten können6 Wenn die werdende Mutter die ersten Bewegungen ihres Kindes spürt, beginnt der ATNR, sich zu entwickeln. Machen Sie den Test. Den ausführlichen Fragebogen Wie beim TLR löst die Kopfbewegung die Körperbewegung finden Sie unter: aus: Dreht sich der Kopf nach links, strecken sich Arme www.fiddplus.de/Neuromotorik und Beine auf der Gesichtsseite, die Gliedmaßen auf der Hinterhauptseite werden gebeugt. Damit teilt dieser Reflex den Körper vertikal. Auch der ATNR ist an der Entwicklung des Muskeltonus beteiligt. Darüber hinaus entwickeln sich homolaterale (gleichseitige) Bewegungen und es werden nach der Geburt freie Atemwege in Bauchlage sichergestellt. Anzeichen und Der ATNR trainiert die ersten Auge-Hand-Bewegungen: Das Symptome Fokussieren (Anschauen und Fixieren) von Gegenständen und später das Greifen werden geübt. Der ATNR ist auch durch die Bewegungen unvollständige Ausbil- für die Ausprägung der dominanten Seite (Rechts- bzw. des Kopfes nach rechts dung von Ohrdominanz Linkshändigkeit) mitverantwortlich. oder links kann es zu und damit Verzögerung in Auswirkungen auf das der Sprachentwicklung Gleichgewichtssystem kommen wechselnde Lateralität homolaterale Bewegun- (Seitigkeit) gen anstelle von Kreuz- musterbewegungen Verwechslung von form- ähnlichen Buchstaben. Schwierigkeiten beim In der Folge können sich Beschriften von Papier Lese-Rechtschreibpro- und/oder schlechte bleme entwickeln Handschrift durch das Drehen des auditive und visuelle Kopfes werden Streck- Verarbeitungsdefizite bewegungen in den Gliedmaßen ausgelöst beeinträchtigte Raum- beim Lesen werden nicht Lageorientierung des nur die Augen, sondern Kopfes. In der Folge der ganze Kopf bewegt. In können Schwierigkeiten der Folge können Buch- in der Arithmetik und/ staben und ganze Wörter oder Geometrie ent- ausgelassen werden stehen Schwierigkeiten beim Verfolgen eines Gegen- standes, vor allem beim Überkreuzen der Körper- mittellinie Der Asymmetrisch-Tonische-Nackenreflex 26 27
Der Symmetrisch-Tonische-Nackenreflex STNR (Streckung und Beugung) bricht die Ganzkörperbewegung des TLRs auf Auch beim STNR hat die Kopfhaltung Einfluss auf die Muskelspannung in den Gliedmaßen. Gut sichtbar ist der STNR in der Krabbelposition: Ist der Kopf im Vierfußstand angehoben, streckt sich die obere Körperhälfte, manchmal ist ein Hohlkreuz zu sehen. Wird der Kopf gesenkt, beugen sich die Arme, und die Beine strecken sich, manchmal entsteht ein Katzenbuckel. Solange dieser Reflex zu beobachten ist, ist ein Baby nicht in der Lage, Ober- und Unterkörper koordiniert miteinander arbeiten zu lassen. Zur Hemmung schaukeln viele Babys eine Zeit lang vorwärts und rückwärts und krabbeln zunächst rückwärts, bevor sie zielgerichtet krabbeln lernen. Kinder mit einem starken STNR krabbeln selten auf den Knien. Sie Der Symmetrisch-Tonische- bewegen sich stattdessen im Bärengang, rutschen auf dem Nackenreflex in Streckung Po, schieben sich auf dem Rücken, rollen sich seitwärts oder fangen einfach direkt mit dem Laufen an. Kinder, die mit STNR dennoch krabbeln, stellen die Hände häufig nach außen, um die Ellbogen am Einknicken zu hindern und/oder heben die Füße an. Das Krabbelstadium ist als wichtiger Meilenstein in der Entwicklung eines Kindes zu sehen. Sally Goddard Blythe7 schreibt dazu: „Durch das Krabbeln werden das vestibuläre (Gleichgewicht), das propriozeptive (Eigenwahrnehmung) und das visuelle System miteinander verbunden und zum ersten Mal in Zusammenarbeit miteinander gebracht.“ Ohne diese Zusammenarbeit können sich das Gleichgewichtssystem, die visuelle Wahrnehmung sowie die Wahrnehmung des eigenen Körpers in Bezug auf Raum und Lage (Propriozeption) nicht optimal entwickeln. Der Symmetrisch-Tonische- Nackenreflex in Beugung 28 29
Anzeichen und Symptome, die auf Die Gruppe der Greif- und Restreaktionen des STNR hindeu- Klammer-Reflexe ten können8 Palmar-Reflex / Handgreifreflex Zur Gruppe der Greif- und Klammerreflexe gehören Palmar- und Plantar-Reflex, der Hand- und der Fußgreifreflex, aber auch die Such-, Saug-, und Schluckreflexe. Machen Sie den Test. Den Palmar-(Hand-) und Plantar-(Fußgreif-)Reflexe sind heute ausführlichen Fragebogen vor allen Dingen als unser evolutionäres Erbe anzusehen finden Sie unter: www.fiddplus.de/Neuromotorik und stammen aus einer Zeit, als wir uns noch im Fell unserer Affenmütter festhalten mussten. Die Such-, Saug- und Schluckreflexe sorgen für die Nahrungsaufnahme in den ersten Lebensmonaten. Anzeichen und Symptome AD(H)S- Symptomatik: schlechte Koordination Bei ¾ aller Kinder mit zwischen Händen und Lernschwierigkeiten im Augen, Tollpatschigkeit Bereich LRS und AD(H)S lassen sich Überreste des STNRs feststellen9 kleckern beim Essen insgesamt schlechte Hal- tung, besonders auffällig Schwierigkeiten, Bewe- beim Sitzen am Tisch gung der oberen und unteren Körperhälfte charakteristische harmonisch miteinander Schreibhaltung: Kopf auszuführen neigt sich nach vorne und die Beine werden um die Stuhlbeine geschlungen Schwierigkeiten beim Schwimmen lernen über Wasser, nicht jedoch Aufmerksamkeitsproble- beim Tauchen me, da die Kontrolle der Sitzhaltung anstrengend ist Schwierigkeiten beim Ab- schreiben von der Tafel, da das Kind die Augen Fersenzwischensitz nicht schnell von Nah- auf Fernsicht umstellen kann. - Daraus resultieren all- „schlechtes“ Krabbeln gemeine Lernprobleme - Schwierigkeiten, Lesen und Schreiben zu lernen - Schwierigkeiten, Zah- Ungeschicklichkeit beim lenkolonnen zu addieren Fangen von Bällen und zu subtrahieren Plantar-Reflex / Fußgreifreflex 30 31
Anzeichen und Symptome, die auf Anzeichen und Symptome, die auf Restreaktionen des des Palmar-10 und Restreaktionen der Such,- Saug- Plantar-11 Reflexes hindeuten können und Schluckreflexe hindeuten können12 Anzeichen und Anzeichen und Anzeichen und Symptome beim Symptome beim Symptome Palmar-Reflex Plantar-Reflex Überempfindlichkeit um/ von Lippen und Mund Machen Sie den Test. Den geringe manuelle Zehenspitzengang, da- ausführlichen Fragebogen Geschicklichkeit, da der durch Beeinflussung der finden Sie unter: Palmar die unabhängige vestibulären Entwicklung www.fiddplus.de/Neuromotorik Bewegung von Daumen Zunge befindet sich und restlichen Fingern vielleicht zu weit vorne, verhindert Überempfindlichkeit für sodass das Schlucken taktile Reize am Fuß und Kauen bestimmter Nahrungsmittel er- Nicht-Entwicklung des schwert ist, evtl. sabbert Pinzettengriffs, wodurch das größere Kind Stehen auf der Fußfläche die Stifthaltung beim ist beeinträchtigt bzw. Schreiben beeinflusst das Abrollen des Fußes wird ist erschwert mit der Sprach- und Artikulati- Folge möglicher späterer onsprobleme Fehlhaltungen. Sprachschwierigkeiten mangelnde manuelle Geschicklichkeit Überempfindlichkeit für taktile Reize Daumenlutschen Schreiben und Zeichnen wird von Mundbewe- gungen begleitet: „Das Zahnfehlstellungen Kind schreibt mit der Zunge und redet mit den Händen“ Kind „schreibt“ mit der Machen Sie den Test. Den Zunge Dysdiadochokinese (Be- ausführlichen Fragebogen einträchtigung schneller finden Sie unter: alternierender Bewegun- www.fiddplus.de/Neuromotorik gen) der Finger Suchreflex beim Neugeborenen 32 33
Kurz und knapp Zusammenfassend lässt sich sagen, dass persistierende troffene ringen meist zeitlebens um ein inneres wie äußeres frühkindliche Reflexe eine zentrale Bedeutung bei einer Viel- Gleichgewicht. zahl von Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten und fami- liären, sozialen und (vor-)schulischen Problemen darstellen. Wie beschrieben stellen die Reflexe das erste motorische Vo- Dies erklärt sich einerseits durch direkte Auswirkungen auf kabular eines Menschen zur Verfügung. Dementsprechend Motorik, Sensorik, Wahrnehmung, Reizverarbeitung und Im- haben mangelhaft integrierte Reflexreaktionen Folgen für pulskontrolle, andererseits durch indirekte Auswirkungen Bewegung und Motorik: Der ATNR hat meist Auswirkungen wie Stress, Minderung des Selbstvertrauens und der Leis- auf die Schrift und Schreibgeschwindigkeit, da durch den tungsfähigkeit. ATNR die Richtungswahrnehmung (auch von größter Bedeu- tung beim Erlernen der Mathematik!) und koordinierte Be- Sicherlich lässt sich die Zunahme persistierender Reflexe wegungsabläufe negativ beeinflusst werden. Oft sieht man durch eine Vielzahl von gesellschaftlichen Veränderungen verdrehte und sehr unbequem anmutende Schreibhaltungen, erklären, welche einen adäquaten Abbau und die Hemmung häufig ungewöhnliche Stifthaltungen und starken Stiftdruck. der frühkindlichen Reflexe erschweren. Neben den individu- Auch die Folgewirkungen eines persistierenden STNR stören ellen Problemen, die Kinder im Lesen und Schreiben oder/ sowohl die Stift- als auch die Sitzhaltung. Beim Sitzen müs- und dem Rechnen haben, werden Konzentrationsschwierig- sen Ellbogen und Hüfte gebeugt sein, was durch einen fort- keiten als häufiges Problem von den Eltern benannt. Oft ist bestehenden STNR sehr erschwert ist (Oberkörper und Un- der Satz zu hören: „Wenn er/sie sich richtig konzentriert, ist terkörper beugen oder strecken sich entgegengesetzt). Das fast alles richtig.“ Untersuchungen der Autoren O‘Dell und Resultat sind auffällige Sitzhaltungen: Festklemmen der Füße Cook haben ergeben, dass Bewegungsprogramme, die auf unter dem Gesäß oder um die Stuhlbeine, liegende Positio- eine Hemmung des STNRs abzielen, auch eine Veränderung nen auf Stuhl und Tisch sowie häufige Haltungsänderungen. des Konzentrationsvermögens bewirken. Kinder mit Rest- Manchmal sind STNR-Kinder unbeholfen in der Koordination reaktionen des TLRs und STNRs müssen bereits für gerades komplexer Bewegungen, insbesondere bei der Koordination Sitzen ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit aufbringen. von Augen und Händen. Ballspiele können schnell zur Kata- Diese Anforderung verringert die Kapazität für intellektuelle strophe werden. Auch Sprach- und Artikulationsprobleme und arbeitsorganisatorische Aufgaben. Die Folgen – man- können eine Beeinflussung über die Gruppe fortbestehender gelnde Leistung und Ordnung – werden nicht selten der Such-, Saug- und Schluckreflexe sowie über die Gruppe der Konzentration zugeschrieben. Klammerreflexe Palmar und Plantar erfahren. Hier sind vor allen Dingen die unwillkürlichen Lippen- und Zungenbewe- Auch die Restreaktionen des Moro-Reflexes können Störun- gungen beim Schreiben oder bei anderen feinmotorischen gen der Konzentration mitverursachen, da die Sinneskanäle Tätigkeiten zu nennen. hypersensitiv reagieren und, unter der Dauereinwirkung der Stresshormone, die Reizschwelle eines Betroffenen ernied- rigt ist. In der Konsequenz haben alle Restreaktionen frühkindlicher Reflexe früher oder später in unterschiedlicher Ausprägung Einfluss auf das Sozialverhalten eines Menschen. Betroffe- nehandeln oft genug nicht bewusst gesteuert, sondern ent- sprechend den Reaktionsmustern, die von den Resten früh- kindlicher Reflexe vorgegeben sind. Da der Moro-Reflex mit allen Sinneskanälen verknüpft ist, prägt und formt er das emotionale Erleben und prägt sowohl introvertiert-ängstli- ches als auch extrovertiert-aggressives Verhalten aus. Be- Typische Arbeitshaltung eines Kindes mit Restreflexen 34 35
Hier finden Sie die richtige Hilfe Das Institut für Neuro-Physiologische INPP in Chester/ Untersuchung sind die Eltern/ein Elternteil anwesend. Es 5. Nach sechs bis acht Wochen täglichen Übens kommen England hat ein Testverfahren erarbeitet, das untersucht, ob werden folgende Bereiche überprüft: die Eltern mit ihrem Kind zur ersten Wiedervorstellung. Da- primitive Reflexe Ursache für Bewegungs-, Wahrnehmungs- bei werden die möglichen Auswirkungen des Übungspro- und Verhaltensauffälligkeiten sowie Lernstörungen sein - grob- und feinmotorische Koordination gramms auf das Verhalten des Kindes im zurückliegenden können. Ziel der Forschungsarbeit war auch, einen Weg zu - Gleichgewicht Zeitraum besprochen, die Qualität der Übungsausführung finden, das Gehirn Entwicklungsschritte, die es im Babyalter - Muster der Bewegungsentwicklung wird überprüft und die Bereiche, auf die die vorgegebene nicht vollzogen hat, nachholen zu lassen. - frühkindliche (primitive) Reflexe Übung abzielte, werden erneut getestet. Unter Berücksichti- - Halte- und Stellreaktionen gung aller Faktoren wird dann entschieden, ob das Übungs- Um dies zu erreichen, hat INPP Bewegungen aus der Em- - Lateralität programm verändert wird. bryonal-, Fötal- und Kleinkindzeit stilisiert, um dem Gehirn - Augenmuskelfunktionen „eine zweite Chance“ zum Nachreifen zu geben. Die Theorie - Visuelle Wahrnehmung der persistierenden frühkindlichen Reflexe mit ihren z.T. tief- - Auge-Hand-Koordination 6. In dieser Form finden alle Wiedervorstellungen (Reviews) greifenden Auswirkungen auf die weitere Entwicklung eines statt. Für die Eltern bedeutet das, dass sie alle acht Wochen Kindes sowie der darauf aufbauende Behandlungsansatz einen Termin zur Wiedervorstellung wahrnehmen und in hat schon im Jahr 2000 einer sorgfältigen Überprüfung nach 3. Nach der Auswertung des Tests erhalten die Eltern in der Zwischenzeit die jeweiligen Übungen mit ihrem Kind zu standardisierten wissenschaftlichen Kriterien standgehalten. einer weiteren Besprechung die detaillierte Darstellung und Hause regelmäßig durchführen. Nach etwa eineinhalb bis In der weltweit angesehenen medizinischen Fachzeitschrift Erklärung der Testergebnisse. Die Testergebnisse erhöhen zwei Jahren sollten die frühkindlichen Reflexe soweit inte- „The Lancet“ [Jahrgang 2/2000 Vol. 355] erschien der Bericht in der Regel das Verständnis der Eltern für die Probleme griert sein, dass das Therapieziel erreicht ist. über eine an der Queens University in Belfast durchgeführte ihres Kindes und modifizieren die Erwartungshaltung an kontrollierte Doppelblindstudie, in der ein Bewegungspro- das Kind in Bezug auf Über-, aber auch Unterforderung. gramm zur Hemmung frühkindlicher Reflexe vorgestellt und Dies senkt im Allgemeinen bereits den familiären Stress- die Therapieerfolge wissenschaftlich nachgewiesen und an- level. Es ist äußerst wünschenswert, dass beide Elternteile erkannt wurden. (so vorhanden) bzw. auch diejenigen, die erzieherisch in- tensiv mit dem Kind zu tun haben, an dieser Besprechung teilnehmen. 1. Zu Beginn wird mit den Eltern ein intensives Anamne- segespräch (in der Regel ohne ihr Kind) geführt, in dem detailliert Informationen über den Schwangerschaftsverlauf, 4. Im darauf folgenden Termin werden das Kind und seine Be- den Geburtsvorgang und die nachgeburtliche Entwicklung zugspersonen mit dem häuslichen Übungsprogramm ver- des Kindes sowie die als problematisch erlebten aktuellen traut gemacht, das gemeinsam täglich durchgeführt werden Entwicklungsauffälligkeiten erfragt werden. Wenn die Aus- soll. Es besteht aus speziellen Bewegungsübungen, deren wertung des Fragebogens nach dem Anamnesegespräch Zusammenstellung von Kind zu Kind variiert. Je nach indivi- nahelegt, dass bei dem Kind fortbestehende primitive dueller Vorgeschichte und gefundenem Reflexprofil wird bei Reflexe als ursächlich für Probleme vermutet werden der Übungsauswahl entschieden, ob die gefundenen Res- können, wird ein weiterer Termin vereinbart, in dem der neu- te frühkindlicher Reflexe durch in stilisierter Form ausge- romotorische Ausreifungszustand des Kindes festgestellt führte Wiederholungen der Reflexbewegung zunächst zur wird. Ausreifung oder zur Hemmung gebracht werden müssen. Dabei handelt es sich um Bewegungen, die natürlicherwei- se von den Kindern zu einem früheren Zeitpunkt gemacht 2. Eine je nach Alter des Kindes drei- bis vierstündige um- werden, die jedoch nicht oder nicht lange und/oder gut ge- fangreiche Überprüfung ermöglicht ein genaues Bild über nug durchgeführt wurden. den Stand seiner neuromotorischen Ausreifung. Bei dieser Typische Haltung eines Kindes mit Restreflexen 36 37
Tom Fallstudie eines Kindes mit Restreflexen Tom kam 1998 als Wunschkaiserschnitt auf die Welt. Von Strecken schnell und sicher, teilweise über zehn Kilometer. Körper mit lebensbedrohlichen Nebenwirkungen. Die des sozialen Verhaltens und der emotionalen Entwicklung zu medizinischer Seite wurde der Wunsch der Mutter nach Tom bewegte sich gerne: Inliner laufen, Klettern, Rennen und Probleme nahmen an Heftigkeit zu, bis Tom mit 14 Jahren erkennen ist. einem Kaiserschnitt unterstützt, da es Hinweise auf eine La- viel Bewegung bestimmten seinen Alltag. Er baute geschickt erstmalig Suizidgedanken äußerte. Er sagte, dass er sein geanomalie gab. Der Entbindungstermin lag zwei Wochen vor mit Lego und malte früh gegenständlich. Tom war ein willens- „Leben nicht mehr aushalten könne“. Er vertraute sich seiner Heute ist Tom ein fröhlicher 17-jähriger, der seine Begabun- dem errechneten Geburtszeitpunkt. Bedingt durch seine über- starkes Kind, das ständig alles diskutieren und seinen Willen Mutter an – gemeinsam gaben Mutter und Tom der Umset- gen gut zu nutzen weiß, Freude am Leben gefunden hat und durchschnittliche Körpergröße erlitt Tom einen Schlüssel- durchsetzen wollte. Dieses Verhalten zog sich durch die ge- zung dieses Gedankens keinen Raum, indem Tom nicht mehr Pläne für die Zukunft schmiedet. beinbruch und eine Atlasblockade (KISS-Syndrom). Das samte Kindheit, die Wutanfälle, die daraus entstanden, waren alleine war. Er begleitet seine Mutter in dieser Zeit zur Arbeit und KISS-Syndrom blieb bis zur INPP-Befundung bei der Geburt heftig und ereigneten sich oft mehrmals täglich. Sein heller, schlief wieder bei ihr im Bett. Eine homöopathische Behandlung unentdeckt und unbehandelt. wacher Verstand analysierte ständig jede Situation. Ein mit erzielte leichte Verbesserungen, jedoch litt er nach wie vor sechs Jahren durchgeführter Intelligenztest ergab einen IQ unter starken Selbstzweifeln und depressionsähnlichen Tom war die ersten Monate ein eher unzufriedenes Baby, das von 138. Zuständen. Als ein Psychologe mit Tom über eine Unter- vor allen Dingen abends schlecht in den Schlaf fand. Auch das bringung in einer Klinik sprach, verzweifelte er, da er sich zu Stillen klappte nicht problemlos, da Tom eine Lieblingsseite In der Grundschule verhielt sich Tom freundlich und wissbe- dem Zeitpunkt kaum noch aus dem Haus wagte. hatte. Das Füttern mit der Flasche dagegen verlief reibungslos. gierig und hatte scheinbar keine Probleme. Seine Zeugnisse Der Kinderarzt verschrieb im Säuglingsalter eine Physiothe- waren sehr gut. Zu Hause zeigte er allerdings gegenteiliges Durch Zufall lernte die Mutter INPP kennen und ließ Tom rapie nach Vojta, welches die Situation deutlich verbesserte. Verhalten. Er motzte herum, hielt sich selten an Regeln und überprüfen. Die behandelnde INPP-Therapeutin stellte große Darüber hinaus hatte Tom im ersten Lebensjahr viele Infekte sagte von sich selbst, dass er zu dumm für die Schule sei, da Gleichgewichtsprobleme und eine starke Moro-Problematik und oft Fieber über 40 °C. er Aufgaben oft nicht verstehe. Dank häuslicher Unterstützung fest. Allein die Erklärungen, was ein noch vorhandener Moro- schaffte er jedoch den Stoff mit Leichtigkeit. Tom hatte große Reflex bewirkt, halfen Tom, seine Schwierigkeiten mit Die Krabbelphase ließ Tom komplett aus und fing, zur Freude Schwierigkeiten, Hilfe anderer anzunehmen, und wollte von anderen Augen zu sehen. Er begann mit der INPP- Behandlung. seiner Eltern, schon mit zehn Monaten an zu laufen. Die früh an selbstbestimmt leben. Das machte die Hausaufga- Bereits nach kurzer Zeit wurde Tom gelassener und reagierte Sprachentwicklung dagegen setze erst mit ca. zwei Jahren ein. bensituation schwierig. Mit dem Wechsel auf ein Gymnasium weniger aggressiv. Auch ließ er Umarmungen zu, was vorher Tom kommunizierte über Mimik und Gestik. Vom Babyalter begannen ernste Probleme für ihn. Er schien mit der Vielzahl nicht möglich gewesen war. Über knapp zwei Jahre machte an fiel sein wacher, fast prüfender Blick auf, mit dem er alles der Fächer, der Menge der Schüler und dem Unterrichtsstoff Tom seine Übungen und stellte fest, dass das Leben auch um sich herum aufzusaugen schien. Im Alter von zwei Jahren total überfordert. schön sein kann. wurde er gegen Tetanus geimpft und reagierte heftig. Über mehrere Monate waren Schlafen, Essen, Wickeln und den All- Täglich eskalierte die Situation zu Hause, in der Schule fiel Seine Umgebung reagierte überrascht auf seine große Ver- tag überstehen nur mit größter Anstrengung für ihn und seine im ersten Halbjahr allerdings noch nichts auf. Dann begann änderung. Das bestärkte Tom auch immer sehr, seine Übungen Familie möglich. Das bisher freundliche Kind schrie plötz- Tom häufig mit Bauchschmerzen und Durchfall zu Hause regelmäßig zu machen. Tom realisierte, dass es ihm zuneh- lich, warf mit allem, was ihm in die Finger kam, und biss wie zu bleiben, tage- und wochenlang. Eine fachärztliche Ab- mend möglich wurde, seine Intelligenz zu nutzen, sodass sich ein tollwütiges Tier um sich. Nach Vorstellung bei mehreren klärung ergab keine Ursachen. Durch die zahlreichen ver- sein Selbstbewusstsein positiv veränderte. Ärzten wurde offiziell ein Impfschaden diagnostiziert. Erst mit säumten Stunden wurde entschieden, dass Tom die fünfte der langen und intensiven Betreuung durch eine Homöopathin Klasse wiederholen solle. Anfangs schien es die richtige Auch heute ist Tom noch sehr sensibel und benötigt längere ging es Tom langsam besser, und er zeigte wieder die Ver- Lösung gewesen zu sein, doch die Probleme stellten sich Regenerationsphasen in anstrengenden Zeiten. Er steht sich haltensmerkmale von vor der Impfung. Sein Immunsystem schnell wieder ein. Zusätzlich zu dem aggressiven Verhalten manchmal selbst im Weg und könnte sicherlich in einigen reagierte weiterhin anfällig. Zudem entwickelten sich diver- zu Hause entwickelte Tom eine weinerliche Art in der Schule. Situationen leichter durchs Leben gehen. Tom sagt heute se Medikamenten-Allergien. Eine Sprachverzögerung wurde Er hatte vor vielen Dingen Angst und verweigerte oft den über die INPP- Behandlung, dass sein Leben anders verlaufen HNO-ärztlich abgeklärt, und er bekam mit zweieinhalb Jahren Schulbesuch. Wenn er die Schule besuchte, musste die Mutter wäre, wenn sein Gehirn nicht eine zweite Chance der Nach- Paukenröhrchen. Der Eingriff erwies sich als hilfreich, von da ihn fast immer vorzeitig abholen, weil er weinte. Tom machte reifung bekommen hätte. Die Familie und Tom sind sich an holte er in der Sprache schnell auf. den Eindruck, als sei er am Ende seiner Kräfte. Eine hinzugezo- einig, dass die INPP-Behandlung für ihn und seine Umwelt Tom lernte mit zweieinhalb Jahren Roller und mit knapp drei gene Psychiaterin konnte keine Besserung bewirken. Auf die großen Nutzen hatte. Toms Mutter beschreibt, dass auch nach Jahren Fahrrad fahren. Er fuhr dann auch schon sehr lange von ihr schließlich verabreichten Medikamente reagierte sein Beendigung der Behandlung eine Nachreifung hinsichtlich Typische Sitzhaltung eines Kindes mit Restreflexen 38 39
Literaturnachweis Ayres, A. Jean: Bausteine der kindlichen Entwicklung, 1 Ayres, 1992, S. 65. (Springer Verlag) Heidelberg 1992 2 Elliot, 2012, S. 216. 3 Blythe, 2005, S. 38 f. Beigel, Dorothea: Flügel und Wurzeln, 4 Beigel, 2011, S. 86, 109 ff.; Blythe, 2011, S. 26 f.; Hölscher, (verlag modernes lernen) Dortmund 2011 2013, S. 38. 5 Beigel, 2011, S. 131 ff.; Blythe, 2011, S. 49; Hölscher, 2013, Eliot, Lise: Was geht da drinnen vor?, (berlin Verlag) S. 25 ff. Berlin 2012 6 Beigel, 2011, S. 92 ff., S. 121 ff.; Blythe, 2011, S. 36; Höl- scher, 2013, S. 30. Goddard Blythe, Sally: Warum ihr Kind Bewegung braucht, 7 Blythe, 2011, S. 53. (VAK Verlags GmbH) Kirchzarten 2005 8 Beigel, 2011, S. 141 ff.; Blythe, 2011, S. 53 ff.; Hölscher, 2013, S. 33 ff. Goddard Blythe, Sally: Greifen und Begreifen, (VAK Verlags 9 O’Dell und Cook, in: Blythe, 2005, S. 71. GmbH) Kirchzarten 2011 10 Blythe, 2011, S. 31 f.; Beigel, 2011, S. 91; Hölscher, 2013, S. 22 u. 24. Hölscher, Bärbel: Kraftvoll! Reflexe prägen das Leben, 11 Blythe, 2011, S. 31 f.; Beigel, 2011, S. 91; Hölscher, 2013, S. Books on Demand 2013 22 u. 24. 12 Beigel, 2011, S. 145 f.; Blythe, 2011, S. 39; Beigel, 2011, S. O’Dell, Nancy, u. Cook, Patricia: Stopping hyperactivity. 94; Hölscher, 2013, S. 40. A new solution, (Avery) New York 1997 40 41
Sie können auch lesen