FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol

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FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol
Poste Italiane SpA – Spedizione in Abbonamento Postale – DL 353/2003
                                       (conv. In L. 27/02/04 n. 46) art. 1 comma 2 NE/BZ | Erscheinung: 3-mal im Jahr;
                                                                     Uscita 3 volte all’anno

Das Wohnzimmer der Gemeinde
Bau und Einrichtung von Bibliotheken
                                                                                            NR. 1 / 2022
                                                                                                              BIBLIOTHEKEN
                                                                                                            FÜR SÜDTIROLER
                                                                                                           FACHZEITSCHRIFT
FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol
Foto: pixabay.com
INHALT
INFOTEIL
Editorial                                         3
Dienstkonferenzen – zum zweiten Mal online        4
Wie sagt man Knödel auf arabisch?                 5
LiL – wer braucht den sowas?                      6
Ungewöhnliche Bibliotheken – Folge 36             8
BVS-Jahreshauptversammlung 2022                   9
Mail aus Sarnthein	                               9
Lucia Piva geht in Pension                       10
Ein ganz besonderer Adventskalender              11
Bestelltermin für Barcodes                       12
Mail aus Lana                                    12
DIGGY – die Anlaufstelle fürs Digitale	          13                  IMPRESSUM
                                                       ZUM LESEN Fachzeitschrift für Südtiroler Bibliotheken
                                                       Ermächtigung Landesgericht Bozen Nr. 24/2001 vom
SCHWERPUNKT:                                           27.11.2001
                                                       Neue Folge – 26. Jahrgang
BAU UND EINRICHTUNG VON BIBLIOTHEKEN                   Nr. 1, April 2022
                                                       VERANTWORTLICHER DIREKTOR: Frank Weyerhäuser
                                                       REDAKTION: Angelika Pedron, Evi Schweigkofler,
Zentraler Baustein einer lebendigen Gemeinde     14   Frank Weyerhäuser, Irene Demetz, Marion Gamper
                                                       LAYOUT: Fotolito Varesco, www.varesco.it
Das Wohnzimmer der Gemeinde                      16   DRUCK: A. Weger, Brixen
                                                       TITELBILD: © Ludwig Thalheimer (Bibliothek St. Martin / Passeier)
Im Herzen der Schule                             18
                                                       Für die Inhalte der namentlich gekennzeichneten Beiträge
Kombinierte Bibliothek optimal umgesetzt         18   sind ausschließlich die Autor*innen verantwortlich.
„Treff mor ins ban Sunnenwirt?“                  19   HERAUSGEBER: Bibliotheksverband Südtirol
                                                       Sebastian-Altmann-Str. 17, 39100 Bozen
Herausforderungen einer Umnutzung                21   neuigkeiten@bvs.bz.it, www.bvs.bz.it
Links und Literatur zum Thema                    21
Moderne Bibliothek in barockem Ambiente          22
„A balance between trust and control“            23
Ausgedehnte Öffnungszeiten dank einer Bäckerei   24   IN ZUSAMMENARBEIT MIT: Amt für Bibliotheken und Lesen
                                                       Andreas-Hofer-Straße 18, 39100 Bozen
kra-wumm, galoppel, wuuusch                      25   bibliotheken@provinz.bz.it
                                                       www.provinz.bz.it/bibliotheken
Ein Leitsystem für die neue Stadtbibliothek      27

REZENSIONEN
Lesen, hören, sehen                              28
FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol
Editorial

    Fachzeitschrift für                                   „Bibliotheken sind Schatzkammern des mensch-
Südtiroler Bibliotheken                                   lichen Geistes.“
                                                                              (Gottfried Wilhelm Leibniz)
              Nr. 1/ 2022

                                                          Liebe Kolleginnen und Kollegen,
                                                          das Entsetzen über den Krieg zwischen Russ­
                                                          land und der Ukraine ist auch in der Südtiro­
                                                          ler Bibliothekswelt groß. Wir können leider
                                                          an dieser schrecklichen Situation nichts än­
                                                          dern, möchten jedoch unsere Solidarität mit
                                                          den vom Krieg betroffenen Menschen zum
                                                          Ausdruck bringen.
                                                          Bibliotheken sind unter anderem auch des­
                                                          halb wichtig für unsere Gesellschaft, weil sie
                                                          Vermittler sind – Vermittler von Wissen, Le­
                                                          sefreude, Sprache und Kultur für alle Be­
                                                          völkerungsschichten. Sie werden auch gern
                                                          als Wohnzimmer bezeichnet – aber diese
                                                          Wohnzimmer haben weit mehr zu bieten als
                                                          nur Schmökern im Ohrensessel. Was dies al­
                                                          les sein kann, ist im Schwerpunkt dieser Aus­
                                                          gabe zu erfahren, der sich dem Thema Bau
                                                          und Einrichtung von Bibliotheken widmet.
                                                          Im Infoteil finden sich unter anderem Rück­
                                                          blicke auf besondere Aktionen in unseren
                                                          Bibliotheken (Sarnthein, Haslach, Schulspren­
                                                          gel Lana) sowie eine Vorausschau auf kom­
                                                          mende Sommerleseaktionen.
                                                          Ebenso darf der Hinweis auf die diesjährige
                                                          Jahreshauptversammlung des Bibliotheks­
                                                          verbands am Samstag, dem 7. Mai nicht feh­
                                                          len. Gerne dürfen wir heute schon dazu
                                                          einladen.

                                                          Viel Spaß beim Blättern und Lesen wünschen
                            Foto: Lynda Hinton/Unsplash

                                                          Irene Demetz                 Marion Gamper
FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol
DIENSTKONFERENZEN

      Zum zweiten Mal online
    Die Scheu vor dem Onlineformat ist überwunden und die Dienstkonferenzen konnten
    auch heuer wieder stattfinden. Wie üblich gab es zu Beginn der Konferenzen Berichte
     aus dem Amt für Bibliotheken und Lesen, dem Bibliotheksverband Südtirol und der
                            Landesbibliothek „Dr. Fr. Teßmann“.

    S  igrid Klotz ist seit September 2021 neue Mitarbeiterin im Amt
       für Bibliotheken und Lesen und gemeinsam mit Daniela
    Huebser für die Leseförderung zuständig. Sie betreut unter an­
    derem die Aktion „Lesen im Liegestuhl“ und hat demzufolge die
    Ergebnisse der letzten Sommerleseaktion kurz vorgestellt. Die
    376 Einsendungen beweisen, dass die Aktion, die auch in diesem
    Jahr wiederholt wird, einen großen Zuspruch bei der jungen
    Leserschaft gefunden hat. Für das Jahr 2023 wird allerdings eine
    neue Aktion geplant. Der Lesewettbewerb 2021 konnte mit
    62 eingereichten Ideen einen großen Erfolg verzeichnen. Die
    Preisträger dieses Wettbewerbs werden während des Biblio­
    theksforums im September 2022 prämiert.

    Blick in die Zukunft
    Die Dienstkonferenzen dienen unter anderem auch dazu, zu­
    künftige Aktionen und Projekte aufzuzeigen. Hervorzuheben ist
    das Projekt „Lebendige Bibliothek“, welches im Rahmen der lan­
    desweiten Aktionen zu „50 Jahre Autonomie“ angeboten wird.
    Marion Gamper hat auf die „Lange Nacht der Bibliotheken“ hin­
    gewiesen. Bereits seit 2005 wird diese Aktion im deutschen
    Sprachraum alle zwei Jahre angeboten und erzielt einen breiten
    Wirkungsgrad. Alle Bibliotheken sind dazu eingeladen, sich          Zeitschriftenbeständen der Universitäts- und Landesbibliothek
    Gedanken für die nächste „Lange Nacht der Bibliotheken“ am          Tirol implementiert wird. „Zeit.shift“ soll das Portal dann heißen,
    17. März 2023 zu machen.                                            so wie das derzeit laufende Interreg-Projekt in Zusammenarbeit
                                                                        mit der Eurac und der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol,
    Neues vom Bibliotheksverband                                        welches sich der Bewahrung, Erschließung und Vermittlung des
    Irene Demetz vom BVS eröffnet ihren Bericht mit den 17 Zielen       kulturellen Texterbes Tirols und Südtirols widmet. In diesem Zu­
    der Nachhaltigkeit. Der BVS hat Medienpakete zu den einzelnen       sammenhang sei erwähnt, dass der EHB-Katalog (Erschließung
    Zielen zusammengestellt, die in zwei Zyklen (März bis Juni und      Historischer Bibliotheken) nun bei der Teßmann angesiedelt ist.
    September bis Dezember) den interessierten Bibliotheken zur
    Verfügung gestellt werden. Wenn Not an der Frau bzw. am             Verschiedenes zum Abschluss
    Mann ist, kann der BVS einspringen: Irene Demetz erinnert dar­      Nach der gemeinsamen Onlinekaffeepause wird der zweite Teil
    an, dass mit der Dienstleistung des Springerdienstes der ordent­    der Dienstkonferenzen mit dem neuen Bingo-Spiel der Koordi­
    liche Ablauf in einer Bibliothek bei Krankheit oder Urlaub der      nierungsstelle für Integration eingeleitet, das anlässlich des Inter­
    Bibliotheksmitarbeiter*innen weiterhin gewährleistet werden         nationalen Tages der Muttersprache am 21. Februar an alle
    kann. Des Weiteren bat Irene Demetz alle, sich den Termin für       Grundschulen und alle Hauptsitze der Bibliotheken verschickt
    die Jahreshauptversammlung am 7. Mai 2022 vorzumerken.              worden ist. Die Gastreferentin Heidrun Hilber vom Amt für Film
                                                                        und Medien stellt das neue Portal LeOn vor. Sie gewährt mit einer
    Projekte der Landesbibliothek                                       kurzen Livepräsentation einen Einblick in das Portal und macht
    Johannes Andresen von der Landesbibliothek „Dr. Fr. Teßmann“        die Teilnehmenden neugierig. Die „Blitzlichter aus den Bibliothe­
    leitet seinen Part mit dem Sinnbild des Mondes und mit der Fra­     ken“ finden auch dieses Jahr großen Zuspruch und wecken viel
    ge „Warum verändert der Mond seine Form?“ ein und stellt kurz       Interesse bei den Kolleg*innen. Zum Abschluss bedankt sich
    und bündig die bevorstehenden Veränderungen in der Teß­             Marion Gamper bei allen Teilnehmenden fürs Dabeisein, wünscht
    mann vor. Eine Neuerung ist das Auslaufen des Onlinekatalogs        allen Gesundheit und Zuversicht und betont hier besonders, dass
    „Primo“: Ab Ende Mai ist der Teßmann-Bestand nur mehr über          wir alle füreinander da sind. Schön wäre es, wenn wir uns beim
    den Südtiroler Gesamtkatalog „myArgo“ abrufbar und vormerk­         nächsten Mal in Präsenz wiedersehen könnten.
    bar. Für Oktober 2022 sind ein Relaunch und eine Namensände­
    rung des Portals „TeßmannDigital“ geplant, welches mit den          Monica Kostner, Amt für Bibliotheken und Lesen
4
                                                           ZUM LESEN • NR. 1 / 2022
FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol
INFOTEIL
                                                                         MEHRSPRACHIGES BINGO-SPIEL

                                  Wie sagt man Knödel
                                     auf Arabisch?
                             Mit dem Internationalen Tag der Muttersprache erinnert die UNESCO an die
                          Bedeutung der Muttersprache als Ausdruck der kulturellen Identität und daran, dass
                            Mehrsprachigkeit ein Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis und Respekt ist.
                              Am 21. Februar weist auch jährlich die Koordinierungsstelle für Integration
                                                mit einer speziellen Aktion darauf hin.

                    D          ieses Jahr hat die Koordinierungsstel­    See, den Wald und den Berg, mit den ty­

                                                                                                                                                                       Foto: Evi Gasser
                               le, in Zusammenarbeit mit den Äm­         pischen Tieren, Pflanzen, Speisen und
                          tern für Bibliotheken und Lesen der zwei       Feiertagen. Auf den insgesamt 102 Karten
                          Kulturabteilungen und dem Referat Mig­         werden unsere Südtiroler Besonderheiten
                          ration der Pädagogischen Abteilung, ein        nicht nur abgebildet, sondern auch in
                          Bingo-Spiel für Kinder und Familien in sie­    den sieben Sprachen, die in unserem
                          ben Sprachen realisiert, welches landes­       Land am häufigsten gesprochen werden,
                          weit an alle öffentlichen Bibliotheken und     benannt.
                          Schulbibliotheken in den Grundschulen
                          verteilt wurde. Als Inspiration für die Ge­    Spaß und Spannung in unbekannten
                          staltung des Spiels dienten die lustigen Il­   Sprachen und Schriften
                          lustrationen des Bilderbuches „Mein            Auf Deutsch, Italienisch, Ladinisch, Ara­
                          kleines Südtirol“, welches im Jahr 2016 für    bisch, Albanisch, Urdu und Englisch kön­
                          „Bookstart – Babys lieben Bücher“ zum          nen Kinder und Erwachsene Wörter
                          zehnjährigen Jubiläum der Initiative ent­      suchen und finden, neue Buchstaben und
                          wickelt wurde.                                 Schriftzeichen entdecken und eine kleine       mehrsprachige Bingo-Spiel ist bei den Bi­
                                                                         Sprachenreise um die Welt machen, bei          bliothekarinnen und Bibliothekaren auf
                          Annäherung an lokale Natur und                 der Vertrautes auf Fremdes treffen kann.       großes Interesse gestoßen. Das Projekt­
                          Kultur                                         Das Spiel eignet sich nicht nur für die        team ist über ihre zahlreichen positiven
                          Die Illustratorin Evi Gasser hat es verstan­   Sprach- und Leseförderung – es kann            Rückmeldungen begeistert. In einer Mail
                          den, mit einfachen Linien und farbenfro­       auch zum Anlass genommen werden, um            an die Koordinierungsstelle für Integration
                          hen Bildern Situationen und Motive des         den interkulturellen Dialog zu unterstüt­      erklärt Ildiko Maier, Leiterin der Öffentli­
                          Alltags in Südtirol kindergerecht einzufan­    zen, um sich kennenzulernen und in den         chen Bibliothek Ritten, kurz und treffend,
                          gen und Lust auf „mehr“ zu wecken. So          Austausch zu kommen. Verschiedene              warum das Bingo-Spiel so gut ankommt:
                          zeigt das mehrsprachige Bingo-Spiel die        Tipps zur Verwendung des Bingo-Spiels          „Es ist für alle verständlich, niederschwel­
                          bekanntesten Lebensräume in Südtirol:          sind in der Handreichung enthalten, die        lig, inklusiv, es bringt den Menschen die
                          die Stadt, das Dorf, den Bauernhof, den        in den sieben Sprachen auf der Webseite        Südtiroler Wirklichkeit und Kultur in einfa­
                                                                         der Aktion zum Download verfügbar              cher Weise nahe und es macht Spaß!“.
                                                                         ist (www.provinz.bz.it/integration/unser-
Foto: Martin Silbernagl

                                                                         bingo-spiel). Dem Spiel beigelegt und als      Dagmar Emeri, Koordinierungsstelle für
                                                                         Download ebenso verfügbar ist eine sie­        Integration

                                                                         bensprachige Spielanleitung, die dazu
                                                                         motivieren soll, das Bingo-Spiel auch zu­
                                                                         hause im Familienkreis zu spielen.

                                                                         Viele positive Rückmeldungen
                                                                         Das Projekt ist Teil der „Sensibilisierungs­
                                                                         kampagne #multilingual“, die von den
                                                                         drei Kulturabteilungen und Bildungsdirek­
                                                                         tionen des Landes getragen wird, um das
                                                                         Bewusstsein für eine mehrsprachige
                                                                         Gesellschaft in Südtirol zu stärken. Das
                                                                                                                                                                                              5
                                                                                    ZUM LESEN • NR. 1 / 2022
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LESEN IM LIEGESTUHL

                       LiL – wer braucht
                         denn sowas?
     Dass sich mit Lesen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschließt und Tore zu
      unbekannten Welten öffnen, ist für uns, die im täglichen Alltag mit Büchern und
                          Medien arbeiten, keine neue Information.

                                                                                                                                             Foto: Amt für Bibliotheken und Lesen
       Æ Die Preisträger*innen der Aktion 2021, eingerahmt von den beiden
          Landesräten für Kultur Philipp Achammer (l.) und Giuliano Vettorato (r.)

    U   nd dennoch gibt es in Deutschland 7,5 Millionen Erwachsene
        im erwerbsfähigen Alter, die nicht ausreichend lesen können.
    Sie gelten als funktionale Analphabeten. Diese Menschen haben
                                                                         ben in einer modernen Gesellschaft zurechtzukommen. In
                                                                         Südtirol bleiben gemäß dieser Einstufung bei den Fünfzehnjäh­
                                                                         rigen 14,4 % der Schüler und Schülerinnen der deutschen Schu­
    zwar Schreib- und Lesekompetenzen, können diese aber nicht in        len unter diesem Kompetenzniveau (Quelle: OECD, Datenbank
    dem Maße nutzen, wie sie von der Gesellschaft erwartet werden.       Pisa 2018, Bearbeitung Evaluationsstelle). Diese Jugendlichen mit
                                                                         geringer Lesekompetenz werden die Analphabeten der nächs­
    Und wie ist es in Südtirol?                                          ten Generation sein. Dieser Umstand wird ihr zukünftiges Leben
    0,3 % der erwachsenen Südtiroler*innen sind laut ASTAT-Bericht       merklich einschränken und enorme Auswirkungen auf die Ent­
    (2019) Analphabet*innen. Die Dunkelziffer bei den funktionalen       wicklung unserer Gesellschaft haben, denn ihnen fehlt die Basis
    Analphabet*innen dürfte um einiges höher sein. Aufgrund der          für ihren Schul- und Bildungserfolg und die gesellschaftliche In­
    Tabuisierung in der Gesellschaft und der Scham der Betroffenen       tegration.
    ist es schwierig, in diesem Bereich verwertbare Zahlen zu erfas­
    sen. In Südtirol erreichen am Ende der Mittelschule 29 % der         Wie wirken Bibliotheken diesem Umstand entgegen?
    Buben und knapp 20 % der Mädchen die grundlegenden Lese­             Bibliotheken übernehmen im Zusammenspiel von Eltern, Kitas,
    kompetenzen nicht (Quelle: INVALSI 2021). Bei der PISA-Studie ist    Kindergarten und Schule eine zentrale Rolle. Sie sind die einzi­
    Kompetenzstufe 2 als Mindestanforderung in der Lesekompe­            gen Einrichtungen, die bei der Leseförderung Kinder und Ju­
    tenz definiert, die es Menschen ermöglicht, im alltäglichen Le­      gendliche vom Babyalter bis zum Ende der Schulzeit erreichen
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FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol
INFOTEIL
können. Ein Großteil der Südtiroler Bibliotheken bietet regelmä­
ßig Book-Start-Aktionen für Kinder im Kleinkindalter und deren
Eltern an. Die Zusammenarbeit mit den Kindergärten und Schu­
len wird großgeschrieben, nicht zuletzt bildet sie unter anderem
auch einen Qualitätsstandard für die Südtiroler Bibliotheken.
Sommerleseaktionen für die Grundschulen haben in den Bezir­
ken bereits eine lange Tradition und werden jährlich mit viel En­
gagement und Kreativität durchgeführt. Aber nicht nur durch
lesefördernde Aktionen tragen die Bibliotheken zur Leseförde­
rung bei, sie stellen schlussendlich der gesamten Südtiroler
Bevölkerung die Grundlage des Lesens zur Verfügung: Zwei Mil­
lionen Bücher können in 246 Bibliotheken im ganzen Land un­
entgeltlich entliehen werden.

Was macht das Amt für Bibliotheken und Lesen?
Das Amt für Bibliotheken und Lesen befähigt die Bibliothekarin­
nen und Bibliothekare durch gezielte Fortbildungsangebote, ei­
genständig Aktionen und Projekte durchzuführen. Regelmäßige
Kursfolgen für das Lehrpersonal schulen die Lehrerinnen und
Lehrer auf dem Gebiet der Bibliotheksdidaktik. Mit der Book-
Start-Aktion in Zusammenarbeit mit der Familienagentur wer­
den Familien direkt mit Büchern und Informationen versorgt. Mit
den regelmäßigen Autorenlesungen (72 im Frühjahr 2022!) wird
bis in die Peripherie der Kontakt von Kindern beziehungsweise
Jugendlichen mit Autor*innen ermöglicht.

Und jetzt kommt LiL 2022
„Lesen im Liegestuhl, +estate, se leggi“ ist die landesweite Som­
merleseaktion für Jugendliche, die nun zum dritten Mal in dieser
Form stattfindet. Jugendliche ab elf Jahren können aus einer          Neue Leseaktion geplant
Liste mit 40 deutsch- und italienischsprachigen Büchern aus­          „Lesen im Liegestuhl, + estate se leggi“ wird 2022 zum letzten
wählen, die Bücher online bewerten und ein Statement zum              Mal durchgeführt. Das Ufficio educazione permanente, bibliote­
Gelesenen abgeben. Im Jahr 2021 haben sich knapp 900 Ju­              che ed audiovisivi und das Amt für Bibliotheken und Lesen be­
gendliche auf der Website registriert. Rückmeldungen von Bib­         finden sich bereits in der Planungsphase für eine neue
liothekar*innen und Lehrpersonen lassen aber darauf schließen,        gemeinsame Leseaktion. Man darf gespannt sein!
dass weit mehr Jugendliche die Bücher zwar gelesen, sich aber
nicht auf der Website registriert haben. Um den jungen Leserin­       Sigrid Klotz, Amt für Bibliotheken und Lesen
nen und Lesern die Bücher gut vermitteln zu können, wurden
von Ingrid Hohenegger, Schulbibliothekarin am Schulsprengel
Naturns, digitale Rätselspiele für jedes Buch erstellt. Diese sind
auch für die heurige Ausgabe von LiLestate in Ausarbeitung.
Außerdem werden derzeit von einigen Schulen Videos erstellt, in
denen Schüler*innen die Bücher vorstellen. Diese Videos sowie
die didaktischen Materialien werden für die Aktion 2022 direkt
auf der Website von LiLestate verlinkt. Außerdem besteht auch
heuer wieder für die Jugendlichen die Möglichkeit, Fotos oder
Videos zu den Büchern auf die Seite zu laden. Mit der Teilnahme
am Kreativpreiswettbewerb kann ein iPad Mini gewonnen wer­
den, unter allen anderen Teilnehmer*innen werden 100 Sach­
preise verlost. Durch die flächendeckende Vermittlung der
Bücher mit den unterhaltsamen didaktischen Materialien durch
viele engagierte (Schul-)Bibliothekar*innen und Lehrpersonen
können sehr viele Jugendliche angesprochen werden.

   „Öffentlichen Bibliotheken obliegt die besondere Verantwortung, den Prozess des Lesenlernens zu unterstützen und Kinder­
   bücher und andere für Kinder geeignete Medien bekannt zu machen. Die Bibliothek muss spezielle Veranstaltungen für Kinder
   anbieten, wie z.B. Erzählstunden und Aktivitäten, die mit den Dienstleistungen und Materialien der Bibliothek zusammenhän­
   gen.“ (IFLA (Hrsg.): Die Dienstleistungen der Öffentlichen Bibliothek: IFLA/UNESCO Richtlinien für die Weiterentwicklung, 2001,
   S. 24.)

                                                                                                                                            7
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FOLGE 36

                                                                             Ungewöhnliche Bibliotheken
    Foto: Wikimedia Commons / Lijun (CC BY-SA 3.0)

                                                                                                                                                                                Foto: Wikimedia Commons / Wpcpey (CC BY 4.0)
                                                                                 Taiwans grüne Bibliothek
                                                     Der Inselstaat Taiwan (auch bekannt als Formosa) liegt        Wärmeisolation, zum Teil mit Photovoltaik-Paneelen zur
                                                     östlich des chinesischen Festlands am Übergang zwi­           Gewinnung von Elektrizität aus Sonnenlicht bedeckt und
                                                     schen Südchinesischem und Ostchinesischem Meer. Sei­          außerdem so konstruiert, dass ablaufendes Regenwasser
                                                     ne 23 Millionen Einwohner leben in einem technologisch        gesammelt und für die Toilettenspülung und zum Wäs­
                                                     hochentwickelten Land, das zudem zu einem der demo­           sern der Pflanzen im Innern des Gebäudes verwendet
                                                     kratischsten Staaten Asiens gehört, auch wenn dessen          werden kann. Die zahlreichen großen Fenster lassen viel
                                                     offizieller Status politisch umstritten ist.                  Tageslicht ins Innere dringen, und gleichzeitig verringern
                                                                                                                   tiefe Balkonverkleidungen und senkrechte Holzfenster­
                                                     Die Hauptstadt Taipeh liegt im Norden der Insel, bei ei­      gitter das Eintreten von zu viel Wärmestrahlung, wo­
                                                     ner Bevölkerung von etwa 2,7 Millionen Menschen ist sie       durch auf energiefressende Kühlsysteme wie Ventilatoren
                                                     „nur“ die viertgrößte Stadt des Landes. Der nördlichste       und Klimaanlagen weitgehend verzichtet werden konn­
                                                     Stadtbezirk Beitou ist sehr gebirgig und berühmt für sei­     te. Die etwa 20.000 Medien werden im maximal 110 Zen­
                                                     ne heißen Quellen; die Konzentration solcher Quellen          timeter hohen Regalen präsentiert, die zusammen mit
                                                     und Spas ist eine der höchsten der Welt und zieht Touris­     den großzügig verwendeten Glaswänden zu einem
                                                     ten aus dem In- und Ausland an. Zu den Sehenswürdig­          Gefühl der Offenheit und Höhe beitragen, den Blick
                                                     keiten zählt neben den vielen Badehäusern, mehreren           in die umgebende Parklandschaft erlauben und damit
                                                     Parks, Gärten, Museen und Tempeln seit 2006 auch eine         den Aufenthalt im Innern der Bibliothek über die Um­
                                                     Bibliothek, die in besonderer Bauweise errichtet wurde.       weltfreundlichkeit hinaus sehr angenehm machen. Alle
                                                     Die Beitou Public Library gehört als Zweigstelle zum Bib­     diesen „grünen Features“ zusammen haben bewirkt,
                                                     liothekssystem der Hauptstadt und wird als erste „grüne       dass die Bibliothek, die an jedem Tag der Woche und an
                                                     Bibliothek“ Taiwans bezeichnet. Das zweistöckige Ge­          insgesamt fast 80 Wochenstunden geöffnet ist, sich als
                                                     bäude, gelegen in einem der Parks, ist ganz aus Holz ge­      erstes Gebäude in Taiwan für die höchste Energieeffizi­
                                                     baut, das nicht aus natürlichem Primär- oder Regenwald        enzklasse qualifizierte und als herausragendes Beispiel
                                                     stammt, sondern speziell angelegten und bewirtschafte­        für energiesparende und umweltfreundliche Architektur
                                                     ten Holzkulturen entnommen wurde und damit natürli­           in ganz Ostasien gilt.
                                                     che Ressourcen nutzt und gleichzeitig schont. Das Dach
                                                     ist zum Teil mit einer Schicht aus 20 Zentimetern Erde zur    Frank Weyerhäuser

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FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol
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                                                       SAVE THE DATE

                 BVS-Jahreshauptversammlung 2022
                                                                    Am Samstag, dem 7. Mai 2022 um 14.30 Uhr findet die diesjähri­
                                                                    ge Jahreshauptversammlung des Bibliotheksverbands Südtirol
                                                                    statt. Alle BVS-Mitglieder und Interessierte sind eingeladen, auf
                                                                    das vergangene Jahr zurückzublicken und sich über Tätigkeiten
                                                                    und Projekte des Verbands im laufenden Jahr zu informieren. Die
                                                                    Versammlung wird in Präsenz in der Europäischen Akademie
                                                                    (Eurac) in Bozen abgehalten; wer nicht vor Ort dabei sein kann,
                                                                    hat die Möglichkeit, online via Zoom teilzunehmen. Einladung
                                                                    und Programm werden im Frühjahr an alle Mitglieder verschickt.

                                                                    Irene Demetz

                                                  MAIL AUS SARNTHEIN                                                              @
             Auf den Spuren der Pachler Zottel –
           Sagenwanderung zu den Stoner Mandlan

                                                                                                                                          Fotos: ÖB Sarnthein

Im August 2021, als Veranstaltungen in       Hexenbödele auf dem Ritten erinnern heu-     als Kläger und Margaretha als Barbara
Präsenz wieder möglich waren, haben wir      te noch an die Zeit der Hexenverfolgung      Pachler verkleideten und die Geschichte
eine Abendwanderung organisiert: „Auf        und -verbrennung. „Krumme Nase, spitzes      der „Pachler Zottel“ als theatralische Insze-
den Spuren der Pachler Zottel“ mit den       Kinn, sitzt der Teufel ganz darin“: Solche   nierung darboten. Die Abendstimmung
Märchenerzählerinnen Margaretha Fuchs        und weitere Merkmale beschrieben früher      und diese besondere Szenerie trugen dazu
und Veronika Krapf. Circa 20 Personen        das Aussehen einer Hexe, nach unserem        bei, die mystische Stimmung auf das Pub-
folgten unserer Einladung und trafen sich    heutigen Vorstellungsbild zumeist ein        likum zu übertragen. Nach Abschluss des
abends um 18 Uhr bei der Sarner Skihütte.    hässliches, altes, boshaftes Weib. Viele     Stückes wurde ein Lagerfeuer entzündet,
In der Abenddämmerung ging es hinauf         schändliche Taten wurden den vermeint-       wo verschiedene Kräutlein verbrannt wur-
Richtung Auener Alm. Immer wieder            lichen Hexen über mehrere Jahrhunderte       den. Gemeinsam wurde durch eine kurze
machten die Erzählerinnen eine Pause, um     zugeschriebenen, wie Mäuse machen,           Schweigeminute all jener gedacht, die un-
uns von Sagen und Bräuchen in Südtirol zu    Milch verzaubern, Kinder verspeisen. Auch    schuldig und sinnlos als Opfer von falscher
erzählen. Wir haben viel über Aberglau-      der Sarner Bäuerin Barbara Pachler wur-      Anschuldigung sowie Rache und Hetzerei
ben, kuriose Gepflogenheiten im Altertum     den derlei Vergehen vorgeworfen, und sie     ihr Leben lassen mussten und immer noch
und im Mittelalter erfahren. Viele Flurna-   musste, wie viele andere Frauen, deshalb     lassen müssen.
men wie das Galgenbödele in Sarnthein,       ihr Leben lassen. Der Höhepunkt aber war
der Hexenberg auf dem Schlern oder das       bei den Stoner Mandlan, wo sich Veronika     Rosa Burger, ÖB Sarnthein

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                                                       ZUM LESEN • NR. 1 / 2022
FACHZEITSCHRIFT FÜR SÜDTIROLER BIBLIOTHEKEN - NR. 1 / 2022 Das Wohnzimmer der Gemeinde - Bibliotheksverband Südtirol
ITALIENISCHES BIBLIOTHEKSAMT

                                 Lucia Piva
                               geht in Pension
     L                                          Es gab auch Situationen, in denen zwi­
        iebe Lucia, als ich dich im Jahr 1997 als

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        geschäftsführende Amtsdirektorin im     schen „euch“ und „uns“ ein anderer Weg
     „Ufficio educazione permamente, biblio­    ein­geschlagen wurde, so z.B. bei der Ein­
     teche e audiovisivi“ kennenlernen durfte,  führung der Bibliothekssoftware. Wir
     hätte ich nie gedacht, dass ich irgend­    wussten, dass dies nicht ideal war, muss­
     wann Abschiedsworte zu deinem Ruhe­        ten jedoch unseren Realitäten Rechnung
     stand verfassen würde. Du hattest im       tragen. Trotzdem sind wir im Gespräch
     Laufe deines Berufslebens mit drei Füh­    geblieben und konnten mit weiteren
     rungskräften im Amt für Bibliotheken       Partnern wie der Landesbibliothek Teß­
     und Lesen zu tun, mit Franz Berger bis     mann sukzessive einen gemeinsamen Le­
     1998, mit mir bis 2016 und seitdem mit     seausweis schaffen, unter Einbeziehung
     Marion Gamper. Mit allen dreien verband    der Landesbibliotheken, der Stadtbiblio­
     und verbindet dich das Engagement für      thek Bozen und dem Amt für Film und
     das Bibliothekswesen im Land und im­       Medien einen funktionierenden Südtiroler
     mer war es das gemeinsame Bestreben,       Leihverkehr aufbauen und im Rahmen ei­
     deutsche, ladinische und italienische      nes EFRE-Projektes den Katalog „myArgo“
     Bib­liotheken in die gleiche Richtung zu   realisieren, der unter einer einheitlichen
     entwickeln.                                Suchoberfläche alle Datenbanken unserer
                                                Bibliotheken, Museen u.a.m. zusammen­
     Ich erinnere mich an unsere Teilnahme führt. Möglich war dies, da es zum einen          Partner entwickelt wird. Die „vierte Di­
     an dem Wettbewerb für die Führung des mit der Landesbibliothek Teßmann einen            mension“, der Mehrwert, den dieses Bib­
     italienischen Bibliotheksamtes im Jahre Partner gab, der das Projekt federführend       liothekenzentrum umsetzen sollte, haben
     1998, der zum ersten Mal in Form eines operativ umsetzte, zum anderen, da wir           wir beide dabei nie aus den Augen verlo­
     Assessments durchgeführt wurde, was uns in unseren Überlegungen in den Jah­             ren. Liebe Lucia, du wirst die Realisierung
     uns alle überrascht hatte. Wir hatten uns ren zuvor immer wieder damit beschäf­         dieses Bibliothekenzentrums in deinem
     Anfang 2000 gemeinsam mit dem Biblio­ tigt hatten, wie wir einen gemeinsamen            Berufsleben nicht mehr erleben. Das tut
     theksverband Südtirol dafür eingesetzt, Gesamtkatalog realisieren könnten. Als ich      mir leid und ich hätte es dir gewünscht.
     ein Berufsbild für Diplom-Bibliothekar/­ im Jahre 2016 in die Abteilungsdirektion       Aber dieses Kulturzentrum wird auch dei­
     innen zu schaffen. Wir hatten gemeinsam gewechselt bin, habe ich mich gefreut,          nen Geist atmen.
     zwei ARGE-ALP-Leserpreise durchgeführt, dass die kollegiale Beziehung auch mit
     bei denen die Federführung in Südtirol meiner Nachfolgerin Marion Gamper Be­            Wir führten viele konstruktive Gespräche,
     lag. Mitte der 2000er-Jahre konnten wir an stand hatte und gemeinsame Projekte          wie man Ziele im Bibliothekswesen errei­
     der Uni Bozen/Brixen einen Lehrgang für wie „LiL – Lesen im Liegestuhl / + estate,      chen konnte, sie waren immer von einem
     Diplom-Bibliothekare anregen, der dann se leggi“ realisiert wurden.                     fairen Miteinander gekennzeichnet. Ich
     jedoch leider nicht den Erfolg hatte, den                                               habe deine Kreativität sehr geschätzt, dei­
     wir uns versprochen hatten. Den Südtiro­ Ein Projekt, das uns seit unseren gemein­      ne Offenheit in alle Richtungen, die im­
     ler Lesefrühling / Primavera della lettura samen Anfängen begleitet hat, war die        mer wieder Lösungen in den Mittelpunkt
     haben wir mit weiteren Partnern im Jahre Realisierung des Bibliothekenzentrums.         gestellt hat. Wir ließen uns auch durch
     2007 durchgeführt, und ich erinnere mich Wie viele Besprechungen, Diskussionen,         Rückschläge nicht entmutigen, sondern
     noch, wie anlässlich der Eröffnungsfeier auch heftige Auseinandersetzungen              haben uns gegenseitig gestützt und ge­
     die Politiker anmerkten, „endlich“ würde haben wir geführt, um aus einem Neben­         stärkt. Und wie oft hast du zu mir gesagt:
     zwischen deutschem und italienischem einander von drei Bibliotheken zu einem            Volker, wir schaffen das, wenn es wieder
     Bibliothekswesen zusammengearbeitet, Miteinander von Bibliotheken und Me­               einmal klemmte. Liebe Lucia, ich wünsche
     und wir hatten uns angeschaut und konn­ dienämtern zu kommen, um aus dem                dir, dass du deinen „Ruhestand“ genießen
     ten ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Bibliothekenzentrum ein „Leuchtturm­             kannst und bedanke mich ganz herzlich
     Auch beim Aufbau der Schulbibliotheken projekt“ nicht nur für das Südtiroler Bib­       für die Wegstrecke, die ich gemeinsam
     konnten wir mit Markus Fritz Strategien liothekswesen zu machen, sondern ein            mit dir zurücklegen durfte. Alles Gute!
     entwickeln, das Schulbibliothekswesen wichtiges gesellschaftspolitisches Signal
     innerhalb des Bibliothekswesens sichtbar zu setzen für ein kulturelles Miteinander,     Volker Klotz, Abteilungsdirektor für Deutsche
     zu machen.                                 das gemeinsam auf Augenhöhe aller            Kultur

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                                                BIBLIOTHEKSDIENST BOZEN

           Ein ganz besonderer
             Adventkalender
    Der Dienst an der Ausleihtheke in der Bibliothek ist nicht immer sehr aufregend.
           Eines Tages aber kommt eine junge Leserin zur Bücherrückgabe,
           mit der sich immer wieder recht interessante Gespräche über die
                      gelesenen Bücher und vieles mehr ergeben.

D   iesmal aber ist es ein besonderes Er­

                                                                                                                                        © Bibliotheksdienst Bozen
    lebnis: Bevor sie das ausgeliehene
Buch über die Theke reicht, öffnet sie es
mit beiden Händen und vertieft ihre Nase
zwischen die Seiten. „Ach, wie ich diesen
Duft von Farbe und Papier bei diesem
Buch liebe“, ist mit einem Lächeln ihr
Kommentar. Thomas schaut sie erfreut an,
denn er erinnert sich daran, dass es ihm
bei der Arbeit im Druckgewerbe auch oft
so ergangen ist. Solch ein Empfinden
konnte er gut verstehen! Meistens gilt
beim Buch der erste Blick dem mehr oder
weniger gut gestalteten Umschlag. Beim
Studieren der kurzen Inhaltsangabe ent­
scheidet sich dann, ob man an dem Buch
Gefallen findet und es liest. Dem alleini­
gen Zweck des Buches, als Hülle von Ge­
danken und Erzählungen zu dienen, wäre
damit Genüge getan. Aber ist ein Buch
nicht mehr? Für viele von uns sind Bücher
ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens,      mehrere Überlegungen: 24 Abschnitte            die Lösung des Rätsels einzureichen. Eine
aber nur die wenigsten denken beim Le­       sollen es sein; informativ sind sie sowieso,   kleine Belohnung erwartete die „glückli­
sen an den langen geschichtlichen Weg,       aber sie sollen möglichst für alle Alters­     chen Gewinner“. Unser Fazit:
der dem heutigen Produkt Buch voraus­        gruppen interessant sein; die Texte sollen     » eine spannende Erfahrung für alle Bib­
gegangen ist.                                nicht zu lang sein, aber auch nicht zu ein­       liotheken;
                                             fach; am besten verbindet man einen            » unterschiedliche Beteiligung der Leser;
Ein Rätsel in 24 Schritten                   Text mit erklärenden Bildern; für Internet­    » Erwachsene und Kinder haben reinge­
So hat sich Thomas Gedanken gemacht,         freunde kann man auch noch kurze Vi­              schaut;
wie man das unseren Lesern bewusst           deos verlinken; jeden Tag kann man sich        » interessantes Feedback von Lesern;
machen könnte, und hat beschlossen,          mit einem neuen Abschnitt in der Ge­           » die Arbeit hat sich gelohnt!
dass die Bibliothek in der Weihnachtszeit    schichte des Buches voranarbeiten; als         Der Kalender ist anzusehen unter biblio.
den Kunden auch mal einen anderen Ad­        Anreiz zum Weiterschauen können wir            bz.it/bibliotheksdienst/Willkommen/
ventskalender anbieten kann. In diesem       ein Rätsel damit verbinden; die Lösung         Zeitreise-auf-dem-Weg-von-der-Schrift-
Kalender sollte man die Entstehung des       ergibt sich am Ende der 24 Tage. Wird das      zum-Buch. Die Bibliotheken bedanken
Buches erleben, und zwar von der Erfin­      funktionieren?                                 sich bei Thomas Mair Spiess für die Idee,
dung der Schrift bis zur Herstellung des                                                    die Ausführung und Bereitstellung des
fertigen Buches. Nach einiger Zeit gab       Informativ und interessant                     Kalenders!
es eine Besprechung, bei der Thomas mir      Thomas hat den Adventkalender auf der
einen Entwurf zeigte. Da wurde mir be­       Homepage des Bibliotheksdiensts Bozen          Nelly Gamper, Bibliothek Haslach
wusst, dass es viel Arbeit braucht, nicht    eingerichtet, sodass alle Leser der fünf da­
nur bei der Herstellung des Buches,          zugehörenden Bozner Bibliotheken die
sondern auch bei der Entwicklung des         Möglichkeit hatten, sich den Zeitreise-­
Kalenders. Vorausgegangen waren ihm          Adventkalender anzuschauen und dann
                                                                                                                                                                        11
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BARCODES

                               30. Juni 2022: letzter Bestelltermin!
     Auch heuer können öffentliche Bibliotheken die Barcodes im

                                                                                                                                                                        Foto: BVS
     Amt für Bibliotheken und Lesen innerhalb 30. Juni 2022 bestel­
     len. Die nächste Bestellung wird im Jahr 2023 durchgeführt. Das
     Bestellformular steht auf der Homepage des Amtes (www.
     provinz.bz.it/kunst-kultur/bibliotheken-lesen) unter Fachinfor­
     mation > Richtlinien/Dokumente zur Verfügung. Auch Schulbib­
     liotheken haben die Möglichkeit, Barcodes über das Amt für
     Bibliotheken und Lesen zu bestellen. Allerdings müssen Schul­
     bibliotheken selbst für die Kosten aufkommen, profitieren durch
     die Bestellung über das Amt aber vom Mengenrabatt. Ein eige­
     nes Bestellformular steht ebenfalls auf der obengenannten
     Homepage zur Verfügung.

     Karin Volgger, Amt für Bibliotheken und Lesen

                                                                     MAIL AUS LANA                                                             @
                Pflück dir ein Buch! Eine herbstliche Dekoidee

                                                                                                                                                       Foto: SSP Lana

          Auf der Webseite des Schulsprengels Lana         des Bild. Wir haben in der Mittelschule ei-   den Baum stellten wir eine kleine Holzkis-
          wurde zu Schulbeginn eine Mitteilung             nen Baum aus Pappmaché, der für ver-          te, die mit roten Büchern gefüllt wurde.
          veröffentlicht, die wie folgt lautete: „Es ist   schiedenste Zwecke benutzt wird: Kulisse      Dann noch ein Schild mit der Aufschrift
          Herbst und die Äpfel sind reif. Auf der grü-     beim Schultheater, Weihnachtsbaum, …          „Pflück dir ein Buch!“. Der rote Stuhl und
          nen Wiese vor unserer Schulbibliothek            Zu Beginn des Schuljahres ist er zu einem     der grüne Bodenbelag passten super
          wächst jetzt auch ein Apfel-, ähm … Bü-          Apfel-/Bücherbaum geworden! Das Bib-          dazu! Das Ganze stand so lange vor der
          cherbaum. Die ‚Äpfel‘ darauf sind alle           liotheksteam hat Bücher mit rotem Cover       Bibliothek, bis alle Bücher geerntet waren.
          schon rot und warten darauf, geerntet zu         ausgesucht und sie mit Spagat an den
          werden. Also komm vorbei und pflück dir          Baum gehängt. Auch ein paar kleine rote       Barbara Linter und Marlene Pircher,
          ein Buch!“. Dazu gab es auch ein passen-         Äpfelchen haben wir aufgehängt. Unter         Schulsprengel Lana

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INFOTEIL
                                               HIER WIRD IHNEN GEHOLFEN!

     DIGGY – Die
Anlaufstelle fürs Digitale
         Seit einigen Jahren gibt es in Südtirol eine neue Anlaufstelle fürs Digitale.
           DIGGY unterstützt Menschen dabei, digitale Herausforderungen mit
                               Unterstützung selbst zu lösen.

W    er kennt das nicht: Ein Programm

                                                                                                                                          Foto: KVW Bozen
     lässt sich nicht auf dem Laptop öff­
nen, eine App kann nicht heruntergela­
den werden oder das Antivirus-Programm
müsste dringend aktualisiert werden.

Ein EDV-Coach hilft
Dafür gibt es nun „DIGGY – Die Anlaufstel­
le fürs Digitale“. In Bozen, Meran, Brixen,
Bruneck, Schlanders, Neumarkt und Ster­
zing steht Interessierten einmal oder
mehrmals wöchentlich ein EDV-Coach zur
Verfügung. Zusätzlich zu den sieben re­
gelmäßigen DIGGY-Treffs ist das Angebot
in neun jährlich wechselnden kleineren
Gemeinden Südtirols verfügbar, für je­
weils zwei bis drei Wochen.                      Æ DIGGY-Coach Werner Messner
                                                    mit einer Besucherin
Dezentral und flexibel
Ohne Anmeldung können Interessierte
einen DIGGY-Treff während der Öffnungs­       die Flexibilität. Die Besucher und Besu­       le Grundkenntnisse für alle Bürgerinnen
zeiten aufsuchen. Sie können eigene           cherinnen entscheiden selbst, wie oft, wie     und Bürger unverzichtbar.
Smartphones, Tablets oder Laptops mit­        lange und wofür sie den DIGGY-Treff nut­
bringen oder vorhandene Rechner nut­          zen möchten: Sie können einfach nur im         Zusammenarbeit mehrerer Partner
zen. Ein EDV-Coach unterstützt bei der        Web surfen oder sich mit konkreten Fra­        DIGGY ist als Ergänzung zu den Weiterbil­
Einrichtung neuer Geräte, Soft- oder          gen an die EDV-Coaches wenden.                 dungsangeboten im Bereich „Digitales“
Hardwareproblemen oder bei der An­                                                           zu verstehen und ist ein Gemeinschafts­
wendung gängiger Programme. Das be­           Verringerung der digitalen Kluft               projekt von Bauernbund-Weiterbildung,
sondere an den DIGGY-Treffs ist nicht nur     Ziel der DIGGY-Treffs ist es, Menschen –       KVW Bildung, Volkshochschule Südtirol, in
das dezentrale Angebot, sondern auch          unabhängig davon, ob Einsteiger oder           Zusammenarbeit mit den Bibliotheken.
                                              Fortgeschrittene – bei der fortschreiten­      Die DIGGY-Treffs werden vom Amt für
                                              den Digitalisierung des Alltags zu beglei­     Weiterbildung des Landes finanziell unter­
                                              ten und ihre digitale Kompetenz zu             stützt und sind für die Besucher und Be­
                                              stärken. Die Besucher und Besucherinnen        sucherinnen kostenlos. Interessierte, die
                                              können sich neue Fähigkeiten im Um­            einen DIGGY-Treff auch in ihrer Gemeinde
                                              gang mit digitalen Geräten aneignen und        möchten, können sich an die Projektträ­
                                              sich Zugang zu digitalen Ressourcen ver­       ger wenden. Alle Informationen und Ter­
                                              schaffen. So fördert das Angebot gesell­       mine über DIGGY gibt es auf der Webseite
                                              schaftliche Teilhabe und digitale Inklusion.   www.diggy.bz.it.
                                              Die DIGGY-Treffs leisten einen wichtigen
                                              Beitrag dazu, die digitale Kluft zwischen      Brigitte Abram, Leiterin KVW Bildung VFG
                                              Jung und Alt oder digital Erfahrenen und
                                              weniger Erfahrenen zu verringern. In Zei­
                                              ten von SPID, elektronischen Rechnungen
                                              und der digitalen Unterschrift sind digita­
                                                                                                                                                               13
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BIBLIOTHEK ALS DRITTER ORT

      Zentraler Baustein einer
       lebendigen Gemeinde
      Was haben eine Bibliothek, die Piazza einer italienischen Stadt, ein Wiener Kaffee-
      haus oder ein bayrischer Biergarten gemeinsam? Vieles, denn alle sind sogenannte
     „Dritte Orte“, d.h. Orte, wo die Menschen sich in einer lockeren Atmosphäre und ganz
      ungezwungen treffen können. Und dies ist für eine Gemeinschaft ganz wesentlich.

     V   on vielen Politikern hört man immer

                                                                                                                                             Foto: Wikimedia Commons / Welleschik (CC BY-SA 3.0)
         wieder: Wir brauchen keine Bibliothe-
     ken mehr. Es gibt ja eh alles digital. Dem
     widerspricht der niederländische Architekt
     und Designer Aat Vos vehement. Für ihn
     garantieren Bibliotheken den freien Zu-
     gang zu Wissen und Information und ge-
     währen Chancengleichheit. Und in Zeiten,
     wo der nicht-kommerzielle öffentliche
     Raum immer mehr verschwindet, über-
     nehmen laut Aat Vos Bibliotheken die
     wichtige Funktion eines Dritten Ortes, der
     neben dem Zuhause als Ersten Ort und
     Arbeitsplatz als Zweiten Ort ganz zentral
     für das Zusammenleben der Menschen ist.

     Die Bibliothek als Dritter Ort
     1989 hat der US-amerikanische Soziologe
     Ray Oldenburg den Begriff des Dritten Or-
     tes geprägt. Oldenburg zufolge ist der
     Dritte Ort durch folgende Charakteristika
     gekennzeichnet:
     » Es ist ein neutraler Ort, wo jeder kommen
       und gehen kann, wie es ihm beliebt.         Piazze in den italienischen Städten, die     tens und des Lernens. Wichtig ist in allen
     » Der Dritte Ort steht grundsätzlich allen    bayrischen Biergärten oder auch die iri-     Fällen Strom, Strom und nochmals Strom,
       offen. Soziale Unterschiede werden ab-      schen Pubs. Alle diese Orte zeichnen sich    damit den eigenen Geräten wie Laptop
       geschwächt.                                 in erster Linie dadurch aus, dass sich die   oder Smartphone die Energie nicht aus-
     » Die Menschen kommen in lockerer At-         Menschen dort begegnen, alleine oder         geht. Gestalterisch voll im Trend ist der
       mosphäre zusammen, unterhalten sich,        gemeinsam in einem ansprechenden             Vintage-Stil, wo Alt und Neu zusammen
       tauschen sich aus.                          Ambiente etwas trinken oder essen, die       kommen und ein Mix aus verschiedenen
     » Dritte Orte sind leicht zugänglich.         Zeitung lesen oder auch nur die Leute be-    Möbeln und Stilen, aus Pflanzen, Dekora-
     » Es gibt „Stammgäste“, eine Mitglied-        obachten und eben nicht alleine zuhause      tion und Beleuchtung eine sehr wohn­
       schaft ist aber nicht erforderlich.         sitzen. Moderne Dritte Orte wie beispiels-   liche Atmosphäre schafft.
     » Der Zugang ist niedrigschwellig, jede*r     weise Starbucks bieten darüber hinaus ein
       ist willkommen.                             leistungsstarkes WLAN an. Damit ist in       Werden die Südtiroler Bibliotheken
     » Der Dritte Ort vermittelt das Gefühl ei-    einer lockeren Atmosphäre nicht nur Ent-     diesem Anspruch gerecht?
       nes zweiten Zuhauses.                       spannung, sondern auch Lernen und            In den letzten Jahren und Jahrzehnten
     Und all diese Merkmale treffen ganz ein-      Arbeiten möglich. In Makerspaces werden      sind in Südtirol in nahezu allen Gemein-
     deutig auf Bibliotheken zu.                   technische Geräte zur Verfügung gestellt,    den sehr attraktive Bibliotheken entstan-
                                                   die nicht jeder daheim hat, die man aus-     den, die einen schönen Rahmen und
     Wie muss ein Ort sein, damit die              probieren kann und wo auch Hilfestellung     ausreichend Platz bieten, um sich zu tref-
     Menschen sich dort wohlfühlen?                angeboten wird. Und in Co-Working-Spa-       fen oder die Zeit mit Lesen, Lernen und
     Als typische Dritte Orte bezeichnet Ray       ces teilen sich Menschen einen Raum für      Arbeiten zu verbringen. Gemütliche
     Oldenburg die Wiener Kaffeehäuser, die        ganz unterschiedliche Formen des Arbei-      Wohnzimmerecken mit Sofas und Sesseln
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SCHWERPUNKT
sind längst Teil der Bibliothek und animie-

                                                                                                                                           Foto: www.piqsels.com
ren zu einem längeren Aufenthalt. Immer
öfter werden auch Wasser, Kaffee und
Snacks angeboten. Gar einige Bibliothe-
ken verfügen über sehr schöne Außen­
bereiche, wo in der warmen Jahreszeit
Lesen, Aufenthalt oder auch Veranstaltun-
gen im Freien möglich sind. WLAN ist in
den Südtiroler Bibliotheken mittlerweile
Standard. Stromanschlüsse in Form von
Wandanschlüssen und Bodendosen wer-
den bei jedem Neubau großzügig vorge-
sehen.

Multifunktionale Bereiche
Um die vielfältige Veranstaltungstätigkeit
der Bibliotheken und die Kooperation mit
den Vereinen und Einrichtungen vor Ort
zu ermöglichen, werden in jeder neuen
Bibliothek multifunktionale Zonen ein­
gerichtet, die mit Regalen auf Rollen, fle-
xiblen Tischen und stapelbaren Stühlen
ausgestattet werden und somit bei Be-
darf für unterschiedlichste Veranstaltun-

                                                                                                                                           Foto: https://pixabay.com
gen und Aktionen freigeräumt oder
umgebaut werden können. Diese Zonen
sind immer auch mit einer Präsentations-
möglichkeit entweder in Form von Lein-
wand und Beamer oder immer häufiger
auch mit einem Monitor bis hin zu einem
elektronischen Whiteboard verknüpft.
Um Präsentation in mehreren Bereichen
zu erlauben, werden auch mobile Bild-
schirme eingesetzt und an verschiedenen
Punkten die entsprechenden Anschlüsse
(Netz und Strom) vorgesehen.

Kooperation und unabhängige
Nutzung
In größeren Bibliotheken gibt es eigene
Veranstaltungsräume, die im Idealfall über
einen unabhängigen Eingang separat zu-
gänglich sind und somit auch problemlos
Partnern zur Verfügung gestellt werden
können. Auf diese Weise ist nicht nur
Kooperation, sondern auch die unabhän-        Einsatz modernster Technologie              zeiten, desto mehr Besucher*innen strö-
gige Nutzung oder sogar Vermietung            Die Entlastung des Personals von Routi­     men in die Bibliotheken und nehmen
der Bibliotheksräumlichkeiten an andere       netätigkeiten durch den Einsatz der         diesen öffentlichen und nicht-kommerzi-
Einrichtungen innerhalb der Gemeinde          RFID-Technologie ist ebenfalls im Vor-      ellen Ort für sich ein. Als reale Plattform in
möglich. So gibt es beispielsweise in         marsch. Dadurch werden Ressourcen für       einer zunehmend digitalen Welt sorgen
Terlan im ersten Obergeschoss einen un-       die Beratung und Organisation von Ver-      auch die Südtiroler Bibliotheken mit ihren
abhängig zugänglichen Veranstaltungs-         anstaltungen frei. RFID bildet auch die     zahlreichen Aktionen und durch die gute
raum, der – mit einem elektronischen          Voraussetzung für die sogenannte Open       Vernetzung und Kooperation mit den
Whiteboard ausgestattet – unter ande-         Library, wo das Ziel einer Erhöhung         Vereinen und Einrichtungen vor Ort für
rem auch von den Klassen der Grund-           der Zugänglichkeit mithilfe technischer     eine lebendige und lebenswerte Gemein-
schule und Mittelschule genutzt wird. In      Hilfsmittel erreicht wird.                  de. Voraussetzung dafür sind nicht zuletzt
der neuen Bibliothek Nals im ehemaligen                                                   attrak­tive und technisch gut ausgestatte-
Gasthaus „Sonne“ wird es einen Kreativ-       Zentraler Baustein für eine lebens-         te Räumlichkeiten.
raum im ersten Obergeschoss geben, wo         werte Gemeinde
Klassenbesuche und Vorträge genauso           Zahlreiche neue Bibliotheken auf der gan-   Verena Pernthaler, Amt für Bibliotheken und
möglich sein sollen wie Nähkurse, Töpfer-                                                 Lesen
                                              zen Welt bezeugen: Je attraktiver der
Werkstätten und Computerkurse.                Raum und je ausgedehnter die Öffnungs-
                                                                                                                                                                            15
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KOMBINIERTE BIBLIOTHEK KASTELRUTH

                      Das Wohnzimmer
                       der Gemeinde
      Nach 35 Jahren der provisorischen Unterbringung in verschiedenen Räumlichkeiten
     der Mittelschule ist endlich ein Traum in Erfüllung gegangen. Im Oktober 2020 konnte
      die neue Bibliothek bezogen werden. Seitdem können sich die Kastelruther an einer
              großzügigen und sehr attraktiven kombinierten Bibliothek erfreuen.

                                                                                                                                           Fotos: Manuela Tessaro

        Æ Ecke für Erwachsene mit
           Hörstationen und Aussicht

     D    ie Bibliothek ist in einem Anbau der Mittelschule direkt im
          Bildungszentrum des Dorfes untergebracht. Alle Schulen,
     allen voran die Mittelschule – über eine direkte interne Verbin-
                                                                         kern, arbeiten und weiterbilden. Vom Schaukelstuhl über die ge-
                                                                         mütliche Couch bis hin zu entspannenden Rückzugsnischen
                                                                         und Arbeitstischen wird den Besucher*innen eine Vielfalt an
     dung –, der Kindergarten und die Kindertagesstätte haben ei-        Aufenthaltsmöglichkeiten zum Wohlfühlen geboten.
     nen bequemen und schnellen Zugang zur Bibliothek. Den
     Architekten und Grafikern ist es gelungen, einen lebendigen         Was finde ich wo?
     Lebensraum mit hoher Aufenthaltsqualität zu schaffen, der allen     Im Erdgeschoss ziehen die Kuschelecke und die segelbespannte
     einen barrierefreien Zutritt zu allen Angeboten ermöglicht.         „Abenteuernische“ die jüngsten Leser in ihren Bann. Aber auch
                                                                         auf den bequemen Sitzstufen lieben es die Kinder, in einem
     Platz für Jung und Alt, Einheimische und Gäste                      Buch zu schmökern, zu spielen oder eine CD zu genießen. Wäh-
     Die Besucher*innen können nun in einer außergewöhnlich ge-          renddessen können sich die Eltern im angrenzenden Bereich
     mütlichen Atmosphäre auf über 500 Quadratmetern, über zwei          unterhalten, im Themenbereich Gesundheit stöbern oder sich
     Geschosse verteilt, sich medial bereichern, entspannen, schmö-      an einem Hörbuch erfreuen. Ein besonderes Highlight der Bib­
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SCHWERPUNKT
liothek ist die großzügige Terrasse, die – ausgestattet mit         Weitere technische Highlights in unserer Bibliothek sind:
Lie­gestühlen und einer angenehmen Couch – in der warmen            » die RFID-Selbstverbuchungsanlage,
Jahreszeit dazu einlädt, sich draußen mit Freunden zu treffen       » die Diebstahlsicherung,
und zu verweilen. Im Obergeschoss können sich Romanliebha-          » die 24-Stunden-Rückgabebox,
ber und Wissensdurstige an der Medienvielfalt austoben. Bei ei-     » WLAN-Zugang und Stromanschlüsse für die Nutzung durch
ner Tasse Kaffee kann man/frau sich die aktuellen Informationen       eigene mobile Geräte.
aus den Tageszeitungen bzw. Zeitschriften holen. Die Jugend-
bücher sind in einem akustisch abgetrennten und direkt von der      Ziel erreicht!
Mittelschule aus zugänglichen Raum untergebracht, der wäh-          Die Einrichtung entspricht voll und ganz den Ansprüchen einer
rend der Unterrichtszeiten auch für schulische Aktivitäten ge-      modernen Bibliothek. Sie ist nicht nur eine Stätte des Lernens,
nutzt wird.                                                         der Information und Bildung, sondern auch ein Ort der Begeg-
                                                                    nung, der Kommunikation und der Inspiration. Die kombinierte
Innovativ und flexibel                                              Bibliothek Kastelruth ist ein Ort sozialer, kultureller und digitaler
Technisch innovativ und für kleinere und größere Veranstaltun-      Teilhabe, ein „Dritter Ort", an dem man sich zuhause fühlt und
gen optimal ausgestattet, lassen sich die Räumlichkeiten im         wo ein Gefühl der Gemeinschaft entsteht.
Obergeschoss flexibel an die verschiedenen Nutzungen anpas-
sen. Präsentationen sind im Kinderbereich im Erdgeschoss sowie      Klaudia Schgaguler Silbernagl, Bibliothek Kastelruth
im Obergeschoss in allen Räumlichkeiten möglich.

   Æ Kinderbereich mit Spielewand
      und „Höhle“                                                       Æ Der Zeitschriftenbereich

   Æ Abenteuernische mit                       Æ Lesen und Schmökern im
      Hörstation für Kinder                       Obergeschoss

                                                                                                                                                 17
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KOMBINIERTE BIBLIOTHEK KASTELRUTH

              Im Herzen der Schule
     Mit dem Neubau ist die Bibliothek Kastelruth ins Herz der Mittelschule gerückt, führt
          unser Zugang nun über die zentral gelegene Galerie im ersten Stock, wo sich
     Klassenzimmer an Klassenzimmer reiht, unterbrochen von einer Feuertür, die in einen
                        ganz besonderen Raum führt – die Bibliothek.

     W     ir gelangen so direkt in die „Schul-

                                                                                                                                                      Fotos: Manuela Tessaro
           bibliothek“, nutzbar als Arbeits- und
     Veranstaltungsraum, bestückt mit erzäh-
     lender Jugendliteratur in deutscher, engli-
     scher und italienischer Sprache sowie
     einzelnen Sachbuchgruppen, die für den
     Unterricht relevant sind. Zu Beginn im
     Herbst 2020 aufgrund der Pandemiebe-
     stimmungen nur zaghaft besucht, wird
     der Sachbuchbestand nun auch abseits
     der festen Bibliotheksstunden eifrig ge-
     nutzt, und das in verschiedenen Unter-
     richtsfächern wie Biologie, Geschichte,
     Englisch und Italienisch.

     Großzügiges Raumangebot
     Die großzügigen Räumlichkeiten mach-
     ten sogar ein organisatorisch aufwendi-
     ges Projekt wie unser Tandemlesen,
     bestehend aus acht Lesepaaren am Mor-             gen als Bilderbuchkino durchgeführt. Ein      das stille Lesen in der Klasse beginnt.
     gen während der Leseminuten, möglich:             stimmungsvoller Ersatz in nicht einfachen     Spontan, selbstbestimmt und ohne mög-
     Verteilt über den ersten Stock der Biblio-        Zeiten.                                       lichen Gruppenzwang durch den Klassen-
     thek, kam sich kein Paar akustisch in die                                                       verband. All das ist möglich, da mein
     Quere, und ich hatte sie doch alle be-            Stille und Exklusivität                       Arbeitsplatz nun an die kombinierte Bib-
     quem im Blick. Der große, in dunklen Far-         Besonders schätze ich den Qualitätsge-        liothek näher gerückt wurde – ist doch
     ben gehaltene Raum mit Aussicht auf               winn am frühen Morgen, wenn noch vor          die Lehrerbibliothek mit meinem Arbeits-
     Wiesen und Berge war nun schon zwei-              Unterrichtsbeginn einzelne Schüler die        platz durch eine Verbindungstür direkt an
     mal festlicher Zufluchtsort für die ausge-        Stille und Exklusivität der Bibliothek nut-   die Bibliothek angeschlossen.
     fallene gemeinsame Weihnachtsfeier:               zen, um noch schnell einen Nachschub
     Klassenweise wurden Weihnachtslesun-              an Büchern zu holen, bevor dann um 7.45       Isabella Berger, Bibliothekarin im SSP Schlern

        Kombinierte Bibliothek optimal umgesetzt
        Die neue Bibliothek Kastelruth ist ein Beispiel für eine kombinierte Bibliothek, die baulich optimal umgesetzt ist. Wie vom Bib-
        liotheksgesetz vorgesehen, verfügt die Bibliothek über einen vom Schulhaus unabhängigen Eingang. Gleichzeitig ist sie über
        einen internen Zugang direkt mit der Mittelschule verbunden. Dies schafft Nähe, aber auch ein notwendiges Maß an Distanz.
        Die Bibliothek ist im Anbau an der Rückseite der Mittelschule untergebracht, aber von Weitem durch das am Gebäude groß
        angebrachte neue Logo sichtbar. Die Jugendbücher haben in einem akustisch abgetrennten Bereich im Obergeschoss ihren
        Platz gefunden. Dieser Bereich wird in der Unterrichtszeit auch für schulische Aktivitäten genutzt, doch auch der Rest der Bib-
        liothek steht den Klassen offen. Der Übergang ist also fließend. Für den Besuch von Grundschulklassen, Kindergartengruppen
        und der Kindertagesstätte wird der Kinderbereich im Erdgeschoss mit den Sitzstufen und seinen kuscheligen Ecken genutzt.
        Auf diese Weise ist eine parallele Nutzung möglich. Ideal ist der Einsatz der RFID-Technologie, welche die unkomplizierte
        Selbstverbuchung der Bücher und Medien erlaubt. Auf diese Weise wird die spontane Nutzung der Bibliothek unterstützt,
        auch wenn sie vielleicht einmal nicht mit Personal besetzt ist.

        Verena Pernthaler, Amt für Bibliotheken und Lesen

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                                                                  ZUM LESEN • NR. 1 / 2022
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