BANK SPIEGEL - Bildung und Geld - GLS Bank
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BANK Ausgabe 2/2014 Heft 221 SPIEGEL DAS MAGAZIN DER GLS BANK Bildung und Geld BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
2 UNTERM STRICH EDITORIAL 3 15,5 % Liebe Leserinnen und Leser, was haben wir aus der Schule mitgenommen? Über die Grund- rechenarten, das Lesen und Schreiben hinaus: Was erscheint uns im Rückblick als wesentlich? Dies war neulich die Frage in einer unserer regelmäßigen Gesprächsrunden. Einige Antwor- ten waren recht ernüchternd, denn Vieles wird eben doch nicht der Befragten mit Hauptschulabschluss haben grundsätz für das Leben, sondern nur für die Prüfungen gelernt. Auch an liches Vertrauen in ihre Mitmenschen — deutlich weniger den Hochschulen ist das so. Aber es gibt trotzdem Erinnerungen als die 33,5 Prozent der Befragten mit Hochschulabschluss. an Momente, in denen man von Lehrerinnen und Lehrern oder QUELLE: Bildung in Deutschland 2014, ALLBUS 2012 Mitschülerinnen und Mitschülern eine besondere Wertschätzung erfahren hat und sich dadurch wie beflügelt fühlte. Das erste Erleben der eigenen Kreativität — sei es künstlerisch, in der Bewe- 114 MRD. gung, im Denken oder auch im Sozialen — kann für das weitere Leben prägend sein. Oder die Erkenntnis, sich selbst ein Wis- senstableau erarbeitet zu haben, und das Erlebnis zu genießen, wie alles, was einem begegnet, sich darin sinnv oll einordnet. US-Dollar für Studienkredite wurden in den USA Das Evidenzgefühl, wenn die Trigonometrie beim Vermessen 2013 neu aufgenommen. Die Kreditkartenschul- den erhöhten sich dagegen nur um vier Milliarden eines Raumes tatsächlich funktioniert. Wesentlich für den Erfolg US-Dollar. Über zehn Prozent der Bezieher von von Bildung sind das Interesse an der Welt und auch an der Studienkrediten sind notleidend. eigenen Entwicklung. Und genau diese Aspekte spielen sich oft QUELLE: THE WALL STREET JOURNAL, 18.02.2014 mals jenseits von Prüfungen und Lehrplänen ab. Was diese Sichtweise von Bildung mit Geld zu tun hat — der Zuwanderer darum geht es in diesem Bankspiegel. Der Zugang zu qualitativ DOPPELT nach Deutschland guter Bildung hängt gerade in Deutschland in starkem Maße höher ist die Armutsgefährdungs haben einen Meis vom Status der Eltern ab. Aber es gibt Projekte, die zeigen, dass quote in Deutschland für Menschen ter-, Hochschul- es auch anders geht. Zunehmend wird von Inklusion geredet. oder Technikerab mit niedigerem Bildungsstand. Doch was ist uns ein gemeinsames Lernen von Kindern und jun- schluss — und nur so viele Menschen mit geringerer QUELLE: Statistisches Bundesamt, EU-SILC, 2014 26 Prozent der Ge- gen Erwachsenen mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten wirk- Bildung schätzen ihren eigenen Ge- lich wert? Außerdem geht es um die Frage, wie Ökonomie an samtbevölkerung. sundheitszustand als schlecht ein. den Hochschulen und Schulen unterrichtet werden soll. Dass eine QUELLE: IAB/ Bertelsmann QUELLE: Bildung in Deutschland 2014, GEDA 2010 gute Förder ung selbst mit kleinen Budgets möglich ist, zeigen Stiftung, 2013 schließlich die Ansätze der Peer Education. Die Gründung der GLS Bank ist eng mit dem Aufbau der Wal- dorfschule in Bochum verbunden, aber auch mit der Überzeu JEDE(R) gung, dass es unabhängig von speziellen pädagogischen Konzep ten in erster Linie um die Freiheit im Bildungswesen geht. We der wirtschaftliche Interessen noch staatliche Regulatorik sollen FÜNFTE % die Bildung dominieren. Im Mittelpunkt stehen die Kinder und Jugendlichen mit ihrer fast unverwüstlichen Freude am Lernen, beim gemeinsamen Spiel, an der Werkbank, im Garten, in der in Deutschland erlangt Musik — und hoffentlich auch im Klassenzimmer. einen höheren Schulab- der Schülerinnen schluss als seine Eltern. Prozent aller Kinder bis und Schüler in In den Mitgliedsstaaten fünf Jahre sind hochbe- Mit herzlichen Grüßen Deutschland be- suchen eine Schule der OECD gilt dies durch- gabt im Bereich „unkon- in freier Träger- schnittlich für mehr als ventionelles Denken“ — schaft. In den Nie jede(n) Dritte(n). Dies ist und nur noch zwei Pro- derlanden sind es 67 Prozent. international betrachtet zent der Schulabgänger. Falk Zientz, Redakteur QUELLE: „Alphabet”, Film von Erwin QUELLEN: Statis- ein wesentlicher Kritik- Wagenhofer, 2013 tisches Bundesamt, Private Schulen, punkt am deutschen Bil- 2014; PISA 2006 dungssystem. QUELLE: Bildung auf einen Blick, OECD-Indikatoren 2011 BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
INHALT 6 Meldungen 24 Blickwinkel 26 Standpunkt 27 Netzwerk 28 Jahresversammlung 15 Die großen Freunde 32 Dass Kinder nicht nur von Lehrerinnen, Mitgliederporträt Lehrern und Eltern lernen, ist klar. Vieles schauen sie sich von anderen 33 Kindern ab. Können so auch Werte und soziale Kompetenzen vermittelt Innenansicht werden? Daran arbeitet das bundes- weite Netzwerk BildungsBande. 36 22 Konditionsgestaltung Gnadenlos einseitig 38 Der Homo oeconomicus wurde noch nie gesehen. Trotzdem präsentieren Kreditvergabe ihn immer mehr Hochschullehrende in 11 immer mehr Studiengängen als ein- 42 zige Wahrheit. Dagegen formiert sich Nur, wenn alle ein Netzwerk von Studierenden — mit Kreditporträts es wollen ersten Erfolgen. 44 Inklusion wird an Schulen immer 23 Schenken und Stiften weiter gesetzlich verankert. Vieles spricht für einen gemeinsamen Wir unterrichten 45 Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung. Doch der Weg Kinder, nicht Fächer Klartext dahin lässt sich nicht einfach Die Montessori-, Waldorf- und Alterna- verordnen, sondern erfordert viel tivschulen machen manches anders, Kreativität und Engagement. 46 wobei sich zunehmend auch staatliche Schulen an ihnen orientieren. Dazu ein Kalender kurzer Überblick. 46 17 Impressum Jeder darf kommen Deutschland bietet auffällig schlechte 47 Chancen für sozial benachteiligte Kin- Kolumne der und verfügt über auffällig wenige Schulen in freier Trägerschaft. Span- nend wird es, wenn eine Waldorfinitia- tive ganz gezielt in einen sogenannten sozialen Brennpunkt geht. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
6 MELDUNGEN 7 HEUTE RETTE ICH DIE WELT NACHWUCHS FÜR SINNVOLLES Zugegeben, die Weltrettung ist ein hehres Ziel — aber auch mit kleinen BANKING Schritten, wie einem Konto bei der GLS Bank, kommt man der Verwirk lichung ein wenig näher. Seit Juni dieses Jahres wirbt die GLS Bank mit Im August dieses Jahres haben vier einem Augenzwinkern dafür, unsere Welt zu einem besseren Ort zu ma- junge Frauen und fünf junge Männer chen: auf Plakaten, in Anzeigen und vor allem in den sozialen Medien. ihre Ausbildung bei der GLS Bank Mehr als 170 000 Menschen haben sich in den vergangenen 40 Jah begonnen. Sie wurden aus über 100 ren über die GLS Bank zu einem Netzwerk engagierter Weltretter zu- sammengefunden und verbunden. Zukunftsweisende Unternehmen Bewerberinnen und Bewerbern aus- und soziale, ökologische und kulturelle Projekte treffen auf tatkräftige gewählt. „Uns kommt es sehr darauf Anlegerinnen und Anleger, die ihr Geld sinnstiftend wirken lassen wol- an, dass unsere Auszubildenden ei len. Die GLS Bank möchte Plattform sein für die Diskussion und Umset- genverantwortlich handeln, soziale zung der Vorhaben und Ideen ihrer Mitglieder, Kundinnen und Kunden. Verantwortung übernehmen und ÖKOLANDBAU UND NATURSCHUTZ Das Besondere an der neuen Kampagne ist, dass jede und jeder bewusst mit Geld umgehen möchten“, VERBINDEN aktiv mitmachen kann. Gute Ideen können unter dem Schlagwort #sharedichdrum in allen sozialen Netzwerken oder auf unserer Inter- sagt Manuela Luka von der Mitar- Die NABU-Stiftung Nationales netseite sharedichdrum.gls.de veröffentlicht und mit anderen geteilt beiterentwicklung. In den ersten drei KONGRESS KINDERGESUNDHEIT HEUTE Naturerbe und die BioBoden- werden. #sharedichdrum ist dabei der Appell, sich zu engagieren und Wochen haben sich die Azubis zu- gleichzeitig gute Ideen weiterzuverbreiten, damit andere sie nach nächst intensiv mit den besonderen Wie muss unsere Welt aussehen, damit alle Gesellschaft der GLS Bank haben ahmen können. In den ersten Tagen wurden bereits über 50 Weltretter- Anliegen der GLS Bank und ihrer Kinder die Möglichkeit haben, sich gesund zu im Juni 2014 den Kauf von rund videos gepostet und mehr als eine halbe Million Menschen erreicht. Wir Kundinnen und Kunden auseinander entwickeln? Was können wir tun, um die Be- 700 Hektar Land im Naturschutz- freuen uns, wenn Sie Teil dieser Gemeinschaft werden und mitmachen! gesetzt sowie Workshops zu den dingungen zu verbessern? Dass dies gelingt, gebiet Salziger See in Sachsen- sharedichdrum.de Abläufen und Systemen absolviert. hat viel mit dem Zusammenspiel von Erziehung, Anhalt abschließen können und „Dass wir den Austausch mit un- Lebensstil und familiären Strukturen zu tun. die Fläche einem Ökobauern ver- seren Kundinnen und Kunden mit der Frage nach dem Sinn verbinden Deshalb wagt der Kongress Kindergesundheit pachtet. Ein doppelter Erfolg: können, das motiviert mich sehr“, heute etwas ganz Neues: Ärzte, Pädagogen Das Naturschutzgebiet samt sei- so Juliane Schuler aus dem zweiten und Eltern sprechen miteinander — und nicht, ner Artenvielfalt und Böden ist Lehrjahr. wie sonst üblich, übereinander. Auch Schul- dauerhaft gesichert und die Land- Bereits im Januar 2014 konnten und Komplementärmedizin werden miteinan- wirtschaft wird jetzt ökologisch neun GLS Azubis ihre Ausbildung der ins Gespräch kommen. Der Anstoß ging betrieben. Dies ist ein weiteres erfolgreich abschließen und sind seit- vom Dachverband Anthroposophische Medizin Beispiel dafür, dass der Ökoland dem als Bankkaufleute für unsere Kundinnen und Kunden tätig. aus. Programm und Konzept wurden in enger bau und der Naturschutz zusam- Zusammenarbeit mit dem Olgahospital und men gestärkt werden können. der Filderklinik in Stuttgart sowie der Stadt Mit diesem Schwerpunkt wollen Stuttgart entwickelt. Drei Leitmotive gliedern die NABU-Stiftung und die Bio SCHÜLERGENOSSENSCHAFT: WENN DIE CHEMIE STIMMT die Veranstaltung: 1. Das Kind und seine Eltern, BodenGesellschaft noch mehr 2. Das Kind und die Aufmerksamkeit, 3. Das Projekte umsetzen. Derzeit begleitet die GLS Bank die Gründung einer Schülergenossenschaft an der Technischen Kind und sein Schmerz. Der Kongress findet am Berufsschule 1 in Bochum. Engagierte Schüle- 27. und 28. September 2014 in Stuttgart statt. rinnen und Schüler, die sich zu Chemisch-techni- kindergesundheit-heute.de schen Assistentinnen und Assistenten ausbilden lassen, bieten im Rahmen ihres Schulprojektes RuhrChemAlytic für jedermann Wasser- und Bo- denanalysen gegen Spenden an. So wird mit der Aktion Bochum bleifrei das Trinkwasser auf ge- fährliche Bleirückstände hin untersucht. Die Schü- lerinnen und Schüler erhalten damit bereits wäh- rend ihrer Ausbildung die Möglichkeit, die Labor arbeit unter Praxisbedingungen zu erproben. Der Rheinisch-Westfälische Genossenschafts- verband (RWGV) unterstützt bereits mehr als 50 Schülergenossenschaften in Zusammenarbeit mit Banken vor Ort, in diesem Fall mit der GLS Bank. Viel leicht wird sogar eine bundesweite Aktion daraus. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
SCHWERPUNKT Bildung und Geld TEXTE Bastian Henrichs FOTOS Hendrik Rauch BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
10 BILDUNG UND GELD 11 Nur, Peristera Giannikos, 53, bekommt das Lächeln nicht mehr aus ihrem Gesicht. Sie begleitet seit vier Jahren drei „prak- tisch bildbare“ Schülerinnen durch den Schulalltag in der Sekundarstufe der Sophie-Scholl-Schule in Gießen. „Richtig fit sind die“, sagt sie. Sie freut sich deswegen so sehr, weil wenn die Schüler der neunten Klasse, in die auch ihre drei Förder schülerinnen gehen, gerade ihre Prüfungsergebnisse in Deutsch bekommen haben. Es gab nur Einsen und Zweien. Sie ist stolz auf ihre Klasse. Die Förderschülerinnen, Kinder mit Down-Sydrom, haben allerdings nicht teilgenommen. Sie bekommen zwei Tage später gesonderte Aufgaben, alle es „bildungsorientierte Prüfung“ nennt sich das. In den Nach- mittagsstunden werden sie von zwei anderen Schülern ih- rer Klasse darauf vorbereitet. Davon profitieren beide Seiten: Die Förderkinder fühlen sich wertgeschätzt und akzeptiert, genießen das gemeinsame Lernen mit den beiden Jungen; die wiederum übernehmen Verantwortung, erleben den unbeschwerten Umgang mit den Inklusionsschülerinnen wollen und erweitern ihr Bewusstsein für das Zusammenleben und -arbeiten mit sogenannten Behinderten. Die Sophie-Scholl-Schule ist eine inklusive Grund- und Gesamtschule. Von der ersten bis zur zehnten Klasse werden hier sowohl behinderte Kinder sowie Förderschülerinnen und -schüler als auch Hochbegabte gleichberechtigt in den Schul alltag einbezogen. Die Deutschprüfungen zeigen zwei Din- ge: 1. Die Leistungsfähigkeit der Regelschüler lässt durch das Inklusion ist angesagt, gemeinsame Lernen mit schwächeren Kindern nicht nach, sie ist in diesem Fall eher überdurchschnittlich gut. 2. Schüle- Förderschulen gelten rinnen und Schüler mit Behinderung und andere lernschwa che Förderkinder können immer weniger mithalten und als Einrichtungen von die gleichen Prüfungen ablegen, je weiter die Schullaufbahn voranschreitet. gestern. Doch so einfach Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Förderbe- ist das alles nicht, wie darf ist in den letzten Jahren weiter angestiegen. Nach dem Willen der UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 sol- das Beispiel der GLS len alle Kinder gemeinsam zur Schule gehen dürfen: mit und ohne Behinderung, begabte und entwicklungsverzögerte, Kundin Sophie-Scholl- lernschwache und verhaltensauffällige. Förderschulen dage- gen gelten als Einrichtungen von gestern. Und eine aktuelle Schule zeigt. Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungs- wesen (IQB) meint: Kinder mit Behinderung lernen im gemein samen Unterricht besser als auf einer Sonderschule. Trotz- dem löst das Thema Inklusion vielerorts Spannungen und Ängste aus und bringt mehr Probleme als Erfolge mit sich. In Nordrhein-Westfalen sinkt nach einer Umfrage des Verbands In Nordrhein-Westfalen sinkt die Zustimmung zur Inklusion. Viele Eltern nehmen Kinder mit erhöhtem Förderbedarf wieder von den Regelschulen, weil diese dort nicht mithalten können. Bildung und Erziehung (VBE) die Zustimmung zur Inklusion. Viele Eltern nehmen Kinder mit erhöhtem Förderbedarf wie der von den Regelschulen, weil diese dort nicht mithalten können. Dies führe zu psychischer Belastung. Auch wird deut lich, dass zumindest in Einzelfällen weiterhin spezielle Ein- richtungen sinnvoll sind. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
14 BILDUNG UND GELD 15 Die großen Freunde Schüler lernen von Schülern. Amina steht mit verschränkten Armen in der Tür, die Unterlippe leicht vorgeschoben, die Augenbrauen zusammengezogen. Die Siebenjährige Das pädagogische Konzept soll sich den Gästen vorstellen, will aber nicht. Aylar Dehestani ruft sie der Peer Education soll zu sich, nimmt sie in den Arm, macht Späße mit ihr, fragt, was sie erlebt habe in der letzten Woche. Langsam taut Amina auf, einige Zeit später die nachhaltige Entwicklung plappert sie wild drauflos. „Amina war zu Anfang ein Problem“, sagt fördern, Werte vermitteln Aylar Dehestani, 29, Sozialpädagogin an der Erich Kästner-Schule in Bo- chum. Amina war unberechenbar, sie schlug um sich, tanzte auf den und der Selbstorientierung Tischen und den Schülercoaches auf der Nase herum. Die Schülercoa- dienen. Die BildungsBande ches, das sind vier Schülerinnen und Schüler aus der achten Klasse der Gesamtschule. Einmal in der Woche kommen sie an die Waldschule, zeigt, wie es funktioniert. eine Grundschule in Hustadt, einem größtenteils aus Hochhäusern be- stehenden Stadtteil von Bochum, um eineinhalb Stunden mit sieben- und achtjährigen Schülerinnen und Schülern zu verbringen. Sie opfern dafür ihre Freizeit. Peer Education nennt sich das, Schülerinnen und Schüler lernen Entscheidend für das Gelingen von Inklusion ist immer die Plappert, Leiter der Sekundarstufe, zurückhaltender, was die von gleichaltrigen oder wenig älteren Kindern. Zusammen mit Amina Bereitschaft von Lehrerinnen und Lehrern, Mitschülerinnen, Inklusion angeht. „Das darf nicht aufoktroyiert sein“, sagt er. sind Marsallah, Warsan und Ariana dabei. Sie sitzen mit den Schüler- Mitschülern und Eltern, sich auf etwas Neues einzulassen — „Es funktioniert nur dann, wenn alle Beteiligten es wollen.“ coaches am Tisch und malen Bilder zum Thema Liebe. Warsan, der im- wie an der Sophie-Scholl-Schule: In der Primarstufe werden Und das sind in der Sekundarstufe weniger als noch in der mer überredet werden muss, bei Gruppenaufgaben mitzumachen, darf bereits seit 1998 Förderkinder und Hochbegabte inklu- Primarstufe. Der Grund: Die Schülerinnen und Schüler kön- eine Gruselgeschichte erzählen. Es geht um Sprünge aus dem Fenster, diert und im Klassenverband individuell unterrichtet. Es nen nur einen Abschluss erwerben, wenn sie sich von einer Fallen stellen, Entführung und irgendwie auch um die Fußballspieler funktioniert. Ralph Schüller, Leiter der Primarstufe, plädiert staatlichen Schule begleiten lassen. Außerdem decken die Franck Ribéry und Manuel Neuer. Er grinst ununterbrochen und freut dementsprechend dafür, in den ersten vier Schuljahren För- öffentlichen Mittel nur etwa zwei Drittel der Kosten. Und sich über die Aufmerksamkeit der anderen, die „psst“ machen, wenn derschulen komplett aufzulösen und dafür feste Förderleh die Umsetzung eines pädagogischen Konzeptes wie desjeni- Achtklässler betreuen Grundschüler: Beim jemand dazwischenquatscht. rerinnen und -lehrer an den Regelschulen einzusetzen. In gen der Sophie-Scholl-Schule ist teuer. „Inklusion ist nicht letzten Treffen vor den seiner Schule hat jeder vierte Schüler erhöhten Förderbedarf. umsonst zu haben“, sagt Plappert, der sich mehr öffentliches Ferien ist das Thema Es gibt hier in der Primarstufe Lernstraßen, Zeugnisse ohne Engagement für sein Schulkonzept wünscht. Momentan ist die Liebe. Noten, jahrgangsgemischte Klassen. Der Unterricht wird die Schule auf Spenden angewiesen. Ohne eine dauerhafte zumeist von zwei Lehrkräften und einem Erzieher bzw. einer Finanzierung werden lernschwache Kinder zunehmend den Erzieherin gleichzeitig geleitet. Nicht alle Schülerinnen und Anschluss verlieren und viele Talente bleiben langfristig Schüler lernen zu jeder Zeit dasselbe und zweimal in der Wo- unterentwickelt. che bekommen die Förderkinder individuellen Unterricht, Denn fest steht: Nach der Grundschule wird Inklusion die sogenannten Sternstunden. schwieriger. Die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler entwickeln sich immer weiter auseinander. Dass alle in ei- nem Raum unterrichtet werden, funktioniert nur noch selten. „Inklusion ist Auch weil die Regelschülerinnen und -schüler irgendwann nicht umsonst anerkannte Abschlüsse erreichen wollen. Fest steht aber auch: Wenn Lehrkräfte sowie Sonderpädagoginnen und -pädago- zu haben.“ gen eng zusammenarbeiten und sich weiterbilden, wenn das pädagogische Konzept angepasst wird, die Ressourcen Einiges von all dem gibt es ebenfalls in der Sekundarstufe ausreichend sind, und wenn eine gesunde Balance gehal- ab der fünften Klasse, die 2009 ihren Betrieb aufgenommen ten werden kann zwischen Regel- und Förderkindern, dann hat. Auch die Sternstunden, allerdings weitaus umfangrei- ist Inklusion für die meisten Schüler sinnvoll. In der Sophie- cher: Rund 40 Prozent ihres Unterrichts bekommen die För- Scholl-Schule sind die Voraussetzungen dafür bereits erfüllt, derkinder getrennt vom Klassenverband. So ist auch Michael in den allermeisten anderen Schulen noch lange nicht. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
16 BILDUNG UND GELD RUBRIK 17 Jeder darf Beim Peer Learning geht es in diesem Fall nicht darum, Unterrichtsstoff zu wiederholen oder aufzuarbeiten, es geht um viel mehr. In der ge- meinsamen Zeit mit ihren Schülercoaches werden den Grundschulkin dern Werte und soziale Kompetenz vermittelt, sie orientieren sich an ihren Vorbildern, den Großen, die ihnen als Unterstützer und Vertraute dienen. Sie sprechen dieselbe Sprache und bekommen schneller und kommen auf einer anderen Ebene Zugang zu den Kindern als deren Lehrerinnen und Lehrer. „Die Kinder kommen gerne“, sagt Dehestani. „Sie sind stolz auf ihre großen Freunde und verlassen unter den Blicken ihrer Mitschü lerinnen und Mitschüler selbstbewusst den Raum.“ Und auch die Schülercoaches selber profitieren. Sie übernehmen Verantwortung und erwerben soziale und fachliche Kompetenzen. Sie lernen, Zeiteinheiten zu gestalten und vorzubereiten, Mentor zu „Sie sind stolz auf sein, Wissen weiterzugeben. Sie erfahren, dass ihr Handeln Wirkung hat, und bekommen Bestätigung über sichtbare Erfolge. Dominique, ihre großen Freunde 14, erklärt die Wandlung von Amina: „Sie war richtig fies zu Beginn, hat und verlassen unter uns gehauen und getreten, wir haben uns kaum getraut, sie anzuspre- chen. Mittlerweile macht sie das nicht mehr, weil wir sie ständig be- den Blicken ihrer schäftigen. Und weil sie uns nun gut kennt und uns vertraut.“ Mitschülerinnen und Was sich in den USA schon längst durchgesetzt hat und auch in Österreich häufig angewendet wird, ist in Deutschland noch nicht so Mitschüler selbst- weit verbreitet. Doch es bewegt sich etwas. Es gibt verschiedene Pro- bewusst den Raum.“ jekte mit Lese-Peers, Sprach-Peers, Begleit-Peers oder den buddY e. V., der ein ähnliches pädagogisches Konzept verfolgt. Auch die Bildungs- Bande, ein 2011 von der Zukunftsstiftung Bildung der GLS Treuhand ini- tiiertes bundesweites Netzwerk, gehört in Deutschland zu den Vor- reitern bei der praktischen Umsetzung dieser pädagogischen Richtung. Entsprechend dem Konzept der BildungBande werden die Schüle- rinnen und Schüler der Bochumer Gesamtschule ausgewählt und geschult. Ein Jahr lang begleiten sie die Grundschulkinder, am Ende be- kommen sie ein Zertifikat für ihren Lebenslauf in ihrer Bewerbungs- mappe. Für die Grundschulkinder geht es um individuelle Förderung. Daher ist die Gruppenstärke immer ausgeglichen. „Wir hätten das Ver- hältnis auch auf drei Grundschüler pro Gesamtschüler erhöhen kön- nen, aber dann würden wir niemandem gerecht“, sagt Aylar Dehestani. Und dann wäre es wohl kaum möglich, Kinder wie Amina bei ihrer Entwicklung wirklich zu unterstützen. Am Vormittag ging es ums Rechnen — jetzt in der BildungsBande um Grundsätzlicheres. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
18 BILDUNG UND GELD 19 In der interkulturellen Bildungsinitiative Stuttgart (IBIS) kommen Menschen aus unterschiedlichen Etwa 70 Prozent der Bewohner sozialen Schichten zusammen. Insbesondere hier haben einen Migrations- Kindern aus sogenannten sozialen Brennpunkten hintergrund, die Arbeitslosen- wie Stuttgart-Hallschlag soll so der Zugang zu quote liegt bei 18,3 Prozent. Bildung erleichtert werden. Vor ihren geöffneten Wohnungstüren sitzen zwei ältere Frauen in langen Gewändern auf einfachen Plastikstühlen, als die Kinder vorbeirennen. Eine von ihnen trägt ein buntes Kopftuch. „Merha- ba“, begrüßen sie Frau Kilinc. „Hallo.“ Duygu Kilinc ist eine der bei- den Betreuerinnen der Kinder, ausgebildete Waldorfpädagogin, Türkin, aufgewachsen in Hallschlag. Man kennt sich. Es leben vie- le türkische Familien hier. Aber auch griechische, serbische, italie- nische. Menschen aus dem Iran, Kosovo, Sudan, insgesamt aus 90 verschiedenen Nationen. Etwa 70 Prozent der Bewohner von Hall- schlag haben einen Migrationshintergrund, die Arbeitslosenquo- te liegt bei 18,3 Prozent. Ein Stück weiter oben, den Hügel hinauf, werden die Häuserreihen noch enger, die Wände grauer, die Grün- Endlich dürfen sie losrennen. Durch die Siedlung, den Weg am flächen schmaler und die Wege holpriger. Manche der kleinen Vor- Sandkasten vorbei, um die Ecke in den Hof zwischen zwei grau- gärten und Balkone sind zugemüllt, viele Wohnungen sind verlas- en Mehrfamilienhäusern, die mit den schmalen und niedrigen sen. Hallschlag ist multikulti, soziale Benachteiligung, Brennpunkt. Eingangstüren. Alle paar Meter steht eine Wäschespinne, Kinder- fahrräder liegen im Weg, dazwischen einige Blumenkübel, deren Pflanzen die Köpfe hängen lassen. Die Kinder bemerken das gar nicht. Sie wollen auf den Spielplatz, auf den mit dem großen Klet- tergerüst. Hallschlag ist multikulti, soziale Benachteiligung, Brennpunkt. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
20 BILDUNG UND GELD 21 Der fehlende Zugang zu Bildungseinrichtungen ist ein häufig anzutreffendes Problem in Deutschland. Im Jahr 2012 waren 18,1 Prozent der Ausländer in Deutschland ohne Schulabschluss, 31,4 Prozent verfügten über einen Hauptschulabschluss. Dass auch die soziale Herkunft den Bildungserfolg beeinflusst, ist un- bestritten. Laut der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks nehmen von 100 Akademikerkindern 71 ein Hochschulstudium auf. Von 100 Kindern aus nicht akademischen Elternhäusern studieren dagegen lediglich 24, obwohl doppelt so viele die Hochschulreife erreichen. Kritiker führen das auf das dreigliedrige Schulsystem zurück. Auch wenn formelle Abschlüs- se nicht alles über die Qualität von Bildung aussagen, so ist doch deutlich, dass das derzeitige Bildungssystem Benachteiligun- gen verstärkt. Ein Problem, dem die IBIS schon im Kindergarten- alter, aber auch während der Schulzeit begegnen möchte. Es gilt das Prinzip: Jeder wird gleich behandelt, jeder wird aufgenom- men. Um das zu gewährleisten, ist die IBIS allerdings auf die Un- terstützung der MAHLE-STIFTUNG angewiesen. Eine öffentliche Regelfinanzierung gibt es bislang nicht, obwohl viele Beispiele zeigen, dass durch eine frühe Förderung deutlich höhere Folge- kosten im sozialen Bereich vermieden werden können. Die Kita ist ein Paradies in Etwas am Rande und doch mittendrin liegt die IBIS, die interkul- der Siedlungswüste Hallschlag: turelle Bildungsinitiative Stuttgart. Hierher kehren die neun Kinder, die eben noch durch die Siedlung geflitzt sind, nach einer sauber, ordentlich, neu. guten Stunde auf dem Spielplatz zurück. Die Kita ist ein Paradies in der Siedlungswüste Hallschlag: sauber, ordentlich, neu. Die Spielzeuge sind aus Holz oder Stoff statt aus Plastik. Es wird ge- sungen, getanzt, gemeinsam gekocht. Und die Kita ist nur der erste Schritt. Auf lange Sicht möchte die IBIS, ein 2009 gegründeter Verein, Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche von null bis 20 Jahren schaffen. Auf Grund- lage der Waldorfpädagogik, sozialintegrativ und interkulturell, von der Krippe bis zum Abitur. Kirsten Stäbler, 48, ist eine der Ver- einsgründer und Verfasserin des pädagogischen Konzeptes. „Es war klar, dass wir in den Hallschlag gehen mit der Kita“, sagt sie. „Hier treffen wir auf die Menschen, die wir erreichen wollen.“ Der Anspruch wird gelebt. Mehr als die Hälfte der Kinder spricht zuhause eine zweite Sprache, viele der Eltern nur gebrochen „Die Herausforderung wird sein, unsere Idee von Bildungs- deutsch. Eylem Elasilmez-Karahan, 32, Deutsch-Türkin, erzählt, vermittlung so zu verankern, dass es auch in der Schule leb- und dass sie aufgrund ihres Namens in anderen privaten Einrich- spürbar wird“, sagt Kirsten Stäbler. Ziel sei eine „sozialintegrative tungen Schwierigkeiten hatte, einen Platz für ihr Kind zu bekom- Schule mit interkultureller Ausbildung“. Dazu gehöre auch, „un men. Ein Segen nicht nur für sie, dass diese Kita direkt um die Ecke beschulbare“ Jugendliche zu integrieren. aufgemacht hat. In der Kita wird das bereits umgesetzt. Der kleine Said war zunächst in einem anderen Kindergarten — bis es dort nicht mehr weiterging. Said und seine Zwillingsschwester Amina wurden in der 25. Schwangerschaftswoche geboren. Der Junge bekam Hirn- blutungen. Und obwohl er bald drei Jahre alt wird, kann er noch nicht laufen und sprechen. Aber er macht große Fortschritte, seit er in dieser Kita ist. Er hat eine eigene Betreuerin für die drei „Es war klar, dass wir in Stunden, die er jeden Tag hier verbringt. Seine Mutter stammt den Hallschlag gehen mit aus dem Kosovo. Sie ist Analphabetin und alleinerziehend. Jeden Morgen bekommt sie einen Anruf aus der Kita, damit sie aufsteht der Kita. Hier treffen wir und die Kinder bringt. Nach anfänglichen Problemen klappt es auf die Menschen, die wir gut. Alle sind zufrieden. Eines Tages wird auch Said mit den ande ren Kindern durch die Siedlung rennen — und später die Schule erreichen wollen.“ der IBIS besuchen. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
22 BILDUNG UND GELD 23 Wir unterrichten Ist denn der Homo oeconomicus nicht mehr zeitgemäß? ULRIKE JACOB: Mal ehrlich: Den Homo oeconomicus, den ausschließlich wirtschaftlich denkenden Menschen, gibt es doch nicht. Diese Modelle haben nichts mit der Realität Kinder, nicht Fächer zu tun. Grundsätzlich geht es darum, das ökonomische Den ken zu öffnen für andere Impulse. Langfristig versprechen wir uns von der Veränderung des ökonomischen Denkens auch eine Veränderung des ökonomischen Handelns. FREYDORF: In der Politik wird seit der Finanz- und der Staatsschuldenkrise viel um den richtigen Kurs gestritten. In der volkswirtschaftlichen Ausbildung gelten aber nach wie TEXT Raimund Witkop Eltern auch die richtige Antwort auf vor die Modelle, die in die Krise geführt haben. WALDORF Schwachstellen, die in den PISA-Studien Wer für sein Kind Alternativen zur staat- Nach den Ideen von Rudolf Steiner aufgezeigt wurden. Gibt es Erfolge? lichen Regelschule sucht, wird zunächst (1861–1925) arbeiten 232 Schulen in Zu den Zeiten der wilhelminischen JACOB: Das ist von Hochschule zu Hochschule sehr einiges an Recherchearbeit auf sich neh- Deutschland, durchweg als Gesamt- Drillanstalten, als die reformerische Ge- unterschiedlich. Wir versuchen, die plurale Ökonomik zu in- men müssen. Die drei annähernd flä- schulen. Sie bieten spezielle Lernfor- genbewegung entstand, aber auch noch stitutionalisieren, indem die Studierenden selbst Seminare chendeckend vertretenen Gruppen — die mate wie Epochenunterricht, eigen- in den strengen Nachkriegsjahrzehnten, Gnadenlos organisieren und sich dafür im Idealfall Studienleistungen 232 Waldorf- und ca. 400 Montessori- ständige Projektarbeiten oder die Eu- waren Freie Schulen ein radikaler Gegen- anrechnen lassen können. schulen sowie die knapp 100 Mitglieder rythmie als künstlerische Bewegungs- entwurf zum staatlichen Bildungssys- FREYDORF: Es geht vor allem darum, Alternativen auf- des Verbands der Freien Alternativschu- schulung an. Waldorfschulen legen tem. Das hat sich geändert; Auch staat- zuzeigen und nicht nur auswendig zu lernen und vorgefer- len — werben mit ausgefeilten Philoso- besonderen Wert auf künstlerische und liche Grundschulen verzichten zuneh- einseitig tigte Klausuren zu schreiben. In Erfurt hat eine Gruppe einen phien und lange erprobten Konzepten praktische Ausbildung und erwarten mend — nach dem Vorbild von Alterna- alternativen Reader zur Mikroökonomik für die Studieren- um Schülerinnen und Schüler. Die Mühe viel Engagement von den Eltern. tivschulen — auf Noten und festgelegten den erstellt. Gibt es das einmal, wird es für andere Gruppen lohnt sich allerdings, denn Ideen und Pra- waldorfschule.de Unterricht streng nach Lehrplan. Zudem einfacher. Wir wollen aber vor allem an die Lehrpläne ran. xis alternativer Pädagogik haben sich gut haben neuere Gesamt- und Gemein- JACOB: Wir suchen das Gespräch mit aktiven Professo- bewährt. schaftsschulen inzwischen be währte ren und Dozenten, um Einfluss auf die Inhalte zu bekommen schaftsschule in Berlin — ein Prinzip, auf Ideen von alternativen Schultypen adap- und die Professoren zu inspirieren. das sich alle Vertreter alternativer Päda- tiert, während staatliche Gymnasien in MONTESSORI gogik einigen können. Ulrike Jacob, 27, Soziologie- und Psycho- der Regel noch traditionell arbeiten. Im Kern geht es um selbstbestimm- Ihr Anliegen wurde von vielen Medien prominent aufge- Die italienischen Ärztin Maria Montes- logiestudentin, und Christoph Freydorf, tes Lernen, bei dem Kinder — aufmerk- griffen, von Handelsblatt bis SPIEGEL ONLINE. Was sori (1870–1952) hatte in Rom große 32, Doktorand der Finanzwissenschaft bedeutet das für Ihre Arbeit und Ihr Selbstverständnis? Erfolge mit Materialien z. B. für das be- sam begleitet von Pädagoginnen und ANDERE Pädagogen — Tempo, Ausrichtung und und Finanzsoziologie, sind aktive Mit- FREYDORF: Pluralismus in der ökonomischen Bildung greifende Lernen von Zahlenräumen, Inhalte ihrer Erkundung der Welt selbst Weitere Schulen haben regionale oder ist ja recht abstrakt und fachbezogen. Zudem kann man nicht die sie zuerst für Kinder mit Behinde- glieder im Netzwerk Plurale Ökonomik, festlegen. Klassischer Frontalunterricht auch soziale Schwerpunkte, etwa die mit Fotos süßer Robbenbabys um Unterstützung werben. rungen entwickelte hatte. Montessori- einem Zusammenschluss studentischer Deshalb war die Problematik zunächst wenig bekannt und schulen — in Deutschland rund 300 im Klassenverband weicht immer wie- Jenaplanschulen, die Landerziehungs- der individuellen und gemeinschaftli- heime und die Laborschulen. Einen re- Hochschulgruppen, die sich für mehr eher uninteressant — bis zur Finanzkrise. Jetzt sind wir im Grundschulen und 100 weiterführende chen Lernprojekten, die Verantwortlich- gelrechten Boom erlebten Freie Schu- Aufwind, werden ernster genommen. Es geht voran. Schulen — werden von Eltern immer Vielfalt in der ökonomischen Lehre ein- keit fordern und zugleich Geborgenheit len nach der Wiedervereinigung im wieder mit der Motivation gewählt, setzen. Das Netzwerk hat eine viel be- dass ihr Kind für seine Entwicklung die bieten. Ein weiterer Schlüsselbegriff der Osten der Republik, davon sind über Es gibt schon länger die Forderung nach ökonomischer alternativen Schulformen, nämlich die 100 Schulen in Trägerschaft der evan- achtete Diskussion über die wirtschaft Bildung an Schulen. Dort wächst der Einfluss von außen- Zeit bekommt, die es braucht. Etwa ein „partizipative Pädagogik“, bezieht sich gelischen Kirche. Immer öfter gibt es Drittel der Einrichtungen sind staat- liche Lehre und die gelehrten Systeme stehenden Institutionen, Großunternehmen und Ver auf diesen selbstbestimmten Anteil, der frei entwickelte Schulkonzepte mit liche Schulen mit Montessorizweig. bänden auf den Lehrstoff zunehmend. Glauben Sie, dass entfacht. Auf der Jubiläumsveranstal- montessori-deutschland.de auf eine natürliche, kindliche Lernlust einzelnen Elementen aus der Waldorf-, Ihre Forderungen auch an Schulen umsetzbar wären? setzt. Inklusion, für das öffentliche Schul- der Montessori- und der Alternativpä- tung der GLS Bank hielten Jacob, Frey- JACOB: Der Gedanke des Pluralismus in der wirtschaft system eine Herausforderung, ist hier oft dagogik. dorf und zwei weitere Mitglieder einen lichen Ausbildung ist ebenso auf die schulische Lehre über- Zunächst fällt auf, dass es keinen wirk- selbstverständlich, und das Leistungsni- evangelische-schulen-in-deutschland.de tragbar, klar. Beispielsweise forscht Prof. Silja Graupe, auch lich passenden Oberbegriff gibt. Zwar Vortrag zu diesem Thema. veau der Freien Schulen gibt für viele privatschulen.de eine Unterstützerin des Netzwerks, viel zu ökonomischer wird immer wieder das Schlagwort Bildung und kritisiert die schon früh beginnende einseitige „Reformschule“ verwendet, was auf die Frau Jacob, Herr Freydorf, Sie sind unzufrieden mit den Ausrichtung. Wurzeln in den lebensreformerischen ALTERNATIVSCHULEN Eltern, die mit alternativer Pädagogik Wirtschaftswissenschaften. Warum? FREYDORF: In der Schule ist es allerdings schwerer, Bewegungen nach 1900 verweist. Dies sympathisieren, sollten also nicht nur Die rund 100 in einem Verband organi- CHRISTOPH FREYDORF: Seit der Finanzkrise gibt es viele eine Mitgestaltung der Schüler einzufordern. Und den Leh- passt aber weder richtig auf die Freien privat geführte Schulen prüfen. Dafür sierten Freien und Alternativschulen unzufriedene Studierende an den Hochschulen in Deutsch- rern wird es einfach gemacht, sich strikt an vorgefertigte Schulen antiautoritärer Prägung, noch zwei Beispiele aus Hamburg: Das Selbst- wurden meist von Eltern gegründet, land, die der einseitigen ökonomischen Lehre etwas entge Lehrpläne und didaktisch gut aufbereitetes Informations- bezeichnen sich die Waldorfschulen so. porträt der staatlichen Max-Brauer- gensetzen wollen. Es wird fast ausschließlich nach einheit material von Interessengruppen zu halten. Was kennt man Wichtiger als die Unterschiede, die zunächst inspiriert von der antiautori- Schule in Altona mit 1 300 Schülern kön lichen Paradigmen gelehrt: Neoklassik, Gleichgewichtstheorie, denn aus der Schule? In der Grundschule kommt ein Spar- auf die besonderen pädagogischen tären Bewegung der 1960er-Jahre. Sie nte in großen Teilen auch eine Alter- Homo oeconomicus und so weiter. Den Studierenden wird kassenvertreter und erzählt, dass ein Sparbuch eine gute Ansätze der Gründerpersönlichkeiten überlassen den Kindern — wie das Vor- nativschule beschreiben. Und im Stadt- der Eindruck vermittelt, dass nur das richtig ist und Bestand Sache sei, später wird das Planspiel Börse gemacht. Das ist Rudolf Steiner (Waldorf) und Maria Mon- bild Summerhill — große Freiräume, teil Wilhelmsburg eröffnete zum Schul- haben wird, was aktuell gelehrt wird. Die vielfältige Geschichte, gnadenlos einseitig. Deswegen wäre es in der Schule fast tessori zurückgehen, sind die Gemein- teilweise ohne Vorgaben für die Lernin jahr 2014/15 die erste staatlich getra- halte. Auch Freie Schulen setzen in gro- die verschiedenen Methoden und konkurrierenden Theo- noch wichtiger, die Vielfalt zu fördern. samkeiten. „Wir unterrichten Kinder, gene Waldorfschule — eine Frucht der ßem Maße auf die Mitarbeit der Eltern. rien werden nicht aufgezeigt. Und sich eine eigene Meinung nicht Fächer“, sagt Jens Großpietsch, Lei- gegenseitigen Neugier von Grundschul- zu bilden, ist erst recht nicht gefragt. plurale-oekonomik.de ter der Heinrich-von-Stephan-Gemein- freie-alternativschulen.de pädagogen verschiedener Richtungen. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
24 BLICKWINKEL 25 Was hat Bildung mit Geld zu tun? Wir fragen — Experten antworten. Die Logik hinter dem Modell ist ein- BILDUNG: GESCHENKT! FREI STUDIEREN, FREI FINANZIEREN ÖFFENTLICHE BILDUNGSRÄUME?! fach: Durch gute Bildung erreichen „Öffentliche Erziehung scheint mir ganz außerhalb der Schranken Bildung braucht Geld. Doch nach ihrem Preis zu fra- Ein Studium kostet Geld, ob für Bücher, Menschen oft mehr. Ein Teil des Mehr- zu liegen, in welchen der Staat seine Wirksamkeit entfalten muss.“ gen, ist sinnlos. Preise beruhen auf gegenwärtigen Be- Menschen oder Geräte. Über die Frage, werts fließt zurück in das Modell, WILHELM VON HUMBOLDT dürfnissen und vergangenen Erfahrungen. Doch Bil- wer die Kosten tragen soll, entbrennt damit weitere Generationen davon dung ist auf Zukunft bezogen. Sie öffnet Menschen Frei- oft Streit. Und so komplex die Debatte profitieren können. Es war Wilhelm von Humboldt, der als erster deutlich räume, jemand anderes zu werden und Welt neu zu inhaltlich auch ist, es haben sich zwei Was mit ihren Beiträgen passiert, zu machen versuchte, dass Bildung als öffentliche Auf- gestalten. Ein quantitatives Maß, über das in der Ge- unversöhnliche Lager gebildet: pro und können Studierende als ein Gesell- gabe zu verstehen ist — nicht jedoch als staatliche. Für genwart bereits bestimmt und entschieden wäre, contra Studiengebühren. Zwischen den schafter ihrer Universität mitentschei- ihn war Bildung nicht eine Veranstaltung für das Volk, kann es für sie nicht geben, oder es bleibt — wie etwa beiden Polen scheint eine öde Wüste den. So tragen sie dazu bei, dass ihre um Staatsbürger zu erziehen, sondern das eigentliche im Falle der PISA-Studien — rein willkürliche Setzung. zu liegen. Ein fruchtbarer Streit versandet Universität auch für kommende Gene- Initiativ- und Selbstbesinnungsfeld der Gesellschaft. Bildung entzieht sich also der Logik des Kaufens meist. Dabei gibt es Alternativen, die rationen ein fruchtbarer Boden bleibt. Deshalb wollte er die durch ihn begründete Universität und Tauschens. Doch auch das Leihen wird ihr nicht weit mehr sind als eine Fata Morgana. Aus diesem Blickwinkel hat das in Berlin auch in „pekuniärer Hinsicht“, das heißt finan- gerecht. Zwar verschafft dieses uns tatsächlich Geld, An der Universität Witten/Herdecke Modell aus Witten vielleicht das Poten- ziell, der unmittelbaren Verantwortung der Bürger über- ohne unmittelbar eine Gegenleistung zu verlangen, gibt es so ein alternatives Modell. In ei- zial, mehr zu sein als eine Oase im Ruhr- geben. Selbstverständlich — und das sah Humboldt doch haben wir später „in gleicher Münze“ zurückzu- nem gemeinnützigen Verein von Studie g eb iet. Denn schon John F. Kennedy sehr klar — ist diese mündige und freiheitliche Bildungs- zahlen. Damit aber wird das Geld zum heimlichen renden für Studierende wird der Um- wusste: Es gibt nur eins, was auf Dauer orientierung nur möglich, wenn wir zunehmend auch Maßstab und Horizont auch aller Entwicklung. Gleich gekehrte Generationenvertrag (UGV) teurer ist als Bildung — keine Bildung. wirtschaftlich solidarisch, also in gesamtgesellschaft welcher Bildungsprozess: An seinem Ende müssen umgesetzt. lichen Zusammenhängen, zu denken beginnen. Mensch und/oder Welt zu Waren werden, die das er- Der UGV sichert Freiheiten, die sich NIKLAS BECKER Wo durch freie Zusammenschlüsse gesellschaftliche forderliche Mehr an Geld erbringen. Von der prinzi andere Hochschulen meist nicht leisten ist Student der Bereiche aus bloß privater oder wirtschaftlicher Nut- Philosophie, piellen Offenheit der Bildung bleibt so kaum mehr als können. Bei der Bewerbung um einem Politik und Öko zung gelöst und für Bildungsprozesse geöffnet werden, das Risiko des Scheiterns. Diese verhängnisvolle Ver- Studienplatz zählt die Persönlichkeit, nomik sowie Vor- können lebensvoll-öffentliche Bildungsräume entste standsmitglied kürzung unseres Bildungsverständnisses durchbricht nicht die Solvenz. Ein Studium ist durch hen. So wird eine wirkliche Chancengleichheit ermög- der Studierenden allein das Schenken. Ohne ein Äquivalent in der Ge- den UGV in Regelstudienzeit studier- Gesellschaft Wit- licht — sind doch sogenannte „bildungsferne Schichten“ genwart zu fordern, ermöglicht es zugleich eine schöp- bar. Studierende leisten jedoch oft mehr ten/Herdecke e. V. kein Naturereignis, sondern die Folge unseres zentrali- ferische Zukunft. Wer Bildung schenkt, eröffnet Frei- als in der Regelstudienzeit möglich und sierten Bildungssystems, das mit seinen Selektions- räume, in denen Gemeinschaften Persönlichkeitsent- mit Geld bezahlbar wäre: in unzähligen mechanismen individuelle Entwicklungswege unter- wicklung und Weltgestaltung bis tief hinein in die sozialen Projekten, in Start-ups, bei der bindet. Nicht durch abfragbares Wissen, das im Hinblick Ebene der eigenen Maßstäbe verbinden und realisieren Mitgestaltung ihrer Universität. Eine auf Musterlösungen zentraler Prüfungen auswendig können. Wirklicher Kulturwandel — auch der Geld- freie Ausformung des Studiums also, denn gelernt wird, sondern durch die Vielfalt individueller wirtschaft — kann nur so gelingen. Bildung braucht Zeit. Fähigkeiten und das Verantwortungsbewusstsein Ein- Der UGV ist dabei kein Bankdarle- zelner entwickelt sich eine mündige Gesellschaft. SILJA GRAUPE hen. So können sich Alumni nach ihrem Konrad Schily fordert in seinem Buch „Der staatlich ist Professorin Studium um ihre Berufung kümmern bewirtschaftete Geist“ in diesem Sinne den Rückzug für Philosophie und Ökonomie und müssen sich nicht einen Beruf su- des Staates aus der Verwaltung der Bildung. „Das wird sowie Mitglied chen, der eine monatliche Rate für die die Menschen ermutigen, die für das Land, für die Men- des designierten Präsidiums der Rückzahlung eines Kredits sichert. schen etwas bewegen wollen.“ Cusanus Hoch- schule in Grün- dung. CLARA STEINKELLNER, freiebildungs stiftung.de BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
26 STANDPUNKT NETZWERK 27 Freie Ausbildung und Dabei geht es sowohl um ein breites Allgemeinwissen als auch um kognitive, motorische und soziale Fähigkeiten. In- haltlich sind der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Er- kenntnisse zu vermitteln, die Verfahrensweisen und Systeme Bildung Forschung für ein der Arbeitswelt sowie die wesentlichen gesellschaftlichen Fragestellungen. Gleichzeitig muss Bildung aber unabhängig von jeglichen politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Interessen bleiben, ja sogar zu einem kritischen Umgang für alle werteorientiertes mit ihnen befähigen, um ihre Weiterentwicklung bzw. Inno- vations- und Zukunftsfähigkeit sicherzustellen. Insbesondere Schulen und Hochschulen in freier, nicht staatlicher Trägerschaft haben in den vergangenen Jahr- Bankwesen zehnten wertvolle Beiträge in diese Richtung geleistet. Sie haben ihre Freiheit dazu genutzt, attraktive pädagogische Konzepte zu entwickeln, die sich im Qualitätswettbewerb behaupten können. Einiges wurde mittlerweile von Schulen in staatlicher Trägerschaft übernommen. Außerdem ist Freiheit ist erlebbar, insofern es die Elternschaft auch durch das finanzielle Engagement in- TEXT Dr. Claudia Langen gelingt, seinen eigenen Idealen, tensiver in die Schulentwicklung miteinbezogen. Gegen den allgemeinen Trend gewannen die Schulen in freier Träger- Werten und Ideen zu folgen. Dabei schaft darum in den letzten Jahren weiter an Schülerinnen werden auch Bezüge des Einzel- und Schülern und bauten ihre Angebote aus. Für eine nachhaltige gesellschaftliche Weiterentwicklung Als ein kleiner Kreis engagierter Praktiker aus Ökonomische Bildung jenseits des Mainstreams Das Institute for dem Umfeld der GLS Bank und befreundeter Seitdem steht das ISB für ökonomische Bildung nen zur Gesellschaft deutlich: Die ist allerdings auch ein gleichberechtigter Zugang zur Bil- europäischer Finanzinstitute vor rund zehn Jah- besonderer Art: Es gibt vielfältige Weiterbildungs- Social Banking e. V. (ISB) setzt sich mit individuelle Freiheit ist eine dung notwendig. Schulen in freier Trägerschaft müssen sich darum dem nicht von der Hand zu weisenden Vorwurf ren das Konzept für ein — so der Arbeitstitel — und Trainingsangebote, die auf die speziellen Bildungsangeboten „Institute for Worldwide Human Banking“ ent- Anforderungen an eine Tätigkeit in einer werte- und Forschungspro Voraussetzung für die gesellschaft stellen, die Schülerschaft zu spalten: Kinder aus engagierten warf, sprach noch kaum jemand von einer Finanz- basierten, sozial verantwortlichen Bank zuge- jekten besonderer Art für ein sozial liche Entwicklung — in kultureller, Bildungselternhäusern besuchen verstärkt Freie Schulen, andere eher staatliche Schulen. Die Frage stellt sich somit, krise und somit über Alternativen zum gängi- schnitten sind. Dazu gehören auch Studienange- verantwortliches gen Bankwesen. Die Aktionsfelder waren aber bote und Forschungsprojekte an Hochschulen, wirtschaftlicher und politischer wie die Vorteile der Freien Schulen mit den Vorteilen einer bereits klar: Das im Jahr 2006 in Bochum ge- wie z. B. ein berufsbegleitender Masterstudien Geld- und Finanz- wesen ein. Die GLS Hinsicht. Die gesellschaftliche 100-prozentigen staatlichen Finanzierung kombiniert wer- den können. Dafür brauchen wir ein Schulfreiheitsgesetz, gründete Institute for Social Banking (ISB) gang an der englischen Plymouth University und Bank gehört zu den Gründungsmitglie- wollte und will ein Zertifikatskurs (Certificate in Socially Res- Aufgabe von Bildung ist es daher, das den Schulen eine viel stärkere pädagogische, personelle ponsible Finance) in Kooperation mit der Alanus dern des gemein- nützigen Vereins. die Ichentwicklung des Einzelnen und finanzielle Eigenständigkeit ermöglicht, so dass jede Schule ein eigenes Profil entwickeln kann und insofern eine 1 Hochschule in Alfter bei Bonn. den Bedarf an spezifischen Bildungsangeboten für genauso zu fördern wie seine freie Schule wird. Voraussetzung dafür ist, dass der Staat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alternativer Bildungsangebote für Laien und Experten Sozialisationsfähigkeit. direkt oder indirekt etwa über Bildungsgutscheine (siehe Klartext, S. 45) die volle Finanzierung übernimmt, wobei die Finanzinstitute, ihren potenziellen Nachwuchs und Mit der International Summer School, die 2014 Interessierte aus ihrem Umfeld aufgreifen sowie zum siebten Mal — diesmal in Kooperation mit Gesamtausgaben nicht höher sein müssen als bisher. Die dazu konkrete Seminar- und Studienangebote der französischen Mitgliedsbank La Nef in Lyon pädagogische Freiheit und Selbstverwaltung bedarf natür- entwickeln — stattgefunden hat, bietet das Institute for lich gesetzlicher Rahmenbedingungen und Grundstandards. Social Banking einmal jährlich allen Interessier- Beispielsweise sollten Schulen einen bestimmten Anteil 2 ten die Möglichkeit, sich intensiv mit Fragen zu der Schülerinnen und Schüler aus dem lokalen Umfeld oder Forschungsarbeiten zur Theorie und Praxis eines einem sozial verantwortlichen Bank- und Finanz- auch mit besonderem Förderbedarf aufnehmen müssen. sozial-ökologischen Geld- und Finanzwesens an- wesen zu beschäftigen, gemeinsam mit fach- DR. CLAUDIA Eine vergleichbare Entwicklung ist ebenso im Hoch- stoßen und begleiten kompetenten Referenten und Teilnehmern aus LANGEN schulbereich notwendig. Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz Vorstandsmitglied verschiedenen Ländern. Im nächsten Sommer wer- wurde 2006 in Nordrhein-Westfalen ein erster sinnvoller des Institute for 3 den die GLS Bank und die Akademie Deutscher Schritt in diese Richtung getan. Wie schwer sich der Staat Social Banking e. V. und darüber hinaus den öffentlichen Diskurs zu Genossenschaften Mitveranstalter der Summer allerdings mit wirklich freien Bildungsangeboten tut, zeigt Fragen eines sozial und ökologisch verantwor School sein, die vom 5. bis 10. Juli 2015 in Mon- die aktuelle Entwicklung in Nordrhein-Westfalen: Mit ei tungsbewussten Bank- und Finanzwesens fördern. tabaur unter dem Titel „We cooperate!“ statt- nem Hochschulzukunftsgesetz sollen Teile dieser Freiheit find en wird. Mehr Informationen dazu sind ab beschnitten werden, obwohl das Hochschulfreiheitsgesetz Januar auf der ISB-Website zu finden. in qualitativer Hinsicht nur positive Entwicklungen zeigt. Die Erkenntnis, dass ein Hochschulfreiheitsgesetz — insofern Netzwerk und Plattform es seinem Namen gerecht wird — schon das allerbeste Als Mitgliederverein ist das Institute for Social Zukunftsgesetz ist, muss sich offensichtlich erst langsam Banking auch ein Netzwerk engagierter Personen durchsetzen. und Unternehmen, die auf Veränderungen im Geld- und Finanzwesen hinwirken wollen. Jeder, der THOMAS JORBERG ist Vorstandsspre- dieses Forum nutzen möchte, um sich zu informie cher der GLS Bank ren oder zu beteiligen, ist herzlich eingeladen! und u. a. Mitglied social-banking.org im Hochschulrat der Ruhr-Universität Bochum. BANKSPIEGEL 2/2014 Bildung und Geld
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