DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER
FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY -
EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE

                        Masterarbeit
     an der Technischen Universität Berlin, Lehrstuhl Marketing

                 Prof. em. Dr. Volker Trommsdorff

                       Dr. Wolfgang Merten

                          eingereicht von

                           Jörg Weiss

                         Juni 2015, Berlin
DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
ABSTRACT

Die Sitcom The Big Bang Theory (TBBT) ist die beliebteste Serie Deutschlands. Die
US-amerikanische       Serie       zeigt      das      Arbeits-    und     Privatleben      von
Naturwissenschaftler_innen. Neben den üblichen Comedy-Elementen der Sitcom
werden Wissenschaftsalltag und Wissenschaftsthemen gezeigt, ohne dass die Serie
dezidiert als wissenschaftliches Format auftritt. Aufgrund ihrer hohen Bekanntheit
kann    TBBT     auch     popkulturelle          Informationsquelle      über     den     Beruf
Naturwissenschaftler_in        sein.     Damit       ist   TBBT     auch    interessant      für
Wissenschaftsmanager_innen             und    –kommunikatoren_innen,        die    sich     mit
Nachwuchsförderung im MINT-Bereich befassen. In dieser Arbeit wurde die
Darstellung von Wissenschaft und insbesondere des Wissenschafts-Berufs in TBBT
mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis,
dass TBBT ein umfangreiches und vergleichsweise authentisches Bild der
Naturwissenschaft und seine Akteur_innen liefert. Sie zeigt Arbeitsumfeld und
Arbeitsweise der Naturwissenschaftler_innen. Diese Arbeit kann wichtige Grundlage
einer Bewertung der Serie hinsichtlich möglicher positiver und negativer Effekte auf
die Nachwuchsförderung für die Wissenschaft sein, diese Frage aber nicht
abschließend beantworten. Außerdem liefert sie Informationen über gängige
Stereotype       von                       Wissenschaftler_innen           und          versorgt
Wissenschaftkommunikator_innen mit Informationen über den Inhalt der beliebtesten
(Wissenschafts-)Sendung Deutschlands.

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
INHALTSVERZEICHNIS
1.! EINLEITUNG*..............................................................................................................................*2!
   1.1! WISSENSCHAFTSMARKETING,!NACHWUCHSFÖRDERUNG!UND!UNTERHALTUNGS7TV!............!3!
   1.2! WARUM!THE!BIG!BANG!THEORY!UND!WORUM!GEHT!ES!DA?!.......................................................!6!
   1.3! WARUM!DIESE!ARBEIT!WICHTIG!IST!..................................................................................................!7!
   1.4! ÜBERBLICK!ÜBER!DIE!ARBEIT!.............................................................................................................!8!
2.! FORSCHUNGSSTAND*UND*HINTERGRUND*.....................................................................*9!
   2.1! DIE!ABBILDUNG!VON!WISSENSCHAFT!UND!SEINEN!AKTEUR_INNEN!IM!FERNSEHEN!..............!9!
   2.2! FORSCHUNG!ZU!TBBT!........................................................................................................................!11!
   2.3! RELEVANTE!THEORIEN!......................................................................................................................!12!
   2.4! DAS!MEDIUM!SITCOM!.........................................................................................................................!14!
   2.5! DER!NERD7BEGRIFF!............................................................................................................................!15!
3.! FORSCHUNGSFRAGEN*.........................................................................................................*17!
4.! METHODE*................................................................................................................................*19!
   4.1! MATERIAL!VERDICHTEN!UND!BESCHREIBEN!7!DIE!QUALITATIVE!INHALTSANALYSE!(QIA)!19!
   4.2! BESONDERHEITEN!DER!FILMANALYSE!............................................................................................!21!
   4.3! METHODISCHES!VORGEHEN!..............................................................................................................!23!
5.! ERGEBNISSE*............................................................................................................................*27!
   5.1! KAPITEL!1:!ORTE!..............................................................................................................................!27!
      5.1.1! Wissenschaftliche/Orte:/Forschen/und/Plauschen/......................................................../28!
      5.1.2! Wohnräume:/Das/Zuhause/der/Wissenschaftler_innen/............................................../33!
      5.1.3! FreizeitAOrte:/Hier/haben/Die/Wissenschaftler_innen/Spaß/...................................../38!
   5.2! KAPITEL!2:!PERSÖNLICHKEITEN!...................................................................................................!40!
      5.2.1! Die/Schöne/und/das/Genie:/Penny/und/Sheldon/............................................................./41!
      5.2.2! Ein/breites/Spektrum/an/NerdATypen:/Leonard,/Howard,/Rajesh,/amy/und/
      Bernadette/..................................................................................................................................................../47!
   5.3! KAPITEL!3:!PRIVATE!THEMEN!.......................................................................................................!51!
   5.4! KAPITEL!4:!WISSENSCHAFTLICHE!THEMEN!................................................................................!54!
      5.4.1! Naturwissenschaftliche/Themen/dominieren/................................................................./54!
      5.4.2! Wissenschaft/als/Randnotiz/.................................................................................................../55!
   5.5! KAPITEL!5:!BERUFSBILD!.................................................................................................................!59!
      5.5.1! Tätigkeitsfelder:/Hier/sind/sie/Nerds/,/hier/dürfen/sie/es/sein/................................../59!
      5.5.2! Arbeitsweise/................................................................................................................................../65!
      5.5.3! Ruhm/und/Ehre/in/der/Wissenschaft:/Konkurrenz/und/das/Streben/nach/
      Wertschätzung/............................................................................................................................................/67!
   5.6! EXKURS:!WISSENSCHAFTLER_INNEN!IM!FERNSEHEN!................................................................!69!
6.! DISKUSSION*............................................................................................................................*70!
   6.1! DARSTELLUNG!VON!WISSENSCHAFT!IN!THE!BIG!BANG!THEORY!...............................................!70!
   6.2! BEEINFLUSST!TBBT!DIE!BERUFSWAHL!JUGENDLICHER?!...........................................................!73!
   6.3! LIMITATIONEN!DER!METHODE!.........................................................................................................!75!
   6.4! AUSBLICK:!TBBT!UND!DAS!WISSENSCHAFTSMARKETING!..........................................................!75!
LITERATURVERZEICHNIS*...........................................................................................................*77!
ANHANG*...........................................................................................................................................*80!

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
1. EINLEITUNG
   1.1          WISSENSCHAFTSMARKETING, NACHWUCHSFÖRDERUNG UND
         UNTERHALTUNGS-TV

Wissenschaftsmarketing will vor allem eines: Optimale Rahmenbedingungen schaffen
für das Gedeihen von Wissenschaft und Forschung einer entsprechenden Einrichtung.
Eine Aufgabe des Wissenschaftsmarketings ist es, dafür zu sorgen, dass genügend
wissenschaftlicher Nachwuchs vorhanden ist.

Insbesondere in den MINT-Fächern herrschte lange Zeit große Sorge um den
Nachwuchs. Erfreulicherweise hat sich die Lage in den letzten Jahren etwas
entspannt. Der Anteil der MINT-Absolvent_innen an allen Hochschulabsolvent_innen
stieg zwischen 2005 und 2012 von 31,3 auf 35,2 Prozent (Anger et al. 2014). Ziel sind
40 Prozent. Und auch der noch immer relativ niedrige Frauenanteil in den
Naturwissenschaften ist verbesserungswürdig. Neben dem System Schule und Politik
sind auch die wissenschaftlichen Einrichtungen gefragt, Projekte und Initiativen zu
starten, die junge Menschen für die Wissenschaft begeistern –auch hier muss
Wissenschaftsmarketing ansetzen.

Um im Dickicht der Formate und (Kommunikations-)Möglichkeiten des modernen
Wissenschaftsmarketings den Überblick zu bewahren, hilft ein Merksatz mehr denn
je: Kommuniziere zielgruppengerecht! Bevor wir also loslegen, interaktive
Veranstaltungen organisieren, twittern und bloggen, lohnt es sich, einen Moment inne
zu halten und uns zu fragen: Wissen wir genug über die Interessen und Vorlieben der
Jugendlichen? Wie ist deren (Kommunikations-)Verhalten?

Der medienpädagogische Forschungsverbund Südwest veröffentlicht jährlich eine
umfangreiche Studie zur Mediennutzung von Jugendlichen. In ihr erfahren wir, dass
Jugendlich vor allem (mobil) im Internet surfen und über ihr Handy kommunizieren
(Feierabend et al. 2014). Sie nutzen Online-Videoportale, aber auch nach wie vor den
Klassiker unter den elektronischen Medien, das Fernsehen. 83 Prozent der
Jugendlichen schau regelmäßig fern (mindestens mehrmals pro Woche, Internet 94 %,
Handy 93 % ).

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte 2010 eine Umfrage, in
der knapp 2500 Jugendliche zu ihrer Berufswahl befragt wurden1. 23 Prozent der
Jugendlichen sind durch Filme und Serien auf ihren späteren Wunschberuf
aufmerksam geworden. Nur 13 Prozent der Befragten sind durch die Schule und nur
17 Prozent durch eine Berufsberatung auf ihren Beruf gekommen.

Der Einfluss von Massenmedien auf die Berufswahl von Jugendlichen kann nicht
unerheblich sein. Arztserien wie Dr. House und Scrubs – Die Anfänger können
Jugendlichen ein Medizinstudium schmackhaft machen.2 Und die zahlreichen CSI-
Krimi-Serien haben angeblich die Studierendenzahlen in der forensischen
Wissenschaft in Großbritannien verdoppelt.3 Es gilt auch als bewiesen, dass die Serie
einen Einfluss auf das Rechtssystem hat – der „CSI-Effekt“ –, hierzulande und
insbesondere in der USA (siehe auch Ley et al. 2012). Demnach stieg das Verlangen
nach DNA-Tests im Rahmen von Rechtsprechungen aufgrund der Serie an.

Interessanterweise sind unter den Top 20 Fernsehsendungen in Deutschland gleich
mehrere Berufsgruppen vertreten (Tabelle 1):

    •   Polizisten, Juristen, etc: Tatort, Navy CIS, Criminal Minds, CSI - Den Tätern
        auf der Spur, CSI: Miami, CSI: NY, Alarm für Cobra 11 - Die
        Autobahnpolizei
    •   Mediziner: Scrubs - Die Anfänger, Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte
    •   Naturwissenschaftler: The Big Bang Theory

1 http://www.bmbf.de/_media/press/pm_20100906-147.pdf, Zugriff am 25. Juni 2015

2 http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-05/berufswahl-jugendliche, Zugriff am 25. Juni 2015

3 http://www.telegraph.co.uk/education/6348107/CSI-fuels-forensic-science-degree-rise.html, Zugriff
am 25. Juni 2015

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
TABELLE 1: Ranking der beliebtesten Fernsehserien in Deutschland im Jahr 2014. Mehr als 25
Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 49 Jahren gaben an, die Sitcom The Big Bang Theory
regelmäßig oder sogar jede Folge der Sitcom zu schauen. Erhebungszeitraum: 28.07.2014 bis
31.07.2014,          14-49        Jahre,        Online-Umfrage,   729         Befragte, Quelle:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/318235/
umfrage/ranking-der-beliebtesten-fernsehserien-in-deutschland/ Zugriff am 25. Juni 2015

Fernsehserie                                                                   [%]
The Big Bang Theory (TBBT)                                                     25,37
How I met your Mother                                                          22,64
Two and a Half Men                                                             22,09
Die Simpsons                                                                   17,01
Tatort                                                                         13,85
Gute Zeiten Schlechte Zeiten (GZSZ)                                            13,58
Scrubs - Die Anfänger                                                          12,62
Navy CIS                                                                       12,48
Criminal Minds                                                                 10,98
King of Queens                                                                 10,16
Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte                                              9,47
CSI - Den Tätern auf der Spur                                                  9,19
The Walking Dead                                                               8,92
CSI: Miami                                                                     8,65
CSI: NY                                                                        8,64
Game of Thrones                                                                8,37
Sex and the City                                                               8,23
Alarm für Cobra 11 - Die Autobahnpolizei                                       7,82
Supernatural                                                                   7,81
Malcolm mittendrin                                                             7,68

Für das Wissenschaftsmarketing in Deutschland gibt es also zunächst eine sehr gute
Nachricht: Zu den mit Abstand beliebtesten Fernsehsendungen bei Jugendlichen (14-
19 Jahre) gehören Sitcoms wie The Big Bang Theory – eine Serie über das Privat- und
Berufsleben von US-amerikanischen Naturwissenschaftler_innen (JIM-Studie, 2014
(Feierabend et al. 2014)). Bei den 14 bis 49-Jährigen belegt The Big Bang Theory
sogar den ersten Platz im Ranking der beliebtesten Fernsehserien. Mehr als 25
Prozent der Befragten gaben an, die Serie regelmäßig oder sogar jede Folge der
Sitcom zu schauen.

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
Zur Illustration der Bedeutung der Serie folgende Rechnung: 10,8 Prozent 4 der
Deutschen sind im Alter von 14 – 24 Jahren. Rund 26 Prozent der Jugendlichen
gaben in der JIM-Studie 2014 The Big Bang Theory als ihre Lieblingsserie an. Bei
einer Einwohnerzahl von 81,1 Millionen Menschen, ist davon auszugehen, dass das
Bild von Wissenschaft in den Köpfen von mehr als zwei Millionen deutscher
Jugendlicher von The Big Bang Theory beeinflusst wird. Eine beachtliche Reichweite.

Grund genug für alle, die sich um Nachwuchs für die Wissenschaft sorgen, zu fragen:
Wie werden Wissenschaftler_innen in The Big Bang Theory dargestellt? Ist die Serie
gut oder schlecht für das Image von Wissenschaft und Forschung. Und wie könnte
das Wissenschaftsmarketing den Hype um die Serie nutzen?

    1.2           WARUM THE BIG BANG THEORY UND WORUM GEHT ES DA?

The Big Bang Theory (TBBT) ist eine US-amerikanische Sitcom mit derzeit 8
Staffeln (insgesamt 183 Folgen). Ihre amerikanische Erstaustrahlung erfolgte 2007
und seit 2009 wird sie auch in Deutschland ausgestrahlt. TBBT ist außergewöhnlich,
weil alle Hauptpersonen Wissenschaftler_innen sind und deren Privat- und
Berufsleben gezeigt wird. Meines Wissens gibt es nur eine vergleichbare Serie:
„Eureka – Die geheime Stadt“ (Genre: Science-Fiction/ Dramedy). Und wichtiger
noch, TBBT ist die einzige mir bekannte erfolgreiche Wissenschafts-Comedy-
Sendung (siehe dazu auch Weingart et al. 2003).

Im Zentrum der Serie stehen die zwei Physiker, Dr. Sheldon Cooper und Dr. Leonard
Hofstaedter sowie deren Nachbarin Penny. Sheldon und Leonard wohnen zusammen
in einer Wohngemeinschaft und arbeiten am selben Institut der Physik, am California
Institute of Technology (Caltech). Leonard und Penny befinden sich über mehrere
Staffeln hinweg in einer On/Off-Beziehung. Howard Wolowitz und Dr. Rajesh
Koothrappali arbeiten ebenfalls am Caltech und sind beste Freunde. Sheldon,
Leonard, Howard und Rajesh („die Jungs“) verbringen regelmäßig ihre Freizeit
zusammen – meist in Leonard und Sheldons Wohnung. Amy ist in einer Beziehung

4
 http://de.statista.com/statistik/daten/studie/7082/umfrage/anteil-jugendlicher-an-der-
gesamtbevoelkerung-der-eu-staaten/, Zugriff am 25. Juni 2015

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
mit Sheldon und Bernadette ist die Verlobte und spätere Ehefrau von Howard. Die
drei Frauen treffen sich gelegentlich für Frauenabende.

Handlung und Komik der Serie entstammen den Problemen der Charaktere und ihren
Beziehungen zueinander. Allen voran die Eigenarten des Sonderlings Sheldon und die
Probleme die er seinen Mitmenschen macht. Die männlichen Hauptcharaktere werden
häufig als „Nerds“ bezeichnet. Nerds sind unattraktive Außenseiter, die sich in
besonderem Maße für Themen wie Wissenschaft, Technologie, Science-Fiction und
Fantasy interessieren (vgl. 2.5., Nerd-Begriff). Penny hingegen ist der stereotype
Anti-Nerd. Viele Konflikte speisen sich aus diesem Spannungsfeld.

   1.3        WARUM DIESE ARBEIT WICHTIG IST

Das Fernsehen kann Informationsquelle für Jugendliche über den Beruf
Wissenschaftler_in sein (Steinke et al. 2006). Insgesamt sind Wissenschaftler_innen
im Fernsehen vergleichsweise selten anzutreffen (Gerbner 1987; Dudo et al. 2010).
Neben der Häufigkeit ist aber vor allem die Art und Weise wichtig, wie
Wissenschaftler_innen im Fernsehen auftreten. Die Sozialpsychologie nennt in
diesem Zusammenhang den Mechanismus des Selbst-Prototyp-Abgleichs (siehe 2.2
und Hannover & Kessels 2004). Kurz: Jugendliche vergleichen ihr Selbstbild mit
stereotypen Vertretern der relevanten Berufsgruppe (person-in-situation-prototypes),
um zu entscheiden, welchen Berufsweg sie einschlagen. Hoch interessant ist daher die
Frage mit welchen Eigenschaften die Wissenschaftler_innen in TBBT versehen
werden.

Aufgrund der enormen Popularität der Serie kann die hier vorliegende Arbeit indirekt
auch als Stimmungsmesser für Wissenschaftkommunikator_innen und -manger_innen
dienen. Obwohl sie in ihrer Aussagekraft keinesfalls mit einer repräsentativen
Umfrage vergleichbar ist, kann sie Information über gängige Stereotype von
Wissenschaft und seiner Akteur_innen liefern. Ob die Drehbuchautoren bereits
existierende Stereotype aufgreifen und verstärken oder ihre eigenen Vorstellungen als
(neue) Stereotype etablieren, hat im gesellschaftlichen Kontext eine ähnliche

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
Konsequenz. Fakt ist, dass fiktive Wissenschaftler_innen zu einem gewissen Maße
real existierende Stereotype des Berufs Wissenschaftler_in repräsentieren.

Nicht zuletzt sei erwähnt, dass sich um TBBT eine riesige Fangemeinde gebildet hat.
Geschickte Kommunikator_innen nutzen den Hype um TBBT. Denkbar wären
popkulturelle Referenzen zu TBBT als Aufhänger für Wissenschaftkommunikation,
beispielsweise eine öffentliche, wissenschaftliche Vorlesung zur Physik in TBBT.
Diese Arbeit bietet einen Eindruck über die Themen und die Struktur der Serie.

Eine qualitative Inhaltsanalyse der Darstellung von Wissenschaft und des
Wissenschafts-berufs in TBBT ist daher aus drei Gründen interessant: Sie

   •     ist wichtige Grundlage einer Bewertung der Serie hinsichtlich möglicher
         positiver und negativer Effekte auf die Nachwuchsförderung für die
         Wissenschaft.
   •     liefert     Wissenschaftskommunikator_innen          und      –manager_innen
         Informationen über gängige Stereotype das System Wissenschaft und seine
         Akteur_innen betreffend.
   •     versorgt Wissenschaftkommunikator_innen mit Informationen über den Inhalt
         der beliebtesten (Wissenschafts-)Sendung Deutschlands.

   1.4             ÜBERBLICK ÜBER DIE ARBEIT

Zunächst möchte ich die Leser_innen dieser Arbeit über den Stand der Forschung
zum Bild der Wissenschaftler_in im Unterhaltungsfernsehen informieren (2.1). Auch
werde ich Studien zu TBBT vorstellen (2.2) und relevante theoretische Konzepte
einführen (2.4). Nachdem ich dann das Genre Sitcom (2.4) und den für diese Arbeit
wichtigen     „Nerd“-Begriff   (2.5)   vorgestellt   habe,   konkretisiere   ich   meine
Forschungsfragen (3.). Unter 4. finden sich alle Informationen zur Methode dieser
Arbeit, inklusive einer Begründung der Methodenwahl (4.1) sowie Hinweisen zur
Filmanalyse (4.2). Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in fünf Kapiteln im
Ergebnisteil (5.) dargestellt. Den Ergebnissen folgen schließlich Diskussion und
Ausblick (6.).

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DARSTELLUNG VON WISSENSCHAFT IN DER FERNSEHSERIE THE BIG BANG THEORY - EINE QUALITATIVE INHALTSANALYSE - Wissenschaft im Dialog
2. FORSCHUNGSSTAND UND HINTERGRUND

    2.1        DIE   ABBILDUNG          VON   WISSENSCHAFT         UND     SEINEN

          AKTEUR_INNEN IM FERNSEHEN

Wissenschaft    im   Fernsehen    ist   keinem    speziellen   Genre    zugeordnet.
Wissenschaftliche Themen finden sich typischerweise in Magazinen, Ratgebern,
Dokumentationen, Talkshows (Lehmkuhl 2010). Lehmkuhl definiert solche
Sendungen als Wissenschaftssendungen. Er bedient sich dabei inhaltlicher Merkmale.
So ist eine Sendung für Lehmkuhl dann eine Wissenschaftssendung, wenn sie
Forschungsergebnisse zeigt oder Themen aus der Lebenswelt der Zuschauer_innen (z.
B. Gesundheitsfragen) mit wissenschaftlichen Erklärungen verbindet. In seiner
Erhebung zählt Lehmkuhl 94 Sendungen mit wissenschaftlichem Inhalt im deutschen
Fernsehen (2007 und 2008). Deren Marktanteil beträgt (nur) 1 Prozent.

F IKTIONALE W ISSENSCHAFTLER _ INNEN

Wissenschaftler_innen gibt es auch im Unterhaltungsfernsehen. Meist handelt es sich
bei den Wissenschaftler_innen im Unterhaltungsfernsehen um fiktive Charaktere.
Typischerweise sind solche fiktiven Charaktere im Science-Fiction Genre anzutreffen
(vgl. 5.6).

Dudo et al. (2010) untersuchten die Darstellung von Wissenschaftler_innen im US-
amerikanischen Prime-Time-Fernsehen in den Jahren 2000 bis 2008. Nur 1 Prozent
der fast 3000 untersuchten Charaktere waren Wissenschaftler_innen. Sieben von zehn
Charakteren waren männlich, 87 Prozent waren weiß. Weingarts (2003) Analyse von
mehr als 200 Filmen kam zu einem ähnlichen Ergebnis (96 % weiß, 82 % männlich).

Die Charaktereigenschaften mit denen Wissenschaftler_innen im Fernsehen belegt
werden sind vielfältig. Studien zur Darstellung von Wissenschaftler_innen im
Fernsehen zeichnen kein eindeutiges Bild (Nisbet & Dudo 2013). Vielmehr machen
sie deutlich, dass verschiedene Typen existieren. Nisbet (2013) identifiziert
beispielsweise vier Archetypen: (1) Dr. Frankenstein – ein Bösewicht, der moralisch
verwerfliche Experimente macht, (2) Powerless pawn – eine Wissenschaftler_in im
Dienste von Regierung oder Militär, die nur Spielball der Hauptpersonen ist, (3)

                                         9
Eccentric geek – eine verschrobene Forscher_in, die sich ganz und gar der
Wissenschaft widmet, und (4) Hero, die Protagonist_in und Weltretter_in, welche die
Handlung dominiert. Wissenschaftler_innen sind intelligent (Gerbner 1987; Long et
al. 2010). Ihr Verhalten widerspricht sozialer Normen: Sie sind zerstreut, exzentrisch
und es mangelt ihnen an sozialer Kompetenz im Umgang mit Mitmenschen (Nisbet &
Dudo 2013; Van Gorp et al. 2014; Long & Steinke 1996). Ihr Handeln wird deutlich
häufiger als gut statt böse kategorisiert (Weingart et al. 2003; Dudo et al. 2010; Nisbet
& Dudo 2013). Stereotype Wissenschaftler_innen sind alleinstehend (Weingart et al.
2003, Gerbner 1987; Steinke 2005) und oft einsam (Van Gorp et al. 2014). Die Arbeit
der Wissenschaftler_innen kann mitunter gefährlich sein (Gerbner 1987; Long &
Steinke 1996, Dudo et al. 2014).

Diese Befunde passen zu den Ergebnissen sogenannter Draw-A-Scientist-Tests. In
diesem Test werden Kinder gebeten, Wissenschaftler_innen zu zeichnen (Chambers
1983). Die Zeichnungen werden dann analysiert. Der Draw-A-Scientist-Test wurde in
seiner ursprünglichen und auch in einer weiterentwickelten Form in verschiedenen
Ländern mit verschieden alten Kindern wiederholt. Van Gorp 2014 fasst die
Ergebnisse    solcher   Studien    folgendermaßen      zusammen:     Kinder    zeichnen
Wissenschaftler_innen oft in weiße Laborkitteln mit Symbolen für Gefahr und
Geheimniskrämerei. Die Wissenschaftler_innen werden hässlich und unmodisch
gezeichnet. Die Wissenschaftler_innen sind alleine und werden nicht mit sozialem
Umfeld gezeigt. Die Wissenschaftler_innen in den Zeichnungen scheinen von ihrer
Arbeit vereinnahmt zu sein.

V ON BESONDEREM INTERESSE : D IE W ISSENSCHAFTLERIN

Weibliche Charaktere im Prime Time-Fernsehen nehmen oft stereotype weibliche
Rollenbilder ein (Lauzen et al. 2008). Verglichen mit männlichen Charakteren, dreht
sich ihr Handeln häufiger um zwischenmenschliche Beziehungen in Familie,
Freundschaft und Liebe. Flicker (2003) untersuchte Wissenschaftlerinnen in Filmen
und kam zum Ergebnis, dass sich die Darstellung der Wissenschaftlerinnen auf deren
Attraktivität und Liebesbeziehungen konzentriert. Flicker identifiziert sechs Typen:
Die alte Jungfer, das Mannsweib, die naive Expertin, die Verschwörerin, die Tochter
oder die Assistentin und die Heldin. Besonders auffallend: „Die naive Expertin“– eine
Wissenschaftlerin, deren Handlung nicht durch Beiträge ihrer wissenschaftlichen

                                            10
Expertise bestimmt ist, sondern durch ihr gutes Aussehen. Sie ist emotional in die
Handlung verwickelt. Steinke (2005) beobachtete Wissenschaftler_innen aber auch in
Führungspositionen und widersprach der Flicker-Studie diesbezüglich. Steinke (2005)
beschreibt Wissenschaftlerinnen als „project directors or equal members of research
teams, knowledgeable, articulate, outspoken, driven, confident, competent, creative,
and independent”.

E XKURS : V IDEOSPIELE , Y OU T UBE UND CO .

Dudo et al (2014) analysierten das Wissenschafts-Bild in Video Spielen.
Wissenschaftler_innen sind dort als wohltätig, motiviert, friedfertig, nerdy und
exzentrisch beschrieben. Eine andere Studie widmete sich Wissenschafts-Charakteren
in der westlichen Literatur (Haynes 2003). Haynes beschreibt sieben Typen: (1) die
Alchimist_in, (2) die Abenteurer_in, (3) die noble Wissenschaftler_in und
Weltretter_in, die (4) törichte, (5) unmenschliche, (6) böse und gefährliche und (7)
hilflose Wissenschaftler_in, der die Kontrolle über seine Arbeit verliert. Laut der JIM-
Studie 2014 spielen gerade Videoportale wie YouTube eine große Rolle für
Jugendliche. Hier fehlen aufschlussreiche Studien. Allgaier (2013) weist darauf hin,
dass Wissenschaft(ler_innen) auch in Musikvideos zu finden sind und nimmt eine
erste Kategorisierung der Videotypen vor. Und Welbourne & Grant (2015)
untersuchten Wissenschafts-Youtubes auf Erfolgskriterien zur Erhöhung der
Klickzahlen.

   2.2         FORSCHUNG ZU TBBT

Zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Arbeit waren mir drei Studien bekannt, die sich
mit Wissenschaft in TBBT beschäftigen.

Monika Bednarek (2012) analysiert die Serie aus einer sprachwissenschaftlichen
Perspektive. Bednarek zeigt anschaulich, wie durch Sprache Charaktereigenschaften
transportiert werden. Sie tut dies am Beispiel von Sheldon, einer der Hauptpersonen.
Bednarek beschreibt Sheldon als sehr von sich und seiner Intelligenz überzeugt. Er ist
regelverliebt, sozial inkompetent und zeigt diverse Nahrungs- und Gesundheitsticks.
Sie beschreibt Sheldon und die anderen männlichen Hauptpersonen als stereotype

                                           11
„Nerds“ (vgl. 2.5). Bednarek verweist aber auch auf die Einzigartigkeit und Vielfalt
der Charaktere.

Heather McIntosh (2014) konzentrierte sich in ihrer Analyse auf Geschlechterrollen
in TBBT. Sie identifiziert im Charakter Bernadette den Typ „naive Expertin“ (vgl, 2.2
und Flicker 2003). Obwohl Bernadette sehr intelligent und beruflich erfolgreich ist, ist
ihre wissenschaftliche Expertise nie Thema der Sendung. Anders ist das im Fall der
Neurobiologin Amy, die oft als ebenbürtige Wissenschaftlerin zu Sheldon auftritt.

Der erst kürzlich erschienene Artikel von Li et al (2015) hat einen ersten Versuch
unternommen, die Wirkung der Serie empirisch zu untersuchen. In ihrem Artikel
untersuchte Li et al Fokus-Gruppen-Diskussion. Die Studie wollte wissen, was
Zuschauer_innen der Serie über „the nature of science“ (die Natur der
Naturwissenschaften)     lernen.   Teilnehmer_innen     der   Fokus-Gruppen      hatten
mindestens 50 Prozent der ersten vier Staffeln gesehen. Aus den Diskussionen wurde
deutlich, dass Teilnehmer_innen drei Aspekte über Naturwissenschaft gelernt hatten:
(1) Naturwissenschaft geht empirisch vor, (2) sie ist subjektiv und theorielastig, (3)
Privat- und Arbeitsleben der Wissenschaftler_innen sind miteinander verwoben.

   2.3         RELEVANTE THEORIEN

Wie wirkt das Medium Fernsehen auf das Weltbild seiner Zuschauer_innen? Und wie
könnte es deren Entscheidungen beeinflussen? Im Kontext dieser Frage, sind zwei
Theorien interessant: Die Kultivationshypothese und der Selbst-Prototypen-Abgleich.

K ULTIVATIONSHYPOTHESE

Seit mehr als 30 Jahren untersucht George Gerbner die Wirkung des Fernsehens auf
die Zuschauer_innen. Die Forschungsgruppe um Gerbner gilt als Begründerin der
Kultivationshypothese (cultivation theory). Sie besagt, dass Vielseher_innn eher dazu
neigen, ein Weltbild innezuhalten, das sich aus Botschaften, Bildern und Geschichten
des Fernsehen speist, als Menschen die seltener fernsehen. Nach Gerbner schaffen
(kultivieren) sich Vielseher_innn mit Hilfe der Informationen aus dem Fernsehen ein
eigenes Weltbild. Problematisch kann es dann werden, wenn das kultivierte Weltbild
stark von der Realität abweicht. Eine Analyse auf Basis der Kultivationshypothese

                                           12
untersucht die Beziehung zwischen Botschaften aus dem Fernsehen und dem Weltbild
der Zuschauer_innen. Eine solche Untersuchung besteht aus drei Schritten (Gerbner et
al. 1986): (1) Analyse von strukturellen und politischen Hintergründen der
Fernsehproduktion (institutional process analysis), (2) detaillierte Inhaltsanalyse des
Fernsehprogramms (message system analyses), (3) Rezipient_innnenbefragung, mit
dem Ziel zu prüfen, inwiefern das Weltbild der Vielseher mit dem des Fernsehens
übereinstimmt.

S ELBST -P ROTOTYPEN -A BGLEICH

Wie entscheiden Jugendliche, welchen Berufsweg sie einschlagen? Die Psychologie
kennt sogenannte Entscheidungsheuristiken – Mechanismen, die uns bei der
Entscheidungsfindung helfen. Besonders interessant im Kontext dieser Arbeit, ist der
sogenannte Selbst-Prototypen-Ablgleich (self-to-prototype matching). Dabei handelt
es sich um eine Entscheidungsheuristik aus der Sozialpsychologie. Daran angelehnt
postuliern Hannover und Kessels (2004) einen Mechanismus nach dem Schüler_innen
Studienfächer auswählen (siehe auch Ryan 2014). Der Selbst-Prototypen-Abgleich
besagt, dass wir zur Entscheidungsfindung unser Selbstbild (self-prototype) mit
verfügbaren stereotypen Vertreter_innn (person-in-situation-prototypes) der für die
Entscheidung relevanten Gruppe vergleichen. Im Schulkontext heißt das: Wenn sich
Abiturient_innen überlegen, in welches Studienfach sie sich einschreiben, dann
gleichen sie ihr Selbstbild mit ihnen bekannten Vertreter_innen (Studierende,
Lehrende, etc.) dieses Faches ab. Eine Übereinstimmung beeinflusst die Entscheidung
positiv. Diese Prototypen (person-in-situation-prototypes) können auch konstruierte
Prototypen, die nur in den Köpfen der Jugendlichen existieren, beispielsweise
bekannte Persönlichkeiten, sein. Es liegt nahe, dass diese Prototypen auch von
Popkultur wie dem Unterhaltungsfernsehen beeinflusst werden können. Die
Charaktere in TBBT können solche Prototypen sein oder bestehende Prototypen
beeinflussen. In einer anderen Arbeit konnte Hannover & Kessels (2002) zeigen, dass
Prototypen in den Köpfen der Schüler_innen verändert werden können, indem
Schüler_innen mit widersprüchlichen Informationen zu ihren Prototypen konfrontiert
werden.

                                           13
2.4           DAS MEDIUM SITCOM

Die Sitcom ist ein Klassiker im Unterhaltungsfernsehen. Seit den 50er-Jahren erfreut
sie sich großer Popularität. Die Sitcom zeigt Szenen aus dem Alltag der US-
amerikanischen Mittelschicht. Dabei will sie auf humoristische Weise unterhalten.
Essentiell ist, dass die Zuschauer_innen mit gewissen sozialen Normen vertraut sind,
die dann von den Charakteren in der Sitcom missachtet werden. Die Zuschauer_innen
müssen diese sozialen Normen kennen oder werden im Rahmen der Sitcom darüber
informiert. Richard Taflinger5 beschreibt folgenden stereotypen Aufbau der Sitcom:

    •     Exposition: Kurze Teaser-Szene, die die Charaktere zeigt und das Thema der
          Folge einführt, gefolgt vom Vorspann.
    •     Problem: Einführung des Problems. Die Charaktere werden mit einem
          moralischen oder emotionalen Dilemma konfrontiert.
    •     Komplikation: Verschlimmerung des Problems. Der ursprüngliche Plan zur
          Problemlösung geht nicht auf. Die Charaktere müssen sich weiterentwickeln
          um das Problem zu lösen.
    •     Krise: Die Charaktere werden zu einer Entscheidung gezwungen oder die
          Situation erreicht einen neuen Tiefpunkt.
    •     Klimax: Die Strategie der Charaktere zur Problemlösung geht auf.
    •     Auflösung: Die natürliche Ordnung – das Equilibrium – ist wieder hergestellt.

Die Charaktere einer Sitcom sind laut Taflinger „not human, but humanoid.“ Die
Charaktere scheinen menschlich – echt –, aber sind im Dienste der Sitcom
überzeichnet. Die Eigenschaften der Charaktere werden übertrieben dargestellt. Sie
sind nicht komplex, sondern folgen Stereotypen. Auch nach vielen Folgen haben sich
die Charaktere in der Regel kaum verändert. Die Hauptcharaktere sind in jeder Folge
zentrales Element. Begleitende Charaktere dienen ausschließlich der Unterstützung,
sie nehmen keine führende Rolle ein. Ihr Erscheinen ist meist nur von kurzer Dauer
und dient der Komik.

5 Taflinger, R.E. Sitcom: What it is, how it works. http://public.wsu.edu/~taflinge/sitexam.html Zugriff
am 22. Juni 15, 2015

                                                   14
2.5          DER NERD-BEGRIFF

Der englische Begriff „Nerd“ ist eng mit der Serie TBBT verbunden. Er wird von den
Charakteren in der Show verwendet. So bezeichnen sie sich beispielsweise selbst als
„Nerds“:

/// # 1. 618, 7:10min – [in Howards High School] Howard: Das letzte Mal als ich hier war, war ich nur
ein schmächtiger kleiner Nerd. Leonard: Und jetzt bist du zusätzlich ein Astronaut. ///

Und auch in der öffentlichen Wahrnehmung der Serie taucht der Nerd-Begriff häufig
auf. Auf der Seite des Fernsehsenders ProSieben liest man beispielsweise: „Wie jeder
der Nerds hat auch er [Leonard] große Schwierigkeiten Frauen kennenzulernen oder

Beziehungen mit ihnen zu führen, da er sehr schüchtern ist.“6 Oder: „Nach dem
überraschenden ‚The Big Bang Theory‘-Finale der achten Season wollen die Fans der
Nerds nur eins wissen: Werden Amy und Sheldon wieder zusammenkommen?“7 Und
der Westen schreibt: „Zusammen machen sie, was Nerds so machen. Lachen über
physikalische Witze, spielen Videospiele, lösen Matheaufgaben.“8

Im Zusammenhang mit dem Nerd-Begriff taucht häufig ein weiterer Begriff auf: „der
Geek“. Um zu klären, für welche Themen sich jeweils Nerds oder Geeks
interessieren, untersuchte der Wissenschaftler und Software-Entwickler Burr Settles
2,6 Millionen Tweets des Kurznachrichtendiensts Twitter im Zeitraum 06.12.2012 –
03.01.2013. Er untersuchte die Twitter-Daten auf Wörter, die im Zusammenhang mit
„Geek“ und „Nerd“ verwendet wurden. Das Ergebnis in Abbildung 1 zeigt die
Themenfelder „Geek“ (orange) und „Nerd“ (blau). Nerds und Geeks interessieren sich
für diese Themenfelder. Für Geeks sind das eher Produkte, sie sind Fans eines
Produkts (z. B. „Samsung“). Nerds interessieren sich eher für Technik und
Wissenschaft. Die Charaktere in TBBT sind also eher Nerds, da sie sich für
Wissenschaftsthemen interessieren.

6 http://www.prosieben.de/tv/the-big-bang-theory/darsteller/leonard-johnny-galecki Zugriff am 26.
Juni 2015

7     http://www.prosieben.de/stars/news/the-big-bang-theory-staffel-9-liebescomeback-bei-amy-und-
sheldon-ungewiss-067677 Zugriff am 26. Juni 2015

8 http://www.derwesten.de/panorama/gags-aus-der-geisterwelt-id10665704.html Zugriff am 26. Juni
2015

                                                  15
Monika Bednarek (2012) beschreibt den typischen Nerd mit folgenden Eigenschaften:

   -   intelligent und wissbegierig
   -   (übersteigertes) Interesse an Wissenschaft und Technologie, insbesondere
       Computer
   -   Interesse an Sci-Fi und Fantasy und damit verbundenen Hobbies und
       Aktivitäten
   -   verhaltensauffällig, zurückgezogen, sozial isoliert, kommunikativ schwach,
       mangelnde Sozialkompetenz
   -   nicht attraktiv, unsportlich (zum Beispiel: sehr dünn oder übergewichtig,
       Brille tragend, etc.)
   -   weiß/mitteleuropäisch aussehend
   -   sexuell inaktiv

In dieser Arbeit verwende ich den Nerd-Begriff, wie er von Monika Bednarek
beschrieben wird. Es sei aber darauf hingwiesen, dass sich der Nerd-Begriff konstant
weiterentwickelt.

                                         16
ABBILDUNG 1: Nerd- und Geek-Themen. Die Abbildung zeigt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein
Wort im Zusammenhang mit dem Wort „geek“ vs. dem Wort „nerd“ in einem Tweet erwähnt wird.
Quelle: Settles, B., On „Geek“ Vs „Nerd“ https://slackprop.wordpress.com/2013/06/03/on-geek-
versus-nerd/, Zugriff am 25. Juni 2015

   3. FORSCHUNGSFRAGEN

H INTERGRUND DES F RAGESTELLERS

Die Genese der Forschungsfragen erklärt sich im Kontext meiner Interessen. Im
Masterstudium Wissenschaftsmarketing und –kommunikation interessiere ich mich
für vielfältige Formen der Wissenschaftskommunikation. Besonders begeistern mich
neue, interaktive Formen der Wissensvermittlung: Ich interessiere mich für Projekte
und Initiativen, die im Feld des „Public Engagement in Science and Technology
(PEST)“ angesiedelt sind. Meine Schwerpunkte sind Online-Kommunikation und

                                             17
Soziale Medien (Wissenschaftskommunikation 2.0), strategische Wissenschafts-PR
und interaktive Veranstaltungsformate. Beruflich war ich bis kurz vor Abgabe dieser
Arbeit im Bereich der Nachwuchsförderung (MINT-Förderung) im Projekt Junior
Science Café der Initiative Wissenschaft im Dialog tätig. Aktuell arbeite ich im
Veranstaltungsbereich und organisiere unter anderem die Wissenschaftsnächte in
Berlin und Hamburg.

Aus    Studium   und   Beruf    weiß   ich,    dass   Wissenschaftsvermittlung   und
Nachwuchsförderung in den unterschiedlichsten Formen (und Medien) stattfinden
kann. Besonders interessant für Jugendliche ist nach wie vor das Medium
Unterhaltungsfernsehen (1.1). Insbesondere erfreut sich die Sitcom TBBT großer
Popularität unter Jugendlichen. Vor der Anfertigung dieser Forschungsarbeit habe ich
rund 60 fiktive Wissenschaftler_innen in kontemporären Fernsehsendungen und
Filmen analysiert und verblogged (www.tumblr.com/jjjweiss). Ich kam zum Schluss,
dass TBBT einmalig ist. So konzentriert sich TBBT als eine der wenigen
Unterhaltungssendungen im deutschen Fernsehen auf Privatleben und Beruf von
Wissenschaftler_innen. Deshalb und wegen der enormen Popularität der Sendung
habe ich mich für das Forschungsfeld Wissenschaft im Unterhaltungsfernsehen am
Beispiel der Serie TBBT entschieden.

F ORSCHUNGSFRAGEN

In meiner Arbeit möchte ich die Darstellung von Wissenschaft in TBBT auf drei
Aspekte hin untersuchen: (1) Persönlichkeit, (2) Berufsbild und (3) Themen.

Persönlichkeit Wissenschaftler_in:

   •   Forschungsfrage 1: Mit welchen Eigenschaften und Stilmitteln werden die
       Wissenschaftler_innen in TBBT versehen?
   •   Forschungsfrage 2: Für welche privaten Themen interessieren sich die
       Wissenschaftler_innen?
Berufsbild Wissenschaftler_in

   •   Forschungsfrage 3: Welche Tätigkeitsfelder des Berufs Wissenschaftler_in
       werden gezeigt und welche nicht?
   •   Forschungsfrage 4: Wie werden Arbeitsumfeld und Arbeitsweise dargestellt?

                                          18
Welche wissenschaftlichen Themen kommen vor?

   •     Forschungsfrage 5: Welche wissenschaftlichen Themen kommen in TBBT
         vor?
   •     Forschungsfrage 6: Auf welche Art und Weise werden wissenschaftliche
         Themen dargestellt?

   4. METHODE

   4.1          MATERIAL          VERDICHTEN        UND    BESCHREIBEN         -   DIE
         QUALITATIVE INHALTSANALYSE (QIA)

Zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Arbeit gab es 183 Folgen in acht Staffeln
TBBT. Das sind insgesamt knapp 65 Stunden Filmmaterial – eine enorme Menge an
Forschungsmaterial.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die volle Komplexität dieses Materials zu erfassen und
es hinsichtlich der Fragestellungen zu beschreiben. Dafür bedarf es einer
systematischen Methode, die das Material reduziert. Ziel ist es, die thematische
Struktur der Serie zu beschreiben (siehe 3.). Folglich braucht es im ersten Schritt eine
deskriptive Methode, die dem Forschenden dabei hilft, das Material systematisch zu
verdichten, um wesentliche Inhalte zur Beantwortung der Forschungsfragen
herauszuarbeiten. In einem zweiten Schritt, können die Befunde dann in einen
Kontext eingebettet und diskutiert werden.

Für die Verdichtung von fixierter Kommunikation (Text, Dokument, Video) eignet
sich die qualitative Inhaltsanalyse (QIA). Die QIA ist eine kommunikations- und
sozialwissenschaftliche Methode. Bei der QIA handelt es sich um eine
kategoriengeleitete Kommunikationsanalyse, die im Wesentlichen Folgendes leistet
(Mayring 2010):

   •     QIA analysiert (fixierte) Kommunikation.
   •     QIA ist systematisch.
   •     QIA ist regelgeleitet.

                                             19
•     QIA ist theoriegeleitet.
   •     QIA    verfolgt    das     Ziel,   „Rückschlüsse      auf    bestimmte    [für   die
         Forschungsfragen relevante], Aspekte der Kommunikation zuziehen.“

Bezeichnend ist vor allem die systematische Herangehensweise einer QIA (Schreier
2012).    Die    QIA    folgt     immer     der    gleichen   strukturierten,   methodischen
Vorgehensweise. Nach Sichtung und Eingrenzung des Materials, wird ein
inhaltsanalytisches Kategoriensystem entwickelt. Hierbei sind genaue Regeln zu
befolgen. Es werden Hauptkategorien, auch Dimensionen genannt und (Unter)-
Kategorien gebildet. In einer QIA werden Kategorien zumindest teilweise am
Material (induktiv) entwickelt, können aber auch theoriegeleitet (deduktiv) entwickelt
werden. Die Entscheidungen des Kodierers sind folglich regelgeleitet, wodurch die
Interpretationsleistung des Kodierers eingeschränkt und die QIA intersubjektiv
nachvollziehbar wird. Das Kodiersystem wird dann auf das gesamte Material
angewendet. So wird sichergestellt, dass keine Aspekte herausfallen (hohe
Inhaltsvalidität), die nicht mit den Vorannahmen des Forschenden übereinstimmen.

Wesentliche Eigenschaft der QIA – und Entscheidungsgrundlage für die Wahl der
Methode in dieser Arbeit – ist die Fähigkeit große Datenmengen zu reduzieren. Die
Methode ist darauf ausgerichtet, das für die Forschungsfrage relevante Material von
unwichtigem Material zu trennen. Sie ermöglicht es, die thematische Struktur der für
die Fragestellung relevanten Inhalte des Materials herauszuarbeiten.

Sie ist eine deskriptive Methode (Schreier 2012). Mit Hilfe der QIA fasst der
Forschende relevante Inhalte im Material zusammen. Er tut dies, indem er das
Material zunächst segmentiert und den Kodiereinheiten Kategorien zuordnet. In
einem zweiten Schritt werden die Kategorien und deren Zusammenhänge
beschrieben.

Im Mittelpunkt der QIA steht die Analyse der thematischen Struktur des Materials,
nicht die sozialwissenschaftliche Theoriebildung (Schreier 2012), entsprechend eignet
sie sich für die Bearbeitung der Forschungsfragen, die vor allem auf die Inhalte der
Serie fokussieren. Daher wurde für diese Arbeit die Methode der inhaltlich-
strukturierende Inhaltsanalyse nach Schreier 2012 ausgewählt.

                                                  20
Hinweis: Im Gegensatz zu quantitativen Methoden will die QIA keine statistischen
Zusammenhänge im Material entdecken, sondern dessen thematische Struktur
beschreiben. Dennoch ist die QIA anschlussfähig an quantitative Analysen (wie hier
auch geschehen, siehe 5.1).

   4.2         BESONDERHEITEN DER FILMANALYSE

Die QIA ist nicht auf eine bestimmte Materialform beschränkt. Sie kann auf jede
Form der fixierten Kommunikation angewendet werden. Dazu gehören Gesprächs-
und Interviewprotokolle, Dokumente und auch Videomaterial (Mayring 2000;
Mayring et al. 2005; Mayring 2010). Obwohl zunächst nichts dagegen spricht, die
Methodik der Textanalyse eins zu eins auf die Videoanalyse zu übertragen, gilt es
Besonderheiten des Mediums Film zu beachten. Reichertz et al. 2010 geben hierzu
eine übersichtliche Einführung. Daraus sind im Folgenden einige relevante Punkte
genannt.

D IE F RAGE NACH DER S INNEINHEIT

Die Textanalyse geht von Sinneinheit zu Sinneinheit, beispielsweise von Satz zu Satz.
Die kleinste formale Einheit des Videos ist das einzelne Bild (das „Still“). Es würde
wenig Sinn machen von Bild zu Bild zu gehen. Reichertz & Englert (2010) schlagen
als Sinneinheit den „Move“ vor, er ist definiert als „relevante Bewegung im Spiel, im
Handlungsgeschehen (...), also eine Bewegung, die im Abstimmungsprozess der
Handelnden Bedeutung und Folgen hat". Der Move, wie ihn Reichertz et al.
beschreiben, ist die für diese Arbeit verwendete Kodiereinheit (siehe 4.2).

T RANSKRIBIEREN ODER NICHT

Eine Transkription von Videomaterial ist mit enormen Anstrengungen verbunden.
Darüber hinaus weisen Reichertz et al. darauf hin, „dass [mit der Videotranskription]
die „Bedeutungsfülle des Audio-visuellen unwiederbringlich verloren geht“.
Glücklicherweise bieten moderne Videoanalyseprogramme die Möglichkeit, jeden
Move direkt im Programm zu annotieren, zu kategorisieren und zu analysieren. Eine
Videointerpretation ist damit direkt am Material möglich, ohne Informationsverlust
durch Transkriptionsversuche. In dieser Arbeit wurde daher auf umfangreiche

                                           21
Transkripte verzichtet. Die QIA wurde mit Hilfe des Programms Atlas.ti durchgeführt
(siehe 4.2). Ganz ohne Transkripte kommt aber auch diese Arbeit nicht aus, daher
folgende Anmerkungen zu den Textbelegen bzw. der Transkriptionstechnik:

   •   Textbelege sind durch /// markiert
   •   Textbelege sind nummeriert: #1., #2., #3. etc.
   •   Die Herkunft des Textbelegs ist nummerisch kodiert. Beispiel: /// # 6. 523
       6:30 min; bedeutet: Textbeleg Nr. 6, Staffel 5, Folge 23, 6 Minuten 30
       Sekunden
   •   Auslassungen sind mit (...) gekennzeichnet
   •   Informationen zum Kontext zwecks Verständnis des Textbelegs sind in []
       eingefügt

A KTEUR _ INNEN VOR UND HINTER DER K AMERA

Im Medium Film gibt es zwei Sorten von Akteur_innen: Die Akteur_innen vor der
Kamera und die Akteur_innen hinter der Kamera. Neben den Darsteller_innen vor der
Kamera ist auch die Handlung der Menschen hinter der Kamera von Bedeutung. Denn
„die Kamera zeichnet nicht wirklich das Geschehen vor der Kamera auf, sondern sie
schafft, sie konstruiert, sie komponiert einen eigenen, zweidimensionalen Bild- und
Tonraum.“ (Reichertz et al. 2010). Die Handlung der Filmemacher_innen im Rahmen
der Produktion und Postproduktion müssen folglich Teil der Analyse sein. Hierzu
gehören:

   •   Take (Kameraeinstellung)
   •   Kadrierung (Cadrage: Settings, Kulissen)
   •   Schnitt (Art und Tempo)
   •   Montage (Verknüpfung einzelner Einstellungen)
   •   Kommentierung (Filter, Einblendungen, Töne, Gelächter)
   •   Kameraausrüstung
   •   Gestaltung der Filmkopie (Format, Qualität)

Eine detaillierte Analyse der oben genannten filmischen Aspekte des Materials wäre
generell sicherlich interessant. Für meine Forschungsfragen sind jedoch viele dieser

                                            22
Aspekte zu vernachlässigen. Auch ist das Format Sitcom, in Anbetracht der modernen
(technischen) Möglichkeiten der Filmproduktion, filmerisch eher einfach gestrickt.
Die Szenen bestehen meist nur aus wenigen Kameraeinstellungen. Es gibt keine
besonderen Schnitte, Montagen, Einspielungen, Effekte und Animationen. Im
Wesentlichen bestimmt die Handlung vor der Kamera das Bild. Daher wurde die
Handlung des Zeigens, also die Handlung der Akteur_innen hinter der Kamera, nicht
getrennt von der Handlung vor der Kamera beschrieben. Analysiert wurden Filmsets
und Requisiten, Titel und Logo. Auch Trailer-Sequenz und Zwischeneinspielungen
wurden analysiert. Nicht untersucht, aber sicherlich interessant, wären die
Werbeeinspielungen, Sendezeit, Einbettung im Programm des Senders.

Hinweis für den Leser: Um die hier vorliegende Analyse nachvollziehen zu können,
ist es unabdingbar, sich mit dem Ausgangsmaterial als Video vertraut zu machen.
Eine DVD mit Videomaterial ist beigefügt. Bitte machen Sie davon Gebrauch.

   4.3        METHODISCHES VORGEHEN

Grundlage für das hier angewandte methodische Vorgehen ist Margrit Schreiers
Übersichtsartikel (Schreier 2014) und Lehrbuch (Schreier 2012) zur QIA. Schreier
unterscheidet unterschiedliche Typen der QIA, ich habe die inhaltlich-strukturierende
Inhaltsanalyse verwendet. Zur Kodierung und Analyse habe ich das Programm
Atlas.ti verwendet. Die Software ermöglicht eine qualitative Datenanalyse von
unterschiedlichen Dateiformaten: Filmsequenzen, Screenshots, Notizen sowie
Textdokumente können in dem Programm verwaltet, kodiert und analysiert werden.

Methodisches Vorgehen nach Schreier 2012:

   1. Forschungsfrage auswählen
   2. Material auswählen
   3. Segmentation: Kodiereinheit definieren
   4. Kategoriensystem entwickeln
   5. Kategoriensystem testen und ggf. überarbeiten
   6. Kodierung des gesamten Materials anhand des Kategoriensystems
   7. Ergebnisdarstellung, Interpretation und Beantwortung der Forschungsfrage(n)

                                          23
Im Folgenden werde ich die einzelnen Schritte kurz beschreiben.

F ORSCHUNGSFRAGEN AUSWÄHLEN

In einem ersten Schritt wurden die Forschungsfragen konkretisiert. Siehe 3. für
Informationen zur Genese der Forschungsfragen.

M ATERIAL AUSWÄHLEN

Die Serie TBBT besteht aktuell aus acht Staffeln mit insgesamt 183 Folgen á 21
Minuten. Die deutschsprachige Erstausstrahlung fand im Juli 2009 statt. Ich habe alle
Folgen bis Mitte der siebten Staffel in den Korpus des relevanten Materials
aufgenommen (Folge 101-712, insgesamt 147 Folgen). Dabei handelt es sich um alle
Folgen, die vor der Datenerhebung zur JIM-Studie 2014 (13. Mai bis zum 27. Juli
2014) in Deutschland ausgestrahlt wurden. Die Serie wurde in der deutschen
Synchronisation analysiert, um Vergleichbarkeit herzustellen. Es ist davon
auszugehen, dass die Jugendlichen im Alter von 14-19 Jahren (Befragte der JIM-
Studie 2014) die Serie in deutscher Sprache sehen.

Zunächst habe ich die Szenenstruktur aller Folgen analysiert und mir dazu
umfangreiche    Notizen   gemacht.   Neben     einer   kurzen   Synopsis   habe   ich
Auffälligkeiten zu drei thematischen Bereichen notiert: (1) Stereotype Eigenschaften
der Charaktere, (2) Darstellung der Wissenschaftler_innen (3) Wissenschaftsthemen
(4) Wissenschaftsorte. In dieser ersten Sichtung des Materials habe ich mehr als 50
Stunden Filmmaterial durchgesehen. So konnte ich mir einen Überblick über das
Material verschaffen, um entscheiden zu können, welche Ausschnitte des Materials
geeignet sind für die QIA. Im Kern meiner Analyse steht die erste Hälfte der siebten
Staffel (Folge 701-712). Sie diente als Grundlage für die Entwicklung des
Kategoriensystems. Zusätzlich zur siebten Staffel habe ich besonders relevante
Wissenschaftsszenen hinzugezogen, die ich bei der Erstellung der Szenenstruktur
identifizieren konnte.

Hinweis: Für die Analyse wurde keinerlei Material außerhalb des filmischen
Rohmaterials verwendet. Beispielsweise habe ich keine Fan-Fiction (Folgen, die von
Fans geschrieben wurden), Fan-Wikis, Blogs, und diverse andere online- und offline-
Foren berücksichtigt.

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S EGMENTATION

In der QIA wird das Material in Analyseeinheiten und Kodiereinheiten segmentiert.
Die Analyseeinheiten wurde anhand von formalen Kriterien bestimmt. Die logisch
sinnvolle Analyseeinheite wird vom Material selbst nahegelegt: Folgen (große
Analyseeinheit) und Szenen (Analyseuntereinheit). In der Regel findet eine Szene an
einem Ort statt, wechselt der Ort, wechselt die Szene.

Die Segmentierung in Kodiereinheiten erfolgte anhand von thematischen Kriterien.
Das heißt: Mit jedem thematischen Wechsel endet eine Kodiereinheit (siehe Abb. 2).
Die Kodiereinheiten könnten auch als „Moves“ bezeichnet werden (siehe 4.3)

ABBILDUNG 2: Screenshot: Kodieren mit Atlas.ti. In der linken Spalte befinden sich die Kodes
(Kategorien) die zur Auswahl stehen, in der mittleren Spalte befindet sich das Videomaterial und in der
rechten Spalte wird kodiert. Die einzelnen Kodiereinheiten (blaue Balken, vertikal) variieren je nach
Sinneinheit (z. B. Dauer des Gesprächs über Leonards Familie). Den blauen Kodiereinheiten werden
dann Kategorien (diverse Farben, horizontal) zugeordnet.

K ATEGORIENSYSTEM ENTWICKELN

Für Schreier 2014 ist die induktive Bildung eines Kategoriensystems essentieller
Bestandteil der QIA: „Kern der inhaltlich-strukturierenden Vorgehensweise ist es, am
Material ausgewählte inhaltliche Aspekte zu identifizieren, zu konzeptualisieren und

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das Material im Hinblick auf solche Aspekte systematisch zu beschreiben“. Gängig ist
aber die Kombination aus deduktiven und induktiv gebildeten Kategorien.

So habe ich zunächst Kategorien deduktiv aus den Forschungsfragen abgeleitet: (1)
Orte, (2) Berufsbild Wissenschaftler, (3) Wissenschaftsthemen - Was? (4)
Wissenschaftsthemen - Wie? (5) Persönlichkeiten, (6) Charaktere und (7) Private
Themen. Diese Kategorien eigneten sich sehr gut als Hauptkategorien (Dimensionen).
Mit Hilfe des Analyseprogramms Atlas.ti (siehe Abb. 2) habe ich dann am Material –
induktiv – Unterkategorien gebildet, welche immer einen Zustand der jeweiligen
Hauptkategorie beschreibt. Hierfür wurden sechs Folgen der siebten Staffel kodiert
(701, 702, 703, 704, 707 und 711). Jedes Mal wenn ein neues Thema auftaucht,
wurde daraus eine neue Unterkategorie gebildet. Diese wurde dann entweder neue
Hauptkategorie oder sie wurde einer bestehenden Hauptkategorie zugeordnet.
Anschließend habe ich das Kategoriensystems überarbeitet. Die Kategorien wurden
geordnet,     umbenannt,    mit   Definitionen   versehen,     konzeptualisiert   und
zusammengelegt.

T EST DES K ATEGORIENSYSTEMS

Ein Test des Kategoriensystems ist unabdingbar. Hierbei sind folgende Fragen
hilfreich (nach Schreier 2012):

   •   Sind die Hauptkategorien klar voneinander abgetrennt?
   •   Beschreibt die Unterkategorie einen Zustand der Hauptkategorie?
   •   Sind Unterkategorien im Kategoriensystem identisch?
   •   Schließen sich die Unterkategorien innerhalb einer Hauptkategorie gegenseitig
       aus?
   •   Kann jede Kodiereinheit mindestens einer Unterkategorie zugeordnet werden?
   •   Wird jede Kategorie mindestens einmal benutzt?
   •   Werden alle relevanten Aspekte im Kategoriensystem abgebildet?

Können nicht alle der Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, muss das
Kategoriensystem entsprechend überarbeitet werden und wird dann erneut getestet.

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K ODIERUNG DES GESAMTEN M ATERIALS A NHAND DES K ATEGORIENSYSTEMS

Nach erneutem Test des Kategoriensystems, der keine weiteren Änderungen des
Kategoriensystems erforderte, war der bis dahin zirkuläre Prozess abgeschlossen. Nun
wurde in einem linearen Prozess das relevante Material kategorisiert. Ein besonderer
Fokus lag dabei auf wissenschaftliche Szenen: Szenen an wissenschaftlichen Orten
und Szenen, die Aspekte hinsichtlich des Wissenschaftler-Berufs aufzeigen.

E RGEBNISDARSTELLUNG , I NTERPRETATION , B EANTWORTUNG DER

F ORSCHUNGSFRAGE

Grundlage für Ergebnisdarstellung und Beantwortung der Forschungsfrage ist die
Beschreibung der Kategorien. Darüber hinaus wird ein Vergleich innerhalb der
Kategorien und zwischen den Kategorien thematische Zusammenhänge innerhalb des
Materials offenlegen.

   5. ERGEBNISSE
   5.1        KAPITEL 1: ORTE

Orte, also das Filmset, sind die Rahmungen der jeweiligen Szenen. Sie ordnen die
Handlung vor der Kamera räumlich ein und liefern den Zuschauer_innen wichtige
zusätzliche Informationen, über Interessen und Eigenschaften der Charaktere. Um die
Frage zu beantworten, an welche Orten TBBT spielt, wurde die Szenenstruktur
untersucht. In einem zweiten Schritt wurden dann Screenshots der Orte analysiert.
Einige dieser Screenshots sind hier abgedruckt. Insgesamt wurden 1641 Szenen aus
147 Folgen kategorisiert.

Eine Szene ist definiert durch den Ort, an dem sie stattfindet. Ändert sich der Ort,
beginnt eine neue Szene. Fast immer werden Szenen von einer kurzen
Zwischeneinspielung, der „Credit-Sequenz“, getrennt. Wird in einer Szene ein Ort
eingeblendet, z. B. über ein Videotelefonat, so wurde die Szene dem Ort der
Haupthandlung zugewiesen – dem Ort von dem die Handlung ausgeht

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