GERN UND GESUND ARBEITEN IN DER ALTENPFLEGE - PROJEKT MEGA
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L E I T FA D E N F Ü R E I N E G U T E V E R H A LT E N S P R ÄV E N T I O N I N D E R A LT E N P F L E G E GERN UND GESUND ARBEITEN IN DER ALTENPFLEGE Johanniter Seniorenhäuser GmbH, St. Gereon Senioren- dienste gGmbH und MA&T Sell & Partner GmbH im Rahmen des Forschungsprojektes Pflege-Prävention 4.0
Gefördert vom Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird / wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren. Leitfaden für eine gute Verhaltensprävention in der Altenpflege „Gern und Gesund arbeiten in der Altenpflege“ IMPRESSUM Autorinnen und Autoren: Paul Fuchs-Frohnhofen, Helga Gessenich, Pia Dautzenberg, Dorothea Metzen, Georg Hammann, Bernd Bogert Kontakt: Projektteam Pflege-Prävention 4.0 Paul Fuchs-Frohnhofen MA&T Sell & Partner GmbH Karl-Carstens-Str. 1 52146 Würselen E-Mail: fuchs@mat-gmbh.de www.praevention-fuer-pflegende.de Layout: büro G29 – Kommunikationsdesign Titelmotiv: iStock.com/FatCamera © Verlag der MA&T Sell & Partner GmbH, Februar 2019 ISBN: 978-3-9820402-3-3 Seite 2
INHALT Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4 1. Gern und gesund arbeiten in der Altenpflege: Ein Leitfaden im Rahmen des Projekts Pflege-Prävention 4.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6 1.1 Ausgangssituation 1.2 Das Projekt Pflege-Prävention 4.0 2. Was bedeutet Gesundheit? – Was bedeutet Prävention? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8 3. Wie kann ich meine Gesundheit bei der Arbeit schützen und stärken?. . . . . . . . . . . . Seite 11 3.1 Professionalität als Schutz vor krank machender Belastung 3.2 Gesundheitsförderung durch Reflexion mit dem „AVEM“ Fragebogen 4. Die eigene Gesundheit aktiv fördern – einige Hinweise (nicht nur) für Pflege-Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18 4.1 Erholung 4.2 Mit Stress gut umgehen 4.3 Zeiteinteilung 4.4 Achtsamkeit 4.5 Ernährung 4.6 Bewegung 4.7 Suchtprophylaxe − Raucherentwöhnung 5. Gute Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 32 5.1 Persönlicher Bericht aus dem Johanniter Stift Köln-Kalk 5.2 Persönliche Berichte aus den St. Gereon Seniorendiensten in Hückelhoven 5.3 Der Workshop „Emotionale Abgrenzung“ im Rahmen des Projektes Pflege-Prävention 4.0 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 36 7. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 37 Seite 3
Vor wor t Für die meisten Pflegenden ist die Arbeit in der Altenpflege genau der richtige Beruf. Doch für viele ist es zunehmend schwierig, die Anforderungen aus Bewoh- ner-, Angehörigen- und Arbeitgebersicht mit den eigenen Vorstellungen vom Arbeitsalltag sowie den privaten Verpflichtungen und Wünschen zu vereinbaren. Die Bewältigung mannigfaltiger Anforderungen ist für viele Berufstätige zu viel und macht sie auf Dauer krank. Um gesund zu bleiben, sind gute Arbeitsbedingungen sehr wichtig. Aber es braucht auch eigenen Antrieb und Entschlossenheit, selbst auf die eigene Gesund- heit zu achten und diese aktiv zu schützen. Denn die wichtigste Energiequelle, die wir haben, ist unsere Gesundheit! Sind wir gesund und fühlen wir uns gut, gelingt uns so manches leichter. Die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit stellt einen der wichtigsten Faktoren für die Lebensqualität und das Lebensglück dar.1 Und Gesundheit wird uns immer wichtiger.2 Nach dem Glücksreport des Jahres 2016 reagiert die allgemeine Lebens- zufriedenheit mehr als doppelt so stark auf einen Anstieg der Gesundheitszufrie- denheit als auf einen Anstieg der Zufriedenheit mit dem Einkommen. Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung sind deshalb im Berufsalltag äu- ßerst wichtig. Deswegen wenden wir uns mit diesem Leitfaden an Sie als Beschäf- tigte in der Pflege! Denn viele Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung können noch so gut sein, sie nützen nichts, wenn Sie durch die Arbeit schon so aus- gelaugt und resigniert sind, dass Sie sich auf nichts Weiteres mehr einlassen möch- ten und nur noch nach Hause auf die Couch wollen. Auf längere Sicht bleibt dabei aber Ihre Gesundheit auf der Strecke. Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollte Ihr/e Arbeitgeber/-in zusammen mit Ihnen als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer alle Möglichkeiten nutzen. Im Mittelpunkt dieser Handlungsanregung „Gern und gesund arbeiten in der Alten- pflege“ steht das Thema „Verhaltensprävention“, also die Frage, wie Sie selbst für die eigene Gesundheit und Arbeits- und Lebenszufriedenheit aktiv werden können. 1 Johag, 2011; Harnisch, 2014; Ruckriegel, 2012 2 Wippermann & Krüger, 2015 Seite 4
©jat306 - stock.adobe.com Dabei möchten wir nicht den Zeigefinger erheben und belehren, sondern Erkennt- nisse weitergeben und zur Selbstreflexion anregen. Wir möchten Sie motivieren, in eigener Sache aktiv zu werden. Jede Leserin und jeder Leser kann und soll selbst entscheiden, welche dieser Handlungsanregungen zum Arbeits- und Privatleben passen und für die Gesundheit förderlich erscheinen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Einrichtungsleiterinnen und Einrichtungs- leiter in Altenpflegeeinrichtungen haben dazu im Projekt Pflege-Prävention 4.0 drei Jahre lang gemeinsam Vorschläge erarbeitet und erprobt, wie die Arbeit in der Altenpflege gut und gesundheitsförderlich gestaltet werden kann und wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Gesundheit und Arbeitszufriedenheit eigenaktiv sein können. Mit diesen Vorschlägen wollen wir Ideenstifter sein, damit auch Sie Ihre persön- lichen Energiequellen finden und ihre Energieräuber besser erkennen und vermeiden können. Seien Sie gern gesund aktiv, sowohl beruflich wie auch privat! Paul Fuchs-Frohnhofen, Helga Gessenich, Pia Dautzenberg, Dorothea Metzen, Georg Hammann, Bernd Bogert Seite 5
G E R N U N D G E S U N D A R B E I T E N I N D E R A LT E N P F L E G E : E I N L E I T FA D E N I M R A H M E N D E S P R O J E K T S P F L E G E - P R ÄV E N T I O N 4.0 1. Gern und gesund arbeiten in der Altenpflege: © iStock.com/Abel Mitja Varela Ein Leitfaden im R ahmen des Projekts Pflege -Prävention 4.0 1.1 Ausgangssituation in Rente.5 Es ist anzunehmen, dass eine Entscheidung zum frühen Renteneintritt auch aus gesundheitlichen Beschäftigte in der Altenpflege sind vielen Anforderun- Gründen getroffen wird. Für manch eine/n Pflegende/n gen ausgesetzt. Pflegearbeit birgt neben körperlicher Be- mögen damit aber auch schwer zu verkraftende finan- lastung auch emotionale Belastungen. Als Ursachen für zielle Einbußen bei der Altersrente verbunden sein. die psychische Belastung werden auch ständiges Arbei- ten unter Zeitdruck, häufige Überstunden, das Arbeiten Ebenso arbeiten immer mehr Pflegekräfte in Teilzeit. im Schichtdienst, die Schwierigkeit, sich von der Arbeit Manchmal wird das so sein, weil die Arbeitsstelle keine abzugrenzen, schlechte Aufstiegschancen und schlechte Vollzeitbeschäftigung anbietet. Doch als weitere Ursache materielle und organisatorische Rahmenbedingungen der steigenden Teilzeitquote in der Pflege wird ange- genannt.3 Diese oft hohen psychischen Anforderungen nommen, dass viele Pflegende dies als einzige Möglich- in der Altenpflege verlangen besondere Kompetenzen keit sehen, sich vor einer zu hohen Arbeitsbelastung zu wie eine gesundheitsförderliche Stressresistenz und schützen. Doch leider hat jede Reduzierung der Arbeits- psychische Widerstandskraft durch spezielles Wissen, zeit auch negative Auswirkungen auf die Höhe der um mit besonderen Anforderungen wie beispielsweise Bezüge und der späteren Altersrente. Umso wichtiger ist einem täglichen Umgang mit demenziell Erkrankten oder es, dass alle Beteiligten gemeinsam daran arbeiten, eine leidenden, trauernden oder sterbenden Bewohnerinnen gute und gesunde Arbeitstätigkeit bis zum gesetzlichen und Bewohnern umzugehen. Rentenalter zu ermöglichen. Die Gesundheit muss dazu tatkräftig geschützt und unterstützt werden. Das Belas- Eine Reaktion auf eine langfristig zu hohe Belastung ist, tungserleben bei der Arbeit in der Altenpflege muss zum dass zu viele Pflegekräfte aus gesundheitlichen Gründen einen durch die bestmögliche Reduzierung von Arbeits- kündigen.4 Und viele verlassen ihren Beruf vor Ein- belastungen und zum anderen durch die Förderung von tritt des regulären Renteneintrittsalters, beispielsweise Ressourcen beispielsweise durch Gesundheitsprävention gehen Pflegekräfte in NRW aktuell zumeist mit 63 Jahren und Gesundheitsschutz minimiert werden. 3 Köllner, 2015 4 Isfort et al., (2018) 5 LbG NRW 2017, www.dip.de Seite 6
Zudem wird der Pflegeberuf in Zukunft immer wichtiger Neue Konzepte zum gesundheitspräventiven Einsatz werden. Technik und Robotik können die Pflegearbeit von digitalen Technologien und technischen Assistenz- nicht ersetzen, sondern nur sinnvoll unterstützen.6 Und systemen und neue Strategien zur Rotation zwischen durch die demografische Entwicklung werden zum einen verschiedenen Dienstleistungsangeboten von Einrich- mehr ältere und hochaltrige Menschen Pflege benöti- tungen der Altenpflege sollen für einen präventiven gen. Im Jahr 2015 waren in Deutschland 2,86 Millionen Arbeits- und Gesundheitsschutz genutzt werden. Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversiche- rungsgesetzes (SGB XI). Von Dezember 2013 war eine Orientiert an diesen Zielen hat das Projekt verschiedene Steigerung um 234 000 (+ 8,9 %) festzustellen.7 Und es wissenschaftlich abgesicherte und ganz praktisch nutz- zeigt sich nochmals eine starke Zunahme von 2015 zu bare Ergebnisse erzielt, die in Handlungsanregungen 2017 um 19,4 % auf 3,41 Millionen Pflegebedürftige, dies festgehalten und den jeweiligen Zielgruppen zugänglich ist auch bedingt durch die Einführung des neuen Pflege- gemacht werden: bedürftigkeitsbegriffes.8 • Eine Handlungsanregung „Neue Geschäftsmodelle in Zum anderen nimmt die Anzahl der jungen Menschen der Altenpflege als Rahmen für gesunde Arbeit“,9 ab, die für den Pflegeberuf gewonnen werden können. • eine Handlungsanregung „Gesunde Arbeitsbedin- Pflegearbeit braucht deshalb jetzt und in Zukunft umso gungen in Pflegeeinrichtungen“,10 dringlicher gute Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen und den Beruf attraktiv für die Mitarbeiterinnen • eine „Handlungsanregung zur Gestaltung eines Employer Branding Projekts - Beschäftigte als Ein- und Mitarbeiter sowie den Nachwuchs machen. Für richtungsbotschafter/-innen gewinnen“,11 junge Pflegekräfte, aber auch für ältere Pflegekräfte ist es aus all diesen Gründen wichtig selbst zu wissen, wie sie • und der hier vorliegende Leitfaden „Gern und ge- ihre Gesundheit bei der Arbeit, aber auch in der Freizeit sund arbeiten in der Altenpflege“.12 schützen und erhalten können. Dieser Leitfaden richtet sich damit an Sie als Berufs- tätige oder Berufstätiger in der Altenpflege. Gute und gesunde Arbeit soll in jedem Lebensalter wichtig und 1.2 Das Projekt Pflege-Prävention 4.0 möglich sein, also in allen berufsbiografischen Phasen von der Ausbildung bis zum Renteneintrittsalter. Wir möchten Sie dabei unterstützen, Ihre eigene Gesundheit Pflege-Prävention 4.0 ist ein Verbundprojekt, das vom zu reflektieren und zu gestalten, indem wir Vorschläge Bundesministerium für Bildung und Forschung ab formulieren, die Ihnen dabei helfen können, Ihre persön- Januar 2016 für drei Jahre gefördert wurde. Zentraler lichen Ressourcen zu finden und Ihre Widerstandsfähig- Projektgegenstand war die Erforschung von präventiven keit gegenüber beruflichen Anforderungen zu stärken. Maßnahmen für eine sichere und gesunde Arbeit in der Dabei geht es nicht darum, mit erhobenem Zeigefinger Altenpflege von heute und von morgen. jeden Lebensbereich auf den Kopf zu stellen, sondern wir möchten Ihr Interesse wecken, etwas Neues auszu- Erforscht werden sollte, wie sich Beschäftigte in der pro- probieren. Wir sind der Ansicht, dass Gesundheit jeden fessionellen Altenpflege in den verschiedenen berufsbio- Menschen betrifft und für Jede/n einen hohen Stellen- grafischen Phasen von der Ausbildung bis zum Berufs- wert einnimmt. Gesundheit ist Lebensqualität! ende mit der eigenen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit auseinandersetzen und wie sie angeregt werden können, Doch auch für den Arbeitgeber ist die Gesundheit der Gesundheitsprävention als Chance für bessere Arbeit und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertvoll. Deshalb bessere Selbstverwirklichung zu erkennen und eigen- können Sie durchaus erwarten, dass Ihre Arbeitgebe- aktiv anzugehen. rin oder Ihr Arbeitgeber durch gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen dazu beiträgt, Ihre Gesundheit zu Dafür sollten die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ver- erhalten und zu fördern. Dies wird entsprechend in den besserte Konzepte der Arbeitsgestaltung entwickeln und drei weiteren Leitfäden thematisiert. umsetzen. Gerne können Sie Ihre Arbeitgeber/-innen auf diese Broschüren aufmerksam machen. 6 Fuchs-Frohnhofen et al., 2018 7 Statistisches Bundesamt (Destatis), 2017 8 Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018 9 Ciesinger, K.G. u.a., 2019 10 Fuchs-Frohnhofen, P. u.a., 2019 11 Hammann, G. u.a., 2018 12 Fuchs-Frohnhofen, P. u.a., 2019 Seite 7
WA S B E D E U T E T G E S U N D H E I T ? – WA S B E D E U T E T P R ÄV E N T I O N ? © iStock.com/PeopleImages 2. Was bedeutet G esundheit? – Was bedeutet Prävention? Gesundheit die als Grundlage für gesunde Lebensweisen herange- zogen werden können. So können sich beispielsweise Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert starkes Über-/Untergewicht oder gesundheitsbelastende Gesundheit als „ein[en] Zustand völligen psychischen, Verhaltensweisen wie Rauchen oder wenig körperliche physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur Betätigung zunächst nicht gesundheitsbelastend anfüh- das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des len, sie wirken aber erwiesenermaßen auf Dauer negativ bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein auf die Gesundheit. Grundrecht jedes Menschen […]“. Bei der Formulierung von Ratschlägen zur Förderung Demnach besitzt Gesundheit eine stark subjektive der individuellen Gesundheit besteht deshalb stets das Komponente und ist nicht allein objektiv über das Fehlen Bemühen, die Widersprüchlichkeit zwischen subjektivem von Krankheiten oder medizinische Diagnosen feststell- Empfinden und medizinisch-wissenschaftlichen Erkennt- bar. Das bedeutet konkret, dass nicht jeder Mensch ohne nissen zu überwinden und beide Aspekte zu verbinden. feststellbare körperliche Krankheit auch gesund ist. Psy- chisches und emotionales Belastungserleben sind rein körperlich nicht unbedingt diagnostizierbar. Dennoch Prävention kann eine dauerhafte Belastung zu Beanspruchungsreak- tionen führen, die sich beispielsweise in einer Depression Wenn wir von Gesundheit sprechen, kann und darf ein oder einem Burnout-Syndrom äußern können. Begriff nicht fehlen: Prävention. Umgekehrt darf ebenso nicht geschlussfolgert werden, Prävention bedeutet im Gesundheitswesen, dass durch dass jeder Mensch gesund ist, der sich subjektiv gesund zielgerichtete Maßnahmen und Aktivitäten eine ge- fühlt. Gesundheit orientiert sich zwar an einem indivi- sundheitliche Schädigung oder Krankheiten vermieden duellen empfundenen Idealzustand, dennoch gibt es oder verhindert werden sollen.13 Aber wer genau ist für medizinisch-wissenschaftliche Normen und Richtwerte, Prävention verantwortlich? Wer muss Sorge tragen, dass 13 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/p/ praevention.html 14 Grimm & Brodersen, 2016 Seite 8
Sie gesund bleiben und nicht erkranken? Die Antwort gestalten ganz bewusst gute Arbeitsbedingungen mit ist eigentlich einfach und doch wieder nicht, denn zum wertschätzender Arbeitsorganisation und Führung und Arbeitsschutz sind Arbeitgeberin oder Arbeitgeber und achten auf eine gesundheitsförderliche Arbeitsumge- Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer gleichermaßen bung. Darüber hinaus bieten einige Unternehmen ihren verpflichtet.14 Dazu gehört beispielsweise die jährlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitere gesundheits- durchzuführende Gefährdungsbeurteilung, die Sie sicher förderliche Maßnahmen an, dazu können Fitness- oder kennen. Auch ein betriebliches Eingliederungsmanage- Entspannungskurse oder Massagen für Mitarbeiterinnen ment nach einer längerfristigen Erkrankung muss jede und Mitarbeiter gehören oder sie bereiten regelmäßig Arbeitgeberin und jeder Arbeitgeber seinen Mitarbeite- Obsttage oder ein gesundes Mitarbeiterfrühstück vor. rinnen und Mitarbeitern per Gesetz anbieten. Manche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gewähren zur Motivation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gute Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber investieren beispielweise auch Sonderurlaubstage für gesundheits- darüber hinaus freiwillig noch einiges mehr an Zeit, Geld bewusstes Verhalten. Sportlich aktiv zu sein oder auf den und Ideen in die betriebliche Gesundheitsförderung. Sie Konsum von Nikotin zu verzichten, wird so angeregt. Abbildung 1: Rahmenbedingungen für Arbeits- schutz und Betriebliche Gesundheitsförderung, eigene Darstellung von Grimm und Brodersen, 2016, in Anlehnung an Giesert, 201215 AG-Pflicht AG-Pflicht AN-Freiwillig AN-Pflicht Pflicht AN-Freiwillig AN-Freiwillig Verhalten Verhältnisse Arbeitsschutz Betriebliches Betriebliche Eingliederungs- Gesundheits- management förderung Arbeitsschutzgesetz, § 84 Abs. 2 SGB Krankenkassen ASiG, SGB VII u. a. unterstützen nach § 20b SGB V Betriebliches Gesundheitsmanagement Management für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 15 Giesert, 2012; Grimm & Brodersen, 2016 Seite 9
Fakt ist, für die Prävention sind maßgeblich zwei Parteien geberin bzw. des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, dass die verantwortlich – die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitge- Arbeit nicht gesundheitsgefährdend ist. Dazu kann er die ber und jede Arbeitnehmerin bzw. jeder Arbeitnehmer aktive Beteiligung der Beschäftigten erwarten. Darüber selbst. Prävention lässt sich deshalb aufteilen in Ver- hinaus sollte es im Interesse guter Arbeitgeber/-innen hältnisprävention, also das, was eigentlich von Seiten liegen, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie der Arbeitgeber/-innen beigesteuert wird und in die gesundheitsförderlich sind. Dazu kann sie oder er die Verhaltensprävention. Damit ist gemeint, dass auch die aktive Beteiligung der Beschäftigten fördern, indem sie Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer ein Interesse oder er diese informiert und unterstützt, professionell daran hat gesund zu bleiben und einen Beitrag zu seiner und kompetent mitzuwirken. Die Verhaltensprävention, Gesunderhaltung leisten sollte. also ein gesundheitsförderliches Verhalten, liegt damit ganz in der Hand der Arbeitnehmer/-innen. Damit stehen Ihre Haltung und Ihre Handlungsweisen im Blickpunkt, Verhältnisprävention und die Sie als Person und als professionell Pflegende nutzen, um gesund zu bleiben. Laut des Ethikkodex des Weltver- Verhaltensprävention bands der Pflegeberufe (ICN, 2012) haben Pflegende vier grundlegende Aufgaben: Die Verhältnisprävention liegt also in erster Linie in der Verantwortung der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers. „Gesundheit zu fördern, Krankheit zu verhüten, Dies umfasst beispielsweise die Arbeitsbedingungen in Gesundheit wiederherzustellen, Leiden zu lindern.“ der Einrichtung in der Sie tätig sind. Hierzu gehören die (ICN, Präambel, S. 1). Arbeitsinhalte, das Arbeitsumfeld, wie das Gebäude und Dieses Leitbild bezieht sich dabei nicht nur auf die die Arbeitsmaterialien, und die Arbeitszeiten. Aber auch Gesundheit und die Pflege anderer, sondern auch auf die Unternehmenskultur, das Betriebsklima im Team den Umgang der Pflegenden mit sich selbst. So heißt es oder der Führungsstil sind wichtige Handlungs- und weiter im zweiten Element des Ethikkodex: Gestaltungsfelder der Verhältnisprävention. Es ist ja, wie „Die Pflegende achtet auf ihre eigene Gesundheit, um schon beschrieben, zum einen die Pflicht der Arbeit- ihre Fähigkeit zur Berufsausübung zu erhalten und sie nicht zu beinträchtigen.“ (ICN, S. 3). Seite 10
WIE KANN ICH MEINE GESUNDHEIT BEI DER ARBEIT S C H Ü T Z E N U N D S TÄ R K E N ? © iStock.com/Neustockimages 3. Wie k ann ich meine G esundheit bei der Ar beit schützen und stär k en? 3.1 Professionalität als Schutz vor Es ist also Aufgabe der Pflegenden weltweit professionell berufliches Wissen zur Prävention der eigenen Gesund- krank machender Belastung heit einzusetzen, indem krank machende Belastungen erkannt und aktiv reduziert werden. Ein wichtiger Aspekt zum Schutz der eigenen Gesundheit Ob die Arbeitsbedingungen insgesamt gut sind, davon ist die Fähigkeit, den Pflegeberuf professionell auszu- haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufig üben. Professionalität in der Pflegearbeit bedeutet auch, eine generelle Meinung. Man urteilt, ob das Team gut sich selbst zu reflektieren und bewusst zu machen, was funktioniert oder ob schlechte Stimmung herrscht. Man bei der Arbeit als Belastung erlebt wird, und entspre- weiß, ob der Schichtplan einem gut tut, oder ob genü- chend aktiv zu werden um diesem Belastungserleben gend Personal zur Bewältigung der anstehenden Arbeit frühzeitig entgegenzuwirken. zur Verfügung steht. Und man beurteilt auch schnell, ob die Vorgesetzten einen Führungsstil pflegen, mit dem Zur professionellen Haltung im täglichen Umgang mit man gerne und gut arbeiten möchte und kann. Seltener kranken, alten, leidenden oder auch sterbenden Men- hingegen wird reflektiert, wie man mit dem eigenen Ver- schen und ihren Angehörigen gehört, mitfühlend und halten selbst Einfluss auf die Dinge nehmen kann, die als empathisch zu sein. Es ist hingegen unprofessionell und belastend erlebt werden. Finden Sie heraus, was Sie bei sogar gesundheitsgefährdend, derart mitzuleiden, dass der Arbeit als Belastung erleben und schauen Sie sich Ihr man Kummer und Probleme ständig mit nach Hause Verhalten an. Wie gehen Sie mit Ihren Belastungen um? nimmt und damit die eigene Psyche oder die eigene Was können Sie tun um Ihre Belastungen zu minimieren? Familie belastet. Ebenso wenig professionell ist es, sich Was erleben Sie hingegen als förderlich für Ihre Gesund- über die Arbeitszeit hinaus für alles verantwortlich zu heit? Wo entdecken Sie Ressourcen die Ihnen helfen, gut fühlen und nicht auch mal „nein“ sagen zu können. Es ist und gesund zu arbeiten? Dies zu wissen, ist der erste hingegen professionell, sich selbst zu erlauben, in der Schritt. Hierbei sind die folgenden Fragen hilfreich: Freizeit abzuschalten und die eigenen Energieressourcen durch bewusste Entspannung und wohltuende Frei- • Wie verhalte ich mich überhaupt? zeiterlebnisse aufzufüllen. Es gibt in jedem Team sicher die oder den ein oder anderen, die oder der ständig mit • Bin ich „gut“ zu mir? ihren oder seinen Gedanken bei der Arbeit ist, immer be- • Bin ich zufrieden mit meinem Gesundheitszustand? reit ist einspringen und trotzdem oder gerade deswegen auf Dauer in die Überforderung rutscht und krank wird. • Verhalte ich mich gesundheitsförderlich? Seite 11
• Gibt es Dinge, die ich gerne ändern würde? sein kann. Die Berichte der Gesamtergebnisse wurden • Wenn ja, was soll sich ändern? in anonymisierter Form den Einrichtungsleitungen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Mitarbeiterver- • Wie kann ich das erreichen? sammlungen vorgestellt und miteinander diskutiert. • Was muss ich tun? Jedem Menschen wird damit, ganz im Sinne des ICN-Et- hikkodexes, eine aktive, gestalterische Rolle beim Ver- • Welche Unterstützung kann ich aktivieren? halten zu den beruflichen Anforderungen zugesprochen. Die Annahme ist, dass der Persönlichkeit und damit Dann gilt es zu handeln um präventiv aktiv die eigene jedem Einzelnen selbst eine entscheidende Rolle bei der Gesundheit zu schützen. Machen Sie Ihre beruflichen Gestaltung ihrer oder seiner gesundheitlichen „Entwick- Belastungsfaktoren zum Thema. Sprechen Sie Ihre Arbeit- lung“ zukommt. Gesundheitsförderliches Verhalten- und geberin oder Ihren Arbeitgeber an, wenn Sie hierbei Erleben schafft präventiv wirksame Ressourcen. Das in- Unterstützung brauchen, thematisieren Sie Ihre Be- dividuelle Belastungsempfinden kann gestaltet werden. lastungsfaktoren im nächsten Mitarbeitergespräch und Das, was als Belastung erlebt wird, und auf Dauer krank suchen Sie gemeinsam nach Lösungen. Ihre Gesundheit zu machen droht, kann im ersten Schritt erkannt werden. ist ja auch im Interesse Ihrer Arbeitgeberin oder Ihres Im zweiten Schritt kann dann aktiv an einer Verhaltens- Arbeitgebers, also holen Sie sie oder ihn im Eigeninter- änderung gearbeitet werden. Somit ist jeder ein Stück esse mit ins Boot, denn Ihre Gesundheit ist Ihr höchstes weit selbst „seiner Gesundheit Schmied“. Jeder kann Gut. Im Arbeitskontext stellt die Gesundheit Ihre Ressour- „sich selbst“ sozusagen mit kleinen und großen Schritten ce und Ihr Kapital dar, die es Ihnen ermöglicht Ihren Beruf lebenslang Gutes tun und eigenaktiv seine Gesundheit auszuüben und nicht zuletzt auch Geld zu verdienen und präventiv schützen. unabhängig zu sein. Wenn ich gerne und gesund arbei- ten möchte, bedeutet es, dass ich meine persönliche Ge- Der dazu im Projekt eingesetzte Fragebogen AVEM nutzt sundheit ernst nehmen muss, mich selbst reflektiere und vier Muster mit drei Merkmalsbereichen und elf Dimensi- auch kleine Schritte aktiv angehe, um meine Gesundheit onen. Diese Muster, Merkmalsbereiche und Dimensionen zu schützen und möglichst langfristig zu erhalten. Im Fol- bieten mit ihren Aussagen gute Anhaltspunkte, um das genden finden Sie dazu weitere Handlungsanregungen eigene Gesundheitsverhalten in Bezug auf die Arbeits- und Tipps aus der Projektarbeit. tätigkeit auf den selbstkritischen Prüfstand zu stellen. Mit dieser Broschüre ist leider keine Befragung mit dem Fra- gebogeninstrument AVEM möglich. Doch da die Ausein- andersetzung und Diskussion mit den Mitarbeiterinnen 3.2 Gesundheitsförderung durch und Mitarbeitern über die Muster des AVEM und seine Reflexion mit dem „AVEM“ Fragebogen Merkmalsbereiche sowie Dimensionen von den Befrag- ten als hilfreich und präventionswirksam erlebt wurden, soll das Forschungsinstrument in dieser Broschüre in Um geeignete Tipps zur eigenaktiven Gesundheits(vor) kurzer Form vorgestellt und mit einigen beispielhaften sorge durch gesundheitsförderliches Verhalten (Verhal- Möglichkeiten zur Intervention bei gesundheitsgefähr- tensprävention) herauszuarbeiten, wurden im Projekt dendem Verhalten (siehe Tabelle 1) beschrieben werden. Pflege-Prävention 4.0 in drei beteiligten Pflegeeinrich- tungen insgesamt über 300 Mitarbeiterinnen und Mit- Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster arbeiter mit Hilfe eines Fragebogens zu Arbeits- und Be- (AVEM) rufsanforderungen angesprochen. Der dazu verwendete Eine AVEM-Auswertung ordnet die jeweilige Ausprägung Fragebogen AVEM (Arbeitsbezogenes Verhaltens- und der Merkmale vier einprägsamen und charakteristischen Erlebensmuster)16 stellt 44 Fragen zu arbeitsbezogenen, Mustern arbeitsbezogenen Verhaltens und Erlebens zu. gesundheitsförderlichen und gesundheitsgefährdenden Die Muster, das „Gesundheitsmuster G = Gesundheit“, Verhaltens- und Erlebensweisen. Durch ein spezielles das „Muster S = Schonung“ und zwei Risikomuster, Auswertungsverfahren konnte jede Teilnehmerin und „Muster A = Gesundheitsrisiko durch Selbstüber- jeder Teilnehmer eine ganz persönliche schriftliche Rück- forderung“ und „Muster B = Gesundheitsrisiko durch meldung ihres oder seines arbeitsbezogenen Verhal- chronisches Erschöpfungserleben und Resignation“ tens- und Erlebensmusters erhalten. Jede Teilnehmerin stehen für bestimmte Eigenschaften (siehe Abbildung 2). und jeder Teilnehmer erhielt dabei ganz persönliche Die Musterzugehörigkeit ermöglicht Aussagen unter Ein- Hinweise, wie sie oder er am besten seine Gesundheit im bezug von Gesundheitsaspekten. Darüber hinaus erfolgt Berufsalltag schützen und gesundheitspräventiv aktiv durch die Auswertung der Befragung die Folgerung gesundheitsförderlicher Interventionen. 16 Schaarschmidt & Fischer, 2008; Fischer, 2018 Seite 12
Abbildung 2: Symbole zu den vier Arbeits- bezogenen Verhaltens- und Erlebensmus- ter mit Kurzbeschreibung17 Muster G – Gesundheit hohes, aber nicht überhöhtes Engagement, verbun- den mit Widerstandsfähigkeit und Wohlbefinden Muster S – Schutz/Schonung verhaltenes Engagement bei erhaltener Wider- standsfähigkeit und (relativem) Wohlbefinden Risikomuster A – Anstrengung überhöhtes Engagement bei verminderter Wider- standfähigkeit und eher eingeschränktem Lebens- gefühl Risikomuster B – „Burnout“ Resignation und deutlich verminderte Belastbarkeit, einhergehend mit reduziertem Engagement und stark eingschränktem Wohlbefinden Die drei übergeordneten Merkmalsbereiche des AVEM jemand, der sich verausgabt, also hohe Anforderungen sind: „1. Engagement gegenüber der Arbeit“, erfüllt auch entsprechende ausgleichende Ressourcen im „2. Persönliche Widerstandsfähigkeit gegenüber Be- „Repertoire“ seines Verhaltens und Erlebens haben muss. lastungen“ und „3. Lebensgefühl“. Diese drei Bereiche Bei Befragten mit „Gesundheitsmuster G“ sieht man gliedern sich in elf verschiedene Dimensionen, bei denen beispielsweise hohe Einschätzungen der Dimensionen es für die Gesundheit wichtig ist, ein gewisses Gleich- beim Merkmalsbereich Lebensgefühl (siehe Abbildung 3: gewicht zu halten. Betrachtet man beispielsweise in hoher Wert von acht auf der Stanine- Skala). Abbildung 3 die unterschiedlichen Ausprägungen der Di- mensionen beim „Gesundheitsmuster G“ (grüne Linie) Menschen mit „Gesundheitsmuster G“ beurteilen sich im Vergleich zum „Risikomuster B“ (graue Linie), fallen selbst beispielsweise im Großen und Ganzen als glück- große Unterschiede auf (da, wo die Linien auf dem Spin- lich (hohe Lebenszufriedenheit) und ihr Berufsleben als nennetzdiagramm weit auseinander liegen, beispielswei- erfolgreich. Sie sind ehrgeizig im Beruf und resignieren se bei der Dimension 6: Resignationstendenz), aber auch nicht so schnell bei Misserfolg. Sie achten jedoch auch Gemeinsamkeiten auf (da, wo sie aufeinandertreffen, bei- auf eine Balance zwischen Belastung und Ressourcen, spielsweise bei der Dimension 3: Verausgabung). Letzt- denn bei der Verausgabung arbeiten sie nicht unbedingt endlich ist aber für die Gesundheit und Gesunderhaltung exzessiv bis zur Erschöpfung, sie sind in der Lage auch ein entsprechendes Zusammenspiel und Gleichgewicht mal „nein“ zu sagen. aller elf Dimensionen entscheidend. Dieses gesundheits- förderliche Gleichgewicht bildet sich in den Ausprägun- Vergleicht man nun die einzelnen farbigen Linien der gen des „Gesundheitsmuster G“ ab. Hier zeigt sich, dass Muster, dann kann man schon erkennen, wie wichtig 17 Schaarschmidt & Fischer, 2008; Fischer, 2018 Seite 13
eine Balance zwischen Anforderungen und Ressourcen Ein Ergebnis des Projektes Pflege-Prävention 4.0 ist: für die Gesunderhaltung ist und wie sehr die eigene Ein- Eine AVEM-Befragung ist für die Altenpflege eine gute schätzung des Erlebens arbeitsbezogener Faktoren eine Möglichkeit zur Einschätzung arbeitsbezogener gesund- Rolle spielt. Auch wenn wir an dieser Stelle mit Ihnen heitsförderlicher bzw. -gefährdender Verhaltens- und keine AVEM-Befragung durchführen können, hoffen Erlebensweisen. Im Projekt lagen beispielsweise bei der wir, dass eine Beschäftigung mit den Beispielaussagen Hälfe der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu jeder der elf Dimensionen (siehe Abbildung 3) Ihnen Hinweise auf eine Zuordnung zu einem Risikomuster vor eine Anregung bietet, Ihrem eigenen Gesundheits- oder (es gibt auch die Möglichkeit im Ergebnis Anteile von Risikomuster und damit Ihren Belastungsfaktoren und verschiedenen Mustern aufzuweisen). Entsprechend Ressourcen auf die Spur zu kommen. ließen sich für und mit den Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmern mit der AVEM-Befragung und -Auswertung Anregungen zu gesundheitsförderlichem Verhalten ableiten. Abbildung 3: Drei Merkmalsbereiche und elf Dimensionen des AVEM mit den Musterausprägungen18 AVEM: Dimensionen und Merkmalsbereiche Dimensionen 9 - 11: LEBENSGEFÜHL 1. Subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit: 11. Erleben sozialer Unterstützung: „Die Arbeit ist für mich der wichtigste „Mein/e Partner/in zeigt Verständnis für Lebensinhalt.“ Dimensionen 1 - 5: 2. Beruflicher Ehrgeiz: meine Arbeit.“ Stanine-Skala „Für meine berufliche Zukunft habe ENGAGEMENT Quelle: Schaarschmidt und Fischer (2008); eigene Darstellung ich mir noch viel vorgenommen.“ GEGENÜBER DER ARBEIT 10. Lebenszufriedenheit: 3. Verausgabung: „Im Großen und Ganzen „Wenn es sein muss, arbeite ich bis zur bin ich glücklich und Erschöpfung.“ zufrieden.“ 9. Erfolgserleben im Beruf: 4. Perfektionsstreben: „Mein bisheriges Berufsleben „Was immer ich tue, es muss perfekt war recht erfolgreich.“ sein.“ 5. Distanzierungsfähigkeit: 8. Innere Ruhe und „Nach der Arbeit kann ich ohne Ausgeglichenheit: Probleme abschalten.“ „Mich bringt so leicht nichts aus der Ruhe“. 7. Offensive Problembewältigung: 6. Resignationstendenz bei „Wenn mir etwas nicht gelingt, Misserfolg: sage ich mir: Jetzt erst recht!“ „Wenn ich keinen Erfolg habe, resigniere ich schnell.“ Dimensionen 6 - 8: WIDERSTANDSFÄHIGKEIT GEGENÜBER BELASTUNGEN 18 Schaarschmidt & Fischer, 2001; Fischer (2018) Seite 14
Maßnahmen zur gesundheitsförderlichen Intervention Die folgende Tabelle, entwickelt von den Autoren des AVEM (linke und mittlere Spalte), bietet eine Übersicht der Charakteristika von Personen, die in der Befragungs- auswertung überwiegend dem Risikomustern „Risiko- muster A“ und „Risikomuster B“ zugeordnet wurden. In der mittleren Spalte stehen entsprechende Maßnahmen der Intervention19. Passende Schritte zur Gesundheitsprä- vention konnten so im Projekt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsam mit der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber abgeleitet und umgesetzt werden. Zudem wurde von den Autorinnen und Autoren dieser Broschüre eine dritte rechte Spalte mit Tipps ergänzend hinzuge- fügt, die sich auf weitere „Tipps zur eigenaktiven Gesund- heitsprävention“ beziehen, die Sie in dieser Broschüre finden. Tabelle 1: AVEM: „Charakteristika der Risikomuster und darauf abgestimmte Interventionen“20 1 Gemeinsamkeiten von Risikomuster A und B Maßnahmen der Intervention Weitere Tipps 1.1 Innere Unruhe und Unausgeglichenheit, Belastungsausgleich durch Entspannen und Gut Schlafen S. 18, eingeschränkte Distanzierungsfähigkeit Kompensieren Bewegung S. 34, Erholung S. 18 1.2 Eingeschränktes Lebensgefühl Genusstraining/Schaffen von Zufriedenheits- Achtsamkeit (allgemeine Unzufriedenheit) erlebnissen S. 29 1.3 Misserfolgserleben, Resignationstendenz Realistische Klärung des Arbeitsauftrages (pro- Stressbewältigung fessionelles Selbstverständnis) S. 23 Identifizierung, Problematisierung und Ver- änderung unrealistischer, überhöhter (A) bzw. enttäuschter (B) berufsrelevanter Ansprüche, Erwartungen und Zielvorstellungen 1.4 Entspannungsunfähigkeit Stressbewältigungstraining, individuelle Stress- Stressbewältigung analyse, Erlernen von lang- und kurzfristigen S. 23 Stressbewältigungsstrategien 1.5 Erleben mangelnder sozialer Unterstützung Entwicklung von Teamgeist und Teamfähig- keit, Schaffung eines positiven Arbeitsklimas, Organisierung und Pflege sozialer Kontakte in der Freizeit 19 Schaarschmidt & Fischer, 2008:18ff 20 Schaarschmidt & Fischer, 2008:18ff Seite 15
2 Charakteristika von Risikomuster A Maßnahmen der Intervention Weitere Tipps 2.1 Selbstüberforderung Nein-Sagen lernen, Veränderung der individu- Pausen S. 21 ellen Arbeitsorganisation und des Zeitmanage- ments, Koordinierung und Ausbalancierung von beruflichen Anforderungen, häuslichen Pflichten und Freizeitaktivitäten 2.2 Einseitige Betonung der Arbeit, exzessive Ver- Relativierung des Stellenwertes der Arbeit ausgabung gegenüber den anderen Bereichen des Lebens 2.3 Unzufriedenheit, Unausgeglichenheit Konflikt und Stressbewältigungstraining zum Pausen S. 21, Abbau von Ärger und Ungeduld, zur Erhöhung Urlaub S. 20 der Frustrationstoleranz und Verringerung der Verletzbarkeit 3 Charakteristika von Risikomuster B Maßnahmen der Intervention Weitere Tipps 3.1 Eingeschränkte kommunikative Kompetenz, Kommunikations- und Konfliktbewältigungs- defensive Problembewältigung training, Förderung offensiven Kommunikations- und Konfliktverhaltens 3.2 Resignation, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung Coaching, ggf. auch Einzel- oder Gruppenthera- pie zur emotionalen Stabilisierung, Bewältigung von Angst, Stärkung von Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit, neue Zielsetzung und Sinn- findung Beispiel 1 Fühlen Sie sich beispielsweise innerlich unruhig und oft unausgeglichen (siehe Beispiel 1.1 der Tabelle 1)? Angebot Ihrer Arbeitsgeberin oder Ihres Arbeitgebers Vielleicht nehmen Sie sich zu viel zu Herzen und Arbeits- (Massage, Sport- oder Entspannungskurs) vorhanden sorgen, wie das Leid Ihrer Bewohnerinnen und Bewoh- und noch nicht von Ihnen ausprobiert worden. Vielleicht ner oder Ärger mit Angehörigen oder Kolleginnen bzw. wäre es aber auch hilfreich für Sie, durch eine Fort- oder Kollegen, mit nach Hause? Mitfühlend zu sein ist eine Weiterbildung aktiv ihre professionelle Haltung auszu- positive Eigenschaft, aber es ist wichtig für die eigene Ge- bauen. Ein Kurs zur palliativen Begleitung oder auch ein sunderhaltung nicht intensiv mitzuleiden. Dann sollten Kommunikationstraining kann sehr hilfreich sein, belas- Sie darüber nachdenken, wie es um die gesundheitsför- tende Gedanken besser einzuordnen und zu verarbeiten. derliche Fähigkeit bestellt ist, eine innere professionelle Finden Sie heraus, was Ihnen helfen könnte. Zögern Sie Distanz zu bewahren? Hieran können Sie arbeiten und auch nicht, sich Unterstützung bei Ihrem Vorhaben zu Ihr Verhalten aktiv verändern. Schon das Erkennen des holen, beispielsweise bei Ihrer Wohnbereich- oder Pflege- Belastungserlebens ist ein erster Schritt in die richtige dienstleitung. Richtung. Der zweite Schritt ist dann zu erkennen, was Sie in Angriff nehmen müssen, Ihre Belastungsfaktoren ab- und die Ressourcen aufzubauen. Evtl. hilft es Ihnen schon, schöne Dinge in der Freizeit zu machen, also sich bewusst und aktiv zu erholen anstatt nur an die Arbeit zu denken. Evtl. ist ja auch ein gesundheitsförderliches Seite 16
Beispiel 2 Beispiel 4 Vielleicht sagen Sie oft „ja“ und meinen eigentlich „nein“? Springen schon wieder ein obwohl, Sie eigentlich „auf Nicht unwichtig ist dabei, dass auch immer eine Reflexion dem Zahnfleisch“ gehen (siehe Beispiel 2.1 der Tabelle 1)? der Einflussfaktoren durch die Arbeitsverhältnisse, also Dann wäre für Sie gesundheitsförderlich zu lernen, auch die der Arbeits- und Organisationsebene erfolgen sollte. mal „nein“ zu sagen. Auch hier ist eine professionelle Hal- Passt die Arbeit, die Sie machen, zu Ihnen? Oder denken tung gegenüber den Arbeitsanforderungen gesundheits- Sie häufiger, dass von Ihnen zu viel oder zu schwierige förderlich. Die „Arbeitswelt geht nicht unter“, nur weil Aufgaben verlangt werden? Denn vor allem bei Perso- Sie mehr auf ihre Gesundheit achten und Ihre gesund- nen, die Eigenschaften des „Risikomusters B“ widerspie- heitsförderlichen Grenzen erkennen, diese akzeptieren geln, wurden häufig Abweichungen zwischen Eignung und auch zu formulieren lernen. Eine Veränderung der und Arbeitsaufgabe und damit die „Ebene Kompetenz“ individuellen Arbeitsorganisation und des Zeitmanage- als Ursache eines Überforderungserlebens festgestellt21 ments, eine Neujustierung und Ausbalancierung Ihrer (siehe Beispiel 3.2 der Tabelle 1). Sprechen Sie dies im beruflichen Anforderungen, der häuslichen Pflichten Mitarbeitergespräch gezielt an. Vielleicht fehlt Ihnen ja und Freizeitaktivitäten können gesundheitsförderlich Unterstützung durch eine gezielte Handlungsanleitung wirken. Auch hier kann es, wie im Beispiel 1, nützlich sein, bei als schwierig erlebten Arbeitssituationen. Oder eine Unterstützung einzuholen. Ein Kommunikationstraining bestimmte Fortbildung bietet Ihnen die Möglichkeit, das kann Ihnen helfen, eigene Wünsche anderen gegenüber notwenige Know-how für die Bewältigung der quälen- besser zu vertreten. den Arbeitsaufgabe zu erlernen. Genauso belastend kann es aber auch sein, wenn man Bespiel 3 sich auf der Arbeit zu oft langweilt. Denn auch das Gefühl Es klappt nicht so richtig im Team. Sie fühlen sich nicht permanenter Unterforderung kann krank machen. Dann unterstützt und erleben die Zusammenarbeit mit den zögern Sie nicht, aktiv neue berufliche Herausforderun- Kolleginnen und Kollegen, vielleicht auch mit den Vor- gen zu suchen, die Ihnen gut tun. Fragen Sie gezielt nach gesetzten als unerfreulich und stressig (siehe 2.5 der Fort- oder Weiterbildungen und suchen Sie neue Arbeits- Tabelle 1)? Überlegen Sie, woran das liegen könnte und aufgaben, die Ihnen Spaß machen. welche Ressourcen aktivierbar sind, um Ihre Belastung zu senken. Vielleicht hilft es ja schon, Ihr Empfinden an- zusprechen und mit Ihren Kollegeninnen und Kollegen Fazit oder Vorgesetzten nach Lösungen zu suchen. Sollte ins- Es gibt es verschiedene Ansätze, die Ihnen helfen könn- gesamt eher miese Stimmung herrschen, sollten Sie das ten, Ihr Belastungserleben zu senken und aktiv Ressour- nicht einfach ertragen und aushalten. Werden Sie aktiv cen aufzubauen. Überlegen Sie bewusst, was hilfreich für und regen Sie an, gemeinsam mit dem ganzen Team Sie sein könnte, und gehen Sie es an. Schauen Sie doch Lösungen zu suchen, ein Teamcoaching, eine Supervision auch mal, was Ihre Arbeitgeberin oder Ihr Arbeitgeber oder auch die bewusste Inangriffnahme von Maßnahmen so alles für die Gesundheitsförderung anbietet. Vielleicht zur Teambildung (gemeinsame Freizeitaktivitäten, Team- haben Sie ja das eine oder andere Angebot noch gar tage, …) können dem ganzen Team gut tun und auch nicht so richtig wahrgenommen und folglich noch nicht Ihre Belastung senken und Ressourcen durch das Gefühl ausprobiert. Sprechen Sie auch ihre Arbeitgeberin oder sozialer Unterstützung durch Ihr Team frei setzen. Ihren Arbeitgeber, ihre Kolleginnen und Kollegen sowie eventuell ihre Familie und Freunde an, wenn Sie Unter- Es könnte aber auch sein, dass Sie selbst schon bemerkt stützung brauchen, um Ihr Verhalten dauerhaft in eine haben, eher überempfindlich zu reagieren? Vielleicht tut gesundheitspräventive Richtung zu bringen. Letzten es Ihnen dann gut, dafür zu sorgen, dass Ihr „Fell ein biss- Endes tun Sie sich selbst Gutes, hinzuschauen und Ihr chen dicker wird“, indem Sie in Ihrer Freizeit mehr Ihnen (Arbeits)verhalten so zu ändern, dass die Arbeit Sie nicht wohltuende soziale Kontakte pflegen. Schaffen Sie sich krank macht. Hilfreiche Ideen bieten sicher auch die damit einen inneren Puffer für stressige Arbeitssituationen. guten Beispiele aus den Selbstberichten einiger Projekt- teilnehmenden (Kapitel 5.) in dieser Broschüre. 21 Schaarschmidt & Fischer, 2008:17ff Seite 17
DIE EIGENE GESUNDHEIT AKTIV FÖRDERN – EINIGE HINWEISE (NICHT NUR) FÜR PFLEGE-BESCHÄFTIGTE 4. Die eigene Gesundheit aktiv fördern – einige Hinweise (nicht nur) für Pflege -Beschäftigte Doch nicht nur im beruflichen Kontext kann jeder sein Verhalten reflektieren und gezielt aktiv werden, um die Gesundheit zu fördern; auch im privaten Kontext kann einiges getan werden. Ansatzpunkt ist hier das Erkennen von persönlichen Ressourcen als Schutzfaktoren. Im Folgenden werden die Aspekte Erholung, Umgang mit Stress, Achtsamkeit, Ernährung, Bewegung und Suchtprophylaxe als wichtige Elemente der Verhaltens- prävention genauer betrachtet. Für jeden Bereich werden Handlungsempfehlun- gen formuliert, die als Anregung zur eigen initiativen Auseinandersetzung mit der individuellen Gesundheit dienen sollen. Dabei geht es nicht darum, Sie als Beschäf- tigte aufzufordern, möglichst viele dieser Empfehlungen umzusetzen. Vielmehr geht es darum aufzuklären, inwieweit man sich mit dem eigenen Gesundheits- zustand auseinandersetzen kann. Nicht jeder Ansatz ist für jede Lebenssituation optimal. Die hier gebotene Auswahl an Vorschlägen soll vielmehr neugierig ma- chen und dazu anregen, Neues auszuprobieren. Nutzen Sie die Empfehlungen, © iStock.com/SrdjanPav um Ihr bisheriges Gesundheitsverhalten in einem oder mehreren Bereichen zu reflektieren. Experimentieren Sie mit den Ansätzen und finden Sie heraus, welche Vorschläge für Sie geeignet und gesundheitsförderlich sind. Seite 18
4.1 Erholung • Rauchen einschränken Ähnlich wie Koffein hat Nikotin eine anregende Wirkung. Deshalb sollte mindestens drei Stunden Regelmäßige Erholungsphasen und eine Balance vor dem Schlafengehen auf Nikotin verzichtet zwischen Belastung und Erholung sind notwendig für werden.27 Auch die Entzugserscheinungen während gesunde Arbeit. Erholung trägt zur Stärkung der Stress- des Schlafs können diesen beeinträchtigen. Rauche- toleranz bei und bildet damit einen wichtigen Resilienz- rinnen und Raucher wachen nachts häufiger auf und Faktor gegen Beanspruchung im Beruf. 22 schlafen schlechter ein. • Alkohol vermeiden Ebenso wie im Leistungssport sind regelmäßige Regene- Alkohol kann zwar das Einschlafen erleichtern, führt rationsphasen wichtig, um die Leistungsfähigkeit zu er- aber zu häufigerem Erwachen während der Nacht halten und Widerstandskraft aufzubauen. Erholung kann und zu verfrühtem Aufwachen am Morgen, was die dabei in unterschiedlichen Bereichen gefunden werden, Erholung beeinträchtigt.28 in Form von Hobbys, Sport oder sozialen Kontakten, die • Essen vor dem Schlafen häufig wegen hoher beruflicher Anforderungen einge- Sie sollten weder hungrig, noch mit einem Völle- schränkt oder aufgegeben werden. gefühl schlafen gehen. Empfohlen wird die letzte Mahlzeit ca. zwei bis vier Stunden vor dem Zubett- In diesem Kapitel werden einige Tipps gegeben, die gehen zu sich zu nehmen.29 Als kleiner Snack vor eingesetzt werden können, um Erholung und ihre Be- dem Schlafen werden Bananen und Milchprodukte deutung bewusster zu machen und stärker in den Alltag empfohlen, da sie den schlafförderlichen Stoff Tryp- zu implementieren. Dabei sollte darauf geachtet werden, tophan enthalten. dass umgekehrt kein „Freizeitstress“ entsteht, denn • Zimmertemperatur Erholung muss tatsächlich erholsam sein. Die Temperatur im Zimmer sollte kühl aber nicht kalt sein. Empfohlen wird eine Schlaftemperatur zwi- schen 16 und 19 Grad.30 Tipps, wie Sie Ihre Erholungsphasen • Nur schlafen Das Bett sollte ausschließlich zum Schlafen benutzt ausbauen können werden, d.h. kein Essen, Arbeiten oder Fernsehen an diesem Ort.31 Das Bett sollte nur mit Schlaf assoziiert A. GUT SCHLAFEN werden und keine z.B. arbeitsbezogenen Hinweis- reize liefern. Schlaf ist überlebenswichtig und ein wesentlicher Be- standteil der Gesundheit. Schlafentzug kann zur Schwä- • Schlaf lässt sich nicht erzwingen Wenn Sie wachliegen, stehen Sie auf, beschäftigen chung des Immunsystems führen und den Stoffwechsel Sie sich mit anderen Dingen. Gehen Sie erst wieder beeinflussen.23 Gedächtnisleistung und Problemlösekom- ins Bett, wenn Sie wirklich müde sind. Beständiges petenz stehen ebenfalls in engem Zusammenhang mit Nachdenken darüber, dass man eigentlich schlafen erholsamem Schlaf. So nimmt beispielsweise die Leistung muss, hält eher vom Schlafen ab. Deshalb sollte auch des Arbeitsgedächtnisses unter Schlafmangel ab24 und der Blick auf die Uhr vermieden werden, um Zeit- die Fähigkeit, Zusammenhänge oder Lösungswege zu druck zu vermeiden.32 finden nach einer Erholungsphase zu.25 Doch was kann • Entspannungsrituale man tun, um seinen Schlaf erholsamer zu machen? Entspannungsrituale können ganz unterschiedliche Formen annehmen. Meditative Musik, heißer Tee, • Koffeinhaltige Getränke vermeiden Entspannungs- oder Fußbäder können das Einschla- Für einen erholsamen Nachtschlaf ist es wichtig, fen fördern.33 mindestens vier Stunden vor dem Schlafen keine • Extra-Tipp für Nachtwachen koffeinhaltigen Getränke mehr zu sich zu nehmen.26 Nach der Nachtwache fällt das Einschlafen häufig Dazu gehört neben Kaffee auch grüner und schwar- schwer oder wird durch private „Schichten“ wie zer Tee, sowie Cola und Energydrinks. Neben der z.B. Kinderbetreuung verschoben. Versuchen Sie kurzfristigen aktivierenden Wirkung, kann es bei dennoch, einen individuellen, aber festen Rhyth- regelmäßigem und übermäßigem Konsum zu Ent- mus aufzubauen, denn Ein- und Durchschlafen sind zugserscheinungen kommen, die den Schlaf stören. gewohnheitsmäßiger Natur und können dement- 22 Kaluza, 2011 27 Kaluza, 2011; Kaya, 2017 23 Gumustekin et al., 2004 28 Kaluza, 2011; Kaya, 2017 24 Turner, Drummond, Salamat & Brown, 2007 29 Kaluza, 2011; Kaya, 2017 25 Wagner, Gais, Haider, Verleger & Born, 2004 30 Kaya, 2017 26 Kaluza, 2011; Kaya, 2017 31 Kaluza, 2011 32 Kaluza, 2011; Kaya, 2017 33 Kaluza, 2011; Kaya, 2017 Seite 19
sprechend erlernt werden.34 Aber eben nur, wenn Nach dem Urlaub: eine feste Struktur über einen längeren Zeitraum auf- • Den nächsten Urlaub planen rechterhalten wird. Wenn Sie nach Ihrem Urlaub direkt den nächsten Urlaub planen, schließt die Vorfreude auf die nächs- ten freien Tage direkt an das Urlaubsende an und die B. VOM URLAUB IN DEN ALLTAG Zeit bis zur nächsten Auszeit bleibt überschaubar.37 Deshalb empfiehlt es sich auch, den Jahresurlaub nicht am Stück zu nehmen, sondern in mehrere Kurz- Urlaub ist eine besondere Erholungsquelle. Die Dauer urlaube aufzuteilen. des Urlaubs hat dabei keine Auswirkung auf den Erho- lungseffekt, wenngleich zu sagen ist, dass dieser Effekt • Positiv denken bei längeren Urlauben länger vorhält.35 Wenn Sie nach Denken Sie nicht nur an den Stress und die Arbeit, dem Urlaub „freudige Spannung, vielleicht sogar Lust die Sie in den kommenden Tagen erwarten wird. auf das Kommende in sich spüren, […] sind Sie wirklich Fokussieren Sie sich auf das, was an Ihrem Job toll ist erholt“.36 z.B. Ihre Kolleginnen und Kollegen oder besondere Bewohnerinnen und Bewohner.38 Um das Entspannungsgefühl des Urlaubs noch etwas • Urlaubsfotos länger mit in den Alltag zu übernehmen, gibt es einige Erinnerungen an den vergangenen Urlaub, können hilfreiche Tipps, die vor und nach dem Urlaub beachtet die Laune steigern. Nehmen Sie sich ein Foto mit werden sollten. zur Arbeit oder gehen Sie die Fotos nach der Arbeit durch. Das Zurückversetzen in die Urlaubssituation Vor dem Urlaub: senkt den Stress und führt zur Ausschüttung von Dopamin.39 • Urlaub an Ihre Bedürfnisse anpassen: Die Frage, wo Sie Urlaub machen, ob Aktivurlaub oder Faulenzen, ob alleine oder in einer Gruppe, ob Hotel oder Campen ist zweitrangig. Ihr Urlaub sollte C. PAUSEN MACHEN IN DER ARBEIT Ihren Entspannungsbedürfnissen entsprechen. Diese Bedürfnisse sollten Sie bereits bei der Planung ein- Regelmäßige und erholsame Pausen sind im Arbeits- beziehen. Wenn Sie mit mehreren Personen verrei- alltag der Pflege oft spärlich gesät. Es kann schwer sein, sen, mit Ihrer Familie oder Ihren Freunden, sollten Sie eine Pause zu nehmen und sich zu entspannen, wenn darauf achten einen Urlaubsort zu wählen, der den man selber weiß, dass eine Kollegin oder ein Kollege Interessen aller Beteiligten gerecht wird. gerade Hilfe braucht, oder eine Bewohnerin oder ein • Keine zu hohen Erwartungen Bewohner geklingelt hat. Vermutlich lässt in Deutschland Ist ein Urlaubsziel festgelegt, sollten Sie darauf ach- deswegen jede zweite bis dritte Mitarbeiterin bzw. jeder ten, dass Sie keine konkreten oder zu hohen Erwar- zweite bis dritte Mitarbeiter in klassischen Gesundheits- tungen bilden. In der Realität werden immer kleine berufen seine bzw. ihre Pause ausfallen oder unterbre- Störungen oder Ärgernisse auftreten, über die Sie chen.40 Allerdings sind regelmäßige, ununterbrochene dann besser hinwegsehen können. Pausen im Arbeitsalltag wichtig und tragen zur Erholung • Kein Stress beim Entspannen und Produktivität während der Arbeit bei.41 Achten Sie darauf, dass Sie sich langsam auf den Urlaub einstellen. Entspannung tritt nicht sofort ein. Generell stehen jeder Arbeitnehmerin und jedem Arbeit- Laut einer Studie des Tourismusforschers Jeroen Nar- nehmer, die bzw. der zwischen sechs und neun Stunden wijn (2010), ist die Stimmung in den ersten 10% des arbeitet, 30 Minuten Pause zu. Steigt die Arbeitszeit über Urlaubs noch vergleichsweise schlecht. Es braucht neun Stunden, so werden 45 Minuten Pause vorgeschrie- eine gewisse Zeit um den Stress abzulegen und von ben,42 in der Pflege betrifft dies fast ausschließlich die der Arbeit abzuschalten. Setzen Sie sich deshalb Nachtwachen. Dabei kann jede Mitarbeiterin und jeder nicht unter Druck. Mitarbeiter selber entscheiden, ob die Pause am Stück genommen wird oder ob diese in mehrere kurze Pausen aufgeteilt wird, zum Beispiel zwei Mal 15 Minuten bei einer 7,5 Stunden Schicht. 34 Maier, 2017; Maier, 2017a 37 Groll, 2012 35 de Bloom, Geurts & Kompier, 2012 38 Bürgel, 2014 36 Kaluza, 2011, S. 242 39 Bürgel, 2014 40 Wendsche, 2014 41 Lisper & Erikssohn, 1980 42 §4, ArbZG Seite 20
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