Frauenforum aktuell - Frauenforum Augsburg

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Frauenforum aktuell - Frauenforum Augsburg
aktuell
                                                      Frauenforum
                                                                                               Informationsblatt • Ausgabe 57 • II/2020

Liebe Leserinnen
und Leser,
„Wie hast du den Corona-Lockdown
erlebt? Was hat dich in dieser, teilweise fast
schon unwirklichen Krise, besonders her-
ausgefordert? Welchen Sinn hast du in die-
ser Zeit gefunden?“ Diese Fragen beschäf-
tigten uns bei unserer Telefonkonferenz zur
Absprache der Themen für diese Ausgabe
im Mai intensiv. Daraus entstanden sind
viele sehr persönliche Artikel zu unter-
schiedlichen Schwerpunkten. Neben den
besonderen familiären Herausforderungen
beschäftigten wir uns auch mit den älteren
Mitmenschen in der Krise. Kunst und
Kultur haben neben den Folgen für die
Umwelt ihren Platz bekommen. So soll
dieses Heft Mut machen, aus der Krise
gestärkt hervorzugehen und manche bis-
herige Lebensweise in Frage zu stellen.

Die Berichte aller Frauen, die an diesem
Heft beteiligt sind, bilden einen bunten
Garten an Erfahrungen. Diese persön-

                                                                      Jetzt ist die Zeit!
lichen Erlebnisse und Sichtweisen zeigen,
wie vielfältig sich das Thema Corona in
den vergangenen Monaten auf berufliche
und familiäre Situationen ausgewirkt und
                                                      Es war schon eine sonderbare Situation, als      wir die Vielfalt der Medien als Segen, konnten
dabei alle Lebensphasen durchdrungen
                                                      im März wegen der Coronapandemie der             wir doch problemlos kommunizieren.
hat. Besonders grün und fruchtbar wird
                                                      Lockdown verkündet wurde. Bei vielen
der Garten dadurch, dass die Kreativität
                                                      Kolleginnen und Kollegen und bei vielen          Jetzt, einige Monate später, wünschen sich
und der Einfallsreichtum aller Betroffenen
                                                      Ehrenamtlichen stieß ich auf große               viele, dass wir Menschen etwas aus dieser Zeit,
in dieser Zeit enorm hoch waren. Die
                                                      Erleichterung, ja sogar Freude, über die         die wir jetzt durchleben, mitnehmen. Ich
Krise als Chance – diese Erfahrung war
                                                      gewonnene unverplante Zeit. Ich spürte ein       denke darüber nach, was in einer Krise mit
trotz mancher Mühen vielerorts spür-
                                                      regelrechtes kollektives „Aufatmen“. Endlich     geradezu surrealem Charakter trägt. Was ver-
bar. Alte Wege mussten verlassen werden,
                                                      Ruhe! Endlich keine Zwänge, keine Termine!       bindet, trotz physischer Distanz?
auf neuen Pfaden versperrte mancherlei
                                                      Die Menschen beschrieben eine Befreiung
Dickicht die Sicht und den direkten Weg.
                                                      vom, manchmal auch selbst auferlegten,           Sind es nicht die Gaben und Fähigkeiten jedes
Aber nach anfänglichen Unwegbarkeiten
                                                      Druck.                                           Menschen, die neue Strahlkraft bekommen,
lohnte sich der Aufwand und frische
                                                                                                       die zueinander führen, die sich nicht aus
Ideen und Impulse konnten sprießen.
                                                      In den Wochen der Coronakrise erlebten viele     Egozentrik, sondern Selbstlosigkeit speisen?
                                                      von uns, dass eine neue Bescheidenheit, wo wir   Ganz offensichtlich geht es um menschliche
Bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses
                                                      uns nur auf das wirklich Notwendige im Alltag    Urbedürfnisse wie Mitgefühl, Mitmensch-
am 30. Juni war deutlich geworden, dass wir
                                                      beschränken, guttut. Notwendig waren z. B.       lichkeit und Rücksichtnahme, Zuwendung
nur einen Ist-Stand aus dem Lebensgarten
                                                      viele uns wichtige Kontakte mit lieben Men-      und Begleitung, trotz räumlicher Distanz. Das
weitergeben können. Vieles worüber wir
                                                      schen, um die wir uns sorgten. Hier erlebten     Elementare und einzig Überzeugende prak-
                            Fortsetzung auf Seite 2
                                                                                                                                    Fortsetzung auf Seite 2
Frauenforum aktuell - Frauenforum Augsburg
aktuell
Ausgabe 57
                                                              Frauenforum                                                                          Seite 2

Fortsetzung von Seite 1

  gerne intensiver berichtet hätten, war zum      dienste liegt mein Schwerpunkt in der             Vertrauen, Mut und Kraft im Leben zu ver-
  jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht absehbar.     Liturgie und der Frage nach kreativen             ankern und christliche Werte zu vermitteln.
  Manches brodelt und wird früher oder spä-       Möglichkeiten für Gott im Raum. Ich war
  ter neue Konfliktfelder bilden. Aber wenn       über zwei Jahrzehnte in der Gemeindearbeit        Als Redaktionsteam, zusammen mit Felizitas
  unsere Gesellschaft sich entwickeln soll,       tätig, Schwerpunkte waren Familien,               Mutzenbach, Irene Kischkat und Sophia
  brauchen wir intensive, und notwendiger-        Kinder und Jugendliche, Eine Welt, Öffent-        Vogel freuen wir uns auf aktuelle Themen
  weise auch konträre Auseinandersetzungen        lichkeitsarbeit und gelebte Spiritualität.        und fruchtbare Auseinandersetzungen. Für
  mit Themen.                                     Ehrenamtlich bin ich im Frauenbund tätig.         die Lektüre dieses Heftes wünschen wir uns,
                                                                                                    dass Sie Ihre persönlichen Erfahrungen der
  Im Redaktionsteam des Frauenforums                                       Ich bin Kerstin          Pandemie durch andere Frauen bereichern
  aktuell geschieht diese Auseinandersetzung                               Mayer, Bildungs-         können. Unser nächstes Heft wird pünkt-
  seit der letzten Ausgabe auch mit zwei                                   referentin       des     lich zu Weihnachten erscheinen. Bis dahin
  neuen Gesichtern:                                                        DJK Sportverbands        wünschen wir Ihnen Gesundheit, und
                                                                           und Mutter von           Gottvertrauen auf Ihrem Weg.
  WIR, DAS SIND KERSTIN MAYER UND                                          zwei Söhnen. Vor-                                 Für das Redaktionsteam
  ILONA THALHOFER.                                                         her war ich Bildungs-                   Ilona Thalhofer und Kerstin Mayer
                     Mein Name ist                                         referentin beim
                     Ilona Thalhofer,             Katholischen Deutschen Frauenbund und
                     ich bin Referentin           beschäftige ich mich schon viele Jahre
                     im Seelsorgeamt              mit Themen, die Frauen bewegen. Als
                     i n Au g s b u r g           Fortbildungsreferentin und Ansprechpartnerin
                     und Mutter von               für die Prävention sexualisierter Gewalt kon-
                     zwei Kindern.                zipiere ich Schulungen für Sportvereine und
                     In der Abteilung             erstelle Schutzkonzepte. Im Dreiklang Glaube
                     Pastorale Grund-             – Gemeinschaft – Sport sehe ich die Chance

                                                              SCHWERPUNKT

Fortsetzung von Seite 1                           ert und der Angst getrieben, etwas zu versäu-     Der Mensch nicht nur in seiner Bedürftigkeit
                                                  men. Viel Materielles trat fast zwangsläufig in   und Verletzbarkeit tritt zutage, sondern auch
tisch gelebten Christseins tritt in den           den Hintergrund. Die menschliche Hybris,          das göttliche Geschöpf mit dem ganzen Reich-
Mittelpunkt: Nächstenliebe, verwirklicht im       alles beherrschen, bewältigen zu können,          tum seiner kreativen Gaben. Gemeinschaft
Alltäglichen, mit religiöser, konfessioneller,    wurde entzaubert. Fragen nach dem Sinn-           mit anderen bekommt einen unschätzbaren
kultureller und Generationen überspan-            gebenden, Wesentlichen unseres Daseins            Stellenwert. Die Schöpfung in ihrer ganzen
nender Offenheit und Großherzigkeit.              drängten sich auf. Sie sind nicht immer           Schönheit, die ungehinderte Bewegung in der
Göttliches kann nur im Zwischenmensch-            bequem, aber sie können sehr heilsam sein,        Natur wird neu zum Geschenk, die
lichen Gestalt annehmen.                          uns neue Perspektiven eröffnen, Visionen          Wahrnehmung ihrer grenzenlosen Vielfalt zur
                                                  schenken, bereichern, selbst wenn oder gera-      Kraftquelle.
Wir werden diese Welt weder global noch           de weil wir auf manches verzichten müssen.
national noch regional zurückdrehen können.                                                         Im Buch Kohelet wird beschrieben, dass „alles
Wir werden uns mit Veränderungen, selbst im                                                         seine Stunde hat. Für jedes Geschehen unter
ganz Persönlichen, oft schwer tun. Und den-                                                         dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit“.
noch sind wir, bin ich als Einzelne und                                                             (Kohelet 3,1-15)
Einzelner, der Schlüssel. Ich kann nur mich
ändern und dadurch meinem Gegenüber                                                                 Vielleicht ist jetzt die Zeit, wieder Dankbarkeit
etwas signalisieren, ihm Denkanstöße liefern.                                                       für Dinge, die uns zu selbstverständlich
Das gilt auch jenseits von Krisen, diese machen                                                     geworden sind, zu lernen. Vielleicht ist jetzt
uns vielleicht nur sensibler dafür.                                                                 die Zeit, Mut zu neuen Sichtweisen zu zeigen.
                                                                                                    Vielleicht ist jetzt die Zeit das zu bewahren
Gewiss, die zurückliegenden Wochen und                                                              und verteidigen, was wir neu schätzen gelernt
Monate haben manche unserer Freiheiten                                                              haben. Jetzt ist die Zeit für Menschlichkeit,
eingeschränkt. Aber haben sie vielen unter                                                          Vertrauen und Hilfsbereitschaft, für Gemein-
uns nicht auch neue Freiräume geschenkt?                                                            schaft und gegenseitige Unterstützung.
Wir wurden nicht mehr von Terminen gesteu-                                                          Jetzt ist die Zeit!
                                                                                                                                              Rita Sieber
                                                                                                                   Gemeindereferentin in der Altenseelsorge
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Ausgabe 57
                                                            Frauenforum                                                                                Seite 3

                                                            SCHWERPUNKT

                                      Alle gehören dazu!
  Kriege und Flüchtlingsströme, Um-             nur einige der der damaligen Metropolen zu
  weltkatastrophen und die Erderwärmung,        nennen) und von dort im Nahen Osten,
  Krankheiten wie das Coronavirus oder          Persien, Nordafrika, Arabien, Indien und
  globaler Handel und globale Lieferketten      Europa.
  zeigen, wie eng wir inzwischen auf der
  Welt vernetzt sind und wie anfällig wir       Das Christentum war deshalb so attraktiv und
  sind, wenn „ein Glied leidet“.                erfolgreich, weil es über alle Klassen, Kulturen
                                                und Geschlechter hinweg Verbindungen,
  Entweder betrachten wir diese engen           Begegnungen und Beziehungen ermöglichte
  Verbindungen mit Angst und Misstrauen         und die starren antiken Gesellschafts-
  und sehnen uns nach guten alten Zeiten,       strukturen aufbrach, „ … da ist nicht mehr
  oder wir gestalten dieses neue Zusam-         Jude und Grieche, Sklave und Freier, männ-
  menleben aktiv und bringen in diesen          lich und weiblich … ihr alle seid eins in
  Prozess unsere christlichen Werte ein.        Christus.“ (Gal 3,28 ). Durch die Taufe gehö-
                                                ren alle zum neuen „Leib Christi“ (1 Kor 12)
  Als Christen haben wir eine lange Tradition   und können jeweils an ihrem Platz etwas
  der „Globalisierung“, auf die wir zurück-     beitragen – als Hand, Fuß, Ohr, Auge … Alle
  greifen können, denn seit dem kleinen         sind Teil des Leibes Christi in der Welt.
  Beginn in Galiläa und der langsamen Aus-                                                           aus, dass alle das Ihrige beitragen und, dass
  breitung des Christentums im römischen        Welch‘ gewaltiger Anspruch einerseits, wie           Christus das Haupt ist und alle anderen
  Weltreich sind wir global vernetzt. Die       Christus zum Leben und zur Würde aller               Schwestern und Brüder. Ein hierarchie-
  ersten Apostel*innen haben dabei auf den      beizutragen und für die Ausbreitung des              armes Bild, das auf Liebe, Verbindung und
  persönlichen Kontakt, auf die Weitergabe      „Reiches Gottes“ zu sorgen, in dem Solidarität       Kooperation setzt und darin die
  der eigenen Begeisterung und Christus-        mit den Ärmsten und Ausgegrenzten und die            Manifestation des Göttlichen sieht. Ich
  erfahrungen und auf ihre Glaubwürdigkeit      Teilhabe aller der Maßstab sind. Andererseits        finde, dass es trotz seines fast 2000 jährigen
  gesetzt. So breitete sich das Christentum     welch‘ eingängiges Bild für die Verbindung           Alters immer noch ein gutes zukunftswei-
  trotz Verfolgung und Anfeindung in kurzer     aller: „Wenn ein Teil leidet, leiden alle mit,       sendes Bild ist.
  Zeit bis nach Antiochia, Damaskus, Ephesus,   wenn ein Teil geehrt wird, freuen sich alle                                               Dr. Ursula Schell,
                                                                                                          geistliche Begleiterin des KDFB Diözesanverbandes
  Athen, Rom, Alexandria, Karthago aus (um      mit“ (1 Kor 12, 26). Dieses Bild geht davon                                                        Augsburg

                                                Morgengebet
       Herr, gib mit heute diese Gnade: dass mein Frieden in seinem tiefsten Grund durch nichts
      erschüttert wird, dass ich vielmehr jedem Menschen, den ich treffe, ein Wort des Wohlseins,
                 der Freude weiß und ihm entdecken helfe, welch Reichtum in ihm liegt.
         Gib mir ein Herz, zu groß, um meine Nöte zu begrübeln, zu nobel, um Groll zu horten,
     zu stark, um gleich in den Boden zu sinken, zu offen, um noch irgendwen draußen zu lassen.
     Herr, mein Gott, ich bitte dich um diese Gnade für alle Menschen, die heute kämpfen wie ich,
         damit der Hass sich auszehrt und die Liebe wächst, denn die Liebe und das Leben sind
       mit dir auferstanden, Sieger über Hass und Tod. Öffne unsere Augen für das Unsichtbare,
     dann wird nichts den Optimismus jener knicken, die an dich glauben und an den Menschen,
                           die auf dich hoffen und auf den Menschen. Amen
                                                                                Frauengebete https://beten-online.de/de/lebenslauf/frauen/gebet.5546.html
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                                                            Frauenforum                                                                       Seite 4

                                                           SCHWERPUNKT

                                    Mischen wir uns ein!
                                               Zwei aktuelle Beobachtungen
Die Arbeit in der Pflege, in Sozial- und        EINE WICHTIGE ERKENNTNIS:                         Aufgabe, die Würde des Menschen anzumah-
Erziehungsberufen, im Einzelhandel, in          ES SIND EINDEUTIG NICHT DIE                       nen. Wir sind auch gefordert, uns zu beteili-
Reinigungsdiensten, in der Nahrungs-            REICHEN, DIE BESONDERS UNTER                      gen, den Wert der Solidarität wieder stärker
mittelproduktion wird sehr häufig von           DER KRISE LEIDEN!                                 einzuüben- sowohl im persönlichen wie auch
Frauen geleistet. In den von Corona ge-         Die Menschen in schlecht bezahlten Berufen        im gesellschaftlichen Umfeld. Und wir haben
prägten Zeiten haben sie wesentlich dazu        und oft sehr schwierigen Arbeitsbedingungen       verstärkt die Frage nach dem Gemeinwohl zu
beigetragen, unser Leben am Laufen zu hal-      mussten besonders große Opfer bringen –           stellen. Der heutige Gemeinwohlbegriff muss
ten.                                            beispielsweise durch neue 12-Stunden-             beinhalten, dass wir niemanden von den
                                                Schichten in der Pflege, Leben im beengten        Gütern der Medizin, Bildung und Kom-
Die Politik und die Öffentlichkeit war voll von Wohnraum, gesundheitsgefährdende Tätig-           munikation ausschließen. Nur so können wir
Lobesreden- es wurde geklatscht. Plötzlich      keiten, Überstunden oder Wechsel in Schicht-      ungerechte Strukturen verändern. Wir müs-
waren diese oft schlecht (wenn nicht sogar      arbeit. Ich erinnere an alle in Leiharbeit, die   sen uns daran messen lassen, wie wir mit den
prekär) bezahlten und gesellschaftlich wenig    jetzt zahlreich ihren Arbeitsplatz verlieren,     „Kleinen“ in unserer Gesellschaft umgehen!
geachteten Berufe „systemrelevant“. Von den     oder die in Kurzarbeit, die schnell am Rande                              Martina Berndt-Hoffmann,
                                                                                                                 Betriebsseelsorgerin der KAB Augsburg
Betroffenen wurde diese Entwicklung sehr        der Armut landen. Vergessen möchte ich nicht
skeptisch beobachtet: „Aktuell wird erkannt,    all die Kinder, die ohne Internet und Com-
wie wichtig unsere Arbeit ist. Das finde ich    puter ohne Kontakt zur Schule waren.
gut, doch diese Erkenntnis wird nicht anhal-
ten. Wenn ich die Dankesreden ernst nehmen WIE WEITER?
soll, erwarte ich, dass jetzt dafür ein gesetz- Als Christen/innen können wir keine fertigen
licher Rahmen geschaffen wird. “                Zukunftskonzepte anbieten. Es ist stets unsere
                                                Aufgabe, zuzuhören und schrittweise am
Frauen hatten in Zeiten des Lockdowns noch Leben zu lernen. Wir haben jedoch die Pflicht,
stärker als sonst an Mehrfachbelastungen zu uns einzumischen. Es ist unsere allererste
tragen: die eigene Arbeit, dazu Home-
Schooling der Kinder und/oder die Pflege von
Angehörigen ohne mögliche Hilfe von außen-
teils über die Grenze der Belastbarkeit. Das
Thema tauchte in betrieblichen Strukturen
oder Gremien selten auf, wurde von Frauen
leider auch wenig angefragt. Frau versuchte
vielfach alles auf privater Ebene zu lösen
anstatt Unterstützung des Betriebs einzufor-
dern. Für manche war es eine Lösung,
Homeoffice machen zu können. Wobei
Studien zeigen, dass im Homeoffice Frauen
gegenüber den Männern deutlich öfter die
Sorgearbeit übernehmen. Frauen fällt es
schwerer, sich „rauszunehmen“. Es gab auch
Frauen (vor allem solche, die kein Homeoffice
machen konnten), die sich in ihrer Not krank
meldeten, weil sie nicht mehr wussten, wie sie
sonst ihre Kinder betreuen konnten.
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                                                                Frauenforum                                                                      Seite 5

                                                               SCHWERPUNKT

                         Frauen in der Coronazeit –
                          Gerechtigkeit ist anders
  Für diesen Artikel tragen wir Inhalte            Nicht nur die SPD-Politikerin Renate Schmidt, einer Teilzeitbeschäftigung, weil sie sich nie
  aus drei unterschiedlichen Artikeln von          auch der Deutsche Frauenrat, fordern des-     die Mühe gemacht haben, die Familien-
  Frauen zusammen, um das Thema Gleich-            halb, dass mit dem 156 Mrd. Euro schweren     arbeit gerecht aufzuteilen. Da kann die
  berechtigung in der Coronakrise in den           Hilfspaket der Bundesregierung die profes-    Politik nichts ausrichten, da können die
  Blick zu nehmen:                                 sionelle Sorgearbeit durch angemessene        Gewerkschaften nichts ausrichten, da müs-
                                                   Gehälter aufgewertet wird und eine geschlech- sen die Frauen einfach selbst das Rückgrat
  Jutta Allmendinger ist Präsidentin des           tergerechte Verteilung der Mittel erfolgt.    haben und ihrem Partner erklären: Ich will
  Wissenschaftszentrums Berlin für                 Allmendinger sieht in der Krise die Chance,   auch berufstätig sein, ich will mich aber
  Sozialforschung und eine von etlichen            dass wir aus dem, was wir jetzt so offensicht-nicht aufarbeiten, daher müssen wir die
  Frauen, die in der Coronazeit ein Thema in       lich sehen, Taten folgen lassen können.       Haus- und Familienarbeit gerecht aufteilen.
  den Focus rückte, das gerade in Krisenzeiten                                                   (…) Diese Aufgabe kann ihnen niemand
  aus dem Blick zu geraten schien: die Rolle       Renate Schmidt fordert zusätzlich eine andere abnehmen. (…) Da kann ihnen nur ihr
  der Frau in der Gesellschaft. Dass der           Steuergesetzgebung. Aber mehr noch appel- eigener Mumm helfen.“
  Mensch in Krisenzeiten dazu neigt, in alte       liert die SPD-Politikerin in einem Interview
  Gewohnheiten zu rutschen, in überlieferte        mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung an DAS SIND DIE ORGINALARTIKEL
  und fortgeschriebene Routinen, mag               alle Frauen ganz persönlich und an ihre ZUM TEXT:
  zunächst einmal tröstlich klingen, ange-         Eigenverantwortung. Sie mahnt: „Frauen,         Jutta Allmendinger in Zeit online, 12. Mai
  sichts der Tatsache, dass es vor allem Frauen    macht den Mund auf!“, denn viel zu häufig        2020: „Die Frauen verlieren ihre Würde“;
  sind und waren, die die Hauptlast der            würden Frauen nicht sagen, wie es ihnen          D eutscher Frauenrat: „Frauen in der
  Coronapandemie tragen und getragen               wirklich geht. Oft fehle es an Selbstbewusst-     Corona-Krise“
  haben. Gleich mehrere und ganz unter-            sein, mit dem eine Frau für sich und ihre         Renate Schmidt in Augsburger Allgemeine
  schiedliche Artikel und Studien belegen,         Bedürfnisse einstehe. Nicht als systemrele-        am 22. Mai 2020: „Frauen macht euren
  dass sich nicht nur bei jungen Familien die      vant, sondern als systemimmanent sieht             Mund auf!“
  Frauen aus dem Arbeitsmarkt zurückzie-           Schmidt die Tatsache, dass Frauen häufig                                           Ilona Thalhofer
                                                                                                                 Referentin im Seelsorgeamt im Bereich
  hen, um sich um Kinder und Haushalt zu           konfliktscheu sind und deshalb nie im posi-                             der pastoralen Grunddienste
  kümmern, vielmehr sind es auch 75%               tiven Sinn für ihre Bedürfnisse kämpfen: „Ich
  Frauen die in den sogenannten systemrele-        sage es aber auch noch
  vanten Berufen der Coronakrise arbeiten,         einmal: Viel zu viele
  und somit an vorderster Front die professi-      Frauen reduzieren frei-
  onelle Sorgearbeit unserer Gesellschaft          willig und bleiben in
  übernehmen. Krankenpflegerinnen,
  Erzieherinnen, Kassiererinnen, Mütter
  u.v.m.. Die Arbeitsleistungen von Frauen
  bilden somit das Rückgrat unseres Systems.

  Gar nicht tröstlich bei all diesen Fakten ist
  aber, dass Sorgearbeit in unserer Gesellschaft
  keinen angemessenen ökonomischen Wert
  darstellt und deshalb schlecht bezahlt wird.
  Dazu kommen die hoch besteuerten
  Einkommen vieler Ehefrauen und, dass
  viele Frauen in Minijobs arbeiten und somit
  in Krisenzeiten kaum geschützt sind. Nicht
  zuletzt ist alarmierend, dass die häusliche
  Gewalt gegen Frauen und Kinder in der
  Krisenzeit massiv zunahm.
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                                                              Frauenforum                                                                         Seite 6

                                                             SCHWERPUNKT

                    Familiäre Herausforderungen
                       zu Zeiten von Corona
Anfang März war die Stimmung am                  licher Kommunikationswege. Derweil gestal-       schön strapaziert. Sicher, im Lauf der Zeit
Frühstückstisch aufgeheizt: Schon wieder         tete sich die face-to-face-Kommunikation mit     spielt sich vieles ein, die Aufgaben werden
drehte sich alles um das Thema „Corona“.         dem pubertierenden 7.Klässler immer schwie-      schon am Vorabend gemeinsam gesichtet und
Sind die Maßnahmen nicht völlig über-            riger. Während der 10.Klässler sämtliche         besprochen. Auch die Lehrer, für die die
zogen? Ist das alles Panikmache? Noch kurz       Aufgaben mit minimalem Aufwand und               Situation ja ebenfalls neu ist, sind hier äußerst
vorher trafen wir uns mit dem DJK-               maximalem Erfolg absolvierte, diskutierte        kooperativ und verständnisvoll. Aber manch-
Bundesverband zu den Bundeswinterspielen         Kind 2 endlos, ob jetzt auch wirklich alle       mal hilft am Ende der Nerven nur: auch mal
mit 400 Teilnehmern im Allgäu. Und jetzt         Aufgaben zu erfüllen sind. „Kann ja eh keiner    „fünf gerade sein lassen“, Wichtiges von
plötzlich Abstand halten und Vorsichts-          kontrollieren, die anderen machen auch nicht     Unwichtigem zu unterscheiden (mir tut es
maßnahmen?                                       alles.“ Da hilft auch die 5. Ermahnung, dass     überaus leid für den sehr kreativen und enga-
                                                 man nicht für die Schule, sondern fürs Leben     gierten Kunstlehrer) und die eigenen
Doch plötzlich überschlugen sich die Ereig-      lernt, nichts … (Dieser Satz hat mich als        Ansprüche an Perfektion zurückzuschrauben.
nisse… Absage sämtlicher Veranstaltungen,        Schülerin auch mehr als einmal in                In brenzligen Situationen ein Spaziergang mit
Stichwort „Ausgangsbeschränkungen“, ab 16.       den Wahnsinn getrieben. Neueste, bahnbre-        dem Filius an der frischen Luft, gemeinsames
März keine Schule mehr… Und so wurde             chende Erkenntnis: Er funktioniert immer         Kochen oder einfach nur zusammen auf einer
auch uns der Ernst der Lage sehr schnell         noch nicht!)                                     Wiese liegen, in den Himmel schauen und
bewusst. Ja, wir mussten uns neu organisieren,                                                    sinnieren …. Positive Erlebnisse schaffen statt
den bisher gut durchgetakteten Alltag neu        Zum Glück konnte ich meinen Job als Probleme in den Vordergrund zu rücken!
aufstellen. Als verwitwete Alleinerziehende      Bildungsreferentin im Homeoffice erledigen Fertigpizza statt perfekt geputzter Wohnung.
mit zwei pubertierenden Jungs waren die          und hatte endlich Zeit für die Entwicklung
Anfänge ziemlich holprig.                        neuer Konzepte und Erledigung liegengeblie- Und hoffen, dass sich die Vokabellücken oder
                                                 bener Aufgaben. So viel zur Theorie! Allerdings Prozentrechnungsdefizite im nächsten
Das neu installierte Online-Schulprogramm        stellte sich schnell heraus, wie unselbstständig Schuljahr wieder ausgleichen lassen. Aber
wurde schon am ersten Tag gehackt…               Sohnemann in der Erledigung seiner Aufgaben unsere gemeinsam verbrachte Zeit kann uns
Nachrichten und Informationen der Schule         ist. Ohne Hilfe und ständiges Nachfragen niemand mehr nehmen!
trudelten nur spärlich ein. Die Lehrer wurden    brachte er keine 2 Striche aufs Papier, mein                                             Kerstin Mayer ,
                                                                                                      Bildungsreferentin der DJK Diözesanverband Augsburg
kreativ und nutzten die ganze Palette mög-       sonst so stabiles Nervensystem wurde ganz
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                   Was bleibt ist die Veränderung
                                    Alleinerziehende an der Belastungsgrenze
Meine Arbeit in der Alleinerziehenden           gessen, dass es natürlich auch viele Berufe       weisen. Ich versuche wieder ein Stück
Seelsorge hat sich in der letzten Zeit stark    gibt, in denen kein Homeoffice möglich ist,       Leichtigkeit ins Leben zu bringen wie z. B. mit
verändert. Alle Präsenzveranstaltungen wie      wie zum Beispiel in der Apotheke oder in          dem Vorschlag, das Lied „Kings and Queens“
das Muttertagswochenende, die Ferien-           pflegerischen Berufen. In ihrer Verzweiflung      laut aufzudrehen und dabei ein Lieblings-
woche usw. wurden ohne Ersatztermine            ließen sie zum Teil ihre Kinder alleine zu        getränk zu schlürfen oder ein Gedicht am
gestrichen. Aus dem Homeoffice schrieb ich      Hause – manchmal mit dem Handy daneben            Muttertag, Telefongespräche, eben kleine
eine Aufmunterungsmail an alle Alleiner-        liegend – bis irgendwann die Großeltern wie-      Aufmerksamkeiten, die so wichtig sind und
ziehenden meines Verteilers. Mir war wich-      der übernehmen konnten.                           einfach guttun.
tig Mut zu vermitteln und das Vertrauen,
dass sie auch diese Situation meistern wer-     Auch die Situation „Homeschooling“ brachte    Das erste Live-Wochenende vom 25.-27.
den. Ich schloss damit, dass ich mich freuen    manche Familien an die eigenen Grenzen:       September war innerhalb kürzester Zeit aus-
würden, wenn sie mir von ihrer jetzigen Lage    Was macht frau, wenn es nur einen Laptop in   gebucht. Die Frauen sind reif für die Berge,
erzählen.                                       der Familie gibt? Zum Teil arbeiteten die     obwohl Abstandsregeln eingehalten werden
                                                Kinder tagsüber und die Mütter abends und     müssen und damit nur ältere Kinder dabei
Gefühlte Minuten später brach eine Lawine       nachts. Eine Mama mit drei Söhnen wurde       sein können. Hier soll endlich Raum für per-
mit langen Texten – teilweise mit dem Handy     mit der Begründung „zu unflexibel“ gekün-     sönlichen Austausch sein, um diese Zeit zu
geschrieben – über mein Postfach herein:        digt, da die Kinder ja nur jeden zweiten Tag in
                                                                                              verarbeiten: Was möchte ich von dieser Zeit
Ausführliche Berichte, verzweifelte Hilferufe   die Schule gehen und die Situation bei drei   behalten? Wie kann ich den Zusammenhalt,
und berührende Geschichten. Die Rück-           Kindern schnell unüberschaubar wird. Zudem    die vermehrten Gespräche und die vermehrte
meldungen kamen nicht nur von Frauen, die       werden gut qualifizierte arbeitssuchende      Familienzeit in die Normalität hinüberretten?
ich persönlich gut kenne, sondern auch von      Frauen nicht eingestellt, obwohl man sich     Und wir entdecken die Geschenke dieser Zeit:
Frauen, die eher im losen Kontakt zur           noch vor einem halben Jahr um sie gerissen    das wunderbare Wetter und das besondere
Alleinerziehenden-Seelsorge stehen. Seither     hätte. Zusammenfassend lässt sich sagen, die                           Miteinander. So
reißen die Mails nicht ab. Selbst im Urlaub     Alleinerziehenden hatten kaum Entlastung                               betonte eine Mutter,
habe ich versucht da zu sein, Mut zu zuspre-    und so gut wie nie eine Pause… Gut, dass                               wie sehr sie es genoss,
chen und Antwort zu geben.                      Alleinerziehende mit als erste den Anspruch                            mit ihrer pubertie-
                                                auf Kinderbetreuung hatten.                                            renden Tochter eine
Die Frauen fühlen sich alleingelassen: Lan-                                                                            Stunde am Tag Zeit
ge waren die Großeltern nicht greifbar,         Meine Aufgabe sehe ich darin, die Frauen zu                            zu haben, spazieren
Papawochenenden sind ausgefallen, die           bestärken, positive Dinge zu benennen, und                             zu gehen.
Arbeitgeber waren in der Anfangszeit selten     immer wieder mit den Fragen: Was tust du                                             Anne Kohler,
                                                                                                                          Pastoralreferentin in der
bereit Homeoffice anzubieten. Nicht zu ver-     gerne, was tut dir gut? auf Ressourcen hinzu-                          Alleinerziehenden Seelsorge

     Eigenverantwortung statt Veräußerung
Ich bin auch, wie so viele Frauen, die ich      Leben teil. Es ist praktisch und gut, Dinge       Als im Mai schließlich der Ruf nach Öffnung
kenne, eine viel beschäftigte Frau: Vollzeit    draußen wahrzunehmen, nicht nur, weil wir         der Kindertageseinrichtungen laut wurde,
berufstätig, Haus mit Garten, vierköpfige       selbst einen Beitrag zum öffentlichen Leben       schrieb eine Frau einen Leserbrief in der
Familie, Ehrenamt in der Pfarreienge-           leisten und dadurch mitgestalten, sondern         Augsburger Allgemeinen, in dem sie beinah
meinschaft und habe gerade ein zusätzliches     auch, weil das öffentliche Leben seit geraumer    verzweifelt mahnte, dass die Öffentlichkeit
Studium abgeschlossen. Mein Mann ist            Zeit einen immer größeren Teil dazu beiträgt,     endlich aufhören muss den Eltern einzureden,
Diakon, unser Sohn macht FSJ und unsere         den eigenen Kindern das Leben zu vermitteln.      ihre Kinder seien in öffentlichen Einrichtungen
Tochter bereitet sich auf das Abitur vor.       Als Gemeindereferentin mit jahrzehntelanger       besser aufgehoben als zuhause bei ihren Eltern
                                                Gemeindeerfahrung erlebte ich, dass dazu          und Geschwistern. Ich konnte mir sehr gut
Bis die Pandemie im März voll um sich griff,    auch immer häufiger die Vermittlung eines         vorstellen, dass dieser Brief viele Leserinnen
waren wir es gewohnt, jeden Sonntag zum         Glaubensgebäudes gehört. Aber auch                und Leser ärgerte und ich hörte regelrecht die
Gottesdienst zu gehen. Und auch sonst neh-      Erziehung und Bildung sind davon nicht aus-       vielen Argumente in meinen Ohren zu veral-
men wir selbstverständlich am öffentlichen      genommen.                                         tetem Frauenbild und moderner Familie, aber
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                                                             Frauenforum                                                                            Seite 8

auch Gefahren innerhalb der Familie. Und        für Demokratie und vieles mehr. Aber tat-           bewusst eine Haltung zum Leben ein oder
doch berührte mich dieser Leserbrief in         sächlich stellt sich die Frage, ob jede und jeder   lasse ich mich treiben von dem, was andere
Coronazeiten auf eine ganz eigene und neue      Einzelne als Vater und Mutter, als Erwachsene       mir bieten? Was will ich selbst sein – vermit-
Weise.                                          unserer Gesellschaft die Eigenverantwortung         teln – weitergeben?
                                                auch im ganz engen familiären Umfeld als
Gerade erst lag Ostern hinter uns und zum       hohes Gut sieht. Oder leben wir nicht längst        Corona hat uns alle auf ganz eigene Weise auf
ersten Mal in unserer Zeit mit den Kindern      viel stärker in der Veräußerung: Erziehung,         eine nie dagewesene Eigenverantwortung
stellte sich die Frage, wie wir Ostern ohne     Bildung und Glaubensvermittlung überneh-            zurückgeworfen. Plötzlich waren wir
Gottesdienst in der Gemeinde feiern wollten.    men bitte andere? Und schauen wir nicht auch        Erzieherin, Lehrerin, Arbeitnehmerin und
Machte es wirklich Sinn sich einfach vor den    gerne die Art zu leben von anderen ab: Google,      Glaubensvermittlerin, vielleicht mehr als
Fernseher zu setzen, um den Eindruck von        Instagram und Facebook leben vor und wir            sonst auch Trösterin, Mutmacherin und
gemeinsamer Feier zu haben, oder war nicht      „followen“?                                         Weichenstellerin, manches Mal überfordert
jetzt der Zeitpunkt gemeinsam als Familie                                                           und dann wieder stolz, was wir alles schaffen
zum Ausdruck zu bringen, was Ostern für uns     Eigenverantwortung heißt, dass ich meine            können. Ganz sicher aber auf neue Weise mit
alle bedeutet? Bei Geburtstagen schaffen wir    persönliche Antwort gebe auf das Leben. Es          unseren Möglichkeiten und unserer
das ja schließlich auch. Und die ersten         heißt, dass ich Worte finde für das, was mir im     Daseinsweise konfrontiert. Corona macht mir
Christen haben es auch geschafft, ohne litur-   Leben wiederfährt und was ich vom Leben             seit Monaten immer mehr Mut wesentlich zu
gischen Rahmen und ohne Hilfe von               verstanden habe. Es heißt aber auch, dass ich       werden.
Professionellen, das neue Leben zu feiern.      reflektiere und nachdenke, ob das, was ich
                                                selbst tue, richtig und gut ist. Bin ich Vorbild    Ostern und später Pfingsten haben wir übri-
„Wir schaffen das“, so ist das Motto unserer    mit meinem Leben? Welche Konsequenzen               gens gefeiert, im Kreis unserer kleinen Familie,
Kanzlerin. Sie meint damit die Übernahme        hat mein Verhalten für mich, meine Kinder           mit Osterfeuer im Garten, bunten Erzählungen
von Verantwortung im öffentlichen Leben, die    und ihre Zukunft? Habe ich überhaupt                und regem Austausch mit dem Himmel.
Aufnahme von Flüchtlingen, das Einstehen        Zukunft, wenn ich so weiterlebe? Nehme ich                                                 Ilona Thalhofer,
                                                                                                        Referentin im Seelsorgeamt im Bereich der pastoralen
                                                                                                                                               Grunddienste
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                 Alt sein – Nur ein Risikofaktor?
  In der heißen Phase der Corona-Zeit, am         Ich möchte aber nochmal auf die weitaus grö-        Ein Gedanke aus dieser schwierigen Zeit,
  Ostersonntag, durfte ich meinen 84.             ßere Zahl von alten Menschen zurückkom-             ausgesprochen von unserem Bundestags-
  Geburtstag feiern. Eine gute Freundin,          men, die ihr Leben noch weitgehend oder             präsidenten Dr. Wolfgang Schäuble, hat
  ausgerüstet mit dem Mittagsmenu als             sogar ganz selbständig leben, die ihren             mich in meinen eigenen Überlegungen sehr
  Geburtstagsgeschenk, begleitete mich            Haushalt bewältigen, Sport treiben, geistig fit     getroffen und bestärkt. Im Zusammenhang
  durch den Tag. Das Telefon stand vom frü-       sind, sich künstlerisch betätigen und sogar         mit den katastrophalen klinischen
  hen Morgen bis in den Abend hinein nicht        Aufgaben für andere übernehmen. Wie viele           Versorgungsumständen in Norditalien, wo
  still. Und für alle Gespräche hatte ich viel    Großeltern mussten jetzt die oft notwendige         die Ärzte schon überlegen mussten, wen
  Zeit. Eine schöne Erfahrung an so einem         Enkelbetreuung aufgeben, was die jungen             von ihren Patienten sie mit den zu knappen
  Tag.                                            Familien in Schwierigkeiten brachte.                Beatmungsgeräten am Leben erhalten kön-
                                                                                                      nen und wen nicht, sagte Herr Schäuble
  84 Jahre – ich gehöre also zu dem               Das Alter eines Menschen kann man nicht nur         sinngemäß: Es gibt nur einen unveränder-
  Personenkreis, auf die sich die Warnungen,      nach seinen Lebensjahren definieren. Nicht          baren Paragrafen in unserem Grundgesetz,
  Ermahnungen und Einschränkungs-                 jede*r 70 – oder 80-Jährige ist wie eine andere     d.i. § 1 von der unantastbaren Würde jedes
  maßnahmen richteten. Denn die Alten sind        mit gleich vielen Jahren auf dem Rücken. Ich        Menschen. Die Würde des Menschen geht
  besonders anfällig, so hieß es immer wieder,    kann nur sagen „Gott sei Dank“, dass wir diese      bis zu seinem letzten Atemzug (ich möchte
  haben andere (Vor-)Erkrankungen, sollen         rüstigen Alten haben. Ich wünsche mir, dass         dazu fügen: noch darüber hinaus). Das
  so weit wie möglich zuhause bleiben, brau-      dies in Politik und Gesellschaft trotz aller not-   wünsche ich mir auch für die Zeiten nach
  chen Hilfe für Einkäufe, auf sie müsse          wendigen Gesetze und Regelungen so erkannt          Corona: Lassen wir bei allen medizinisch-
  Rücksicht genommen werden. Aus meinem           wird, auch über die hoffentlich bald bezwun-        technischen Möglichkeiten, für die wir
  Freundes- und Bekanntenkreis, der vorwie-       gene Coronazeit hinaus.                             dankbar sein dürfen, jeden Menschen in
  gend dem gleichen Altersabschnitt wie ich                                                           Würde sterben!
  angehört, erfuhr ich immer wieder, dass die                                                                               Dr. Felizitas Mutzenbach
  Kinder und Enkelkinder sie ermahnen:
  „Mama / Oma das darfst du nicht machen
  und dort sollst du nicht hingehen, dich mit
  niemandem treffen.“ Von den gleichen
  Altersgenossinnen hörte ich dann, ganz im
  Gegensatz zu der Ängstlichkeit der jungen
  Generation und vollkommen deckend mit
  meinem eigenen Empfinden: „Ich habe
  keine Angst. Ich möchte mich weiterhin
  selbst versorgen. Brauche in dieser Situation
  keine besondere Hilfe.“

  Dann kamen die ersten Infektionsmeldun-
  gen aus Altenheimen. Ein Haus in Würz-
  burg machte den Anfang. Kurz darauf traf
  es auch ein großes Heim in meinem Ortsteil
  und anderswo. Man schrak kurz auf, aber
  dann trat auch schnell die Erkenntnis zu
  Tage, dass es sich hier um Menschen han-
  delt, die im Sinne der Epidemiologen zu den
  Menschen mit Vorerkrankungen gehören,
  also für Infektionen besonders anfällig sind.
  Daher war auch rückblickend erwartbar,
  dass sie einen prozentual hohen Anteil der
  Todesfälle im Zusammenhang mit Corona
  darstellen werden.
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                       Chancen der Digitalisierung –
              Perspektiven aus der Jugendverbandsarbeit der Pfadfinderinnen (PSG)
  „Kontaktbeschränkung“ bedeutet erstmal          Voller Motivation fingen wir an, auch unter Durch den persönlichen Zugang zu digi-
  eine ziemliche Umstellung für die               der Woche Live-Gruppenstunden anzubie- talen Medien und den Umgang damit haben
  Arbeitsweise einer Bildungsreferentin ohne      ten.                                           wir hoffentlich auch ein paar Mädchen län-
  Veranstaltungen, Gruppenstunden und                                                            gerfristig für den Umgang mit digitalen
  Fortbildungen. Dank Cloudlösung war             Die Teilnehmer*innen blieben jedoch aus. Tools begeistert. Auch in diesem Bereich
  wenigstens das Homeoffice kein Problem,         Unser Fazit: ein großes Onlineevent ist besser gilt für uns als Pfadfinderinnen das Motto:
  aber wie schafft man es mit den Leiterinnen     zu bewerben und für eine Familie leichter Befähigung, Teilhabe und Ausprobieren – in
  und Teilnehmer*innen in Kontakt zu blei-        planbar. Regelmäßige digitale Gruppen- den Worten unseres Gründers formuliert:
  ben?                                            stunden scheiterten leider auch bei vielen „learning by doing”. Ideen rund um digitale
                                                  Leiterinnen auf Ortsebene an der mangeln- Onlineangebote, wie Spiele, Methoden,
  Unter Hochdruck fingen wir an, uns in die       den Teilnahme. Wir wissen noch nicht, welche Zeltlager, Onlinetools, Gruppenstunden
  digitale Welt zu fuchsen. Erstmal wurden        Folgen der Stillstand für unsere Gruppen hat. auf Abstand und vieles mehr gibt es unter:
  sämtliche Videokonferenz-Tools auspro-          Welche Kinder bleiben weg, welche Leiterinnen https://de.padlet.com/ds264/supermova
  biert und Vor- und Nachteile von Zoom           orientieren sich neu? Gelingen im nächsten                                              Sophia Vogel
  und Co. abgewogen. Nach längerem Suchen         Jahr unsere geplanten Gruppengründungen             Bildungsreferentin der PSG und Talitha - Fachstelle
                                                                                                                                    Mädchenpädagogik
  fanden wir einen Anbieter, bei dem sich         noch?
  auch die Stämme (Ortsgruppen) registrie-
  ren konnten. So wurden die Leiterinnen          Doch erstmal wollen wir diesen Digitalisie-
  recht schnell technisch dazu befähigt, selbst   rungsschub(s) für uns effektiv nutzen. Unsere
  Gruppenstunden online abzuhalten.               diözesanweiten Leiterinnenrunden waren gut
  Digitale Leiterinnenrunden folgten und          besucht und perfekt, um sich kurz über die
  ermutigten uns dazu, unser erstes digitales     neuesten Infos auszutauschen. Unser digitaler
  Lager zu veranstalten.                          Stammtisch wurde sehr gut angenommen
                                                  und hat dazu geführt, dass Jung und Alt aus
  Mit dem Slogan „Camp at home“ starteten         der ganzen Diözese miteinander über das
  wir in unser verlängertes Maiwochenende         Thema Nachhaltigkeit ins Gespräch kamen,
  noch unter den Bedingungen eines strengen       nicht zu vergessen unsere Gesangsrunden,
  Lockdowns. Das Mai-La war ein voller            die Zusammengehörigkeitsgefühl und
  Erfolg. Bei unseren fast 40 Live-Workshops      Pfadfinderatmosphäre schafften. Besonders
  nahmen rund 150 Pfadfinderinnen aus der         spannend ist natürlich die Frage, wie wir uns
  ganzen Diözese teil. Auch die vielen            auf Dauer neue Zielgruppen im Netz erschlie-
  Aufgaben und Challenges wurden voller           ßen können.
  Begeisterung gemeistert.

                              Kunst und Kultur –
                           der Kampf ums Überleben
Noch immer hängt neben meinem Schreibtisch        das vollkommene Aus für viele Wochen. Keine          war, sich mit einer Person außerhalb des eige-
die Allgemeinverfügung der Bayer. Staats-         Wissens- und Kunstvermittlung mehr, kein             nen Hausstandes zu treffen, reiste sie an und
regierung vom 20.3.2020 zur vorläufigen           erklärender Stadtrundgang für interessierte          wir machten einen Rundgang im Freien,
Ausgangsbeschränkung anlässlich der               Touristen, keine Verdienstmöglichkeit. Die           immer entlang der Tore und Mauern unserer
Corona-Pandemie. Obwohl richtig und völlig        Geschäfte geschlossen, die Straßen leer.             Stadt. Mit 1,5 Meter Abstand, vorsichtshalber
akzeptiert war auch ich fassungslos, wie sich     Ohrenbetäubende Stille, auch in Augsburg.            mit einem Zollstock eingeübt. Alle Vorgaben
mein Leben plötzlich grundlegend änderte.         Nach 4 Wochen kam die Mail einer lieben              wurden erfüllt. Ein Anfang war gemacht. Es
Ich bin seit 37 Jahren freiberufliche Gäste-      Bekannten aus München: „Ich halte es nicht           gelang, dass sich das Leben wieder gut anfühl-
führerin in Augsburg. 2020 deutete sich als       mehr aus ohne Kunst und Kultur, ich will es          te.
neues Rekordjahr im Tourismus an. Und nun         nicht mehr aushalten.“ Und sobald es erlaubt
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                                                              Frauenforum                                                                    Seite 11

                                                          Und ist noch nicht
                                                       erschienen, was wir sein
                                                          werden (1 Joh 3,2)
                                                 Dorothee Sölle hat in den 80er Jahren diese      Und ist noch nicht erschienen, wer wir sein
                                                 Bibelstelle in einen theopoetischen Text1        werden …Wie können wir als Christinnen die
                                                 gefasst, in dem sie nachfragt, wer wir wohl      Verantwortung für die Umwelt in einer von
                                                 sein werden, als wer wir erkennbar werden.       Pandemie geprägten Zeit wahrnehmen?
                                                 Diese Frage könnte sie heute wieder aktuell
                                                 stellen.                                         1. U
                                                                                                      NGLEICHGEWICHT UND
Ich rief Sandra an und fragte nach ihrem                                                             UNSICHERHEIT AUSHALTEN –
Befinden. Seit 20 Jahren ist sie in der freien   WÄHREND DER PANDEMIE WURDE                          ZUMINDEST FÜR EINE
Theaterlandschaft im Kinder- und Jugend-         IN UNSERER UM- UND MITWELT                          BESTIMMTE ZEIT
bereich unterwegs. Als Clownin, Performerin,     ERSTAUNLICHES SICHTBAR:                          Martin Stewen sieht die Chancen für große
im Puppenbau … auch sie hielt es nicht mehr      In der Ruhephase der Städte entdeckten viele     entscheidende Veränderungen eher realistisch
aus ohne Kunst und Kultur. Eine Idee in ihr      das Fahrradfahren. Arbeitsmeetings brauch-       und nüchtern. Er meint, dass für den Wandel
wurde zur Tatsache: Kunst im Fenster. Unter      ten keine langen Anreisen, und für viele         zu wenig Kraft zur Verfügung steht, wenn
Einhaltung des Abstandes filmte sie Kolle-       Menschen war es möglich, digital Kontakt mit     Ängste lähmen. Menschen allerdings, die
ginnen und Kollegen aus der Szene, die im        Freund*innen und Verwandten zu halten,           schon vorher bewusst mit Ressourcen umge-
Fenster oder dahinter ihre Kunst zeigten.        Anteil an der Welt zu nehmen. Der erschüt-       gangen sind, werden das jetzt auch tun. „Wer
Dann stellte sie die Staffel bei Youtube ein:    ternde Tod so vieler Menschen weckte             Veränderung will, darf nicht auf Viren setzen,
Augsburger Fensterkünstler 2020. Sandra          Mitgefühl und Solidarität. Wenig Konsum,         darf die Verantwortung nicht an einen Virus
hatte in der Krise – zwangsweise – gelernt,      keine Reisen wurde und wird von manchen          delegieren – auch nicht in der Kirche. Wer
wie man filmt, schneidet und im Internet         Menschen als belastend erlebt, von anderen       Veränderung will, muss aufstehen. Neues ent-
platziert. Geld brachte es für sie noch nicht,   mit Staunen und Gelassenheit eingeübt.           steht nicht durch einen Virus, sondern durch
aber Werbung für die Zukunft?                                                                     Menschen, die bereit sind, sich zu verändern.
                                                     WIR HABEN VERÄNDERUNGEN                      Und Veränderung geschieht dann nicht
Ich denke an das, was ich in der Krisenzeit ERLEBT!                                               wegen, sondern trotz des Virus.2“
gelesen habe: Epidemien haben in der 	Der Smog über Großstädten reduzierte
Geschichte immer wieder den Alltag bestimmt,           sich, Gewässer klärten sich, gerade in stadt- „Nur für heute“ ist eine geistliche Übung. Es
haben Menschenleben gekostet, aber eben                nahen Flüssen oder Seen (das beeindru- ist eine Herausforderung an uns Christinnen,
auch Fortschritt gebracht. Menschen, die in            ckende Beispiel von Venedig).                 Vertrauen zu schaffen, in dem wir miteinan-
Kunst und Kultur tätig sind, haben heuer ganz 	Wir haben unfreiwillig Solidarität mit der der teilen – unsere Sorgen, unseren Mut,
persönlich erlebt, dass Fortschritt immer auch         Schöpfung geübt und unfreiwillig und unsere „Vorräte“. Die Vater-Unser-Bitte
Opfer verlangt – in unterschiedlichster Weise.         Klimaschutz geleistet!                        um das tägliche Brot weist auch zurück auf
Was war für mich das schönste in der 	Wir können eigene Ressourcen nutzen und die Exodus-Erfahrung, als Gott seinem Volk
Coronazeit? Der unendlich blaue Himmel                 Fremdressourcen umsichtig oder gar nicht Manna schenkte. Es konnte nicht aufbewahrt
ohne einen einzigen Kondensstreifen. Das               verbrauchen.                                  werden. Wer es hortete, erlebte am nächsten
hatte ich seit meiner Kindheit nicht mehr 	E s werden neue Arbeitsplätze in den Tag, dass es verdorben und ungenießbar war.
erlebt und es hielt die Sehnsucht nach Freiheit        Bereichen Recycling-Industrie, Repara-
und Ungebundenheit in mir wach.                        turwesen (Handwerk) entstehen.                2. N
                                                                                                         EUES GLEICHGEWICHT SUCHEN –
                                   Elisabeth Retsch, 	Die Energiewende braucht dringend die            BRAUCHT ZEIT UND WISSEN
                           Stadtführerin in Augsburg   Kommunikation zwischen Süd- und Matthias Horx schreibt in einem Essay, „Wenn
                                                       Nordländern.                                  das Virus so etwas kann – können wir das
                                                     	Eine fürsorgende Service-Gesellschaft wird womöglich auch? Vielleicht war das Virus nur
                                                       möglich mit fairen Lohnverhältnissen für ein Sendbote aus der Zukunft. Seine dra-
                                                       systemrelevante Berufe.                       stische Botschaft lautet: Die menschliche
                                                     	Wir müssen so wirtschaften, dass wegen Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu über-
                                                       unserer Bedürfnisse keine Regenwaldgebiete hitzt geworden. Sie rast zu sehr in eine
                                                       vernichtet werden müssen (Kein Soja und bestimmte Richtung, in der es keine Zukunft
                                                       kein Palmöl aus Übersee).                     gibt. Aber sie kann sich neu erfinden.“3
                                                                                                                               Fortsetzung auf Seite 12
aktuell
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                                                                         Frauenforum                                                      Seite 12

Fortsetzung von Seite 11

Es wird nicht ohne Verzicht gehen. Es wird                                                                    1 Dorothee Sölle, Und ist noch nicht
                                                                                                                 erschienen, in: Und ist noch nicht
um die Frage gehen „Was braucht der Mensch
                                                                                                                 erschienen, was wir sein werden.
wirklich?“ Wir leben mitten in der Pflanzen-                                                                     Stationen feministischer Theologie,
Tiere-Mitwelt und sind von ihr abhängig. Wir                                                                     dtv 1987©1978/1987 Kreuz Verlag
                                                                                                                 Stuttgart
können uns informieren, Organisationen                                                                        2 Martin Stewen, Alles wird, wie
fördern, die in dieser Richtung aktiv sind und                                                                   es ist – auch in der Kirche, in:
suchen. Wir können im eigenen Haushalten                                                                         www.feinschwarz.net, 22.Juni
                                                                                                                 2020, S. 6
nach neuen Balancen zwischen Global und                                                                       3 Matthias Horx, www.horx.com/
Lokal suchen. Wissenschaftliche Untersu-                                                                         48 – Die Welt nach Corona, S.5
                                                                                                              4 Birgit Hoyer, Nein: und – kein
chungen gehen uns alle an! Nach welchen
                                                                                                                 Zurück zur Normalität, in:
ethischen Grundsätzen wird geforscht und                                                                         www.feinschwarz.net
entwickelt?                                                                                                      (8. Mai 2020), S.2

3. DER VERSUCHUNG WIDERSTEHEN,
    DIE ALTEN (WIRTSCHAFTS-)
    STRUKTUREN RETTEN ZU WOLLEN
    ODER ZU MÜSSEN, SOZUSAGEN
    KONSUM ALS RETTUNGSAKTION
Wir können entscheiden, was wir essen, wie
wir uns kleiden, womit wir uns bewegen!
Dann ist die Industrie gefragt, wie sie diese
„neuen“ Bedürfnisse bedient – klimafreund-
lich, nachhaltig, gerecht. Die Theologin Birgit
Hoyer schreibt, „Schön wäre es gewesen, es
hätte Corona nicht gebraucht, um uns zu
stoppen und wieder fühlen zu lehren, was uns
lebendig sein lässt, wofür es sich lohnt, sich
einzusetzen.“4
                                  Claudia Nietsch-Ochs,
 Künstlerin, Dipl. Theologin und Referentin im Exerzitien-
     haus St. Paulus der Diözese Augsburg in Leitershofen

                              Fülle in der verordneten Leere
  REFLEXIONEN ÜBER OSTER-                                    reflektieren die Frage nach einer alltagstaug-
  ERFAHRUNGEN WÄHREND DER                                    lichen Begegnung mit Gott, anstelle einer rein
  CORONA-KRISE 2020                                          ritualisierten Religionspraxis.
  Der online abrufbare Text stammt von zehn
  Ordensfrauen der Gruppe „Ordensfrauen                      Die darin zum Ausdruck gebrachten Forde-
  für Menschenwürde“, die sich im Herbst                     rungen sind keineswegs neu und werden seit
  2018 in München gebildet hat.                              Jahrzehnten von vielen Menschen immer
                                                             wieder in den theologischen wie den kirchen-
  Er reflektiert, wie die Herausforderungen                  amtlichen Diskurs eingespeist. Allerdings
  der Corona-Pandemie von den Ordens-                        sind sie nun durch Corona in einer neuen
  frauen kreativ aufgegriffen und bewältigt                  Weise erfahrungsgesättigt. Und wir sind über-
  wurden. Die Erfahrungen betreffen beson-                   zeugt, dass viele Christen und Christinnen
  ders die Themenkreise Sakramenten-                         ähnliche Erfahrungen beisteuern könnten.
  verständnis, Eucharistieverständnis und
  Amtsverständnis, bzw. Priesterbild. Als Der ganze Text ist zu finden unter
  Ordensfrauen, die in vielfältigen internen www.frauenforum-augsburg.de
  wie externen Beziehungen stehen, beleuch- auf der linken Seite unter Infos
  ten sie ihre Gemeinschaftserfahrungen und
aktuell
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                                                             Frauenforum                                                                      Seite 13

                                                                                                  billiges Fleisch essen können. Es zeigen sich
                                                                                                  aber auch gute Errungenschaften, z.B. gibt es
                                                                                                  in unserem Land ein Netz, das in Krisenzeiten
                                                                                                  auffangen kann – Kurzarbeit, Überbrückungs-
                                                                                                  zuschüsse, Arbeit im Homeoffice ….

                                                                                                  Deutlich wird, dass viele Bereiche der
                                                                                                  Daseinsvorsorge nicht nur dem freien Markt
                                                                                                  überlassen werden dürfen, der nur auf
                                                                                                  Gewinnmaximierung und Kostenreduzierung
                                                                                                  aus ist und die Menschen, die dort arbeiten
                                                                                                  oder gepflegt werden, aus dem Blick verliert.
                                                                                                  Dass billig nicht immer am besten ist, zeigen
                                                                                                  fehlende Vorratshaltung was Schutzmasken
                                                                                                  und -kleidung angeht, lange Transportwege
                                                                                                  durch die Produktion in Billigländern, feh-
                                                                                                  lende Nachhaltigkeit usw.

                                                                                                  Der Frauenbund (KDFB) und andere
                                                                                                  Verbände fordern schon seit langem eine
                                                                                                  angemessenere Bezahlung für Menschen, die
                                                                                                  in sozialen und pflegerischen Berufen arbei-
                                                                                                  ten, denn sie haben die Verantwortung für
                                                                                                  Menschen und deren Unversehrtheit und
                                                                                                  Leben und tragen mit ihrer Arbeit zu einer
                                                                                                  menschenfreundlichen Gesellschaft bei.
                                                                                                  Schön wäre es, wenn die Corona-Zeit der

   Nachdenken über neue und                                                                       Beginn wäre, um mit den Lippenbekennt-
                                                                                                  nissen ernst zu machen und Arbeit in Zu-
                                                                                                  kunft nach dem Grad an Nachhaltigkeit,

   alte Fragen und Anliegen in                                                                    Menschlichkeit und ihrem Wert für den
                                                                                                  gesellschaftlichen Zusammenhalt zu beurtei-
                                                                                                  len. Die Arbeit mit und für Menschen muss

     und nach Coronazeiten                                                                        hier höher bewertet werden als die Arbeit für
                                                                                                  Konsumgüter. Dann hätte die Coronakrise
                                                                                                  noch ihr Gutes, denn sie würde dazu bei-
Ein Virus hat unsere Gesellschaft ausge-        Laufen halten. Plötzlich rückten Ver- tragen, unsere gesellschaftlichen Werte neu zu
bremst und manche Selbstverständlichkeit        käufer*innen, Krankenschwestern, Alten- justieren.
in Frage gestellt? Plötzlich sind wir mit       pfleger*innen, Müllwerker*innen in den
neuen und alten Fragen konfrontiert: Was        Mittelpunkt und werden für ihre Arbeit und Was können wir als Christen*innen dazu brei-
brauchen wir unbedingt zum Leben und was        ihren Einsatz gelobt. In vielen dieser Berufe ist tragen? Wie finden wir die richtigen Worte in
nicht? Welche Berufe sind systemrelevant?       der Frauenanteil sehr groß – Kranken- und der Krise, die trösten und Hoffnung geben,
Was trägt uns persönlich und als Ge-            Altenpflege; Verkauf in den Supermärkten, aber die Bedrohung und die schlimmen
meinschaft in schwieriger Zeit?                 Reinigung …. Erfreulich ist, dass der Wert Erfahrungen trotzdem nicht verharmlosen?
                                                dieser Arbeit neu ins Bewusstsein rückt und Wie bleiben wir in Verbindung? Können spi-
All das bewirkt ein Nachdenken darüber, ob      Stimmen laut werden, die auch eine bessere rituelle Angebote im Netz das gemeinsame
wir so weitermachen können wie bisher. Ist      Bezahlung und bessere Rahmenbedingungen Feiern vor Ort ersetzen oder zumindest für
höher, schneller, weiter und die Einengungen    anmahnen. Es kommen aber auch Missstände die Krisenzeit kompensieren? Fragen, die
des Lebensraumes der Natur wirklich noch        ans Licht, die von vielen lange ignoriert nachdenklich machen und auf die es keine
zukunftsträchtig oder muss es für unseren       wurden.                                           schnellen Antworten gibt. Auch wir Christen
Lebensstil, unsere Spiritualität, unsere                                                          wissen nicht mehr als alle anderen. Was in mir
Wirtschaften, unsere Mobilität und unsere       Es wird deutlich, wie viele Saisonkräfte aus aber bleibt, ist das Vertrauen, dass Gott mit-
Freizeitgestaltung ein Umdenken geben?          Osteuropa in der Landwirtschaft und in den geht, egal was passiert und das gibt mir
                                                Fleischfabriken, teilweise unter menschen- Hoffnung und die Kraft, für eine gute Zukunft
Die Krise hat uns deutlich vor Augen geführt,   unwürdigen Arbeits- und Unterbringungs- zu arbeiten.
welche Berufe im Moment den Laden am            bedingungen, beschäftigt sind, nur damit wir                                      Dr. Ursula Schell
                                                                                                                        (Geistliche Begleiterin des KDFB
                                                                                                                          Diözesanverbandes Augsburg)
aktuell
Ausgabe 57
                                                                 Frauenforum                                                                    Seite 14

             Sr. Anna Schenck zur Amtsleiterin
             des Bischofs von Augsburg ernannt
  Bischof Dr. Bertram Meier hat Sr. Anna ihrer fachlichen Qualifikation auch ihre igna-                flüchtlingsdienst im Libanon im Einsatz.
  Schenck CJ (43) zur Amtsleiterin des tianische Spiritualität als Mitglied der                        Zuletzt engagierte sie sich bei der
  Bischofs von Augsburg ernannt.               Congregatio Jesu, die nach den gleichen                 Bahnhofsmission in Frankfurt. Am 4. Juli
                                               Regeln lebt wie die Jesuiten, einbringen wird.          2020 feierte Sr. Anna Schenck CJ ihre ewige
  Mit der Berufung einer Amtsleiterin setzt Darin sehe ich eine große Bereicherung.“                   Profess.
  Bischof Bertram einen neuen Akzent in sei-
  ner Diözese. „Mir ist wichtig, dem Sr. Anna Schenck CJ wurde 1976 in Augsburg
  Bischofshaus in Zukunft mehr Gewicht und geboren und trat 2011 in die Congregatio Jesu
  Profil zu geben. Die Amtsleiterin soll mich ein. Sie hat Religionswissenschaft in Bonn,
  dabei wirkungsvoll unterstützen. Nach Tübingen und Lancaster studiert und bereits
  innen wird sie die Bürovorgänge koordi- vor ihrem Ordenseintritt verschiedene beruf-
  nieren und nach außen u.a. mit dem liche Erfahrungen gesammelt: Nach einer
  Generalvikariat, den Hauptabteilungen und Tätigkeit als Unternehmensberaterin war sie
  den Verantwortungsbereichen der Dom- maßgeblich an der Organisation des Welt-
  kapitulare kooperieren.“                     jugendtags 2005 in Köln beteiligt. Danach
                                               arbeitete sie im Raum Osnabrück im
  Dabei gehe es neben organisatorischen Krankenhausmanagement.
  Fragen auch um konzeptionelle Arbeit
  besonders im Hinblick auf Querschnitts- Nach dem Noviziat war Sr. Anna Sprecherin
  projekte, die ihm als Diözesanbischof wich- für Altenhilfe und Pflege der Caritas in
  tig seien. „Ich bin überzeugt, dass Sr. Anna Niedersachsen. Im Tertiat war sie unter ande-
  für diese anspruchsvolle Tätigkeit neben rem mehrere Monate lang für den Jesuiten-

                           WISSENSWERTES VON FRAUEN (zusammengestellt von Erika Huber)

 ASIA BIBI, verfolgte Christin aus Pakistan,        Erzbistums zurückgetreten, nachdem ihm die Konzernleitung dazu zwingen, mehr Ver-
 ist zur Ehrenbürgerin der Stadt Paris ernannt      Nichtanzeige von Missbrauchsfällen in seinem antwortung für die Näherinnen zu überneh-
 worden. Bürgermeisterin Anne Hidalgo               Erzbistum vorgeworfen worden war. Soupa men, appellierte sie an die Anteilseigner.
 begrüßte Bibi mit den Worten „Sie sind eine        sieht ihre Bewerbung als Antwort auf die                                   Publik Forum Nr. 10/2020
 personifizierte Lektion Lebens für uns alle.“      Aufforderung des Papstes, mehr gegen
 Der Katholikin, die jetzt in Kanada lebt,
 drohte in Pakistan wegen angeblicher
                                                    Missbrauch und verkrustete Machtstrukturen
                                                    zu tun.
                                                                                                                         q
                                                                                                       TAWAKKOL KARMAN, jemenitische
 Beleidigung des Propheten Mohammed                                           Publik Forum Nr. 11/2020
                                                                                                       Journalistin und Menschenrechtsaktivistin,
 mehrfach die Todesstrafe.
                          Publik Forum Nr. 6/2020
                                                                       q                               ist einer massiven Hetzkampagne im Internet
                                                                                                       ausgesetzt. Seit ihrer Berufung in das

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 ANNE SOUPA, katholische Theologin,
                                                    GISELA BURCKHARDT, kritische Aktionä- Aufsichtsratsgremium von Facebook wird
                                                    rin bei Hugo Boss, fordert auf der Haupt- ihr von Ländern wie Saudi-Arabien und
                                                    versammlung des Konzerns die Schaffung Ägypten eine Nähe zur Muslimbruderschaft
 bewirbt sich auf die Leitung des Erzbistums        eines „Fonds für existenzsichernde Löhne“ für vorgeworfen. Karman, die 2011 den
 Lyon. Sie schickte dem vatikanischen Nuntius       die Näherinnen. Weltweit stürzten Textil- Friedensnobelpreis erhielt, wird von ihnen
 in Paris ihren Lebenslauf, ein Glaubens-           arbeiterinnen angesichts von Auftrags- als „Terroristin“ bezeichnet. Mit einer
 bekenntnis und ein Reformprogramm. Seit            stornierungen und Fabrikschließungen in Petition soll Facebook dazu bewegt werden,
 März ist die Stelle in Lyon vakant. Kardinal       lebensbedrohliche Existenznöte. Aktionäre die Berufung Karmans zuückzunehmen.
 Philippe Barbarin war von der Leitung des          sollten mit gutem Beispiel vorangehen und die                              Publik Forum Nr. 11/2020
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