Frauenforum aktuell - Frauenforum Augsburg
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aktuell Frauenforum Informationsblatt • Ausgabe 57 • II/2020 Liebe Leserinnen und Leser, „Wie hast du den Corona-Lockdown erlebt? Was hat dich in dieser, teilweise fast schon unwirklichen Krise, besonders her- ausgefordert? Welchen Sinn hast du in die- ser Zeit gefunden?“ Diese Fragen beschäf- tigten uns bei unserer Telefonkonferenz zur Absprache der Themen für diese Ausgabe im Mai intensiv. Daraus entstanden sind viele sehr persönliche Artikel zu unter- schiedlichen Schwerpunkten. Neben den besonderen familiären Herausforderungen beschäftigten wir uns auch mit den älteren Mitmenschen in der Krise. Kunst und Kultur haben neben den Folgen für die Umwelt ihren Platz bekommen. So soll dieses Heft Mut machen, aus der Krise gestärkt hervorzugehen und manche bis- herige Lebensweise in Frage zu stellen. Die Berichte aller Frauen, die an diesem Heft beteiligt sind, bilden einen bunten Garten an Erfahrungen. Diese persön- Jetzt ist die Zeit! lichen Erlebnisse und Sichtweisen zeigen, wie vielfältig sich das Thema Corona in den vergangenen Monaten auf berufliche und familiäre Situationen ausgewirkt und Es war schon eine sonderbare Situation, als wir die Vielfalt der Medien als Segen, konnten dabei alle Lebensphasen durchdrungen im März wegen der Coronapandemie der wir doch problemlos kommunizieren. hat. Besonders grün und fruchtbar wird Lockdown verkündet wurde. Bei vielen der Garten dadurch, dass die Kreativität Kolleginnen und Kollegen und bei vielen Jetzt, einige Monate später, wünschen sich und der Einfallsreichtum aller Betroffenen Ehrenamtlichen stieß ich auf große viele, dass wir Menschen etwas aus dieser Zeit, in dieser Zeit enorm hoch waren. Die Erleichterung, ja sogar Freude, über die die wir jetzt durchleben, mitnehmen. Ich Krise als Chance – diese Erfahrung war gewonnene unverplante Zeit. Ich spürte ein denke darüber nach, was in einer Krise mit trotz mancher Mühen vielerorts spür- regelrechtes kollektives „Aufatmen“. Endlich geradezu surrealem Charakter trägt. Was ver- bar. Alte Wege mussten verlassen werden, Ruhe! Endlich keine Zwänge, keine Termine! bindet, trotz physischer Distanz? auf neuen Pfaden versperrte mancherlei Die Menschen beschrieben eine Befreiung Dickicht die Sicht und den direkten Weg. vom, manchmal auch selbst auferlegten, Sind es nicht die Gaben und Fähigkeiten jedes Aber nach anfänglichen Unwegbarkeiten Druck. Menschen, die neue Strahlkraft bekommen, lohnte sich der Aufwand und frische die zueinander führen, die sich nicht aus Ideen und Impulse konnten sprießen. In den Wochen der Coronakrise erlebten viele Egozentrik, sondern Selbstlosigkeit speisen? von uns, dass eine neue Bescheidenheit, wo wir Ganz offensichtlich geht es um menschliche Bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses uns nur auf das wirklich Notwendige im Alltag Urbedürfnisse wie Mitgefühl, Mitmensch- am 30. Juni war deutlich geworden, dass wir beschränken, guttut. Notwendig waren z. B. lichkeit und Rücksichtnahme, Zuwendung nur einen Ist-Stand aus dem Lebensgarten viele uns wichtige Kontakte mit lieben Men- und Begleitung, trotz räumlicher Distanz. Das weitergeben können. Vieles worüber wir schen, um die wir uns sorgten. Hier erlebten Elementare und einzig Überzeugende prak- Fortsetzung auf Seite 2 Fortsetzung auf Seite 2
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 2 Fortsetzung von Seite 1 gerne intensiver berichtet hätten, war zum dienste liegt mein Schwerpunkt in der Vertrauen, Mut und Kraft im Leben zu ver- jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht absehbar. Liturgie und der Frage nach kreativen ankern und christliche Werte zu vermitteln. Manches brodelt und wird früher oder spä- Möglichkeiten für Gott im Raum. Ich war ter neue Konfliktfelder bilden. Aber wenn über zwei Jahrzehnte in der Gemeindearbeit Als Redaktionsteam, zusammen mit Felizitas unsere Gesellschaft sich entwickeln soll, tätig, Schwerpunkte waren Familien, Mutzenbach, Irene Kischkat und Sophia brauchen wir intensive, und notwendiger- Kinder und Jugendliche, Eine Welt, Öffent- Vogel freuen wir uns auf aktuelle Themen weise auch konträre Auseinandersetzungen lichkeitsarbeit und gelebte Spiritualität. und fruchtbare Auseinandersetzungen. Für mit Themen. Ehrenamtlich bin ich im Frauenbund tätig. die Lektüre dieses Heftes wünschen wir uns, dass Sie Ihre persönlichen Erfahrungen der Im Redaktionsteam des Frauenforums Ich bin Kerstin Pandemie durch andere Frauen bereichern aktuell geschieht diese Auseinandersetzung Mayer, Bildungs- können. Unser nächstes Heft wird pünkt- seit der letzten Ausgabe auch mit zwei referentin des lich zu Weihnachten erscheinen. Bis dahin neuen Gesichtern: DJK Sportverbands wünschen wir Ihnen Gesundheit, und und Mutter von Gottvertrauen auf Ihrem Weg. WIR, DAS SIND KERSTIN MAYER UND zwei Söhnen. Vor- Für das Redaktionsteam ILONA THALHOFER. her war ich Bildungs- Ilona Thalhofer und Kerstin Mayer Mein Name ist referentin beim Ilona Thalhofer, Katholischen Deutschen Frauenbund und ich bin Referentin beschäftige ich mich schon viele Jahre im Seelsorgeamt mit Themen, die Frauen bewegen. Als i n Au g s b u r g Fortbildungsreferentin und Ansprechpartnerin und Mutter von für die Prävention sexualisierter Gewalt kon- zwei Kindern. zipiere ich Schulungen für Sportvereine und In der Abteilung erstelle Schutzkonzepte. Im Dreiklang Glaube Pastorale Grund- – Gemeinschaft – Sport sehe ich die Chance SCHWERPUNKT Fortsetzung von Seite 1 ert und der Angst getrieben, etwas zu versäu- Der Mensch nicht nur in seiner Bedürftigkeit men. Viel Materielles trat fast zwangsläufig in und Verletzbarkeit tritt zutage, sondern auch tisch gelebten Christseins tritt in den den Hintergrund. Die menschliche Hybris, das göttliche Geschöpf mit dem ganzen Reich- Mittelpunkt: Nächstenliebe, verwirklicht im alles beherrschen, bewältigen zu können, tum seiner kreativen Gaben. Gemeinschaft Alltäglichen, mit religiöser, konfessioneller, wurde entzaubert. Fragen nach dem Sinn- mit anderen bekommt einen unschätzbaren kultureller und Generationen überspan- gebenden, Wesentlichen unseres Daseins Stellenwert. Die Schöpfung in ihrer ganzen nender Offenheit und Großherzigkeit. drängten sich auf. Sie sind nicht immer Schönheit, die ungehinderte Bewegung in der Göttliches kann nur im Zwischenmensch- bequem, aber sie können sehr heilsam sein, Natur wird neu zum Geschenk, die lichen Gestalt annehmen. uns neue Perspektiven eröffnen, Visionen Wahrnehmung ihrer grenzenlosen Vielfalt zur schenken, bereichern, selbst wenn oder gera- Kraftquelle. Wir werden diese Welt weder global noch de weil wir auf manches verzichten müssen. national noch regional zurückdrehen können. Im Buch Kohelet wird beschrieben, dass „alles Wir werden uns mit Veränderungen, selbst im seine Stunde hat. Für jedes Geschehen unter ganz Persönlichen, oft schwer tun. Und den- dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit“. noch sind wir, bin ich als Einzelne und (Kohelet 3,1-15) Einzelner, der Schlüssel. Ich kann nur mich ändern und dadurch meinem Gegenüber Vielleicht ist jetzt die Zeit, wieder Dankbarkeit etwas signalisieren, ihm Denkanstöße liefern. für Dinge, die uns zu selbstverständlich Das gilt auch jenseits von Krisen, diese machen geworden sind, zu lernen. Vielleicht ist jetzt uns vielleicht nur sensibler dafür. die Zeit, Mut zu neuen Sichtweisen zu zeigen. Vielleicht ist jetzt die Zeit das zu bewahren Gewiss, die zurückliegenden Wochen und und verteidigen, was wir neu schätzen gelernt Monate haben manche unserer Freiheiten haben. Jetzt ist die Zeit für Menschlichkeit, eingeschränkt. Aber haben sie vielen unter Vertrauen und Hilfsbereitschaft, für Gemein- uns nicht auch neue Freiräume geschenkt? schaft und gegenseitige Unterstützung. Wir wurden nicht mehr von Terminen gesteu- Jetzt ist die Zeit! Rita Sieber Gemeindereferentin in der Altenseelsorge
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 3 SCHWERPUNKT Alle gehören dazu! Kriege und Flüchtlingsströme, Um- nur einige der der damaligen Metropolen zu weltkatastrophen und die Erderwärmung, nennen) und von dort im Nahen Osten, Krankheiten wie das Coronavirus oder Persien, Nordafrika, Arabien, Indien und globaler Handel und globale Lieferketten Europa. zeigen, wie eng wir inzwischen auf der Welt vernetzt sind und wie anfällig wir Das Christentum war deshalb so attraktiv und sind, wenn „ein Glied leidet“. erfolgreich, weil es über alle Klassen, Kulturen und Geschlechter hinweg Verbindungen, Entweder betrachten wir diese engen Begegnungen und Beziehungen ermöglichte Verbindungen mit Angst und Misstrauen und die starren antiken Gesellschafts- und sehnen uns nach guten alten Zeiten, strukturen aufbrach, „ … da ist nicht mehr oder wir gestalten dieses neue Zusam- Jude und Grieche, Sklave und Freier, männ- menleben aktiv und bringen in diesen lich und weiblich … ihr alle seid eins in Prozess unsere christlichen Werte ein. Christus.“ (Gal 3,28 ). Durch die Taufe gehö- ren alle zum neuen „Leib Christi“ (1 Kor 12) Als Christen haben wir eine lange Tradition und können jeweils an ihrem Platz etwas der „Globalisierung“, auf die wir zurück- beitragen – als Hand, Fuß, Ohr, Auge … Alle greifen können, denn seit dem kleinen sind Teil des Leibes Christi in der Welt. Beginn in Galiläa und der langsamen Aus- aus, dass alle das Ihrige beitragen und, dass breitung des Christentums im römischen Welch‘ gewaltiger Anspruch einerseits, wie Christus das Haupt ist und alle anderen Weltreich sind wir global vernetzt. Die Christus zum Leben und zur Würde aller Schwestern und Brüder. Ein hierarchie- ersten Apostel*innen haben dabei auf den beizutragen und für die Ausbreitung des armes Bild, das auf Liebe, Verbindung und persönlichen Kontakt, auf die Weitergabe „Reiches Gottes“ zu sorgen, in dem Solidarität Kooperation setzt und darin die der eigenen Begeisterung und Christus- mit den Ärmsten und Ausgegrenzten und die Manifestation des Göttlichen sieht. Ich erfahrungen und auf ihre Glaubwürdigkeit Teilhabe aller der Maßstab sind. Andererseits finde, dass es trotz seines fast 2000 jährigen gesetzt. So breitete sich das Christentum welch‘ eingängiges Bild für die Verbindung Alters immer noch ein gutes zukunftswei- trotz Verfolgung und Anfeindung in kurzer aller: „Wenn ein Teil leidet, leiden alle mit, sendes Bild ist. Zeit bis nach Antiochia, Damaskus, Ephesus, wenn ein Teil geehrt wird, freuen sich alle Dr. Ursula Schell, geistliche Begleiterin des KDFB Diözesanverbandes Athen, Rom, Alexandria, Karthago aus (um mit“ (1 Kor 12, 26). Dieses Bild geht davon Augsburg Morgengebet Herr, gib mit heute diese Gnade: dass mein Frieden in seinem tiefsten Grund durch nichts erschüttert wird, dass ich vielmehr jedem Menschen, den ich treffe, ein Wort des Wohlseins, der Freude weiß und ihm entdecken helfe, welch Reichtum in ihm liegt. Gib mir ein Herz, zu groß, um meine Nöte zu begrübeln, zu nobel, um Groll zu horten, zu stark, um gleich in den Boden zu sinken, zu offen, um noch irgendwen draußen zu lassen. Herr, mein Gott, ich bitte dich um diese Gnade für alle Menschen, die heute kämpfen wie ich, damit der Hass sich auszehrt und die Liebe wächst, denn die Liebe und das Leben sind mit dir auferstanden, Sieger über Hass und Tod. Öffne unsere Augen für das Unsichtbare, dann wird nichts den Optimismus jener knicken, die an dich glauben und an den Menschen, die auf dich hoffen und auf den Menschen. Amen Frauengebete https://beten-online.de/de/lebenslauf/frauen/gebet.5546.html
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 4 SCHWERPUNKT Mischen wir uns ein! Zwei aktuelle Beobachtungen Die Arbeit in der Pflege, in Sozial- und EINE WICHTIGE ERKENNTNIS: Aufgabe, die Würde des Menschen anzumah- Erziehungsberufen, im Einzelhandel, in ES SIND EINDEUTIG NICHT DIE nen. Wir sind auch gefordert, uns zu beteili- Reinigungsdiensten, in der Nahrungs- REICHEN, DIE BESONDERS UNTER gen, den Wert der Solidarität wieder stärker mittelproduktion wird sehr häufig von DER KRISE LEIDEN! einzuüben- sowohl im persönlichen wie auch Frauen geleistet. In den von Corona ge- Die Menschen in schlecht bezahlten Berufen im gesellschaftlichen Umfeld. Und wir haben prägten Zeiten haben sie wesentlich dazu und oft sehr schwierigen Arbeitsbedingungen verstärkt die Frage nach dem Gemeinwohl zu beigetragen, unser Leben am Laufen zu hal- mussten besonders große Opfer bringen – stellen. Der heutige Gemeinwohlbegriff muss ten. beispielsweise durch neue 12-Stunden- beinhalten, dass wir niemanden von den Schichten in der Pflege, Leben im beengten Gütern der Medizin, Bildung und Kom- Die Politik und die Öffentlichkeit war voll von Wohnraum, gesundheitsgefährdende Tätig- munikation ausschließen. Nur so können wir Lobesreden- es wurde geklatscht. Plötzlich keiten, Überstunden oder Wechsel in Schicht- ungerechte Strukturen verändern. Wir müs- waren diese oft schlecht (wenn nicht sogar arbeit. Ich erinnere an alle in Leiharbeit, die sen uns daran messen lassen, wie wir mit den prekär) bezahlten und gesellschaftlich wenig jetzt zahlreich ihren Arbeitsplatz verlieren, „Kleinen“ in unserer Gesellschaft umgehen! geachteten Berufe „systemrelevant“. Von den oder die in Kurzarbeit, die schnell am Rande Martina Berndt-Hoffmann, Betriebsseelsorgerin der KAB Augsburg Betroffenen wurde diese Entwicklung sehr der Armut landen. Vergessen möchte ich nicht skeptisch beobachtet: „Aktuell wird erkannt, all die Kinder, die ohne Internet und Com- wie wichtig unsere Arbeit ist. Das finde ich puter ohne Kontakt zur Schule waren. gut, doch diese Erkenntnis wird nicht anhal- ten. Wenn ich die Dankesreden ernst nehmen WIE WEITER? soll, erwarte ich, dass jetzt dafür ein gesetz- Als Christen/innen können wir keine fertigen licher Rahmen geschaffen wird. “ Zukunftskonzepte anbieten. Es ist stets unsere Aufgabe, zuzuhören und schrittweise am Frauen hatten in Zeiten des Lockdowns noch Leben zu lernen. Wir haben jedoch die Pflicht, stärker als sonst an Mehrfachbelastungen zu uns einzumischen. Es ist unsere allererste tragen: die eigene Arbeit, dazu Home- Schooling der Kinder und/oder die Pflege von Angehörigen ohne mögliche Hilfe von außen- teils über die Grenze der Belastbarkeit. Das Thema tauchte in betrieblichen Strukturen oder Gremien selten auf, wurde von Frauen leider auch wenig angefragt. Frau versuchte vielfach alles auf privater Ebene zu lösen anstatt Unterstützung des Betriebs einzufor- dern. Für manche war es eine Lösung, Homeoffice machen zu können. Wobei Studien zeigen, dass im Homeoffice Frauen gegenüber den Männern deutlich öfter die Sorgearbeit übernehmen. Frauen fällt es schwerer, sich „rauszunehmen“. Es gab auch Frauen (vor allem solche, die kein Homeoffice machen konnten), die sich in ihrer Not krank meldeten, weil sie nicht mehr wussten, wie sie sonst ihre Kinder betreuen konnten.
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 5 SCHWERPUNKT Frauen in der Coronazeit – Gerechtigkeit ist anders Für diesen Artikel tragen wir Inhalte Nicht nur die SPD-Politikerin Renate Schmidt, einer Teilzeitbeschäftigung, weil sie sich nie aus drei unterschiedlichen Artikeln von auch der Deutsche Frauenrat, fordern des- die Mühe gemacht haben, die Familien- Frauen zusammen, um das Thema Gleich- halb, dass mit dem 156 Mrd. Euro schweren arbeit gerecht aufzuteilen. Da kann die berechtigung in der Coronakrise in den Hilfspaket der Bundesregierung die profes- Politik nichts ausrichten, da können die Blick zu nehmen: sionelle Sorgearbeit durch angemessene Gewerkschaften nichts ausrichten, da müs- Gehälter aufgewertet wird und eine geschlech- sen die Frauen einfach selbst das Rückgrat Jutta Allmendinger ist Präsidentin des tergerechte Verteilung der Mittel erfolgt. haben und ihrem Partner erklären: Ich will Wissenschaftszentrums Berlin für Allmendinger sieht in der Krise die Chance, auch berufstätig sein, ich will mich aber Sozialforschung und eine von etlichen dass wir aus dem, was wir jetzt so offensicht-nicht aufarbeiten, daher müssen wir die Frauen, die in der Coronazeit ein Thema in lich sehen, Taten folgen lassen können. Haus- und Familienarbeit gerecht aufteilen. den Focus rückte, das gerade in Krisenzeiten (…) Diese Aufgabe kann ihnen niemand aus dem Blick zu geraten schien: die Rolle Renate Schmidt fordert zusätzlich eine andere abnehmen. (…) Da kann ihnen nur ihr der Frau in der Gesellschaft. Dass der Steuergesetzgebung. Aber mehr noch appel- eigener Mumm helfen.“ Mensch in Krisenzeiten dazu neigt, in alte liert die SPD-Politikerin in einem Interview Gewohnheiten zu rutschen, in überlieferte mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung an DAS SIND DIE ORGINALARTIKEL und fortgeschriebene Routinen, mag alle Frauen ganz persönlich und an ihre ZUM TEXT: zunächst einmal tröstlich klingen, ange- Eigenverantwortung. Sie mahnt: „Frauen, Jutta Allmendinger in Zeit online, 12. Mai sichts der Tatsache, dass es vor allem Frauen macht den Mund auf!“, denn viel zu häufig 2020: „Die Frauen verlieren ihre Würde“; sind und waren, die die Hauptlast der würden Frauen nicht sagen, wie es ihnen D eutscher Frauenrat: „Frauen in der Coronapandemie tragen und getragen wirklich geht. Oft fehle es an Selbstbewusst- Corona-Krise“ haben. Gleich mehrere und ganz unter- sein, mit dem eine Frau für sich und ihre Renate Schmidt in Augsburger Allgemeine schiedliche Artikel und Studien belegen, Bedürfnisse einstehe. Nicht als systemrele- am 22. Mai 2020: „Frauen macht euren dass sich nicht nur bei jungen Familien die vant, sondern als systemimmanent sieht Mund auf!“ Frauen aus dem Arbeitsmarkt zurückzie- Schmidt die Tatsache, dass Frauen häufig Ilona Thalhofer Referentin im Seelsorgeamt im Bereich hen, um sich um Kinder und Haushalt zu konfliktscheu sind und deshalb nie im posi- der pastoralen Grunddienste kümmern, vielmehr sind es auch 75% tiven Sinn für ihre Bedürfnisse kämpfen: „Ich Frauen die in den sogenannten systemrele- sage es aber auch noch vanten Berufen der Coronakrise arbeiten, einmal: Viel zu viele und somit an vorderster Front die professi- Frauen reduzieren frei- onelle Sorgearbeit unserer Gesellschaft willig und bleiben in übernehmen. Krankenpflegerinnen, Erzieherinnen, Kassiererinnen, Mütter u.v.m.. Die Arbeitsleistungen von Frauen bilden somit das Rückgrat unseres Systems. Gar nicht tröstlich bei all diesen Fakten ist aber, dass Sorgearbeit in unserer Gesellschaft keinen angemessenen ökonomischen Wert darstellt und deshalb schlecht bezahlt wird. Dazu kommen die hoch besteuerten Einkommen vieler Ehefrauen und, dass viele Frauen in Minijobs arbeiten und somit in Krisenzeiten kaum geschützt sind. Nicht zuletzt ist alarmierend, dass die häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder in der Krisenzeit massiv zunahm.
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 6 SCHWERPUNKT Familiäre Herausforderungen zu Zeiten von Corona Anfang März war die Stimmung am licher Kommunikationswege. Derweil gestal- schön strapaziert. Sicher, im Lauf der Zeit Frühstückstisch aufgeheizt: Schon wieder tete sich die face-to-face-Kommunikation mit spielt sich vieles ein, die Aufgaben werden drehte sich alles um das Thema „Corona“. dem pubertierenden 7.Klässler immer schwie- schon am Vorabend gemeinsam gesichtet und Sind die Maßnahmen nicht völlig über- riger. Während der 10.Klässler sämtliche besprochen. Auch die Lehrer, für die die zogen? Ist das alles Panikmache? Noch kurz Aufgaben mit minimalem Aufwand und Situation ja ebenfalls neu ist, sind hier äußerst vorher trafen wir uns mit dem DJK- maximalem Erfolg absolvierte, diskutierte kooperativ und verständnisvoll. Aber manch- Bundesverband zu den Bundeswinterspielen Kind 2 endlos, ob jetzt auch wirklich alle mal hilft am Ende der Nerven nur: auch mal mit 400 Teilnehmern im Allgäu. Und jetzt Aufgaben zu erfüllen sind. „Kann ja eh keiner „fünf gerade sein lassen“, Wichtiges von plötzlich Abstand halten und Vorsichts- kontrollieren, die anderen machen auch nicht Unwichtigem zu unterscheiden (mir tut es maßnahmen? alles.“ Da hilft auch die 5. Ermahnung, dass überaus leid für den sehr kreativen und enga- man nicht für die Schule, sondern fürs Leben gierten Kunstlehrer) und die eigenen Doch plötzlich überschlugen sich die Ereig- lernt, nichts … (Dieser Satz hat mich als Ansprüche an Perfektion zurückzuschrauben. nisse… Absage sämtlicher Veranstaltungen, Schülerin auch mehr als einmal in In brenzligen Situationen ein Spaziergang mit Stichwort „Ausgangsbeschränkungen“, ab 16. den Wahnsinn getrieben. Neueste, bahnbre- dem Filius an der frischen Luft, gemeinsames März keine Schule mehr… Und so wurde chende Erkenntnis: Er funktioniert immer Kochen oder einfach nur zusammen auf einer auch uns der Ernst der Lage sehr schnell noch nicht!) Wiese liegen, in den Himmel schauen und bewusst. Ja, wir mussten uns neu organisieren, sinnieren …. Positive Erlebnisse schaffen statt den bisher gut durchgetakteten Alltag neu Zum Glück konnte ich meinen Job als Probleme in den Vordergrund zu rücken! aufstellen. Als verwitwete Alleinerziehende Bildungsreferentin im Homeoffice erledigen Fertigpizza statt perfekt geputzter Wohnung. mit zwei pubertierenden Jungs waren die und hatte endlich Zeit für die Entwicklung Anfänge ziemlich holprig. neuer Konzepte und Erledigung liegengeblie- Und hoffen, dass sich die Vokabellücken oder bener Aufgaben. So viel zur Theorie! Allerdings Prozentrechnungsdefizite im nächsten Das neu installierte Online-Schulprogramm stellte sich schnell heraus, wie unselbstständig Schuljahr wieder ausgleichen lassen. Aber wurde schon am ersten Tag gehackt… Sohnemann in der Erledigung seiner Aufgaben unsere gemeinsam verbrachte Zeit kann uns Nachrichten und Informationen der Schule ist. Ohne Hilfe und ständiges Nachfragen niemand mehr nehmen! trudelten nur spärlich ein. Die Lehrer wurden brachte er keine 2 Striche aufs Papier, mein Kerstin Mayer , Bildungsreferentin der DJK Diözesanverband Augsburg kreativ und nutzten die ganze Palette mög- sonst so stabiles Nervensystem wurde ganz
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 7 Was bleibt ist die Veränderung Alleinerziehende an der Belastungsgrenze Meine Arbeit in der Alleinerziehenden gessen, dass es natürlich auch viele Berufe weisen. Ich versuche wieder ein Stück Seelsorge hat sich in der letzten Zeit stark gibt, in denen kein Homeoffice möglich ist, Leichtigkeit ins Leben zu bringen wie z. B. mit verändert. Alle Präsenzveranstaltungen wie wie zum Beispiel in der Apotheke oder in dem Vorschlag, das Lied „Kings and Queens“ das Muttertagswochenende, die Ferien- pflegerischen Berufen. In ihrer Verzweiflung laut aufzudrehen und dabei ein Lieblings- woche usw. wurden ohne Ersatztermine ließen sie zum Teil ihre Kinder alleine zu getränk zu schlürfen oder ein Gedicht am gestrichen. Aus dem Homeoffice schrieb ich Hause – manchmal mit dem Handy daneben Muttertag, Telefongespräche, eben kleine eine Aufmunterungsmail an alle Alleiner- liegend – bis irgendwann die Großeltern wie- Aufmerksamkeiten, die so wichtig sind und ziehenden meines Verteilers. Mir war wich- der übernehmen konnten. einfach guttun. tig Mut zu vermitteln und das Vertrauen, dass sie auch diese Situation meistern wer- Auch die Situation „Homeschooling“ brachte Das erste Live-Wochenende vom 25.-27. den. Ich schloss damit, dass ich mich freuen manche Familien an die eigenen Grenzen: September war innerhalb kürzester Zeit aus- würden, wenn sie mir von ihrer jetzigen Lage Was macht frau, wenn es nur einen Laptop in gebucht. Die Frauen sind reif für die Berge, erzählen. der Familie gibt? Zum Teil arbeiteten die obwohl Abstandsregeln eingehalten werden Kinder tagsüber und die Mütter abends und müssen und damit nur ältere Kinder dabei Gefühlte Minuten später brach eine Lawine nachts. Eine Mama mit drei Söhnen wurde sein können. Hier soll endlich Raum für per- mit langen Texten – teilweise mit dem Handy mit der Begründung „zu unflexibel“ gekün- sönlichen Austausch sein, um diese Zeit zu geschrieben – über mein Postfach herein: digt, da die Kinder ja nur jeden zweiten Tag in verarbeiten: Was möchte ich von dieser Zeit Ausführliche Berichte, verzweifelte Hilferufe die Schule gehen und die Situation bei drei behalten? Wie kann ich den Zusammenhalt, und berührende Geschichten. Die Rück- Kindern schnell unüberschaubar wird. Zudem die vermehrten Gespräche und die vermehrte meldungen kamen nicht nur von Frauen, die werden gut qualifizierte arbeitssuchende Familienzeit in die Normalität hinüberretten? ich persönlich gut kenne, sondern auch von Frauen nicht eingestellt, obwohl man sich Und wir entdecken die Geschenke dieser Zeit: Frauen, die eher im losen Kontakt zur noch vor einem halben Jahr um sie gerissen das wunderbare Wetter und das besondere Alleinerziehenden-Seelsorge stehen. Seither hätte. Zusammenfassend lässt sich sagen, die Miteinander. So reißen die Mails nicht ab. Selbst im Urlaub Alleinerziehenden hatten kaum Entlastung betonte eine Mutter, habe ich versucht da zu sein, Mut zu zuspre- und so gut wie nie eine Pause… Gut, dass wie sehr sie es genoss, chen und Antwort zu geben. Alleinerziehende mit als erste den Anspruch mit ihrer pubertie- auf Kinderbetreuung hatten. renden Tochter eine Die Frauen fühlen sich alleingelassen: Lan- Stunde am Tag Zeit ge waren die Großeltern nicht greifbar, Meine Aufgabe sehe ich darin, die Frauen zu zu haben, spazieren Papawochenenden sind ausgefallen, die bestärken, positive Dinge zu benennen, und zu gehen. Arbeitgeber waren in der Anfangszeit selten immer wieder mit den Fragen: Was tust du Anne Kohler, Pastoralreferentin in der bereit Homeoffice anzubieten. Nicht zu ver- gerne, was tut dir gut? auf Ressourcen hinzu- Alleinerziehenden Seelsorge Eigenverantwortung statt Veräußerung Ich bin auch, wie so viele Frauen, die ich Leben teil. Es ist praktisch und gut, Dinge Als im Mai schließlich der Ruf nach Öffnung kenne, eine viel beschäftigte Frau: Vollzeit draußen wahrzunehmen, nicht nur, weil wir der Kindertageseinrichtungen laut wurde, berufstätig, Haus mit Garten, vierköpfige selbst einen Beitrag zum öffentlichen Leben schrieb eine Frau einen Leserbrief in der Familie, Ehrenamt in der Pfarreienge- leisten und dadurch mitgestalten, sondern Augsburger Allgemeinen, in dem sie beinah meinschaft und habe gerade ein zusätzliches auch, weil das öffentliche Leben seit geraumer verzweifelt mahnte, dass die Öffentlichkeit Studium abgeschlossen. Mein Mann ist Zeit einen immer größeren Teil dazu beiträgt, endlich aufhören muss den Eltern einzureden, Diakon, unser Sohn macht FSJ und unsere den eigenen Kindern das Leben zu vermitteln. ihre Kinder seien in öffentlichen Einrichtungen Tochter bereitet sich auf das Abitur vor. Als Gemeindereferentin mit jahrzehntelanger besser aufgehoben als zuhause bei ihren Eltern Gemeindeerfahrung erlebte ich, dass dazu und Geschwistern. Ich konnte mir sehr gut Bis die Pandemie im März voll um sich griff, auch immer häufiger die Vermittlung eines vorstellen, dass dieser Brief viele Leserinnen waren wir es gewohnt, jeden Sonntag zum Glaubensgebäudes gehört. Aber auch und Leser ärgerte und ich hörte regelrecht die Gottesdienst zu gehen. Und auch sonst neh- Erziehung und Bildung sind davon nicht aus- vielen Argumente in meinen Ohren zu veral- men wir selbstverständlich am öffentlichen genommen. tetem Frauenbild und moderner Familie, aber
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 8 auch Gefahren innerhalb der Familie. Und für Demokratie und vieles mehr. Aber tat- bewusst eine Haltung zum Leben ein oder doch berührte mich dieser Leserbrief in sächlich stellt sich die Frage, ob jede und jeder lasse ich mich treiben von dem, was andere Coronazeiten auf eine ganz eigene und neue Einzelne als Vater und Mutter, als Erwachsene mir bieten? Was will ich selbst sein – vermit- Weise. unserer Gesellschaft die Eigenverantwortung teln – weitergeben? auch im ganz engen familiären Umfeld als Gerade erst lag Ostern hinter uns und zum hohes Gut sieht. Oder leben wir nicht längst Corona hat uns alle auf ganz eigene Weise auf ersten Mal in unserer Zeit mit den Kindern viel stärker in der Veräußerung: Erziehung, eine nie dagewesene Eigenverantwortung stellte sich die Frage, wie wir Ostern ohne Bildung und Glaubensvermittlung überneh- zurückgeworfen. Plötzlich waren wir Gottesdienst in der Gemeinde feiern wollten. men bitte andere? Und schauen wir nicht auch Erzieherin, Lehrerin, Arbeitnehmerin und Machte es wirklich Sinn sich einfach vor den gerne die Art zu leben von anderen ab: Google, Glaubensvermittlerin, vielleicht mehr als Fernseher zu setzen, um den Eindruck von Instagram und Facebook leben vor und wir sonst auch Trösterin, Mutmacherin und gemeinsamer Feier zu haben, oder war nicht „followen“? Weichenstellerin, manches Mal überfordert jetzt der Zeitpunkt gemeinsam als Familie und dann wieder stolz, was wir alles schaffen zum Ausdruck zu bringen, was Ostern für uns Eigenverantwortung heißt, dass ich meine können. Ganz sicher aber auf neue Weise mit alle bedeutet? Bei Geburtstagen schaffen wir persönliche Antwort gebe auf das Leben. Es unseren Möglichkeiten und unserer das ja schließlich auch. Und die ersten heißt, dass ich Worte finde für das, was mir im Daseinsweise konfrontiert. Corona macht mir Christen haben es auch geschafft, ohne litur- Leben wiederfährt und was ich vom Leben seit Monaten immer mehr Mut wesentlich zu gischen Rahmen und ohne Hilfe von verstanden habe. Es heißt aber auch, dass ich werden. Professionellen, das neue Leben zu feiern. reflektiere und nachdenke, ob das, was ich selbst tue, richtig und gut ist. Bin ich Vorbild Ostern und später Pfingsten haben wir übri- „Wir schaffen das“, so ist das Motto unserer mit meinem Leben? Welche Konsequenzen gens gefeiert, im Kreis unserer kleinen Familie, Kanzlerin. Sie meint damit die Übernahme hat mein Verhalten für mich, meine Kinder mit Osterfeuer im Garten, bunten Erzählungen von Verantwortung im öffentlichen Leben, die und ihre Zukunft? Habe ich überhaupt und regem Austausch mit dem Himmel. Aufnahme von Flüchtlingen, das Einstehen Zukunft, wenn ich so weiterlebe? Nehme ich Ilona Thalhofer, Referentin im Seelsorgeamt im Bereich der pastoralen Grunddienste
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 9 Alt sein – Nur ein Risikofaktor? In der heißen Phase der Corona-Zeit, am Ich möchte aber nochmal auf die weitaus grö- Ein Gedanke aus dieser schwierigen Zeit, Ostersonntag, durfte ich meinen 84. ßere Zahl von alten Menschen zurückkom- ausgesprochen von unserem Bundestags- Geburtstag feiern. Eine gute Freundin, men, die ihr Leben noch weitgehend oder präsidenten Dr. Wolfgang Schäuble, hat ausgerüstet mit dem Mittagsmenu als sogar ganz selbständig leben, die ihren mich in meinen eigenen Überlegungen sehr Geburtstagsgeschenk, begleitete mich Haushalt bewältigen, Sport treiben, geistig fit getroffen und bestärkt. Im Zusammenhang durch den Tag. Das Telefon stand vom frü- sind, sich künstlerisch betätigen und sogar mit den katastrophalen klinischen hen Morgen bis in den Abend hinein nicht Aufgaben für andere übernehmen. Wie viele Versorgungsumständen in Norditalien, wo still. Und für alle Gespräche hatte ich viel Großeltern mussten jetzt die oft notwendige die Ärzte schon überlegen mussten, wen Zeit. Eine schöne Erfahrung an so einem Enkelbetreuung aufgeben, was die jungen von ihren Patienten sie mit den zu knappen Tag. Familien in Schwierigkeiten brachte. Beatmungsgeräten am Leben erhalten kön- nen und wen nicht, sagte Herr Schäuble 84 Jahre – ich gehöre also zu dem Das Alter eines Menschen kann man nicht nur sinngemäß: Es gibt nur einen unveränder- Personenkreis, auf die sich die Warnungen, nach seinen Lebensjahren definieren. Nicht baren Paragrafen in unserem Grundgesetz, Ermahnungen und Einschränkungs- jede*r 70 – oder 80-Jährige ist wie eine andere d.i. § 1 von der unantastbaren Würde jedes maßnahmen richteten. Denn die Alten sind mit gleich vielen Jahren auf dem Rücken. Ich Menschen. Die Würde des Menschen geht besonders anfällig, so hieß es immer wieder, kann nur sagen „Gott sei Dank“, dass wir diese bis zu seinem letzten Atemzug (ich möchte haben andere (Vor-)Erkrankungen, sollen rüstigen Alten haben. Ich wünsche mir, dass dazu fügen: noch darüber hinaus). Das so weit wie möglich zuhause bleiben, brau- dies in Politik und Gesellschaft trotz aller not- wünsche ich mir auch für die Zeiten nach chen Hilfe für Einkäufe, auf sie müsse wendigen Gesetze und Regelungen so erkannt Corona: Lassen wir bei allen medizinisch- Rücksicht genommen werden. Aus meinem wird, auch über die hoffentlich bald bezwun- technischen Möglichkeiten, für die wir Freundes- und Bekanntenkreis, der vorwie- gene Coronazeit hinaus. dankbar sein dürfen, jeden Menschen in gend dem gleichen Altersabschnitt wie ich Würde sterben! angehört, erfuhr ich immer wieder, dass die Dr. Felizitas Mutzenbach Kinder und Enkelkinder sie ermahnen: „Mama / Oma das darfst du nicht machen und dort sollst du nicht hingehen, dich mit niemandem treffen.“ Von den gleichen Altersgenossinnen hörte ich dann, ganz im Gegensatz zu der Ängstlichkeit der jungen Generation und vollkommen deckend mit meinem eigenen Empfinden: „Ich habe keine Angst. Ich möchte mich weiterhin selbst versorgen. Brauche in dieser Situation keine besondere Hilfe.“ Dann kamen die ersten Infektionsmeldun- gen aus Altenheimen. Ein Haus in Würz- burg machte den Anfang. Kurz darauf traf es auch ein großes Heim in meinem Ortsteil und anderswo. Man schrak kurz auf, aber dann trat auch schnell die Erkenntnis zu Tage, dass es sich hier um Menschen han- delt, die im Sinne der Epidemiologen zu den Menschen mit Vorerkrankungen gehören, also für Infektionen besonders anfällig sind. Daher war auch rückblickend erwartbar, dass sie einen prozentual hohen Anteil der Todesfälle im Zusammenhang mit Corona darstellen werden.
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 10 Chancen der Digitalisierung – Perspektiven aus der Jugendverbandsarbeit der Pfadfinderinnen (PSG) „Kontaktbeschränkung“ bedeutet erstmal Voller Motivation fingen wir an, auch unter Durch den persönlichen Zugang zu digi- eine ziemliche Umstellung für die der Woche Live-Gruppenstunden anzubie- talen Medien und den Umgang damit haben Arbeitsweise einer Bildungsreferentin ohne ten. wir hoffentlich auch ein paar Mädchen län- Veranstaltungen, Gruppenstunden und gerfristig für den Umgang mit digitalen Fortbildungen. Dank Cloudlösung war Die Teilnehmer*innen blieben jedoch aus. Tools begeistert. Auch in diesem Bereich wenigstens das Homeoffice kein Problem, Unser Fazit: ein großes Onlineevent ist besser gilt für uns als Pfadfinderinnen das Motto: aber wie schafft man es mit den Leiterinnen zu bewerben und für eine Familie leichter Befähigung, Teilhabe und Ausprobieren – in und Teilnehmer*innen in Kontakt zu blei- planbar. Regelmäßige digitale Gruppen- den Worten unseres Gründers formuliert: ben? stunden scheiterten leider auch bei vielen „learning by doing”. Ideen rund um digitale Leiterinnen auf Ortsebene an der mangeln- Onlineangebote, wie Spiele, Methoden, Unter Hochdruck fingen wir an, uns in die den Teilnahme. Wir wissen noch nicht, welche Zeltlager, Onlinetools, Gruppenstunden digitale Welt zu fuchsen. Erstmal wurden Folgen der Stillstand für unsere Gruppen hat. auf Abstand und vieles mehr gibt es unter: sämtliche Videokonferenz-Tools auspro- Welche Kinder bleiben weg, welche Leiterinnen https://de.padlet.com/ds264/supermova biert und Vor- und Nachteile von Zoom orientieren sich neu? Gelingen im nächsten Sophia Vogel und Co. abgewogen. Nach längerem Suchen Jahr unsere geplanten Gruppengründungen Bildungsreferentin der PSG und Talitha - Fachstelle Mädchenpädagogik fanden wir einen Anbieter, bei dem sich noch? auch die Stämme (Ortsgruppen) registrie- ren konnten. So wurden die Leiterinnen Doch erstmal wollen wir diesen Digitalisie- recht schnell technisch dazu befähigt, selbst rungsschub(s) für uns effektiv nutzen. Unsere Gruppenstunden online abzuhalten. diözesanweiten Leiterinnenrunden waren gut Digitale Leiterinnenrunden folgten und besucht und perfekt, um sich kurz über die ermutigten uns dazu, unser erstes digitales neuesten Infos auszutauschen. Unser digitaler Lager zu veranstalten. Stammtisch wurde sehr gut angenommen und hat dazu geführt, dass Jung und Alt aus Mit dem Slogan „Camp at home“ starteten der ganzen Diözese miteinander über das wir in unser verlängertes Maiwochenende Thema Nachhaltigkeit ins Gespräch kamen, noch unter den Bedingungen eines strengen nicht zu vergessen unsere Gesangsrunden, Lockdowns. Das Mai-La war ein voller die Zusammengehörigkeitsgefühl und Erfolg. Bei unseren fast 40 Live-Workshops Pfadfinderatmosphäre schafften. Besonders nahmen rund 150 Pfadfinderinnen aus der spannend ist natürlich die Frage, wie wir uns ganzen Diözese teil. Auch die vielen auf Dauer neue Zielgruppen im Netz erschlie- Aufgaben und Challenges wurden voller ßen können. Begeisterung gemeistert. Kunst und Kultur – der Kampf ums Überleben Noch immer hängt neben meinem Schreibtisch das vollkommene Aus für viele Wochen. Keine war, sich mit einer Person außerhalb des eige- die Allgemeinverfügung der Bayer. Staats- Wissens- und Kunstvermittlung mehr, kein nen Hausstandes zu treffen, reiste sie an und regierung vom 20.3.2020 zur vorläufigen erklärender Stadtrundgang für interessierte wir machten einen Rundgang im Freien, Ausgangsbeschränkung anlässlich der Touristen, keine Verdienstmöglichkeit. Die immer entlang der Tore und Mauern unserer Corona-Pandemie. Obwohl richtig und völlig Geschäfte geschlossen, die Straßen leer. Stadt. Mit 1,5 Meter Abstand, vorsichtshalber akzeptiert war auch ich fassungslos, wie sich Ohrenbetäubende Stille, auch in Augsburg. mit einem Zollstock eingeübt. Alle Vorgaben mein Leben plötzlich grundlegend änderte. Nach 4 Wochen kam die Mail einer lieben wurden erfüllt. Ein Anfang war gemacht. Es Ich bin seit 37 Jahren freiberufliche Gäste- Bekannten aus München: „Ich halte es nicht gelang, dass sich das Leben wieder gut anfühl- führerin in Augsburg. 2020 deutete sich als mehr aus ohne Kunst und Kultur, ich will es te. neues Rekordjahr im Tourismus an. Und nun nicht mehr aushalten.“ Und sobald es erlaubt
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 11 Und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden (1 Joh 3,2) Dorothee Sölle hat in den 80er Jahren diese Und ist noch nicht erschienen, wer wir sein Bibelstelle in einen theopoetischen Text1 werden …Wie können wir als Christinnen die gefasst, in dem sie nachfragt, wer wir wohl Verantwortung für die Umwelt in einer von sein werden, als wer wir erkennbar werden. Pandemie geprägten Zeit wahrnehmen? Diese Frage könnte sie heute wieder aktuell stellen. 1. U NGLEICHGEWICHT UND Ich rief Sandra an und fragte nach ihrem UNSICHERHEIT AUSHALTEN – Befinden. Seit 20 Jahren ist sie in der freien WÄHREND DER PANDEMIE WURDE ZUMINDEST FÜR EINE Theaterlandschaft im Kinder- und Jugend- IN UNSERER UM- UND MITWELT BESTIMMTE ZEIT bereich unterwegs. Als Clownin, Performerin, ERSTAUNLICHES SICHTBAR: Martin Stewen sieht die Chancen für große im Puppenbau … auch sie hielt es nicht mehr In der Ruhephase der Städte entdeckten viele entscheidende Veränderungen eher realistisch aus ohne Kunst und Kultur. Eine Idee in ihr das Fahrradfahren. Arbeitsmeetings brauch- und nüchtern. Er meint, dass für den Wandel wurde zur Tatsache: Kunst im Fenster. Unter ten keine langen Anreisen, und für viele zu wenig Kraft zur Verfügung steht, wenn Einhaltung des Abstandes filmte sie Kolle- Menschen war es möglich, digital Kontakt mit Ängste lähmen. Menschen allerdings, die ginnen und Kollegen aus der Szene, die im Freund*innen und Verwandten zu halten, schon vorher bewusst mit Ressourcen umge- Fenster oder dahinter ihre Kunst zeigten. Anteil an der Welt zu nehmen. Der erschüt- gangen sind, werden das jetzt auch tun. „Wer Dann stellte sie die Staffel bei Youtube ein: ternde Tod so vieler Menschen weckte Veränderung will, darf nicht auf Viren setzen, Augsburger Fensterkünstler 2020. Sandra Mitgefühl und Solidarität. Wenig Konsum, darf die Verantwortung nicht an einen Virus hatte in der Krise – zwangsweise – gelernt, keine Reisen wurde und wird von manchen delegieren – auch nicht in der Kirche. Wer wie man filmt, schneidet und im Internet Menschen als belastend erlebt, von anderen Veränderung will, muss aufstehen. Neues ent- platziert. Geld brachte es für sie noch nicht, mit Staunen und Gelassenheit eingeübt. steht nicht durch einen Virus, sondern durch aber Werbung für die Zukunft? Menschen, die bereit sind, sich zu verändern. WIR HABEN VERÄNDERUNGEN Und Veränderung geschieht dann nicht Ich denke an das, was ich in der Krisenzeit ERLEBT! wegen, sondern trotz des Virus.2“ gelesen habe: Epidemien haben in der Der Smog über Großstädten reduzierte Geschichte immer wieder den Alltag bestimmt, sich, Gewässer klärten sich, gerade in stadt- „Nur für heute“ ist eine geistliche Übung. Es haben Menschenleben gekostet, aber eben nahen Flüssen oder Seen (das beeindru- ist eine Herausforderung an uns Christinnen, auch Fortschritt gebracht. Menschen, die in ckende Beispiel von Venedig). Vertrauen zu schaffen, in dem wir miteinan- Kunst und Kultur tätig sind, haben heuer ganz Wir haben unfreiwillig Solidarität mit der der teilen – unsere Sorgen, unseren Mut, persönlich erlebt, dass Fortschritt immer auch Schöpfung geübt und unfreiwillig und unsere „Vorräte“. Die Vater-Unser-Bitte Opfer verlangt – in unterschiedlichster Weise. Klimaschutz geleistet! um das tägliche Brot weist auch zurück auf Was war für mich das schönste in der Wir können eigene Ressourcen nutzen und die Exodus-Erfahrung, als Gott seinem Volk Coronazeit? Der unendlich blaue Himmel Fremdressourcen umsichtig oder gar nicht Manna schenkte. Es konnte nicht aufbewahrt ohne einen einzigen Kondensstreifen. Das verbrauchen. werden. Wer es hortete, erlebte am nächsten hatte ich seit meiner Kindheit nicht mehr E s werden neue Arbeitsplätze in den Tag, dass es verdorben und ungenießbar war. erlebt und es hielt die Sehnsucht nach Freiheit Bereichen Recycling-Industrie, Repara- und Ungebundenheit in mir wach. turwesen (Handwerk) entstehen. 2. N EUES GLEICHGEWICHT SUCHEN – Elisabeth Retsch, Die Energiewende braucht dringend die BRAUCHT ZEIT UND WISSEN Stadtführerin in Augsburg Kommunikation zwischen Süd- und Matthias Horx schreibt in einem Essay, „Wenn Nordländern. das Virus so etwas kann – können wir das Eine fürsorgende Service-Gesellschaft wird womöglich auch? Vielleicht war das Virus nur möglich mit fairen Lohnverhältnissen für ein Sendbote aus der Zukunft. Seine dra- systemrelevante Berufe. stische Botschaft lautet: Die menschliche Wir müssen so wirtschaften, dass wegen Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu über- unserer Bedürfnisse keine Regenwaldgebiete hitzt geworden. Sie rast zu sehr in eine vernichtet werden müssen (Kein Soja und bestimmte Richtung, in der es keine Zukunft kein Palmöl aus Übersee). gibt. Aber sie kann sich neu erfinden.“3 Fortsetzung auf Seite 12
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 12 Fortsetzung von Seite 11 Es wird nicht ohne Verzicht gehen. Es wird 1 Dorothee Sölle, Und ist noch nicht erschienen, in: Und ist noch nicht um die Frage gehen „Was braucht der Mensch erschienen, was wir sein werden. wirklich?“ Wir leben mitten in der Pflanzen- Stationen feministischer Theologie, Tiere-Mitwelt und sind von ihr abhängig. Wir dtv 1987©1978/1987 Kreuz Verlag Stuttgart können uns informieren, Organisationen 2 Martin Stewen, Alles wird, wie fördern, die in dieser Richtung aktiv sind und es ist – auch in der Kirche, in: suchen. Wir können im eigenen Haushalten www.feinschwarz.net, 22.Juni 2020, S. 6 nach neuen Balancen zwischen Global und 3 Matthias Horx, www.horx.com/ Lokal suchen. Wissenschaftliche Untersu- 48 – Die Welt nach Corona, S.5 4 Birgit Hoyer, Nein: und – kein chungen gehen uns alle an! Nach welchen Zurück zur Normalität, in: ethischen Grundsätzen wird geforscht und www.feinschwarz.net entwickelt? (8. Mai 2020), S.2 3. DER VERSUCHUNG WIDERSTEHEN, DIE ALTEN (WIRTSCHAFTS-) STRUKTUREN RETTEN ZU WOLLEN ODER ZU MÜSSEN, SOZUSAGEN KONSUM ALS RETTUNGSAKTION Wir können entscheiden, was wir essen, wie wir uns kleiden, womit wir uns bewegen! Dann ist die Industrie gefragt, wie sie diese „neuen“ Bedürfnisse bedient – klimafreund- lich, nachhaltig, gerecht. Die Theologin Birgit Hoyer schreibt, „Schön wäre es gewesen, es hätte Corona nicht gebraucht, um uns zu stoppen und wieder fühlen zu lehren, was uns lebendig sein lässt, wofür es sich lohnt, sich einzusetzen.“4 Claudia Nietsch-Ochs, Künstlerin, Dipl. Theologin und Referentin im Exerzitien- haus St. Paulus der Diözese Augsburg in Leitershofen Fülle in der verordneten Leere REFLEXIONEN ÜBER OSTER- reflektieren die Frage nach einer alltagstaug- ERFAHRUNGEN WÄHREND DER lichen Begegnung mit Gott, anstelle einer rein CORONA-KRISE 2020 ritualisierten Religionspraxis. Der online abrufbare Text stammt von zehn Ordensfrauen der Gruppe „Ordensfrauen Die darin zum Ausdruck gebrachten Forde- für Menschenwürde“, die sich im Herbst rungen sind keineswegs neu und werden seit 2018 in München gebildet hat. Jahrzehnten von vielen Menschen immer wieder in den theologischen wie den kirchen- Er reflektiert, wie die Herausforderungen amtlichen Diskurs eingespeist. Allerdings der Corona-Pandemie von den Ordens- sind sie nun durch Corona in einer neuen frauen kreativ aufgegriffen und bewältigt Weise erfahrungsgesättigt. Und wir sind über- wurden. Die Erfahrungen betreffen beson- zeugt, dass viele Christen und Christinnen ders die Themenkreise Sakramenten- ähnliche Erfahrungen beisteuern könnten. verständnis, Eucharistieverständnis und Amtsverständnis, bzw. Priesterbild. Als Der ganze Text ist zu finden unter Ordensfrauen, die in vielfältigen internen www.frauenforum-augsburg.de wie externen Beziehungen stehen, beleuch- auf der linken Seite unter Infos ten sie ihre Gemeinschaftserfahrungen und
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 13 billiges Fleisch essen können. Es zeigen sich aber auch gute Errungenschaften, z.B. gibt es in unserem Land ein Netz, das in Krisenzeiten auffangen kann – Kurzarbeit, Überbrückungs- zuschüsse, Arbeit im Homeoffice …. Deutlich wird, dass viele Bereiche der Daseinsvorsorge nicht nur dem freien Markt überlassen werden dürfen, der nur auf Gewinnmaximierung und Kostenreduzierung aus ist und die Menschen, die dort arbeiten oder gepflegt werden, aus dem Blick verliert. Dass billig nicht immer am besten ist, zeigen fehlende Vorratshaltung was Schutzmasken und -kleidung angeht, lange Transportwege durch die Produktion in Billigländern, feh- lende Nachhaltigkeit usw. Der Frauenbund (KDFB) und andere Verbände fordern schon seit langem eine angemessenere Bezahlung für Menschen, die in sozialen und pflegerischen Berufen arbei- ten, denn sie haben die Verantwortung für Menschen und deren Unversehrtheit und Leben und tragen mit ihrer Arbeit zu einer menschenfreundlichen Gesellschaft bei. Schön wäre es, wenn die Corona-Zeit der Nachdenken über neue und Beginn wäre, um mit den Lippenbekennt- nissen ernst zu machen und Arbeit in Zu- kunft nach dem Grad an Nachhaltigkeit, alte Fragen und Anliegen in Menschlichkeit und ihrem Wert für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu beurtei- len. Die Arbeit mit und für Menschen muss und nach Coronazeiten hier höher bewertet werden als die Arbeit für Konsumgüter. Dann hätte die Coronakrise noch ihr Gutes, denn sie würde dazu bei- Ein Virus hat unsere Gesellschaft ausge- Laufen halten. Plötzlich rückten Ver- tragen, unsere gesellschaftlichen Werte neu zu bremst und manche Selbstverständlichkeit käufer*innen, Krankenschwestern, Alten- justieren. in Frage gestellt? Plötzlich sind wir mit pfleger*innen, Müllwerker*innen in den neuen und alten Fragen konfrontiert: Was Mittelpunkt und werden für ihre Arbeit und Was können wir als Christen*innen dazu brei- brauchen wir unbedingt zum Leben und was ihren Einsatz gelobt. In vielen dieser Berufe ist tragen? Wie finden wir die richtigen Worte in nicht? Welche Berufe sind systemrelevant? der Frauenanteil sehr groß – Kranken- und der Krise, die trösten und Hoffnung geben, Was trägt uns persönlich und als Ge- Altenpflege; Verkauf in den Supermärkten, aber die Bedrohung und die schlimmen meinschaft in schwieriger Zeit? Reinigung …. Erfreulich ist, dass der Wert Erfahrungen trotzdem nicht verharmlosen? dieser Arbeit neu ins Bewusstsein rückt und Wie bleiben wir in Verbindung? Können spi- All das bewirkt ein Nachdenken darüber, ob Stimmen laut werden, die auch eine bessere rituelle Angebote im Netz das gemeinsame wir so weitermachen können wie bisher. Ist Bezahlung und bessere Rahmenbedingungen Feiern vor Ort ersetzen oder zumindest für höher, schneller, weiter und die Einengungen anmahnen. Es kommen aber auch Missstände die Krisenzeit kompensieren? Fragen, die des Lebensraumes der Natur wirklich noch ans Licht, die von vielen lange ignoriert nachdenklich machen und auf die es keine zukunftsträchtig oder muss es für unseren wurden. schnellen Antworten gibt. Auch wir Christen Lebensstil, unsere Spiritualität, unsere wissen nicht mehr als alle anderen. Was in mir Wirtschaften, unsere Mobilität und unsere Es wird deutlich, wie viele Saisonkräfte aus aber bleibt, ist das Vertrauen, dass Gott mit- Freizeitgestaltung ein Umdenken geben? Osteuropa in der Landwirtschaft und in den geht, egal was passiert und das gibt mir Fleischfabriken, teilweise unter menschen- Hoffnung und die Kraft, für eine gute Zukunft Die Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, unwürdigen Arbeits- und Unterbringungs- zu arbeiten. welche Berufe im Moment den Laden am bedingungen, beschäftigt sind, nur damit wir Dr. Ursula Schell (Geistliche Begleiterin des KDFB Diözesanverbandes Augsburg)
aktuell Ausgabe 57 Frauenforum Seite 14 Sr. Anna Schenck zur Amtsleiterin des Bischofs von Augsburg ernannt Bischof Dr. Bertram Meier hat Sr. Anna ihrer fachlichen Qualifikation auch ihre igna- flüchtlingsdienst im Libanon im Einsatz. Schenck CJ (43) zur Amtsleiterin des tianische Spiritualität als Mitglied der Zuletzt engagierte sie sich bei der Bischofs von Augsburg ernannt. Congregatio Jesu, die nach den gleichen Bahnhofsmission in Frankfurt. Am 4. Juli Regeln lebt wie die Jesuiten, einbringen wird. 2020 feierte Sr. Anna Schenck CJ ihre ewige Mit der Berufung einer Amtsleiterin setzt Darin sehe ich eine große Bereicherung.“ Profess. Bischof Bertram einen neuen Akzent in sei- ner Diözese. „Mir ist wichtig, dem Sr. Anna Schenck CJ wurde 1976 in Augsburg Bischofshaus in Zukunft mehr Gewicht und geboren und trat 2011 in die Congregatio Jesu Profil zu geben. Die Amtsleiterin soll mich ein. Sie hat Religionswissenschaft in Bonn, dabei wirkungsvoll unterstützen. Nach Tübingen und Lancaster studiert und bereits innen wird sie die Bürovorgänge koordi- vor ihrem Ordenseintritt verschiedene beruf- nieren und nach außen u.a. mit dem liche Erfahrungen gesammelt: Nach einer Generalvikariat, den Hauptabteilungen und Tätigkeit als Unternehmensberaterin war sie den Verantwortungsbereichen der Dom- maßgeblich an der Organisation des Welt- kapitulare kooperieren.“ jugendtags 2005 in Köln beteiligt. Danach arbeitete sie im Raum Osnabrück im Dabei gehe es neben organisatorischen Krankenhausmanagement. Fragen auch um konzeptionelle Arbeit besonders im Hinblick auf Querschnitts- Nach dem Noviziat war Sr. Anna Sprecherin projekte, die ihm als Diözesanbischof wich- für Altenhilfe und Pflege der Caritas in tig seien. „Ich bin überzeugt, dass Sr. Anna Niedersachsen. Im Tertiat war sie unter ande- für diese anspruchsvolle Tätigkeit neben rem mehrere Monate lang für den Jesuiten- WISSENSWERTES VON FRAUEN (zusammengestellt von Erika Huber) ASIA BIBI, verfolgte Christin aus Pakistan, Erzbistums zurückgetreten, nachdem ihm die Konzernleitung dazu zwingen, mehr Ver- ist zur Ehrenbürgerin der Stadt Paris ernannt Nichtanzeige von Missbrauchsfällen in seinem antwortung für die Näherinnen zu überneh- worden. Bürgermeisterin Anne Hidalgo Erzbistum vorgeworfen worden war. Soupa men, appellierte sie an die Anteilseigner. begrüßte Bibi mit den Worten „Sie sind eine sieht ihre Bewerbung als Antwort auf die Publik Forum Nr. 10/2020 personifizierte Lektion Lebens für uns alle.“ Aufforderung des Papstes, mehr gegen Der Katholikin, die jetzt in Kanada lebt, drohte in Pakistan wegen angeblicher Missbrauch und verkrustete Machtstrukturen zu tun. q TAWAKKOL KARMAN, jemenitische Beleidigung des Propheten Mohammed Publik Forum Nr. 11/2020 Journalistin und Menschenrechtsaktivistin, mehrfach die Todesstrafe. Publik Forum Nr. 6/2020 q ist einer massiven Hetzkampagne im Internet ausgesetzt. Seit ihrer Berufung in das q ANNE SOUPA, katholische Theologin, GISELA BURCKHARDT, kritische Aktionä- Aufsichtsratsgremium von Facebook wird rin bei Hugo Boss, fordert auf der Haupt- ihr von Ländern wie Saudi-Arabien und versammlung des Konzerns die Schaffung Ägypten eine Nähe zur Muslimbruderschaft bewirbt sich auf die Leitung des Erzbistums eines „Fonds für existenzsichernde Löhne“ für vorgeworfen. Karman, die 2011 den Lyon. Sie schickte dem vatikanischen Nuntius die Näherinnen. Weltweit stürzten Textil- Friedensnobelpreis erhielt, wird von ihnen in Paris ihren Lebenslauf, ein Glaubens- arbeiterinnen angesichts von Auftrags- als „Terroristin“ bezeichnet. Mit einer bekenntnis und ein Reformprogramm. Seit stornierungen und Fabrikschließungen in Petition soll Facebook dazu bewegt werden, März ist die Stelle in Lyon vakant. Kardinal lebensbedrohliche Existenznöte. Aktionäre die Berufung Karmans zuückzunehmen. Philippe Barbarin war von der Leitung des sollten mit gutem Beispiel vorangehen und die Publik Forum Nr. 11/2020
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