Future of Food Marketing - GIM foresight
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Marketingzeitschrift für Theorie & Praxis 3 | 2021 SCHWERPUNKT Innovative Food Technology: Is more information always better? • Consumer-Centric Packaging • Kundensegmentierung anhand von Nachhaltigkeit und Ernährungs- gewohnheiten • Food Waste in Retail • Massnahmen gegen Food-Waste-Verhalten von Konsument*innen SPEKTRUM Kundenorientierte Markenführung in der digitalen Transformation • Veränderung im Schweizer Konsumverhalten während der Pandemie www.marketing-review.ch marketing-review.ch Future of Food Marketing
Spektrum Wertorientierungen Kundenorientierte Markenführung in der digitalen Transformation Eine smarte, sich an unsere individuellen Bedürfnisse anpassende Umwelt entspricht der Wunschvorstellung – aber nur beim Bevölkerungssegment der Tech-affinen Materialisten. Die internationale Studie Values & Visions 2030 geht der Frage nach, warum unter anderem in der Schweizer Bevölkerung die Skepsis gegenüber KI so gross ist und was daraus für eine erfolgreiche Markenführung in der Zukunft folgt. Dr. Mirjam Hauser, Dr. Hannes Fernow 62 Marketing Review St. Gallen 3 | 2021 062-068_MRSG_SPKT_Hauser_2sp_m_mr_m.indd 62 26.04.21 12:56
Spektrum Wertorientierungen D ie rüstige Rentnerin sitzt in ihrem gepflegten Wohn- Dr. Mirjam Hauser zimmer auf dem Sofa und spricht zu uns. Darüber, Senior Research Manager, wie sehr ihre neue Freundin sie in ihrem alltäglichen GIM Suisse AG Leben unterstützt: Sie erinnert sie daran, ihre Medizin zur www.g-i-m.ch richtigen Zeit einzunehmen, sie weist auf Verabredungen hin, sie hilft, den Kontakt mit den Kindern und Verwandten per Dr. Hannes Fernow Video-Telefonie aufrecht zu halten und prüft auch die Woh- Director Foresight, nung auf eine angenehme Temperatur und Luftfeuchtigkeit. GIM Gesellschaft für Innovative Die neue Freundin heisst Elliq und ist ein Roboter (elliq.com). Marktforschung mbH Solche Innovationen, basierend auf KI und einer Vielzahl von h.fernow@g-i-m.com Sensoren, versprechen den Menschen ein bequemeres, siche- www.gim-foresight.com res und angenehmeres Leben. Smarte digitale Assistenten, die unsere persönlichen Bedürfnisse genau kennen, ihre Empfehlungen und Handlungen danach ausrichten und uns das Leben vereinfachen – ja, wer möchte das denn nicht? Tech-Hype? Eine Frage der Perspektive Die Versprechen der neuesten Produkte und Dienstleistun- Die Befragten haben demnach direkt vor Augen, dass sie gen von Tech-Unternehmen sind verheissungsvoll und stos- die zukünftige gesellschaftliche Verbreitung einer be- sen auf grosses Interesse in der Wirtschaft und den Medien. stimmten Werthaltung einmal bezüglich der gesellschaftli- Und dennoch haben sich viele Anwendungen (noch) nicht chen Wahrscheinlichkeit einschätzen sollen und einmal auf breiter Ebene durchgesetzt. Es stellt sich die Frage, ob eine Antwort geben sollen entsprechend ihrer subjektiven aus Sicht der Konsumenten diese Begeisterung geteilt wird Bedürfnislage. Durch dieses Vorgehen wird der Effekt ver- – oder ob nicht vielmehr eine Kluft zwischen den Verspre- mieden, dass die Befragten die Wahrscheinlichkeitsfrage chen der Hersteller und den Bedürfnissen der Anwender mit der individuellen Erwünschtheit des Szenarios mischen besteht? Beziehungsweise: ob es eine Frage der Adressie- (vgl. Gerhold et al., 2015; Ansatz des „You-Research“ Kea- rung der richtigen Zielgruppe ist. Könnte es sein, dass nur ron & Earls, 2009). ein bestimmter Typ von Konsumenten an diesen neuen Tools und Gadgets interessiert ist? Und dass alle anderen erst über- Die Kluft zwischen dem Erwarteten zeugt werden müssen? Und wenn ja, wie? und dem Erwünschten Um die Zukunft zu erforschen, bedarf es eines methodi- schen Instrumentariums, das berücksichtigt, dass Konsumen- Um auf die eingangs formulierte Frage nach der sozialen ten kaum sinnvolle Aussagen über ihre zukünftigen Bedürf- Akzeptanz der digitalen Zukunft zurückzukommen: Der nisse machen können, wenn sie direkt danach befragt werden Tech-Hype als solcher ist nicht unbegründet – das zeigt die (zu den methodischen Grundlagen der Zukunftsforschung, Expertenbefragung eindeutig. Die Studie liefert die Erkennt- vgl. Gerhold et al., 2015). Der Ansatz der Studie Values & nis, dass die sogenannte Algorithmisierung einer der stärks- Visions 2030 (Fernow, Hauser & Huber, 2017) ist daher, einen ten Megatrends sein wird (Fernow, Hauser & Huber, 2017). Umweg über die Hoffnungen und Befürchtungen der Konsu- Diese bezeichnet die zunehmende Durchdringung unserer menten in den jeweiligen Ländern zu gehen. Um herauszufin- physischen Umgebung mit Computern, die immer kleiner den, welche Megatrends uns künftig prägen und wie sich diese werden und immer stärker vernetzt sind. Ausgestattet mit Megatrends auf künftige gesellschaftliche Werthaltungen Sensoren und künstlichen Intelligenzen erfassen und inter- auswirken werden, wurden 46 internationale, jüngere und re- pretieren sie, was um sie herum geschieht – so lernt die nicht- nommierte Experten wiederholt und aufeinander aufbauend menschliche Umwelt, auf Menschen zu reagieren und selbst befragt. Daraus wurden Werte-Thesen abgeleitet, die von Kon- Entscheidungen zu fällen. sumenten in Bezug auf ihre gesamtgesellschaftliche Eintritts- Auch die mehrfach durchgeführten bevölkerungsreprä- wahrscheinlichkeit, aber auch ihre individuelle Erwünscht- sentativen Befragungen in Deutschland, Frankreich, USA, heit, eingeschätzt wurden (zum Vorgehen: vgl. Methodenbox). Schweiz und in China bestätigen die Erwartung, dass die Marketing Review St. Gallen 3 | 2021 63 062-068_MRSG_SPKT_Hauser_2sp_m_mr_m.indd 63 26.04.21 12:56
Spektrum Wertorientierungen Abb. 1: Die Wertelandkarte der Schweiz Anmerkungen: Basis: N=1522; Top-2-Boxes (standardisierte Indizes); die Achsen schneiden sich bei 0; Achsenrange ±100 Quelle: © GIM Gesellschaft für innovative Marktforschung mbH. Algorithmisierung in Zukunft noch stärker zunimmt. In al- von den Befragten zwar als wahrscheinlich eingeschätzt, sie len Ländern glauben die Befragten, dass wir uns in Zukunft werden aber nicht erwünscht! noch viel stärker auf digitale Datenerfassung, deren auto- Die Studie offenbart in allen fünf Ländern die Befürch- matische Verarbeitung und deren Prognosen einlassen wer- tung, dass infolge des Megatrends Algorithmisierung das Ge- den (Fernow, Hauser & Mletzko, 2020). Sie erwarten zu- fühl der Kontrolle und die Erfahrung der Selbstwirksamkeit dem, dass das Vertrauen in KI zunehmen wird, die Men- verloren gehen. Diese Sorge ist kulturübergreifend, betrifft schen durch Algorithmen in ihren Entscheidungen unter- die Schweizer, Deutschen und Franzosen genauso wie die eher stützt und entlastet werden. Die Befragten gehen auch technik-optimistischen Amerikaner – und eingeschränkt auch davon aus, dass vermehrt persönliche Daten freigegeben die Chinesen. Es existiert demnach ein eklatantes Spannungs- werden, um im Gegenzug personalisierte Empfehlungen, verhältnis zum Sehnsuchtsraum mit mehr sozialer Wärme, Produkte und Services zu erhalten. Was sich nach einer neu- realen Menschen, technikfreier Natur. Ein beispielhafter Blick en Geborgenheit im Digitalen anhört, wird aber kritisch auf die Schweizer Wertelandkarte (vgl. Abb. 1) zeigt: Die Brü- gesehen. Denn diese zukünftigen Entwicklungen werden cke kann die optimistische Hoffnung auf Freiheit und Verant- 64 Marketing Review St. Gallen 3 | 2021 062-068_MRSG_SPKT_Hauser_2sp_m_mr_m.indd 64 26.04.21 12:56
Spektrum Wertorientierungen wortungsvoller Genuss schlagen. Ein Erklärungsansatz be- Abb. 2: Unterschiedliche Verteilung steht darin, dass je mehr uns von digitalen Assistenten abge- der Wertetypen je nach Kulturraum nommen wird, desto stärker der Wunsch nach Selbstbestim- mung und Selbstverantwortung wird. Die Freiheit, selber Segment entscheiden und gestalten zu dürfen, wird wichtiger, weil Tech-affine Materialisten 17% 36% 40% 24% 21% darin ein Gegenentwurf zum Kontrollverlust durch die schein- Intuitiv Soziale 38% 30% 21% 27% 38% bare Komfortzone der Digitalisierung steckt. Diese Hoffnung sollten Marketers in Zukunft stärker adressieren. Beispiel Neugierige Idealisten 30% 17% 23% 22% 27% Smart Home: Rein technisch betrachtet, können vernetzte Ge- Konservative Traditionalisten 15% 17% 16% 27% 15% räte und Möbel uns wirklich jeden Handgriff abnehmen. Aber vielleicht möchte der Bewohner beim nächtlichen Gang ins Quelle: © GIM Gesellschaft für innovative Marktforschung mbH. Badezimmer gerade nicht, dass das Licht „automatisch“ an- geht. Die Menschen wollen die potenziellen Benefits eigen- ständig und fallbezogen selbst bestimmen. Zusammenfassung Die Tech-affinen Materialisten sehen die digitale Zukunft durch die rosarote Brille Die internationale Werte- und Zukunftsstudie Values & Visions 2030 zeigt, dass sich die unterschiedlichen Um der Frage nachzugehen, ob es unterschiedliche Ansich- Einstellungen gegenüber der voranschreitenden ten zu diesem Thema gibt, wurde nach Unterschieden zwi- Algorithmisierung weniger durch soziodemografische schen bestimmten Gruppen gesucht. Diese gab es auch – aber Merkmale, sondern durch verschiedene Werthaltungen erklären lassen. So sieht die Gruppe der Tech-affinen nicht entlang klassischer soziodemografischer Kriterien wie Materialisten KI-Anwendungen in ihrem Leben wesent- Alter, Geschlecht oder Einkommen. Auch bei den Jüngeren, lich positiver als der Durchschnitt der Schweizer Bevölke- rung. Für eine erfolgreiche Markenführung folgt daraus, dass die nach wie vor vorherrschende Skepsis bezüglich Die Versprechen der neuesten der digitalen Transformation differenzierter betrachtet und mit glaubwürdigen Nutzenversprechen begegnet Produkte und Dienstleistungen werden muss. Nur eine werteorientierte Markenführung von Tech-Unternehmen sind wird in Zukunft eine erfolgreiche sein. verheissungsvoll und stossen auf grosses Interesse in der Wirtschaft und den Medien. Kernthesen 1. Schweizer Konsumenten erwarten eine rasante sogenannten „Digital Natives“, dominiert die Skepsis gegen- (Weiter-)Entwicklung digitaler Technologien wie über einer weitgehenden Automatisierung und Vernetzung. z.B. Künstliche Intelligenz (KI). Die Unterschiede manifestieren sich aber zwischen ver- schiedenen Wertegruppen. 2. Viele Menschen hegen Bedenken gegenüber vor behaltsloser Anwendung von KI in ihrem Leben. In allen befragten Ländern wurden dieselben vier Werte- segmente identifiziert. Die Verteilung der Wertesegmente 3. Es gibt markante Unterschiede: Die Gruppe der unterscheidet sich aber von Land zu Land erheblich. Der Tech-affinen Materialisten sieht die Algorithmisierung Tech-affine Materialist ist in den USA und China das grösste wesentlich positiver als der Durchschnitt der Segment: Rund 40% der Befragten gehören diesem Wertetyp Bevölkerung. an. In Frankreich, Deutschland und in der Schweiz sind es 4. Diese unterschiedlichen Ansichten lassen sich weniger hingegen nur rund ein Fünftel der Befragten (vgl. Abb. 2). durch soziodemografische Merkmale, sondern durch Er ist der einzige Wertetyp, der die Zukunft grundsätzlich verschiedene Werthaltungen erklären. optimistisch sieht: Wertethesen, die als wahrscheinlich ange- Marketing Review St. Gallen 3 | 2021 65 062-068_MRSG_SPKT_Hauser_2sp_m_mr_m.indd 65 26.04.21 12:56
Spektrum Wertorientierungen sehen werden, sind auch erwünscht (vgl. Abb. 3). Im Hoff- von Hedonismus, Materialismus und auch Individualismus nungsfeld zeigen sich wie gehabt Freiheit und verantwor- angezogen werden – hingegen kaum von sozialen, traditionel- tungsvoller Genuss. Weit oben rechts befindet sich ausserdem len oder postmateriellen Werten. Sie interessieren sich ausser- die Einfachheit. Ebenfalls eindeutig positiver wird das The- dem sehr stark für Technologie und Wirtschaft – aber weniger ma Leistungssteigerung gesehen sowie Innovation und Kre- für die Gesellschaft oder Politik. In der Schweiz sind die Tech- ativität. Im Vergleich zu den anderen Wertetypen ist insbe- affinen Materialisten im Vergleich zu den anderen Wertetypen sondere die Algorithmisierung erwünschter: Entlastung jünger, häufiger Männer und haben eine vergleichsweise ge- durch Algorithmen, Vertrauen in KI, Geborgenheit im Tech- ringere Bildung. Aufschlussreich ist auch ihre Einstellung zu nischen – ja, selbst Personalisierung statt Datensouveränität. ihren digitalen Aktivitäten: Sie vertrauen überdurchschnittlich Um zu verstehen, welcher Menschentyp sich in diesem darauf, dass andere Akteure wie Krankenversicherungen, Wertesegment befindet, wurden die Segmente anhand ihrer Newsportale, Internetkonzerne oder E-Commerce-Anbieter soziodemografischen Merkmale und Interessen verglichen. verantwortungsvoll mit ihren persönlichen digitalen Daten Hier zeigt sich, dass die Tech-affinen Materialisten sehr stark umgehen. Aber, und das ist an dieser Stelle entscheidend, es Abb. 3: Wertelandkarte der Tech-affinen Materialisten Anmerkungen: Basis: Schweiz; N=306; Top-2 Boxes (standardisierte Indizes); die Achsen schneiden sich bei 0; Achsenrange ± 50 Quelle: © GIM Gesellschaft für innovative Marktforschung mbH. 66 Marketing Review St. Gallen 3 | 2021 062-068_MRSG_SPKT_Hauser_2sp_m_mr_m.indd 66 26.04.21 12:56
Spektrum Wertorientierungen handelt sich in der Schweiz und Deutschland dabei gerade mal dukte und Dienstleistungen zukunftsfit zu gestalten, ist es um rund 20 Prozent der Bevölkerung. wichtig, auf diese erwarteten, kulturübergreifenden Wert- verschiebungen vorbereitet zu sein. Sorgen nehmen, Sehnsüchte wecken Grundsätzlich geht es erstens darum, die Sorgen der Kunden bezüglich der Digitalisierung und Überwachung Die Resultate der Values & Visions 2030-Studien zeigen ein- ernst zu nehmen sowie Sehnsüchte wie die Geborgenheit im drücklich, dass die Mehrheit der Menschen in den unter- Natürlichen, Gerechtigkeit, Solidarität und reale Nähe zu suchten Ländern die verheissungsvollen Versprechen der adressieren und schliesslich Hoffnungen wie individuelle Tech-Unternehmen nicht vollumfänglich annehmen. Viel- Freiheit zu nähren. Wenn technologische Innovationen wie mehr werden Entwicklungen im Zusammenhang des Mega die eingangs erwähnte Roboterdame Elliq reüssieren wollen, trends Algorithmisierung skeptisch erwartet. Nicht nur die müssen sie einfach und verständlich aufzeigen, nach welcher Schweizer, Deutschen und Franzosen sehen das so, sondern Logik sie funktionieren, wie diese Mechanismen selbstbe- auch die Amerikaner und Chinesen. Um eine Marke, Pro- stimmt verändert werden können und wer, wie und wie lange Überblick zu Methode, Stichprobe und Vorgehen der Befragung in der Schweiz Methode Erhebungsinstrument standardisierten Werte. Die Quantitative Online-Umfrage Anhand 62 validierten Items X-Achse stellt die Wahrscheinlich- (CAWI) via INNOFACT Konsumen- wurden 32 Wertethesen auf zwei keitsdimension dar und die ten-Panel Dimensionen auf 5-stufigen Y-Achse die Wunschdimension. Likert-Skalen gemessen: Wahr- Jede Wertethese wird sozusagen Interviewlänge scheinlichkeitsdimension (Für wie als Abweichung vom Durch- Mittelwert: 25,3 Minuten; wahrscheinlich halten Sie persön- schnitt der jeweiligen Dimension Median: 21,1 Minuten lich diese These? 1 = überhaupt im Koordinatensystem abgetra- Grundgesamtheit nicht wahrscheinlich, 5 = sehr gen (Formel: ((x1 /x–)*100)-100). Online-Bevölkerung bestehend wahrscheinlich) und Wunsch Cluster-Analyse: Die Segmentie- aus Männern und Frauen der dimension (Für wie wünschens- rung erfolgte auf Basis eines Deutschschweiz, Romandie und wert halten Sie persönlich diese nicht-hierarchischen Verfahren Tessin ab 18 Jahren These? 1 = das lehne ich vollkom- (K-means, Methode Klassifizieren). men ab, 5 = das wünsche ich mir Stichprobe Als Clusterzentren-Startlösung sehr). Die Items wurden eingeleitet Nnetto = 1522 wurde diejenige aus der Validie- mit „Im Jahr 2030 wird die Max. Schwankungsbereich: rungsstudie in Deutschland und Mehrheit der Menschen in der ± 2,5% Frankreich (2018) eingelesen, die Schweiz ...“ (ein Item-Beispiel: mittels hierarchischer Cluster Quoten „… sich auf Vorhersagen von analyse mit Ward-Fusionierungs Interlocked wurde quotiert nach Computerprogrammen verlassen“). algorithmus und der quadrierten Sprachregion (D-CH, F-CH, I-CH) Analyseverfahren euklidischen Distanz als Distanz- x Geschlecht (Frauen, Männer) Darstellung der Wertethesen im mass erstellt wurde. Dieselben x Alter (18–34, 35–49, 50+) zweidimensionalen Raum: Zur Segmente wurden dann in Quotiert wurde zusätzlich die Darstellung der Wunsch- und Studien in China und USA (2019) Erwerbssituation (berufstätig, Wahrscheinlichkeitsdimensionen repliziert. Als aktive Segmentie- nicht-berufstätig); Soll-Vorgaben wurden Wertelandkarten erstellt. rungsvariablen sind nur die aus MACH Basic 2019-2 Pro Wertethese wurde ein Werte-Items der Wunschdimen Mittelwertindex berechnet. Basis sion eingeflossen. Soziodemo Erhebungszeitraum für die Darstellung der Werte grafische Merkmale wurden als 11. – 23. Februar 2020 thesen bildeten die Top-2-Boxes, beschreibende Merkmale der respektive deren am Durchschnitt Segmente hinzugenommen. Marketing Review St. Gallen 3 | 2021 67 062-068_MRSG_SPKT_Hauser_2sp_m_mr_m.indd 67 26.04.21 12:56
Spektrum Wertorientierungen Einsicht in die Datenströme hat. Gerade dieses Beispiel zeigt werden. Für alle anderen Wertetypen müssen neben dem aber auch, dass Technologie das Potenzial hat, neue Formen Einlösen eines individuellen Benefits jedoch zudem die der (Generationen-)Solidarität und Gerechtigkeit zu schaffen Datensicherheit garantiert und der gesamtgesellschaftliche – wenn sie dies transparent darlegt. Nutzen aufgezeigt werden. Zweitens sind (technologische) Innovationen kein Selbst- Die Ergebnisse zeigen demnach drittens, dass rein sozio zweck und erst recht nicht für alle: Denn die Fragmentierung demografische Merkmale zur Identifizierung der Zielgruppen der Gesellschaften zeigt sich auch auf der Werteebene deut- lich. Zum Beispiel gibt es Gruppen in der Gesellschaft, für die die Akzeptanzschwelle von KI-Systemen wesentlich Das selbst gesetzte höher liegt als für andere und die darum erst mit alltagsna- Markenversprechen sollte hen Mehrwerten überzeugt werden wollen. Das kann die erhöhte Sicherheit durch KI-basierte Kameras im Auto sein stärker in Einklang mit dem oder die zeitliche Entlastung durch einen Staubsaugerrobo- Werteverständnis der ter. Selbst die Markenbotschaften, die den Produkten ein Gesicht geben, müssen die unterschiedlichen Wünsche und Zielgruppe gebracht werden. Bedürfnisse von konkreten Zielgruppen genauer anschauen und auf diese zuschneiden. Der Wertetyp Tech-affiner Ma- nicht ausreichen (vgl. Lin, 2002; Vyncke, 2002). Ein smarter terialist kann zum Beispiel durchaus mit techniknahen Ver- digitaler Assistent wie Elliq spricht nicht primär alle rüsti- sprechen wie Einfachheit und Bequemlichkeit zur Nutzung gen Senioren an, sondern vielleicht eher die altersmässig viel neuer digitaler Produkte und Dienstleistungen gewonnen breiter aufgestellten technikaffinen Materialisten – in die- sem Fall könnte man sich überlegen, welche altersunabhän- gigen Nutzenversprechen bestehen und diese an eine breite- re Zielgruppe kommunizieren. Das selbst gesetzte Markenversprechen sollte folglich Handlungsempfehlungen stärker in Einklang mit dem Werteverständnis der Zielgruppe gebracht werden. Das bedeutet erstmals einen Mehraufwand, 1. Die Sorgen bezüglich der verheissungsvollen um dieses Werteverständnis auch in der Tiefe zu verstehen, Versprechen neuer digitaler Anwendungen müssen besser verstanden und ihnen muss mit aber letztlich ist es eine langfristig wirksame Investition in glaubwürdigen Nutzenversprechen begegnet eine umfassende, werteorientierte Markenführung. werden. 2. Nur der Tech-affine Materialist ist einfacher für neue Anwendungen und Technologien zu Literatur begeistern – ihn können neue Geräte allein Fernow, H., Hauser, M. & Huber, B. (2017). Values & Visions 2030 – aufgrund von deren Innovativität überzeugen. Was uns morgen wichtig ist. Heidelberg: GIM. 3. Allen anderen Wertetypen muss neben dem Fernow, H., Hauser, M. & Mletzko, M. (2020). Values & Visions 2030 – individuellen Nutzen auch klar und transparent Trends & Werte im internationalen Vergleich. aufgezeigt werden, was mit den persönlichen Abgerufen von www.gim-foresight.com/de/values-visions.html Daten geschieht, die durch die Benutzung Gerhold, L., Holtmannspötter, D., Neuhaus, C., Schüll, E., neuer digitaler Anwendungen entstehen. Schulz-Montag, B., Steinmüller, K. & Zweck, A. (2015). Standards und Gütekriterien der Zukunftsforschung. Wiesbaden: Springer VS. 4. Wenn technologische Innovationen reüssieren Kearon, J. & Earls, M. (2009). Me-to-we Research. From Asking wollen, müssen sie einfach und verständlich Unreliable Witnesses about Themselves to Asking People What They aufzeigen, nach welcher Logik sie funktionieren Notice, Believe, and Predict about Others. Esomar Congress, Montreux. und wie diese Mechanismen selbstbestimmt Lin, C.-F. (2002). Segmenting customer brand preference: verändert werden können. Dann haben neue Demographic or psychographic. Journal of Product & Brand Technologien sogar das Potenzial, zu innovati- Management. 11. 249–268. ven Formen der (Generationen-)Solidarität Vyncke, P. (2002). Lifestyle Segmentation: From Attitudes, Interests beizutragen. and Opinions, to Values, Aesthetic Styles, Life Visions and Media Preferences. European Journal of Communication, 17(4), 445–463. 68 Marketing Review St. Gallen 3 | 2021 062-068_MRSG_SPKT_Hauser_2sp_m_mr_m.indd 68 26.04.21 12:56
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