Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg

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Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
if..faktum                                                 garten – ein ort der frauen?
gleichstellung kompakt                      geschichten einer einzigartigen beziehung

                             garten
                           ein ort der frauen?
                             geschichten einer
                               einzigartigen
                                beziehung

                             .
                           if.faktum
                            gleichstellung kompakt

www.vorarlberg.at/frauen                                                     2_2020
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
editorial

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                                                                            Tanja Kopf
                                                                      Funktionsbereich
                                                            Frauen und Gleichstellung
                                                              tanja.kopf@vorarlberg.at
                                                                                                                          H     ome-Office, Home-Schooling und jetzt auch noch
                                                                                                                                Home-Gardening. Klingelt’s bei Ihnen? Ich spreche
                                                                                                                          von zwei Seiten der Medaille. Dass wir vermehrt auf unser
                                                                                                                          „Home“ – sei das unsere Wohnung oder unser Haus –
                                                                    Mehr Infos:
                                                      www.vorarlberg.at/frauen                                            ­zurückgeworfen sind ist der aktuellen Situation geschuldet.
                                            frauen.gleichstellung@vorarlberg.at
                                                                                                                                 Und wie es in Situationen von vermehrtem „Home“
                                                                                                                                    ist, geht der Blick ganz schnell zu uns Frauen.
                                                                                                                                       ­Dafür sind ja wohl wir zuständig. War immer
                                                                                                                                         so und soll so bleiben. Gerade in Zeiten
                                                                                                                                          wie diesen werden die Bemühungen für
                                                                                                                                          Gleichstellung und Gleichberechtigung
                                                                                                                                          schnell über Bord geworfen. Das sollten
                                                                                                                                          wir nicht zulassen.

                                                                                                                                          Bei der Planung für diese Ausgabe von if:faktum
                                                                                                                                       waren uns die ersten beiden „Home“ (Office und
                                                                                                                                 Schooling) noch nicht so vertraut. Seit einigen Wochen
      Inhalt                                                                                                              begrüßen wir uns aber ganz stark von zu Hause aus. Mit
                                                                                                                          ­Ausnahme der Frauen, die in systemrelevanten Bereichen
      03_Standpunkte
      Landesrätin Katharina Wiesflecker
                                                                                                                           wie Verkauf oder Pflege arbeiten. Die dürfen und sollen nach
                                                                                                                           wie vor draußen tätig sein. Zu Hause aber dürfen wieder
      04_ Frauen und ihre Gärten
                                                                                                                           ­verstärkt wir Frauen ran.
      Eine besondere Beziehung im Lauf der Geschichte

      08_Gärten, die erden                                                                                                Zuerst den eigenen Job gut erledigen, dann mit den
      Die psychologische Kraft des Gartens
                                                                                                                          Kindern lernen, um schlussendlich fürs leibliche Wohl der
      09_Bei der Kräuterhexe                                                                                              ganzen Familie zu sorgen. Wir können das, aber wir müssen
      Monika Vesely und ihr Kräuterkraftwerk                                                                              aufpassen, dass uns das nicht auch in der Zeit nach der
      10_Platz für Frauen                                                                                                 Krise erhalten bleibt.
      Landschaftsplanerin Bente Knoll im Interview

      12_Zuflucht vor der Krise                                                                                           Nützen wir daher die Zeit auch um althergebrachte Rollen-
      Die Bedeutung von Gärten in schwierigen Zeiten                                                                      bilder kritisch zu hinterfragen. Und schauen wir gut darauf,
      13_Die Gartengemeinschaft                                                                                           dass wir neue Aufgaben geschlechtergerecht verteilen.
      Gemeinsam Gärtnern als soziales Gefüge                                                                              Gute Anregungen dazu finden sich in dieser Ausgabe zum
                                                                                                                          Thema „Frauen und Garten“. Ob es die Pflanzen- und
      14_Entfaltungsraum Garten
      Gudrun Sturn über die Natur im Garten                                                                               ­Gewürztöpfe auf dem Minibalkon oder dem Fensterbrett
                                                                                                                           oder der große Garten hinter dem Haus sind. Da dürfen alle
      15_Wunschbild der Welt
      Gartengestaltung und Permakultur
                                                                                                                           in der Familie mithelfen. Nützen Sie die Anregungen auf den
                                                                                                                           folgenden Seiten und schreiben Sie uns wie es Ihnen damit
                                                                                                      © Land Vorarlberg

      16_Menschen zum Thema …
                                                                                                                           gegangen ist.
      … was bedeutet Garten für mich?

                                                                                                                          Auf Ihre Rückmeldung freut sich

      impressum
      if:faktum gleichstellung kompakt. Aktuelle Information zu Frauen- und Gleichstellungsthemen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie interessierte Frauen und Männer.
      Herausgeberin: Funktionsbereich Frauen und Gleichstellung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung Redaktion: Ursel Nendzig Bundeslandredaktion: Tanja Kopf, Susanne Birnbaumer, Siegrid Pescoller
      Organisation: Nadine Wieländner Artdirektion, Layout, Grafik und Bildbearbeitung: Martin Renner, rennergraphicdesign Druck: Samson Druck Auflage: Vorarlberg 3.000, Gesamtauflage 16.300
      Beratung, Konzept, Koordination der Produktion: „Welt der Frauen“ Corporate Print für das Amt der Vorarlberger Landesregierung, Funktionsbereich Frauen und Gleichstellung www.welt-der-frauen.at
      DSGVO-Hinweis: Sehr geehrte Bezieherinnen und Bezieher, mit 25. 5. 2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten. Als Bezieherin/Bezieher haben Sie uns personenbezogene
      Daten zur Verfügung gestellt, die wir im Rahmen der Erfüllung Ihres Bezugswunsches verarbeiten. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten ist uns wichtig.
      Um unsere Informationspflicht nach der DSGVO zu erfüllen, möchten wir Sie für alle weiteren Details zu unserem Umgang mit Ihren Daten auf unsere Datenschutzerklärung hinweisen.
      Diese schicken wir Ihnen auf Wunsch und Anfrage via frauen.gleichstellung@vorarlberg.at gerne zu.

2 if..faktum 2_2020
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
standpunkte

                                    3 Fragen an …
                                    Regina Metzler                                                                              Diese Ausgabe des if:faktum erscheint in
                                                                                                                             ­ iner der herausforderndsten Zeiten in der
                                                                                                                             e
                                    Gärtnermeisterin in Andelsbuch,                                                       ­jüngeren Geschichte. Besonders gefordert und
                                    Bregenzerwald, www.regreena.at                                                       betroffen waren und sind einmal mehr die Frauen.
                                                                                                                        Die überwiegende Zahl der Arbeitskräfte in den
                                    Sie haben sich den Traum einer eignen
                                                                                                                      ­sogenannten systemrelevanten Berufen ist weiblich,
                                    Gärtnerei bereits mit 23 Jahren verwirklicht.
                                                                                                                    die Jobs sind oft schlecht bezahlt. Während insbe-
                                    Was freut sie daran am meisten?
                                                                                                                  sondere die Handelsangestellten und die Pflegekräfte
                                    Ich hatte immer schon den Traum von der eigenen Gärt-                        einem hohen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt wa-
                                    nerei. Nach dem Besuch der Gartenbaufachschule in                           ren, waren viele Frauen zu Hause damit konfrontiert,
                                    Niederösterreich und meiner Meisterausbildung habe ich                     Home-Office, Home-Schooling und den Haushalt zu
                                    mich 2012 selbständig gemacht. Heute bin ich stolze                       ­koordinieren und zu organisieren. Es ist zu befürchten,
                                    Chefin von vier Mitarbeiterinnen und einem Mitarbeiter.                    dass insbesondere die Frauen-Arbeitslosigkeit steigen
                                    Seit 2018 haben wir auch einen Gemüsebaubetrieb, der                       wird. Wir müssen darauf achten, dass diese Entwicklun-
                                    mich unglaublich freut: „Wir bauen regionales Gemüse                       gen nicht dazu führen, dass überwunden geglaubte
                                    und Obst an, und das in einer Gegend, die nicht gerade                     Rollenbilder und Geschlechterzuschreibungen sich
                                    für Gemüse bekannt ist. Und es ist schön, Menschen dar-                     ­wieder verfestigen. Bessere Bezahlungen in den
                                                                                                                 ­frauendominierten Branchen sollten jedenfalls eine
                                    in zu beraten, sich einen zusätzlichen Lebensraum zu
                                                                                                                   ­logische Folge der Krisenbewältigung sein.
                                    schaffen. Denn das ist der Garten: Eine Nahrungsquelle,
                                    aber auch ein Wohnzimmer, ein Ort der Kreativität, der
                                                                                                                   Neben all den Schwierigkeiten soll dennoch Zeit
                                    Erholung und des Genusses.                                                      und Platz auch für die schönen Seiten des Lebens
                                                                                                                     bleiben. Das Thema dieser Ausgabe Frauen und
                                    Wann haben sie die Liebe zum Garten entdeckt?                                     Gärten war schon lange geplant und beleuchtet
                                    Sie wurde mir quasi schon in die Wiege gelegt, meine                                                die vielen Facetten des
                                    Omas haben sehr gerne gegärtnert und ich habe als                                                       ­Pflanzens, Blühens und
                                    Kind bereits im Acker helfen dürfen. Da wurde mir ge-                                                      Wachsens.
                                    zeigt, wie man Samen in die Erde legt und sie pflegt, und
                                    wie schön es ist, die Früchte zu ernten.                                                                       Ich wünsche Ihnen
                                                                                                                                                   trotz aller ­Umstände
                                                                                                                                                    eine an­regende
                                    Ist Ihrer Meinung nach der „grüne Daumen“ weiblich?
                                                                                                                                                   Lektüre.
                                    Auch wenn sehr viele Frauen im Privaten vielleicht sich
                                    um den Garten kümmern: die Gärtnereien sind zum
                                    Großteil in Männerhand. Für mich als Frau – zudem als
                                    sehr junge Frau – war es am Anfang nicht immer einfach.
                                    „Mann“ nahm mich nicht ernst. Aber mein Durchset-                                            Katharina Wiesflecker
                                    zungsvermögen hat sich ausgezahlt.                                                           Frauenlandesrätin

                                                           und
                                                     nkt       Ko
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                                                                         a

                                                                von den insgesamt 57 Mittelschulen in Vorarlberg hat den Schwerpunkt in Ökologie:
                                                                         Bereits 1998 wurde in der Gemeinde Mäder die Öko-Mittelschule eröffnet.
                                                                         Sie hat 8 Klassen und ca. 200 SchülerInnen. In der Schule ist ökologisches,
                                                                        soziales und wertorientiertes Verhalten ein Lebensprinzip. Die Gemeinde
                                                                      Mäder hat zudem ein Grundstück von 30 Ar für den dazugehörigen Schulgar-
                                                                   ten zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus gibt es aber noch      Umwelt­     19
© Land Vorarlberg, Regina Metzler

                                                                   zeichen-Schulen (https://www.umweltzeichen.at/de/bildung/schulen) und
                                                                      8
                                                                      Ökolog-­Schulen (https://www.oekolog.at/).

                                                                      Es gibt mehr als     40Schulgärten in Vorarlberg. Dazu kommen etliche
                                                                      „Kischta-Gärtle“ (Aktion der Obst- und Gartenbauvereine) sowie zahlreiche
                                                                      Blumenwiesen, die von Schüler/innen vor den Schulen angelegt wurden.
                                                                      Quelle: Bildungsdirektion Vorarlberg, Mittelschule Mäder

                                                                                                                                                         2_2020 if..faktum 3
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
cover

  frauen
 und ihre
  gärten                       Ein kleines Paradies,
                             so sagt man: der Garten.
                           Egal, wie klein, ein Garten
                         ist ein Ort, an dem man
                        träumen kann, Entspannung
                       findet und Inspiration – vor
                      ­allem in Zeiten von Krisen.
                        Der Garten war und ist
                         dabei immer ein Ort der
                          Frauen. Ob das nun
                            gut oder schlecht ist?
                               Es kommt drauf an.

4 if..faktum 2_2020
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
elbst die bibel-unfestesten Menschen haben diese        Bäuerinnen pflegten die Gärten und übernahmen
                              Assoziation: Garten – Paradies – Eva. Sie       damit die Versorgung mit Gemüse, Fürchten und
                               ist die also die erste Gärtnerin, Hüterin      Kräutern – inklusive Hausapotheke. Sie sicherten
                                des Gartens, dieses friedlichen Platzes.      damit nichts weniger als das Überleben der
                                Zumindest bis sich Gut und Böse for-          Familie, ihr Garten war Garantie dafür, dass der
                               mieren und die Menschen den Garten             Speiseplan der ganzen Familie vielfältig blieb.
                             verlassen müssen. Die Sehnsucht nach ei-         Bäuerinnen waren und sind bis heute darin
                      nem Garten ist in vielen von uns sehr tief veran-       ­Spezialisten – dank des Wissens, das von
                 kert. Die Sehnsucht nach einem paradiesischen Gar-            ­Generation zu Generation weitergetragen wurde.
                 ten, in dem es kein Gut und kein Böse gibt, sondern            Er ist ihr Reich, sichert neben den für die tägliche
                 nur die Natur, die uns annimmt, wie wir sind.                  Versorgung notwendigen Nahrungsmitteln auch
                 Vielleicht ist das der Grund, warum sich Frauen                Freude im Alltag: Die Blumen, die am Rand der
                 schon immer in Gärten besonders wohl gefühlt ha-               Gemüsebeete gesetzt werden, haben vielleicht
                 ben. Weil er ein Ort der Gestaltung ist, ein Refugi-           ­keinen Nutzen, sind aber mit ihrer fröhlichen
                 um, ein Raum für Selbstentfaltung und -Entwick-                 Buntheit genauso wichtig.
                 lung. In der Frühzeit der Menschheit waren Frauen               Neben den Bäuerinnen waren es auch Nonnen,
                 nicht nur die Hüterinnen über das Leben, sondern                die Gärten kultivierten. Im Mittelalter pflanzten sie
                 über die gesamte Umwelt. Als Gärtnerinnen waren                 Heilkräuter in den Gärten hinter hohen Kloster­
                 sie es, die Saatgut ausstreuten und Flächen umzäun-             mauern an. Hildegard von Bingen gilt als ihre
                 ten, die als Garten dienten. Rund 18.000 Jahre sind             ­wichtigste und bekannteste Vertreterin, die im
                 die ersten Hinweise darauf alt, dass es in Ägypten               12. Jahrhundert mit ihren Büchern über die Heil-
                 Getreideanbau gab.                                               kraft der Pflanzen nicht nur die Naturheilkunde
                 In der Geschichtsschreibung der Männer waren es                  ­begründete, sondern, quasi direkt aus dem Kloster-
                 hingegen selten Frauen, die Gärten erschaffen hat-                garten, Briefe an die herrschende Schicht schrieb
                 ten, vielmehr Könige (wie Nebukadnezar II, der um                 und sie zu ethischem Verhalten ermahnte.
                 600 v. Chr. die Hängenden Gärten von Babylon er-
                 schuf ) oder Götter (der Garten Eden). Den Frauen            Gärten für alle
                 blieb die Rolle der Bewahrerinnen und Weiterführe-           In den folgenden Jahrhunderten wurden Gärten zu
                 rinnen dessen, was schon da war. Im alten Griechen-          Prestigeobjekten. Neben den Versorgungsgärten,
                 land waren Frauen im „gymnaeceum“ regelrecht ein-            die ihr unbemerktes Dasein innerhalb der Schloss-
                 gesperrt, dort verrichteten sie alle häuslichen              anlagen fristeten, wurden Gärten angelegt, deren
                 Arbeiten, inklusive der Gartenarbeit.                        Nutzen ganz anderer Natur war: zur Demonstrati-
                                                                              on von Größe. Die prachtvollen Gartenanlagen, die
                 Bäuerinnen und Nonnen                                        Herrscher, mächtige Männer beauftragen, hatten
                 Auch im bäuerlichen Garten waren es, im Gegen-               nichts mehr zu tun hatten mit Selbstversorgung.
                 satz zum Feld, die Frauen, die wirken und werken.            Sie waren viel mehr Symbole für die Unterwerfung

                        Virgina Woolfs Garten
                        Wir werden nie mit Sicherheit sagen können, ob und wie sich ihr Werk anders entwickelt hätte, wäre
                         nicht ihr Garten gewesen. Virignia Woolf und ihr Mann Leonhard kauften 1919 „Monk´s House“, ein
                        ­kleines Cottage im englischen Rodmell. Ein Landsitz, in dem sie die Wochenenden verbringen wollten,
                         ein Ort der Entspannung, um zu lesen und im Garten zu arbeiten. Es dürfte der wunderschöne Garten
                         gewesen sein, der sie dazu bewog, das Cottage zu kaufen. Hier entstanden die meisten ihrer Romane
                         und Essays. Unter einer großen Kastanie fand sie Inspiration, in einem kleinen Häuschen am Ende des
                         Gartens schrieb sie sich zu einer der bedeutendsten Autorinnen der Moderne. Mit Beginn des Zweiten
                         Weltkrieges, als ihre Londoner Stadtwohnung am Mecklenburgh Square in während eines Bombenan-
                         griffs zerstört wurde, wurde Monk´s House zu Woolfs ständigem Wohnsitz und blieb es bis zu ihrem Tod.
                         Der Garten, ihr Herzensort, ist nicht nur bis heute erhalten, sondern auch in ihren Romanen, Tagebüchern
                         und Briefen verewigt.

                                             Das Buch zum Garten:
© Shutterstock

                                             Caroline Zoob zeichnet in diesem Buch erstmals die Geschichte des
                                             Gartens Virginia Woolfs nach, der ihr Rückzugsort und Inspiration war.
                                             Ergänzt wird der Text von stimmungsvollen Fotografien von Caroline Arber.

                                             „Der Garten der Virginia Woolf:
                                             Inspirationsquelle einer engagierten Schriftstellerin“
                                             von Caroline Zoob, DVA 2013, 192 Seiten mit zahlreichen Fotografien, Euro 30,90

                                                                                                                          2_2020 if..faktum 5
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
der Natur – Frauen spielten darin keine Rolle. Außer     Frauen nun ungezwungene intellektuelle Begegnungs-
                      vielleicht jener der Beschenkten. So wird Kaiserin       stätten fanden.
                      Maria Theresia, die dafür sorgte, dass die Parks und
                      Hügel rund um das Schloss Schönbrunn gründlich           Reich der Frauen
                      umgestaltet werden, in dieser Rolle eher beiläufig er-   Unabhängig davon blieben die Hausgärten in ihrer
                      wähnt. Der Park wurde Ende des 18. Jahrhunderts          Funktion als Versorgungseinheit für die Familie – und
                      von Kaiser Joseph II der Öffentlichkeit zugänglich       damit das Reich der Frauen. Bis zu Ende des 18. Jahr-
                      gemacht – sehr zum Unmut des Hofadels. Seither           hunderts lebten 90 Prozent aller Frauen auf dem Land,
                      stellt er ein wichtiges Naherholungsgebiet für Wiene-    waren Bäuerinnen, sorgten durch die Pflege der Gär-
                      rinnen und Wiener dar.                                   ten für Nahrung und Grundversorgung. Bis ins 20.
                      Diesen großen Schritt beschreib die deutsche Journa-     Jahrhundert hinein war es Aufgabe der Frauen, neben
                      listin und Gartenliebhaberin Eva Kohlrusch in einem      Haushalt und Familie auch den Garten zu betreuen.
                      Essay für das Magazin „Emma“. Darin thematisiert sie,    Nicht selten verdienten sie durch den Verkauf der Pro-
                      wie Gärten zum Symbol für den Wunsch nach Freiheit       dukte, die die Gärten abwarfen – Blumen, Obst, Kräu-
                      wurden. Nach der Französischen Revolution, mit der       ter und Gemüse – Geld dazu. Ihre Lebenswelt kreiste
                      Deklaration der Bürger- und Menschenrechte fielen        ganz selbstverständlich um Haus, Kind und Garten,
                      Zäune, Parks und Schlossgärten öffneten sich fürs        dass es vielleicht nicht weiter erwähnenswert scheint.
                      Volk, geometrisch zurechtgestutzte Gartenräume wur-          Der Garten ist jener Ort, an dem sich Mensch und
                      den als vergewaltigte Natur verdammt und durch weit-     Natur begegnen – und nicht nur das: sie beeinflussen
                      läufige Landschaftsparks ersetzt. In der Goethe-Zeit     sich gegenseitig. Der Mensch gestaltet, hegt und pflegt.
                      drückte sich der neue Geist am sichtbarsten in den       Die Natur bringt Erdung, Ruhe und Entspannung
                      „empfindsamen Gärten“ aus, in denen Männer und           und Nahrung.

      Eine kurze Geschichte des Gartens
      Menschheits- und Gartengeschichte lassen sich parallel zueinander erzählen.
      Der Mensch und sein Stück Land – oder die Sehnsucht danach – im Zeitraffer.

      Aller Anfang ist schwer festzunageln.       Obst und Gemüse kultiviert, Anbau-         strenge, am Reißbrett entworfene
      Klar ist nur, dass in der Steinzeit, vor    methoden wurden ausprobiert und            Geometrie, sondern die natürliche
      rund zehn Jahrtausenden, der                verfeinert, Erkenntnisse gesammelt         Landschaft.
      Mensch sesshaft wurde. Er be-                      und verschriftlicht. Gartenbau
      gann, Ackerbau zu betrei-                             wurde zur Wissenschaft.          Anfang des 19. Jahrhunderts begann
      ben, kultivierte F
                       ­ lächen,                                                             die Idee der Schrebergärten zu sprie-
      die der Ernährung dien-                                    Mit der Renaissance         ßen. Kleine Anlagen, die für frische
      ten. Der Beginn des Gar-                                   ­änderte sich Gestalt und   Luft und frische Lebensmittel sorgen
      tenbaus.                                                   Funktion der Gärten.        sollten, wo Lebensräume eng und
                                                                ­Pompöse Anlagen luden       Freiflächen rar waren.
      Die alten Griechen schütz-                              zum Flanieren ein – wer
      ten ihre Gärten mit Mauern                            zur Oberschichte gehörte.        Im Lauf des 20. Jahrhunderts
      oder Hecken. Sie bauten Oliven                   Dieses Prinzip fand seinen Gipfel      waren Gärten das sicherste Mittel
      an, Feigen, Wein und Gemüse. Ihre           in den Gärten des französischen Ba-        ­gegen Hunger.
      Anlagen wurden dabei mehr als reine         rocks (wie dem Garten von Ver-
      Nutz­gärten: zwischen Olivenbäumen          sailles), die kaum Nutzpflanzen            Auch heute spiegelt der Garten die
      ­wurde gelustwandelt, philosophiert         enthielten, dafür raffinierte Wasser-      Menschen wider – Vielfalt ist das
       und diskutiert.                            spiele und Blumenrabatten.                 oberste Gebot des Gartens: Vom
                                                                                                 ­Steingarten über den Rollrasen bis
      Im Mittelalter waren Gärten haupt-          Die Engländer sahen das ein                         zum wilden Selbstversorger-
      sächlich für landwirtschaftliche            bisschen anders. Sie woll-                            Dschungel, auf Dächern, an
      ­Nutzung und Ernährung relevant.            ten den Garten zurück                                  Fassaden und auf kleinsten
       In Klostergärten wurden von Nonnen         zur ­Natur führen. Ihr Vor-                            Flächen in stark besie­
       (wie Hildegard von Binnen) Kräuter,        bild war weniger die                                   delten Gebieten.

6 if..faktum 2_2020
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
Der Garten, der
                                                          den Menschen formt
                                                          Julia Kospach ist freie Buchautorin, Journalistin, Garten­
                                                          liebhaberin und -beobachterin. Im Interview erzählt sie
                                                         von der gestalterischen Kraft, die Gärten auf ihre BesitzerInnen
                                                        ausüben – auf Männer wie Frauen gleichermaßen.

                                                   Wie kommt es, dass Männer oft               ­ achtdemonstrationen und Rückzugsorte, Gegenwel-
                                                                                               M
                                                  Profi-Gärtner sind, das Garteln als          ten und Ausruhplätze, Räume zur Kontemplation und
                                              Hobby aber typisch Frau ist?                     zur Förderung sozialen Zusammenhalts. Wir kultivie-
                                          Julia Kospach Es gibt jede Menge Profi-Gärtne-       ren sie und sie kultivieren uns.
                                    rinnen, und auch als Hobby scheint mir das Garteln
                                    längst sozusagen im Genderneutralen angelangt zu           In welcher Form kommen Gemüse-/Obstgärten
                                    sein. Wenn man nach England schaut, wohin alle,            wieder in Mode?
                                    die sich fürs Thema interessieren, früher oder später      Wer genau wissen will, was an Obst und Gemüse auf
                                    ihren – neidvollen – Blick richten, dann gab und gibt      seinen Teller kommt, ist doppelt motiviert, es selbst
                                    es dort gleich eine ganze Riege berühmter Frauen, die      anzubauen. Das ist ein wichtiges Motiv vieler Hobby-
                                    in puncto Gartendesign und -schriftstellerei als stil­     Nutzgärtner.
                                    prägend gelten: von Vita Sackville-West, nach der ich
                                    übrigens meine Tochter benannt habe, über Beth             Was ist für Sie das schönste am Garte(l)n?
                                    Chatto bis zu Penelope Hobhouse.                           Dass parallel zu den Handgriffen, die die Gartenarbeit
                                                                                               mir abverlangt, vieles von mir abfällt, was mir sonst so
                                    Gärtnern Frauen anders als Männer? Wenn ja, wie?           im Kopf herumgeht. Gute Ideen für meine Schreib-­
                                    Dazu kann ich nur mutmaßen. Aus teilnehmender              Arbeit kommen mir dabei erstaunlicherweise auch oft.
                                    ­Beobachtung traue ich mich zu sagen, dass Frauen          Außerdem interessiert mich einfach alles, was mit
                                    den Dingen im Garten eher ihren Lauf lassen,               Pflanzen zu tun hat.
                                    weil man die Natur ohnehin nicht zwingen kann.
                                    Aber auch wenn man der Natur Gewalt antut wie              Haben Sie einen Lieblings-Garten?
                                    die barocke Gartenkunst, kommt Berauschendes               Damit schließt sich der Kreis: Ich liebe Sissinghurst
                                    dabei ­heraus – halt nur nicht nach den Kriterien des      Castle Garden in Kent, den Vita Sackville-West ab
                                    modernen, naturnahen Gärtnerns.                            1930 gemeinsam mit ihrem Mann Harold Nicolson
                                                                                               entworfen hat. Kunststück! Alle lieben Sissinghurst!
                                    Würden Sie erkennen, ob Sie im Garten                      Kein Garten in England hat mehr BesucherInnen.
                                    einer Frau oder eines Mannes stehen?                       Für seine Entstehung gab Vita Sackville-West die
                                    Nein, das wohl nicht. Allerdings lässt sich an Gärten      ­beschwingte Losung aus: „Lasst uns pflanzen und
                                    ziemlich gut ablesen, ob sie von zwänglerischen             ­fröhlich sein, denn im nächsten Herbst sind wir viel-
                                    ­Kleinkrämerseelen oder von großzügigeren Geistern           leicht alle ruiniert.“ Ein gutes Motto, oder?
                                    gepflegt werden. Ein Seelenspiegel sind sie zweifellos.
                                    Glaubt man jedoch der Schriftstellerin und leiden-                          Glücksmomente im Garten
                                    schaftlichen Gärtnerin Barbara Frischmuth, dann ist
                                    es ohnehin der Garten, der seinen Menschen formt                            In ihrem jüngsten Buch sucht und
                                    und nicht umgekehrt. Natürlich immer vorausgesetzt,                         ­findet Julia Kospach Momente
                                    dass die Beziehung innig ist.                                                des Glücks in der Natur. Darin stellt
                                                                                                                 sie fest: Diese Momente erwarten
                                    Gärten hatten Versorgungs-Funktion.                                          uns gern dort ein, wo wir sie
© Shutterstcok (3), DanielLeitner

                                    Welche haben sie heute?                                                      nicht er­wartet und lehren uns zu
                                    Selbstversorgung aus dem Garten, ob ganz oder teil-                          erkennen, was uns guttut.
                                    weise, ist derzeit einer der ganz großen, neu erstarkten                     „Glück im Grünen –
                                    Gartentrends! Dem reinen Versorgungszweck haben                              Momente in Natur und Garten“
                                    Gärten aber ohnehin nie gedient. Sie können alles                            von Julia Kospach,
                                    sein, was Menschen aus ihnen machen wollen:                                  Styria Verlag, 144 S., Euro 18,–

                                                                                                                                          2_2020 if..faktum 7
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
Gärten, die erden
                  Gartenfreundinnen haben es immer schon gespürt:
               garteln tut gut. Was klingt wie ein eher diffuses Gefühl,
             ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen. Gartenarbeit hat
              viele positive Effekte – auf den Körper und auf den Geist.

         M       it den Händen knöcheltief in der Erde wüh-
                 len, Erde unter den Fingernägeln haben: das
         ist nicht die eigentliche Erdung, die einem vom Gar-
                                                                 einfahren (in Form von Obst und Gemüse oder nur
                                                                 durch die Freude an der blühenden und wachsenden
                                                                 Pracht) tut der Seele gut. So werden Gartenarbeiten
         teln versprochen wird. Diese ist nämlich unsichtbar,    tatsächlich zu therapeutischen Zwecken eingesetzt:
         dafür umso wirksamer. Und sie beginnt schon beim        in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen, in
         Sonnenlicht: Die innere Uhr erfährt durch das viele     Altersheimen oder mit straffällig gewordenen
         im Freien sein so etwas wie eine Eichung. Der Ef-       ­Menschen. Die eigene Produktivität als etwas greif-
         fekt: Einschlafen und Aufstehen fallen jedem leich-     bares zu erleben, gilt als heilsam.
         ter, der sich viel draußen aufhält. Und selbst wenn     Diese Produktivität, die früher zum Alltag gehörte,
         sie nicht strahlend hell am Himmel steht, fördert die   erleben viele Menschen heute in ihren Bürojobs
         Sonne die Bildung von Vitamin D, das lebenswich-        nicht mehr. Eine Arbeit auszuführen, die zu einem
         tig für uns ist. Das Sonnenlicht ist zudem für unser    produktiven, sicht- und fühlbaren Ergebnis führt ist
         Immunsystem ein wichtiger Boost, apropos: auch          sinnstiftend und befriedigend. Der Stolz, etwas aus
         die Mikroorganismen, mit denen wir beim in der          eigener Kraft erschaffen zu haben, ist ein echter Push
         Erde Wühlen in Berührung kommen sind Heraus-            fürs Selbstbewusstsein.
         forderungen, an denen das Immunsystem wächst.
         In der Natur zu sein tut dem Körper gut. Schon          Von Pflanzen lernen
         nach einigen Minuten sinkt langsam der Blut-                    Abgesehen davon sind Pflanzen auch gute
         druck, der Puls beruhigt sich, Muskeln                                Lehrmeister. Der Überlebenswille eines
         entspannen sich. Wer schon einmal                                         Gänseblümchens, das sich durch
         beherzt ein Beet umgestochen                                                  eine kleine Ritze im Beton
         oder einen Kompost umge-                                                         zwängt, wird zum Sinnbild
         schichtet hat, weiß: Garten-                                                        für Stärke und Unnachgie-
         arbeit ist Sport. So wird                                                             bigkeit. Im Garten ist
         Kreislauf und Bewegungs-                                                                uns die ganze Bandbrei-
         apparat im Garten auf                                                                    te des Lebens vor Au-
         Vordermann gebracht.                                                                      gen: vom Samen, der
         Sogar unser Sehsinn pro-                                                                  in der Erde schlum-
         fitiert dabei, denn wer                                                                   mert und sich zur
         sich viel in Räumen auf-                                                                 prächtigen Pflanze auf-
         hält und/oder viel auf                                                                  schwingt, zur Reife ge-
         Bildschirme schaut, neigt                                                              langt und schließlich ab-
         stärker zu Kurzsichtigkeit.                                                          stirbt. Als Gärtnerinnen
         Wer im Garten werkelt, stellt                                                     sind wir dabei Beobachter
         seine Augen auf ganz unter-                                                    und Unterstützer der Natur,
         schiedliche Entfernungen scharf                                             nicht ihr Feind und auch nicht
         und kann zumindest die Verschlechte-                                   hilflos Ausgelieferte. Im Garten fin-
         rung des Sehsinns bremsen.                                        den sich Probleme für Lösungen und jedes
                                                                  Frühjahr aufs Neue das Wunder der ersten Knospe,
         Der Garten als Therapeut                                die das Ende des Winters ankündigt. Und das beste:
                                                                                                                            © shutterstock

         Einen noch viel tieferen Effekt hat das Garteln aber    die Größe des Gartens ist dabei unerheblich. Das
         auf die Psyche. Erde umgraben, Pflänzchen setzen,       Wunder der Natur passiert auch in einem einzigen
         ihnen beim Wachsen zusehen und später die Ernte         Blumenkistl.

8 if..faktum 2_2020
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
Ein weitläufiger Garten im
                                                                                                                                        niederösterreichischen

                                                                                 Bei der
                                                                                                                                        Zehethof ist das Reich von
                                                                                                                                        Monika Vesely. Dort kümmert
                                                                                                                                        sie sich um rund 200

                                                                                Kräuter-                                                verschieden Kräuter und
                                                                                                                                        weiß deren Kraft zu nutzen.

                                                                                   hexe
                                      D      er Begriff „Kräuterhexe“ ist für Moni-
                                             ka Vesely alles andere als negativ be-
                                      setzt. „Für mich ist es sogar ein sehr positi-
                                                                                       solvierte, „Traditionelle Europäische Heil-
                                                                                       kunde. „Diese einjährige Ausbildung war
                                                                                       ausschlaggebend für meinen jetzigen Le-
                                      ver Begriff“, sagt sie. „Dies war immer          bensweg“, sagt sie. Auch der Entschluss,
                                      schon eine Bezeichnung für wissenden             sich voll und ganz auf die Kräuter einzulas-
                                      Frauen, die sich ganz intensiv mit Heil-         sen. Seither ist sie nicht nur selbst eine
                                      kräutern und deren Wirkung auseinander-          Wissende, sondern gibt ihr Wissen auch
                                      gesetzt haben, um andere zu unterstützen.“       weiter. „Wir haben in Kooperation mit
                                      Und genau das macht Monika Vesely in ih-         dem WIFI Niederösterreich eine eigene
                                      rem Garten, den sie bezeichnenderweise           Ausbildung zur TEH-Praktikerin ins Leben
                                      „Kräuter-Kraft-Werk“ getauft hat. „Es gibt       gerufen.“
                                      auch vieles an Literatur, die man über
                                      Kräuterhexen lesen kann – an und für sich        Eine Frauen-Sache
                                      sind es die Zaunhüterinnen gewesen.“             In den Kursen sitzen zu 99 Prozent Frauen.
                                      Zaun versteht sich dabei als Grenze. „Wenn       Den Grund dafür, dass Heilkräuter eine
                                      man sich mit Heilpflanzen beschäftigt, fällt     klassische Frauendomäne sind, sieht sie in
                                      einem rasch auf, dass diese sehr gern in         der höheren Sensibilität der Frauen. „Ich
                                      Übergangszonen wachsen – am Waldrand,            finde, dass Frauen feinfühligere Wesen
                                      am Feldrand, am Wiesenrand.“ Das Hüten           sind, sie sind sensibler für die Heilkräfte      Tipps von Monika Vesely
                                      dieser Übergänge und das Wissen über dar-        und auch den Pflanzen gegenüber.“ Bei            www.kraeuterkraftwerk.at
                                      in gedeihende Heilpflanzen, sei die Aufga-       sich selbst stellt sich dabei eine besondere
                                                                                                                                        Frauenmantel
                                      be der Zaunhüterin – „Hagazussa“ (alt-           Beziehung zu ihren Pflanzen ein: „Ich rede
                                                                                                                                        „Er sollte eigentlich in
                                      hochdeutsch für Hexe; althochdeutsch             auch mit meinen Pflanzen.“
                                                                                                                                        keiner Teemischung fehlen.
                                      „hag“ = Zaun, Hecke )“ gewesen. „Zumin-          Sich mit dem Heilen zu beschäftigen, sei         Frauenmantel wirkt leicht
                                      dest ist das meine Sichtweise“, sagt Monika      eben immer schon Sache der Frauen gewe-          adstringierend, hat aber durch
                                      Vesely und lacht. „Es gibt viele verschiede-     sen. „Frauen taten immer schon all das, was      ihre Erscheinung auch eine
                                      ne Richtungen, aus denen man sich dem            im Rahmen ihrer Möglichkeiten lag, um            große symbolische Wirkung:
                                                                                                                                        Die Blätter sind einhüllend,
                                      Wort Hexe annähern kann!“                        ihre Familien gesund zu erhalten.“ Das
                                                                                                                                        uns beschützend.“
                                                                                       Wissen über die Wirkung der Kräuter sei
                                      Garten und Werkstatt                             dabei von einer Frau zur nächsten weiterge-      Hirtentäschel
                                      Ihr Kräutergarten, den sie gemeinsam mit         ben worden. Ein Trend, der heute noch an-        „Das Hirtentäschelkraut hat blutstil-
                                      ihrem Mann betreut, beherbergt Monika            hält. „Das Interesse ist ungebrochen“, sagt      lende Wirkung. Somit ist es eine
                                                                                                                                        wichtige Pflanze, wenn man zum Bei-
                                      Vesely unzählige Heilpflanzen, vermehrt          Monika Vesely. „Ich führe es darauf zurück,
                                                                                                                                        spiel eine sehr starke Regelblutung
                                      Samen, zieht Stecklinge. In ihrer Kräuter-       dass es unser aller Bedürfnis ist, eine gewis-
                                                                                                                                        hat. Man kann es dann als Tee oder
                                      werkstatt verarbeitet sie die Pflanzen. „Wir     se Selbstbestimmtheit ins Leben zurückzu-        alkoholischen Auszug einnehmen.“
                                      stellen die verschiedensten Kräuterproduk-       holen.“ Eigenverantwortung zu spüren, für
© florian lierzer (3), shutterstock

                                      te her: Vom Erkältungsbalsam, über die           die eigene Gesundheit, das kann von Er-          Rotklee
                                      traditionelle Pechsalbe mit Fichtenharz,         nährung bis zur Pflanzenheilkunde in vie-        „Der Rotklee hat eine Wirkung, die
                                                                                                                                        jenem des Hormons Östrogen gleicht.
                                      Teemischungen, Sauerhonige, Salben und           lerlei Form geschehen. „Es bedeutet Frei-
                                                                                                                                        Das bedeutet: In den Wechseljahren
                                      Räucherwerk.“                                    heit. Ich kann selbst entscheiden, was ich       und nach der Menopause, wenn der
                                      Ihr Weg zu den Kräutern begann vor zehn          mir Gutes tun kann. Ich gehe hinaus, hole        Östrogenspiegel sinkt, kann Rotklee
                                      Jahren, als sie die „TEH“-Ausbildung ab-         Pflanzen und wende sie selbst an.“              ausgleichend eingesetzt werden.“

                                                                                                                                                             2_2020 if..faktum 9
Garten - if..faktum - ein ort der frauen? - Land Vorarlberg
platz
für
                                      Bente Knoll ist Landschafts- und Verkehrsplanerin, Genderexpertin
                                      und Geschäftsführerin im „Büro für nach­h altige Kompetenz“.
                                      Grüne Freiräume, Gemeinschaftsgärten und Parks: Wer plant eigentlich
                                      ­unsere Räume und welche Rolle spielen Frauen in diesem Prozess?

frauen
                                                                             für diese Freiräume haben selbstständige Plane-
                                                                             rinnen und Planer, Ingenieurbüros aus den Be-
                                                                             reichen Landschafts- oder Raumplanung bzw.
                                                                             Architekturbüros, über. Und hier verweise ich
                                                                             sehr gerne darauf, dass es seit 2007 keine aktua-
                                                                             lisierten Zahlen dafür gibt, wie viele Frauen hier
                       Wieviel Grund und Boden                               beteiligt sind. Diese Zahlen haben sich in den
                       gehört in Österreich den Frauen?                      letzten 13 Jahren nicht gravierend geändert und
                       Ich fürchte, dass für die Beantwortung dieser Fra-    zeigen: der Frauenanteil ist bei selbstständigen
                       ge die Datengrundlage fehlt. Es sind im Grund-        Ingenieurbüros bei 3 Prozent, bei Architektur-
                       buch nur die Namen der Eigentümerinnen und            büro und Ingenieurkonsulenten – österreichweit
                       Eigentümer vermerkt, aber nicht das Geschlecht.       – zwischen 10 und 15 Prozent. Was übrigens in
                       Zudem gibt es meines Wissens nach keine Daten-        keiner Relation zu den Studierenden steht. Wir
                       bank basierte Speicherung dieser personenbezo-        wissen seit Jahren, dass es im Architekturstudi-
                       genen Daten. Betrachten wir die klassischen frei-     um sowohl bei den Studienanfängerinnen als
                       stehenden Einfamilienhäuser, etwa im ländlichen       auch bei den Absolventinnen einen Frauenanteil
                       Raum. Da stellt sich bereits die Frage: Wer steht     von 50 Prozent oder darüber gibt. Das spiegelt
                       im Grundbuch? Nur der Ehemann? Auch die Ehe-          sich nicht in der Praxis wider.
                       frau? Wie ist es bei Verpartnerungen? Es sind viele
                       Folgewirkungen, die an dieser Frage hängen,           Für wen wird denn hauptsächlich geplant?
                       etwa, dass das Thema Grundbesitz – oder eben          Frauen sind mehr als 50 Prozent der Gesellschaft.
                       kein Grundbesitz – dies ist eng mit der Altersar-     Sie gestalten aber mit Sicherheit nicht mehr als
                       mut verbunden, eine Tatsache, die überproportio-      die Hälfte der Flächen mit – eben, weil es dazu
                       nal Frauen betrifft. Schauen wir in die Städte, in    Fachpersonal braucht und dort Frauen in der Pra-
                       den Geschoßwohnungsbau, hier sind es oft Im-          xis unterrepräsentiert sind. Wir müssen uns also
                       mobilienentwicklungsfirmen, denen die Flächen         fragen, welche Wünsche bei der Gestaltung gehört
                       gehören. Dort gibt es in den Leitungsetagen der       werden. Welche Leitbilder werden einer Planung
                       Firmen viele Männer und wenige Frauen.                zugrunde gelegt? Hier gibt es ausreichend wissen-
                                                                             schaftliche Evidenz, die besagt, dass nach wie vor
                       Wer entscheidet, wie unser                            Planung für weiße, mittelalte, gesunde Männer
                       Lebensraum gestaltet wird?                            mit Fokus auf motorisierten Individualverkehr
                       Grundsätzlich ist die Raumplanung eine hoheitli-      gemacht wird. Diese Analyse aus den 1980er Jah-
                       che Aufgabe. Die Gemeinden sind für Flächen-          ren ist heute nach wie vor aktuell.
                       widmung und Bebauungspläne zuständig, das
                       Gros der Gestaltung wird auf Gemeindeebene ent-       Und wo ist dann der Raum für Frauen?
                       schieden. Man sollte das immer im Hinterkopf          Als feministische Planerin ist es mir wichtig, zu
                       haben, denn es bedeutet, dass neben der Gesetzge-     betonen: „Frauen“ sind keine homogene Ziel-
                       bung auch das politische Couleur entscheidend         gruppe. Die Vielfalt und Heterogenität von Frau-
                       bei der Raumplanung ist.                              en sind ernst zu nehmen – junge Frauen, Mütter,
                                                                             ältere Frauen, Sportlerinnen, … Dazu kommt
                       Wie sieht es mit Freiraum, mit                        eine Zeitdimension: vormittags wird es eine ande-
                       Grünflächen aus? Wer gestaltet diese?                 re Nutzerinnengruppe geben als mittags, abends
                       Klassischer öffentlicher Freiraum – alles, was        oder in der Nacht. Wir müssen nicht für eine fixe
                       nicht privatbezogener Freiraum ist – beinhaltet       Gruppe gestalten, sondern flexible Räume.
                       Straßen, Parks und Abstandsgrün. Die Planung          Wir können aber auch nicht „für alle“ planen.

10 if..faktum 2_2020
Wenn wir das behaupten, lügen
                             wir. Und, ehrlich gesagt: ich möch-
                             te gar nicht für alle planen. Ich möch-
                             te nicht für Vollzeit erwerbstätige
                             Männer planen, die sich nicht um
                             Care-Arbeit kümmern. Das
                             macht die klassische Planung
                             ohnehin zur Genüge.

                             Wie verändert sich die ­                             Diese Aufgaben sind noch viel stärker als in
                             Landschaftsplanung zurzeit?                          ­Europa mit der Rolle von Frauen ­verknüpft – und
                             Angesichts des Klimawandels wollen Menschen           selbstverständlich sind für diese Frauen Nutz­
                             den Wetterextreme, der extremen Hitze etwas ent-      gärten etwas ganz Wichtiges. Diese inter­
                             gegensetzen. Viele Privatpersonen sind inzwi-         kulturellen Gärten sind für sie ein wichtiger
                             schen in die Planung und die Entwicklungspro-         ­Anknüpfungspunkt. Und ich wage zu behaupten,
                             zesse eingebunden. Sie fühlen sich verantwortlich      dass keiner dieser Gärten wie „Klein-
                             für ihre Umwelt. Sie wollen Gemeinschaftsgärten,       Schönbrunn“ aussieht. Interkul-
                             nutzbares Grün, mehr Ökologie in den Städten.          turelle Gärten sind Gärten, wo
                             Wird das Wasser bei Starkregenereignissen nur          Leben ist, wo Gemüse ange-
                             durch die Kanäle abgeleitet, führt das zum Kol-        baut wird, wo gemeinsam
                             laps von Städten und Dörfern. Die Menschen be-         geerntet und auch geges-
                             merken das, sie spüren diese Auswirkungen. Auch        sen wird, wo Wissen aus-
                             unmittelbar, am eigenen Körper. Sie werden sen-        getauscht wird über die
                             sibler für ihr Wohnumfeld und unterstützen des-        Verarbeitung, das An-
                             halb immer mehr Urban Gardening Projekt und            pflanzen und Vermehren.
                             ähnliches. Und auch Gemeinden unterstützen             Das Problem dabei ist, dass                                Bente Knolls
                                                                                                                                              Büro für
                             dies. In den Stadtgartenämtern etwa, wird in den       es sich so anhört, als wären die                       nachhaltige
                             letzten Jahren viel mehr Wert auf Ökologie gelegt,     Frauen näher an der Natur. Das ist                  Kompetenz:
                             Verkehrsinseln, Blumenrabatten werden mit in-          ein Stereotyp, mit dem ich schwer kann. Aber die   www.b-nk.at

                             sektenfreundlichen Pflanzen und mehrjährigen           Natur kann hier etwas Verbindendes sein, ein An-
                             Stauden begrünt. Ich stelle einen Qualitätssprung      knüpfungspunkt – und auch eine Möglichkeit,
                             in den letzten Jahren fest, weg von der 08/15-         den beengten Wohnverhältnissen zu entkommen.
                             Planung, hin zu individuellen und ökologischen
                             Lösungen, die die Bevölkerung mit einbindet.         Wie, denken Sie, würden Städte und Dörfer
                                                                                  ­aussehen, wenn sie von Frauen geplant würden?
                             Welchen Stellenwert haben gemeinsam                   Ich würde davon ausgehen, dass Frauen aufgrund
                             genutzte Freiflächen – etwa Gemeinschafts-            ­ihrer Sozialisation einen starken Fokus auf
                             gärten – für Frauen?                                 Alltags­zusammenhänge legen würden. Das sozia-
                             Mein Eindruck ist, dass solche Projekte für            le Miteinander und das Kommunikative, die
                             ­Frauen aus schwierigen Lebenszusammenhängen           Gruppe würde im Fokus stehen. Die Ideen der
© Shutetrstock, foto wilke

                              besonders wichtig sind. Etwa für Frauen, die          Zwischen- und ­gemeinschaftlichen Nutzung,
                              Fluchterfahrungen machen mussten, Frauen aus          auch im Mobilitäts­bereich würden Frauen auf
                              Ländern mit hoher Armut. Sie waren in ihrem         pragmatische, andere ­Lösungen kommen. Und
                              Herkunftsland häufig für die Versorgung mit           ich denke, dass die Ökologie eine weit größere
                              Grundnahrungsmitteln und Wasser zuständig.            Bedeutung hätte. 

                                                                                                                                        2_2020 if..faktum 11
Zuflucht
                                                                                              ­ eschlechtern: 44 Prozent der Frauen
                                                                                              G
                                                                                              gaben als ihre liebste Gartenbeschäfti-
                                                                                              gung an, Beete zu bepflanzen. 24 Pro-
                                                                                              zent der Männer gaben als bevorzugte
                                                                                              Tätigkeit „Rasenmähen“ an. So birgt
                                                                                              der Garten auch in Krisenzeiten ein ge-
    vor der Krise                                                                             wisses Risiko, Frauen noch stärker an
                                                                                              Versorgungstätigkeiten zu binden – so,
                                                                                              wie es in Ländern der so genannten
                                                                                              „Dritten Welt“ für Frauen alltäglich ist,
                                                                                              wo Millionen von Frauen von ihren
                                                                                              ­eigenen kleinen Gärten leben, dort
                                                                                               Nahrungsmittel für ihre Familie ziehen
                                                                                               und ihr Wissen über essbare und
                                                                                               ­medizinisch wirksame Pflanzen an ihre
                                                                                                Kinder weiter geben.

                                                                                              Kritik am System
                                                                                                       Ist auf der einen Seite der Garten-­
                                                                                              Medaille der Rückzug, ist es auf der
                                                                                              ­anderen Seite die Freiheit. Jene Freiheit,
                                                                                              die Gärten eben gerade in schwierigen
                                                                                              Zeiten verheißen: Land zu bewirtschaf-
                                                                                              ten, das e­ igene Gemüse anzubauen
                                                                                               ­bedeutet schließlich nicht zuletzt in
                                                                                                Freiheit und Unabhängigkeit leben zu
                                                                                                können. Vor allem Gemeinschaftsgärten
                                                                                                gewinnen in Zeiten von Krisen stark an
                                                                                                Bedeutung, da diese, gerade, wenn es
                                                                                                um öffentliche Gemeinschaftsgärten
                                                                                                geht, nicht zuletzt auch ein Politikum
                                                                                                sind: So steckt in e­ inem Gemeinschafs-
                                                                                              garten auch Kritik am ­System. Kritik
                                                                                              daran, dass sich die Stadt an den
                                                                                                ­Autofahrern orientiert. Daran, dass
                  In Krisenzeiten sind es Gärten, die die Versorgung                             ­unsere Lebensmittel um den halben
             ­sichern, neutralen Boden bieten und dazu die Möglich-                                    Erdball transportiert werden, dass sie
                 keit, abzuschalten. Aber nicht nur das: die Rückkehr                                  fossile Ressourcen verbrauchen und die
             in den eigenen Garten birgt auch eine gewisse Gefahr.                                ­Saisonalität ausgehebelt wird. Daran,
                                                                                                   wie wir mit der Umwelt umgehen und

      W        enn es eng wird, brauchen wir      Dieser Rückzug umfasst auch den                  wie weit wir uns von ihr entfernt haben.
                                                                                                                                                © Shutterstock

               Platz. Wenn die gesamte Bevöl-     ­Garten. In Krisenzeiten gewinnt dieser          Der Garten ist schließlich auch ein
        kerung auf Krisenmodus läuft, wird das     an Bedeutung – es wird allerorts wie            Symbol für das Verhältnis zwischen
        besonders deutlich. Die Zurückdrän-        wild gegärtnert, auf Balkonen, im Vor-          Menschen und Natur. So ist zum
        gung in die eigenen vier Wände, das        garten, auf Parzellen. Zu den schönen           ­Beispiel im Lauf des vorigen Jahrhun-
      ­Reduzieren auf das Private ist nicht nur    Blumen und der Erholungszone wird                derts zu beobachten, dass Klein­gärten
       eine anstrengende, sondern potenziell       dabei die Funktion als Anbaufläche für     in Krisenzeiten und Zeiten wirtschaft-
       eine gefährliche Bewegung. Für die          Nutzpflanzen gewichtiger. Einer deut-      licher Not einen sprunghaften
       ­Familie kochen, Schutzmasken nähen,        schen Umfrage des Meinungsfor-                   ­Anstieg erlebten, während in
        Kinder versorgen, den Haushalt auf         schungsinstituts YouGov zufolge ist dies          ­wirtschaftlich stabileren ­Zeiten
        Vordermann halten: das Biedermeier-        allerdings ganz klar Frauenarbeit, denn            oder sogar Z ­ eiten des Auf-
        Ideal winkt vor allem Frauen, wenn sie     die Auf­teilung der Gartenarbeit zieht             schwungs die Zahl der
        sich unfreiwillig zurückziehen.            ­einen ­tiefen Graben zwischen den                 ­Kleingärten ­stagnierte.

12 if..faktum 2_2020
Die Garten-
                             Gemeinschaft
                       Der Wusch nach einem eigenen Garten ist nicht immer
                     in erfüllbarer Nähe. Es mangelt an Geld, an Platz, an Zeit,
                          an allem. Ein Gemeinschaftsgarten ist eine mögliche
                              ­Lösung für das fehlende Stück vom grünen Glück.

                     G     emeinschaftsgärtnern ist weit mehr als ein
                           Trend. Gerade im dicht besiedelten Raum steht
                     es für eine Zuwendung zur Natur, vielleicht getrie-
                                                                             nach einer Startphase an
                                                                             die teilnehmenden Ge-
                                                                             meinschaftsgärtnerinnen
                     ben von der Sehnsucht, auch in der Stadt mehr           und -gärtner zu übergeben. Es
                     Grün zu haben, mehr Gemüse, wieder Erdung zu er-        interessierten sich überdurch-
                     fahren. Erdung, die auch in der gemeinsamen Gar-        schnittlich viele Frauen für das Pro-
                     tenarbeit und im Austausch mit anderen, Gleichge-       jekt, eine sehr heterogene Gruppe,
                     sinnten, passiert. Das Garteln wird zum                 die von den Organisatorinnen des
                     gemeinsamen Nenner einer ansonsten heterogenen          Vereins auf dem Weg zur Selbst-
                     Gemeinschaft.                                           verwaltung begleitet wurden. Der
                     Ihren Ursprung hat die Idee der Gemeinschaftsgär-       Garten stellte sich in diesem Pro-
                     ten in den 1970er Jahren, als in New York die           zess als sicherer Ort für Frauen dar,
                     „Community Gardens“ entstanden: auf brachliegen-        zu dem sie jederzeit gehen konnten,
                     den Flächen inmitten der dicht bebauten und versie-     legitimiert durch die substanzielle Ar-
                     gelten Stadt wurden grüne Freiräume geschaffen.         beit, die sie dort verrichteten. Er wurde zum
                     Von Anfang an stand die Idee der interkulturellen       Freiraum, den sie mit­gestalten konnten und wo sie
                     Zusammenarbeit bei diesen Projekten im Mittel-          auch Anerkennung fanden: das wurde vor allem bei
                     punkt – und das tut sie bei vielen Projekten bis heu-   Frauen mit Migrationshintergrund sichtbar, die auf-
                     te. Der Grund dafür steckt in der Natur des Gartens     grund ihrer Familien- und Wohnsituation den
                     selbst: es gibt wenige Orte, an denen Menschen jeg-     Nachbarschaftsgarten besonders schätzten.
                     lichen kulturellen Hintergrundes ganz niederschwel-     In ganz Österreich gibt es vergleichbare Projekte, die
                     lig ein verbindendes Thema finden. Umgraben,            den Garten als Ort nutzen, sich über Gender- und
                     pflanzen, warten und ernten – das funktioniert auf      Kulturgrenzen hinweg zu begegnen. Etwa der Ge-
                     der ganzen Welt gleich.                                 meinschaftsgarten „LUNA“ im Niederösterreichi-
                                                                             schen Hollabrunn. Bei diesem Projekt bearbeiten ar-
                     Freiraum und Gestaltung                                 beitssuchende Frauen gemeinsam einen Gemüse-,
                     Der Wiener Verein „Wirbel, Institut für feministi-      Kräuter- und Obstgarten auf einer Grünfläche zwi-
                     sche Forschung und Praxis“ initiierte im Jahr 2008      schen alten Lagerhallen. Die Frauen lernen über
© Shutterstock (3)

                     im Wiener Osker-Helmer-Hof ein Pilotprojekt:            Pflanzeninhaltsstoffe, Ökologie, Anbau, Ernte, Bo-
                     Ein Gemeinschaftsgarten sollte auf einer bisher         denverbesserung, verarbeiten die Gartenprodukte zu
                                              ­ungenutzten Grünfläche        Senfen, Kräutersalzen, Teemischungen und vielem
                                                        entstehen, mit       mehr. Darüber hinaus erfahren sie Gemeinschaft,
                                                             dem Ziel,       Anerkennung und Erdung: die geballte Gemein-
                                                                 diesen      schaftsgarten-Kraft. 

                                                                             Gartenprojekte im Netz

                                                                             Verein Wirbel www.wirbel-garten.at
                                                                             Förderung von Begrünungsprojekten www.grätzloase.at
                                                                             Gartenprojekte in ganz Österreich www.gartenpolylog.org
                                                                              Selbsterntefelder in der Übersicht www.selbsternte.at

                                                                                                                                      2_2020 if..faktum 13
Entfaltungsraum Garten
      Ein Garten regt alle Sinne an, Erde spüren, Kräuter riechen, Tieren
      lauschen, Blüten betrachten, Früchte schmecken und voll auskosten.
      Im Garten blühen die Menschen auf. Auch die Natur kann sich
      entfalten, vorausgesetzt die Gärtnerin lässt es zu.

                       I  m Sommer weiden Ziegen eines Bauern auf dem
                          steilen Südhang meines Gartens. Die Ziegen er-
                       sparen mühevolles Mähen und das Gebimmel erin-
                                                                             räume und Nahrung für Insekten. Wo Rasenroboter
                                                                             und Steingärten zu Hause sind, ist das leider nicht
                                                                             der Fall.
                       nert an Urlaub in den Bergen. Im flacheren Teil des
                       Gartens gackert ein Dutzend Hühner und versorgt       Garten schmeckt
                       drei Familien mit Eiern. Gemüsebeete sind in der      Wie viel besser schmecken eigene Tomaten sonnen-
                       Mitte angeordnet, im Sommer blühen Sonnenblu-         warm gepflückt? Viele Gärtnerinnen erzeugen biolo-
                       men, beim Kompost wuchern Brennnesseln. Nach          gische und regionale Lebensmittel für den Eigen­
                       Herzenslust experimentiere ich im Garten, heuer mit   bedarf. Die Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln
                       Pilzzucht und Dachbegrünung. In meinem Garten         wächst.
                       treffen sich Familie und Freunde.
                                                                             Garten erdet
                       Jeder Garten trägt die Handschrift der Gärtnerin,     Den Kreislauf der Natur erleben Gärtnerinnen Jahr
                       ­lebendige Gärten haben einiges gemeinsam:            für Jahr. Säen, wachsen, blühen, ernten, verwelken.
                                                                             Dieses Bewusstsein erdet.
                                  Garten fördert Artenreichtum
                                   Gärten sind ein wertvoller Beitrag zu      Garten bewegt
                                     mehr Vielfalt und Biodiversität,         Kein Garten macht sich von selbst, es gibt immer
                                      denn anderes als in der Landwirt-       was zu tun. Graben, Setzen, Mähen, Bewegung
                                      schaft sind Gärten meist klein          an der frischen Luft. Mal scheint die Sonne, mal
                                      strukturiert und bieten Lebens­         geht ein frischer Wind. Es zirpen die Grillen und
                                                                              zwitschern die Vögel. Die Zeit im Garten lässt
                                                                             ­Gedanken freien Lauf. Gartenarbeit fördert die
                                                                                  ­Gesundheit.

                                                                                      Garten lehrt
                                                                                       „Unkraut ist die Opposition der Natur
                                                                                        gegen die Regierung der Gärtner“
                                                                                        (Oskar Kokoschka).

                                                                                        Für mich gibt es keine Unkräuter, auch
                                                                                      wenn mal ein Kraut lästig wird. Viele
                                                                                    Pflanzen sind essbar und nutzbar, als Heil-
                                                                                     kraut oder als Unterschlupf und Nahrungs-
                                                                                      quelle für Nützlinge. Vom Garten lässt
                                                                                       sich vieles lernen. Nicht regieren, sondern
                                                                                        beobachten und mit den vorgegebenen
                                                                                        Faktoren gestalten. Dinge sich entfalten
                                                                                         lassen, das lässt sich auf viele Bereiche
                                                                                           des Lebens übertragen. 
                                                                                                                                     © Joachim Hagleitner und Gudrun Sturn

                                                                                                      Gudrun Sturn
                                                                                                      Leidenschaftliche Gärtnerin,
                                                                                                      Landschaftsarchitektin mit
                                                                                                      eigenem Büro
                                                                                                      www.frausturn.at

14 if..faktum 2_2020
Wer einen Garten gestaltet,
                                             gestaltet ein Wunschbild der Welt.
                                             Daniela Vogel, Leiterin der Sozialen Landwirtschaft
                                             AQUA Mühle Vorarlberg, stellt das innovative Konzept vor

                                                      I   n der biologischen Landwirtschaft von AQUA Mühle
                                                          Vorarlberg arbeiten wir mit Menschen, denen es aus
                                                       unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist, gleichwer-
                                                                                                                   gen zu lindern und in der kooperati-
                                                                                                                   ven, gewaltfreien und klimaschonenden
                                                                                                                   Wirtschaftsweise auch politisch ein
                                                       tig an der Gesellschaft teilhaben zu können, oder denen     Statement zu setzen.
                                                       ein Ausschluss aus der Gesellschaft droht. Seit 2012 wer-
                                                       den auf 2,4 Hektar Land in Meiningen biozertifiziert Ge-    Neben sozialarbeiterischen Theorien
                                                       müse, Kräuter und Getreide angebaut, um damit unter         dient vor allem der Subsistenz-An-                           Daniela
                                                                                                                                                                               Vogel
                                                       anderem die Kindergarten- und Schulverpflegung unserer      satz der ökofeministischen Schule als
                                                             Gastronomie ganzjährig mit regionalen und saisona-    Grundlage unserer Arbeit. Subsistenz, ab-
                                                                 len Urprodukten versorgen zu können.              geleitet vom lateinischen Wort subsistere, also innenhal-
                                                                                                                   ten bzw. widerstehen, betont die Selbstständigkeit und
                                                                     In einem multiprofessionellen Team und ge-    Selbstverantwortung aller Beteiligten. Zudem stellt sie
                                                                     meinsam mit unseren Zielgruppen, wie bei-     den Lebensgenuss in direkten Kooperationen, den (Wie-
                                                                     spielsweise Personen mit psychischen Er-      der)Aufbau von lokalen Ökonomien und die (Wieder)
                                                                     krankungen, erwerbsarbeitslosen Personen      Belebung des Gemeinwesens in den Mittelpunkt. Soziale
                                                                   oder Menschen mit Fluchterfahrung ermög-        und ökologische Gerechtigkeit, faire Lebenschancen, Teil-
                                                                licht uns die Arbeit mit der Natur, jenseits von   habe, sinnstiftende Tätigkeit und das (Wieder)Verwurzeln
                                                            gesellschaftlich existierenden Trennlinien eigen-      mit dem Boden tragen zudem dazu bei, den körperlichen,
                                                       mächtig Räume zu gestalten, soziale Probleme wie Ent-       sozialen und emotionalen Zustand der von uns begleite-
                                                       fremdung und Verlust der Selbstwirksamkeitserfahrungen      ten Personen zu verbessern und sie somit beim Gelingen
                                                       zu reduzieren, physische und psychische Problemstellun-     ihres Alltags zu unterstützen.

                                             Wozu Permakultur im Garten?
                                             Mit der Coronakrise und dem               Ökosystem. Diese Auffassung                 sen, Eier und Dünger liefern.
                                             wachsenden Bewusstsein für den            bringt mit sich, dass bei der Pla-          Totholz-, Laub- und Steinhaufen
                                             Klimawandel merken wir, wie sehr          nung Zusammenhänge betrachtet               oder Blumenwiesen bieten Unter-
                                             wir mit der Welt als Ganzes ver-          werden, die Gartenelemente un-              schlupf und Nahrung für weitere
                                             bunden sind. Die Natur hat für Kri-       terstützen sich gegenseitig. Mithil-        nützliche GartenbewohnerInnen.
                                             sen einen Mechanismus der auf             fe von Nährstoffkreisläufen wie
                                             Resilienz beruht: Ökosysteme, die         Kompost- und Mulchwirtschaft                In einem solchen Garten ist die Ar-
                                             auf Vielfalt aufbauen, unterschied-       wird Humus, ein wichtiger Kohlen-           beit abwechslungsreich und sinn-
                                             lichste Räume und Produkte bieten,        stoffspeicher, aufgebaut. Die ver-          stiftend, der Ausblick erholsam.
                                             deren Aufgaben von vielen ver-            schiedenen Elemente, wie Beete,             Flugreisen sparen wir uns seitdem
                                             schiedenen Spezies erledigt wer-          Hecken oder Staudenpflanzungen              wir unseren Garten haben. Die Kin-
                                             den, kommen besser durch Krisen.          bieten Blüten, Gemüse, Früchte,             der haben hier einen Ort, an dem
                                             Die Permakultur ist eine Planungs-        Verstecke sowie Laub und Schnitt-           sie die Welt erleben können –
                                             methode, die uns hilft, genau sol-        gut für den Kompost. So benötigt            Abenteuerurlaub zuhause. Jedes
                                             che Systeme zu planen.                    der Garten wenig Energie von au-            Jahr verstehen wir die Zusammen-
                                                                                       ßen. Es gibt keine großen Rasenflä-         hänge in unserem Permakultur-
                                             Unseren eigenen Hausgarten leg-           chen, die erhalten werden müssen.           Garten besser und beginnen so
© AQUA Mühle Vorarlberg (2), Esterer-Vogel

                                             ten wir bereits 2011 zur Selbstver-       Statt Gift zu versprühen, werden            auch im Größeren unser Ökosys-
                                             sorgung mit Obst, Gemüse und              unterschiedliche Räume für eine             tem Erde zu verstehen, zu bewun-
                                             Kräutern an. Ein Permakultur-Gar-          Vielzahl an Nützlingen geschaf-            dern und zu bewahren.
                                             ten ist ein Ökosystem im                             fen. Ein kleiner Teich
                                             Kleinen, welcher                                          oder ein Sumpfbeet          Elisabeth Esterer-Vogel ist Land-
                                             mehr Nahrung für                                             genügt Laufenten,        schaftsgestalterin und Permakul-
                                             den Menschen                                                   die im Gegen-          turdesignerin in Ausbildung
                                             bietet als ein                                                  zug die Schne-        www.gartenwirkerei.at
                                             natürliches                                                      cken auffres-        (Webseite im Aufbau)

                                                                                                                                                              2_2020 if..faktum 15
menschen
                                     zum thema:

                                                               „Was ist/bedeutet der Garten für mich?“

                                                               Elke Kopf
                                                                 Gärtnerin und Pflanzplanerin, Stauden Kopf, Sulz
                                                                 „Garten ist für mich ein Raum, in dem ich mich mit Pflanzen beschäftige,
                                                                 in Anlehnung an ihre natürlichen Lebensräume. Die Beobachtung,
                                                                 Gestaltung und Pflege unseres Gartens erfüllt mich mit Freude und
                                                               i­nspiriert mich für meine tägliche Arbeit.“

                                                              Gertrud Vallaster (80)
                                                               Mäder, betreibt seit über 40 Jahren Permakultur, ohne es so zu nennen
                                                                Im Garten kann ich abschalten, Frust abbauen, mich über das Wachsen der
                                                                Pflanzen freuen und natürlich über das Ernten. Ich kann immer wieder aus-
                                                                probieren, wenn es auch nicht immer gelingt, weil es mal zu trocken, zu nass,
                                                               zu warm oder zu kalt ist. Im Garten bin ich geerdet, verwachsen mit der Natur.

                                                               Cäcilia König, Buchhandlung „Lesezeit“ in Hohenems
                                                                Oasen fürs tägliche Leben: Lust und „Frust“, Arbeit und Entspannung,
                                                                sinnliches Verweilen im Grünen und viele Variablen mehr, die das
                                                                ­Gärtners so wertvoll machen. Und weil das Privileg, einen eigenen
                                                                Garten zu besitzen rar ist, hat sich unter dem Begriff „Urban Gardening“
                                                               eine neue Gartenphilosophie entwickelt.

                                  Büchertipps:   „Überall ist Garten“ von Eva Rosenkranz.
                                                 Eine sinnliche Beschreibungvon Natur über die vier Jahreszeiten.

                                                 „Mein Wildgarten“ von Meir Shalevon
                                                 Eine berührende Geschichte über die vielen Glücksgefühle
                                                 im Erleben des eigenen Gartens.

                                                 „Anstiftung zum gärtnerischen Ungehorsam“ von Christiane Habermalz.
                                                 Bekenntnisse einer Guerillagärtnerin. Für die Jugend und Junggebliebenen.

                                                 „Selbstversorger Balkon“ von Michael Breckwoldt.
                                                  Über die Aufzucht von Gemüse auf dem eigenen Balkon.

                                                 „Mein Biotop auf dem Balkon“ von Birgit Schattling.
                                                 Naturerlebnis und Ernteglück mitten in der Stadt.

                                                 „Heilsames Räuchern mit Wildpflanzen“
                                                 von Adolfine Nitschke.
                                                 Die heilende und reinigende Kraft
                                                 von heimischen Pflanzen ist uraltes
                                                 Wissen von Frauen.

                                                 „Frauen und ihre Gärten“
                                                 Gestalterinnen verraten ihre Geheimnisse
                                                 von Kathrin Hofmeister, Elke Borkowski.
                                                 14 Frauen in fünf verschiedenen Ländern
                                                 stellen sich als Gartengestalterinnen vor.
© Thomas Kopf, Vallaster, könig

                                                                                                                               Österreichische Post AG MZ 02Z031539 M
                                     if..faktum 2_2020                                                 Amt der Vbg. LR, FuB Fr. und Gleichst., Römerstr. 15, 6900 Bregenz
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