"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus

 
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"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
Kunststoff-Museum Troisdorf, Museumsverein e.V.

                                          Info 2021,01

                  „Geschichte(n) einer Stadt“
         MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus

Die Museumsleiterin Frau Dr. Pauline Liesen und die Historikerin Frau Dr. Petra
Recklies-Dahlmann haben den umfangreichen, farbig bebilderten Katalog in
Buchform zur Begleitung für den interessierten Besucher des Museums für
Stadt- und Industriegeschichte -MUSIT- in der Burg Wissem in Troisdorf in der
Burgallee 1 entwickelt und im Dezember 2020 herausgegeben. Er erzählt über
die Exponate und Beschriftungen im Museum und darüber hinaus die
Geschichte der Stadt und ihrer Unternehmen auf interessante Weise.

                          Katalog des MUSIT, Troisdorf, Dezember 2020
"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
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Auch über die Kunststoffe in Troisdorf wird berichtet: So werden
Kunststoffprodukte der Dynamit Nobel AG und die Extruder der Fa.
Reifenhäuser beschrieben.

Ein lesenswerter Katalog, der über das Übliche                     hinaus   auch   die
Stadtgeschichte in interessanter Weise beleuchtet!

Erhältlich ist der Katalog zum Preis von 19,90 €

im

MUSIT                             Tel. 02241 900-422

sowie in der

Buchhandlung Kirschner            Tel. 02241 88070

Blättern Sie in der Leseprobe!

               Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann, Troisdorf, 14. Januar 2021
"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
Geschichte|n
einer Stadt
    Museum für Stadt- und Industriegeschichte
    Troisdorf (MUSIT)
"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
Köln
Impressum

Hrsg. vom Museum für Stadt- und
Industriegeschichte Troisdorf (MUSIT),
Leitung: Dr. Pauline Liesen

mit freundlicher Unterstützung des Heimat-
und Geschichtsvereins Troisdorf e.V. (HGT)

Text:
Dr. Petra Recklies-Dahlmann

Lektorat / Bildredaktion:
Museum für Stadt- und Industriegeschichte
Troisdorf (MUSIT)
                                             Bildnachweis:
Gestaltung:                                  Titel (von oben nach unten; von links nach
Frank Georgy, Köln                           rechts): Rathaus, Kölner Straße; Stadt Trois-
(kopfsprung.de)                              dorf/ Außenansicht des Troisdorfer Voll-
                                             Kunststoffhauses; Foto: Rainer Hardtke/ Pup-
Druck und Bindung:                           penhausmöbel; Marlies Sawinsky und Dr.
LUC GmbH, Selm                               Lothar Schimmelpfennig/ Das erste Kunst-
                                             stofffenster aus Mipolam; Foto: Rainer Hardt-
© 2020, Museen Burg Wissem                   ke/ Viele alte Extruder im Einsatz; Reifenhäu-
                                             ser/ Werkshalle bei Mannstaedt; Mannstaedt/
                                             Fuhrpark Schmitz-Mertens in den 1950er Jah-
                                             ren; Wolfgang Schmitz-Mertens
Bibliografische Information der
Deutschen Nationalbibliothek:                S. 19o: MUSIT, Leihgabe LVR-Freilichtmuse-
Die Deutsche Nationalbibliothek              um Kommern; Foto: Daniel Schäfer Photogra-
verzeichnet diese Publikation                phy
in der Deutschen Nationalbibliografie;       S. 19u: MUSIT, Leihgabe Ute und Peter Frost
detaillierte bibliografische                 Troisdorf; Foto: Daniel Schäfer Photography
Daten sind im Internet über                  S. 20 sowie S. 80 – 83: Stadtarchiv Troisdorf
http://dnb.d-nb.de abrufbar.                 S. 143-144: MUSIT; Foto: Rainer Hardtke

ISBN 978-3-944114-16-3
"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
6 | Ein Museum, wie’s im Buche steht            Unbekannten im Rheinland – Die Familie
Grußwort des Bürgermeisters                     Langen | Glückssucher in der »Neuen Welt« |
Klaus-Werner Jablonski, Trosidorf               Einige Auswanderer aus dem Siegkreis | Arbeit
                                                und ein bisschen Vergnügen | Der Siegeszug
8 | Der HGT für’s MUSIT                         der Eisenbahn | Die »eiserne Bahn« | Adolf
Grußwort Claus Chrispeels, Heimat- und          Holst: Auf dem Bahnhof | Revolution auf
Geschichtsverein Troisdorf e.V.                 Wegen: »Kunststraßenbau« | Kontrollen auf
                                                der Chaussee | Bäckerei, Kolonialwarenhandel
12 | Einleitung                                 und Rösterei: Wilhelm Mertens kommt
Vom Bauernhof zur größten Stadt im              nach Troisdorf | Ein Heimatdichter: Johann
Rhein-Sieg-Kreis: Geschichte und Zukunft        Wilhelm Mertens
der »Industriestadt im Grünen«
                                                52 | Häkelspitze und Pickelhaube
16 | Ackern um Achtzehnhundert                  Troisdorf boomt: Die Rheinisch-Wesfälische-
Das Rheinland verändert sich: Franzosen,        Sprengstoff-AG kommt | Genehmigung zur
Reformen und die Preußen kommen | Land-         Anlage einer Zündhütchenfabrik Oktober
leben im Siegkreis | Erste Arbeitgeber:         1887 | Ein zweites Standbein: Kunststoffe aus
Claren Glocken | Johann Hellen: Die Glocken     Troisdorf | Vom Schwarzpulver zum Dyna-
von Sieglar | Die Alaunhütte in Spich | Nach-   mit | Alfred Nobel und das Dynamit | Aus der
folger auf dem Gelände der Alaunfabrik          Friedrich-Wilhelms-Hütte wird Mannstaedt |
                                                Die Kaffeerösterei Schmitz-Mertens: Von Mer-
26 | Arbeiter gesucht                           tens zu Schmitz-Mertens | Ein kurzer Blick auf
Revolutionen, Kriege und Reichsgründung |       einige andere Unternehmen | Ein fast verges-
Fabrik- statt Feldarbeit | Die Ursprünge der    senes Kapitel Industriegeschichte: Spielzeug
»Industriestadt im Grünen« | Johann Wilhelm     aus Troisdorf erobert die Welt | Unternehmen
Windgassen | Effektives Arbeiten erfordert      bauen für ihre Arbeiter | Mehr als 100 Jahre
vernünftige Rahmenbedingungen: Soziale          Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft
Verantwortung der Unternehmer | Keine           Troisdorf | Infrastruktur für eine wachsende
"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
Inhalt

Gemeinde: Gas- und Wasserwerk | Troisdorfs       Einsatzbereiche: Kunststoffe aus Troisdorf |
Krankenhäuser | Ein »Rhabarberschlitten«         Eine gute Wahl: Profile von Mannstaedt |
sorgt für Mobilität | Busse statt Bahnen | Die   Spezialgetriebe und Zahnräder in allen
Selbstständigkeit wird gefeiert | Der Erste      Größen: Keller liefert | Beschwerden wegen
Weltkrieg beginnt | Ein Luftschiffhafen für      Lärmbelästigung | Global agierend: Das
Troisdorf | Produzieren im Krieg                 Familienunternehmen Reifenhäuser | Von der
                                                 Schmiede zu »The Extrusioneers« | Glasuren
106 | Gutschein über 50 Millionen                machen das Leben bunter: Firma Fey | Kaffee
Leben zwischen den Weltkriegen | Der             in Frisch-Dienst-Qualität: Firma Schmitz-
Werk-Chor der DN | Volksbühne Sieglar |          Mertens | Gastarbeiter gesucht! | Ein Grieche
Troisdorfer Wirtschaft: Klöckner-Werke AG |      auf der Hütte | Gekommen und geblieben |
Firma Keller | Firma Reifenhäuser | »Züfa«       Wachstum auf einen Schlag: Die Kommunale
und »Kufa« | Der Eschbach Zünder | Aus RWS       Neuordnung 1969 | Ein attraktives Zentrum:
wird DAG | Die Dynamit AG | Ein ganz be-         Die Fußgängerzone Troisdorf | Fahrrad, Bus,
sonderes Kunststoffobjekt: László Moholy-        Bahn und Auto: Neue Herausforderungen |
Nagys »Tp2« | Nobel-Stiftung | »Machtergrei-     Mehr Lebensqualität für mehr Bürger | Das
fung« und wieder ist Krieg | Unternehmen         Bürgerhaus | International vernetzt: Troisdorf
unter Beschuss | Ein Zwangsarbeiterschicksal:    und seine Partnerstädte | Vergangenheit und
Tonino Guerra (1920–2012) | Kriegsende,          Zukunft
Mangelverwaltung und Wiederaufbau
                                                 176 | 200 Jahre Troisdorf:
136 | Wundertüte Troisdorf                       Ein kurzer Blick in die Geschichte
Alliierte Kontrolle und Neuanfang | Trois-
dorf wird Stadt | Nobel- oder Siegtalstadt:      182 | Anmerkungen
Ein neuer Name muss her? | Eine besondere
Geschichte: Altenrath | Explosive Verkäufe |     183 | Literaturauswahl
Kunststoffe im Innenausbau: Die neue Haupt-
verwaltung von Dynamit Nobel | Vielfältige       184 | Bildnachweise
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Ackern um
        Achtzehnhundert

        Das Rheinland verändert sich:
        Franzosen, Reformen
        und die Preußen kommen

        Hatte sich das Leben in Troisdorf und Umge-
        bung über die Jahre hinweg eher langsam ver-
        ändert und beschaulich entwickelt, brachten
        die Französische Revolution von 1789 und die
        folgenden Kriege nahezu revolutionäre Ver-
        änderungen auch ins Rheinland. Während
        die linksrheinischen Gebiete zwischen 1794
        und 1814 in den französischen Staat eingeglie-
        dert waren, stand das rechtsrheinische Groß-     Den Gewerbetreibenden und Unternehmern
        herzogtum Berg, zu dem Troisdorf gehörte,        auf der rechten Rheinseite ging es in diesen
        ab 1806 unter französischer Verwaltung. Als      Jahren eher schlecht, weil durch die Eingliede-
        Folge davon hielten weitgehende Reformen         rung des linksrheinischen Gebietes in den fran-
        Einzug. So wurde das Rechtssystem komplett       zösischen Staat dessen Grenze nun bis an den
        verändert, was eine bisher nahezu unbekannte     Rhein vorgeschoben wurde. Die Gewerbetrei-
        Rechtssicherheit sowie eine Rechtseinheit mit    benden auf der linken Rheinseite profitierten,
        sich brachte. In der Kirchenpolitik sorgte die   weil die Franzosen hohe Zölle festsetzten und
        Säkularisation mit dem Reichsdeputations-        die Grenzen stark absicherten, um die Binnen-
        hauptschluss von 1803 für einen gewaltigen       wirtschaft zu stärken. Was für den einen Teil
        Umbruch mit großen Besitzverschiebungen.         gut war, wirkte sich für den anderen verhee-
                                                         rend aus: Die rechtsrheinischen Unternehmer
                                                         verloren ein großes Absatzgebiet. Für Trois-
                                                         dorf stellte sich dieses Problem zu dieser Zeit
                                                         allerdings weniger, da bis zu diesem Zeitpunkt
                                                         kaum überregional tätige Gewerbebetriebe
                                                         vorhanden waren.

Alte Bäuerin am Spinnrad
                                                                                                     17
(Ausschnitt)
"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
Zunächst mussten aber auch die Bewohner der      Landleben im Siegkreis
neu zu Frankreich gekommenen Gebiete ihren
Beitrag zur Finanzierung der Napoleonischen      In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten
Kriege leisten. Der beschränkte sich nicht auf   die meisten Menschen im heutigen Siegkreis als
Abgaben, denn unzählige wehrfähige Männer        Handwerker, Bauern oder Tagelöhner auf dem
wurden zum Heeresdienst einberufen. Viele        Land. Sie bauten hauptsächlich Getreide, Kar-
von ihnen verloren bis zur endgültigen Nie-      toffeln, Rüben, Flachs und Hülsenfrüchte an,
derlage Napoleons bei Waterloo (1815) in den     wobei das meiste für den Eigenbedarf verwen-
verschiedenen Schlachten oder auf den langen     det wurde. Wenn, was nicht selten geschah, ein
Märschen bis nach Russland (1812) und zurück     Hochwasser die Felder überschwemmte oder
ihr Leben.                                       eine Dürre die Ernteerträge verringerte, wa-
Mit der endgültigen Niederlage Napoleons         ren die Folgen sogleich spürbar: Die Preise zo-
kam es zu einer territorialen Neugliederung      gen an, ein Teil der Bevölkerung hungerte und
Europas auf dem Wiener Kongress 1814/15: Die     Seuchen breiteten sich unter den geschwäch-
links- und rechtsrheinischen Gebiete fielen an   ten Menschen rasch aus. Schon vor den Na-
Preußen. Nach einer Übergangsphase bildeten      poleonischen Kriegen hatte es immer wieder
sie ab 1822 die Preußische Rheinprovinz.         kriegerische Auseinandersetzungen gegeben,
                                                 in deren Folge Truppen durch den Siegkreis ge-
                                                 zogen waren, die untergebracht und verköstigt
                                                 werden mussten. Dementsprechend lebten hier
                                                 mehr arme als wohlhabende Menschen.
                                                 Der »Kreisphysikus« Dr. Anton Lohmann hin-
Abb. oben: Teller mit Löffeln
Abb. unten: Henkelmann
                                                 terließ eine plastische Beschreibung der Le-
                                                 bensumstände im Siegkreis um das Jahr 1825 1:
                                                 Die Landleute bewohnten meist »elende Hüt-
                                                 ten« mit einer einzigen Stube. Die Stube diente
                                                 gleichzeitig als Vorratsraum: Kartoffeln wur-
                                                 den »unter und um das Bett aufgehäuft«. Statt
                                                 Fenster gab es oft nur Löcher in der Wand,
                                                 »worin dann ein Stück Glas […] gefasst ist. […]
                                                 Diese Fenster sind fest und können nicht an-
                                                 ders geöffnet, als wenn sie ganz herausgenom-
                                                 men werden, was höchstens im Sommer mal
                                                 geschieht.« Einmal täglich wurde die Stube mit
                                                 dem Besen gekehrt.
                                                 Im Raum gab es eine offene Feuerstelle, auf
                                                 der gekocht wurde. Hier ließ sich nur ein Topf
                                                 unterbringen, weshalb es stets Eintopf gab, in
                                                 den selbstgebackenes Brot gebrockt wurde:
                                                 morgens meist Milchsuppe, mittags Kartoffeln
                                                 mit Zwiebeln, Erbsen oder Bohnen, abends
                                                 Mehl- oder Kartoffelsuppe. Fleisch gab es nur
                                                 selten. Im Winter war der »Herd« gleichzeitig
                                                 der einzige Wärmelieferant.

                                                                                             19
"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
Zahlreiche hungrige Mäuler mussten gestopft        dünne Mütze, welche über einen halbmondför-
werden, denn obwohl die Säuglings- und Klein-      migen Ring gezogen wird, der von hinten über
kindersterblichkeit hoch war, wuchs die Bevöl-     das aufgemachte Haar gelegt und oberhalb der
kerung kontinuierlich. Zehn oder mehr Kinder       Ohren mittels einer kleinen Krümmung, die
waren keine Seltenheit.                            gewöhnlich die Figur eines Fischmauls hat,
»Die Betten […] sind nicht selten voller Flöhe     befestigt wird.« Dieser metallene Ring wurde
und anderes Ungeziefer. […] Bei vielen werden      »Ohreisen« genannt.
höchstens drei Hemden einmal im Jahr und
dann meist nur aus klarem Wasser gewaschen.        Die Arbeit dauerte von Sonnenauf- bis Son-
[…] Überhaupt ist die Reinigung des Körpers        nenuntergang. Anpacken mussten auch schon
nicht sehr allgemein. Was in dieser Hinsicht ge-   die Kinder: »Der gemeine Mann […] kann auf
schieht, besteht darin, dass Hände und Gesicht     die Erziehung seiner Kinder wenig verwenden,
zuweilen mit Wasser gewaschen werden.« Män-        oft ist er kaum imstand, sie während der Jahre
ner trugen meistens »eine leinene Jacke, leine-    der Kindheit zu erhalten – er muß sie schon
ne Unterweste, leinene Hosen […] und Schuhe        in der frühesten Jugend zu Arbeiten anhalten,
mit und ohne Strümpfe.« Auf dem Kopf hatten        die Brot verschaffen.« Aber es gab auch ein
sie eine Kappe oder einen einfachen Hut. Um        paar Vergnügungen: Kirchweih, Jahrmarkt und
den Hals banden sie eine Halsbinde aus Baum-       Fastnacht waren feste Ereignisse im Jahreska-
wolle.                                             lender. Daneben boten Hochzeiten Gelegen-
                                                   heit zum ausgelassenen Feiern. Dabei schossen
Frauen trugen Kleider und Schürzen aus Kat-        manche auch schon einmal über das Ziel hin-
tun oder Leinen, die Strümpfe waren manch-         aus: Der Kreisphysikus bemängelt so in seinem
mal aus Wolle. Sie hatten auf dem Kopf »eine       Bericht, dass »auf den Kirchweihen und über-
                                                   haupt bei den Musik- und Tanzfesten […] Wein
                                                   und Branntwein bis zum Übermaß getrunken«
                                                   wird. Kam noch ausgelassenes Tanzen dazu,
Haus in der Ortschaft Sand, Anfang des 20. Jhs.    endete das nicht selten in blutigen Raufereien.2

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"Geschichte(n) einer Stadt" MUSIT gibt seinen Katalog mit 184 Seiten heraus
Unternehmen bauen
für ihre Arbeiter

Zwei aufstrebende Großunternehmen brauch-
ten immer mehr Arbeitskräfte, und diese be-
nötigten Wohnungen. Durch die Bautätigkeit,
aber auch aufgrund logistischer und produk-       Nachdem Louis Mannstaedt das Walzwerk aus
tionstechnischer Erfordernisse wurden die         Köln nach Troisdorf verlegt hatte, mussten auf
Unternehmen zum Motor der Entwicklung             einen Schlag zahlreiche neue Arbeiter unter-
Troisdorfs: Neue Wohnviertel entstanden,          gebracht werden. Da die vorhandenen Woh-
Straßen wurden angelegt und gepflastert. Die      nungen nicht ausreichten, schob Mannstaedt
flächendeckende Energie- und Wasserversor-        umfangreiche Bauvorhaben an. Ab 1912 ent-
gung wurde vorangetrieben. Damit einher ging      standen zwei Arbeitersiedlungen: die »Rote«
die Einrichtung von Schulen, Krankenhäusern       und die »Schwarze« Kolonie, benannt nach
und kulturellen Begegnungsstätten. Zug um         der Farbe ihrer Dachziegel. Für leitende An-
Zug entstand eine moderne Infrastruktur. Die      gestellte und Werkmeister wurden zusätzlich
Unternehmen beteiligten sich einerseits am        Häuser in der sogenannten »Beamtenkolonie«
Wohnungsbau, sorgten andererseits aber auch       gebaut. Die Architekturbüros Eugen Fabricius
selber für ihre Arbeiter durch den Bau zahlrei-   und Arthur Hahn aus Köln sowie Dietrich und
cher Wohlfahrtseinrichtungen.                     Karl Schulze aus Dortmund übernahmen die
                                                  Planung. Fabricius gehörte zu den namhaften
                                                  Architekten in Köln, hatte aber auch bereits
                                                  Profileisen für Mannstaedt entworfen. Schul-
                                                  zes hatten Arbeiterkolonien im Ruhrgebiet er-
Häuser in der Mannstaedt-Kolonie                  richtet. Der Bau von Arbeiterwohnungen war

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durchaus üblich in dieser Zeit, konnten die
Unternehmer so doch ihre Mitarbeiter an sich
binden. Überregional bekannt ist heute vor
allem die »Margarethenhöhe« von Krupp in
Essen. Rund 50 Jahre früher entstand bereits
die Siedlung »Eisenheim« in Oberhausen, die
als erste solcher Arbeiterwohnanlagen unter
Denkmalschutz gestellt wurde.

Die »Schwarze Kolonie« war eine reine Arbei-
tersiedlung nahe beim Werk. Im Sommer 1912       Ehemaliges Kaufhaus der Mannstaedt-Werke

bezogen die ersten Familien ihre Wohnungen.
Sechs verschiedene Haustypen boten Wohn-
flächen zwischen 50 und 65 Quadratmetern.        Die »Rote Kolonie«, auch »Neu-Kalk« ge-
Im Erdgeschoss befanden sich die Wohnküche,      nannt, lag etwas entfernter vom Fabrikgelän-
davon getrennt die Spülküche, Stall und Toi-     de. Hier fanden vorwiegend Facharbeiter und
lette. Im Obergeschoss lagen die Schlafräume.    Meister auf Grundstücken von 200 bis 500
Modernste Technik, wie elektrisches Licht und    Quadratmetern ein neues Zuhause. Auch an
Wasserboiler, gehörten zur Standardausstat-      der Elisabethstraße entstanden Neubauten.
tung ebenso wie ein sich anschließender Nutz-    Im Unterschied zu den beiden anderen Kolo-
garten.                                          nien lag die »Beamtenkolonie« diesseits des
                                                 Bahndamms. Hier mussten die Architekten auf
                                                 die vorhandene Bebauung Rücksicht nehmen.
                                                 Es entstanden repräsentative Häuser für leiten-
Plan eines Doppelhauses der Mannstaedt-Kolonie   de Angestellte und Werkmeister.

                                                                                            81
Aber auch Louis Mannstaedt selbst und sei-                     Im direkten Umfeld Troisdorfs waren nicht
ne Söhne ließen sich in Troisdorf nieder. Auf                  genügend Arbeitskräfte zu bekommen. Eine
einem großen Grundstück im Wald an der Al-                     dauerhafte Unterbringung von Beschäftigen
tenrather Straße bauten sie sich repräsentative                in Wohnheimen konnte keine Lösung sein.
Anwesen. Louis Mannstaedt ließ sein Domizil                    Deshalb beteiligte sich die RWS 1918 an der
von den Architekten der Roten Kolonie pla-                     Gründung der Gemeinnützigen Wohnungs-
nen. Carl Mannstaedts Anwesen baute Camil-                     baugenossenschaft Troisdorf, die ihren Mitglie-
lo Friedrich aus Köln, und Carl Ludwig Mann-                   dern »Kleinwohnungen zur Miete oder zum
staedt holte sich den Architekten Carl Doflein                 Erwerb« verschaffen wollte. Auch Arbeitern
für den Bau seiner Villa.                                      mit geringen Kapitalreserven sollte mit Hilfe
Daneben entstanden zahlreiche Wohlfahrtsein-                   der Wohnungsbaugenossenschaft die Möglich-
richtungen für die Arbeiter wie Konsum (Le-                    keit gegeben werden, Eigentum zu erwerben.
bensmittelgeschäft), Kindergarten, »Hütten-                    Die Gemeinde Troisdorf stand diesen Aktivi-
schänke«, Badeanstalt und Wohnheim.                            täten positiv gegenüber, weil sie die akute Not
                                                               auf dem Wohnungsmarkt nach dem Ersten
Auch die RWS merkte rasch, dass sie etwas für                  Weltkrieg minderten und halfen, Baulücken zu
ihre Arbeiter tun musste. Schon früh machte                    schließen. Zunächst engagierte sich die RWS
sich ein Mangel an Wohnraum für die steigen-                   vor allem im Bau eigener Häuser. Bis 1925
de Zahl der Mitarbeiter der Rheinisch-West-                    wurden 225 Wohnungen für Arbeiter und An-
fälischen-Sprengstoff-AG (RWS) bemerkbar.                      gestellte bezugsfertig und in einer eigenen Ab-
                                                               teilung verwaltet.

Villen der Familie Mannstaedt an der Parkstraße in Troisdorf

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Postkarte mit Ansichten aus den Werkskolonien

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Vielfältige Einsatzbereiche:
        Kunststoffe aus Troisdorf

        Waren Kunststoffe zunächst nur als Ersatz für
        Naturprodukte gesehen worden, entwickelten
        sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum Ver-                 Ein strapazierfähiger Bodenbelag aus Mipo-
        kaufsschlager. 1950 wurden ca. 50.000 Ton-                   lam durfte auch in der Nachkriegszeit in kei-
        nen Kunststoffe hergestellt; 1983 übertraf der               nem öffentlichen Gebäude fehlen. Die Profile
        Verbrauch von Kunststoffen den von Stahl. In                 Mipolam-Elastic für das erste Kunststoffenster
        Troisdorf entstanden zahlreiche Produktseg-                  kamen ab 1954 aus Troisdorf – das mühsame
        mente mit spezifischen Eigenschaften für jegli-              Behandeln und Streichen der Holzfenster
        chen Anwendungsbereich – hier nur einige der                 konnte man sich nun sparen. Ultrapas, bes-
        bekanntesten:                                                ser bekannt unter dem Markennamen Reso-
                                                                     pal eines Konkurrenten, war ein »Muss« in
                                                                     jeder Küche. Das grüne Rohr aus Troisdorf,
                                                                     beispielsweise für Dachrinnen und Fallrohre,
                                                                     kannte bald jeder Bauarbeiter. Viele Wind-
                                                                     schutzscheiben wurden als Verbund-Sicher-
                                                                     heitsglas mit der Trosifol-Sicherheitsfolie aus
                                                                     Troisdorf gefertigt, die u.a. auch in der gläser-
                                                                     nen Kuppel des Berliner Reichstages verbaut
                                                                     ist.
        Werkszeitschrift Dynamit Nobel mit der
        Titelstrecke Mipolam

                                                                                                                 143
links/rechts: Innenansichten des Troisdorfer Voll-Kunststoffhauses
Maschinenteile aus Trovidur

Koffer aus Dynos Vulkanfiber

                                                                   Iso-Matte aus Trocellen

Farbige Schallplatten
aus Tromiphon

                               »Unkaputtbar«, Glasscheibe
                               mit der Sicherheitsfolie Trosifol

144
Das MUSIT verfügt über eine umfangreiche
Sammlung von Kunststoff-Produktbeispie-
len aus der Fertigung der ehemaligen Rhei-
nisch-Westfälischen-Sprengstoffwerke – RWS
– und seiner Nachfolgefirmen. Da das Deut-         Kunststoffe aus Troisdorf, wo die Kunststoff-
sche Kunststoff-Museum mit Sitz in Ober-           verarbeitung, neben der klassischen Zünder-
hausen nur gelegentlich Wanderausstellungen        fertigung in der Zünderfarbrik (Züfa), immer
zeigt und ansonsten lediglich virtuell über das    größeren Raum einnahm. Ein weiterer Cellu-
Internet präsent ist, das Deutsche Museum          lose-basierter Kunststoff – die Vulkanfiber mit
in München eine eher überschaubare Kunst-          Namen Dynos, also eine Hydratcellulose – kam
stoffsammlung beherbergt, zeigt das MUSIT          in den 1920er Jahren zur Troisdorfer Kunst-
sicherlich die umfangreichste Ausstellung von      stoff-Familie hinzu. Daraus wurden bei den
Kunststoffprodukten in Deutschland.                Kunden z.B. Koffer, Polizeihelme (Tschakos)
                                                   oder Schweißerschutzhelme hergestellt; im
Herbert Laubenberger, der viele Jahre bei der      eigenen Haus Troisdorfer Spinnkannen für We-
Dynamit Nobel AG, einer der Nachfolgefirmen        bereien und Papierkörbe für Büros. Die Koffer
der RWS, arbeitete, sammelte als erster Pro-       kennt jeder, zu erkennen an den runden Eck-
duktbeispiele, die die Basis der Kunststoff-Aus-   verstärkungen, der leder-genarbten oder glat-
stellung bilden. 1999 konnten die Exponate im      ten Oberfläche und ihrem geringen Gewicht.
Rahmen einer Ausstellung erstmalig den Mit-        Eine andere Verwendung fand Dynos ab den
arbeitern und interessierten Besuchern gezeigt     1930er Jahren als Träger für Schleifscheiben.
werden. 2004 wurde der Kunststoff-Museums-         In den 1920er Jahren wurde auch eine Harz-
Verein gegründet, der sich der Sicherung und       produktion in Troisdorf aufgebaut. Es wurden
Weiterentwicklung dieser einzigartigen Kunst-      dunkle Phenolharze – Trolon – und einfärbbare
stoffsammlung verschrieben hat. 2012 überließ      Harnstoff- und Melaminharze – Pollopas und
der Verein seine komplette Sammlung von Ex-        Ultrapas – als Pressmassen und später, in den
ponaten, Schriften und Abbildungen der »Stif-      1930er Jahren, eine ganze Palette von Haus-
tung Stadt- und Industriegeschichte Troisdorf«     haltsgegenständen als Pressteile aus ihnen, wie
und damit dem MUSIT an der Burg Wissem in          Teller und Tassen unter dem Markennamen
Troisdorf.                                         Tropas (Troisdorfer Pollopas), hergestellt. Etli-
                                                   che Produktbeispiele, wie z.B. schwarze Telefo-
Aus der Fertigung von nitrierter Baumwolle zur     ne, Föngehäuse, Waschmaschinen- und Elekt-
Verwendung als Schießbaumwolle kannte und          roteile sowie Zündverteiler für Automobile
beherrschte man in Troisdorf die industrielle      und auch Möbelfolien mit Holzimitationsober-
Chemie von Nitrocellulose. Eine abgespeckte        flächen und Farbdekors aus diesen Phenolhar-
Version dieses Produkts eignete sich auch als      zen, sind im Museum zu sehen.
Rohstoff für Celluloid, das man in Troisdorf
ab 1905 für verschiedene Anwendungen groß-
technisch fertigte. Bei den Kunden wurden aus
den Halbzeugen Puppen hergestellt oder Bril-
lengestelle, Kämme und brillante Seifenscha-
len, zudem Dosen wie auch Beschichtungen
für Musikinstrumente und Rechenschieber aus
Holz. Cellon bzw. Cellonex waren weitere neue

                                                                                              145
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