Geschichte und Brüche der deutschen Rentenversicherung - Professor Dr. jur. Rainer Vor Fakultät Architektur und Sozialwissenschaften
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Geschichte und Brüche der deutschen Rentenversicherung Professor Dr. jur. Rainer Vor Fakultät Architektur und Sozialwissenschaften
Gliederung 1. Einleitung 2. 1889: Entstehung des Systems 3. Rentenversicherung im Kaiserreich 4. Rentenversicherung in der Weimarer Republik 5. Rentenversicherung im Dritten Reich 6. Rentenreform 1957 7. Entwicklungen bis zum Mauerfall 8. Rentenreform 1992 9. Rentenversicherung und Wiedervereinigung 10. Rentenreformgesetz 1999 11. Paradigmenwechsel durch die Reform 2001 12. weitere Entwicklungen bis ins Jahr 2013 13. anstehende Veränderungen 14. Fazit und Schlussbetrachtung
Einleitung
1889: Entstehung des Systems Fazit zum Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz von 1889 • Rentenversicherung als Sicherungssystem der abhängig Beschäftigten in Form der Versicherungszwangs im Rahmen der Sozialversicherung (Versicherungspflicht) • Finanzierung durch Staatszuschuss und paritätisch von Versicherten und Arbeitgebern aufzubringende Beiträge • Kapiteldeckungsverfahren • Höhe der Beitragszahlung bestimmt Höhe der Rente nur eingeschränkt mit (Grundbetrag plus Steigerungsbetrag)Æ statisches System bis 1957 • Träger der GRV ist nicht der Staat, sondern juristisch selbständige Versicherungsanstalten mit Selbstverwaltung
Rentenversicherung im Kaiserreich Fazit für die Zeit des Kaiserreichs: • Ausdifferenzierung in Arbeiter- und Angestelltenrenten- versicherung sowie Beibehaltung der knappschaftlichen Versicherung • Leistungsverbesserungen und Ausweitung der Versicherungspflicht • Einführung der Hinterbliebenversorgung für Witwen und Waisen • Rentenversicherung erbringt auch Rehaleistungen
Rentenversicherung in der Weimarer Republik Fazit für die Weimarer Republik: • Durch die Inflation nach dem 1. Weltkrieg kam es zu einer weitgehenden Entwertung des Kapitalstocks. • Umstellung vom Kapitaldeckungsverfahren auf das Umlageverfahren.
Rentenversicherung im Dritten Reich Fazit für die Zeit des Dritten Reiches: • Beibehaltung des gegliederten Systems • Wechsel zurück zum Kapitaldeckungsdeckungsverfahren • Versicherungspflicht für Handwerker
Rentenreform 1957 Fazit zur Rentenreform 1957: • Die Rentenreform von 1957 führte erstmals zu einer lohnbezogenen dynamischen Rente. • Sie passte die rentenrechtlichen Regelungen an eine sich dynamisch entwickelnde wachsende Wirtschaft an und realisiert den Grundgedanken, dass auch die Älteren nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben von der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, insbesondere von der Lohnentwicklung nicht abgekoppelt werden. • Neue Rentenformel: Rentenhöhe = Anzahl der Beitragsjahre (j) x persönliche Bemessungsgrundlage (pB) x Steigerungssatz (s) x allgemeine Bemessungsgrundlage (BG) für das jeweils laufende Jahr • Die Rentenreform hat damit einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Altersarmut geleistet. • Die Rente spiegelt wesentlich stärker die Erwerbsleistung der Versicherten wider (Beitragsäquivalenz). Sie ist damit ein Element der Eigenvorsorge. • Das Umlageverfahren hat sich weitgehend als Finanzierungssystem etabliert.
Entwicklungen bis zum Mauerfall
Rentenreform 1992 Fazit zur Rentenreform 1992: • Schaffung einer einheitlichen gesetzlichen Grundlage im SGB VI • Übergang zur Nettoanpassung • Festschreibung eines garantierten Rentenniveaus • Verlängerung der Kindererziehungszeiten • Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 65 Jahre
Rentenversicherung und Wiedervereinigung
Rentenreformgesetz 1999 Wesentliche Ergebnisse der Rentenreform 1999: • Erhöhung des Bundeszuschusses zur Vermeidung eines drohenden Beitragssatzes von 21 % finanziert durch Erhöhung der Mehrwertsteuer von 15 auf 16 % • Verbesserung der Rahmenbedingungen für die betriebl. Altersversorgung • Neue Rentenformel: Einfügung eines Demographiefaktors, wodurch partiell Renten von der Lohnentwicklung abgekoppelt werden. Mit diesem Faktor steigen die Renten weniger stark an, was zur mittelfristigen Absenkung des Rentenniveaus führt. ÆAufgabe eines festen Zielwertes für das Rentenniveau • Verteilung der demographischen Probleme auf Beitragszahler und Rentner • Änderungen bei den Erwerbsunfähigkeitsrenten
Paradigmenwechsel durch die Reform 2001 Fazit der Rentenreform 2001: • Durch die relativ starke Absenkung des Rentenniveaus sind die Renten mittelfristig nicht mehr armutsfest. Wenn man bedenkt, dass es den Eckrentner mit 45 Entgeltpunkten vor dem Hintergrund des rasanten Anstiegs aller möglichen Arten von prekärer Beschäftigung und weiter andauernder Massenarbeitslosigkeit kaum noch gibt, ist absehbar, dass sich die Rente dem Niveau der Grundsicherung im Alter bzw. der Sozialhilfe, die ja ohne Beitragszahlung gewährt wird, immer mehr annähert. Die gesetzliche Rente verliert daher an Legitimation; im Übrigen kann dann eine Pflicht zur Beitragszahlung verfassungsrechtlich kaum mehr gerechtfertigt werden, wenn man durch langjährige Beitragszahlung das Sozialhilfeniveau nicht oder kaum mehr erreicht. Man ist also hinter die Reform von 1957 wieder zurück gegangen und bewegt sich zurück auf die Anfänge der GRV des Jahres 1891, wo die Rente lediglich als Zuschuss zum Lebensunterhalt gedacht war. • Die private Finanz- und Versicherungswirtschaft freut sich über exorbitante Zuwachsraten. • Gleichzeitig gibt es viele geringverdienende Versicherte, die die privaten Vorsorgeprodukte trotz staatlichen Förderung nicht in Anspruch nehmen bzw. sich diese nicht leisten können. • Der Börsencrash im Jahr 2008 hat gezeigt, dass gerade die Kapitaldeckung erhebliche Risiken aufweist. Zudem führt die momentane Zinsentwicklung zu einer erheblichen Ernüchterung bei der Renditeerwartung von Lebensversicherungen.
weitere Entwicklungen bis ins Jahr 2013
Fazit und Schlussbetrachtung Fazit und Schlussbetrachtung • Die GRV ist ein Erfolgsmodell • Sie sichert nicht nur das Risiko ab, altersbedingt keine Einkünfte mehr erzielen zu können, sondern schützt auch vor dem Risiko der Erwerbsunfähigkeit leistet Hinterbliebenrenten und erbringt als Rehaträger umfassende Rehaleistungen. Das unterscheidet sie stark von privater Vorsorge. • Die GRV ist in ihrer Geschichte vielfach veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst worden. Sie unterliegt damit politischen Entscheidungen der jeweiligen Mehrheit im Deutschen Bundestag. • Der Gesetzgeber hat der GRV vielfältige versicherungsfremde Lasten und Leistungen aufgebürdet. • Der Paradigmenwechsel in der Reform von 2001 wird mittelfristig die Altersarmut verstärken. • Beitragssatzstabilität ist nicht alles. • Die demographischen Veränderungen werden überschätzt. • Private Altersvorsorge im Kapitaldeckungsverfahren ist keine Alternative.
Mackenrothsche Formel: • „Aller Sozialaufwand muss immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein „Sparen“ im privatrechtlichen Sinne, es gibt einfach nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand.....Kapitalansammlungs- verfahren und Umlageverfahren sind also der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden. Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.“
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Prof. Dr. jur. Rainer Vor Fakultät Architektur und Sozialwissenschaften E-Mail: rainer.vor@htwk-leipzig.de
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