GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster

Die Seite wird erstellt Hortensia-Antonija Langer
 
WEITER LESEN
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
Ausgabe 1/16

                                          Lebenshilfe Münster e.V.

Familienbande mal ganz anders • Leben mit dem FAS • Geschwister
Ein Nachmittag im Dunkeln • Die Villa ten Hompel • Kurzzeitwohnen
Helau 2016   •   Salam für Alle   •   Ganz neu: Aufgepasst   •   Jürgen Löchert

                 GESCHWISTER
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
Wir wünschen
unseren Lesern
eine wunderschöne
Frühlings- und
Sommerzeit
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
VORWORT
                                                                                                                  1

Liebe Mitglieder und
      Freunde der Lebenshilfe,

   eit mehr als 40 Jahren erhalte ich die Mittei-      Beileibe aber ist es nicht so, dass der jüngere und
S  lungen der Lebenshilfe. Erstmals wird mir jetzt
angetragen, die Einführung zu einem Rundbrief zu
                                                       in der Entwicklung weiter enteilte Bruder nur der
                                                       gebende Teil war. Er gewann die Fähigkeit, Gelern-
schreiben. Eine ganz neue Erfahrung. Üblich ist        tes weiterzugeben, Sprache zu üben, Gegenstände
es, dass ein Vorwort hinweist auf das Thema oder       zu erklären, den Sachen Namen zu geben. Und vor
Hauptthema, in diesem Fall ist es die Überschrift      allem lernte er, dem Schwächeren zu helfen, zur
„Geschwister“.                                         Seite zu stehen und auch teilweise aktiv zu vertei-
                                                       digen.
Zunächst war ich versucht, etwas Gelehrtes zu
behandeln. So etwa zu schreiben über berühm-           So war immer der ältere Bruder ein freundlicher,
te Geschwister, um dann einen Bogen zu spannen         dankbarer und niemals schlecht gelaunter oder nei-
zu Geschwistern, von denen eines ein Mensch mit        discher Begleiter.
Behinderung ist und ein anderes diese Eigenschaft      Der jüngere Bruder blieb der Ratgeber, Helfer und
nicht hat. Dieser Bogen schien mir dann doch zu        Beschützer seines behinderten Bruders. Seine Hilfs-
groß und zu anspruchsvoll, so dass ich doch nur        bereitschaft und seine Einstellung zu anderen Men-
schlicht über die Brüder berichten will, die meiner    schen prägten ihn für die Zukunft.
Ehefrau und meine Kinder sind.                         Auf diese Weise haben die Geschwister jedes auf
                                                       seine Weise Gewinne für die Entwicklung ihrer Per-
Unser erster Sohn kam zur Welt mit dem Down-           sönlichkeiten geschöpft.
Syndrom, was damals in der Öffentlichkeit nicht
laut gesagt wurde. Klar war für uns von Beginn an,                                                  Dr. Michael Kaven
dass nichts zu verheimlichen war und wir dieses
Kind bewusst und aktiv aufgenommen haben. Wir
erfuhren auch schnell welch positive Persönlichkeit
dieser behinderte Mensch entwickelte.

Der zweite Sohn kam zwei Jahre später und war der
kleine Bruder, den es vom Großen Bruder zu be-
spielen und zu beschützen galt. Der kleine Bruder
suchte die Nähe, die Gesellschaft und manchmal
den auch Schutz des Großen Bruders.
Der kleine Bruder entwickelte sich sehr schnell. Der
große Bruder ließ sich mit seiner Entwicklung Zeit.
So kam es zu einer Umwandlung.
                                                                Bildnachweis: Westfalenfleiß GmbH

Der ältere Bruder wurde derjenige, der mehr und
mehr das Gelernte des jüngeren Bruders nutzte
und bei ihm Gesellschaft, Beratung, Erfahrung und
Hilfe erfuhr.

                                                                                                               01/16
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
INHALT
  2

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                ϖ
                                                                                                   Impressum
TERMINKALENDER . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                        3
                                                                                                   Lebenshilfe Münster
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
20 Fragen an Wilfried Brüggemann                          .   .   .   .   .   .   .         5      Herausgeber:
Vortragsreihe »Einblick« . . . . . . . .                  .   .   .   .   .   .   .         6      Lebenshilfe Münster e.V.
Abschied von Tom Mutters † . . . . .                      .   .   .   .   .   .   .         7
Familienbande mal anders. . . . . . .                     .   .   .   .   .   .   .         8      Windthorststr. 7
Leben mit dem FAS . . . . . . . . . . .                   .   .   .   .   .   .   .        11      48143 Münster
                                                                                                   Tel.: (0251) 53 906-0
ELTERNGRUPPE                                                                                       Fax: (0251) 53 906-20
Schlemmen und Plaudern . . . . . . . . . . . . . . .                                       13      www.lebenshilfe-muenster.de
Onlinespende. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                13      info@lebenshilfe-muenster.de

                                                                                                   Bankverbindung:
THEMA GESCHWISTER                                                                                  Sparkasse Münsterland Ost
Die beste Schwester der Welt              .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    14      BLZ 400 501 50
»Geschwister« ein Bericht . . .           .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    15      Kto-Nr.: 800 42 85
GeschwisterNetz . . . . . . . . .         .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    15      IBAN: DE55400501500008004285
Nicht mehr wie früher. . . . . .          .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    16      BIC: WELADED1MST
Geschwister sind was Tolles. .            .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    17
Bilderrätsel . . . . . . . . . . . . .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    17      Redaktion:
Brüder . . . . . . . . . . . . . . . .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    18      Kerstin Böhmert
                                                                                                   Andrea Giebeler
                                                                                                   Pia Humborg
FREIZEIT                                                                                           Jürgen Philipp
Ein Samstag in Brühl . . . . .        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    20      Katharina Könning
Family Club . . . . . . . . . . . .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    20      Jodokus Hackert
Ein Nachmittag im Dunkeln .           .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    21
Münster Tanz-Festival . . . . .       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    22      Anzeigen und Beratung:
'HU7HHQLH7UHϑ . . . . . . . . .     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    22      Andrea Giebeler
                                                                                                   Lebenshilfe Münster
SPORT                                                                                              Tel.: (0251) 53 906-0
Ein erfolgreiches Sportjahr . . . . . . . . . . . . . .                                    23      info@lebenshilfe-muenster.de
Lebenshilfe läuft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                23
                                                                                                   Layout, Grafik:
JULE Club                                                                                          Esther Fahrendorf
Aktion Sauberes Münster . . .             .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .        24
Die Villa ten Hompel . . . . . . .        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .        25      Druck:
Salam für Alle . . . . . . . . . . .      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .        26      Druckerei Hermann Kleyer
Abschied von Ingo Tawidde †.              .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .        27      Raiffeisenstraße 1
Helau 2016 - Bildergalerie. . .           .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .        28      48161 Münster-Roxel
                                                                                                   Tel.: (02534) 62 11-0
WOHNEN
Kurzzeitwohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                   30      Erscheinungsweise:
Ein Wohnzimmerkonzert . . . . . . . . . . . . . . .                                        31      Zweimal jährlich im Frühjahr und
                                                                                                   Herbst
WOHNEN · AUW
Bildergalerie:                                                                                     Erscheinungsort/Vertrieb:
Struwenessen / Möhnesee / Brunch . . . . . . .                                             32      Erhältlich kostenfrei für alle Mitglie-
Rezeptecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                 33      der sowie in der Stadt Münster an
                                                                                                   diversen Stellen.
AUFGEPASST Tipps der Redaktion . . . . . . . . .                                           34

JÜRGEN LÖCHERT David Krützkamp . . . . . . . .                                             35

BEITRITTSERKLÄRUNG. . . . . . . . . . . . . . . . .                                        36

             01/16
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
TERMINKALENDER
                                                                                                                3

            Lebenshilfe allgemein
WIM                                                         9lWHUVWDPPWLVFK GHU (OWHUQJUXSSH Ä8QVHU .LQG
Informationsaustausch für                                   mit Down-Syndrom“
Menschen mit Behinderung,                                   Bei Interesse bitte der Gruppe „Väterstammtisch“ auf
die in Selbstvertretungsgremien                             der Homepage www.unser-kind-mit-down-syndrom.de
aktiv sind.                                                 beitreten.
Freitag, den 03.06. / 23.09. / 25.11.2016
15:00–17:00 Uhr                                             0WWHUVWDPPWLVFKGHU(OWHUQJUXSSHÄ8QVHU.LQG
Paul-Gerhardt-Haus, Friedrichstr. 10                        mit Down-Syndrom“
Kontakt: Ira Korf (0251) 53906-30                           Bei Interesse bitte der Gruppe „Mütterstammtisch“ auf
                                                            der Homepage www.unser-kind-mit-down-syndrom.de
Sommerfest Wohnnest                                         beitreten.
Sommerfest für Groß und Klein
Wann: 02. Juli 2016, 14:00 Uhr–18:00 Uhr                    6SLHOJUXSSHÄ8QVHU.LQGPLW'RZQ6\QGURP³
Wo: Wohnnest, Dauvemühle 1                                  jeden 4. Mittwoch im Monat ab 16:00 Uhr
Kontakt: Wohnnest (0251) 924398-0                           Gemeindehaus der Friedenskirche, Zum Erlenbusch 15
                                                            Kontakt: Andrea Giebeler 0251 628096
Münster-Marathon
/HEHQVKLOIHOlXIW±PLW]ZHL6WDϑHOQ                        Alle Termine der Elterngruppe „Unser Kind mit Down-Syn-
Wann: 11. September 2016, ab 09:00 Uhr                      drom“ sind zu finden unter:
Kontakt: Katharina Könning (0251) 53906-18                  www.unser-kind-mit-down-syndrom.de

                                                            (OWHUQ.LQG*UXSSHÄ/HEHQVOLFKWHU³
                Bereich Wohnen                              7UHϑSXQNWZHFKVHOQGSULYDW
                                                            Kontakt: Doris Arendt  (02581) 784602
AUW-Stammtisch-Stadt                                                 Daniela Bruns (0251) 6250782
2. Freitag im Monat ab 18:00 Uhr
Restaurant Wolters, Hammer Str. 37, Münster                 Family Club
10.06. / 08.07. / 09.09.2016                                'HU7UHϑIUMXQJH(OWHUQPLW.LQGHUQPLW%HKLQGHUXQJ
                                                            Mittwoch, den 25.05. / 08.06./ 22.06. / 06.07.2016
AUW-Stammtisch-Gievenbeck                                   Paul-Gerhardt-Haus, Friedrichstraße 10
Letzter Freitag im Monat ab 18:00 Uhr,                      Kontakt: Stephanie Reiners (0251) 53906-32
Restaurant Hüerländer, Twerenfeldweg 6,
MS-Gievenbeck
27.05. / 24.06. / 29.07. / 30.09.2016                                       Freizeitbereich
$8:)UDXHQWUHϑ                                              'LVFRLQGHU6SXWQLNKDOOH
Meistens 1. Freitag im Monat ab 16:00 Uhr                   für Tanzbegeisterte ab 16 Jahre! Jugendliche unter 16
Kontakt: Brigitte Collins 01577 4386794                     Jahren nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten.
         Doris Rocklage 01577 4386795                       17:30–20:30 Uhr
                                                            Sputnikhalle, Am Haverkamp 31 c, Eintritt: 4,50 €
                                                            Kontakt: Alexa Johnen Tel.: (0251) 53906-29
                Bereich Familie                             24.06. / 09.09. / 04.11.2016

(OWHUQ.LQG7UHϑIUEHVRQGHUH.LQGHU                       Disco im Jovel
jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat,                        Für alle Jovelfreunde Disco im Jovel
9:30–11:00 Uhr                                              Jovel, Albersloher Weg 54, Eintritt: 4,50 €
Nicht während der Ferien!                                   Kontakt: Alexa Johnen (0251) 53906-29
Begegnungsstätte der Lebenshilfe, Windthorststr. 7          02.12.2016
Kontakt: Andrea Giebeler (0251) 53906-0
                                                            2ϑHQHV&DIpLP+DQVDKRI
$UEHLWVWUHϑHQGHU(OWHUQJUXSSHÄ8QVHU.LQGPLW             .DϑHHXQG*HElFN6SLHOXQG6SD‰.HJHOQXQG
Down-Syndrom“                                               Gespräche, nette Leute…
%HL ,QWHUHVVH ELWWH GHU *UXSSH Ä$UEHLWVWUHϑHQ³ DXI   jeden 1. und 3. Sonntag, 15:00–17:00 Uhr
der Homepage www.unser-kind-mit-down-syndrom.de             Hansahof, Äegidiistr. 67, Eintritt frei!
beitreten.                                                  Kontakt: Ira Korf (0251) 53906-30

                                                                                                             01/16
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
TERMINKALENDER
 4

                Freizeitbereich                              Urlaubsangebote und Reisen
6DPVWDJVDXVÀXJ                                        ¾8UODXERKQH.RϑHU
für Erwachsene ab 18 Jahren, bevorzugt für Menschen      06.06.–10.06.2016 (ab 18 Jahren)
mit höherem Unterstützungsbedarf                       ¾=HOWODJHULQ+DPHOQ
· Samstag, den 04.06.2016, 13:00–17:00 Uhr               04.07.–09.07.2016 (ab 18 Jahren)
  Planwagenfahrt                                       ¾5HLVHQDFK1RUGGHLFK
Anmeldung: Alexa Johnen (0251) 53906-29                  11.07.–20.07.2016 (20 bis 32 Jahren)
                                                       › Atlantis
Dechaneifest                                             18.07.–05.08.2016 (6 bis 13 Jahren)
Sommerfest an der Alten Dechanei                       ¾5HLVHQDFK;DQWHQ
Samstag, 18. Juni 2016, 15:00–18:00 Uhr                  25.07.–03.08.2016 (15 bis 24 Jahren)
Kontakt: Alexa Johnen (0251) 53906-29                  ¾6RPPHUVSD‰
                                                         08.08.–19.08.2016 (6 bis 20 Jahren)
7HHQLH7UHϑ                                            ¾5HLVHQDFK0LVVHOZDUGHQ
Für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungs-             29.08.–02.09.2016 (ab 32 Jahren)
besonderheiten von 11–16 Jahren                        ¾+HUEVW0L[
11.06. / 02.07.2016                                      10.10.–14.10.2016 (13-20 Jahren)
Kontakt: Ira Korf (0251) 53906-30                      ¾+HUEVWhEHUUDVFKXQJ
                                                         17.10.–21.10.2016 (6-12 Jahren)
$NWLYLWlWHQPLWGHP-8/(&OXE
Für alle interessierten Menschen mit Behinderung,
ab 16 Jahre.
· JULE-Radtour: 28.05. / 03.09.2016, 11:00–16:00
 8KU7UHϑSXQNW$DVHH.XJHOQ                               Termine anderer Veranstalter
ā$XVÀXJ%UDXKDXV
   Bitte auf Flyer achten                              24. Münsteraner Tanzfestival
· Musical „Saturday Night Fever“: 12.08.02016          Mit einem Auftritt von „Schrittwechsel“
   Bitte auf Flyer achten                              29. Oktober 2016
Kontakt: Ira Korf (0251) 53906-30                      Großes Haus, Theater Münster

6FKZLPPJUXSSHÄ3DUD'HOSKLQV³GHU/HEHQVKLOIH         7DQ]SURMHNWIU0HQVFKHQPLW%HKLQGHUXQJ
XQG'/5*0QVWHU                                       Ä)XQN\0RYHPHQWV³
Hallenbad Hiltrup                                      Termine und nähere Informationen:
Aufnahme neuer Schwimmer zurzeit nicht möglich!        Hanno Liesner, Tel.: (0251) 28490-51
Kontakt: Rolf König (02501) 4838
                                                       Erntedankfest Gut Kinderhaus
6FKZLPPDXVELOGXQJPLWGHU'/5*                         18. September 2016
Dienstagnachmittag, 17:15 Uhr–18:15 Uhr                Gut Kinderhaus, Max-Klemens-Kanal
und 17:45 Uhr–18:45 Uhr, einschließlich Aus- und
Ankleiden.                                             (Y)DPLOLHQELOGXQJVVWlWWH
Nicht während der Ferien!                              Die Familienbildungsstätte hat eine Vielzahl von Bil-
Papst-Johannes-Schule, Diesterwegstraße                dungsangeboten für Menschen mit Behinderungen.
Kontakt: Jutta Janek (02533) 540                       Das Programmheft liegt auch bei der Lebenshilfe aus.
                                                       Kontakt: FaBi, Jeanette Thier (0251) 4816 78-6
Sommerpause der Freizeitgruppen
Vom 07.07.2016 bis 02.09.2016                          KOMM-Terminkalender
Die Gruppen beginnen wieder am 05.09.2016              +LHU ¿QGHQ 6LH 9HUDQVWDOWXQJVKLQZHLVH UXQG XP GDV
                                                       Thema Behinderung in Münster - z.B. Ausstellungen,
                                                       Vorträge, Theater, Sitzungstermine der Kommission
                                                       zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behin-
                                                       derungen
                                                       www.komm.muenster.org

           01/16
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
                                                                                                                   5

20 Fragen an Wilfried Brüggemann
                                     Heilpädagogische Familienhilfe

Wo ist Ihr Lieblingsort in Münster?
Ich liebe es, am Abend bei nächtlicher Beleuchtung auf
GHP 3ULQ]LSDOPDUNW ]X ÀDQLHUHQ 'LHVH PLWWHODOWHUOLFK
geprägte, prachtvolle Kulisse beeindruckt mich sehr.
Es ist schön zu wissen, dass diese Pracht durch enga-
gierte Bürger nach dem Krieg wieder erblühen konnte,
sonst wäre Münster so eine Stadt wie Essen geworden.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit am liebsten?
Meine große Leidenschaft ist das Theaterspielen und
alles was damit verbunden ist wie eine Rolle auszu-
füllen, Regie zu führen, ein Bühnenbild zu gestalten,
Licht- und Tontechnik, Plakatgestaltung usw.
Was würden Sie einem Besucher in Münster un-
bedingt zeigen?
Alt Kinderhaus, die St. Josef-Kirche mit der alten Mau-
er zum ehemaligen abgegrenzten Aussätzigen-Gebiet
von Münster und damit verbunden würde ich einen               „Ist 'ne lange Reise, halten vielleicht irgendwo, trinken
Spaziergang am Kinderbach machen, Richtung Wald-              HLQHQ 6FKRSSHQ DEHU VLQG QLFKW DXI]XKDOWHQ ÀLHJHQ
schule und auf dem Rückweg das Lepramuseum dort               haben Flügel, sind nicht aufzuhalten.“
an der Mauer besuchen.                                        Was verzeihen Sie sich am ehesten?
Was würden Sie einem Besucher auf keinen Fall                 Ein Missgeschick.
zeigen?                                                       Was verzeihen Sie anderen Menschen am ehes-
Ich wüsste nicht, was in Münster nicht sehenswert ist,        ten? Ein Missgeschick.
auch wenn es unschöne Ecken gibt. Alles hat seinen            Wenn Sie eine Superkraft aussuchen könnten,
Reiz und gehört zu Münster.                                   welche wäre es?
Was ist für Sie vollkommenes Glück?                           Die von Superman, ich könnte überall auf der Welt für
,P 6FKHLQZHUIHUOLFKW QDFK HLQHU $XϑKUXQJ GHQ $S-       )ULHGHQXQG2UGQXQJVRUJHQDOOH:DϑHQPLWPHLQHQ
plaus entgegenzunehmen.                                       Laseraugen zu Aschehäufchen verwanden.
Was macht Ihnen Angst und Sorgen?                             :HQQ6LH(XUR¿QGHQZUGHQZRIUZU-
Das nicht enden wollende Leid von Menschen, ausgelöst         den Sie das Geld ausgeben?
und verursacht durch Menschen anderer religiöser Ge-          Erst einmal würde ich es zum Fundbüro bringen und
sinnung oder anderer Macht- oder Wirtschaftsinteressen.       KRϑHQ GDVV HV NHLQHU DEKROW XQG ZHQQ LFK HV GDQQ
Was wollten Sie immer mal machen, haben sich                  bekäme, würde ich meine Familie und Freunde zu ei-
aber (noch) nicht getraut?                                    nem Gartenfest einladen.
Eine Weltreise über mehrere Monate oder ein Jahr.             Welches Tier wären Sie gerne?
Welchen anderen Beruf würden Sie gerne mal                    Ein Gamsbock, der Herr der Berge, der leichtfüßig von
ausprobieren? Theaterintendant.                               Fels zu Fels springt und die Mose und Flechten und Grä-
Welchen Beruf würden Sie nie ausführen wollen?                ser im Hochgebirge schätzt und die Pracht der Berge in
Proktologe.                                                   der Abendsonne mit seiner liebsten Gams genießt.
Was ist Ihr Lieblingsgericht?                                 :DVPVVWHPDQQRFKHU¿QGHQ"
Eines meiner Lieblingsgerichte ist: Gebratene Zucchini        Das „Beamen“ von einem Ort zum Anderen
mit Schalotten, an einer Sahne-Dill-Soße mit Räucher-         Haben Sie Geschwister? Haben Sie eine Erinne-
lachs und Penne Rigate Nudeln, als Nachtisch gekoch-          rung an einen besonderen Moment?
ter Schokoladenpudding mit Vanillesahne.                      Ich habe drei Geschwister und ich erinnere mich gerne
Wer waren die Helden Ihrer Kindheit?                          an einen gemeinsamen Urlaub auf Norderney, wo wir
Flipper, Daktari und Skippy, das Buschkänguru.                gemeinsam mit unserem Vater eine große Sandburg
Wer sind heutzutage Ihre Helden?                              gebuddelt haben und diese mit Muscheln prachtvoll
Malala Yousafzai (das Mädchen, welches von den Tali-          auskleideten, zum Erstaunen und Bewundern aller
EDQEHLHLQHU%XVIDKUWLQGHUgϑHQWOLFKNHLWIDVWXPJH-        Nachbarn – (Eine deutsche Besitznahme von 10m2
bracht wurde)                                                 Sandstrand in Form einer Trutzburg mit Verzierungen
Wie lautet Ihr Lebensmotto?                                   für den angemieteten Strandkorb).

                                                                                                                01/16
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
6

EINBLICK – die Vortragsreihe für Mitglieder,
Interessierte und Angehörige
Gern bin ich der Anfrage der Lebenshilfe Münster e.V. nachgekommen, einen Vortrag
zur Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung zu halten.
Dass zu dieser Thematik ein großes Interesse besteht, zeigte der volle Vortragsraum in der Geschäftsstelle
an der Windthorststrasse. Zwar spielte die EDV-Anlage uns zunächst einen Streich, doch erwies sich dies
vielleicht sogar als Vorteil, da sich ohne ein starres Korsett einer PowerPoint-Präsentation schnell ein reger
Dialog entwickelte.

Ich war wieder einmal überrascht, welch großes Vor-
wissen viele Eltern von Kindern mit Behinderungen               Im Herbst vergangenen Jahres ist unsere Vor-
zu derartigen komplexen juristischen Fragen bereits             tragsreihe „Einblick“ gestartet.
mitbringen. Allerdings wurde in der Diskussion schnell          Der Schwerpunkt der ersten Reihe lag auf so-
deutlich, dass das nachvollziehbare große Interesse,            zialrechtlichen Fragestellungen. Experten der
möglichst umfangreich Vorsorge nicht nur für sich,              Kanzlei Kaven – Voß – Moorkamp referierten
VRQGHUQDXFKIUGLHHLJHQHQ.LQGHU]XWUHϑHQVHLQH           zu den Themen „Volljährigkeit“, „Behinderten-
*UHQ]HQ ¿QGHW LQ GHU 7DWVDFKH GDVV GLH 5HFKWVLQV-       testament“ und „Vorsorgevollmacht und Pati-
titute Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und               entenverfügung“.
Patientenverfügung höchstpersönlicher Natur sind
und nicht von Eltern in Vertretung ihrer Kinder ab-             Als Selbsthilfe- und Elternvereinigung ist es
gegeben werden können. Hier stoßen die rechtlichen              uns ein großes Anliegen, Sie zu beraten, fach-
Möglichkeiten der Vorsorge an ihre Grenzen.                     lichen Beistand zu geben und Ihnen ein Forum
                                                                zum Austausch mit Anderen zu bieten.
Ich wünsche der Lebenshilfe Münster weiterhin viel
Erfolg und stehe gern erneut für vergleichbare Ver-             Wir freuen uns über Themenwünsche für Vor-
anstaltungen zur Verfügung.                                     träge und weitere Diskussionsrunden!

                                     Harald Moorkamp, LL.M.
                                               Rechtsanwalt
                                                                Vortragsreihe Einblick
                                   Fachanwalt für Sozialrecht

          01/16
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
                          7

                        01/16
GESCHWISTER - Lebenshilfe Münster
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
 8

                                         Familienbande
                                         mal anders!
  Oder...
  wie Lennart eine neue Familie fand
„Mir war auf den ersten Blick            sind sich weitestgehend einig, dass      der Kinder mit Behinderungen in
klar: das passt!“ – Astrid Brück         eine Familie der beste Ort für das       3ÀHJHIDPLOLHQ VWHWLJ JHZDFKVHQ
strahlt, wenn sie von ihrer ersten       Aufwachsen eines Kindes ist.             Die praktischen Erfahrungen wer-
Begegnung mit Lennart im Wohn-           Gerade für Kinder mit einer Behin-       den von allen Beteiligten als positiv
nest erzählt.                            derung oder chronischen Erkran-          bewertet. Immer wieder melden
Lennart, ein blonder Lockenkopf,         NXQJHQ LVW HLQH 3ÀHJHIDPLOLH GLH    VLFK 3ÀHJHHOWHUQ GLH JH]LHOW HLQ
war da fünf Jahre alt: die leibliche     Alternative zum Wohnhaus oder            Kind mit Behinderung in ihrer Fa-
Mutter konnte sich aufgrund psy-         Intensivstation.                         milie aufnehmen möchten.“
chischer Probleme nicht mehr um
ihren Sohn kümmern, der Vater            Wenn sich Menschen mit der Über-         So ähnlich lief es auch bei Familie
war unbekannt.                           legung beschäftigen, ihre Familie        Brück aus Dülmen, bei der Lennart
                                         ]X HUZHLWHUQ LQGHP VLH HLQ 3ÀH-    mittlerweile seit über fünf Jahren in
                                         gekind aufnehmen, tauchen neben          3ÀHJHOHEWXQGGHUDXVGHP)DPL-
Pflegekind = Findelkind?                  Vorfreude auch Unsicherheiten und        lienalltag nicht mehr wegzudenken
                                         )UDJHQ DXI Ä'LH SRWHQWLHOOHQ 3ÀH-   ist. An einem kalten Wintermorgen
/HQQDUW LVW NHLQ (LQ]HOIDOO Ä3ÀH-   ge-Familien fragen sich, welchen         sitzen Astrid und Heiner Brück in
gekinder“ entsprechen meist nicht        ,Rucksack‘ das Kind aus seiner           ihrem gemütlichen Wohnzimmer,
dem Mythos eines Findelkindes,           Herkunftsfamilie mitbringt und ob        blättern im Familienalbum und er-
das keine Eltern mehr hat. Ein           sie selber die richtigen Vorausset-      zählen von ihren Kindern. Beide
3ÀHJHNLQGNDQQVHFKV0RQDWHRGHU        ]XQJHQ KDEHQ HLQ .LQG LQ 3ÀHJH    sind noch braungebrannt vom letz-
sechs Jahre alt sein, es kann engen      aufzunehmen“, berichtet Andrea           ten Urlaub auf den Kanaren, bei
Kontakt zu seinen leiblichen Eltern      6SOLHWKRϑ GLH IU GHQ Verbund        dem Lennart selbstverständlich mit
haben oder gar keinen, es kann           sozialtherapeutischer Einrichtun-        von der Partie war.
eine Behinderung haben oder keine        gen (VSE) 3ÀHJHIDPLOLHQ YHUPLW-
– allen ist gemein, dass ihre leibli-    telt und betreut. Ihr besonderer         Familienzuwachs zum Ersten
chen Eltern zeitweise nicht mehr in      Schwerpunkt ist hierbei die Ver-
der Lage sind, sich selber um sie        mittlung von Kindern mit Behin-          'LH,GHHHLQ3ÀHJHNLQGPLW%HKLQ-
zu kümmern. Jugendhilfen, Inte-          GHUXQJLQ3ÀHJHIDPLOLHQÄ,QGHQ       derung aufzunehmen, kam Astrid
ressensverbände und sogar Politik        vergangenen Jahren ist der Anteil        und Heiner Brück bereits 2005.

           01/16
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
                                                                                                               9

„Da sind unsere beiden älteren            Familienzuwachs zum Zweiten           'LHHUVWHQ7UHϑHQPLW/HQQDUWIDQ-
Söhne Thomas und Mark ausgezo-                                                  den ausschließlich im Wohnnest
gen und nur noch Johanna, unsere          Irgendwann wurde Johanna, die         statt: „Lennart deckte für uns den
Jüngste, war da. Ganz ehrlich, das        leibliche Tochter, selbstständiger    Tisch und ließ uns irgendwann in
war uns zu ruhig und zu langwei-          und das Haus für die Brücks und       sein Zimmer, in seine Höhle. Wir
lig!“, erinnert sich Astrid Brück und     Natalie somit wieder zu ruhig: „Au-   haben schnell gemerkt, dass es
ihr Mann lacht. Sie ist ausgebildete      ßerdem hatten wir ja noch immer       auch von seiner Seite aus passt.“
Heilpädagogin und arbeitet in einer       ein Zimmer frei!“, erinnert sich      In kleinen Schritten wurde Lenn-
stationären Einrichtung für Frauen        Heiner Brück.                         arts Umzug vom Wohnnest nach
mit einer geistigen Behinderung,          Die Entscheidung, ein weiteres        Dülmen vorbereitet. In der An-
er ist in Frührente. Nach Rückspra-       .LQG LQ 3ÀHJH ]X QHKPHQ ZDU    bahnungsphase konnten sich der
che mit Tochter Johanna besorgten         schnell gefällt. Und dann erfuh-      lebendige und aktive Lennart und
sich die beiden Informationsma-           ren sie über den VSE von Lennart,     die eher zurückhaltende Natalie an
terial vom VSE, die Entscheidung          dem fünfjährigen Jungen aus dem       einem neutralen Ort kennenlernen.
ZDU GDQQ VFKQHOO JHWURϑHQ Ä:LU      „Wohnnest“ der Lebenshilfe auf der    Die Brücks fuhren mit den Kindern
konnten uns eigentlich auf Anhieb         Suche nach einem neuen Zuhause.       zum Freizeitpark Kettelerhof, wo
vorstellen, ein Kind aufzunehmen“,
erläutert Heiner Brück, seine Frau
ergänzt: „Es gibt ja eine Vorberei-
tungsphase, die hat bei uns 9 Mo-
nate gedauert – quasi das Pendant
zur Schwangerschaft! Am Ende
der Vorbereitungsphase haben wir
GDQQ HLQ 3UR¿O HUVWHOOW :LU NRQQ-
ten angeben, welches Alter das
3ÀHJHNLQG KDEHQ VROO LQ ZHOFKHU
Wohnsituation wir leben und so
weiter. Uns war aber hauptsächlich
wichtig, dass das Kind in unser Fa-
miliensystem passt, vor allem na-
türlich zu Johanna – und dass es
genauso gern in den Urlaub fährt
wie wir!“.

Schließlich kam Natalie in die Fa-
milie, ein Mädchen im 5. Schuljahr,
das aufgrund seiner zarten Statur
locker auch als Erstklässlerin hätte
durchgehen können. Nach einem
vorsichtigen Kennenlernen zeigte
ein erster gemeinsamer Urlaub,
dass Natalie und die Brücks gut
zusammenpassen. Die leiblichen
Eltern, die mit psychischen Prob-
lemen zu kämpfen hatten, hielten
weiterhin engen Kontakt zu ihrer
Tochter. Für Astrid Brück war das
kein Problem: „Man darf die Her-
kunftsfamilie nicht als Konkur-
UHQ]DXϑDVVHQ:LHLQ1DWDOLHV
Fall haben wir unsere Rolle
auch eher als familienergän-
zend, nicht als familienerset-
zend gesehen – bei Lennart ist
GDVDQGHUV³

                                                                                                            01/16
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
10

                           sich alle erst einmal mit genügend Platz austoben konnten.
                           Beim anschließenden Abendessen bei McDonalds dann „war die Sache geritzt“, be-
                           schreibt es Astrid Brück mit einem Augenzwinkern.

                           Vom Wohnnest nach Dülmen

                           Für Lennart war der Umzug vom Wohnnest nach Dülmen trotz allem nicht leicht.
                           Zwar entschied er sich freiwillig zu seiner ersten Nacht bei den Brücks, aber „Heim-
                           weh“ zu seinen Freunden aus dem Wohnnest und insbesondere zu seinen Betreuern
                           plagte ihn dennoch.
                           Um den Abschied für Lennart zu erleichtern und ihm das erneute Gefühl von Verlust
                           zu ersparen, fuhr sein Betreuer aus dem Wohnnest kurzerhand nach Dülmen. Dieser
                           Besuch aus dem „alten“ Zuhause half Lennart dabei, in seinem „neuen“ Zuhause
                           anzukommen.
                           Beim Blättern durch das Fotoalbum wundern sich die Brücks, wie schnell die Zeit
                           vergangen ist. Heute ist Lennart ein großgewachsener Junge, die blonden Locken
                           sind geblieben. Er geht in eine Förderschule und verabredet sich in seiner Freizeit mit
                           Schulkameraden zum Spielen.
                           Vor allem das erste Jahr war sehr zeitintensiv: nur langsam stellte sich heraus, was
                           Lennart in seiner Herkunftsfamilie erlebt haben muss und welche Auswirkungen dies
                           auf seine Entwicklung hat.

Herr Brück sieht es gelassen: „Am Anfang muss man viel investieren, aber dafür ist es später dann umso
HQWVSDQQWHU³%HL3UREOHPHQKROHQVLFKGLH%UFNV5DWEHL$QGUHD6SOLHWKRϑYRP96('LHEHVXFKWGLH)DPLOLH
LQUHJHOPl‰LJHQ$EVWlQGHQXQGHUNOlUWÄ3ÀHJHIDPLOLHQVLQGLQJHZLVVHP6LQQH|ϑHQWOLFKHµ)DPLOLHQXQGPVVHQ
mit dem Jugendamt bzw. mit uns zusammenarbeiten. Wir sehen die Besuche aber nicht als Kontrolle an, sondern
vielmehr als ein Unterstützungsangebot.“
Die Entscheidung, Kinder mit Behinderung in ihrer Familie aufzunehmen, hat Familie Brück nie bereut:
„Mit Natalie und Lennart haben wir tollen Familienzuwachs bekommen und so viele besondere und schöne Momente
erlebt, das würden wir nicht missen wollen.“ Gäbe es aus ihrer Sicht eine besondere Voraussetzung, Kinder mit
Behinderung in Familien aufzunehmen? „Die Entscheidung muss eine Familienentscheidung sein, das ist ganz
wichtig. Und am Anfang muss man Zeit und Geduld mitbringen. Alles andere kommt dann von selbst!“

     Netzwerk Pflegefamilien im VSE NRW e.V.
   Als Pflegeeltern unterstützen Sie ein Kind mit ei-    Kinder stellen eine Familie immer auf den Kopf!
   ner schwierigen Lebensgeschichte.                     Pflegekinder bringen neue und herausfordernde
   Kinder, die misshandelt oder vernachlässigt wur-      Themen mit.
   den und eine Behinderung haben, brauchen Be-
   zugspersonen, die einen stabilen Rahmen bieten        Darüber hinaus können Sie auch als Pädagoge/
   und denen sie vertrauen können.                       in Kindern und Jugendlichen Begleiter auf ihrem
                                                         Lebensweg sein. In einer sozialpädagogischen
      Sie sind uns als Pflegeltern willkommen,           Lebensgemeinschaft üben Menschen mit unter-
      wenn Sie:                                          schiedlichen Professionen und Weiterbildungen ih-
    einem Kind eine Chance und ein Zuhause
   ¼                                                    ren Beruf zu Hause aus.
    geben wollen
    Zeit, Geduld, Optimismus, Lebenserfahrung
   ¼                                                    Informationen finden Sie auf unserer Homepage
    und Humor haben ggf. erzieherische, päda-            unter: www.vse-nrw.de
    gogische oder pflegerische Erfahrung mit-            Ansprechpartnerinnen in Münster für Fragen und
    bringen                                              Informationen:
    eine Familie, ein Paar oder eine Einzelperson
   ¼                                                    Andrea Spliethoff und Cathrin Schipp:
    sind                                                 (0251) 656 4420

          01/16
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
                                                                                                               11

»Ich lasse mich nicht unterkriegen,
solange Worte meine Wut besiegen«
Ein Interview mit Selina Spetter
              über ein Leben mit dem FAS

Liebe Selina, wir treffen uns heu-    eine Biographie zu schreiben?
te, weil du ein Buch geschrieben        Das war 2014, das war eine har-
hast. Kannst du zuerst mal kurz         te Zeit für mich, sehr stressig,
erzählen, worum es in dem Buch          vor allem die Arbeit. Zu meiner
geht?                                   ehemaligen Lehrerin von der Re-
 Ich habe meine Biographie ge-          genbogenschule hatte ich immer
 schrieben, über das FAS, wie ich       noch guten Kontakt. Die hat mir
 das erlebt habe und wie ich da-        vorgeschlagen, alles, was mich
 mit umgehe.                            an der Arbeit nervt, einfach mal
                                        aufzuschreiben. Das wollte ich
Kannst du erklären, was das FAS         zwar nicht so gerne, aber so bin
ist?                                    ich auf die Idee gekommen, über
 FAS steht für Fetales Alkohol-         das FAS zu schreiben. Das ist in
 syndrom. Es ist eine angeborene        der Gesellschaft noch viel zu un-
 Behinderung, die dann entsteht,        bekannt.
 wenn die Mutter während der
 Schwangerschaft Alkohol trinkt       Wie heißt dein Buch?
 und dann verschiedene Prob-           Mein Buch heißt »0HLQ /HEHQ PLW GHP )HWDOHQ $ONRKROV\QGURP
 leme auftauchen. Zum Beispiel         ± ,FK ODVV PLFK QLFKW XQWHUNULHJHQ VRODQJH :RUWH PHLQH :XW
 eine geistige Behinderung oder        EHVLHJHQ«. Das ist meine Biographie von meiner Geburt an bis ich 19
 psychische Verhaltensauffällig-       war, und außerdem Songtexte, die ich selber geschrieben habe. Diese
 keiten. FAS ist nicht heilbar. Die    Songtexte haben mir, in verschiedenen Situationen, geholfen, mit mei-
 Symptome kann man lindern, so         ner Wut umzugehen, oder mit meinen Gefühlen, wenn ich anders nicht
 dass sie nicht mehr ganz so stark     ausdrücken konnte. Die sind auch manchmal etwas heftig.
 sind, aber die Krankheit bleibt,
 auch mit Rückfällen.                 »,FKKDEHPLU0KHJHJHEHQGLUGDVDOOHV]XHUNOlUHQDEHU
 Viele Betroffene sind geistig        LFKJODXEHGXZLUVWHVQLHYHUVWHKHQ
 eingeschränkt und können kein        9RUEHLLVWGLHVFK|QH=HLW]ZLVFKHQXQV
 selbstständiges Leben führen.        doch ich habe noch diesen einen Wunsch:
 Es gibt aber auch die, die geistig   /DVVXQVLQ)ULHGHQDXVHLQDQGHUJHKHQ
 gesund sind und die eine norma-      GHQQLFKP|FKWHQLFKWVFKRQZLHGHULQGHQ.ULHJ]LHKHQ«
 le Intelligenz haben, aber psy-
 chisch verhaltensauffällig sind –    In deiner Biographie schreibst du sehr offen über dich selbst und deine
 so wie ich.                          Probleme – das liest man nicht sehr häufig.
                                      »,FKVFKULHVLHDQÄ,FKKDVVHGLFK³6LHVDJWHÄ*XWGDQQkannst
Ich kenne Biographien nur von al-     du dir eine neue Familie suchen“. Ich antwortete nicht. Ich wollte
ten Leuten - so alt siehst du aber    VLHQLFKWYHUOHW]HQHVWDWPLU/HLGGDVVLFKVLHDQVFKULH,FKOLHE-
gar nicht aus!                        WH VLH GRFK $OVR YHUOHW]WH LFK PLFK VHOEVW ,FK VFKOXJ PLFK ELVV
 Nein, ich bin noch 21 Jahre alt      PLFKXQGNUDW]WHPLFKELVHVEOXWHWH«
 und werde bald 22.                     Ich möchte mit meiner Biographie ja darauf aufmerksam machen, was
                                        FAS bedeutet. In der Pubertät war ich ziemlich aggressiv, sowohl an-
Und wie bist du in deinen jungen        deren gegenüber als auch zu mir selbst. Heute ist das glücklicherweise
Jahren auf die Idee gekommen,           etwas besser.

                                                                                                             01/16
LEBENSHILFE ALLGEMEIN
12

Woran liegt das?                      Hast du denn auch einen Traum-          sich vor vielen Jahren getrennt,
 Ein fester Tagesablauf ist wichtig   job?                                    zu meinem Pflegevater habe ich
 für mich, den habe ich jetzt. Der     Früher ja. Ich wollte in einer Bi-     keinen Kontakt mehr. Dafür aber
 steht auch hinten im Buch. Die        bliothek arbeiten, als Fachange-       zu meinen zwei Pflegebrüdern.
 neue Arbeitsstelle, die ich habe,     stellte für Medien- und Informa-       Meine großen Brüder!
 ist auch besser. Viel ruhiger und     tionsdienste, aber da habe ich
 viel entspannter. Da möchte ich       mit meinem Hauptschulabschluss         Wenn du deine leibliche Mutter
 erst mal bleiben, wenn es geht.       keine Chance gehabt. Ich habe es       noch einmal treffen könntest,
                                       oft versucht.                          was würdest du ihr sagen?
                                                                              Ich habe ihr schon mal einen
                                      Denkst du denn darüber nach,            Brief geschrieben, vor ein paar
 6 Uhr                                vielleicht noch einen Realschulab-      Jahren. In dem Brief habe sie vor
  Aufstehen, Waschen, Anzie-          schluss nachzuholen?                    allem gefragt, warum sie in der
  hen, Frühstücken, Brote für die      Nein, das wäre mir zu stressig.        Schwangerschaft getrunken hat.
  Arbeit schmieren.                    Von meiner Intelligenz her würde       Da kam bis heute keine Antwort.
 6:30 Uhr                              ich das schaffen, aber ich würde       Es ist bestimmt schwierig für sie,
  Mit dem Bus zur Arbeit fahren        mich selber so stark unter Druck       aber blöd find ich das trotzdem.
  (bei schönem Wetter mit Fahr-        setzen.
  rad 7 Uhr)                                                                 In einer Studie der Charité in Ber-
 8-15 Uhr                             Deine leiblichen Eltern sind Alko-     lin haben 58 % der Schwangeren
  Arbeit                              holiker, du bist direkt nach der Ge-   angegeben, während der Schwan-
 16 Uhr                               burt erst ins Krankenhaus, dann        gerschaft noch gelegentlich Alko-
  Essen, Zeitung lesen, Gruppen-      in eine Pflegefamilie gekommen.        hol zu trinken.
  dienst, Musik hören                 Hast du heute noch Kontakt zu           Ich möchte allen Frauen, die
 18 Uhr                               deiner Pflegefamilie?                   schwanger sind, einfach nur sa-
  Duschen, danach PC-Zeit              Ja, ich fahre manchmal am Wo-          gen, dass sie den Alkohol kom-
 19 Uhr                                chenende zu meiner Pflegemut-          plett weglassen sollen.
  Abendessen                           ter. Meine Pflegeeltern haben
 19:30 Uhr                                                                            Danke für das Gespräch!
  PC-Zeit oder Fernseher (je nach
  Programm)                           »Dezember 1994:
 20:15 Uhr                            Meine zukünftige Pflegefamilie erhielt einen Anruf vom Ju-
  Feste Fernsehzeit                   gendamt in Ahaus, dass dringend Eltern gesucht werden,
 Nach Fernsehprogramm                 für ein Kind das nicht ganz gesund war. Also fuhren meine
  Bis 22:30 Uhr lesen, ansonsten      Pflegeeltern ins Sauerland, um sich ein Bild von mir zu ma-
  Schlafenszeit                       chen. Meine Pflegeeltern haben sich sofort in mich verliebt.
                                      Sie sind das ganze Wochenende geblieben, haben mich ge-
                                      wickelt, gefüttert und mit mir gespielt. Sie wollten mich
                                      gerne aufnehmen...«

Wer Fragen zu Selina und ihrem Buch hat, kann ihr gerne schreiben. Sie freut sich über Mails
unter: s.spetter@web.de

Textauszüge aus:
Mein Leben mit dem Fetalen Alkoholsyndrom – ich lasse mich nicht unterkriegen,
solange Worte meine Wut besiegen
                                                                                      Selina Spetter, Münster 2016

          01/16
ELTERNGRUPPE
                                                                                                            13

Schlemmen und Plaudern
Der Himmel ist grau, die Temperaturen sind mau – wie kann man da einen Sonntag im Januar besser verbringen
als in netter Gesellschaft beim Brunchen? Das dachten sich auch rund 30 Mitglieder der Elterngruppe „Unser Kind
mit Down-Syndrom“, die mit ihren Kindern in das Schloßgarten-Café in Münster gekommen waren. Rund drei
Stunden wurde geschlemmt und geplaudert – dann waren das Buffet leer und die Mägen voll.
                                                                                              Matthias Tonhäuser

Onlinespende
Auf unserer Homepage www.lebenshilfe-muenster.de haben Sie jetzt die Möglichkeit, ganz schnell und bequem
zu spenden – einfach per Mausklick! Sie können Ihren Spendenbetrag natürlich frei wählen, auf Wunsch eine
Spendenquittung anfordern und per Lastschrift oder PayPal zahlen.
Mit jeder Spende tragen Sie dazu bei, dass die Lebenshilfe Münster Angebote und Freiräume schaffen kann, die
Menschen mit geistiger Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben ermöglichen.

Ob online oder auf „traditionellem“ Wege:
                    Wir freuen uns über Ihre Unterstützung!

                                                                                                         01/16
THEMA GESCHWISTER
14

     Meine Schwester
     ist die beste
     Schwester
     der Welt

Katharina, meine Schwester mit Down-Syndrom, woll-          mich zu wecken. Fotos zeigen ihr freudiges Grinsen
te gerne einen Artikel zur Themenreihe Geschwister          und meine vom kleinen Schrecken weit aufgerissenen
schreiben. Also haben wir uns an einem Sonntagmit-          Augen. Erinnern kann ich mich nicht. Aber ich erinnere
tag zusammengesetzt und Ideen gesammelt.                    mich, dass meine große Schwester mich beschützt hat
                                                            und mich getröstet hat, wenn ich Angst hatte.
„Katha, was möchtest du schreiben?“ „Schwästa kann          „Meine beste Schwästa ist glücklich und sehr gut, weil
gut lesen, kann gut schreiben, kann gut mit mir kochen,     Schwästa glücklich mit mir ist“, sagt sie. Da kann ich
kann gut Auto fahren, kann gut lernen für die Uni, kann     sie nicht zurückhalten, die Freudentränen. Es ist ein
gut mit dem Computer umgehen“ fängt sie an aufzu-           wunderbares Gefühl, dass jemand so stolz auf mich
zählen. Ich notiere...                                      ist!
„Ok, was machen wir denn immer zusammen?“ „Essen            Aber auch ich bin stolz auf meine kleine, große, bes-
gehen! Gemeinsam Urlaub am Strand mit Eis essen!            te Schwester. Wenn sie sich freut, geht mir das Herz
Stadt bummeln! Gemeinsam Schwimmen gehen mit                auf. Steht sie mit ihrer Tanzgruppe auf der Bühne und
Bronze und Silber!“ Das stimmt! Für beide Schwimm-          zeigt freudestrahlend, was sie geübt hat, werden mei-
abzeichen haben wir zusammen geübt. „Und Freuden-           ne Augen jedes Mal feucht.
tränen“ „Wie Freudentränen? Das musst du mir genau-
er erklären.“, hake ich nach. „Wenn du sehr froh bist“,     Ich heiße Hannah, bin 23 Jahre alt und studiere Son-
erklärt sie. Recht hat sie… Meine große Schwester           derpädagogik in Köln. Aber von Katharina werde ich
scheint mich gut zu kennen.                                 nie so genannt. Für meine große Schwester bin ich
„Ok, was möchtest du noch schreiben?“ „Gemeinsam            nur „Schwästa“. Keine Ansprüche, keine Kritik. Bei
ins Theater und DVD gucken! Und Sprachnachrich-             ihr kann ich sein wie ich bin. Einfach „Schwästa“.
ten!“ Seit Katharina ein Smartphone mit Whatsapp
hat, scheint die Entfernung zwischen Kathas Wohn-                                 Katharina (26) und Hannah (23) Bendel
heim in Münster und meinem Studienort Köln stark
geschrumpft.
Doch der Wunsch, mich dort zu besuchen, ist stets ak-
tuell: „In Köln möchte ich mit dir auf das Konzert von
Silbermond gehen und Essen gehen und shoppen! Mit
Schlaffest!“ Schlaffest… Ein Dauerbrenner auf Kathas
Wunschliste! Endlich wieder nebeneinander einschla-
fen und aufwachen! Wie früher…
„Ich hab deinen Kinderwagen geschoben! Und das Bett
war zu eng!“ Ich muss lachen. Als ich noch klein war, ist
Katha jeden Morgen in mein Gitterbett geklettert, um

           01/16
THEMA GESCHWISTER
                                                                                                         15

GESCHWISTER...
       Ein Bericht
Meine erste Erinnerung an meinen Bruder Jasper ist im Krankenhaus, auf dem Arm von meiner
Mutter. Jasper ist 2 ½ Jahre jünger als ich. An die Zeit, wo er noch nicht sprechen konnte, kann ich
mich nicht mehr erinnern. Später, wo er sprechen und laufen konnte, habe ich viele Erinnerungen.

Wir haben einen Spielkeller, wo wir zusammen getobt
haben.
Wir sind dort auf dem Trampolin gehüpft und haben an
der Kletterwand geklettert, geschaukelt und Radio ge-
hört. In meinem Zimmer haben wir mit Instrumenten
auf meiner Bühne Musik gemacht.
Wir haben uns mit dem Kassettenrecorder aufgenom-
men und mit dem Camcorder gefilmt. Wir haben früher
viel gelacht zusammen.
Wir haben Kasperletheater gespielt und Augsburger
Puppenkiste geguckt.
Heute machen wir weniger zusammen, weil wir älter
und selbständiger sind.
Ich finde das schade.
Ich weiß aber, dass Jasper trotzdem immer für
mich da ist.

                                        Jodokus Hackert

Reden, ohne viel erklären zu müssen, sich ungestört mit anderen austauschen: Das geht jetzt im
„GeschwisterNetz – gemeinsam stark“, einem sozialen Online-Netzwerk für erwachsene Geschwister
von Menschen mit Behinderung. Ende vergangenen Jahres hat die Bundesvereinigung der Lebens-
hilfe das Projekt gestartet, um erwachsenen Geschwistern eine geschützte Plattform zu bieten.

Ähnlich wie bei anderen Online-Netzwerken wie Facebook kann man ein eigenes Profil anlegen, Fotos hochladen
und, falls gewollt, persönliche Informationen veröffentlichen. Das Besondere ist aber: Anmelden kann sich
nur, wer eine Einladung anderer Geschwister bekommen hat, die schon Mitglied im Netzwerk sind.
Eine solche Einladung kann man auf der Startseite unkompliziert beantragen.

Für diese „Vorsichtsmaßnahme“ gibt es einen guten Grund: Im Vorfeld der Netzwerkentwicklung fand ein Work-
shop mit erwachsenen Geschwistern statt. Hier wurde der ausdrückliche Wunsch der Teilnehmer deutlich, dass
sich nur Gleichgesinnte im Netz bewegen und nicht beispielsweise Eltern mitlesen können.
Neben dem geschlossenen Bereich gibt es allerdings auch einen offenen Bereich, in dem häufig gestellte Fragen
beantwortet werden sollen. Hier geht es vor allem um die Themen Wohnen, Freizeit und Erben.
Außerdem gibt es einen öffentlichen Veranstaltungskalender, in dem deutschlandweit „Geschwister-
Stammtische“ eingetragen sind, z.B. in Köln.

                                        www.geschwisternetz.de

                                                                                                       01/16
THEMA GESCHWISTER
16

Nicht mehr wie früher
Wir sind eigentlich drei Geschwister:
Wir, Freddy und Carmela, und Claudio, der Jüngste

Als wir beide zehn bzw. neun Jah-
re alt waren, sind wir aus unserer
Familie ins Heim gekommen, nach
Angelmodde. Wir können uns beide
noch gut daran erinnern, dass es
am ersten Tag Hähnchen mit Pom-
mes und Tomatensalat gab. Claudio
war da erst fünf Jahre alt und ist in
ein Heim nach Handorf gekommen.
Erst mal hatten wir keinen Kontakt,
das war nicht möglich. Später ha-
ben wir Claudio dann auch leider
nur selten gesehen.

Irgendwann, als wir um die 20 wa-
ren, sind wir in getrennte Wohnun-
gen gezogen. 2001 ist auch Claudio
in eine Außenwohngruppe gekom-
men – ab da konnten wir wieder
regelmäßig Kontakt haben. Es war
sehr schön, endlich den kleinen
Bruder wiederzuhaben. Wir haben
uns gegenseitig besucht, manch-
mal haben wir zusammen „Alarm
für Cobra 11“ geguckt und wir wa-
ren viel spazieren.

Claudio war ein ganz lieber Mensch,
sehr hilfsbereit, sehr locker, offen,
hatte viele Freunde, der war mit
der halben Werkstatt befreundet.
Am 3. August 2011 ist Claudio bei
einem Urlaub in Österreich verun-
glückt. Das war ein Schock für uns.
Wir wissen beide noch genau, was
wir an diesem Tag gemacht haben.
Als wir von dem Unfall erfahren ha-
ben, konnten wir es nicht glauben.
Die Beerdigung war sehr traurig.
Aber es hat uns gefreut, dass so viele Leute da waren, die uns getröstet haben. Es war dann in den Tagen danach
ganz schön hart, die Wohnung von Claudio auszuräumen.

Jetzt vermissen wir Claudio immer noch total. Das Leben ohne ihn ist nicht mehr wie früher. Wir sind durch
diese Erfahrung enger zusammengekommen, auch wenn es anders ist also vorher: jetzt sind wir nur noch zu
zweit. Aber wenn die Sonne da ist, ist Claudio da. Er beschützt uns.
                                                                                        Freddy und Carmela Talarico

           01/16
THEMA GESCHWISTER
                                                                                                                  17

GESCHWISTER zu haben,
ist was Tolles!
Ich bin das Nesthäkchen in unserer Familie. Ich habe zwei ältere Brüder. Sie heißen
Björn und Thomas.

Früher, als ich ein Baby war, haben sie mich in den
Arm genommen. Manchmal haben sie mich auch
gefüttert. Später haben sie mit mir gespielt und
mir vorgelesen. Wenn ich mal krank war, haben sie
sich um mich gekümmert. Sie sind auch heute im-
mer für mich da.

Leider wohnen sie jetzt nicht mehr zuhause. Tho-
mas wohnt in Dortmund und ist dort Pfarrer. Björn,
mein älterer Bruder ist Lehrer und wohnt in Herford.
Er ist verheiratet und hat 3 Kinder. Ich bin stolze
Tante.
Thomas kommt öfter mal zu uns nach Münster.
Björn sehe ich nicht so oft. Aber wenn wir uns se-
hen, nehmen wir uns erstmal in die Arme. Ich habe
meine Brüder sehr lieb. Die zwei sind meine
Lieblingsbrüder.
                                         Kerstin Böhmert

Geschwister: in guten und in schlechten Zeiten!
Zum Thema „Geschwister“ hat Kai Ackermann zwei Bilder gemalt, die uns zeigen: es gibt mal gute, mal schlechte
Zeiten! Auf der linken Seite seht ihr die Originale von Kai, auf der rechten Seite fast die gleichen Bilder. Aber hier
haben sich jeweils vier Fehler eingeschlichen! Könnt ihr sie finden?
THEMA GESCHWISTER
18

  BRÜDER

Vor kurzem fragte ich meine Söhne Henry (10) und Yul (8), wie sich ihr Leben verändert habe, seit
Remy (1) auf der Welt ist. Beide antworteten fast gleichzeitig, es sei besser geworden. Weil Remy so
lustig und süß sei und sie viel Spaß mit ihm hätten.

Ihre Antwort freute mich und be-       waren fast durchweg angetan von         der bis heute nicht aufgehört hat,
stätigte meinen Eindruck.              ihm und schnell bildete sich eine       „behindert“ als Schimpfwort zu ver-
Bei Remys Geburt waren seine bei-      Traube um den Kinderwagen. In           wenden, fiel bei Yul dauerhaft in
den Brüder schon sieben und neun       der Mitte der lachende Remy. Die        Ungnade. Mehrfach hat Yul schon
Jahre alt. Also in einem Alter, in     Aufmerksamkeit gefiel den großen        versucht, ihm zu erklären, dass
dem sie viele Fragen hatten und        Brüdern.                                er das nicht möchte, da er einen
viele Erklärungen brauchten, um zu     Natürlich läuft nicht alles so glatt.   behinderten Bruder hat. Seine an-
verstehen, was das mit dem Down-       Ein unbelehrbarer Klassenkamerad,       fängliche Verunsicherung ist einem
Syndrom auf sich hat. Anfänglich
waren sie betroffen und haben sich
viele Sorgen gemacht, so wie wir
auch. Doch immer wieder waren
sie ganz stolz und freuten sich
über jede neue Sache, die Remy
lernte.

Vor allem bei Yul, dem Jüngeren,
war viel Betroffenheit und Sorge zu
spüren. Er fragte sich, was Remy
wohl lernen würde und wie er spä-
ter leben könnte. Doch nach eini-
gen Wochen war er es auch der
sagte: „Ist gar nicht schlimm, dass
Remy Down-Syndrom hat. Wenn
er das nicht hätte, wäre er nicht so
süß!“
Beide baten mich immer wieder,
sie mit Remy von der Schule ab-
zuholen. Ihre Klassenkameraden

           01/16
THEMA GESCHWISTER
                                                                                                               19

Selbstbewusstsein gewichen, mit          In der Schwangerschaft mit ihm habe ich mir viele Sorgen gemacht, wie
dem er jeden darauf anspricht, der       es wohl wird mit zwei so großen Brüdern, die jetzt zurückstecken müssen,
diesen Ausdruck abwertend be-            weil ein Baby kommt. Als wir nach Remys Geburt erfuhren, dass er Down-
nutzt.                                   Syndrom hat, war ich mir zunächst nicht sicher, ob ich zukünftig allen
Und auch Henry, der nun auf der          gerecht werden könnte. Doch meine Sorgen waren unbegründet. Alle
weiterführenden Schule in einer In-      drei kommen zu ihrem Recht, können aber auch mal zurückstecken.
klusionsklasse ist, braucht nicht vie-   Dafür ist der Altersabstand ein großer Vorteil. Auch, wenn ich jetzt schon
le Erklärungen für die Unterschied-      bedauere, dass die beiden Großen schon flügge sind, wenn Remy mal so
lichkeit seiner Klassenkameraden.        alt ist, wie sie. Ich hoffe, dass sie sich dann immer mal wieder Zeit neh-
Er hat verstanden, dass Menschen         men werden, etwas mit ihm zu unternehmen.
sehr verschieden sein können und                                                                    Merle Weidemann
unterschiedlich viel Unterstützung
benötigen. Beide wirken in diesem
Bereich enorm gereift und gleich-
zeitig ist es mittlerweile selbstver-
ständlich für sie.

Auch Remy genießt seine Brüder
sehr. Wenn sie nach Hause kom-
men, begrüßt er sie stürmisch und
voller Begeisterung. Darf er dann
noch eine Weile in ihren Zimmern
rumrollen und ihr Spielzeug haben,
ist er höchst zufrieden. Die Großen
spielen dann auch gerne mit ihm
oder albern mit ihm rum. Wird es
ihnen doch mal zu viel, sagen sie
mir einfach Bescheid.

Nach gut einem Jahr kann ich
nun sagen, dass ich für alle drei
Kinder eine große Bereiche-
rung sehe. Die Großen sind sehr
liebevoll und nachsichtig, feuern
Remy ausdauernd an und spie-
len manchmal recht wild mit ihm,
was er sehr gerne hat. Jeder neue
Entwicklungsschritt wird gefeiert
und immer wieder höre ich: „Das
macht er doch total gut, dafür dass
er Down-Syndrom hat.“ Remy ge-
nießt ihre Nähe und Zuwendung
sehr und wird durch die Impulse,
die sie ihm geben, ganz anders ge-
fordert als durch die Dinge, die wir
als Eltern mit ihm machen. Manch-
mal machen sie sich aber auch
einen Spaß daraus, seine Pausba-
cken zusammen zu drücken, so
dass die lustigsten Schnuten ent-
stehen, was bei seinen hypotonen
Muskeln besonders gut geht. Oder
sie kämmen ihm die Haare zu den
unmöglichsten Frisuren und krin-
geln sich dabei vor Lachen. Wie
große Brüder eben so sind.

                                                                                                             01/16
FREIZEIT
20

Ein Samstag in Brühl
Samstags ausschlafen?
Muss man gar nicht immer.
Man kann sich auch früh morgens auf den Weg
machen, um neue Städte kennenzulernen.
Im Rahmen des Projektes „Inklusion in Europäischen Part-
nerstädten“ fand am Samstag, den 23. Januar, das nächste
Treffen nach dem tollen Besuch bei den Friedensspielen im
letzten Sommer statt. Und daher klingelte der Wecker früh
und der Bulli des Freizeitbereichs fuhr voll beladen in die
Rhein-Stadt. Brühl liegt nämlich zwischen Köln und Bonn.

Dort angekommen wurden wir mit der Europa-Flagge begrüßt
und durften sofort bei einer Stadtführung die schöne Innen-
stadt und das Schloss kennenlernen. Viele berühmte Men-
schen waren hier in den vergangenen Jahrhunderten zu Be-
such. Anschließend gab es ein ausgiebiges Mittags-Buffet.
Hier gab es auch die Möglichkeit, in gemütlicher Atmosphäre
die anderen Leute kennenzulernen. Niederländer, Englän-
der, Polen und Deutsche kamen ins Gespräch über die Stadt,
über das leckere Essen und gemeinsame Hobbys.
Sprachbarrieren wurden mit Händen und Füßen gemeistert.
Nach dem Mittagessen wurde gemeinsam eine Europa-Bank
gestaltet und die Stadt konnte eigenständig erkundet wer-
den. Am späten Nachmittag ging es zurück nach Hause.

Da der Tag lang und reich an Eindrücken war, verbrachte
der Großteil der Münsteraner Brühl-Besucher die Rückfahrt
schlafend. Aber keine Sorge – der Fahrer blieb wach und so
kamen alle heil, zufrieden und müde zu Hause an.

                                             David Krützkamp

                                       Family Club
                                       ... das ist unser neuer Treff für junge Familien mit Kindern mit Behinde-
                                       rung. Alle zwei Wochen können junge Mütter und Väter sich hier austau-
                                       schen, mit ihrem Kind toben und spielen oder einfach entspannen.
                                       Für alle Fragen rund um das Thema Behinderung steht eine Sozialpäd-
                                       agogin mit Rat und Tat zur Seite. Für Geschwisterkinder bis zum 5. Le-
                                       bensjahr gibt es parallel ein Betreuungsprogramm, sodass für die ganze
                                       Familie gesorgt ist!

                                       Unser Family Club freut sich natürlich immer über „Nachwuchs“! Bei
                                       Interesse melden Sie sich gerne bei mir:
                                         Stephanie Reiners
                                         stephanie.reiners@lebenshilfe-muenster.de

          01/16
FREIZEIT
                                                                                                              21

Ein Nachmittag im Dunkeln
„Was macht dir an der Freitagsgruppe besonders viel Spaß?“ – die Frage ist offensichtlich über-
flüssig, denn egal, ob man Mark, Katharina, Marcus, Marvin, Shannon, Maik, Osama, Max, Jodo-
kus, Frederik oder Ron fragt, ist die Reaktion gleich: „Ähh…alles natürlich!“.

Die neun jungen Erwachsenen tref-     kelheit“, weil man hier vieles er-     pe plötzlich im kleinen Kino-Saal
fen sich jeden Freitag um 14:00       tasten und erfühlen kann. Über         und schaut eine Dokumentation
Uhr. Sie fahren direkt nach der Ar-   einen Igel zu streicheln oder mit      über Dinosaurier. „Seid ihr alle
beit zur Alten Dechanei und star-     dem Flügel eines Bussardes zu          so Dinosauerier-Fans?!“ „Neee,
ten dort gemeinsam ins Wochen-        schlagen, ist hier kein Problem.       wir können nicht mehr stehen!“
ende. Schwimmen, Stadtbummel,         Marcus probiert aus, nur mit den       Ein wenig erschöpft, aber voll von
Kochen, Entspannung, Basteln,         Händen Gegenstände zu erraten          neuen Eindrücken begeben sich
Send… die Gruppe legt ihr Pro-        und hat dabei eine ziemlich gute       alle Richtung Ausgang. Als es aber
gramm für jedes Halbjahr selber       Trefferquote: „Zahnbürste“, „…         um die kommende Woche geht,
fest und sucht sich aus, was sie      ahhh, irgendwas mit einer Schrau-      sind alle plötzlich wieder hellwach
machen möchte. Da kann es na-         be? Eine Mutter!“ Maik probiert in     und voller Vorfreude: „Wir gehen
türlich auch mal zu Meinungs-         der Zwischenzeit aus, wie es ist,      Schwimmen!“
verschiedenheiten kommen, aber        mit einem Blindenstock den Weg
glücklicherweise gibt es so viele     zu finden, während Marvin in der       Der Freizeitbereich bietet von
Termine, dass jeder Wunsch er-        „Albtraum-Abteilung“ einen wasch-      montags bis freitags verschiede-
hört werden kann.                     echten Werwolf imitiert. Shannon       ne Freizeitgruppen für alle Alters-
                                      macht einen Test am interaktiven       klassen an. Wer Interesse hat und
Heute geht es ins Naturkunde-         Bildschirm und stellt fest, dass sie   noch eine Gruppe sucht, kann sich
museum: die Gruppe will gerne         „eher so der Abendtyp“ ist. Gegen      im Freizeitbereich melden!
in die Ausstellung „Leben in Dun-     halb vier sitzt die ganze Grup-
                                                                                               Rundbrief-Redaktion

                                                                                                           01/16
FREIZEIT
22

Schrittwechsel

 Am 12. Dezember war in Münster das Tanz-Festival im Theater.

 Wir waren schon morgens da. Wir mussten den Auftritt mit den Scheinwerfern und dem Licht proben und mit der
 Musik. Außerdem haben wir mit allen anderen Tänzern zusammen noch den Tanz für das Finale geprobt.
 Um 19 Uhr ging es dann los. Wir von Schrittwechsel haben das Festival wieder eröffnet. Das Haus war ausver-
 kauft! Das Thema von unserem Tanz war „Grenzen“. Wir hatten schwarze Sachen an und sind immer in verschie-
 dene Ecken gelaufen. Dann haben wir so getan, als würden wir über Wände streichen. Eigentlich waren die Wän-
 de aber unsichtbar. Unser Auftritt ist perfekt gelaufen. Wir haben sehr viel Applaus bekommen. Am Ende waren
 wir zum Finale noch mal auf der Bühne, da haben wir alle noch mal zusammen getanzt. Wir alle hatten Spaß!
 Am 29. Oktober ist übrigens das nächste Tanz-Festival (das Thema wird aber noch nicht verraten).
                                                                                                     Pia Humborg

 Der Teenie-Treff                                       ren oder spielen Boule. Einmal waren wir bei einem
                                                        Flashmob in der Stadt. Da haben viele Menschen
                                                        gemeinsam gesungen – und wir waren mittendrin!
                                                        Wir waren auch schon auf dem Weihnachtsmarkt
 Immer einmal im Monat am Samstag treffen wir           und am Aasee und haben Besuch von dem Hund
 uns von 10 Uhr bis 13 Uhr in der Geschäftsstelle.      Milly bekommen. Wir haben geplant, dass wir auch
 Wir sind eine Gruppe Jugendliche. Manche Jugend-       in den Zoo gehen wollen und wir möchten auch ke-
 liche kennen sich schon lange, es kommen aber          geln gehen.
 auch immer wieder neue Gesichter dazu. Man kann
 sich immer für ein halbes Jahr anmelden.               Mittags machen wir uns eine Kleinigkeit zu essen
                                                        für zwischendurch. Wir haben auch schon häufiger
 Wir unternehmen immer verschiedene Sachen, denn        gebacken. Wir machen es uns immer schön und
 wir entscheiden und planen selbst, worauf wir Lust     haben gute Laune.
 haben. Zum Beispiel spielen wir sehr gerne Uno und     Bei Interesse können Sie sich gerne im Freizeitbe-
 Bingo, wir basteln und hören gern Musik. Wir gehen     reich melden!
 aber auch gerne nach draußen und gehen spazie-                               Lukas Kuschmann und Eva-Maria Trost

        01/16
Sie können auch lesen