GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...
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KfH editorial Ihr Wohl im Mittelpunkt Am 7. Oktober 2019 jährt sich die hat. Dazu gehören beispielsweise die „50 Jahre. Gemeinsam. Für unsere Pa- Gründung des gemeinnützigen KfH durch das KfH realisierte flächende- tienten.“ Mit diesem Motto macht das Kuratorium für Dialyse und Nieren- ckende Dialyseversorgung, Innovationen KfH auf seine einzigartige Geschich- transplantation e. V. zum 50. Mal. Eine wie die Peritonealdialyse, die Aufbauar- te und Entwicklung aufmerksam. Wir schöne Zahl und ein wunderbarer An- beit im Osten Deutschlands oder auch dürfen stolz darauf sein, im 50. Jahr lass, um etwas Besonderes zu planen neues Wissen in puncto Ernährung. unseres Bestehens eine wesentliche und zu feiern. Für unsere verschiedenen Säule in der nephrologischen Versor- Jubiläumsmaßnahmen haben wir eine In einem weiteren großen Beitrag skiz- gung in Deutschland darzustellen. ausgezeichnete zentrale Botschaft ge- zieren Wissenschaftler, wie die Zukunft Wir wollen diesen Pfeiler erhalten funden, wie ich finde. Sie beschreibt in der Nephrologie aussehen könnte und und im Sinne unserer Patienten vier Worten unser Selbstverständnis – auf was Patienten dank Forschung noch stärker machen. Als nephro- das, was das KfH ausmacht: „Gemein- und Entwicklung hoffen dürfen – von logischer Gesamtversorger und sam. Für unsere Patienten.“ neuen, kleineren Dialysegeräten über nicht zuletzt ältester und größter Visionen der implantierbaren künst- Dialyseversorger sehen wir uns mit Schon unser Gründungsinitiator Dr. h. c. lichen Niere oder Organen aus dem anderen Organisationen führend in Klaus Ketzler konnte sein vortreffliches 3D-Drucker bis hin zu neuen Möglich- der Qualitätsdiskussion und Wei- Vorhaben, mit dem er auf den damaligen keiten der Präzisionsmedizin. Welche terentwicklung der nephrologi- Dialysenotstand reagierte, nur gemein- Entwicklungen werden die Nephrologie schen Versorgung in Deutschland. sam mit vielen Mitstreitern insbesondere in den kommenden Jahren bestimmen? aus dem Gesundheitswesen konsequent Viel interessanter und kurzweiliger Le- Wir wollen uns weiterhin mit hoher umsetzen. Nun sind alle Aktionen in sestoff. Kompetenz und viel Engagement unserem Jubiläumsjahr genauso darauf für unsere Patienten einsetzen, wir ausgerichtet, diesem Motto gerecht zu Das gilt genauso für die in dieser Aus- wollen Sie bestmöglich in allen Ihren werden. Das spiegelt sich auch in der Ih- gabe abgebildeten Geburtstagsglück- Belangen betreuen. Das gilt im KfH nen vorliegenden Jubiläumsausgabe von wünsche von Wegbegleitern und an- für alle Bereiche, für jeden einzelnen KfH-aspekte wider. Sie ist umfangreicher deren für chronisch kranke Patienten Arbeitsplatz. Ihr Wohl als Patient steht als gewohnt, und im Titelbeitrag spannt engagierten Menschen und Instituti- bei uns im Mittelpunkt – dafür arbeiten die Redaktion einen großen Bogen vom onen. Neben dem großen Jubiläums- alle Menschen im KfH gemeinsam. KfH-Gründungsjahr 1969 bis heute und block enthält dieses Heft trotzdem weiter in die Zukunft hinein. viele der gewohnten Rubriken. Wir in- Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim formieren Sie über die Bedeutung der Lesen und grüße Sie Gestern, heute, morgen: Ärzte und Pfle- Grippeschutzimpfung für chronisch gekräfte berichten auf den folgenden nierenkranke Patienten, berichten über Seiten von der Dialyse im Wandel der eine Studie zum Schutz vor Lungenent- Zeit. Sie schildern, wie sich die Versor- zündung und schildern, wie und warum gung der Patienten in den vergangenen eine KfH-Patientin ihren Urlaub samt Professor Dr. med. Dieter Bach 50 Jahren Schritt für Schritt verbessert Gastdialyse in Berlin-Mitte verbringt. Vorstandsvorsitzender 2 | KfH aspekte 3-2019
KfH inhalt KfH thema G estern, heute, morgen – KfH-Jubiläumsseiten 4 Glückwünsche zum KfH-Geburtstag 8 Dialyse im Wandel der Zeit Ärzte und Pflegekräfte berichten 16 Von Dosenobst zu Frischkost Ernährung im Wandel 18 Die Zukunft der Nephrologie Die Niere aus dem Drucker? Auf was Patienten hoffen dürfen 24 „Mit Präzisionsmedizin die Dialyse verhindern“ Im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Benzing KfH wissen 26 Gut geschützt durch den Winter Zeit für die Grippeschutzimpfung 27 KfH-Stiftung Präventivmedizin Neue Fundraising-Website 28 Schutz vor Lungenentzündung Studie in 33 KfH-Zentren KfH kompakt 30 Meldungen aus den Zentren KfH service 32 Reiseserie Mein Lieblingsort: Berlin-Mitte 34 Tipps für die Leser und Gewinnspiel KfH aspekte 3-2019 | 3
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH Wir gratulieren dem KfH zu seinem 50-jährigen Bestehen „Ein Blick in die Chronik des KfH zeigt, dass sich die Versorgung der Nie- renerkrankten in unserem Land seit seiner Gründung 1969 stetig verbessert hat. Die KfH-Zentren waren dabei ein wichtiger Wegbereiter. Angefangen bei der Informations- und der Präventionsarbeit zur Vermeidung von Nierenerkrankungen, über den Einsatz für die Organspende, bis hin zur Forschung und Versorgung in den Dialysezentren und der Betreuung der transplantierten Patienten, sind die KfH-Zentren heute zu nephrologischen Gesamtversorgern geworden, für junge wie für ältere Patienten. Natürlich dürfen wir bei der Verbesserung der Situation der Nierenerkrankten in unserem Land nicht nachlassen. Das 50-jährige Bestehen des KfH bietet daher Anlass, allen zu danken, die seit dem Bestehen des Kuratoriums in den KfH-Zentren an einer guten und patientenorientierten Versorgung Betroffener mitgewirkt haben: Herzlichen Dank und viel Erfolg für die zukünftige Arbeit!“ Grußbotschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier „Die Gründung des KfH im Jahr 1969 legte den Grundstein für die ambulante Nephrologie. Damals war es für nierenkranke Patienten keineswegs selbst- verständlich, durch eine Nierenersatztherapie überleben zu können. Der Ausbau der ambulanten Zentren sicher- te die Dialysebehandlung der Patienten. Wir gratulieren dem KfH zum 50-jährigen Jubiläum und freuen uns darauf, auch in Zukunft die Lebensqualität der Patienten gemeinsam zu verbessern.“ Dr. Michael Daschner, Vorstandsvorsitzender Verband Deutsche Nierenzentrenn 4 | KfH aspekte 3-2019
„Die Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung unterstützt seit „Herzlichen Glückwunsch zu 50 vielen Jahren Menschen aller Alters- Jahren KfH im Dienste der vielen gruppen in ihrer Entscheidungsfin- hunderttausend Nierenpatienten. dung in Sachen Organspende. Wir In einer Zeit des medizinischen freuen uns deshalb, wie das KfH gemeinsam für Versorgungsnotstands für dialy- Informationen und ein Bewusstsein für das Thema sepflichtige Patienten gegründet, gilt das KfH Organspende in der Bevölkerung unterwegs zu heute als Wegbereiter einer flächendeckenden, sein. Herzlichen Glückwunsch zu 50 Jahren KfH lebensrettenden Dialyseversorgung in Deutsch- und alles Gute für die nächsten Dekaden!“ land. Dieser medizinische Erfolg inspirierte die KfH-Gründer Dr. Klaus Ketzler und Professor Dr. med. Heidrun Thaiss, Wilhelm Schoeppe dazu, sich auch für die För- Leiterin Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung derung der Nierentransplantation einzusetzen. Damit legten sie letztlich den Grundstein für die Arbeit der DSO als Koordinierungsstelle für die Organspende. Heute schauen wir auf insgesamt mehr als 135.000 erfolgte Organtransplantati- „Das KfH hat die deutsche Nephro- onen deutschlandweit zurück. In dieser engen logie maßgeblich geprägt: Als ers- Verbundenheit und mit Dankbarkeit gratulie- ter Dialyseanbieter in Deutschland ren wir dem KfH zu seinem 50. Jubiläum.“ hat es sich zu einem umfassenden Dr. med. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand nephrologischen Gesamtversorger Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit einem bundesweiten Netzwerk und gro- ßer Expertise etabliert. Das KfH hat die hohe Qualität der nephrologischen Versorgung in Deutschland wesentlich mitbegründet und hält jederzeit an seinen Grundsätzen fest: an die bestmögliche Versorgung nierenkranker Patientinnen und Patienten sowie an seine gemeinnützigen Werte. Das KfH ist seit Grün- „Als Public-Health-Institut ist es dung der DGfN ein enger, vertrauensvoller Part- das Ziel des Robert Koch-Instituts, ner unserer Fachgesellschaft, der Patienten in die Bevölkerung vor Krankheiten zu allen Stadien der chronischen Nierenkrankheit schützen und ihren Gesundheits- gemäß den Qualitätsstandards unserer Fach- zustand zu verbessern. In diesem gesellschaft versorgt, darüber hinaus wertvolle Sinne sind RKI und KfH bei vielen Themen eng Versorgungsforschung leistet und sich in vielen verbunden – wenn es etwa ums Impfen geht, um gemeinsamen Projekten für die Nephrologie Antibiotika oder auch um Museen: Nicht nur das engagiert. Dafür ein herzlicher Dank!“ RKI, auch das KfH hat ein Museum, das deutsch- landweit einzigartige Dialysemuseum Fürth. Zum Prof. Dr. Andreas Kribben, Präsident Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) 50. Jahrestag der KfH-Gründung möchten wir unsere herzlichen Glückwünsche aussprechen.“ Prof. Dr. Lothar H. Wieler, Präsident Robert Koch-Institut KfH aspekte 3-2019 | 5
„Zum 50-jährigen Bestehen gratuliert die Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie sehr herzlich. Von Anfang an stand im „Die Möglichkeit, Organe zu spen- Leitbild, dass chronisch nieren- den und Organe zur transplantie- kranke Kinder besondere Zuwendung erfahren ren, fußt auf einer Idee der Soli- sollen. Dieses Ziel hat das KfH über 50 Jahre darität und ist ein Thema, das alle konsequent verfolgt. Vor 50 Jahren war die angeht. Ich wünsche dem KfH zu Dialyse für Kinder praktisch nicht existent und seinem 50. Geburtstag, dass es sich weiterhin die Behandlung des akuten Nierenversagens tatkräftig für diese Idee einsetzt, um Leben experimentell. Erst mit Gründung der ersten zu retten und das Leben schwer nierenkran- KfH-Zentren für Kinder und Jugendliche wur- ker Menschen lebenswerter zu machen. Wir den Strukturen etabliert, die es ermöglichten, haben alle Möglichkeiten dazu.“ die Dialyse von nierenkranken Kindern als anerkannte Behandlungsmethode zu etablie- Hartwig Gauder, Vorstand Sportler für ren. Gemeinsam mit dem KfH haben wir für Organspende e. V., Olympiasieger Leichtathletik nierenkranke Kinder sehr viel erreicht. Für die großen Herausforderungen der Zukunft wün- schen wir dem KfH, dass es seinen Kurs zum Wohle aller nierenkranken Menschen erfolg- reich fortsetzen kann.“ Univ.-Prof. Peter Hoyer, Vorsitzender Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN) „Zum 50-jährigen Bestehen gratuliert der BDO herzlich. Zur Zeit der Gründung gab es keine flächendeckende Dialysever- „Glückwünsche an das sorgung in Deutschland. Dies KfH: Seit 27 Jahren grundlegend zu ändern war die ehrgeizige arbeiten das KfH und die Aufgabe, der sich das KfH engagiert annahm. Rudolf Pichlmayr-Stif- Später wurden der Arbeitskreis Organspende tung gemeinsam an ei- und die Deutsche Stiftung Organtransplan- nem europa- (wenn nicht tation ins Leben gerufen, und die gemeinsa- welt-)weit einzigartigen me Sorge um das Wohl der Patienten führte Projekt: dem Rehabilitationszentrum für Kinder zur Zusammenarbeit mit dem BDO. Für die und Jugendliche vor und nach Organtransplanta- Zukunft wünschen wir weiter viel Erfolg bei tion Ederhof. Mittlerweile hat sich der Ederhof in der Entwicklung der familienorientierten Rehabili- deren Betreuung.“ tation eine herausragende Stellung erworben.“ Peter Fricke, Vorstandsvorsitzender Bundesverband der Organtransplantierten e. V. Prof. Dr. Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h.c. Eckhard Nagel (Mitte) und Prof. Dr. med. Ina Pichlmayr (rechts), Rudolf Pichlmayr-Stiftung. Hier mit der nierentransplantierten Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender 6 | KfH aspekte 3-2019
„Über 40 Prozent der in Deutsch- land betreuten Menschen mit Diabetes Typ 2 haben geschädigte „Das KfH und unsere Kinderhilfe Nieren. Diabetes ist die häufigste haben eine gemeinsame Aufgabe: Ursache dafür, dass Menschen auf die Situation organkranker Kinder Dialyse angewiesen sind. Daher wird eine qua- zu verbessern – das KfH im medizi- litativ hochwertige nephrologische Versorgung nischen Bereich, wir im Gebiet der nierenkranker Patienten im Zuge steigender sozialen Begleitung. Ich gratuliere dem KfH zu Diabeteserkrankungen immer wichtiger. Die Ar- 50 Jahren im Dienste der Patienten und freue beit des KfH ist für Betroffene unverzichtbar und mich auf die weitere gemeinsame Zukunft wird immer bedeutsamer. Wir gratulieren ganz und Zusammenarbeit zum Wohl der kleinsten herzlich zum Jubiläum und danken für die her- Nierenkranken.“ vorragende Arbeit der vergangenen 50 Jahre!“ Reinhard Gödel, Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Vorsitzender Kinderhilfe Organtransplantation e. V. Präsidentin Deutsche Diabetes Gesellschaft „Wir gratulieren dem KfH sehr herzlich zu seinem 50-jährigen Bestehen und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg. Wir können auf einen langen gemeinsamen Weg zurückblicken. Als gemeinnützige Institutionen im Bereich der Dialyse ist es auch für die Zukunft unser gemeinsames Ziel, nierenkranken Patienten die bestmögliche Ver sorgung zu ermöglichen.“ Claudia Straub, Vorstandsvorsitzende PHV – Der Dialysepartner Patienten-Heimversorgung Gemeinnützige Stiftung „Meinen herzlichsten Glückwunsch zum Geburtstag des KfH. Das Gründungsjahr 1969 war eine sehr „Vor 50 Jahren haben sozial en- bewegte Zeit. Damals hat sich das gagierte Personen mit Weitblick KfH, aber auch die Nierenselbsthilfe, die Notwendigkeit gesehen, chro- mit vereinzelten Vereinsgründungen auf den Weg nisch Nierenkranken in Deutsch- gemacht, den betroffenen Menschen helfend zur land eine Möglichkeit des Über- Seite zu stehen. Weggefährten und Freunde lebens zu sichern. Wegen ihrer sozialen Idee sind wir in dieser Zeit geworden, pflegten im- kann heute Leben chronisch Nierenkranker mer gute Beziehungen und haben so manche gerettet werden. Dafür sagt der Diatra-Ver- stürmische Entwicklung im Gesundheitswesen lag aus Eltville im Rheingau Dankeschön, gemeinsam gemeistert. So soll es zusammen in auch für das seit 30 Jahren gute Miteinan- eine gute Zukunft gehen.“ der, und gratuliert herzlich zum Jubiläum.“ Peter Gilmer, Vorsitzender Bundesverband Niere e. V. Gerhard Stroh, Herausgeber Diatra KfH aspekte 3-2019 | 7
DIALYSE IM WANDEL DER ZEIT Vor dem Hintergrund einer desolaten Versorgungslage für chronisch nierenkranke Patienten gegründet, hat sich das KfH in den vergangenen 50 Jahren nicht nur zum größten ambulanten Dialyseanbieter in Deutschland entwickelt, sondern auch als umfassender nephrologischer Gesamtversorger etabliert. Ärzte und Pflegekräfte berichten, wie sich die Versorgung der Patienten Schritt für Schritt verbesserte. 8 | KfH aspekte 3-2019
nde der sechziger Jahre hatten Patienten, auf dem Gebiet der Nephrologie: Dr. Stanley die auf die Blutwäsche angewiesen wa- 1969 Shaldon. Er etablierte die Hämodialyse. „Wir ren, schlechte Überlebenschancen. Zwar Das KfH wird haben die Patienten dann anschließend bei uns gab es bereits Dialysemaschinen, doch gegründet und im Zentrum Köln-Merheim ausgebildet“, schil- waren es deutlich zu wenige. Ohne flächende- schafft somit die dert Nebel. Ihnen wurde beigebracht, wie die ckende Infrastruktur bedeutete die Diagnose Nie- notwendigen Vor- Maschine aufgebaut wird und wie man sich reninsuffizienz für viele Menschen das Todesur- aussetzungen, um selbst punktiert. Danach konnten sie zu Hause teil. Denn: Während rund 3.000 Patienten jedes schrittweise eine selbstständig dialysieren und mussten nur alle Jahr dialysepflichtig wurden, konnten nur rund flächendeckende vier bis acht Wochen zur Kontrolle kommen. 400 Patienten behandelt werden. Plätze gab es Dialysebehandlung Ein Hauptproblem war, dass sich die Patienten nur in großen Kliniken und dort auch nur statio- in Deutschland punktieren mussten. Die Nadeln sind deutlich när. Ambulante Dialyseplätze waren noch nicht einzuführen. dicker als beim Blutabnehmen, damit ein aus- vorhanden. reichender Blutfluss hergestellt werden kann. Um der medizinischen Versorgungsnotlage „Das kostet schon Überwindung. Aber wenn die für chronisch nierenkranke Patienten Ende der Patienten das einmal können, dann lassen sie 1960er-Jahre ein Ende zu bereiten, gründete Dr. keinen anderen mehr ran“, sagt Nebel. h. c. Klaus Ketzler mit seinen Mitstreitern 1969 1973 das Kuratorium für Heimdialyse e. V. Zum Hin- Das KfH baut Von der Heim- zur Zentrumsdialyse tergrund: Ein nierenkranker Freund von Ketzler erste ambulante benötigte damals dringend die lebensnotwendi- Nach und nach wurden dann Dialysezentren Dialysezentren in ge Dialysebehandlung, und es gab keine Aus- eingerichtet. Zu Beginn hatte man noch zu we- enger Kooperation sicht für ihn, einen der wenigen Dialyseplätze nige Plätze und Maschinen. Deshalb betrug die mit Kliniken auf. in der Klinik zu bekommen. Ketzler suchte nach Dialysezeit nicht wie heute dreimal die Woche einer alternativen Lösung, um seinem Freund rund vier Stunden, sondern zunächst zweimal zu helfen: Er brachte in Erfahrung, dass in Eng- die Woche acht Stunden. Später konnte man land und den USA die Heimdialyse erfolgreich . aufgrund besserer Technik auf dreimal wöchent- eingesetzt wurde. Das war die Initialzündung für lich sechs Stunden umstellen. „Die Geräte, die die Gründung des gemeinnützigen Vereins KfH. 1977 wir damals hatten, waren archaisch“, sagt Nebel. In den Folgejahren baut das KfH eine flä- Das erste KfH- So auch die Drake-Willock. „An der Maschine chendeckende Dialyseversorgung in der alten Kinderdialyse- war die Möglichkeit, die notwendige, korrekte Bundesrepublik auf. Der Versorgungsnotstand zentrum entsteht. Menge der Entwässerung einzustellen, sehr ein- wird nach und nach behoben. In den ersten geschränkt und konnte nur aus der Erfahrung drei Jahren gibt es nur die Heimdialyse. Spä- beim jeweiligen Patienten eingeschätzt werden. ter werden ambulante Zentren aufgebaut. „Am Das führte beim Patienten manchmal dazu, dass Anfang haben wir nur Patienten behandelt, die er zu viel oder zu wenig entwässert wurde. Aber abgesehen von ihrer Nierenerkrankung gesund die Maschinen waren mechanisch einfach kons- waren“, blickt Dr. Michael Nebel zurück. Nebel 1982 truiert, so dass handwerklich versierte Patienten ist Mitglied des KfH-Präsidiums und war ärztli- das Gerät selber reparieren konnten. Ein häufig cher Leiter des KfH-Nierenzentrums Köln-Mer- Das KfH realisiert wiederkehrendes Problem war beispielsweise, heim. Er erinnert sich: „Wer älter als 40 Jah- im Zusammen- dass die Proportionierungspumpe ausfiel. Durch wirken mit den ‚dagegen hauen‘ oder ‚daran herumschrauben‘ re war, wurde auch nicht dialysiert, weil man Spitzenverbänden Angst vor den Komplikationen hatte, zum Bei- brachte sie manch ein Patient selbst wieder in der gesetzlichen spiel Herzrhythmusstörungen.“ Heute liegt das Gang.“ Aus heutiger Sicht unvorstellbar. Ge- Krankenkassen die Durchschnittsalter der neu an die Dialyse kom- nauso das: „Früher haben Patienten während flächendeckende menden Patienten bei über 65 Jahren. der Dialysebehandlung geraucht. Wir hatten Einführung des „Bis Ende der siebziger Jahre gab es den also extra Zimmer für Raucher und welche für Verfahrens zur Nephrologen gar nicht als Spezialisten“, erzählt berührungsfrei- Nichtraucher.“ Nebel weiter. Das Wissen in dieser Fachrichtung en Nierenstein- Die Zahl der Zentrumspatienten wuchs musste erst erworben werden. Um die Patienten zertrümmerung stark, der Anteil der Patienten, die zu Hause für die Heimdialyse schulen zu können, fuhren (Lithotripsie). dialysierten, wurde geringer. „Dies war der Si- die Ärzte nach England zu einem Vorkämpfer tuation geschuldet“, erklärt Nebel. „Nachdem KfH aspekte 3-2019 | 9
dieses Verfahren sich in den achtziger Jah- ren einigermaßen etabliert hatte und die Dia- 1984 lyse verträglicher wurde, konnten nun auch Die Deutsche Patienten dialysiert werden, die neben der Nie- Stiftung Organ- renerkrankung zum Beispiel noch Diabetes hat- transplantation ten oder eine Herzinsuffizienz. Darunter waren wird gegründet. Damit werden die seit 1976 vom „DIE GERÄTE, DIE WIR KfH geschaffenen Organisations- DAMALS HATTEN, strukturen für die Nierentransplan- WAREN ARCHAISCH.“ tation auf das Gesamtgebiet der DR. MICHAEL NEBEL, Organtransplanta- tion ausgedehnt. Zu den ersten Dialysegeräten für Mitglied des KfH-Präsidiums Heimpatienten in den 1970er- und ehemaliger ärztlicher Leiter des Jahren zählte die „Drake-Willock“. KfH-Nierenzentrums Köln-Merheim viele Patienten, deren Gesundheitszustand so schlecht war, dass sie nicht nach Hause hätten entlassen werden können.“ Genauso entwickelte sich die Heimdialyse 1989 hat. Von 1988 an leitete er an der Freiburger weiter: „Ende der siebziger Jahre hatten wir die Das KfH leistet Unikinderklinik eine Kinderdialyse, die seit Möglichkeit, in der Heimdialyse die kontinuier- Soforthilfe in den 2008 vom KfH betrieben wird. liche ambulante Peritonealdialyse, die CAPD, neuen Bundeslän- Erst als sich die Bauchfelldialyse hierzu- einzusetzen. Dieses Verfahren wurde 1976 in dern, um auch dort lande durchgesetzt hatte, waren viele Eltern in den USA entwickelt, 1978 kam die CAPD so die Versorgung der Lage, die Dialyse zu Hause durchzuführen. auf den Markt, wie wir sie heute kennen“, er- nierenkranker „Die Bauchfelldialyse ist handhabbar für Eltern, zählt Nebel. Weil die CAPD technisch leichter Patienten zu kann leicht zu Hause durchgeführt werden“, zu handhaben ist als die Heimhämodialyse und gewährleisten. sagt Brandis. Wichtig sei nur eine gute Über- man dafür keinen Partner braucht, hat durch wachung durch den behandelnden Arzt. Gerade diese Innovation die Zahl der Heimhämodialy- für Kinder ist die PD eine gute Lösung, davon sepatienten weiter abgenommen. ist Brandis überzeugt: „Einige können nachts dialysiert werden und dann tagsüber in den Kindergarten oder in die Schule gehen.“ Meilenstein in der Kindernephrologie Parallel dazu baute das KfH eigene Kin- Die Innovation Peritonealdialyse ist auch ein derdialysezentren auf. Zu dieser Zeit, 1977, Meilenstein in der Kindernephrologie. Zwar trat entsteht das erste KfH-Kinderdialysezent- das KfH der Unterversorgung in Deutschland rum in Kooperation mit dem Universitäts- Anfang der siebziger Jahre für die Versorgung klinikum Essen. „Damit hat sich das KfH in der erwachsenen Patienten zunächst mit dem 1999 besonderer Weise um die Versorgung der nie- Ausbau der Heimdialyse entgegen. Für Kinder Das KfH-eigene renkranken Kinder verdient gemacht. Es ist allerdings war die Hämodialyse zu Hause keine medizinische einzigartig in der Welt, dass eine private Orga- Option. „Alle Kinder wurden in einer Klinik be- Qualitätssiche- nisation wie das KfH Dialysezentren baut und handelt“, erzählt Prof. Dr. Matthias Brandis, der rungssystem neben der Versorgung erwachsener Patienten 1972 an der Medizinischen Hochschule Hanno- Qualität in der auch die Kinderdialyse mit anbietet“, sagt Bran- ver mit der Kinderdialyse begonnen und dann Nephrologie (QiN) dis. „Man muss dazu wissen, dass die Kinder- 1982 mit dem KfH in Marburg eines der ersten wird eingeführt. dialyse nie kostendeckend war. Die Zahl der Kinderdialysezentren in Deutschland aufgebaut betroffenen Kinder ist Weiter auf Seite 13 10 | KfH aspekte 3-2019
CHRISTA CHUST, MAINZ „Wir wollen selbstständige Patienten“ ie fing im Jahr 1980 als Pflege- kraft beim KfH im Nierenzentrum in Mainz an. Die jung gebliebene 62-Jährige mit der kräftigen Stimme, dem flotten Schritt und den schwarzen Haa- ren hat 39 der 50 KfH-Jahre erlebt. Es schwingt Begeisterung mit, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Christa Chust, die seit 1994 zusammen mit Roswitha Tengler die Pflegeleitung in Mainz ausübt, erleb- te noch den Übergang von der Heim- zur Zentrumsdialyse. Bis 1978 betreute das Christa Chust ist seit 1980 im KfH-Nierenzentrum Mainz tätig – KfH in Mainz ausschließlich Heimdialyse- und immer noch begeistert von ihrer Arbeit. patienten. Diese gingen, so berichtet sie, unter Dr. Heide Köhler durch eine harte Schule: „Sie mussten die Maschine selbst aufbauen und über ihre Tabletten und Diät genau Bescheid wissen. Und auch wir Pflegerinnen und Pfleger wurden weiter. Man kann dann mit der Krankheit Patienten mehr Bluttransfusionen be- noch über all das abgefragt.“ Üblich war besser umgehen“, sagt Christa Chust. Ver- kommen. Das blutbildende Hormon Epo- Anfang der 1980er-Jahre, dass sich Pati- ändert hat sich im Laufe der Jahre auch etin als Fertigspritze war noch nicht ver- enten selbst am Shunt punktierten. Diese das Miteinander. „Wir hatten mehr Zeit fügbar. Eine entscheidende Verbesserung Eigenverantwortlichkeit wirkte sich, so für die Patienten, konnten uns schon mehr wurde in den Augen von Christa Chust sieht sie es heute, auf das Selbstbewusst- unterhalten. Sie sollten sich nicht wie im durch die Einführung der sogenannten sein der Patienten aus: „Einige sagten mir: Krankenhaus fühlen. Wir haben damals Bicarbonatdialyse erreicht. Litten vorher ‚Wir sind wichtig, wir sind selbstbestimmt auch in Zivilkleidung gearbeitet, nur einen viele Patienten während der Hämodialy- und nehmen unser Schicksal selbst in die Kittel darüber angezogen.“ Das änderte se noch unter Übelkeit, sorgt Bicarbonat Hand‘.“ sich, als das Desinfektionsmittel zu viele als Puffersubstanz für das normalerweise Heute seien Patienten, die neu zur Kleidungsstücke verätzte. Viel wurde ge- hauptsächlich durch die Nieren geregelte Zentrumsdialyse kommen, in der Regel 70 meinsam erlebt. „Wir haben im Juli 1981 Gleichgewicht zwischen Säuren und Ba- Jahre und älter und weniger an der Dialy- alle zusammen die Hochzeit von Lady Di sen im Organismus. se interessiert als früher. Jüngere würden und Prinz Charles im Fernsehen geschaut.“ Christa Chust legt Wert darauf, nach in der Regel für die Peritonealdialyse zu Auch medizinisch und technisch hat wie vor selbst in der Pflege im Einsatz zu Hause trainiert. „Die damalige Mainzer sich eine Menge getan. „Das Dialysema- sein – ohne Liebe zum Patienten könne Philosophie – wir wollen selbstständige terial war nicht so stabil, da gab es auch man diesen Beruf nicht machen. So viel Patienten – ist nach wie vor unser Be- mal ein Blutleck am Dialysator“, blickt ist klar: Hier hat eine Frau beruflich ihre streben, da lebt Frau Doktor Köhler in uns Christa Chust zurück. Zudem hätten die Bestimmung gefunden. KfH aspekte 3-2019 | 11
KATHRIN RICHTER, GÖRLITZ arzt Dr. Klaus Zenker hatte den Kontakt „Wir sind eine zu dem in Görlitz geborenen KfH-Grün- der Dr. Klaus Ketzler hergestellt. Kathrin Richter absolvierte von 1986 bis 1989 große Familie“ ihre Ausbildung zur Krankenschwester in Görlitz und war danach auf der Dialyse- station tätig – die Blutwäsche wird in der sächsischen 56.000-Einwohner-Stadt, direkt an der polnischen Grenze gelegen, ei der Frage, was ihr aus all den Übernahme durch das KfH. Die soziale schon seit 1966 durchgeführt. Freilich Jahren besonders in Erinnerung Absicherung ist ein großer Pluspunkt.“ hat sich mit der Wende viel verändert. geblieben ist, überlegt Kathrin Ab dem 2. Juli 1992 beschäftigte das KfH „Auf einmal gab es neue, moderne Dialy- Richter einige Sekunden, ehe sie ent- alle examinierten Pflegekräfte aus der segeräte, an die wir uns erst herantrauen schlossen feststellt: „Das Großartigste, vorherigen Dialysestation am Bezirks- mussten. Das war schon spektakulär, mit das uns in Görlitz passiert ist, war die krankenhaus Görlitz; der damalige Chef solchen Maschinen arbeiten zu dürfen.“ Ein weiterer Höhepunkt in ihrem Berufs- leben kam im April 2001 mit dem Um- zug aus dem Krankenhaus in ein neues, Kathrin Richter arbeitet seit 1992 für das KfH-Nierenzentrum eigenes Zentrum. „Das war das Größte in Görlitz und hat die Wendezeit miterlebt. für uns, vorher waren wir doch arg be- grenzt.“ Die 49-Jährige, die sich vor 20 Jah- ren zur Hygienefachkraft weiterbilde- te und seit sieben Jahren auch die PD- Patienten in Görlitz trainiert und betreut, mag an ihrer Arbeitsstelle zum einen „den beständigen Personalstamm“. Noch heute sind etliche Pflegekräfte aus der Zeit der Übernahme durch das KfH ihre Kollegen. Zum anderen schätzt sie den Um- gang mit den Patienten: „Ich lasse mich gerne von den alltäglichen Dingen über- raschen. Es ist schön, andere Menschen mit Zuwendung, mit Liebe und auch mit Spaß zu betreuen und ihnen die Zeit bei uns so gut wie möglich zu gestalten.“ Selbst die etwas schwierigeren Patien- ten, oft neu an der Dialyse, würden zu netten Patienten, wenn man ihnen die Angst nehme und zeige, dass die Be- handlung weniger schlimm ist als viel- leicht gedacht. Über solche Verwand- lungen von Menschen kann sich Kathrin Richter richtig freuen. Genauso wie über das Gemeinsame: „Wir sind hier im KfH-Nierenzentrum eine große Familie. Ich bin froh, eine Arbeit gefunden zu haben, die mir nach all den Jahren im- mer noch Spaß macht.“ 12 | KfH aspekte 3-2019
zu gering und der Aufwand zu hoch, um ein stellt werden konnte – für die Zeit vor und nach Zentrum wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben. 2001 der Dialyse und vor und nach der Transplan- Das hat das KfH aber immer getragen, in dem Die KfH- tation – besserte sich die Situation. „Als Ärzte Bewusstsein, dass für die Kinder etwas gemacht Stiftung Nothilfe wissen wir, was wir zu tun haben, aber ohne werden muss.“ für Nierenkranke die zusätzliche Unterstützung können wir nicht Denn die Behandlung junger Patienten er- wird gegründet. leisten, was notwendig ist“, sagt Brandis. „Und fordert spezialisierte Einrichtungen, die auf die Betreuung ist Voraussetzung dafür, dass deren besondere Bedürfnisse eingehen. Die Be- die Kinder, die so etwas durchmachen müssen, handlung als solche ist im Prinzip dieselbe wie 2002 letztlich aus der Sache als einigermaßen nor- bei Erwachsenen. „Aber es ist vergleichsweise male, geistig gesunde Erwachsene herauskom- schwierig, bei Kindern den Zugang zu legen“, Die KfH-Nieren- men. Das ist das Ziel.“ zentren erhalten Um die damalige Situation zu verdeutli- im Rahmen der chen, erzählt Brandis auch von der – aus heuti- „DIE INNOVATION Neuordnung der Versorgung ger Sicht – unglaublichen Einstellung mancher PERITONEALDIALYSE Kollegen zu dieser Zeit: „Ich will nicht verheh- nierenkranker len, dass ich in Berlin Anfang der siebziger Jah- Patienten langfris- IST AUCH EIN tige Versorgungs- re, als ich zum Thema Dialyse für Kinder ei- nen Vortrag hielt, in der Diskussion beschimpft aufträge, die neben MEILENSTEIN IN DER der ärztlichen wurde: Wie man das überhaupt zulassen könne, Kinder an der Dialyse zu halten, man solle sie Behandlung von KINDERNEPHROLOGIE.“ Dialysepatienten lieber sterben lassen. Zwar waren damals schon die meisten Teilnehmer der Konferenz sprach- auch Maßnahmen zur Vorbeugung los, aber in der Anfangszeit war stellenweise PROF. DR. MATTHIAS BRANDIS, einer terminalen noch die Einstellung vorhanden, dass es ethisch Kinderarzt und Leitender Ärztlicher Direktor Niereninsuffizienz fragwürdig sei, Kinder einer solchen Behand- des Universitätsklinikums Freiburg sowie und zur Transplan- lung zu unterziehen. Nach mehr als 40 Jahren ehemaliges Präsidiums-Mitglied tationsvorbereitung können wir sagen, dass wir sehr erfolgreich wa- und Stiftungsratsvorsitzender des KfH und -nachsorge ren, glücklicherweise.“ Weiter auf Seite 15 umfassen. erklärt Brandis. „Das braucht Zeit, manchmal Im Jahr 1977 entstand eine halbe oder eine Stunde, alleine, um das 2004 das erste KfH-Kinder Kind dazu zu bewegen, mitzumachen. Kleine Das KfH-eigene dialysezentrum in Kinder begreifen oft nicht oder nicht richtig, Kooperation mit dem was mit ihnen passiert. Außerdem brauchen Bildungszentrum Universitätsklinikum das Kind und dessen Eltern zusätzlich persön- nimmt seine Essen. liche Betreuung durch Psychologen und Päda Arbeit auf. gogen.“ Der Personalaufwand ist also relativ hoch. „Die Unterstützung für betroffene Famili- 2005 en hat sich erst im Laufe der Jahre entwickelt“, Die KfH-Stiftung erzählt Brandis. „Wir haben mit nichts ange- Präventivmedizin fangen. In Hannover behandelten wir damals wird gegründet. im Rahmen der Erwachsenendialyse auch Kin- Ziel der Stiftung der. Wir hatten nur zwei Schwestern und einen ist die Vermeidung Arzt.“ Zwar konnten nun niereninsuffiziente von Nierener- Kinder behandelt werden und mussten nicht krankungen durch mehr sterben, aber „die Schwestern und Ärz- Förderung gezielter te waren überfordert damit, sich um die psy- patientenorientier- chischen Belastungen der Kinder und Eltern zu ter Forschung. kümmern“. Erst als zusätzliches Personal einge- KfH aspekte 3-2019 | 13
mit fünf Pflegekräften und zwei Ärzten ziemlich frei in unserer Arbeit. Und wir brachten die Menschen in die Situation, autark leben zu können. Das war attrak- tiv für mich.“ Schon damals sei absehbar gewe- sen, dass sich die Versorgungsstruktur verändern würde. „Viele Patienten wa- ren schlicht und ergreifend zu krank für die Dialyse zu Hause“, erzählt Ma- rion Frei, „deshalb haben sich die Limi- ted-Care-Zentren entwickelt. Dort ha- ben sie zwar ihre Maschinen nach wie vor selbst vor- und nachbehandelt und auch die Behandlung mehr oder weniger selbstständig durchgeführt, aber es gab eben eine medizinisch-fachliche Betreu- ung vor Ort.“ Obschon sich das Arbeitsfeld der Pflegekraft in der Dialysebehandlung „massiv verändert“ hat, war es stets die gewisse Selbstständigkeit, die Marion Frei an ihrem Beruf schätzte, auch als sie später leitende Pflegekraft war, zu- letzt ab 2001 im KfH-Nierenzentrum in Marion Frei arbeitete 42 Jahre lang in Berlin für der Turmstraße in Moabit. Ihr ist immer das KfH und schätzt die ganzheitliche Betreuung. wichtig gewesen, „mit Patienten zu- sammenzuarbeiten und nicht über sie hinweg zu entscheiden“. Marion Frei will den Patienten ganzheitlich betreut sehen. „Ihn in seiner Ganzheit als chro- nisch kranker Patient über Jahrzehnte MARION FREI, BERLIN hinweg zu begleiten, bis zu einer mögli- „Nicht über den Patienten chen Sterbebegleitung, auch das gehört dazu.“ Bei der Frage nach einem beson- hinweg entscheiden“ deren Ereignis in all den Arbeitsjahren erzählt sie von einer schwangeren Dia- lysepflichtigen, die sie betreut hat. „Am Ende gab es ein gesundes Kind zu feiern, das war toll!“ xakt 42 Jahre und einen Monat tren in West-Berlin erst im Aufbau, es Die 64-Jährige bringt heute ihre lang, vom 1. November 1976 bis war noch die Zeit der Heimdialyse. Für pflegerische Expertise in Schulungen für zum 1. Dezember 2018, hat Marion die Ausbildung der Heimpatienten und die Mitarbeitenden ein. Sie schätzt das Frei in Berlin für das KfH gearbeitet. Es zur Errichtung sogenannter Limited-Ca- KfH-eigene Bildungszentrum, dort kön- begann klassisch, mit einer Stellenanzei- re-Zentren wurde Personal gesucht. „Ich ne sie selbst Schwerpunkte setzen, er- ge in der Zeitung. Sie kam damals gerade fand bravouröse Arbeitsbedingungen zählt sie. Marion Frei, ein Freigeist, die- aus England zurück, hatte ein internati- vor“, blickt Marion Frei zurück. „Es hieß: ses Wortspiel sei erlaubt, bereitet es viel onales Examen abgelegt und „keine Lust ‚Sie können hier machen, was Sie wol- Freude, anderen Menschen etwas mit auf auf die Arbeit im Krankenhaus“. Mitte der len, so lange wir unser Ziel erreichen.‘ den Weg geben. „Das habe ich so an mir“, 1970er-Jahre befanden sich die KfH-Zen- Wir waren in Steglitz als kleines Team sagt sie und lacht. 14 | KfH aspekte 3-2019
Die medizinische Behandlung der jungen wie schließen, da bin ich immer wieder begeistert.“ auch der erwachsenen Patienten hat im Laufe 2007 Wichtig bleibe natürlich, den Patienten im Auge der Jahrzehnte große Fortschritte gemacht. Nur In Trägerschaft des zu behalten, darauf legt Nebel Wert. Das Ver- einige wenige seien genannt: Patienten mit ei- KfH entstehen in fahren hat zu hoher Akzeptanz geführt: „Wir ner schweren Nierenerkrankung entwickeln eine Hannover und Aue haben innerhalb von 20 Jahren 100 Patienten sogenannte renale Anämie, also Blutarmut. Da- erste Medizinische gefunden, die dieses Verfahren nach unserem durch waren früher immer wieder Bluttransfu- Versorgungszentren Stil durchgeführt haben. Patienten, die nach sionen nötig – mit den entsprechenden Risiken zur umfassenden einer Transplantation wieder an die Dialyse wie beispielsweise einer Infizierung mit Hepa- Versorgung nieren- mussten, wollten danach nur Heimdialyse ma- titis. Mit der Entwicklung eines Medikaments kranker Patienten. chen.“ In Köln-Merheim dialysiert inzwischen mit dem körpereigenen Hormon Erythropoetin, mehr als ein Drittel der Patienten zu Hause. kurz Epo, gelang der Durchbruch. Epo fördert Um so ein Heimdialyseprogramm aufzu- die Entwicklung der roten Blutkörperchen: „In 2009 bauen, braucht man eine gewisse Infrastruktur: den achtziger Jahren konnte ich das erste Kind Das KfH feiert am Pflegekräfte, die motiviert und kompetent sind, mit Erythropoetin behandeln. Das war eine Sen- 7. Oktober 2009 den Patienten das nötige Wissen beizubringen sation, wir brauchten keine Transfusionen mehr sein 40-jähriges und die bereit sind, mit ihnen durch Höhen und für die Kinder“, berichtet Brandis. Zudem ist die Bestehen. Tiefen zu gehen. Außerdem muss kontinuierlich Dialyse durch sehr präzise arbeitende Geräte, Kontakt gehalten werden, man benötigt Tech- neue Schlauchsysteme und die Anpassung der niker, die alles Notwendige beim Patienten zu Dialyseflüssigkeiten deutlich verträglicher ge- Hause installieren – so zum Beispiel die extra worden. Und nach einer Transplantation ist die Wasser- und Stromzufuhr. Es sollte idealerweise immunsuppressive Therapie dank der Neuent- 2012 ein eigener Raum für die Dialyse in der Woh- wicklung von Medikamenten viel verträglicher 2013 nung vorhanden sein. „Und manche Menschen geworden. Den oft von Minderwuchs betrof- schrecken einfach davor zurück, weil sie Angst Die nephrolo- fenen nierenkranken Kindern hat überdies die davor haben, die Dialyse Weiter auf Seite 17 gischen Versor- Einführung des künstlichen Wachstumshormons gungsaufträge der Anfang der achtziger Jahre enorm geholfen. KfH-Nierenzentren werden um 20 Zurück zur Heimhämodialyse Jahre verlängert. Der nierenkranke Patient wird Während die Zeit an der Dialyse für die Kinder im KfH ganzheitlich betreut. so kurz wie möglich sein sollte und das Ziel in der Regel eine Transplantation ist, ergab sich 2014 vor allem für erwachsene Patienten einige Jahre Durch Änderung nach der Einführung der Bauchfelldialyse ein der Anlage 9.1. gravierendes Problem: „Inzwischen hatte man Bundesmantelver- gesehen, dass die Peritonealdialyse Probleme trag-Ärzte erhält bereitet: Nach vier bis fünf Jahren war bei vie- das KfH die Mög- len Patienten Schluss, denn häufig entwickelte lichkeit, auf Basis sich dann eine Bauchfellentzündung“, berichtet umfassender Ver- der Kölner Pionier Nebel. „Ende der neunziger sorgungsaufträge Jahre haben wir daher die Heimhämodialyse Patienten auch wieder reaktiviert. Dabei mussten Patienten nun in den Vorstadien fünf- bis siebenmal die Woche zwei bis maxi- einer Dialysepflicht mal drei Stunden lang dialysieren. Ansonsten betreuen konnten sie ein normales Leben führen. Die Tat- zu können. sache, dass wir für die tägliche Dialyse in der Regel keinen Partner mehr benötigten, war ein wesentlicher Fortschritt. Es ist schon virtuos, wie sich die Patienten selbstständig und alleine punktieren sowie an die Dialysemaschine an- KfH aspekte 3-2019 | 15
50 Jahre KfH ERNÄHRUNG IM WANDEL Von Dosenobst zu Frischkost nde der siebziger Jahre, ist, einen Dialyseplatz und wir kön- nehmung ist, zeigt ein Beispiel, das die als Ruth Kauer, die als Er- nen so erreichen, dass die Patienten Ernährungsberaterin aus ihren Anfän- nährungsberaterin für das in jeder Phase – ob jetzt während der gen zu berichten weiß: „Wir hatten zu KfH-Zentrum Bernkastel-Kues Dialyse oder in der Prädialysepha- dieser Zeit ein hochbetagtes Ehepaar, arbeitet und auch die Pflegekräfte des se – einen guten Ernährungszustand beide dialysepflichtig, beide bei uns in gesamten KfH schult, ihre Ausbildung haben. Ein großer Durchbruch war Behandlung. Die Kollegen riefen mich abgeschlossen hatte, musste die Ernäh- zum anderen auch die Entwicklung damals an, die Frau habe sehr hohes rung noch den medizinisch-technischen von Phosphatbindern.“ Nachdem die Kalium. Sie aß zwar nur Dosenobst, Gegebenheiten angepasst werden: „Es ersten Phosphatbinder auf den Markt im Gespräch kam aber heraus: Ihr war gab zu wenige Dialyseplätze. Deshalb gekommen waren, wurden sie stetig nicht klar, dass die Flüssigkeit nicht haben wir damals versucht, die Patien- weiterentwickelt, um Nebenwirkun- mitgetrunken werden soll. Wir verein- ten möglichst lange mit eiweißarmer gen zu verringern. „Die Phosphatbin- barten also, dass sie den Saft weglässt. Ernährung am Leben zu erhalten. Denn der ermöglichten eine eiweißreiche Kurz darauf riefen die Kollegen wieder in eiweißreichen Nahrungsmitteln ist Kost, die notwendig ist, um bei den an, nun sei das Kalium des Ehemannes viel Phosphat. Und eine unvermeidliche Patienten einen guten Ernährungszu- zu hoch.“ Ruth Kauer muss noch heute Folge einer Nierenerkrankung im End- stand zu erreichen.“ schmunzeln. „Das Paar konnte es nicht stadium ist, dass der Körper nicht mehr übers Herz bringen, den ‚guten‘ Saft in der Lage ist, das überschüssige, mit wegzugießen.“ der Nahrung aufgenommene Phosphat Wissenschaft und Fortschritt Die wissenschaftlichen Erkennt- auszuscheiden.“ Die sogenannte Hyper- Früher mussten Patienten auch sehr nisse und der Fortschritt haben deut- phosphatämie kann schwere Folgen für stark auf Kalium achten. „Durch die lichen Einfluss auf die Ernährung be- die Gesundheit mit sich bringen: „Die deutlich längeren Dialysezeiten haben ziehungsweise Beratung der Patienten Patienten hatten zu der Zeit oft eine die Patienten heute weniger Probleme genommen: Im Prädialysestadium sogenannte Pseudogicht. Das Phosphat mit dem Kalium“, erläutert Ruth Kau- dürfen die Patienten heute normale hat sich an allen Gelenken abgelagert. er. Nierenkranke Patienten können so Eiweißmengen zu sich nehmen. Kali- Der Phosphatüberschuss führte unter frische Lebensmittel wie Obst und Ge- um und Phosphat werden den Labor- anderem zu dicken Gelenken, starken müse genießen. parametern angepasst. An der Dialyse Schmerzen, extremem Hautjucken Einst durften Patienten nur Do- ermöglicht eine frühzeitige Gabe von und Erkrankungen des Herz-Kreis- senobst und Gemüse aus der Dose, Phosphatbindern eiweißreiche Ernäh- laufsystems. Um die Folgen möglichst jedoch keine Frischkost essen. Der rung. „Mit einem guten Ernährungs- gering zu halten, haben die Patienten Saft musste – und das gilt noch heu- stand durch wenig industriell verar- versucht, wenig Eiweiß zu essen. Das te – unbedingt weggegossen werden, beitete Lebensmittel, einer definierten wiederum führte zu Malnutration, sie denn darin schwimmt das aus den Le- Portion frischem Gemüse und Obst und waren häufig mager und schlecht er- bensmitteln gelöste Kalium in hoher dem Krankheitsstadium angepassten nährt“, erzählt die Ernährungsberaterin. Konzentration. Wie schwierig sich aber Eiweißmengen kann der Patient heute „Heute gibt es zum einen für je- manchmal die Kommunikation gestal- optimal versorgt werden und ist somit den Patienten, der darauf angewiesen tet und wie unterschiedlich die Wahr- widerstandsfähiger“, erzählt Kauer. 16 | KfH aspekte 3-2019
zu Hause zu machen“, sagt Nebel. „Wir sind in 2015 dieser Zeit: „Das war schon enorm, wie das KfH der Ärzteschaft sehr motiviert, vielen Patienten sich in der ehemaligen DDR engagiert hat. Es einen Zugang zu ermöglichen. Die Bäume wer- Auf der Mitglie- gab keine Diskussion: Wer ins KfH kam, wurde den aber in der Heimdialyse nicht in den Him- derversammlung behandelt und nicht weggeschickt. Das KfH hat mel wachsen“, meint Nebel. Ein Grund dafür: im Juli wird die in einer atemberaubend kurzen Zeit eine enorme neue KfH-Satzung Infrastruktur aufgebaut. Bei uns in Halle wurden verabschiedet, mit zunächst Container hingestellt, die aber alles an- „ES GAB KEINE der sich das KfH als nephrologischer dere als ein Provisorium waren. Und schließlich wurde ein Neubau in Angriff genommen. Die DISKUSSION: WER Gesamtversorger der Zukunft Mitarbeiter aus der Hauptverwaltung des KfH haben sich in der Aufbauzeit sehr intensiv um INS KFH KAM, positioniert. uns gekümmert. Es gab eigentlich immer jeman- WURDE BEHANDELT den im KfH, der es geschafft hat, anfallende Pro- bleme schnell zu lösen.“ UND NICHT 2018 Ein rascher Aufbau war in der mitteldeut- schen Region auch dringend notwendig. „Bis WEGGESCHICKT.“ Erweiterung der Versorgungsauf- dahin konnte nicht mal die Hälfte der eigent- lich dialysepflichtigen Patienten mit Hilfe einer träge des KfH für künstlichen Niere behandelt werden. Die anderen PROF. DR. BERND OSTEN, chronisch nie- Patienten starben einfach“, erinnert sich Osten. ehemaliger Direktor der Universitätsklinik reninsuffiziente „Unterm Strich muss man sagen: Bis zur Wende Halle (Saale) und ehemaliges Mitglied Patienten. war die Kapazität absolut unvollkommen.“ Die des Ärztlichen Beirats des KfH Entscheidung, welchen Patienten geholfen wer- den kann, fiel in ärztlichen Gremien. „Wer auf 2019 der Warteliste stand, konnte nachrücken, wenn Patienten, die an die Dialyse kommen, werden ein Platz frei wurde.“ Das KfH feiert am immer älter. Nebel schränkt jedoch ein: „Das 7. Oktober 2019 Alter ist nicht unbedingt ein Kriterium, ob man sein 50-jähriges Das KfH betreibt in Deutschland Heimdialyse machen kann oder nicht. Entschei- Bestehen. rund 200 Nierenzentren. dend ist vielmehr, ob der Patient ansonsten fit ist. Während früher akute Nierenentzündungen und auch angeborene Nierenerkrankungen häu- fig die Ursache für Dialysepflichtigkeit waren, haben heute mehr als 50 Prozent der Neuzu- gänge in der Dialyse Gefäßschäden durch an- dere Leiden wie Hochdruck, Herzerkrankungen oder Diabetes.“ Engagement in Ostdeutschland Erneute Aufbauarbeit leistete das KfH nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze. „Nach der Wende wurde das Angebot an Dialyseplätzen in- nerhalb kurzer Zeit so erweitert, dass nach zwei bis drei Jahren eine flächendeckende Versorgung gewährleistet war“, erzählt Prof. Dr. Bernd Os- ten, früherer Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin II und über viele Jahre auch Ärztlicher Direktor beziehungswei- se Dekan der Medizinischen Fakultät der Mar- tin-Luther-Universität Halle-Wittenberg aus KfH aspekte 3-2019 | 17
Die ZUKUNFT der NEPHROLOGIE Neue Dialysegeräte, die künstliche Niere, mehr Transplantations- möglichkeiten – oder doch das ultimative Medikament gegen das Fortschreiten der chronischen Nierenkrankheit? Welche Entwicklungen werden die Nephrologie in den kommenden Jahren bestimmen, auf was dürfen Patienten hoffen? Wissenschaftler und Ärzte geben Antworten.
rinnern Sie sich noch an Ihr erstes Mobiltelefon? gerade mit einigen wenigen Patienten Geräte, die trans- Bis Mitte der 1990er-Jahre hielten Handynutzer portabel sind und das Dialysat selbst aufbereiten können. riesige „Knochen“ an ihr Ohr. Jahr für Jahr brach- Sie ermöglichen den Patienten mehr Lebensqualität durch ten die Hersteller dann im harten Wettbewerb im- Unabhängigkeit von der täglichen Routine eines Nieren- mer kleinere Geräte auf den Markt, irgendwann waren sie zentrums. Damit wird auch häufigeres Dialysieren leichter.“ wenig mehr als eine Streichholzschachtel groß und ließen Die geringe Größe des Gerätes eines US-Herstellers, der sich auf- und zuklappen. Und dann, im Jahr 2007, gab es im Februar 2019 von einem deutschen Unternehmen über- auf einmal etwas ganz Neues: das Smartphone, mit einem nommen wurde, bringt Patienten einen wichtigen Vorteil: Touchscreen zum Wischen und nutzbar wie der Compu- Mobilität. Und die Handhabung für die Heimhämodialyse ter am Schreibtisch. Forschung und technischer Fortschritt ist denkbar einfach. Kitsche erklärt: „Natürlich ist weiterhin haben einen ganzen Markt und mit ihm das Leben der das Punktieren Voraussetzung, aber die Schläuche müs- Menschen umgekrempelt. Auf eine ähnliche Entwicklung sen nicht mehr gelegt werden. Alles ist in einer Kassette. hofft für die 2020er-Jahre die Nephrologie – um die Zahl Klappe auf, Kassette rein, Klappe zu, den Filter anhängen der weltweit Millionen von Menschen zu reduzieren, die jährlich an chronischem Nierenversagen sterben, und um die Situation der Dialysepatienten zu verbessern. Nach wie „TRANSPORTABLE GERÄTE vor die gute Nachricht ist: Die Nephrologie ist das einzige Fach in der Medizin, das den Ausfall eines lebenswichtigen ERMÖGLICHEN MEHR Organs, der Niere, über längere Zeit ausgleichen kann. Die Dialyse ist eine der großen Erfolgsgeschichten der Medi- LEBENSQUALITÄT UND zinwissenschaft. Die Hoffnung auf ein längeres und leichteres Leben für MACHEN HÄUFIGERES nierenkranke Patienten ruht auf mehreren Füßen. Da wären beispielsweise kleinere Dialysegeräte und damit die Chan- DIALYSIEREN LEICHTER.“ ce auf mehr Heimdialyse genauso wie mehr zur Verfügung stehende Spenderorgane oder gar die Chance auf die Xeno DR. BENNO KITSCHE transplantation, die Einpflanzung von Tierorganen. Es gibt KfH-Beauftragter zur Förderung und scheinbar weit fortgeschrittene Forschungen zur implan- Weiterentwicklung der Heimdialyse tierbaren künstlichen Niere. Auch mit der Reproduktion im 3D-Drucker wird, wie auf Seite 21 geschildert, bereits experi- mentiert. Und schließlich gibt es die Hoffnung auf neue Arz- und schon ist die Dialyse startklar.“ Kritische Punkte: Die neimittel. Denn noch liegen für akutes Versagen und chroni- Patienten müssen wegen der Slow-Motion-Technik etwas sche Funktionsstörungen der Niere keine Medikamente vor. häufiger dialysieren und es entsteht mehr Müll, da die Kassette nach dem Dialysieren weggeworfen wird. Dage- gen steht jedoch der geringe Wasserverbrauch. Durch die Neue Geräte, mehr Heimdialyse Slow-Motion-Technik benötigen diese Geräte nur rund 10 Dr. Benno Kitsche ist ärztlicher Leiter des KfH-Nierenzen- bis 20 Prozent der Wassermenge, die heute Dialysemaschi- trums Köln-Merheim und Beauftragter des KfH zur Förde- nen üblicherweise verbrauchen. Kitsche rechnet vor: „In rung und Weiterentwicklung der Heimdialyse. Er sagt, der Deutschland dialysieren rund 90.000 Patienten dreimal technische Stand der heute genutzten Dialysemaschinen sei wöchentlich und benötigen pro Dialyse im Schnitt 250 Li- exzellent. „Im KfH haben wir die besten Dialysemaschinen ter. Wir brauchen dafür also mindestens 67.500.000 Liter zur Verfügung, die es gibt. Wir sind aber jetzt an einem Trinkwasser pro Woche!“ Die neuen Geräte leisten einen Punkt, an dem die Geräte, die uns zur Verfügung stehen, weiteren Beitrag zur Gesundheitsökologie: Sie können ihr nicht mehr großartig weiterentwickelt werden können. Wir Dialysat aus Leitungswasser herstellen. mussten daher innehalten und uns die Frage stellen: Müs- Wasser ist für die Dialyse der Zukunft ein wichtiger sen wir Dialyse neu definieren?“ Bisher gehen die meisten Grundstoff, wie schon heute der Transport von Flüssigkeiten Patienten dreimal die Woche für je rund vier Stunden ins zu den Zentren und zu den Heimdialysepatienten von großer Zentrum zur Dialyse. „Ich bin überzeugt, dass eine häu- Bedeutung ist. „Wir transportieren immer noch sehr viele figere Frequenz die beste Dialyse wäre, die wir anbieten Flüssigkeiten zu unseren Patienten“, berichtet Klaus Staub, könnten“, sagt Kitsche. Den Weg dorthin könnten neue, Leiter der Materialwirtschaft (Einkauf und Logistik). „Idea- kleinere Dialysegeräte ebnen. Kitsche berichtet: „Wir testen lerweise werden die Flüssigkeiten künftig zunehmend dort KfH aspekte 3-2019 | 19
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