GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...

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GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...
Das Patienten-Magazin   3-2019

   Gestern,
heute, morgen
GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...
KfH editorial

Ihr Wohl
im Mittelpunkt
Am 7. Oktober 2019 jährt sich die           hat. Dazu gehören beispielsweise die       „50 Jahre. Gemeinsam. Für unsere Pa-
Gründung des gemeinnützigen KfH             durch das KfH realisierte flächende-       tienten.“ Mit diesem Motto macht das
Kuratorium für Dialyse und Nieren-          ckende Dialyseversorgung, Innovationen     KfH auf seine einzigartige Geschich-
transplantation e. V. zum 50. Mal. Eine     wie die Peritonealdialyse, die Aufbauar-   te und Entwicklung aufmerksam. Wir
schöne Zahl und ein wunderbarer An-         beit im Osten Deutschlands oder auch       dürfen stolz darauf sein, im 50. Jahr
lass, um etwas Besonderes zu planen         neues Wissen in puncto Ernährung.          unseres Bestehens eine wesentliche
und zu feiern. Für unsere verschiedenen                                                Säule in der nephrologischen Versor-
Jubiläumsmaßnahmen haben wir eine           In einem weiteren großen Beitrag skiz-     gung in Deutschland darzustellen.
ausgezeichnete zentrale Botschaft ge-       zieren Wissenschaftler, wie die Zukunft    Wir wollen diesen Pfeiler erhalten
funden, wie ich finde. Sie beschreibt in    der Nephrologie aussehen könnte und        und im Sinne unserer Patienten
vier Worten unser Selbstverständnis –       auf was Patienten dank Forschung           noch stärker machen. Als nephro-
das, was das KfH ausmacht: „Gemein-         und Entwicklung hoffen dürfen – von        logischer Gesamtversorger und
sam. Für unsere Patienten.“                 neuen, kleineren Dialysegeräten über       nicht zuletzt ältester und größter
                                            Visionen der implantierbaren künst-        Dialyseversorger sehen wir uns mit
Schon unser Gründungsinitiator Dr. h. c.    lichen Niere oder Organen aus dem          anderen Organisationen führend in
Klaus Ketzler konnte sein vortreffliches    3D-Drucker bis hin zu neuen Möglich-       der Qualitätsdiskussion und Wei-
Vorhaben, mit dem er auf den damaligen      keiten der Präzisionsmedizin. Welche       terentwicklung der nephrologi-
Dialysenotstand reagierte, nur gemein-      Entwicklungen werden die Nephrologie       schen Versorgung in Deutschland.
sam mit vielen Mitstreitern insbesondere    in den kommenden Jahren bestimmen?
aus dem Gesundheitswesen konsequent         Viel interessanter und kurzweiliger Le-    Wir wollen uns weiterhin mit hoher
umsetzen. Nun sind alle Aktionen in         sestoff.                                   Kompetenz und viel Engagement
unserem Jubiläumsjahr genauso darauf                                                   für unsere Patienten einsetzen, wir
ausgerichtet, diesem Motto gerecht zu       Das gilt genauso für die in dieser Aus-    wollen Sie bestmöglich in allen Ihren
werden. Das spiegelt sich auch in der Ih-   gabe abgebildeten Geburtstagsglück-        Belangen betreuen. Das gilt im KfH
nen vorliegenden Jubiläumsausgabe von       wünsche von Wegbegleitern und an-          für alle Bereiche, für jeden einzelnen
KfH-aspekte wider. Sie ist umfangreicher    deren für chronisch kranke Patienten       Arbeitsplatz. Ihr Wohl als Patient steht
als gewohnt, und im Titelbeitrag spannt     engagierten Menschen und Instituti-        bei uns im Mittelpunkt – dafür arbeiten
die Redaktion einen großen Bogen vom        onen. Neben dem großen Jubiläums-          alle Menschen im KfH gemeinsam.
KfH-Gründungsjahr 1969 bis heute und        block enthält dieses Heft trotzdem
weiter in die Zukunft hinein.               viele der gewohnten Rubriken. Wir in-      Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim
                                            formieren Sie über die Bedeutung der       Lesen und grüße Sie
Gestern, heute, morgen: Ärzte und Pfle-     Grippeschutzimpfung für chronisch
gekräfte berichten auf den folgenden        nierenkranke Patienten, berichten über
Seiten von der Dialyse im Wandel der        eine Studie zum Schutz vor Lungenent-
Zeit. Sie schildern, wie sich die Versor-   zündung und schildern, wie und warum
gung der Patienten in den vergangenen       eine KfH-Patientin ihren Urlaub samt       Professor Dr. med. Dieter Bach
50 Jahren Schritt für Schritt verbessert    Gastdialyse in Berlin-Mitte verbringt.     Vorstandsvorsitzender

2   | KfH aspekte 3-2019
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KfH inhalt

       KfH thema
       G
        estern, heute, morgen – KfH-Jubiläumsseiten

    4	Glückwünsche zum KfH-Geburtstag
    8 	Dialyse im Wandel der Zeit
       Ärzte und Pflegekräfte berichten

   16 	Von Dosenobst zu Frischkost
       Ernährung im Wandel

 18 Die Zukunft der Nephrologie
		  Die Niere aus dem Drucker? Auf was Patienten hoffen dürfen

 24 „Mit Präzisionsmedizin die Dialyse verhindern“
		  Im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Benzing

       KfH wissen
  26	Gut geschützt durch den Winter
       Zeit für die Grippeschutzimpfung

  27	KfH-Stiftung Präventivmedizin
       Neue Fundraising-Website

   28 	Schutz vor Lungenentzündung
       Studie in 33 KfH-Zentren

       KfH kompakt
  30	Meldungen aus den Zentren

       KfH service
  32 	Reiseserie
       Mein Lieblingsort: Berlin-Mitte

  34 	Tipps für die Leser und Gewinnspiel

                                          KfH aspekte 3-2019 | 3
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HERZLICHEN
            GLÜCKWUNSCH
                                     Wir gratulieren dem KfH
                                 zu seinem 50-jährigen Bestehen

                     „Ein Blick in die Chronik des KfH zeigt, dass sich die Versorgung der Nie-
                     renerkrankten in unserem Land seit seiner Gründung 1969 stetig verbessert
                     hat. Die KfH-Zentren waren dabei ein wichtiger Wegbereiter. Angefangen bei der
                     Informations- und der Präventionsarbeit zur Vermeidung von Nierenerkrankungen,
                     über den Einsatz für die Organspende, bis hin zur Forschung und Versorgung in den
        Dialysezentren und der Betreuung der transplantierten Patienten, sind die KfH-Zentren heute zu
        nephrologischen Gesamtversorgern geworden, für junge wie für ältere Patienten. Natürlich dürfen
        wir bei der Verbesserung der Situation der Nierenerkrankten in unserem Land nicht nachlassen.
        Das 50-jährige Bestehen des KfH bietet daher Anlass, allen zu danken, die seit dem Bestehen des
        Kuratoriums in den KfH-Zentren an einer guten und patientenorientierten Versorgung Betroffener
        mitgewirkt haben: Herzlichen Dank und viel Erfolg für die zukünftige Arbeit!“
        Grußbotschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

                                                       „Die Gründung des KfH im Jahr 1969 legte den
                                                       Grundstein für die ambulante Nephrologie. Damals
                                                       war es für nierenkranke Patienten keineswegs selbst-
                                                       verständlich, durch eine Nierenersatztherapie überleben
                                                       zu können. Der Ausbau der ambulanten Zentren sicher-
                                         te die Dialysebehandlung der Patienten. Wir gratulieren dem KfH
                                         zum 50-jährigen Jubiläum und freuen uns darauf, auch in Zukunft
                                         die Lebensqualität der Patienten gemeinsam zu verbessern.“
                                         Dr. Michael Daschner, Vorstandsvorsitzender Verband Deutsche Nierenzentrenn

4   | KfH aspekte 3-2019
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„Die Bundeszentrale für gesund-
             heitliche Aufklärung unterstützt seit                     „Herzlichen Glückwunsch zu 50
             vielen Jahren Menschen aller Alters-                      Jahren KfH im Dienste der vielen
             gruppen in ihrer Entscheidungsfin-                        hunderttausend Nierenpatienten.
             dung in Sachen Organspende. Wir                           In einer Zeit des medizinischen
freuen uns deshalb, wie das KfH gemeinsam für                          Versorgungsnotstands für dialy-
Informationen und ein Bewusstsein für das Thema          sepflichtige Patienten gegründet, gilt das KfH
Organspende in der Bevölkerung unterwegs zu              heute als Wegbereiter einer flächendeckenden,
sein. Herzlichen Glückwunsch zu 50 Jahren KfH            lebensrettenden Dialyseversorgung in Deutsch-
und alles Gute für die nächsten Dekaden!“                land. Dieser medizinische Erfolg inspirierte die
                                                         KfH-Gründer Dr. Klaus Ketzler und Professor
Dr. med. Heidrun Thaiss,                                 Wilhelm Schoeppe dazu, sich auch für die För-
Leiterin Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
                                                         derung der Nierentransplantation einzusetzen.
                                                         Damit legten sie letztlich den Grundstein für die
                                                         Arbeit der DSO als Koordinierungsstelle für die
                                                         Organspende. Heute schauen wir auf insgesamt
                                                         mehr als 135.000 erfolgte Organtransplantati-
             „Das KfH hat die deutsche Nephro-           onen deutschlandweit zurück. In dieser engen
             logie maßgeblich geprägt: Als ers-          Verbundenheit und mit Dankbarkeit gratulie-
             ter Dialyseanbieter in Deutschland          ren wir dem KfH zu seinem 50. Jubiläum.“
             hat es sich zu einem umfassenden            Dr. med. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand
             nephrologischen Gesamtversorger             Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)
mit einem bundesweiten Netzwerk und gro-
ßer Expertise etabliert. Das KfH hat die hohe
Qualität der nephrologischen Versorgung in
Deutschland wesentlich mitbegründet und
hält jederzeit an seinen Grundsätzen fest: an
die bestmögliche Versorgung nierenkranker
Patientinnen und Patienten sowie an seine
gemeinnützigen Werte. Das KfH ist seit Grün-                           „Als Public-Health-Institut ist es
dung der DGfN ein enger, vertrauensvoller Part-                        das Ziel des Robert Koch-Instituts,
ner unserer Fachgesellschaft, der Patienten in                         die Bevölkerung vor Krankheiten zu
allen Stadien der chronischen Nierenkrankheit                          schützen und ihren Gesundheits-
gemäß den Qualitätsstandards unserer Fach-                             zustand zu verbessern. In diesem
gesellschaft versorgt, darüber hinaus wertvolle          Sinne sind RKI und KfH bei vielen Themen eng
Versorgungsforschung leistet und sich in vielen          verbunden – wenn es etwa ums Impfen geht, um
gemeinsamen Projekten für die Nephrologie                Antibiotika oder auch um Museen: Nicht nur das
engagiert. Dafür ein herzlicher Dank!“                   RKI, auch das KfH hat ein Museum, das deutsch-
                                                         landweit einzigartige Dialysemuseum Fürth. Zum
Prof. Dr. Andreas Kribben,
Präsident Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)   50. Jahrestag der KfH-Gründung möchten wir
                                                         unsere herzlichen Glückwünsche aussprechen.“

                                                         Prof. Dr. Lothar H. Wieler, Präsident Robert Koch-Institut

                                                                                                  KfH aspekte 3-2019 | 5
GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...
„Zum 50-jährigen Bestehen
                                                                           gratuliert die Gesellschaft für
                                                                           Pädiatrische Nephrologie sehr
                                                                           herzlich. Von Anfang an stand im
                  „Die Möglichkeit, Organe zu spen-                        Leitbild, dass chronisch nieren-
                  den und Organe zur transplantie-           kranke Kinder besondere Zuwendung erfahren
                  ren, fußt auf einer Idee der Soli-         sollen. Dieses Ziel hat das KfH über 50 Jahre
                  darität und ist ein Thema, das alle        konsequent verfolgt. Vor 50 Jahren war die
                  angeht. Ich wünsche dem KfH zu             Dialyse für Kinder praktisch nicht existent und
     seinem 50. Geburtstag, dass es sich weiterhin           die Behandlung des akuten Nierenversagens
     tatkräftig für diese Idee einsetzt, um Leben            experimentell. Erst mit Gründung der ersten
     zu retten und das Leben schwer nierenkran-              KfH-Zentren für Kinder und Jugendliche wur-
     ker Menschen lebenswerter zu machen. Wir                den Strukturen etabliert, die es ermöglichten,
     haben alle Möglichkeiten dazu.“                         die Dialyse von nierenkranken Kindern als
                                                             anerkannte Behandlungsmethode zu etablie-
     Hartwig Gauder, Vorstand Sportler für                   ren. Gemeinsam mit dem KfH haben wir für
     Organspende e. V., Olympiasieger Leichtathletik         nierenkranke Kinder sehr viel erreicht. Für die
                                                             großen Herausforderungen der Zukunft wün-
                                                             schen wir dem KfH, dass es seinen Kurs zum
                                                             Wohle aller nierenkranken Menschen erfolg-
                                                             reich fortsetzen kann.“
                                                             Univ.-Prof. Peter Hoyer, Vorsitzender Gesellschaft für
                                                             Pädiatrische Nephrologie (GPN)

                  „Zum 50-jährigen Bestehen
                  gratuliert der BDO herzlich. Zur
                  Zeit der Gründung gab es keine
                  flächendeckende Dialysever-                                    „Glückwünsche an das
                  sorgung in Deutschland. Dies                                   KfH: Seit 27 Jahren
    grundlegend zu ändern war die ehrgeizige                                     arbeiten das KfH und die
    Aufgabe, der sich das KfH engagiert annahm.                                  Rudolf Pichlmayr-Stif-
    Später wurden der Arbeitskreis Organspende                                   tung gemeinsam an ei-
    und die Deutsche Stiftung Organtransplan-                                    nem europa- (wenn nicht
    tation ins Leben gerufen, und die gemeinsa-                                  welt-)weit einzigartigen
    me Sorge um das Wohl der Patienten führte           Projekt: dem Rehabilitationszentrum für Kinder
    zur Zusammenarbeit mit dem BDO. Für die             und Jugendliche vor und nach Organtransplanta-
    Zukunft wünschen wir weiter viel Erfolg bei         tion Ederhof. Mittlerweile hat sich der Ederhof in
                                                        der Entwicklung der familienorientierten Rehabili-
    deren Betreuung.“
                                                        tation eine herausragende Stellung erworben.“
    Peter Fricke, Vorstandsvorsitzender
    Bundesverband der Organtransplantierten e. V.       Prof. Dr. Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h.c. Eckhard Nagel
                                                        (Mitte) und Prof. Dr. med. Ina Pichlmayr (rechts), Rudolf
                                                        Pichlmayr-Stiftung. Hier mit der nierentransplantierten Frau
                                                        des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender

6     | KfH aspekte 3-2019
GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...
„Über 40 Prozent der in Deutsch-
                                                                                   land betreuten Menschen mit
                                                                                   Diabetes Typ 2 haben geschädigte
            „Das KfH und unsere Kinderhilfe                                        Nieren. Diabetes ist die häufigste
            haben eine gemeinsame Aufgabe:                                         Ursache dafür, dass Menschen auf
            die Situation organkranker Kinder                         Dialyse angewiesen sind. Daher wird eine qua-
            zu verbessern – das KfH im medizi-                        litativ hochwertige nephrologische Versorgung
            nischen Bereich, wir im Gebiet der                        nierenkranker Patienten im Zuge steigender
sozialen Begleitung. Ich gratuliere dem KfH zu                        Diabeteserkrankungen immer wichtiger. Die Ar-
50 Jahren im Dienste der Patienten und freue                          beit des KfH ist für Betroffene unverzichtbar und
mich auf die weitere gemeinsame Zukunft                               wird immer bedeutsamer. Wir gratulieren ganz
und Zusammenarbeit zum Wohl der kleinsten                             herzlich zum Jubiläum und danken für die her-
Nierenkranken.“                                                       vorragende Arbeit der vergangenen 50 Jahre!“

Reinhard Gödel,                                                       Prof. Dr. med. Monika Kellerer,
Vorsitzender Kinderhilfe Organtransplantation e. V.                   Präsidentin Deutsche Diabetes Gesellschaft

                                           „Wir gratulieren dem KfH sehr herzlich zu seinem
                                           50-jährigen Bestehen und wünschen ihm weiterhin viel
                                           Erfolg. Wir können auf einen langen gemeinsamen
                                           Weg zurückblicken. Als gemeinnützige Institutionen
                                           im Bereich der Dialyse ist es auch für die Zukunft unser
                              gemeinsames Ziel, nierenkranken Patienten die bestmögliche Ver­
                              sorgung zu ermöglichen.“
                              Claudia Straub, Vorstandsvorsitzende PHV –
                              Der Dialysepartner Patienten-Heimversorgung
                              Gemeinnützige Stiftung

             „Meinen herzlichsten Glückwunsch
             zum Geburtstag des KfH. Das
             Gründungsjahr 1969 war eine sehr                                    „Vor 50 Jahren haben sozial en-
             bewegte Zeit. Damals hat sich das                                   gagierte Personen mit Weitblick
             KfH, aber auch die Nierenselbsthilfe,                               die Notwendigkeit gesehen, chro-
mit vereinzelten Vereinsgründungen auf den Weg                                   nisch Nierenkranken in Deutsch-
gemacht, den betroffenen Menschen helfend zur                                    land eine Möglichkeit des Über-
Seite zu stehen. Weggefährten und Freunde                           lebens zu sichern. Wegen ihrer sozialen Idee
sind wir in dieser Zeit geworden, pflegten im-                      kann heute Leben chronisch Nierenkranker
mer gute Beziehungen und haben so manche                            gerettet werden. Dafür sagt der Diatra-Ver-
stürmische Entwicklung im Gesundheitswesen                          lag aus Eltville im Rheingau Dankeschön,
gemeinsam gemeistert. So soll es zusammen in                        auch für das seit 30 Jahren gute Miteinan-
eine gute Zukunft gehen.“                                           der, und gratuliert herzlich zum Jubiläum.“
Peter Gilmer, Vorsitzender Bundesverband Niere e. V.
                                                                    Gerhard Stroh, Herausgeber Diatra

                                                                                                        KfH aspekte 3-2019 | 7
GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...
DIALYSE
                           IM WANDEL
                             DER ZEIT
        Vor dem Hintergrund einer desolaten Versorgungslage für chronisch
      nierenkranke Patienten gegründet, hat sich das KfH in den vergangenen
          50 Jahren nicht nur zum größten ambulanten Dialyseanbieter in
      Deutschland entwickelt, sondern auch als umfassender nephrologischer
      Gesamtversorger etabliert. Ärzte und Pflegekräfte berichten, wie sich
          die Versorgung der Patienten Schritt für Schritt verbesserte.

8   | KfH aspekte 3-2019
GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...
nde der sechziger Jahre hatten Patienten,                        auf dem Gebiet der Nephrologie: Dr. Stanley
         die auf die Blutwäsche angewiesen wa-
                                                         1969             Shaldon. Er etablierte die Hämodialyse. „Wir
         ren, schlechte Überlebenschancen. Zwar         Das KfH wird      haben die Patienten dann anschließend bei uns
         gab es bereits Dialysemaschinen, doch         gegründet und      im Zentrum Köln-Merheim ausgebildet“, schil-
waren es deutlich zu wenige. Ohne flächende-          schafft somit die   dert Nebel. Ihnen wurde beigebracht, wie die
ckende Infrastruktur bedeutete die Diagnose Nie-     notwendigen Vor-     Maschine aufgebaut wird und wie man sich
reninsuffizienz für viele Menschen das Todesur-      aussetzungen, um     selbst punktiert. Danach konnten sie zu Hause
teil. Denn: Während rund 3.000 Patienten jedes        schrittweise eine   selbstständig dialysieren und mussten nur alle
Jahr dialysepflichtig wurden, konnten nur rund        flächendeckende     vier bis acht Wochen zur Kontrolle kommen.
400 Patienten behandelt werden. Plätze gab es        Dialysebehandlung    Ein Hauptproblem war, dass sich die Patienten
nur in großen Kliniken und dort auch nur statio-       in Deutschland     punktieren mussten. Die Nadeln sind deutlich
när. Ambulante Dialyseplätze waren noch nicht            einzuführen.     dicker als beim Blutabnehmen, damit ein aus-
vorhanden.                                                                reichender Blutfluss hergestellt werden kann.
     Um der medizinischen Versorgungsnotlage                              „Das kostet schon Überwindung. Aber wenn die
für chronisch nierenkranke Patienten Ende der                             Patienten das einmal können, dann lassen sie
1960er-Jahre ein Ende zu bereiten, gründete Dr.                           keinen anderen mehr ran“, sagt Nebel.
h. c. Klaus Ketzler mit seinen Mitstreitern 1969         1973
das Kuratorium für Heimdialyse e. V. Zum Hin-
                                                        Das KfH baut      Von der Heim- zur Zentrumsdialyse
tergrund: Ein nierenkranker Freund von Ketzler
                                                      erste ambulante
benötigte damals dringend die lebensnotwendi-                             Nach und nach wurden dann Dialysezentren
                                                      Dialysezentren in
ge Dialysebehandlung, und es gab keine Aus-                               eingerichtet. Zu Beginn hatte man noch zu we-
                                                     enger Kooperation
sicht für ihn, einen der wenigen Dialyseplätze                            nige Plätze und Maschinen. Deshalb betrug die
                                                      mit Kliniken auf.
in der Klinik zu bekommen. Ketzler suchte nach                            Dialysezeit nicht wie heute dreimal die Woche
einer alternativen Lösung, um seinem Freund                               rund vier Stunden, sondern zunächst zweimal
zu helfen: Er brachte in Erfahrung, dass in Eng-                          die Woche acht Stunden. Später konnte man
land und den USA die Heimdialyse erfolgreich                 .            aufgrund besserer Technik auf dreimal wöchent-
eingesetzt wurde. Das war die Initialzündung für                          lich sechs Stunden umstellen. „Die Geräte, die
die Gründung des gemeinnützigen Vereins KfH.             1977             wir damals hatten, waren archaisch“, sagt Nebel.
     In den Folgejahren baut das KfH eine flä-         Das erste KfH-     So auch die Drake-Willock. „An der Maschine
chendeckende Dialyseversorgung in der alten            Kinderdialyse-     war die Möglichkeit, die notwendige, korrekte
Bundesrepublik auf. Der Versorgungsnotstand          zentrum entsteht.    Menge der Entwässerung einzustellen, sehr ein-
wird nach und nach behoben. In den ersten                                 geschränkt und konnte nur aus der Erfahrung
drei Jahren gibt es nur die Heimdialyse. Spä-                             beim jeweiligen Patienten eingeschätzt werden.
ter werden ambulante Zentren aufgebaut. „Am                               Das führte beim Patienten manchmal dazu, dass
Anfang haben wir nur Patienten behandelt, die                             er zu viel oder zu wenig entwässert wurde. Aber
abgesehen von ihrer Nierenerkrankung gesund                               die Maschinen waren mechanisch einfach kons-
waren“, blickt Dr. Michael Nebel zurück. Nebel           1982             truiert, so dass handwerklich versierte Patienten
ist Mitglied des KfH-Präsidiums und war ärztli-                           das Gerät selber reparieren konnten. Ein häufig
cher Leiter des KfH-Nierenzentrums Köln-Mer-         Das KfH realisiert   wiederkehrendes Problem war beispielsweise,
heim. Er erinnert sich: „Wer älter als 40 Jah-         im Zusammen-       dass die Proportionierungspumpe ausfiel. Durch
                                                       wirken mit den     ‚dagegen hauen‘ oder ‚daran herumschrauben‘
re war, wurde auch nicht dialysiert, weil man
                                                     Spitzenverbänden
Angst vor den Komplikationen hatte, zum Bei-                              brachte sie manch ein Patient selbst wieder in
                                                      der gesetzlichen
spiel Herzrhythmusstörungen.“ Heute liegt das                             Gang.“ Aus heutiger Sicht unvorstellbar. Ge-
                                                     Krankenkassen die
Durchschnittsalter der neu an die Dialyse kom-                            nauso das: „Früher haben Patienten während
                                                      flächendeckende
menden Patienten bei über 65 Jahren.                                      der Dialysebehandlung geraucht. Wir hatten
                                                       Einführung des
     „Bis Ende der siebziger Jahre gab es den                             also extra Zimmer für Raucher und welche für
                                                        Verfahrens zur
Nephrologen gar nicht als Spezialisten“, erzählt       berührungsfrei-    Nichtraucher.“
Nebel weiter. Das Wissen in dieser Fachrichtung       en Nierenstein-         Die Zahl der Zentrumspatienten wuchs
musste erst erworben werden. Um die Patienten          zertrümmerung      stark, der Anteil der Patienten, die zu Hause
für die Heimdialyse schulen zu können, fuhren           (Lithotripsie).   dialysierten, wurde geringer. „Dies war der Si-
die Ärzte nach England zu einem Vorkämpfer                                tuation geschuldet“, erklärt Nebel. „Nachdem

                                                                                                     KfH aspekte 3-2019 | 9
GESTERN, HEUTE, MORGEN - DAS PATIENTEN-MAGAZIN 3-2019 - KFH KURATORIUM FÜR DIALYSE UND ...
dieses Verfahren sich in den achtziger Jah-
ren einigermaßen etabliert hatte und die Dia-
                                                         1984
lyse verträglicher wurde, konnten nun auch              Die Deutsche
Patienten dialysiert werden, die neben der Nie-      Stiftung Organ-
renerkrankung zum Beispiel noch Diabetes hat-         transplantation
ten oder eine Herzinsuffizienz. Darunter waren        wird gegründet.
                                                    Damit werden die
                                                       seit 1976 vom
  „DIE GERÄTE, DIE WIR                              KfH geschaffenen
                                                      Organisations-
    DAMALS HATTEN,                                  strukturen für die
                                                    Nierentransplan-
  WAREN ARCHAISCH.“                                    tation auf das
                                                    Gesamtgebiet der
               DR. MICHAEL NEBEL,                   Organtransplanta-
                                                     tion ausgedehnt.               Zu den ersten Dialysegeräten für
            Mitglied des KfH-Präsidiums
                                                                                     Heimpatienten in den 1970er-­
         und ehemaliger ärztlicher Leiter des
                                                                                   Jahren zählte die „Drake-Willock“.
         KfH-Nierenzentrums Köln-Merheim

viele Patienten, deren Gesundheitszustand so
schlecht war, dass sie nicht nach Hause hätten
entlassen werden können.“
    Genauso entwickelte sich die Heimdialyse
                                                         1989             hat. Von 1988 an leitete er an der Freiburger
weiter: „Ende der siebziger Jahre hatten wir die      Das KfH leistet     Unikinderklinik eine Kinderdialyse, die seit
Möglichkeit, in der Heimdialyse die kontinuier-      Soforthilfe in den   2008 vom KfH betrieben wird.
liche ambulante Peritonealdialyse, die CAPD,        neuen Bundeslän-          Erst als sich die Bauchfelldialyse hierzu-
einzusetzen. Dieses Verfahren wurde 1976 in         dern, um auch dort    lande durchgesetzt hatte, waren viele Eltern in
den USA entwickelt, 1978 kam die CAPD so              die Versorgung      der Lage, die Dialyse zu Hause durchzuführen.
auf den Markt, wie wir sie heute kennen“, er-          nierenkranker      „Die Bauchfelldialyse ist handhabbar für Eltern,
zählt Nebel. Weil die CAPD technisch leichter          Patienten zu       kann leicht zu Hause durchgeführt werden“,
zu handhaben ist als die Heimhämodialyse und          gewährleisten.      sagt Brandis. Wichtig sei nur eine gute Über-
man dafür keinen Partner braucht, hat durch                               wachung durch den behandelnden Arzt. Gerade
diese Innovation die Zahl der Heimhämodialy-                              für Kinder ist die PD eine gute Lösung, davon
sepatienten weiter abgenommen.                                            ist Brandis überzeugt: „Einige können nachts
                                                                          dialysiert werden und dann tagsüber in den
                                                                          Kindergarten oder in die Schule gehen.“
Meilenstein in der Kindernephrologie                                          Parallel dazu baute das KfH eigene Kin-
Die Innovation Peritonealdialyse ist auch ein                             derdialysezentren auf. Zu dieser Zeit, 1977,
Meilenstein in der Kindernephrologie. Zwar trat                           entsteht das erste KfH-Kinderdialysezent-
das KfH der Unterversorgung in Deutschland                                rum in Kooperation mit dem Universitäts-
Anfang der siebziger Jahre für die Versorgung                             klinikum Essen. „Damit hat sich das KfH in
der erwachsenen Patienten zunächst mit dem
                                                         1999             besonderer Weise um die Versorgung der nie-
Ausbau der Heimdialyse entgegen. Für Kinder          Das KfH-eigene       renkranken Kinder verdient gemacht. Es ist
allerdings war die Hämodialyse zu Hause keine         medizinische        einzigartig in der Welt, dass eine private Orga-
Option. „Alle Kinder wurden in einer Klinik be-      Qualitätssiche-      nisation wie das KfH Dialysezentren baut und
handelt“, erzählt Prof. Dr. Matthias Brandis, der     rungssystem         neben der Versorgung erwachsener Patienten
1972 an der Medizinischen Hochschule Hanno-          Qualität in der      auch die Kinderdialyse mit anbietet“, sagt Bran-
ver mit der Kinderdialyse begonnen und dann         Nephrologie (QiN)     dis. „Man muss dazu wissen, dass die Kinder-
1982 mit dem KfH in Marburg eines der ersten         wird eingeführt.     dialyse nie kostendeckend war. Die Zahl der
Kinderdialysezentren in Deutschland aufgebaut                             betroffenen Kinder ist       Weiter auf Seite 13

10 | KfH aspekte 3-2019
CHRISTA CHUST, MAINZ

„Wir wollen
selbstständige
Patienten“

         ie fing im Jahr 1980 als Pflege-
         kraft beim KfH im Nierenzentrum
         in Mainz an. Die jung gebliebene
62-Jährige mit der kräftigen Stimme, dem
flotten Schritt und den schwarzen Haa-
ren hat 39 der 50 KfH-Jahre erlebt. Es
schwingt Begeisterung mit, wenn sie von
ihrer Arbeit erzählt. Christa Chust, die seit
1994 zusammen mit Roswitha Tengler
die Pflegeleitung in Mainz ausübt, erleb-
te noch den Übergang von der Heim- zur
Zentrumsdialyse. Bis 1978 betreute das
                                                           Christa Chust ist seit 1980 im KfH-Nierenzentrum Mainz tätig –
KfH in Mainz ausschließlich Heimdialyse-                   und immer noch begeistert von ihrer Arbeit.
patienten. Diese gingen, so berichtet sie,
unter Dr. Heide Köhler durch eine harte
Schule: „Sie mussten die Maschine selbst
aufbauen und über ihre Tabletten und
Diät genau Bescheid wissen. Und auch
wir Pflegerinnen und Pfleger wurden             weiter. Man kann dann mit der Krankheit       Patienten mehr Bluttransfusionen be-
noch über all das abgefragt.“ Üblich war        besser umgehen“, sagt Christa Chust. Ver-     kommen. Das blutbildende Hormon Epo-
Anfang der 1980er-Jahre, dass sich Pati-        ändert hat sich im Laufe der Jahre auch       etin als Fertigspritze war noch nicht ver-
enten selbst am Shunt punktierten. Diese        das Miteinander. „Wir hatten mehr Zeit        fügbar. Eine entscheidende Verbesserung
Eigenverantwortlichkeit wirkte sich, so         für die Patienten, konnten uns schon mehr     wurde in den Augen von Christa Chust
sieht sie es heute, auf das Selbstbewusst-      unterhalten. Sie sollten sich nicht wie im    durch die Einführung der sogenannten
sein der Patienten aus: „Einige sagten mir:     Krankenhaus fühlen. Wir haben damals          Bicarbonatdialyse erreicht. Litten vorher
‚Wir sind wichtig, wir sind selbstbestimmt      auch in Zivilkleidung gearbeitet, nur einen   viele Patienten während der Hämodialy-
und nehmen unser Schicksal selbst in die        Kittel darüber angezogen.“ Das änderte        se noch unter Übelkeit, sorgt Bicarbonat
Hand‘.“                                         sich, als das Desinfektionsmittel zu viele    als Puffersubstanz für das normalerweise
     Heute seien Patienten, die neu zur         Kleidungsstücke verätzte. Viel wurde ge-      hauptsächlich durch die Nieren geregelte
Zentrumsdialyse kommen, in der Regel 70         meinsam erlebt. „Wir haben im Juli 1981       Gleichgewicht zwischen Säuren und Ba-
Jahre und älter und weniger an der Dialy-       alle zusammen die Hochzeit von Lady Di        sen im Organismus.
se interessiert als früher. Jüngere würden      und Prinz Charles im Fernsehen geschaut.“          Christa Chust legt Wert darauf, nach
in der Regel für die Peritonealdialyse zu            Auch medizinisch und technisch hat       wie vor selbst in der Pflege im Einsatz zu
Hause trainiert. „Die damalige Mainzer          sich eine Menge getan. „Das Dialysema-        sein – ohne Liebe zum Patienten könne
Philosophie – wir wollen selbstständige         terial war nicht so stabil, da gab es auch    man diesen Beruf nicht machen. So viel
Patienten – ist nach wie vor unser Be-          mal ein Blutleck am Dialysator“, blickt       ist klar: Hier hat eine Frau beruflich ihre
streben, da lebt Frau Doktor Köhler in uns      Christa Chust zurück. Zudem hätten die        Bestimmung gefunden.

                                                                                                                 KfH aspekte 3-2019 | 11
KATHRIN RICHTER, GÖRLITZ                                                                  arzt Dr. Klaus Zenker hatte den Kontakt

„Wir sind eine
                                                                                          zu dem in Görlitz geborenen KfH-Grün-
                                                                                          der Dr. Klaus Ketzler hergestellt. Kathrin
                                                                                          Richter absolvierte von 1986 bis 1989

große Familie“                                                                            ihre Ausbildung zur Krankenschwester in
                                                                                          Görlitz und war danach auf der Dialyse-
                                                                                          station tätig – die Blutwäsche wird in der
                                                                                          sächsischen 56.000-Einwohner-Stadt,
                                                                                          direkt an der polnischen Grenze gelegen,
       ei der Frage, was ihr aus all den       Übernahme durch das KfH. Die soziale       schon seit 1966 durchgeführt. Freilich
       Jahren besonders in Erinnerung          Absicherung ist ein großer Pluspunkt.“     hat sich mit der Wende viel verändert.
       geblieben ist, überlegt Kathrin         Ab dem 2. Juli 1992 beschäftigte das KfH   „Auf einmal gab es neue, moderne Dialy-
Richter einige Sekunden, ehe sie ent-          alle examinierten Pflegekräfte aus der     segeräte, an die wir uns erst herantrauen
schlossen feststellt: „Das Großartigste,       vorherigen Dialysestation am Bezirks-      mussten. Das war schon spektakulär, mit
das uns in Görlitz passiert ist, war die       krankenhaus Görlitz; der damalige Chef­    solchen Maschinen arbeiten zu dürfen.“
                                                                                          Ein weiterer Höhepunkt in ihrem Berufs-
                                                                                          leben kam im April 2001 mit dem Um-
                                                                                          zug aus dem Krankenhaus in ein neues,
Kathrin Richter arbeitet seit 1992 für das KfH-Nierenzentrum                              eigenes Zentrum. „Das war das Größte
in Görlitz und hat die Wendezeit miterlebt.                                               für uns, vorher waren wir doch arg be-
                                                                                          grenzt.“
                                                                                               Die 49-Jährige, die sich vor 20 Jah-
                                                                                          ren zur Hygienefachkraft weiterbilde-
                                                                                          te und seit sieben Jahren auch die PD-
                                                                                          Patienten in Görlitz trainiert und betreut,
                                                                                          mag an ihrer Arbeitsstelle zum einen
                                                                                          „den beständigen Personalstamm“. Noch
                                                                                          heute sind etliche Pflegekräfte aus der
                                                                                          Zeit der Übernahme durch das KfH ihre
                                                                                          Kollegen.
                                                                                               Zum anderen schätzt sie den Um-
                                                                                          gang mit den Patienten: „Ich lasse mich
                                                                                          gerne von den alltäglichen Dingen über-
                                                                                          raschen. Es ist schön, andere Menschen
                                                                                          mit Zuwendung, mit Liebe und auch mit
                                                                                          Spaß zu betreuen und ihnen die Zeit bei
                                                                                          uns so gut wie möglich zu gestalten.“
                                                                                          Selbst die etwas schwierigeren Patien-
                                                                                          ten, oft neu an der Dialyse, würden zu
                                                                                          netten Patienten, wenn man ihnen die
                                                                                          Angst nehme und zeige, dass die Be-
                                                                                          handlung weniger schlimm ist als viel-
                                                                                          leicht gedacht. Über solche Verwand-
                                                                                          lungen von Menschen kann sich Kathrin
                                                                                          Richter richtig freuen. Genauso wie
                                                                                          über das Gemeinsame: „Wir sind hier im
                                                                                          KfH-Nierenzentrum eine große Familie.
                                                                                          Ich bin froh, eine Arbeit gefunden zu
                                                                                          haben, die mir nach all den Jahren im-
                                                                                          mer noch Spaß macht.“

12 | KfH aspekte 3-2019
zu gering und der Aufwand zu hoch, um ein                                  stellt werden konnte – für die Zeit vor und nach
Zentrum wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben.
                                                         2001              der Dialyse und vor und nach der Transplan-
Das hat das KfH aber immer getragen, in dem               Die KfH-         tation – besserte sich die Situation. „Als Ärzte
Bewusstsein, dass für die Kinder etwas gemacht       Stiftung Nothilfe     wissen wir, was wir zu tun haben, aber ohne
werden muss.“                                        für Nierenkranke      die zusätzliche Unterstützung können wir nicht
    Denn die Behandlung junger Patienten er-          wird gegründet.      leisten, was notwendig ist“, sagt Brandis. „Und
fordert spezialisierte Einrichtungen, die auf                              die Betreuung ist Voraussetzung dafür, dass
deren besondere Bedürfnisse eingehen. Die Be-                              die Kinder, die so etwas durchmachen müssen,
handlung als solche ist im Prinzip dieselbe wie          2002              letztlich aus der Sache als einigermaßen nor-
bei Erwachsenen. „Aber es ist vergleichsweise                              male, geistig gesunde Erwachsene herauskom-
schwierig, bei Kindern den Zugang zu legen“,          Die KfH-Nieren-      men. Das ist das Ziel.“
                                                      zentren erhalten          Um die damalige Situation zu verdeutli-
                                                       im Rahmen der       chen, erzählt Brandis auch von der – aus heuti-
  „DIE INNOVATION                                        Neuordnung
                                                       der Versorgung
                                                                           ger Sicht – unglaublichen Einstellung mancher

 PERITONEALDIALYSE
                                                                           Kollegen zu dieser Zeit: „Ich will nicht verheh-
                                                        nierenkranker
                                                                           len, dass ich in Berlin Anfang der siebziger Jah-
                                                     Patienten langfris-
    IST AUCH EIN                                     tige Versorgungs-
                                                                           re, als ich zum Thema Dialyse für Kinder ei-
                                                                           nen Vortrag hielt, in der Diskussion beschimpft
                                                    aufträge, die neben
 MEILENSTEIN IN DER                                     der ärztlichen
                                                                           wurde: Wie man das überhaupt zulassen könne,
                                                                           Kinder an der Dialyse zu halten, man solle sie
                                                      Behandlung von
KINDERNEPHROLOGIE.“                                   Dialysepatienten     lieber sterben lassen. Zwar waren damals schon
                                                                           die meisten Teilnehmer der Konferenz sprach-
                                                     auch Maßnahmen
                                                      zur Vorbeugung       los, aber in der Anfangszeit war stellenweise
           PROF. DR. MATTHIAS BRANDIS,                einer terminalen     noch die Einstellung vorhanden, dass es ethisch
     Kinderarzt und Leitender Ärztlicher Direktor    Niereninsuffizienz    fragwürdig sei, Kinder einer solchen Behand-
       des Universitätsklinikums Freiburg sowie      und zur Transplan-    lung zu unterziehen. Nach mehr als 40 Jahren
           ehemaliges Präsidiums-Mitglied           tationsvorbereitung    können wir sagen, dass wir sehr erfolgreich wa-
        und Stiftungsratsvorsitzender des KfH         und -nachsorge       ren, glücklicherweise.“      Weiter auf Seite 15
                                                          umfassen.

erklärt Brandis. „Das braucht Zeit, manchmal
                                                                                         Im Jahr 1977 entstand
eine halbe oder eine Stunde, alleine, um das             2004                             das erste KfH-Kinder­
Kind dazu zu bewegen, mitzumachen. Kleine
                                                     Das KfH-eigene                          dialysezentrum in
Kinder begreifen oft nicht oder nicht richtig,
                                                                                          ­Kooperation mit dem
was mit ihnen passiert. Außerdem brauchen            Bildungszentrum
                                                                                           ­Universitätsklinikum
das Kind und dessen Eltern zusätzlich persön-          nimmt seine
                                                                                                   ­Essen.
liche Betreuung durch Psychologen und Päda­             Arbeit auf.
gogen.“ Der Personalaufwand ist also relativ
hoch.
    „Die Unterstützung für betroffene Famili-            2005
en hat sich erst im Laufe der Jahre entwickelt“,      Die KfH-Stiftung
erzählt Brandis. „Wir haben mit nichts ange-         Präventivmedizin
fangen. In Hannover behandelten wir damals            wird gegründet.
im Rahmen der Erwachsenendialyse auch Kin-            Ziel der Stiftung
der. Wir hatten nur zwei Schwestern und einen       ist die Vermeidung
Arzt.“ Zwar konnten nun niereninsuffiziente            von Nierener-
Kinder behandelt werden und mussten nicht            krankungen durch
mehr sterben, aber „die Schwestern und Ärz-         Förderung gezielter
te waren überfordert damit, sich um die psy-        patientenorientier-
chischen Belastungen der Kinder und Eltern zu          ter Forschung.
kümmern“. Erst als zusätzliches Personal einge-

                                                                                                        KfH aspekte 3-2019 | 13
mit fünf Pflegekräften und zwei Ärzten
                                                                                             ziemlich frei in unserer Arbeit. Und wir
                                                                                             brachten die Menschen in die Situation,
                                                                                             autark leben zu können. Das war attrak-
                                                                                             tiv für mich.“
                                                                                                  Schon damals sei absehbar gewe-
                                                                                             sen, dass sich die Versorgungsstruktur
                                                                                             verändern würde. „Viele Patienten wa-
                                                                                             ren schlicht und ergreifend zu krank
                                                                                             für die Dialyse zu Hause“, erzählt Ma-
                                                                                             rion Frei, „deshalb haben sich die Limi-
                                                                                             ted-Care-Zentren entwickelt. Dort ha-
                                                                                             ben sie zwar ihre Maschinen nach wie
                                                                                             vor selbst vor- und nachbehandelt und
                                                                                             auch die Behandlung mehr oder weniger
                                                                                             selbstständig durchgeführt, aber es gab
                                                                                             eben eine medizinisch-fachliche Betreu-
                                                                                             ung vor Ort.“
                                                                                                  Obschon sich das Arbeitsfeld der
                                                                                             Pflegekraft in der Dialysebehandlung
                                                                                             „massiv verändert“ hat, war es stets die
                                                                                             gewisse Selbstständigkeit, die Marion
                                                                                             Frei an ihrem Beruf schätzte, auch als
                                                                                             sie später leitende Pflegekraft war, zu-
                                                                                             letzt ab 2001 im KfH-Nierenzentrum in
Marion Frei arbeitete 42 Jahre lang in Berlin für
                                                                                             der Turmstraße in Moabit. Ihr ist immer
das KfH und schätzt die ganzheitliche Betreuung.
                                                                                             wichtig gewesen, „mit Patienten zu-
                                                                                             sammenzuarbeiten und nicht über sie
                                                                                             hinweg zu entscheiden“. Marion Frei
                                                                                             will den Patienten ganzheitlich betreut
                                                                                             sehen. „Ihn in seiner Ganzheit als chro-
                                                                                             nisch kranker Patient über Jahrzehnte
MARION FREI, BERLIN
                                                                                             hinweg zu begleiten, bis zu einer mögli-

„Nicht über den Patienten                                                                    chen Sterbebegleitung, auch das gehört
                                                                                             dazu.“ Bei der Frage nach einem beson-

hinweg entscheiden“
                                                                                             deren Ereignis in all den Arbeitsjahren
                                                                                             erzählt sie von einer schwangeren Dia-
                                                                                             lysepflichtigen, die sie betreut hat. „Am
                                                                                             Ende gab es ein gesundes Kind zu feiern,
                                                                                             das war toll!“
       xakt 42 Jahre und einen Monat            tren in West-Berlin erst im Aufbau, es            Die 64-Jährige bringt heute ihre
       lang, vom 1. November 1976 bis           war noch die Zeit der Heimdialyse. Für       pflegerische Expertise in Schulungen für
       zum 1. Dezember 2018, hat Marion         die Ausbildung der Heimpatienten und         die Mitarbeitenden ein. Sie schätzt das
Frei in Berlin für das KfH gearbeitet. Es       zur Errichtung sogenannter Limited-Ca-       KfH-eigene Bildungszentrum, dort kön-
begann klassisch, mit einer Stellenanzei-       re-Zentren wurde Personal gesucht. „Ich      ne sie selbst Schwerpunkte setzen, er-
ge in der Zeitung. Sie kam damals gerade        fand bravouröse Arbeitsbedingungen           zählt sie. Marion Frei, ein Freigeist, die-
aus England zurück, hatte ein internati-        vor“, blickt Marion Frei zurück. „Es hieß:   ses Wortspiel sei erlaubt, bereitet es viel
onales Examen abgelegt und „keine Lust          ‚Sie können hier machen, was Sie wol-        Freude, anderen Menschen etwas mit auf
auf die Arbeit im Krankenhaus“. Mitte der       len, so lange wir unser Ziel erreichen.‘     den Weg geben. „Das habe ich so an mir“,
1970er-Jahre befanden sich die KfH-Zen-         Wir waren in Steglitz als kleines Team       sagt sie und lacht.

14 | KfH aspekte 3-2019
Die medizinische Behandlung der jungen wie                                 schließen, da bin ich immer wieder begeistert.“
auch der erwachsenen Patienten hat im Laufe
                                                         2007              Wichtig bleibe natürlich, den Patienten im Auge
der Jahrzehnte große Fortschritte gemacht. Nur      In Trägerschaft des    zu behalten, darauf legt Nebel Wert. Das Ver-
einige wenige seien genannt: Patienten mit ei-        KfH entstehen in     fahren hat zu hoher Akzeptanz geführt: „Wir
ner schweren Nierenerkrankung entwickeln eine       Hannover und Aue       haben innerhalb von 20 Jahren 100 Patienten
sogenannte renale Anämie, also Blutarmut. Da-       erste Medizinische     gefunden, die dieses Verfahren nach unserem
durch waren früher immer wieder Bluttransfu-        Versorgungszentren     Stil durchgeführt haben. Patienten, die nach
sionen nötig – mit den entsprechenden Risiken         zur umfassenden      einer Transplantation wieder an die Dialyse
wie beispielsweise einer Infizierung mit Hepa-      Versorgung nieren-     mussten, wollten danach nur Heimdialyse ma-
titis. Mit der Entwicklung eines Medikaments         kranker Patienten.    chen.“ In Köln-Merheim dialysiert inzwischen
mit dem körpereigenen Hormon Erythropoetin,                                mehr als ein Drittel der Patienten zu Hause.
kurz Epo, gelang der Durchbruch. Epo fördert                                   Um so ein Heimdialyseprogramm aufzu-
die Entwicklung der roten Blutkörperchen: „In            2009              bauen, braucht man eine gewisse Infrastruktur:
den achtziger Jahren konnte ich das erste Kind      Das KfH feiert am      Pflegekräfte, die motiviert und kompetent sind,
mit Erythropoetin behandeln. Das war eine Sen-       7. Oktober 2009       den Patienten das nötige Wissen beizubringen
sation, wir brauchten keine Transfusionen mehr       sein 40-jähriges      und die bereit sind, mit ihnen durch Höhen und
für die Kinder“, berichtet Brandis. Zudem ist die       Bestehen.          Tiefen zu gehen. Außerdem muss kontinuierlich
Dialyse durch sehr präzise arbeitende Geräte,                              Kontakt gehalten werden, man benötigt Tech-
neue Schlauchsysteme und die Anpassung der                                 niker, die alles Notwendige beim Patienten zu
Dialyseflüssigkeiten deutlich verträglicher ge-                            Hause installieren – so zum Beispiel die extra
worden. Und nach einer Transplantation ist die                             Wasser- und Stromzufuhr. Es sollte idealerweise
immunsuppressive Therapie dank der Neuent-               2012              ein eigener Raum für die Dialyse in der Woh-
wicklung von Medikamenten viel verträglicher             2013              nung vorhanden sein. „Und manche Menschen
geworden. Den oft von Minderwuchs betrof-                                  schrecken einfach davor zurück, weil sie Angst
                                                       Die nephrolo-
fenen nierenkranken Kindern hat überdies die                               davor haben, die Dialyse     Weiter auf Seite 17
                                                      gischen Versor-
Einführung des künstlichen Wachstumshormons
                                                    gungsaufträge der
Anfang der achtziger Jahre enorm geholfen.
                                                    KfH-Nierenzentren
                                                      werden um 20
Zurück zur Heimhämodialyse                           Jahre verlängert.
                                                                                      Der nierenkranke Patient wird
Während die Zeit an der Dialyse für die Kinder                                        im KfH ganzheitlich betreut.
so kurz wie möglich sein sollte und das Ziel in
der Regel eine Transplantation ist, ergab sich           2014
vor allem für erwachsene Patienten einige Jahre       Durch Änderung
nach der Einführung der Bauchfelldialyse ein           der Anlage 9.1.
gravierendes Problem: „Inzwischen hatte man         Bundesmantelver-
gesehen, dass die Peritonealdialyse Probleme         trag-Ärzte erhält
bereitet: Nach vier bis fünf Jahren war bei vie-     das KfH die Mög-
len Patienten Schluss, denn häufig entwickelte       lichkeit, auf Basis
sich dann eine Bauchfellentzündung“, berichtet       umfassender Ver-
der Kölner Pionier Nebel. „Ende der neunziger        sorgungsaufträge
Jahre haben wir daher die Heimhämodialyse              Patienten auch
wieder reaktiviert. Dabei mussten Patienten nun      in den Vorstadien
fünf- bis siebenmal die Woche zwei bis maxi-        einer Dialysepflicht
mal drei Stunden lang dialysieren. Ansonsten              betreuen
konnten sie ein normales Leben führen. Die Tat-          zu können.
sache, dass wir für die tägliche Dialyse in der
Regel keinen Partner mehr benötigten, war ein
wesentlicher Fortschritt. Es ist schon virtuos,
wie sich die Patienten selbstständig und alleine
punktieren sowie an die Dialysemaschine an-

                                                                                                        KfH aspekte 3-2019 | 15
50 Jahre KfH

                                               ERNÄHRUNG IM WANDEL

                             Von Dosenobst
                              zu Frischkost
            nde der siebziger Jahre,          ist, einen Dialyseplatz und wir kön-     nehmung ist, zeigt ein Beispiel, das die
            als Ruth Kauer, die als Er-       nen so erreichen, dass die Patienten     Ernährungsberaterin aus ihren Anfän-
            nährungsberaterin für das         in jeder Phase – ob jetzt während der    gen zu berichten weiß: „Wir hatten zu
            KfH-Zentrum Bernkastel-Kues       Dialyse oder in der Prädialysepha-       dieser Zeit ein hochbetagtes Ehepaar,
   arbeitet und auch die Pflegekräfte des     se – einen guten Ernährungszustand       beide dialysepflichtig, beide bei uns in
   gesamten KfH schult, ihre Ausbildung       haben. Ein großer Durchbruch war         Behandlung. Die Kollegen riefen mich
   abgeschlossen hatte, musste die Ernäh-     zum anderen auch die Entwicklung         damals an, die Frau habe sehr hohes
   rung noch den medizinisch-technischen      von Phosphatbindern.“ Nachdem die        Kalium. Sie aß zwar nur Dosenobst,
   Gegebenheiten angepasst werden: „Es        ersten Phosphatbinder auf den Markt      im Gespräch kam aber heraus: Ihr war
   gab zu wenige Dialyseplätze. Deshalb       gekommen waren, wurden sie stetig        nicht klar, dass die Flüssigkeit nicht
   haben wir damals versucht, die Patien-     weiterentwickelt, um Nebenwirkun-        mitgetrunken werden soll. Wir verein-
   ten möglichst lange mit eiweißarmer        gen zu verringern. „Die Phosphatbin-     barten also, dass sie den Saft weglässt.
   Ernährung am Leben zu erhalten. Denn       der ermöglichten eine eiweißreiche       Kurz darauf riefen die Kollegen wieder
   in eiweißreichen Nahrungsmitteln ist       Kost, die notwendig ist, um bei den      an, nun sei das Kalium des Ehemannes
   viel Phosphat. Und eine unvermeidliche     Patienten einen guten Ernährungszu-      zu hoch.“ Ruth Kauer muss noch heute
   Folge einer Nierenerkrankung im End-       stand zu erreichen.“                     schmunzeln. „Das Paar konnte es nicht
   stadium ist, dass der Körper nicht mehr                                             übers Herz bringen, den ‚guten‘ Saft
   in der Lage ist, das überschüssige, mit                                             wegzugießen.“
   der Nahrung aufgenommene Phosphat          Wissenschaft und Fortschritt                  Die wissenschaftlichen Erkennt-
   auszuscheiden.“ Die sogenannte Hyper-      Früher mussten Patienten auch sehr       nisse und der Fortschritt haben deut-
   phosphatämie kann schwere Folgen für       stark auf Kalium achten. „Durch die      lichen Einfluss auf die Ernährung be-
   die Gesundheit mit sich bringen: „Die      deutlich längeren Dialysezeiten haben    ziehungsweise Beratung der Patienten
   Patienten hatten zu der Zeit oft eine      die Patienten heute weniger Probleme     genommen: Im Prädialysestadium
   sogenannte Pseudogicht. Das Phosphat       mit dem Kalium“, erläutert Ruth Kau-     dürfen die Patienten heute normale
   hat sich an allen Gelenken abgelagert.     er. Nierenkranke Patienten können so     Eiweißmengen zu sich nehmen. Kali-
   Der Phosphatüberschuss führte unter        frische Lebensmittel wie Obst und Ge-    um und Phosphat werden den Labor-
   anderem zu dicken Gelenken, starken        müse genießen.                           parametern angepasst. An der Dialyse
   Schmerzen, extremem Hautjucken                  Einst durften Patienten nur Do-     ermöglicht eine frühzeitige Gabe von
   und Erkrankungen des Herz-Kreis-           senobst und Gemüse aus der Dose,         Phosphatbindern eiweißreiche Ernäh-
   laufsystems. Um die Folgen möglichst       jedoch keine Frischkost essen. Der       rung. „Mit einem guten Ernährungs-
   gering zu halten, haben die Patienten      Saft musste – und das gilt noch heu-     stand durch wenig industriell verar-
   versucht, wenig Eiweiß zu essen. Das       te – unbedingt weggegossen werden,       beitete Lebensmittel, einer definierten
   wiederum führte zu Malnutration, sie       denn darin schwimmt das aus den Le-      Portion frischem Gemüse und Obst und
   waren häufig mager und schlecht er-        bensmitteln gelöste Kalium in hoher      dem Krankheitsstadium angepassten
   nährt“, erzählt die Ernährungsberaterin.   Konzentration. Wie schwierig sich aber   Eiweißmengen kann der Patient heute
        „Heute gibt es zum einen für je-      manchmal die Kommunikation gestal-       optimal versorgt werden und ist somit
   den Patienten, der darauf angewiesen       tet und wie unterschiedlich die Wahr-    widerstandsfähiger“, erzählt Kauer.

16 | KfH aspekte 3-2019
zu Hause zu machen“, sagt Nebel. „Wir sind in            2015             dieser Zeit: „Das war schon enorm, wie das KfH
der Ärzteschaft sehr motiviert, vielen Patienten                          sich in der ehemaligen DDR engagiert hat. Es
einen Zugang zu ermöglichen. Die Bäume wer-           Auf der Mitglie-    gab keine Diskussion: Wer ins KfH kam, wurde
den aber in der Heimdialyse nicht in den Him-        derversammlung       behandelt und nicht weggeschickt. Das KfH hat
mel wachsen“, meint Nebel. Ein Grund dafür:           im Juli wird die    in einer atemberaubend kurzen Zeit eine enorme
                                                    neue KfH-Satzung      Infrastruktur aufgebaut. Bei uns in Halle wurden
                                                    verabschiedet, mit    zunächst Container hingestellt, die aber alles an-
      „ES GAB KEINE                                   der sich das KfH
                                                    als nephrologischer
                                                                          dere als ein Provisorium waren. Und schließlich
                                                                          wurde ein Neubau in Angriff genommen. Die
    DISKUSSION: WER                                  Gesamtversorger
                                                        der Zukunft
                                                                          Mitarbeiter aus der Hauptverwaltung des KfH
                                                                          haben sich in der Aufbauzeit sehr intensiv um
      INS KFH KAM,                                      positioniert.
                                                                          uns gekümmert. Es gab eigentlich immer jeman-

    WURDE BEHANDELT                                                       den im KfH, der es geschafft hat, anfallende Pro-
                                                                          bleme schnell zu lösen.“

        UND NICHT                                        2018                 Ein rascher Aufbau war in der mitteldeut-
                                                                          schen Region auch dringend notwendig. „Bis
     WEGGESCHICKT.“                                   Erweiterung der
                                                     Versorgungsauf-
                                                                          dahin konnte nicht mal die Hälfte der eigent-
                                                                          lich dialysepflichtigen Patienten mit Hilfe einer
                                                     träge des KfH für    künstlichen Niere behandelt werden. Die anderen
              PROF. DR. BERND OSTEN,                   chronisch nie-     Patienten starben einfach“, erinnert sich Osten.
      ehemaliger Direktor der Universitätsklinik      reninsuffiziente    „Unterm Strich muss man sagen: Bis zur Wende
        Halle (Saale) und ehemaliges Mitglied            Patienten.       war die Kapazität absolut unvollkommen.“ Die
            des Ärztlichen Beirats des KfH                                Entscheidung, welchen Patienten geholfen wer-
                                                                          den kann, fiel in ärztlichen Gremien. „Wer auf
                                                         2019             der Warteliste stand, konnte nachrücken, wenn
Patienten, die an die Dialyse kommen, werden                              ein Platz frei wurde.“
                                                    Das KfH feiert am
immer älter. Nebel schränkt jedoch ein: „Das
                                                     7. Oktober 2019
Alter ist nicht unbedingt ein Kriterium, ob man      sein 50-jähriges               Das KfH betreibt in Deutschland
Heimdialyse machen kann oder nicht. Entschei-           Bestehen.                      rund 200 Nierenzentren.
dend ist vielmehr, ob der Patient ansonsten fit
ist. Während früher akute Nierenentzündungen
und auch angeborene Nierenerkrankungen häu-
fig die Ursache für Dialysepflichtigkeit waren,
haben heute mehr als 50 Prozent der Neuzu-
gänge in der Dialyse Gefäßschäden durch an-
dere Leiden wie Hochdruck, Herzerkrankungen
oder Diabetes.“

Engagement in Ostdeutschland
Erneute Aufbauarbeit leistete das KfH nach der
Öffnung der innerdeutschen Grenze. „Nach der
Wende wurde das Angebot an Dialyseplätzen in-
nerhalb kurzer Zeit so erweitert, dass nach zwei
bis drei Jahren eine flächendeckende Versorgung
gewährleistet war“, erzählt Prof. Dr. Bernd Os-
ten, früherer Direktor der Universitätsklinik und
Poliklinik für Innere Medizin II und über viele
Jahre auch Ärztlicher Direktor beziehungswei-
se Dekan der Medizinischen Fakultät der Mar-
tin-Luther-Universität Halle-Wittenberg aus

                                                                                                       KfH aspekte 3-2019 | 17
Die
         ZUKUNFT
            der
       NEPHROLOGIE

 Neue Dialysegeräte, die künstliche Niere, mehr Transplantations-
    möglichkeiten – oder doch das ultimative Medikament
   gegen das Fortschreiten der chronischen Nierenkrankheit?
Welche Entwicklungen werden die Nephrologie in den kommenden
     Jahren bestimmen, auf was dürfen Patienten hoffen?
        Wissenschaftler und Ärzte geben Antworten.
rinnern Sie sich noch an Ihr erstes Mobiltelefon?       gerade mit einigen wenigen Patienten Geräte, die trans-
         Bis Mitte der 1990er-Jahre hielten Handynutzer          portabel sind und das Dialysat selbst aufbereiten können.
         riesige „Knochen“ an ihr Ohr. Jahr für Jahr brach-      Sie ermöglichen den Patienten mehr Lebensqualität durch
         ten die Hersteller dann im harten Wettbewerb im-        Unabhängigkeit von der täglichen Routine eines Nieren-
mer kleinere Geräte auf den Markt, irgendwann waren sie          zentrums. Damit wird auch häufigeres Dialysieren leichter.“
wenig mehr als eine Streichholzschachtel groß und ließen              Die geringe Größe des Gerätes eines US-Herstellers, der
sich auf- und zuklappen. Und dann, im Jahr 2007, gab es          im Februar 2019 von einem deutschen Unternehmen über-
auf einmal etwas ganz Neues: das Smartphone, mit einem           nommen wurde, bringt Patienten einen wichtigen Vorteil:
Touchscreen zum Wischen und nutzbar wie der Compu-               Mobilität. Und die Handhabung für die Heimhämodialyse
ter am Schreibtisch. Forschung und technischer Fortschritt       ist denkbar einfach. Kitsche erklärt: „Natürlich ist weiterhin
haben einen ganzen Markt und mit ihm das Leben der               das Punktieren Voraussetzung, aber die Schläuche müs-
Menschen umgekrempelt. Auf eine ähnliche Entwicklung             sen nicht mehr gelegt werden. Alles ist in einer Kassette.
hofft für die 2020er-Jahre die Nephrologie – um die Zahl         Klappe auf, Kassette rein, Klappe zu, den Filter anhängen
der weltweit Millionen von Menschen zu reduzieren, die
jährlich an chronischem Nierenversagen sterben, und um
die Situation der Dialysepatienten zu verbessern. Nach wie           „TRANSPORTABLE GERÄTE
vor die gute Nachricht ist: Die Nephrologie ist das einzige
Fach in der Medizin, das den Ausfall eines lebenswichtigen             ERMÖGLICHEN MEHR
Organs, der Niere, über längere Zeit ausgleichen kann. Die
Dialyse ist eine der großen Erfolgsgeschichten der Medi-               LEBENSQUALITÄT UND
zinwissenschaft.
     Die Hoffnung auf ein längeres und leichteres Leben für            MACHEN HÄUFIGERES
nierenkranke Patienten ruht auf mehreren Füßen. Da wären
beispielsweise kleinere Dialysegeräte und damit die Chan-
                                                                      DIALYSIEREN LEICHTER.“
ce auf mehr Heimdialyse genauso wie mehr zur Verfügung
stehende Spenderorgane oder gar die Chance auf die Xeno­                                DR. BENNO KITSCHE
transplantation, die Einpflanzung von Tierorganen. Es gibt                       KfH-Beauftragter zur Förderung und
scheinbar weit fortgeschrittene Forschungen zur implan-                           Weiterentwicklung der Heimdialyse
tierbaren künstlichen Niere. Auch mit der Reproduktion im
3D-Drucker wird, wie auf Seite 21 geschildert, bereits experi-
mentiert. Und schließlich gibt es die Hoffnung auf neue Arz-     und schon ist die Dialyse startklar.“ Kritische Punkte: Die
neimittel. Denn noch liegen für akutes Versagen und chroni-      Patienten müssen wegen der Slow-Motion-Technik etwas
sche Funktionsstörungen der Niere keine Medikamente vor.         häufiger dialysieren und es entsteht mehr Müll, da die
                                                                 Kassette nach dem Dialysieren weggeworfen wird. Dage-
                                                                 gen steht jedoch der geringe Wasserverbrauch. Durch die
Neue Geräte, mehr Heimdialyse                                    Slow-Motion-Technik benötigen diese Geräte nur rund 10
Dr. Benno Kitsche ist ärztlicher Leiter des KfH-Nierenzen-       bis 20 Prozent der Wassermenge, die heute Dialysemaschi-
trums Köln-Merheim und Beauftragter des KfH zur Förde-           nen üblicherweise verbrauchen. Kitsche rechnet vor: „In
rung und Weiterentwicklung der Heimdialyse. Er sagt, der         Deutschland dialysieren rund 90.000 Patienten dreimal
technische Stand der heute genutzten Dialysemaschinen sei        wöchentlich und benötigen pro Dialyse im Schnitt 250 Li-
exzellent. „Im KfH haben wir die besten Dialysemaschinen         ter. Wir brauchen dafür also mindestens 67.500.000 Liter
zur Verfügung, die es gibt. Wir sind aber jetzt an einem         Trinkwasser pro Woche!“ Die neuen Geräte leisten einen
Punkt, an dem die Geräte, die uns zur Verfügung stehen,          weiteren Beitrag zur Gesundheitsökologie: Sie können ihr
nicht mehr großartig weiterentwickelt werden können. Wir         Dialysat aus Leitungswasser herstellen.
mussten daher innehalten und uns die Frage stellen: Müs-              Wasser ist für die Dialyse der Zukunft ein wichtiger
sen wir Dialyse neu definieren?“ Bisher gehen die meisten        Grundstoff, wie schon heute der Transport von Flüssigkeiten
Patienten dreimal die Woche für je rund vier Stunden ins         zu den Zentren und zu den Heimdialysepatienten von großer
Zentrum zur Dialyse. „Ich bin überzeugt, dass eine häu-          Bedeutung ist. „Wir transportieren immer noch sehr viele
figere Frequenz die beste Dialyse wäre, die wir anbieten         Flüssigkeiten zu unseren Patienten“, berichtet Klaus Staub,
könnten“, sagt Kitsche. Den Weg dorthin könnten neue,            Leiter der Materialwirtschaft (Einkauf und Logistik). „Idea-
kleinere Dialysegeräte ebnen. Kitsche berichtet: „Wir testen     lerweise werden die Flüssigkeiten künftig zunehmend dort

                                                                                                         KfH aspekte 3-2019 | 19
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