GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK - Kommunale Umweltpolitik

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                                                                                                                                                                          G
                                                                                                                                                                 A
                                                                                                                                                         A U F L

                                                               GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK
                                                                                     10. Kommunale Umweltpolitik
                                                                                                                                                      Axel Welge

       Inhaltsverzeichnis:

       10.1   Klimaschutz................................................................................................................................... 2
       10.2   Anpassung an den Klimawandel.................................................................................................. 10
       10.3   Verbesserung der Luftqualität...................................................................................................... 18
       10.4   Lärmschutz.................................................................................................................................. 26

Einleitung
Bei der Verbesserung der Lebensqualität in den Städten hat der kommunale Umweltschutz bereits eine Vielzahl von
­Erfolgen zu verzeichnen, sei es bei der Luftqualität, dem Naturschutz, bei der Gewässergüte oder der Versorgung mit
 Grünflächen. Die zahlreichen Erfolge dürfen aber nicht dazu verleiten, in den Anstrengungen für eine gesicherte zukünf-
 tige Entwicklung nachzulassen. So stellen unter anderem der kommunale Klimaschutz, die Anpassung an den Klima-
 wandel, die Lösung der Lärmproblematik oder die Verbesserung der Luftqualität große Herausforderungen für den
 kommunalen Umweltschutz dar. Erfolge im Umweltschutz dienen jedoch nicht nur den Bürger_innen, sie sind zuneh-
 mend auch ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft und somit im gesamtstädtischen Interesse.

Die Städte haben zahlreiche Aufgaben im Bereich Umweltschutz zu erfüllen. Im Vordergrund stehen dabei neben der
Gefahrenabwehr vor allem die Vorsorge und die Umsetzung von entwickelten Konzepten. Erfahrungen der Städte mit
der zentralen Organisation der Umweltverwaltung haben gezeigt: Umweltämter haben sich als bündelnde und integrie-
rende Organisationsformen des vorsorge- und vollzugsorientierten Umweltschutzes bewährt. Die Umweltämter sind
nicht nur eine wichtige Serviceeinheit für die Bürger_innen, sondern auch die zentralen Ansprechpartner für Unterneh-
men, andere Ämter sowie die Politik.

Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Anne Haller |
Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2018 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn |
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                                                                                                                                   R    20
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                                                                                                                           A U F L

                                                   GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK
                                                                                                 10.1 Klimaschutz
                                                                                                                      Axel Welge

Mit der im Sommer 2011 im Deutschen Bundestag be-                    Kompakte Siedlungsstrukturen mit urbaner, hoher Nut-
schlossenen Energiewende will die Bundesrepublik dazu                zungsdichte ermöglichen eine effiziente Nutzung und
beitragen, ihre Klimaschutzziele nachhaltig zu erreichen.            wirtschaftlich tragfähige Weiterentwicklung der kommu-
Insgesamt sollen die Treibhausgasemissionen bis 2020                 nalen Infrastruktur. Die Einbettung in ein Netz von Frei-
um mindestens 40% gegenüber dem Stand von 1990                       räumen dient sowohl dem Stadtklima und der Lebens-
reduziert werden. Innerhalb der Europäischen Union wird              qualität als auch dem dezentralen Hochwasserschutz und
sich die Bundesregierung für eine Verringerung der Emis-             der Grundwasserneubildung.
sionen um mindestens 40% bis 2030 einsetzen. Deutsch-
landweit sollen bis spätestens im Jahre 2050, so der Klima­          Viele der diskutierten Bausteine gehören daher bereits
schutzplan, die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95%                 seit langem zum klassischen Repertoire der Europäischen
reduziert werden. Zudem setzt sich die Bundesregierung               Stadt und einer in diesem Sinne „guten städtebaulichen
für einen wirksamen Emissionshandel auf europäischer                 Praxis“. Ihre Umsetzung trägt zur Verminderung der
Ebene ein. Auf die Stromerzeugung in Kernkraftwerken                 CO2-Emissionen oder zu einer verbesserten Anpassung
soll bis zum Jahr 2022 vollständig verzichtet werden.                an die Folgen des Klimawandels bei. Diese Ansätze ver-
Diese Ziele sollen insbesondere durch die Erhöhung der               bessern zugleich die soziale Vielfalt und Nutzbarkeit von
Energieeffizienz sowie den Einsatz erneuerbarer Energien             Stadtquartieren (zum Beispiel durch mehr Grün im Wohn-
verwirklicht werden.                                                 umfeld), ermöglichen eine stadtverträgliche Nahmobilität
                                                                     und damit auch eine höhere Aufenthaltsqualität im öf-
                                                                     fentlichen Raum. Unabhängig von der Stärke klimatischer
10.1.1 Rolle der Kommunen beim                                       Veränderungen leisten sie positive Beiträge zur Qualität
Klimaschutz                                                          der alltäglichen städtischen Lebensumwelt.

Langjährige Erfahrungen und vergleichende Untersu-                   Die Kommunen mit ihren vielfältigen Funktionen als
chungen stützen die Hypothese, dass die kompakte,                    Planungsträger für die Ansiedlung von Anlagen der er-
durchgrünte und sich im Wesentlichen nach innen entwi-               neuerbaren Energien, als Eigentümer von kommunalen
ckelnde Stadt mit einer kleinräumigen Mischung von                   Gebäuden, als größter öffentlicher Auftraggeber von
Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Freizeit am besten                  umweltfreundlichen Waren und Investitionen sowie als
den Anforderungen an eine nachhaltige und klimage-                   Versorger und Erzeuger mit/von Strom und Wärme über
rechte Stadt entspricht. Die eigenen Füße, das Fahrrad               kommunale Energieunternehmen (Stadtwerke) sind wich-
oder der ÖPNV werden für die dort deutlich kürzeren                  tige Akteure für eine erfolgreiche Umsetzung der klima-
Wege häufiger als das Auto genutzt; auch der Autobesitz              politischen Ziele.
ist in kompakten Quartieren niedriger.

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3   Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                     GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE UMWELTPOLITIK

10.1.2 Kommunale Handlungsfelder                             ge­tischen Niveau. Gleichwohl ist die vollständige Sanie-
beim Klimaschutz                                             rung des öffentlichen Gebäudebestandes eine massive
                                                             Finanzierungsaufgabe, die ohne finanzielle Unterstützung
Eine nachhaltige Klimaschutzpolitik kann am effektivsten     durch Bund und Länder von den Kommunen alleine nicht
umgesetzt werden, wenn Energieverbräuche vermieden           realisiert werden kann.
werden (Energieeinsparung), der Energieeinsatz durch
eine effiziente Anlagentechnik vermindert wird (Energie-     Die Förderung aus KfW-Mitteln im Rahmen des CO2-Ge-
effizienz) und die erneuerbaren Energien einen bedeuten-     bäudesanierungsprogramm der Bundesregierung, über-
den Anteil an der umweltfreundlichen Energieerzeugung        wiegend über vergünstigte Kredite, ist für viele finanz-
haben.                                                       schwache Kommunen, die sich in der Haushaltssicherung
                                                             befinden, nicht ausreichend, da deren Kreditlinie insge-
Durch Optimierung bestehender Anlagen, Verminderung          samt limitiert und bereits ausgeschöpft ist. Daher sollte
von Leitungsverlusten bzw. Dezentralisierung technischer     ein Investitionsprogramm für die öffentliche Hand auf­
Systeme, Erhöhung von Wirkungsgraden, Abwärmenut-            gelegt werden, das allen Kommunen die notwendigen
zung, Wärmedämmung sowie durch den vermehrten                Energieeinsparungsmaßnahmen an ihren Gebäuden er-
Einsatz erneuerbarer Energien und der Kraft-Wärme-           möglicht.
Kopplung (KWK) lassen sich vor allem im Gebäude- und
Anlagenbestand wesentliche Beiträge zu der für den           Private Gebäude/Wohnungsbau
Klimaschutz entscheidenden CO2-Minderung erzielen.
Dabei müssen unterschiedliche Nutzungsarten im Quar-         Erhebliche Energieeinsparpotenziale liegen in Deutsch-
tier, wie Wohnen, Gewerbe und Dienstleistungen, ge-          land im Gebäudebestand. Allein für die Beheizung und
meinsam betrachtet werden.                                   Warmwasserbereitung von Wohngebäuden wird rund
                                                             ein Viertel der in Deutschland verbrauchten Endenergie
Kommunale Gebäude                                            eingesetzt. Trotz steigender Neubauraten stellen insbe-
                                                             sondere die Optimierung der energetischen Sanierungen
Ein Schwerpunkt der kommunalen Aktivitäten ist die           und die Erhöhung der Sanierungstätigkeit im Wohnungs-
Reduzierung des Energieverbrauchs. In vielen Städten         bestand einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz dar,
wurde in den letzten Jahren erfolgreich ein Energiemanage-   der bereits von vielen Städten intensiv unterstützt wird.
ment installiert, das sich zum Ziel gesetzt hat, Wärme-,     So legt eine Reihe von Städten zusätzliche Förderpro-
Strom- und Wasserressourcen schonend und wirtschaft-         gramme zur Altbausanierung auf. Viele Städte bieten
lich einzusetzen. Mit ihrem Gebäudebestand nehmen die        eine neutrale Energieberatung zur Steigerung der Ener-
Kommunen für viele Bürger_innen eine nicht zu unter-         gieeffizienz an. Aber nicht nur unter dem Aspekt des
schätzende Vorbildfunktion wahr, deren Wahrnehmung           Klimaschutzes sind Maßnahmen zur Steigerung der
auch von der Europäischen Union und der Bundesre­            Energieeffizienz von Wohngebäuden zu begrüßen. Ins-
gierung eingefordert wird. Deshalb ist die energetische      besondere die Heizkosten haben sich in den vergangenen
Modernisierung von vorhandener Bausubstanz nicht nur         Jahren als Kostentreiber bei den Wohnkosten erwiesen.
für die Werterhaltung des kommunalen Vermögens und           Insofern leisten Maßnahmen zur Energieeinsparung in
für die Beschäftigungssicherung des örtlichen Hand-          Wohngebäuden auch einen wichtigen Beitrag zu lang-
werks, sondern auch für die Motivation der Bürger_innen      fristig tragbaren Wohnkosten.
in unseren Städten, sich energiesparend zu verhalten
oder in Maßnahmen zur Energieeinsparung zu investie-         Im Vordergrund der Anstrengungen zur Erreichung der
ren, sinnvoll.                                               Klimaschutzziele sollten demzufolge Förderprogramme
                                                             und Investitionsanreize des Bundes und der Länder zur
Darüber hinaus führt kommunales Energiemanagement            Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden stehen.
vielfach zu Kosteneinsparungen; dies ist in Zeiten knap-     Ziel muss es sein, im privaten Gebäudebereich Anreiz-
per Kassen von besonderer Bedeutung für die Städte.          strukturen für energetische Sanierungen zu schaffen, die
Daher wurden in den deutschen Städten in erheblichem         einerseits die wirtschaftliche Situation der Investor_innen
Umfang energetische Sanierungen im öffentlichen Ge-          und Nutzer_innen berücksichtigen und andererseits die
bäudebestand vorgenommen, darunter sehr vorbildhafte         Energieeffizienz deutlich erhöhen, um die Klimaschutz-
und zum Teil prämierte Sanierungen auf höchstem ener-        ziele erreichen zu können.
4   Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                       GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE UMWELTPOLITIK

Effiziente Energieerzeugungsstrukturen                         tion über die verschiedenen Förderprogramme und die
                                                               unterschiedlichen Technologien bei privaten und ge­
Fossile Energien/Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)/Fernwärme          werblichen Bauvorhaben. Stadtwerke fördern den Ein-
                                                               satz erneuerbarer Energien zudem mit eigenen Förder-
In vielen deutschen Städten werden mit Fernwärmesys­           programmen.
temen umweltfreundlich und preisgünstig Wärme und
Strom erzeugt und verteilt. Im Jahr 2010 betrug die            Viele Städte nutzen verstärkt selbst erneuerbare Energien
KWK-Stromerzeugung in Deutschland 90 TWh, bis 2030             zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Rahmen lokaler
wird ein zusätzliches Potenzial von ca. 30 TWh erwartet.       Klimaschutzprogramme und zur Reduzierung von Ener-
Damit ist die KWK für die nächsten Jahrzehnte eine             giekosten. Der kommunale Klimaschutzpreis sowie an­
hervorragende Übergangstechnologie, bis genügend               dere vergleichbare Wettbewerbe haben in den letzten
Energie aus regenerativen Quellen eingespeist werden           Jahren eine Fülle guter Beispiele für eine erfolgreiche
kann. Die Fernwärmenetze werden auch dann von ho-              Klimaschutzpolitik aufgezeigt.
hem Wert sein, weil sie die Einspeisung aus unterschied-
lichen Energiequellen an verschiedenen Stellen im Ver­         Die Städte investieren in zunehmendem Maße in Photo-
sorgungsgebiet ermöglichen und den Transport zu den            voltaikanlagen, indem sie häufig Flächen zur Verfügung
Verbraucher_innen durchführen. Nur mit leistungsfähigen        (Verpachtung) stellen, auf denen der Bau und Betrieb die-
Netzen ist eine nach energiewirtschaftlichen und Effizienz­    ser Anlagen ermöglicht wird. Relevant ist in diesem Zu-
kriterien optimierte Wärmeversorgung in verdichteten
­                                                              sammenhang die Verpachtung von Dachflächen kommu-
Stadtgebieten möglich.                                         naler Liegenschaften und der kommunalen Unternehmen.
                                                               Um die Attrak­tivität der Flächen für den Investor zu er­
In Stadtvierteln mit hohem Anteil energetisch sanierungs-      höhen, können Pools von Dächern zusammengestellt
bedürftiger Bausubstanz kann durch die Verbindung              und ausgeschrieben werden. Um jedoch eine gezielte
einer moderaten Gebäudesanierung mit einem Wechsel             Ausbaustrategie für erneuerbare Energien verfolgen zu
der Wärmeversorgung zur Fernwärme die angestrebte              können, errichten die Kommunen in zunehmendem
CO2-Senkung bei sozialverträglichen Kosten für die Woh-        Maße selbst Photovoltaikanlagen auf diesen Dächern,
nungsinhaber_innen erreicht werden. Für solche Quartiers­      anstatt sie zu verpachten.
lösungen sollten künftig in stärkerem Maße Mittel der
Städtebauförderung eingesetzt werden können, um die            Windenergieanlagen gewinnen weiter an Bedeutung. Da
mit Fernwärmeausbau zunächst auftretenden unren­               potenzielle Flächen allerdings geringer werden, setzen
tablen Kostenanteile aufzufangen.                              die Kommunen auf den Austausch älterer durch neuere,
                                                               leistungsstärkere Anlagen (Repowering). Investitionen in
Außerhalb der Fernwärmegebiete ermöglicht das KWK-             Windparks an Land und auf See ermöglichen den Kom-
Gesetz die rentierliche Errichtung dezentraler KWK-An­         munen mit ihren Unternehmen ebenfalls, erneuerbare
lagen, wenn ausreichend hohe Benutzungsstunden er-             Energien zu erzeugen und zu vertreiben.
reicht werden. Das ist bei vielen städtischen Einrichtungen,
zum Beispiel Bädern, Schulen und Sporteinrichtungen,           Durch die Einspeisung des beim Einsatz von erneuerbaren
gegeben. Sinnvoll können hier Kooperationsmodelle mit          Energien erzeugten Stroms ins Stromnetz können die
den Stadtwerken sein.                                          Städte die Vergütungen aus dem Erneuerbaren-Energien-
                                                               Gesetz (EEG) in Anspruch nehmen und damit teilweise
Einsatz von erneuerbaren Energien in den Städten               die Anschaffungskosten der Anlagen refinanzieren. Ins-
                                                               besondere die Eigenstromversorgung durch kleine inner-
Durch die Nutzung der erneuerbaren Energien in Deutsch-        städtische Erzeugungsanlagen aus erneuerbaren Ener­
land konnten in den vergangenen Jahren bereits Treib­          gien sollte gefördert werden. Durch die Zunahme von
hausgasemissionen vermieden werden.                            Strom- und Wärmespeichern sowie verbesserter Rege-
                                                               lungstechnik eröffnen die Anlagen zunehmend die Mög-
Die Städte haben verschiedene Möglichkeiten, erneuer-          lichkeit, die Grundlast eines Gebäudes oder Quartiers zu
bare Energien in ihrem Stadtgebiet einzusetzen. Viele          bedienen. Die Weiterentwicklung des EEG sollte auf je-
Städte und ihre Stadtwerke motivieren Bürger_innen zur         den Fall berücksichtigen, dass die Eigennutzung oder die
Nutzung von und zur Investition in Erneuerbare-Energien-       Einspeisung erzeugten Stroms für die Städte weiterhin
Technologien. Dies erfolgt zum Beispiel durch Informa­         wirtschaftlich bleiben sollte.
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Während die Tiefengeothermie zurzeit nur an wenigen          • elektrische und thermische Verwertung von Klärgas,
Stellen in Deutschland erfolgreich eingesetzt wird, bietet   • Nutzung von Energie aus der Verbrennung von Klär-
die oberflächennahe Geothermie ein großes Potenzial in         schlamm,
den Städten. Dazu wird das Wärmereservoir des Grund-         • Nutzung der Abwasserwärme mithilfe von Wärmetau-
wassers oder des Festgesteins mit Sonden oder Brunnen          schern und Wärmepumpen,
erschlossen und mittels Wärmepumpen für die Gebäude-         • Energieerzeugung aus Wasserkraft mit nutzbaren
heizung oder -kühlung genutzt. Für die bei Bestands­           Wasserspiegelgefällen im Wasserweg oder entlang
gebäuden und zur Warmwasserbereitung nötigen Vorlauf-          des Vorfluters
temperaturen bietet der Einsatz von Gaswärmepumpen
Vorteile. Angesichts der Grundlastfähigkeit des geother-     erschlossen werden.
mischen Energiepotenzials werden bei dieser regenera­
tiven Energieform noch wesentliche Entwicklungsmög-          Weitere Energieerzeugungspotenziale, die nicht direkt
lichkeiten gesehen.                                          mit der Abwasserbehandlung verbunden sind, ergeben
                                                             sich durch die Kombination von erneuerbaren Energien
Nutzung der Energiepotenziale der                            mit der Kläranlage in Form von Solarenergie auf den Dä-
Entsorgungsinfrastruktur                                     chern wasserwirtschaftlicher Anlagen, Betriebs- und Ver-
                                                             waltungsgebäuden oder dem Freigelände sowie der
Abwasser                                                     Geothermie. Auch die Gaserzeugung aus Bioabfall (Co-
                                                             Fermentation mit Klärschlamm zur Erhöhung der Effekti-
Die Abwasserbehandlungsanlagen zählen zu den größ-           vität und Effizienz der Energieerzeugung) auf den Klär­
ten Stromverbrauchern in der Kommune. Mit durch-             anlagen kann sinnvoll sein.
schnittlich fast 20% des Stromverbrauchs aller kommu-
nalen Einrichtungen benötigen sie mehr Strom als             Abfall
Schulen, Krankenhäuser oder Verwaltungsgebäude. Das
Umweltbundesamt schätzt, dass der Strombedarf der            Im Rahmen der kommunalen Abfallwirtschaft können
kommunalen Klärwerke rund 3 Mio. Tonnen CO2-Emis­            wichtige Beiträge zur Reduzierung von CO2-Emissionen,
sion pro Jahr verursacht. Ansatzpunkte zur Verbesserung      zur Energiegewinnung und zum Ressourcenschutz in den
des Klimaschutzes und zur Reduzierung des Energie­           Städten geleistet werden. Dabei geht es nicht nur um die
verbrauchs ergeben sich daraus, den Energiebedarf durch      Einsparung von Primärenergieträgern oder Primärroh-
Energieeinsparung und Energieeffizienzsteigerung zu re-      stoffen, etwa bei der Altpapier- oder Altholzsammlung,
duzieren, Energie durch Kläranlagen zu erzeugen und          sondern auch um technische Maßnahmen, mit denen
Wärme aus Kanalabwasser zu gewinnen (Nutzung vor-            zum Beispiel die Freisetzung des in Kompostierungs- und
handener Energiequellen).                                    in mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen
                                                             entstehenden Lachgases (N2O) reduziert werden kann.
Die Energieeinsparpotenziale müssen für die einzelnen        Darüber hinaus leisten Müllverbrennungsanlagen für die
Verfahrensschritte der Abwasser- und Klärschlammbehand­      Restmüllfraktion, die mit Kraft-Wärme-Kopplung betrie-
lung sowie Klärschlammverwertung identifiziert werden.       ben werden, einen wichtigen Beitrag zum Klima- und
Als Hauptansatzpunkte für die energetische Optimierung       Ressourcenschutz im Rahmen der kommunalen Energie-
gelten die Belüftungssysteme der Hauptreinigungsstufe        versorgung. Außerdem können in den kommunalen Fuhr­
(Belebungsbecken), die kontinuierlich laufenden Pump-        parks leichtere, energie- und emissionsreduzierte Müll-
werke u. a. für Zulauf, Zwischenhebewerke und Faul-          fahrzeuge eingesetzt werden.
turmumwälzer sowie die Rührwerke. Sie verbrauchen im
Regelfall über 80% des Stroms. Durch Realisierung von        Klimaschutz, Energie- und Abfallwirtschaft lassen sich
Energieeffizienzmaßnahmen lassen sich insgesamt rund         aber auch durch die Nutzung von Althölzern in Biomasse-
20% des Stromes einsparen und damit eine erhebliche          heizkraftwerken, Biogasanlagen oder die Verwertung bio-
Reduzierung des CO2-Ausstoßes erreichen. Neben dem           gener Abfälle aus Kantinen miteinander verbinden.
sparsamen und effizienten Einsatz von Energie können
in der Abwasserbehandlung Energieerzeugungspoten­
ziale durch
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Bedeutung und Rolle kommunaler Energie-                       Stadt- und Quartiersentwicklungsplanung
versorgungsunternehmen/Stadtwerke im
Klimaschutz                                                   Eine zukunftsgerechte, integrierte Stadtentwicklung nimmt
                                                              in gleicher Weise ökonomische, ökologische, soziale und
Potenziale der Stadtwerke für den Klimaschutz                 kulturelle Dimensionen der nachhaltigen Stadt in den
                                                              Blick. Hierbei ist die Verknüpfung des (Ersatz-) Neubaus
Stadtwerke berücksichtigen wirtschaftliche, ökologische       von klimaangepassten und energetisch optimierten Ge-
und soziale Interessen ihrer Eigentümer. Sie schaffen         bäuden, Stadtquartieren und Infrastrukturen mit dem
Strukturen, die sich an Bedürfnissen und Herausforderun-      Umbau und der energetischen Optimierung von Be-
gen in ihrer Region orientieren. Ihre langjährige Erfah-      standsstrukturen wesentlich.
rung bei der Erstellung energiewirtschaftlicher Leistungen,
die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und die Kenntnis-       Positive Wirkungen der Kombination von Bestandspolitik
se kommunaler Gegebenheiten machen Stadtwerke zum             und Innenentwicklung sind neben dem Klimaschutz die
idealen Partner bei der Entwicklung und Umsetzung             Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, der Schutz
kommunaler und regionaler Klimaschutzkonzepte.                von Ressourcen sowie eine wirtschaftlich effiziente Nut-
                                                              zung von technischer und sozialer Infrastruktur.
Gerade die bestehenden dezentralen kommunalwirt-
schaftlichen Versorgungsstrukturen erleichtern die Ein-       Diese komplexen Anforderungen lassen sich nicht mit
bin­dung erneuerbarer Energien und hocheffizienter Kraft-     breit und eher nach dem Zufallsprinzip wirkenden Kredit-
Wärme-Kopplung in integrierte Versorgungskonzepte.            bzw. Förderprogrammen und entsprechenden unkoordi-
Dadurch vermeiden Stadtwerke zusätzliche CO2-Emissio-         nierten Einzelmaßnahmen an Gebäuden erfüllen, sondern
nen und liefern einen wichtigen Beitrag zum Erreichen         nur mit gebietsbezogenen Konzepten und Handlungs-
der politisch gesetzten Klimaschutzziele auf regionaler,      programmen, die eine stadtteilbezogene Bündelung von
nationaler und europäischer Ebene.                            Maßnahmen und Förderprogrammen bzw. Finanzie-
                                                              rungsquellen ermöglichen. Dabei sind Wärme- und
Rekommunalisierung/Netzrücknahme                              Stromversorgung gemeinsam zu betrachten.

Das kommunale Selbstverwaltungsrecht umfasst die Ent-         Gebäudebezogene Energieeffizienzverbesserung (Hei-
scheidung über den Konzessionsvertragspartner für den         zungsanlagen, Wärmedämmung), dezentrale Energieer-
Betrieb der Strom- und Gasnetze. In den vergangenen           zeugung (Sonne, Wind, Geothermie, Prozess- bzw. Ab-
Jahren haben eine Reihe von Städten und Gemeinden die         wärme aus Industrie, Gewerbe und Haushalten) und
Energienetze wieder in ihre Hand genommen. Mit einer          Effizienzsteigerung durch Kraft-Wärme-Kopplung (Fern-
Netzübernahme haben sie die Möglichkeit, die Energie-         und Nahwärmenetze) sollten kombiniert werden. Auch
wende und den Klimaschutz vor Ort und für die Bürger_         hinsichtlich der Dämm- und Dichtigkeitsstandards für Ge-
innen aktiv zu gestalten.                                     bäude lassen sich in gebietsbezogenen Konzepten eher
                                                              denkmal- und stadtbildverträgliche, den jeweiligen Ge-
Energiedienstleistungen                                       bäudetypologien und dem Gebäudealter entsprechende
                                                              Lösungen finden und unwirtschaftliche Aufwendungen
Kommunale Energieversorgungsunternehmen bieten in             vermeiden. Differenzierte Dämmstandards für unter-
Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen bereits um-         schiedliche Segmente des Gebäudebestandes (zum
fangreiche Energiedienstleistungen an. Diese reichen von      Beispiel bei Denkmälern) können dann innerhalb eines
der Energieberatung über die Einführung von Energie­          Gebietes durch höhere Standards bei Neubauten oder
managementsystemen, Wärme- oder Straßenbeleuch-               durch einen höheren Anteil regenerativ erzeugter Energie
tungscontracting bis zu eigenen Förderprogrammen. Da-         kompensiert werden.
bei werden neue Kooperationen untereinander, mit der
Wohnungswirtschaft, insbesondere den kommunalen               Ebenso können nur in gebietsbezogenen Förderkonzep-
Wohnungsunternehmen, den Bürger_innen (zum Bei-               ten die wohnungswirtschaftlichen und sozialen Auswir-
spiel bei Bürgerenergieprojekten) und anderen Akteuren        kungen der energetischen Modernisierung angemessen
an Bedeutung gewinnen.                                        berücksichtigt werden. So lässt sich zum Beispiel durch
                                                              differenzierte Standards ein angemessenes Verhältnis von
                                                              Kosten und erzielbarer Kaltmiete erreichen und damit ein
                                                              erhöhtes Leerstandsrisiko in Gebieten mit entspanntem
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Wohnungsmarkt vermeiden. Ebenso lässt sich auf diese        reich, zur Ausweitung des Bebauungsplans und des städ-
Weise eine Überforderung einkommensschwacher Mie-           tebaulichen Vertrags zu Energieanlagen sowie die pla-
ter_innen durch die Umlegung der Modernisierungskos-        nungsrechtliche Absicherung nachträglicher Wärmedäm-
ten wirksamer verhindern.                                   mung. Mit der Novelle des Baugesetzbuches 2013 wurde
                                                            u. a. das Flächensparziel verstärkt: die städtebauliche Ent-
Planungsinstrumente                                         wicklung soll vorrangig durch Maßnahmen der Innen­
                                                            entwicklung erfolgen; für die Umwandlung landwirt-
Planerische Maßnahmen zum Klimaschutz und zur An-           schaftlicher oder als Wald genutzter Flächen wurde ein
passung an den Klimawandel setzen bereits auf der Ebene     besonderes Begründungserfordernis eingeführt.
der Regionalplanung an. Hier geht es um energiesparen-
de und verkehrsvermeidende Siedlungsstrukturen nach         Zusätzlich zu den Instrumenten der informellen und for-
dem Leitbild der dezentralen Konzentration (Siedlungs-      mellen Planung können in städtebaulichen Verträgen
entwicklung in zentralen Orten, vorrangig entlang von       nach dem BauGB verbindliche Regelungen zur Durch­
Achsen des öffentlichen (Schienen-)Verkehrs), um Frei-      führung und Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen
raumschutz, um die Standortvorsorge für die Nutzung         einschließlich Energieversorgung, Energie- und Wärme-
erneuerbarer Energien sowie um das große Feld der An-       schutzstandards sowie zu flächenbezogenen, städtebau-
passung zum Beispiel im Hinblick auf Hochwasserschutz       lich bzw. landschaftsplanerisch zu integrierenden Klima-
und land- und forstwirtschaftliche Nutzung.                 anpassungsmaßnahmen getroffen werden, soweit sie
                                                            städtebaulich begründet, ursächlich und angemessen
Auf der Ebene des Flächennutzungsplans erfolgt insbe-       sind.
sondere
                                                            Die Planungsinstrumente können einen wichtigen Bei-
• die Zuordnung von Freiräumen und Bauflächen (und          trag leisten. Insgesamt ist eine möglichst frühzeitige Be-
  damit von Luftaustauschbahnen und Kaltluftentste-         rücksichtigung von Klimaschutzbelangen im Rahmen der
  hungsflächen),                                            Planung unter Einbindung der betroffenen Akteure und
• die Mischung von Funktionen,                              unter möglichst vielfältiger und weitgehender Ausnut-
• die planerischen Vorkehrungen für eine CO2-arme           zung der Gestaltungsmöglichkeiten zu empfehlen. Eine
  Mobilität,                                                wichtige und (fachlich) notwendige Grundlage für diese
• die Flächen- bzw. Standortsicherung für die Produk­tion   Aufgabe stellen Energieversorgungs- und Klimaschutz-
  erneuerbarer Energien (Sonne, Wind, Geothermie,           konzepte dar, die die Anforderungen einer energieeffi­
  Wasser, Biomasse).                                        zienten und klimaschützenden Gemeindeentwicklung
                                                            mit den räumlichen Erfordernissen der vorsorgenden
Die Festlegung von Dichte, Bauweise, Höhe, Stellung und     städtebaulichen Planung verknüpfen.
Geometrie der Gebäude, Dachform, Ausrichtung und
Verschattung beeinflussen die Abkühlung/Durchlüftung        Klimafreundliche Mobilität
von Baugebieten sowie gebäudebezogene Wärmeverlus-
te und mögliche Gewinne durch Solarenergie. Wichtige         20% der deutschen CO2-Emissionen werden vom Ver-
Weichenstellungen für eine klimagerechte und energie-        kehrssektor verursacht. Im Gegensatz zu anderen Sek­
effiziente Stadtentwicklung werden im Rahmen des städ-       toren sind in diesem Bereich jedoch keine Abschwächun-
tebaulichen Entwurfes und seiner Umsetzung in einen          gen der Wachstumsraten zu verzeichnen. Im Gegenteil:
Bebauungsplan definiert.                                     Europaweit ist der CO2-Ausstoß des Verkehrssektors
                                                            seit 1990 um 36% gestiegen. Das ist auf eine weitere
Neben den im Baugesetzbuch bereits vorhandenen kli-         Zunahme der individuellen Motorisierung im Personen-
ma- und energierelevanten Aspekten wurden die Instru-       verkehr, den sich weiter ausdehnenden liberalisierten
mente für eine klimagerechte Stadtentwicklung mit den       ­Güterverkehrsmarkt in einer erweiterten EU und starke
Baurechtsnovellen von 2011 und 2013 zusätzlich ge-           Zunahmen des internationalen See- und Luftverkehrs
stärkt. So wurde u. a. eine Klausel über Klimaschutz und     zurückzuführen. Prognosen für den Straßengüterverkehr
Klimaanpassung eingeführt, die demnach zu den Aufga-         sagen ein Wachstum von 30 – 70% bis 2030 voraus. Trotz
ben der Bauleitplanung gehören. Weitere Änderungen be-       erheblicher Effizienzgewinne beim Flottenverbrauch wird
treffen insbesondere Maßnahmen zur Erleichterung des         der Anteil des Verkehrssektors an den CO2-Emissionen
Repowerings von Windenergieanlagen, zur Zulässigkeit         in den nächsten Jahren daher voraussichtlich noch weiter
von Solaranlagen an oder auf Gebäuden im Außenbe-            steigen.
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Aufgrund der negativen Folgen des Verkehrs für das             Öffentlichkeitsarbeit, Beratung und
Klima sollten auch die Städte ihren Beitrag für eine klima­    Bürgerbeteiligung
freundliche Mobilität leisten. Die Mobilitätsbedürfnisse
von Wirtschaft und Gesellschaft sollten mit weniger Ver-       Öffentlichkeitsarbeit
kehr und durch effizienteren Ressourceneinsatz befrie-
digt werden. Der verbleibende Verkehr sollte in den Städ-      Für die Umsetzung von Zielen und Maßnahmen eines ef-
ten umweltfreundlich und möglichst CO2-neutral gestaltet       fektiven Klimaschutzes sind eine Änderung des menschli-
werden. Die Automobilindustrie trägt ebenfalls eine be-        chen Verhaltens und die Motivation der Bevölkerung zum
sondere Verantwortung für die Entwicklung und Reali­           Einsatz von klimaschonenden Techniken von zentraler
sierung einer klimafreundlichen Mobilität.                     Bedeutung. Dazu muss die Öffentlichkeitsarbeit der Kom-
                                                               munen einen wesentlichen Beitrag leisten: Informations-
Die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Ver-           defizite bei der Planung, Ausführung und Kontrolle von
kehrssektors auf die Umwelt und Vorschläge zu einer            Maßnahmen müssen beseitigt und konkrete Handlungs-
Verringerung der Emissionen in diesem Bereich sind Be-         möglichkeiten durch entsprechende Informationen ange-
standteile von kommunalen Klimaschutzkonzepten. Hier-          boten werden.
bei stehen folgende Maßnahmen im Vordergrund, die
zudem noch einen Beitrag zur Luftreinhaltung leisten           Das massenhafte und ständig weiter steigende Angebot
können:                                                        an Informationen lässt Öffentlichkeitsarbeit zu einem re-
                                                               gelrechten Kampf um Aufmerksamkeit werden, sodass
• die Festlegung von verkehrlichen kommunalen Klima-           hohe Anforderungen an Methoden der Informationsver-
  schutzzielen,                                                mittlung und Aufklärung gestellt werden. Die Mehrzahl
• die Stärkung des Umweltverbundes,                            der Bürger_innen stellt die Notwendigkeit des Klima-
• die Verbesserung von Fuß- und Radverkehrswegen               schutzes nicht in Frage. Nur ein geringer Anteil sieht sich
  sowie weitest gehende Bevorrechtigungen für Fuß-,            aber motiviert und in der Lage, konkrete, eigene Beiträge
  Rad- und öffentlichen Verkehr,                               zu leisten. Dies stellt eine Herausforderung für die Öffent-
• eine intelligente Lenkung des Individualverkehrs in den      lichkeitsarbeit in den Städten dar. Gute Beispiele für er-
  Stadtzentren und eine damit verbundene Reduzierung           folgreiche Klimaschutzkampagnen der Städte werden im
  des Verkehrsaufkommens und des Kraftstoffverbrauchs,         Rahmen des Wettbewerbs „Kommunaler Klimaschutz“
• Durchfahrverbote,                                            ausgezeichnet und dokumentiert; so können andere zur
• nachhaltige Stadtlogistikkonzepte zur CO2-Minderung,         Nachahmung angeregt und zu eigenen Aktionen moti-
• Aktivitäten von Wirtschaft und Verwaltung zum be-            viert werden.
  trieblichen und öffentlichen Mobilitätsmanagement,
• die Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen bei der         Ein sinnvoller Kommunikationsprozess ist jedoch keine
  Fahrzeugbeschaffung und beim Flottenmanagement,              Einbahnstraße, sondern als Dialog der Stadt mit der Be-
• Förderung einer aus erneuerbaren Energien gespeis-           völkerung zu verstehen: Will die Stadt überzeugen, muss
  ten Elektromobilität unter Einbeziehung von E-Bikes          sie selbst ein glaubwürdiges Vorbild sein. Viele Städte ha-
  und alternativen Antriebstechnologien.                       ben bereits eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten
                                                               vorzuweisen, mit denen sie ihr Engagement für den
Die Verwaltungen, die kommunalen Versorgungs- und              Klimaschutz dokumentieren und somit beispielgebend für
Entsorgungsbetriebe sowie die öffentlichen Nahverkehrs-        die Bürger_innen und die örtliche Wirtschaft sein können.
unternehmen verfügen über große Fahrzeugflotten und
können dort über eine verbesserte Fahrzeugtechnik und          Energieberatung
alternative Antriebsarten einen Beitrag zur Verbesserung
der Klimabilanz leisten. Elektrofahrzeuge mit begrenzter       Breit angelegte Projekte zur Information, Beratung und
Reichweite und nächtlicher Ladeerfordernis eignen sich         Bewusstseinsbildung sind ein wichtiges und gutes Mittel
vorzüglich zum Einsatz für kommunale Zwecke und um             zur Bewerbung und Unterstützung der Bürger_innen und
innerstädtischen Lieferverkehr umwelt- und klimafreundli-      Unternehmen in Sachen Energieeinsparung.
cher abzuwickeln. Dabei ist ein entscheidendes Hemmnis,
dass durch innovative Technik sowie zusätzliche Infrastruk-    Die Städte befördern seit vielen Jahren in enger Koope­
tur- und Betriebseinrichtungen Mehrkosten entstehen, die       ration insbesondere mit den kommunalen Energieversor-
durch niedrigere Kraftstoffpreise (Biogas, Elektromobilität)   gern (Stadtwerken), der kommunalen Kreditwirtschaft
heute zumeist noch nicht ausgeglichen werden können.           und kommunalen Wohnungsunternehmen sowie Orga-
9   Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                         GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE UMWELTPOLITIK

nisationen und Initiativen, wie zum Beispiel karitativen         in den letzten Jahrzehnten zu Laboratorien der Bürger­
Verbänden und den Verbraucherzentralen und Energiebe-            beteiligung entwickelt, insbesondere was Eigeninitiative
ratungsagenturen, eine qualitativ hochwertige Energiebe-         in Form nicht gesetzlich geregelter, informeller Beteili-
ratung für Privathaushalte. Dabei orientiert sich die jeweili-   gungsverfahren anbelangt. Die bestehende Vielfalt an
ge Form der Energieberatung an den lokalen Verhältnissen         informellen Beteiligungsformen und -verfahren, derer
und den jeweiligen zielgruppenspezifischen Bedürfnissen.         sich die Kommunen seit vielen Jahren zunehmend bedie-
                                                                 nen, beweist die Vitalität und Kreativität der Demokratie
Bürgerbeteiligung                                                auf lokaler Ebene. Städte binden ihre Bürger_innen auch
                                                                 in die Entwicklung von Klimaschutzprogrammen oder
Eine umfassende Beteiligung der Bürger_innen an Pla-             -aktionsplänen sowie Energiekonzepten und Maßnah-
nungsprozessen und anderen kommunalpolitischen Ent-              men zur Steigerung der Energieeffizienz ein, wie die vie-
scheidungen ist geeignet, deren Qualität und Akzeptanz           len guten Beispiele im Rahmen des Wettbewerbs „Kom-
entscheidend zu verbessern. Die Kommunen haben sich              munaler Klimaschutz“ zeigen.
BE I T E TE
                                                                                                                         AR
                                                                                                                                             18

                                                                                                                  ÜBER
                                                                                                                                   R    20
                                                                                                                                UA
                                                                                                                          BR
                                                                                                                    FE

                                                                                                                                            E
                                                                                                                                            G
                                                                                                                                   A
                                                                                                                           A U F L

                                                   GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK

                                                        10.2 Anpassung an den Klimawandel
                                                                                                                      Axel Welge

Der Klimawandel führt zu Veränderungen, die die Städte               10.2.1 Gesundheit
vor große Herausforderungen stellen. Risiken für die Be-
wohner_innen, die kommunale Infrastruktur oder das                   Die Zunahme von Hitzetagen, Tropennächten und Hitze-
Stadtgrün werden durch hochsommerliche Extremtempe­                  perioden stellt ein ernstes Gesundheitsrisiko für die Stadt-
raturen, starke Niederschläge, Dürreperioden und Stürme              bevölkerung dar. Insbesondere ältere Menschen, chro-
weiter steigen. Dies erfordert zusätzliche Anpassungen               nisch Kranke und Kinder sind durch Hitze gefährdet. Vor
beim Betrieb und beim Ausbau der Infrastruktur. Von                  dem Hintergrund des demografischen Wandels in deut-
großer Bedeutung für das Stadtklima sind neben den                   schen Städten ist davon auszugehen, dass der Anteil der
städtebaulichen Rahmenbedingungen auch die Kalt- und                 Stadtbevölkerung, der von diesem Risiko betroffen ist, in
Frischluftproduktionsflächen und -austauschbahnen inner­             den kommenden Jahrzehnten weiter steigen wird.
halb des Stadtgebietes. Auf der Grundlage von Prognosen
sollten daher stadtteilbezogene Maßnahmen zur Verbes-                Nach der Hitzewelle im Jahr 2003 wurden in einigen
serung des Stadtklimas eingeleitet werden. Ziel der Be-              Städten erhebliche Anstrengungen unternommen, um
mühungen, die möglichst dezernatsübergreifend und mit                für weitere Hitzewellen vorzusorgen. In anderen Städten
den dafür notwendigen personellen Ressourcen in den                  und Regionen werden derzeit Modelle erprobt, die insbe-
Städten bearbeitet werden sollten, muss es sein, die Fol-            sondere alleine lebenden und nicht durch Pflegedienste
gen der Klimaänderungen in der Stadt und für die Stadt               versorgten älteren Menschen helfen sollen, hitzebeding-
zu minimieren.                                                       ten Erkrankungen vorzubeugen.

Um bei der Planung von Klimaanpassungsmaßnahmen                      In allen 16 Bundesländern wurden auf der Grundlage von
gesamtstädtische Zusammenhänge und Querschnittsfra-                  Verwaltungsvereinbarungen mit dem Deutschen Wetter-
gen beachten zu können, sollte bei den Städten eine Ko-              dienst bis auf Landkreisebene hinabreichende Hitzewarn-
ordinationsstelle für diese Aufgaben geschaffen werden.              systeme etabliert, die die Städte zeitnah über drohende
Diese Koordinationsstelle sollte den Prozess strukturieren           Hitzeextremlagen informieren. Es gibt allerdings Hinwei-
und vereinheitlichen. Sie muss Synergieeffekte und Ziel-             se darauf, dass Hitzewarnungen die besonders gefährde-
konflikte zwischen den Akteuren identifizieren und die               ten Bevölkerungsgruppen in den Städten nicht rechtzei-
weitere Zusammenarbeit und Bearbeitung der Aufgaben                  tig und nicht im erforderlichen Umfang erreichen. Eine
mit diesen abstimmen. Nicht zuletzt laufen bei der Koor-             Optimierung könnte durch eine verbindlichere Regelung
dinationsstelle Informationen über die Kosten von Adap-              der Aufgaben und Zuständigkeiten der an den Hitze-
tionsmaßnahmen zusammen. Zu ihren Aufgaben gehört                    warnsystemen beteiligten Akteure erreicht werden.
ebenfalls der regelmäßige Bericht an die kommunalen
Gremien über fachliche und finanzielle Entwicklungen.                Die Ausbreitung von Krankheitserregern, die bereits in
                                                                     Deutschland heimisch sind, oder von neuen Krankheits-
                                                                     erregern (zum Beispiel Asiatische Tigermücke, Dengue­
                                                                     viren) sowie das mögliche Auftreten neuer Infektions-

Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Anne Haller |
Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2018 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn |
Telefon +49 (0) 228 883-7126 | Gestaltung: pellens.de | www.fes.de/kommunalakademie
11   Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                    GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE UMWELTPOLITIK

krankheiten wird in den Gesundheitsämtern beobachtet.          den, dass ihre Funktionsfähigkeit nicht durch das
Bislang gibt es keine Hinweise, dass solche Erkrankungen       Schadensereignis selbst beeinträchtigt wird (zum
vermehrt auftreten. Regionale Veränderungen sollten            Beispiel Lage in einem potenziellen Überflutungsge-
aber weiter beobachtet werden, um frühzeitig auf neue          biet).
Entwicklungen vorbereitet zu sein.
                                                             • Die Schutzkleidung der Einsatzkräfte sollte auch für
Die Gesundheitsämter sollten ihre Informationskampag-          lang andauernde Einsätze ausgelegt werden.
nen über Presse, Medien, Flyer, Internetauftritt, Fortbil­
dungen für Ärzt_innen und sonstige Veröffentlichungen        • Die Kommunen sollten bereit sein, ihre Feuerwehren
zu den o. a. Themen fortsetzen. Zudem sollten Notfallplä-      in überregionale, ggf. landesweite Einsatzkonzepte
ne für besonders betroffene Einrichtungen wie Behinder-        einbinden zu lassen.
ten-, Alten- und Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser
überprüft bzw. – falls noch nicht vorhanden – erstellt       • Vor dem Hintergrund der demografischen Entwick-
werden.                                                        lung sollten Förderprogramme aufgelegt werden, wel-
                                                               che die Gewinnung und dauerhafte Bindung von jun-
                                                               gen, leistungsfähigen Menschen an das ehrenamtliche
10.2.2 Katastrophenschutz                                      System des Katastrophenschutzes sicherstellen.

Als Folge des Klimawandels und der daraus resultieren-       • Die für die Einsatzplanung zuständigen Fachbereiche
den Extremwetterlagen wird sich der Schutzbedarf für           sollten materiell und personell in die Lage versetzt
die Bevölkerung deutlich erhöhen. Die Strukturen des           werden, im Ereignisfall die Planungsleistungen sowie
­Katastrophenschutzes sind auch unter diesem Aspekt zu         die Führung und Leitung zu gewährleisten.
 optimieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass immer
 häufiger benachbarte Gebietskörperschaften von dem
 gleichen Extremwetterereignis berührt sein werden, was      10.2.3 Stadtplanung
 die gegenseitige Hilfeleistung erschweren wird bzw. un-
 möglich machen kann.                                        In einigen Städten wird der Wohnflächenbedarf in den
                                                             nächsten Jahren weiter zunehmen, in vielen anderen
Bei der Optimierung des Katastrophenschutzes sollten         Kommunen besteht zumindest Sanierungs- und Erneue-
folgende Bereiche berücksichtigt werden:                     rungsbedarf in Bestandsflächen. Zusätzlich wird dieser
                                                             Trend durch eine Renaissance des städtischen Wohnens
• Etablierung eines leistungsfähigen Warn- und Infor-        befördert. Im Mittelpunkt der Stadtentwicklungspolitik
  mationssystems, einschließlich Weckeffekt, um die Be-      im Hinblick auf den Klimawandel steht die Frage, ob die
  völkerung auch dann mit Warnungen und Informatio-          im Bestand vorhandenen Potenziale (Flächenkonversion,
  nen zu versorgen, wenn die üblichen (elektronischen)       Nachverdichtung) ausreichen, oder ob die Siedlungsflä-
  Medien (TV, Radio, Internet, Mobilfunk etc.) nicht aktiv   che zu Lasten der Grün- und Freiräume ausgeweitet wer-
  sind bzw. nicht ausgewertet werden (zum Beispiel           den müsste, falls dies stadtklimatisch unbedenklich reali-
  während der Nachtstunden).                                 siert werden kann.

• Identifizierung und Schutz kritischer Infrastrukturen      Zukünftig werden auf der architektonischen Detailebene
  vor den Auswirkungen von Extremwetterereignissen.          die Aspekte der Klimaanpassung (zum Beispiel Sonnen-
  Hierbei sollte insbesondere darauf geachtet werden,        schutz/Verschattung/Speichermasse/Dachgestaltung) an
  dass die Infrastruktur zur Gefahrenabwehr, zum Bei-        Bedeutung gewinnen. Dies gilt für den Wohnungsneu-
  spiel Feuerwachen bzw. Feuerwehr-Gerätehäuser,             bau, den Wohnungsbestand und für die Büro- und Ge-
  Basisstationen des digitalen Funks sowie Betreuungs-       werbenutzungen. Andernfalls ist bei hohen sommer­
  einrichtungen, über eine Notstromversorgung verfü-         lichen Temperaturen mit einem verstärkten Energiever-
  gen und beheizbar sind.                                    brauch für die Gebäudeklimatisierung zu rechnen.

• Bei Liegenschaften, welche für die Funktionsfähigkeit      Ziel der Stadtentwicklungspolitik sollte es sein, dass in
  des Katastrophenschutzes bzw. der Gefahrenabwehr           Anbetracht der prognostizierten stadtklimatischen und
  insgesamt erforderlich sind, sollte zukünftig mehr be-     wasserhaushaltlichen Veränderungen der Lebensraum
  achtet werden, dass sie räumlich so angeordnet wer-        Stadt auch zukünftig adäquate Lebensbedingungen an-
12   Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                   GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE UMWELTPOLITIK

bietet und die schon heute bestehenden „städtischen         • Für bereits stark erwärmte Bereiche innerhalb der
Wärmeinseleffekte“ nicht zu völlig unbehaglichen bzw.         Stadt sollten Lösungen gesucht werden, wie die Über-
sogar lebensbedrohlichen Lagen führen.                        wärmung grundsätzlich reduziert werden kann (zum
                                                              Beispiel Dachbegrünung, Entsiegelungsmaßnahmen,
Folgende Maßnahmen sind zu empfehlen:                         Baumpflanzungen, Wasserbaumaßnahmen, helle Ober-
                                                              flächen).
• Der klimaverträglichen Nachverdichtung im Bestand
  sollte Priorität vor der weiteren Außenentwicklung
  eingeräumt werden.                                        10.2.4 Städtebau

• Städtische Überwärmungstendenzen sollten bei der          Bei der Gebäudeplanung werden die Berücksichtigung
  Stadtplanung berücksichtigt werden.                       wichtiger Kalt- und/oder Frischluftleitbahnen sowie deren
                                                            Entstehungsgebiet in ihrer Bedeutung zunehmen. Durch
• Im gesamten Stadtgebiet sollten die zur Belüftung der     hohe sommerliche Temperaturen ist mit einem verstärk-
  Innenstadt relevanten Kaltluftschneisen ermittelt, er-    ten Energieverbrauch für Kühlung und Klimatisierung zu
  halten und in ihrer Funktionsfähigkeit entwickelt und     rechnen. Die Energiekosten werden steigen, und die Be-
  verbessert werden.                                        deutung von Wärmeschutzmaßnahmen wird daher zu-
                                                            nehmen. Liegen Gebäude in bereits bekannten und zu-
• Bei künftigen Bebauungen oder Umbauten an Still-          künftig zu erwartenden Überschwemmungsbereichen,
  und Fließgewässern sollten die Gebäude so ausgerich-      ist in zunehmendem Maße mit substantiellen Schäden
  tet werden, dass die Kaltluftbahnen in die Kernstadt      und/oder funktionellem Verlust (Nutzungseinschränkun-
  hineinwirken können.                                      gen) zu rechnen. Daher sind offensive Informationskam-
                                                            pagnen für erforderlichen Selbstschutz gefordert.
• Bei der Beachtung der lokalen Klimaverhältnisse (Kalt-
  und Frischluftsysteme) sollten auch deren regionalen      Ziel ist eine gleichbleibende oder verbesserte Aufenthalts-
  Verknüpfungen berücksichtigt werden, da die Ein-          qualität in Gebäuden (Neubau und Bestand) und im
  zugsgebiete dieser Luftsysteme zumeist weit über das      Stadtraum bei gleichzeitiger Vermeidung unnötiger Ener-
  Stadtgebiet hinausreichen.                                gieverbräuche zu Heiz- und Kühlzwecken durch folgende
                                                            Maßnahmen:
• Der Hochwasser- und Grundwasserschutz sollte stär-
  ker als bisher berücksichtigt werden, damit die weitere   • Prüfung sämtlicher Neubauplanungen hinsichtlich der
  Entwicklung der Stadt nicht durch zunehmenden               Anpassung an den Klimawandel (zum Beispiel Be-
  Funktionsverlust der städtischen Infrastrukturen (zum       rücksich­tigung sommerlicher Verschattung und win-
  Beispiel in Folge von Hochwasserschäden oder Grund-         terlicher Verschattungsfreiheit, solare Optimierung)
  wasserproblemen) behindert wird.                            sowie Optimierung des Klimaschutzes.

• Im Zusammenhang mit der Herausbildung und Abgren­         • Hochwasserangepasste Gebäudeplanung im privaten
  zung von Belastungsgebieten durch Wärmeinselbildung         und öffentlichen Bereich (Sicherung von Kellerschäch-
  in den Städten sollten vorhandene und geplante Infra-       ten, Verlagerung von empfindlichen Einrichtungen wie
  struktureinrichtungen für besondere Risikogruppen           Stromverteiler aus dem Kellerbereich).
  (zum Beispiel Krankenhäuser, Alteneinrichtungen) auf
  besondere Schutzmaßnahmen und auf räumliche und           • Energie- und Klimaschutzkonzepte für neue Bauge­
  bauliche Vorkehrungen überprüft werden. Im Einzel-          biete (mit Berücksichtigung der Luftreinhaltung in
  fall sollte auch eine Verlagerung von Standorten in         Luftreinhalteplangebieten).
  ­Erwägung gezogen werden.
                                                            • Aufnahme, Abprüfung und hohe Gewichtung von
• Grundsätzlich sollten Regenwasserbewirtschaftung und        energetischen und adaptiven Klimaschutz- und Klima-
  Überflutungsschutz stärker in der Stadtplanung, der         anpassungskriterien in Wettbewerben.
  Straßen- und Brückenplanung sowie der Hochbaupla-
  nung Berücksichtigung finden, auch damit die Stadt        • Berücksichtigung stadtklimatischer Gesichtspunkte bei
  ihrer Vorbildrolle gerecht wird.                            der Gestaltung von Gebäuden und Freiflächen (zum
                                                              Beispiel Freihalten von Kaltluftschneisen, Oberflächen-
13     Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                  GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE UMWELTPOLITIK

     entsiegelung, höhere Reflektionsgrade, Schaffung von       sichern und weiter zu steigern, ohne die Nutzungs-
     Schattenplätzen, Ausgleich bei unvermeidbarer Versie-      dichte zu reduzieren.
     gelung, Gründächer).
                                                             • Die innerstädtischen Grün- und Freiflächen sollten als Bio-
• Nutzergerechte Steigerung der Energieeffizienz öf-           topverbindungen mit dem Umland verbunden werden.
  fentlicher Gebäude.
                                                             • Neue Parkanlagen (zum Beispiel auf Konversionsflä-
• Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes (Op-             chen) schaffen Erholungsflächen und verbessern das
  timierung des Fensterflächenanteils, hochwertiger Son­       lokale Klima im Stadtquartier.
  nenschutz, aktivierbare Speichermassen, Nachtlüftungs­
  konzept, Gründächer mit der zusätzlichen Möglichkeit       • Vorhandene innerstädtische Parkanlagen sollten dau-
  der Integration von Solaranlagen auf sonnenzugewand-         erhaft gesichert und jede Möglichkeit zur Erweiterung
  ten Dachflächen).                                            (z.  B. ehemalige Verkehrsflächen) genutzt werden.

• Verstärkte wärmetechnische Sanierung bestehender           • Bei großflächig versiegelten Flächen sollte geprüft
  Gebäude.                                                     werden, ob Entsiegelungen und Begrünungen mög-
                                                               lich sind.
• Berücksichtigung von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
  und regenerativer Energien im Neubau und Bestand.          • In verdichteten Quartieren können baumbestandene
                                                               Straßenzüge zur Vernetzung der innerstädtischen
• Vorrangige Nutzung von KWK für Gebäudeklimatisie-            Grünräume beitragen.
  rungen, in nicht mit KWK erschlossenen Gebieten der
  Einsatz regenerativen Energien.                            • Zur Förderung von Dach- und Fassadenbegrünungen
                                                               könnte ein Investitions- und Beratungsprogramm ini­
• Schutz von Türen und Fenstern vor Überflutung.               tiiert werden.

• Versickerung von Niederschlägen soweit möglich auf         • Unbefestigte Stadtbahntrassen sollten als Rasengleise
  dem Grundstück oder Ableitung über öffentliche An-           angelegt werden.
  lagen der Regenwasserbewirtschaftung.
                                                             • Der innerstädtische Baumbestand sollte nachhaltig ge-
• Unterstützung und Förderung der Entsiegelung.                sichert und weiterentwickelt werden.

                                                             • Die Zusammensetzung des Straßenbaumbestandes
10.2.5 Stadtgrün                                               sollte vielfältiger und somit stabiler gegenüber klima-
                                                               bedingten Veränderungen wie zum Beispiel neu auf-
Es wird mit einer weiteren Zunahme des Trockenstresses         tretenden Schadorganismen werden. Neue, nicht hei-
für Straßenbäume, Gehölzbestände in Parkanlagen, grund­        mische Baum­arten sind den Folgen des Klimawandels
wasserferne Waldbestände und landwirtschaftliche Flächen       oftmals besser gewachsen und sollten verstärkt zur
gerechnet. Die Bedeutung von begrünten Dächern, Hin-           Bepflanzung des Straßenbereiches genutzt werden.
terhöfen, Fassadenbegrünungen und Verkehrsflächen
und die Notwendigkeit zur Reduzierung der Wärme­             • Innerstädtischer (urbaner) Wald erfüllt eine Vielzahl
abstrahlung von Fassaden nehmen zu. Extremwetter­              von Funktionen (zum Beispiel CO2-Speicherung). Wald-
ereignisse (zum Beispiel Stürme, Dürreperioden) werden         flächen sollten somit dauerhaft erhalten und womög-
häufiger auftreten und sich auf den Baumbestand und            lich erweitert werden. Eine nachhaltige Bewirtschaf-
dessen Zusammensetzung auswirken. Mit der Temperatur-          tung und die Auswahl geeigneter und an die künftigen
erhöhung wird die Zuwanderung von Arten verstärkt. Ins-        Klimaveränderungen angepasster Baumarten sichert
gesamt werden Veränderungen der Biodiversität erwartet.        den Bestand.

Folgende Maßnahmen bieten sich an:                           • Fichtenmonokulturen sollten zu stabilen Laubmisch-
                                                               wäldern umgebaut werden.
• Die Grün- und Freiflächen sollten erhalten und erwei-
  tert werden, um die Kaltluftzufuhr und -entstehung zu
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