Gutachterliche Stellungnahme zur Bindung von Feinstaub und Kohlenstoffdioxid durch Gehölze auf dem Maindeich - Gutachten - Nr.
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Gutachterliche Stellungnahme zur Bindung von Feinstaub und Kohlenstoffdioxid durch Gehölze auf dem Maindeich Gutachten – Nr. 210 482 Datum 09.12.2010 Gutachter Eiko Leitsch Projektbezeichnung BV Deichertüchtigung Offenbach Auftraggeber Stadt Offenbach am Main
1. Bindung von Feinstaub durch Gehölze 1.1. Grundlagen Entlang der städtischen Verkehrsräume werden seit langem Straßen begleitend Vegetationsbereiche angelegt, die neben einer Schattenwirkung (Baumalleen) auch kühlende und Temperaturabsenkende Wirkung haben. Mit Zunahme der Verkehrsbelastung und einer intensiven Diskussion über Feinstaubbelastung ergab sich die Frage inwieweit Straßen begleitende Vegetation Feinstäube nach an ihrem Entstehungsort filtern, binden und durch Sedimentation festlegen kann. Durch die Anlage entsprechender Schutzpflanzungen sollen die mit Staubpartikeln belasteten Luftströme zu wesentlichen Teilen gereinigt werden. Die an den Pflanzen haftenden Schadstoffe werden entweder durch Niederschlag abgewaschen oder mit dem herbstlichen Blattfall dem Boden zugeführt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Pflanzen nicht quasi als Staubsauger aktiv die Feinstäube anziehen und aufnehmen, sondern dass es sich um eine physikalische Filterung der vorbeiströmenden Luft handelt. Die Filterwirkung der Pflanzen wird im Wesentlichen bestimmt durch die Beschaffenheit der Blatt-, Zweig- und Stammoberfläche. Hier sind insbesondere wichtig die Rauhigkeit, die eventuell vorhandene Behaarung, Benetzbarkeit, Blattwölbung und Blattfiederung der Gehölze. Ein wesentliches Kriterium ist des Weiteren ein lockerer Aufbau der Gehölze, der eine Durchströmung mit Schadstoff belasteter Luft erlaubt. Optimale Wirkung hat dabei ein dreischichtiger Aufbau der Straßen begleitenden Vegetation mit einer rauen Krautschicht, einer lockeren Strauchschicht und einem nicht zu dichten Baumbestand. 2
Bild Nr. 1 Gehölzwand, kein Bild Nr. 2 Lockere Bepflanzung, gute Luftaustausch möglich Höhenstaffelung Die als ideal beschriebene Höhenstaffelung sollte dann in der Lage sein, unterschiedliche Staubfraktionen mit unterschiedlicher Partikelgröße aus dem Luftstrom der Straße zu binden. Wichtig bei der Anlage solch einer Straßen begleitenden Schutzpflanzung ist allerdings die Tatsache, dass die Pflanzungen nicht zu dicht werden und damit eine Durchmischung der Boden nahen Luftschichten hemmen oder verhindern. In diesem Fall kommt es dann zu einer lokalen Anreicherung von Luftschadstoffen, die sich nachteilig auf die betroffenen Straßenabschnitte auswirken. (Literaturhinweis: Veröffentlichungen von Dr. Manfred Thönnissen, Uni Köln) Hinsichtlich der Effektivität von Pflanzen in Bezug auf Feinstaubfilterung haben sich laut der zur Verfügung stehenden Literatur folgende Grundsätze herauskristallisiert. Nadelbäume filtern effektiver als Laubbäume Laubbaumblätter mit rauen und behaarten Blättern filtern effektiver als glatte und flache Blätter. Immergrüne Arten filtern Feinstaub auch im Winter und sind daher insgesamt wirkungsvoller Das Vermögen der Feinstaubbindung der Blätter ist abhängig von der Größe und dem Mirkorelief der Oberfläche Von Luft durchströmte Pflanzungen filtern durch die gute Durchlässigkeit besser als dichte Pflanzungen und 3
Wirkungsvoll sind in der Höhe gut strukturierte Bestände in Form einer Kombination von aufgeasteten Bäumen, einer Unterpflanzung mit krautigen Pflanzen und Sträuchern, da die Blattmasse durch den dreistufigen Aufbau verschiedene Höhen aufweist. Allerdings muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass in dem gesamten Themenkomplex Feinstaubbindung durch Vegetation noch ein erheblicher Forschungsbedarf besteht, um die tatsächliche Filterleistung der Vegetation quantifizieren zu können. Bild Nr. 3 Alteichen auf dem Damm 4
1.2. Bewertung des Ist-Zustandes Nach dem ersten Schritt der Erfassung des Baumbestandes wurde nun der Unterwuchs auf der gesamten zu bearbeitenden Deichlänge aufgenommen, eingemessen und im beiliegenden Plan dargestellt. Bei der Aufnahme wird deutlich, dass ähnlich wie bei dem Baumbestand über die gesamte erfasste Deichlänge ein sehr uneinheitliches Bild besteht. Manche Teilabschnitte entsprechen in ihrem Vegetationsaufbau nahezu ideal den bisher gekannten Anforderungen an eine Pflanzung zur Bindung von Feinstäuben. Bild Nr. 4 Gute Höhenstaffelung Bild Nr. 5 Tunnel Andere Bereiche insbesondere diejenigen mit einem Altbaumbestand mit weit ausladenden Kronen und einer gegenüberliegenden städtischen Grünanlage mit gleichem Baumbestand zeigen einen Kronenschluss, der den Luftaustausch verhindert und die Schadstoffkonzentration im Straßenraum hält. Als weiteres Hindernis für eine effektive Reinigung insbesondere der Boden nahen Luftschichten durch die teilweise vorhandene Krautschicht ist die über weite Strecken vorhandene Sandsteinmauer bzw. in abgeschwächter Form die Steintreppen am Böschungsfuß zur Straße hin. Für Feinstaubfraktionen mit größerem Durchmesser, die durch den Luftstrom im Bereich der Fahrbahn aufgewirbelt werden, ist die vorhandene Mauerhöhe nicht zu überwinden. Sie werden im Bereich des Mauerfußes abgelagert und dann über den Eintrag von Niederschlägen wieder auf die Fahrbahn bzw. in die Kanalisation eingespült. 5
Bei einer eventuellen Neupflanzung des Baumbestandes auf dem Deich ergeben sich neben den bereits erwähnten Möglichkeiten zur Etablierung eines langfristig, stabilen Baumbestandes, Möglichkeiten diesen neuen Bestand auch hinsichtlich der Feinstaubbindung zu optimieren. Es könnten alle bisher vorliegenden Erkenntnisse hinsichtlich Aufbau, Strukturierung und Pflanzenauswahl umgesetzt werden. Ergebnis wäre dann ein optimaler Kompromiss zwischen den örtlichen Gegebenheiten und der angestrebten maximalen Feinstaubbindung durch die anstehende Vegetation. Mit einer entsprechenden Höhenstaffelung könnte dann insbesondere auch die Kronenarchitektur, auf die Kronen der Bestandsbäume in den dem Deich gegenüberliegenden Grundstücken abgestimmt werden. Die jetzt teilweise vorhandene Tunnelbildung würde aufgelöst und der dringend benötigte Luftaustausch wird ermöglicht. 1.3. Stellungnahme zur Feinstaubbindung von Prof. Thönnessen1 Gesamtmaßnahme „Deichertüchtigung Offenbach“ Im Rahmen der Projektmaßnahme „Deichertüchtigung Offenbach“ zwischen Carl- Ulrich-Brücke und Chemiewerk Allessa ist hier die Feinstaub-Abscheidewirkung von drei möglichen Vegetationsvarianten zu bewerten. Die drei die Vegetation betreffenden Varianten bestehen einerseits im weitestgehenden Gesamterhalt der Bäume und Sträucher, andererseits in der Entfernung und Erneuerung der flußseitigen Pflanzungen sowie schließlich einer kompletten Neubepflanzung des Deichs nach Abschluß der Sanierungs- & Ausbauarbeiten. Das Hauptziel der Maßnahme besteht in der Stabilisierung des Deiches gegenüber zweihundertjährigen Hochwässern. Dies bedingt in jedem Fall umfangreiche Ausbau- und Sanierungsarbeiten am bestehenden Deichkörper mit Erhöhungsbeträgen zwischen 10 bis 50 cm. Zudem ist vom Einbau einer noch zu positionierenden Spundwand auszugehen. 1 Prof. Dr. Manfred Thönnessen, Universität zu Köln, Geographisches Institut 6
Somit würde auch der komplette bzw. der einseitige Erhalt der bestehenden Gehölzstruktur gravierende Belastungen für die bestehenden bzw. verbleibenden Bäume und Sträucher mit sich bringen. Dies ist als wichtige Tatsache bei sämtlichen Überlegungen wertend zu berücksichtigen. Vegetation & Staubabscheidung Einerseits modifizieren Pflanzen und Pflanzenbestände Luftbewegung und Windweg, andererseits können sich an pflanzlichen Oberflächen Stäube abscheiden und ggf. anreichern. Hier sind selbstreinigende pflanzliche Oberflächen von im Verlauf der Vegetationsperiode Stäube akkumulierenden Blättern zu unterscheiden. Eine wissenschaftliche Bewertung der unterschiedlichen Oberflächenstrukturen im Hinblick auf Planung und Pflanzenverwendung steht noch aus. Hierzu mangelt es an standardisierten Vergleichsuntersuchungen. Abbildung 1 belegt am Beispiel von Gewöhnlicher Platane (Platanus x hispanica) und Dreispitziger Jungfernrebe (Parthenocissus tricuspidata) die genannten Unterschiede der Staubabscheidung aufgrund unterschiedlicher Oberflächenstrukturen. Platanenblätter sind tendenziell eher selbstreinigend, die Blattoberflächen der Dreispitzigen Jungfernrebe akkumulieren Stäube im Verlauf der Vegetationsperiode ohne nennenswerte Selbstreinigungseffekte. Abbildung 2 verweist anhand von acht in Köln unter annähernd identischer Verkehrsbelastung (ca. 70.000Kfz/d) wachsenden Baumarten darauf, dass Ginkgo und Platane eher selbstreinigende Blattoberflächen aufweisen. Dies ist anhand der vergleichsweise geringen Schwermetallgehalte der ungereinigten Blätter abzuleiten, was auf selbstreinigende Blattoberflächen hindeutet. Die Schwermetallgehalte der ungereinigten Blattproben der übrigen Baumarten liegen deutlich höher, so dass von einer Anreicherung im Verlauf der Vegetationsperiode auszugehen ist. Ob selbstreinigende oder akkumulierende Blattoberflächen bessere „Feinstaubfilter“ darstellen, kann erst auf der Basis standardiserter Vergleichsuntersuchungen beurteilt werden. 7
Es kann als gesichertes Wissen angesehen werden, dass Pflanzen die Feinstaubbelastung der Luft minimieren und so einen Beitrag zur urbanen Lufthygiene leisten können. Durch vegetationsbedingte Tunneleffekte können auch erhöhte Feinstaubbelastungen im Tunnelinnern, z.B. einer dichtkronigen Allee bewirkt werden. Der Forschungsbedarf im Hinblick auf konkrete Praxisempfehlungen ist jedoch noch hoch. Abbildung 1: Blattoberflächenstrukturen und Staubabscheidung. Links: ungereinigte und gereinigte Blattoberflächen von Gewöhnlicher Platane, Verkehrsaufkommen ca. 22.000Kfz/d. Rechts: ungereinigte und gereinigte Blattoberflächen von Dreispitziger Jungfernrebe, Verkehrsaufkommen ca. 13.000Kfz/d) 8
Blei (mg/kg) Kupfer (mg/kg) Abbildung 2: Schwermetallgehalte ungereinigter Blätter am Beispiel von Blei und Kupfer, jeweils 2 Bäume á 5 Proben, Verkehrsaufkommen ca. 70.000Kfz/d Darüber hinaus sind weitere Wohlfahrtswirkungen von Vegetation im städtischen Raum zu nennen, allen voran die psycho-sozialen und ästhetischen Auswirkungen auf das Wohlbefinden naturfern lebender Stadtmenschen. Diese werden bei Bürgerbefragungen idR als wichtiger angesehen, als stadtklimatische oder ökologische Aspekte, die selbstverständlich ebenfalls Wohlfahrtswirkungen urbaner Vegetation darstellen. Die aktuelle Bestandssituation am zu begutachtenden Maindeich Die aktuelle Bestandssituation wurde am 08.09.2010 im Rahmen einer kompletten Ortsbegehung erfaßt. Hierbei wurde die Bestandsbewertung des Sachverständigenbüros Leitsch von Anfang 2010 voll bestätigt. Die wurzel- wie kronenseitige Vitalität des sehr heterogenen historisch gewachsenen Gehölzbestandes, der sowohl aus angepflanzten 9
als auch aus naturverjüngten Bäumen besteht, ist vergleichsweise schlecht. Es fällt auf, dass ungeachtet des Baumalters Gehölze mit Vitalitätsverlusten überwiegen. Zudem fällt eine ungewöhnliche Breitkronigkeit infolge fragwürdiger Schnittmaßnahmen auf. Dessen ungeachtet wirkt das langjährig etablierte Ensemble von Deich und Gehölzbestand durchaus ästhetisch. Weiterhin fallen diverse Unverträglichkeiten der aktuellen Bestandssituation und dem Deich auf, in deren Folge bereits Beschädigungen des Deichbauwerkes aufgetreten sind. Auch diese werden in der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigenbüros Leitsch dargelegt. Als Hauptemittent im Umfeld des zu betrachtenden Maindeiches ist der Straßenverkehr, v.a. auf der viel befahrenden Mainstraße zu nennen. Im Bereich der Mainstraße kommt es sowohl hinsichtlich der Feinstaub- als auch hinsichtlich der Stickstoffdioxidbelastungen häufig zu Grenzwertüberschreitungen. Aus diesem Grund werden zwischen Stadt und Land verschiedene Reaktionsszenarien diskutiert. Inwieweit das Chemierwerk der AllessaChemie aufgrund seiner Emissionen immissionsrelevant ist, kann hier nicht beurteilt werden. Deichertüchtigung, Gehölzvitalität und Immissionsschutz Urbane Vegetation kann ihre Wohlfahrtswirkungen nur auf der Basis weitestgehender Vitalität erbringen. Da sowohl aufgrund der Deicherhöhung als auch wegen des Einbaus der Spundwand von baubedingten Vegetationsschäden am bereits vorgeschädigten Bestand auszugehen ist, sei hier der Hinweis gestattet, daß die aktuelle Bestandssituation nur eine Basis zur Abschätzung der Beeinträchtigungen durch die anstehenden Baumaßnahmen darstellen kann. Aussagen zur längerfristigen Vitalität der Gehölze nach Abschluß der Baumaßnahmen sind kaum möglich. Aufgrund der aktuellen Beeinträchtigungen der Bestandssituation mit maximal mittleren Vitalitäten ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Verschlechterung der Gesamtsituation auszugehen. Die Erhaltungsfähigkeit der Bäume kann nur ohne Standortveränderungen, 10
d.h. ohne die geplanten Baumaßnahmen im Rahmen der Deichertüchtigung als einigermaßen gegeben angesprochen werden. Da dies keine Handlungsoption darstellt, ist eine Komplettmaßnahme mit Deichsanierung und vollständiger Neuanpflanzung geboten. Dies ermöglicht im Hinblick auf den Pflanzen- & Gehölzbestand die Berücksichtigung sämtlicher oben genannten Wohlfahrtswirkungen von Vegetation. Die Bepflanzung des Deichs wirkt sich auf die stadteinwärtige Immissionssituation nahezu nicht aus. Von Bedeutung ist sie im Hinblick auf die Luftqualität die Nutzer des auf dem Deich verlaufenden Weges und ggf. für Erholungssuchende am Mainufer. Zu empfehlen ist in diesem Kontext eine zweireihige Allee auf dem Deich mit Gehölzen angemessener Größe, z.B. Carpinus betulus „Fastigiata“ o.ä. Auf Breitkronigkeit zielende Schnittmaßnahmen erscheinen wenig sinnvoll, eine naturnahe und vitalitätsfördernde Kronengestaltung ist wünschenswert. Das Einbringen eines geeigneten Baumsubstrates ist an diesen exponierten Sonderstandorten besonders bedeutsam. Zudem ist auf die langfristige Verträglichkeit von Gehölzwurzeln und Deichbauwerk zu achten. Die genannte Gehölzempfehlung ist als ein Beispiel anzusehen, eine Vielzahl weiterer geeigneter Gehölze findet sich in der Straßenbaumliste der Gartenamtsleiterkonferenz im deutschen Städtetag (GALK). Auf der Stadtseite zur Mainstraße hin ist abgrenzend zum hohen Verkehrsaufkommen zudem eine Heckenstruktur empfehlenswert. Hier kann je nach ästhetischer Vorliebe auf lockere wie auf strenge Gehölzstrukturen zurückgegriffen werden. Rein aus Sicht des Immissionsschutzes wäre eine Unterpflanzung der Baumreihe in Form einer regelmäßig geschnittenen immergrünen Hecke (z.B. Taxus sp.) zu empfehlen, dies mag jedoch ästhetischen Gesichtspunkten entgegen stehen, so dass auch eine Bepflanzung mit Blütensträuchern o.ä. sinnvoll und gewünscht sein kann. Eine immergrüne Hecke würde ganzjährig den besten Immissionsschutz darstellen. Da geschlossene Vegetationsstrukturen das Eingreifen des Windes in den Straßenraum beeinträchtigen können, sei darauf hingewiesen, dass eine dichte Allee an der stark 11
befahrenen Mainstraße die verkehrsbedingten Emissionen dem Verursacherprinzip entsprechend in ihrer Ausbreitung deutlich begrenzen könnte, ähnliches kann auch für dichte und gut gepflegte Heckenstrukturen prognostiziert werden (Vgl. Abbildung 3 oben rechts & unten links). Abbildung 3: Modifikation des Überdachwindes durch Straßenbäume, Hecken oder Fassadenbegrünungen Deichertüchtigung und Immissionsschutz Da dem begrünten Maindeich eine erhebliche ästhetische und identifikatorische Bedeutung zukommt, erscheint eine Vielfalt von Meinungen und Lösungsoptionen vertretbar. Die Beurteilung der Gesamtfragestellung verlangt ein angemessenes Maß an Sensibilität. 12
Unter Berücksichtigung der Gesamtsituation ist auch aus Sicht des Immissionsschutzes und der Feinstaubminimierung dennoch in jedem Fall die Komplettlösung zu favorisieren. Daher wird empfohlen, sämtliche Bäume zu fällen, die Deichertüchtigung vorzunehmen und abgestimmt mit dieser eine Neuanpflanzung mit dem Ziel der weitestgehenden Umsetzung der favorisierten Wohlfahrtswirkungen durchzuführen. 13
2. CO2-Bindung von Bäumen Zunächst gilt es grundsätzlich in wenigen Worten die Möglichkeit der CO2-Bindung durch Vegetation/Bäume zu erläutern. Die Grundlage allen pflanzlichen Wachstums ist die Bildung von Holz und Biomasse durch die Photosynthese. Vereinfacht dargestellt wird aus der Luft CO2 aufgenommen, aus dem Boden kommt Wasser hinzu unter Einbeziehung der Sonnenenergie wird Holz und Biomasse gebildet. Gleichzeitig wird bei diesem Prozess Sauerstoff in die Atmosphäre abgegeben. Die vereinfachte Grundformel für diesen Vorgang lautet CO2 + H2O = CH2O+ O2. Auf der Grundlage dieses chemischen Prozesses wird von der Pflanze zur Bildung von 1kg Biomasse ca. 2 kg CO2 aufgenommen und etwa 1,5kg Sauerstoff abgegeben. Für eine optimale stoffliche Umsetzung sind bestimmte Voraussetzungen notwendig. Eine optimale CO2-Bindung setzt gesunde und vitale Pflanzen/Bäume an möglichst optimal geeigneten Standorten mit einer optimalen Wasser- und Nährstoffversorgung voraus. Nur dann sind die Gehölze in der Lage optimale Zuwachsleistungen zu erbringen und damit ein Höchstmaß an CO2-Bindung zu bewerkstelligen. Zur tatsächlichen Leistungsfähigkeit eines Baumes gibt es sehr unterschiedliche Angaben, die sich im Wesentlichen auf Waldbäume mit guten Standortbedingungen beziehen. Der klassische Beispielbaum ist die 23 m hohe Buche mit 30cm Stammdurchmesser. Dieser Baum speichert ca. 600 kg Trockenmasse in seinen Blättern, Ästen, seinem Stamm und in den Wurzeln. Diese Trockenmasse kann eine Tonne CO2 binden. Um eine Tonne CO2 zu binden, muss der Baum ca. 80 Jahre wachsen, damit ergibt sich eine mittlere jährliche Bindungsrate von 12,5 kg CO2. Andere Quellen von internationalen Aufforstungsprojekten geben jährliche CO2- Bindungsraten von ca. 10 bis 15 Jahre alten Bäumen unterschiedlicher Baumart von 2,5 bis 2,7 kg an. Auch hier handelt es sich um Untersuchungen in Waldgebieten und die Studie zur „Kalkulation der Kohlenstoffbindung bei Wiederbewaldung in den Tropen. La Gamba, Costa Rica“ kommt unter den dortigen Gegebenheiten bei einer Lebensdauer 14
von 60 Jahren für die Wiederanpflanzung auch auf eine durchschnittliche jährliche CO2- Bindung von 12,5 kg pro Baum. Bei diesen Berechnungen ist natürlich klar, dass die CO2-Bindung über die Gesamtlebensdauer des Gehölzes betrachtet werden muss. Nur in der Phase optimalen Wachstums kann die Pflanze wie bereits beschrieben optimal Biomasse bilden und damit ein Höchstmaß an CO2 binden. Für den Baumbestand auf dem Deich Offenbach ergibt sich für die Berechnung der jährlichen CO2-Bindung pro Baum folgende Ausgangssituation. Der Baumbestand ist sehr inhomogen und baut sich aus unterschiedlichen Altersstufen auf. Darüber hinaus weisen die Bäume erhebliche Beeinträchtigungen sowohl des Standraumes, der Versorgung mit Wasser und Nährstoffen und darauf aufbauend der Vitalität auf. Aus diesen Erwägungen heraus erscheint mir ein Abschlag bei der CO2-Bindung auf den theoretischen Wert des gesunden, idealen Waldbaumes von 50% gerechtfertigt. Geht man nun von einer mittleren jährlichen CO2-Bindungsrate von 6,25 kg pro Baum aus, so können die 248 Bäume pro Jahr ca. 1,55 Tonnen CO2- binden. Diese CO2-Bindungsrate wird sich auf Grund der abnehmenden Vitalität für die nächsten Jahre reduzieren, wobei eine Prognose des tatsächlichen Wertes aus heutiger Sicht nicht möglich ist. Für das Szenario Neupflanzung ergeben sich aus meiner Sicht deutlich positivere Prognosen. Bei einer Rodung des gesamten Baumbestandes und einer Neupflanzung ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass in den ersten drei Jahren der Anwachszeit von den Bäumen nur eine vernachlässigbar geringe CO2-Bindungsrate erbracht werden kann. In den Folgejahren wird es dann allerdings insbesondere unter Berücksichtigung der deutlich verbesserten standräumlichen Gegebenheiten, den deutlich besseren Wachstumsbedingungen zu einer erheblich höheren CO2-Bindung kommen. Einschränkend möchte ich darauf hinweisen, dass ich auch an diesem Standort den Wert von 12,5 kg CO2 für den Idealbaum als nicht realistisch ansehe. Es sollte aus meiner Sicht aber möglich sein, ca. 75% dieses Idealwertes, also etwa 9,5 kg CO2 pro Jahr zu erreichen. 15
Nimmt man dieses Szenario als gegeben an und bedenkt man, dass die jetzt vorhandenen Lücken in der Deichbepflanzung aufgefüllt werden, so ergibt sich bei Berechnung von 9,5 kg CO2-Bindung x 270 Bäume ein Wert von 2,565 Tonnen pro Jahr. Diese der Berechnung zu Grunde gelegten Werte können als dem Standort und den möglichen Zuwachsleistungen als realistisch einzustufenden Werte angesehen werden und führen langfristig zu einer Verbesserung der kleinräumigen CO2-Bindung am Deich. Eiko Leitsch, öbvSv 16
Literaturverzeichnis: GALK – Arbeitskreis Stadtbäume: Positionspapier Stadtbäume, Juni 2008 Pfanz H. und Flohr S. Universität Duisburg-Essen: Das Staubfangvermögen von Vegetation – Grundlagen und erste Ergebnisse, TASPO Das Magazin Ausgabe 3 April 2006 Langer Mr. Berlin: Natürliche Filter? Die Filterung von Feinstäuben durch Stadtbäume, TASPO Das Magazin Ausgabe 3 April 2006 Swaagstra H. und de Kluiver P. NL-Babberich: Integrales Technisches Grün – Bepflanzung als Hightech-Lösung gegen Luftverschmutzung, TASPO Das Magazin Ausgabe 3 April 2006 Thönnessen M., Universität Köln: Staubfilterung und immissionshistorische Aspekte am Beispiel fassadenbegrünenden Wilden Weines (Parthenocissus tricuspidata), 2006 Thönnessen M., Universität Köln: Staubfilterung durch pflanzliche Oberflächen und Pflanzenbestandteile. Thönnessen M., Universität Köln: Feinstaub und Vegetation – Fachgespräch bei der Bundesanstalt für Straßenwesen am 06.10.2009 Pfanz H. und Flohr S. Universität Duisburg-Essen: Die Wirkung von Holzgewächsen auf Stäube und mögliche Rückwirkungen der Stäube auf die Pflanzen Schmidt E. Bergische Universität Wuppertal, Einfluss von Straßenrandbegrünung auf die Feinstaubbelastung an hochfrequentierten Straßen, 2007 Forum DIE GRÜNE STADT: Bäume und Pflanzen lassen Städte atmen, 2008 Leitsch, E., Bartholomäus, C., Sachverständigenbüro Leitsch (2010): Gutachterliche Stellungnahme zum Baumbestand Offenbach zwischen Carl-Ulrich-Brücke und Cemiewerk Allessa. Nauheim. Unveröffentlicht Schlößer, S. A. (2003): Zur Akzeptanz von Fassadenbegrünung: Meinungsbilder Kölner Bürger – eine Bevölkerungsbefragung. Elektronische Dissertation. Hauptteil 200 S., Anhang 171 S.: http://kups.ub.uni-koeln.de/volltexte/2003/924/pdf/Hauptteil-pdf Thönnessen, M. (2002): Elementdynamik in fassadenbegrünendem Wilden Wein (Parthenocissus tricuspidata). Nährelemente, Anorganische Schadstoffe, Platin-Gruppen-Elemente, Filterleistung, Immissionshistorische Aspekte, Methodische Neu- und Weiterentwicklungen. Universität zu Köln, Geographisches Institut. Dissertation (Kölner Geographische Arbeiten - Heft 78, 136 S.) Thönnessen, M. (2006): Staubfilterung und immissionshistorische Aspekte am Beispiel fassaden- begrünenden Wilden Weines (Parthenocissus tricuspidata). Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung 18/1: 5-12 (UWSF Online First 24.11.2005) Thönnessen, M. (2006): Feinstaub und Vegetation. Die EU-Feinstaubverordnung als Impuls für mehr Grün in den Städten. Taspo – Das Magazin für Produktion, Dienstleistung und Handel im Gartenbau 6/3: 8-11 Thönnessen, M. (2007): Feinstaub und innerstädtisches Grün. ZVG Gartenbau-Report Heft 7-8: 35- 36 Thönnessen, M. (2007): Staubfilterung durch Gehölzblätter. Beispiele aus Düsseldorf, Essen und Köln. In: Endlicher, W. (et al.) (Hrsg.) (2007): Tagungsband zum Workshop über den wissenschaftlichen Erkenntnisstand über das Feinstaubfilterungspotenzial (qualitatitv und quantitativ) von Pflanzen am 1. Juni 2007 in Berlin/Adlershof. Humboldt-Universität zu Berlin, Geographisches Institut. Berliner Geographische Arbeiten 109: 13-26 Thönnessen, M. (2008): Feinstaub und innerstädtisches Grün. Die Filterwirkungen verschiedener Gehölze. In: Dujesiefken, D.; Kockerbeck, P. (Hrsg.) (2008): Jahrbuch der Baumpflege / Yearbook of Arboriculture 2008, Braunschweig: 57-68 Thönnessen, M.; Hellack, B. (2005): Staubfilterung durch Gehölzblätter. Anreicherung und Vermeidung von Stäuben bei Wildem Wein und Platane. Stadt und Grün 54/12: 10-15 17
Sie können auch lesen