Gute Pflege Natürlich - Zeit, zu zeigen, wer wir sind - Evangelische Heimstiftung
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Gute Pflege 2 | 2021 Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung Natürlich. – Zeit, zu zeigen, wer wir sind
04 16 18 Pflege im Fokus 4 | Von Herzen. Einmal Pflege, immer Pflege 10 | Gefragt. Pflegereform 12 |G eprüft. Die Qualität der Pflege 16 |Freude. Clownbesuch im Pflegeheim Von Herzen. Gleichstellung – Einmal Pflege, immer Pflege 18 | (K)ein Thema. Darf Gleichstellung selbstverständlich sein? 24 | Gefragt. Verantwortlich 28 | K ommentar – (E)InSicht Natürlich, aber nicht selbstverständlich 29 | P ersonalien Neue Führungskräfte Impressum – Engagement Global gGmbH: S. 34 (u.) und S. 35 (o.) 30 | D as sind wir Verantwortlich: Bernhard Schneider Produktion und Druck: Offizin Scheufele, Die Jugend- und Auszubildenden- Redaktion: Ann-Christin Kulick Druck und Medien GmbH vertretung (JAV) Telefon 0711 63676-125 + Co.KG redaktion@ev-heimstiftung.de Nachdruck und elektronische Nicht gekennzeichnete Artikel sind von der Redaktion Verwendung nur mit schrift- 32 | B auen licher Genehmigung. verfasst. „Gute Pflege. Das Magazin der Anschrift Redaktion Evangelischen Heimstiftung“ Gute Pflege. Hackstraße 12, erscheint dreimal jährlich. 34 | G rüne Pflege 70190 Stuttgart Auflage: 23.000 Gestaltung: Herausgeber: Gute Zukunft gestalten AmedickSommer GmbH, Evangelische Heimstiftung Stuttgart GmbH Fotos: www.ev-heimstiftung.de alle Fotos Evangelische Heim- Der Bezugspreis ist durch den stiftung mit Ausnahme von: Beitrag abgegolten. – Adobe Stock: Im Magazin werden, soweit Titel Tatyana A. – tataks; möglich, neutrale, alle S. 2 (o.M.), 16-17 Anna Koldu- Geschlechter einschließende, nova, Nito (Kollage); Begriffe verwendet – oberstes S. 12 Anna; Gebot bleibt jedoch die – iStock: Verständlichkeit der Sprache. S. 14 Dilok Klaisataporn – Lutz Härer: S. 28 2 | Gute Pflege | 2_2021 |
30 Gute Pflege. Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung. Liebe Leserinnen, liebe Leser, wir alle kennen diese Dinge, hinter denen sich viel mehr Gute Pflege 2 | 2021 Das Magazin der Evangelischen Heimstiftung verbirgt, als auf den ersten Blick zu sehen ist. Und solche, die selbstverständlich scheinen oder sein sollten, es aber ganz Natürlich. und gar nicht sind. „Natürlich – Zeit, zu zeigen, wer wir – sind“ ist der Titel dieser Ausgabe und beschäftigt sich in den Zeit, zu zeigen, wer wir sind beiden Schwerpunkten genau mit diesen Aspekten. In unserem Titelthema dreht sich alles um den Pflegeberuf. Vier Pflegefachkräfte aus dem Königin-Paulinenstift in Friedrichshafen berichten darüber, was ihren Beruf für sie ausmacht und wieso sie mit ganzem Herzen dabei sind. Außerdem hat die Gute-Pflege-Redaktion mit Hauptge- schäftsführer Bernhard Schneider über die aktuellen Ent- wicklungen zur Reform der Pflegeversicherung gesprochen und zieht eine erste Bilanz zu den neuen Qualitätsprüfungs- richtlinien in der Pflege. Der zweite Schwerpunkt beschäftigt sich mit Frauen in verantwortlichen Positionen der EHS. Sie berichten, warum sie sich entschieden haben, Verantwortung zu übernehmen, welche Voraussetzungen notwendig sind, damit Gleichstel- lung gelingt und warum das eigentlich kein Thema sein sollte, aber deshalb trotzdem noch lange nicht selbstver- ständlich ist. Viel Freude beim Lesen. Ihre Gute-Pflege-Redaktion | Gute Pflege | 2_2021 | 3
Pflege im Fokus Von Herzen. – Einmal Pflege, immer Pflege Die Altenpflege ist für Emanuel Stocker sowie seine Kolleginnen und Kollegen eine Berufung 4 | Gute Pflege | 2_2021 |
Vier Pflegefachkräfte aus dem Königin-Paulinenstift in Friedrichshafen. Vier Stimmen für die Altenpflege – eine Herzensangelegenheit. „In der Altenpflege arbeiten? Das konnte ich mir gemeinsam lachen und so viel bewegen können. für mich überhaupt nicht vorstellen.“ Zwischen „Dass ich den Beruf so sehr mögen könnte, das diesem Satz und der heutigen Realität liegen bei hätte ich nie gedacht.“ Sakine Arikan eine Ausbildung zur Zahnarzt- helferin, ein Freiwilliges Soziales Jahr, eine Auch Emanuel Stocker hat nicht den direkten Ausbildung zur Pflegefachkraft, verschiedene Weg in die Pflege gewählt. Nach einer Ausbildung Weiterbildungen und bis heute über 20 Jahre im zum Einzelhandelskaufmann und dem Zivil- Königin-Paulinenstift der EHS in Friedrichsha- dienst führte er mehrere Jahre eine Cocktailbar. fen, gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kol- Mit 30 dann der Neustart. Alles auf Anfang. Er legen Emanuel Stocker, Katharina Reich und begann die Ausbildung zum Altenpfleger. „Ich Annika Wingart. habe bis heute nie bereut, mich getraut zu haben, noch einmal neu anzufangen und würde es Obwohl Sakine Arikans Schwester schon immer wieder tun. Menschen zu begleiten, aber länger in der Pflege tätig und davon begeistert nicht nur auf einer Durchgangsstation, sondern war, kam das für sie zunächst nicht in Frage. ein Stück ihres Lebens, das letzte in diesem Fall, „Ich hatte die fast schon klischeehaften Vorur- das erfüllt mich.“ teile: Ich dachte, ich kann mich nicht um die Körperpflege alter Menschen kümmern, sie auf Als Annika Wingart mit 16 Jahren ihr Prak- die Toilette begleiten – mehr wusste ich nicht tikum im Königin-Paulinenstift antritt, ahnt sie über den Beruf.“ Sakine probierte vieles aus, von nicht, dass sie sich dort zehn Jahre später, nach Praktika bis zur Ausbildung, aber nichts fühlte einer Weiterbildung in der jungen Intensivpflege sich so richtig passend an. „Über ein Freiwilliges und zwei Jahren im Haus auf der Waldau in Soziales Jahr kam ich dann doch zur Pflege und Stuttgart, als stellvertretende Wohnbereichsleite- bin geblieben. Ich hatte endlich gefunden, was rin wiederfinden würde – immer noch glücklich mir gefehlt hat.“ Was das war? Eine Beziehung und zufrieden über diese Entscheidung. So geht zu Menschen aufbauen, gebraucht werden, es auch Katharina Reich, die als Spätaussiedlerin von Russland nach Deutschland kam, die Pflege für sich entdeckte und in Friedrichshafen bereits seit sieben Jahren einen Wohnbereich leitet. „Die Pflege ist meine Berufung“ „Menschen ein Stück ihres Von Sakine Arikans eigenen Vorurteilen ist nichts mehr übrig geblieben, sie hat sich selbst Lebens zu begleiten – das eines Besseren belehrt. „Pflege ist so viel mehr: Wir arbeiten ganzheitlich mit den Menschen, erfüllt mich.“ machen Behandlungspflege und Biografiearbeit bis hin zur Sterbebegleitung. Wir leisten psycho- logische Unterstützung und sind enge Bezugsper- Emanuel Stocker sonen.“ „Eine Pflegefachkraft muss immer einen Schritt weiter denken und steuert alle Akteure der Pflege – von der Ärztin bis zu den Therapeu- ten“, ergänzt Katharina Reich. >>> | Gute Pflege | 2_2021 | 5
Pflege im Fokus > > > „Bewohnerinnen und Bewohner rufen uns ent- Biografie beschäftigt und sind unter anderem gegen ‚Gott sei Dank sind Sie heute da!‘ Es ist darauf gestoßen, dass er Techno-Musik gerne ein Geben und Nehmen“, sagt Sakine Arikan. mochte. Die haben wir ihm vorgespielt und tat- Unendlich viel direkte Resonanz kommt von den sächlich, er konnte sich dabei wieder ein bisschen Bewohnerinnen und Bewohnern zurück. Dank- öffnen. Es ist das Schönste, wenn wir es schaffen, barkeit, Zufriedenheit und eine ganz beson- Menschen wieder zum Strahlen zu bringen.“ dere persönliche Bindung. „Ich möchte diesen Menschen, die so viel geleistet haben, jetzt am Warum sind es nicht diese Geschichten, die Lebensende auch etwas zurückgeben. Auch auf- über den Beruf geschrieben werden, wo doch jede grund ihrer Lebensleistung können wir heute Pflegekraft unzählige davon zu berichten weiß? dieses Leben führen.“ „Leider bestehen in der Gesellschaft zum einen stereotype Menschenbilder wer und wie Men- Und es geht um mehr als das Betreuen im schen sind und auszusehen haben, die in der Alter und im Sterben. Es geht um Lebensge- Altenpflege arbeiten und nicht zuletzt sprechen schichten und um Schicksale. „Wenn wir uns auch viele Pflegekräfte selbst schlecht über ihren mit der Biografie eines Menschen beschäftigen, Beruf und wie so oft sind es die Unzufriedenen, verstehen wir ihn so viel besser. Wir können ihn die besonders laut sind. Auch, weil sich schlechte fördern und fordern – auch im Alter und in der Nachrichten einfach besser verbreiten.“ Sakine Krankheit.“ Von einem Bewohner berichtet sie, Arikan gibt sich damit nicht zufrieden. In ihrem eine ganz bestimmte Situation ist es, die ihr in persönlichen Umfeld herrscht ein anderes Bild Erinnerung geblieben ist. „Er litt unter starken der Altenpflege. Sie selbst hat mit ihrer Begeis- Depressionen, wir haben uns viel mit seiner terung schon andere angesteckt und Menschen dazu bewegt, auch diesen Beruf zu ergreifen. „Ich sage: Komm doch einfach mal vorbei und schau dir an wie es wirklich ist. Denn wir haben es richtig gut. Wir arbeiten selbstständig, wir haben große Fachkompetenz, wir dürfen Ent- „Ich beobachte, dass junge, ideenreiche Menschen in die Pflege kommen, die erkannt haben, dass es ein toller Beruf ist.“ Katharina Reich 6 | Gute Pflege | 2_2021 |
scheidungen treffen. Wir geben Infusionen, Beruf der Welt, wie Katharina Reich ihn nennt. machen Behandlungspflege, kümmern uns um Warum das nicht alle so sehen? Vielen fehle die Schmerztherapie, sind da zur Sterbebeglei- schlicht der Bezug zur Pflege. „Das merkt man tung und machen am Ende des Tages die Büro- häufig an Angehörigen, die regelmäßig ihre arbeit.“ „Kein Tag ist wie der andere. Natürlich Eltern im Pflegeheim besuchen. Sie sehen wie es entwickelt sich eine Routine, trotzdem weiß ich ihnen dort geht und wie professionell und mit an keinem Morgen, was der Tag genau bringen wie viel Engagement dort gearbeitet wird“, wird“, berichtet auch Annika Wingart. „All diese berichtet Annika Wingart. Sie seien meist über- positiven Aspekte werden nur zu wenig gesehen rascht und begeistert und überdenken schnell und deshalb ist es wichtig, dass wir darüber ihr Bild von der Pflege. sprechen, wann immer es geht“, meint Sakine Arikan. „Wer nicht gerne in der Pflege arbeitet, Alt werden, vielleicht krank sein, sich vom sollte einen anderen Beruf wählen. Das sind wir Leben verabschieden. Das alles sind Themen, den Bewohnerinnen und Bewohnern schuldig, die vielen Menschen Angst machen, mit denen denn sie sind hier zu Hause.“ sie sich nicht befassen wollen und das schließt auch automatisch den Beruf der Pflegefachkraft mit ein. „Und das ist schade, denn das Lebens- „Herzblut sollte man schon mitbringen ende ist keine Zeit, die man stillschweigend für den Beruf“ hinter sich bringen sollte. Es ist eine Zeit, die Geduld und Empathie, Menschen verstehen man nutzen, genießen und ja, mit viel Leben und unterstützen wollen, ein Gefühl entwickeln füllen kann. In dem möglichen Rahmen.“ Das für kranke und pflegebedürftige Menschen und findet auch Sakine Arikan. „Wenn Altern und >>> auch die Bereitschaft, sich mit den Themen Altern und Sterben auseinanderzusetzen, sehen Emanuel Stocker, Annika Wingart, Katharina Reich und Sakine Arikan als Voraussetzungen für das Arbeiten in der Altenpflege – dem besten „Natürlich entwickelt sich eine Routine, trotzdem weiß ich nie, was der Tag genau bringen wird.“ Annika Wingart | Gute Pflege | 2_2021 | 7
Pflege im Fokus „Wir können Menschen fördern und fordern – auch im Alter und in der Krankheit.“ Sakine Arikan > > > Sterben keine Tabuthemen mehr sind, sondern als eine Herausforderung gesehen werden, als eine Chance, diesen Menschen, die schon so viel in ihrem Leben geleistet haben, etwas zurück- zugeben und die verbleibenden Tage mit so viel Leben zu füllen wie nur möglich, dann haben wir alles richtig gemacht.“ Und dann wird sich auch das Image der Pflege verändern. Aber es braucht mehr als das, denn es kommen, ausge- hend von der heutigen Situation, in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach weit mehr Pflege- bedürftige nach als Pflegekräfte. Ein Imagewandel funktioniert nicht zuletzt auch durch eine der Arbeit, Verantwortung und Leistung angemessene Bezahlung, findet Emanuel Stocker. „Andere Berufe, wie zum Beispiel in der Produktion zu arbeiten, sind fast ausschließlich deshalb attraktiv, weil man dabei sehr gut verdient. Schön wäre, das könnte flächendeckend zumin- dest auch eines von mehreren Argumenten sein, die benannt werden, wenn es um die Arbeit in der Pflege geht – auch wenn das als alleinige Motivation natürlich nicht ausreichend ist.“ Vieles ist bereits in Bewegung. Von der Ein- führung der generalistischen Ausbildung bis hin zur zunehmenden fachspezifischen Weiterbildung von Pflegekräften. „Ich verbringe ja nun schon fast mein gesamtes Leben in der Altenpflege und kann beobachten, dass sich vieles weiterentwi- ckelt. Mit der Generalistik erfährt die Pflegeaus- bildung einen neuen, höheren Stellenwert und ich beobachte, dass mehr und mehr junge, ide- enreiche Menschen in die Pflege kommen, die erkannt haben, dass es ein toller Beruf ist, in dem man viel gestalten kann“, berichtet Katharina Sakine Arikan mit einem Bewohner Reich, die bereits seit sieben Jahren einen Wohn- des Königin-Paulinenstifts bereich im Königin-Paulinenstift leitet. „Durch 8 | Gute Pflege | 2_2021 |
die unzähligen Begegnungen hat man so viele Emanuel Stocker. „Aber wenn es einmal schwie- Möglichkeiten sich persönlich weiterzuentwi- rig wird, dann denke ich daran, dass alle Men- ckeln, aber auch die fachspezifische Qualifika- schen, die wir betreuen auch einmal jung waren, tion, bis hin zu ganz neuen Berufsbildern prägen sich verliebt haben, Träume und Ziele verfolgt aktuell die Pflege.“ haben, so wie du und ich – eine ganze Lebens- geschichte haben. Und ich bin noch heute jeden „Wie in jedem Beruf gibt es auch in der Pflege Tag froh, dass sie Teil meiner Geschichte sind, nicht nur goldene Seiten, das ist klar. Mit dem weil ich diesen Beruf gewählt habe. Und wenn Alter ist viel Angst und Unsicherheit verbunden. mir jemand von seinem Tag im Büro erzählt, Das kann auch persönlich belastend sein, gerade dann nicke ich anerkennend und denke bei mir: weil Empathie eine ganz entscheidende Kom- Respekt, aber ich könnte das nicht.“ petenz in unserem Beruf ist“, so beschreibt es Mobile Rehabilitation im Projekt VITAAL | Gute Pflege | 2_2021 | 9
Pflege im Fokus Pflegereform. – Gefragt Reform oder Kompromiss? Im Gute-Pflege- Interview spricht Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der EHS und Sprecher der Initiative Pro-Pflegereform, über den Beschluss der Bundesregierung. Es sah so aus als könnte die große Pflege- etwas davon hat. Außerdem werden die Kosten reform kommen. Wie groß ist die Enttäu- in absehbarer Zeit soweit ansteigen, sodass die schung? Eigenanteile bald wieder so hoch sind wie jetzt. – Das Problem wird also nicht gelöst, sondern nur Die große Koalition hat eine große Pflegereform verschoben – ein fataler Fehler. versprochen, mit der die strukturellen und finan- ziellen Probleme der Pflegeversicherung nach 25 Jahren gelöst werden sollten. Dieses Versprechen hat sie nicht gehalten. Die kleine Pflegereform Auf welchen Ebenen können Sie weiter bleibt weit hinter den Erwartungen und noch Druck erzeugen, dass eine grundlegende – schlimmer, hinter den Möglichkeiten zurück und Strukturreform doch noch kommt? eröffnet eine weitere Pflegebaustelle. Der Druck wird von der Basis kommen, und zwar schon bald und flächendeckend. Der Tariftreue- grundsatz ist ja eine gute Sache. Man kann das Einen „Sockel-Spitze-Tausch“ wird es aber nur machen, wenn es nicht zur finanziellen nicht geben, es soll jedoch prozentuale Katastrophe für die Pflegebedürftigen wird. Entlastung geben. Wird das für eine gewisse finanzielle Entspannung sorgen? Die Eigenanteile liegen heute schon in vielen Pflegeheimen bei über 3000 Euro im Monat, deshalb war der absolute Deckel der Eigenanteile von 700 Euro für zwei Jahre, den Jens Spahn noch im November 2020 zugesagt hatte, richtig. Der jetzt beschlossene, relative Leistungszuschlag nach frühestens einem Jahr im Pflegeheim ist ungerecht und weitgehend wirkungslos, weil nur ein kleiner Teil der Pflegebedürftigen überhaupt 10 | Gute Pflege | 2_2021 |
Bernhard Schneider bei einem TV-Interview Genauso wird es aber kommen. Wenn der Tarif-halten wollen und wofür ihre Partei eintreten will. treuegrundsatz in den Pflegesätzen ankommt Ich bin sicher, das wird Wirkung entfalten, denn wir sind in der Initiative Pro-Pflegereform ja nicht und in vielen Bundesländern für eine sprunghafte Erhöhung der Eigenanteile sorgt, dann werdendie einzigen, die für eine große Reform kämpfen. Die Reformbausteine mit dem Sockel-Spitze- sich auch diejenigen Politiker an den Sockel- – Tausch und der Welt ohne Sektoren stehen so oder Spitze-Tausch erinnern, die jetzt dem relativen Deckel den Vorzug gegeben haben. ähnlich auch bei der Diakonie, der Caritas und anderen Wohlfahrtsverbänden, aber auch beim KDA, bei Pflegekassen und Sozialhilfeträgern sowie bei verschiedenen Parteien auf der Agenda. Bräuchte es ein multiprofessionelles Exper- Wir alle werden nach der Bundestagswahl an tengremium, das – Legislaturperioden einem gemeinsamen neuen Aufbruch arbeiten, mit übergreifend – den Auftrag erhält, so eine dem es in der nächsten Legislaturperiode gelingt, Strukturreform zu verwirklichen? die große Pflegereform zu erreichen. Ja, natürlich, das ist absolut notwendig. Im Prin- zip braucht es eine KAP 2.0. oder eine Enquete- kommission Pflegereform. Wenn man der kleinen Pflegereform etwas Positives abgewinnen will, dann dies: Sie hat mit dem Tariftreuegrundsatz und dem Einstieg in das Personalbemessungssys- tem die richtigen Weichen gestellt. Jetzt muss es weitergehen: Mit einer nachhaltigen Finanzierung, dem fixen Eigenanteil durch den Sockel-Spitze- Tausch, der sektorenfreien Versorgung, in der Folge mit einem Pflegegeld 2.0 und einem Drei- – Instanzen-Modell, um Leistungsbudget und Case- Management zu organisieren. Die Initiative Pro-Pflegereform setzt sich seit 2016 für den Neustart Pflege ein. Gemeinsam mit dem Bremer Gesundheitsexperten Prof. Dr. Heinz Rothgang wurden zwei Gutachten erarbeitet, die die Umsetzung dieser Reform beschreiben und die Mit welchen konkreten Schritten wird die Blaupause für die Politik liefern, wie der Neustart Initiative Pro-Pflegereform nun ihre Ziele Pflege gelingt. Die Initiative wird von 120 Pflege- im beginnenden Bundestagswahlkampf unternehmen mit 1.000 Pflegeheimen und weiterverfolgen? 300 Pflegediensten sowie über 60 Verbänden und Organisationen unterstützt. Wir werden konkret alle Spitzenkandidierenden der Parteien anfragen, wie sie es mit der Pflege | Gute Pflege | 2_2021 | 11
Pflege im Fokus Geprüft. – Die Qualität der Pflege Zur Überprüfung der Qualität in unseren Pfle- Nach dem alten Verfahren wurden alle Ein- geheimen, Mobilen Diensten und Tagespflegen richtungen, Mobilen Dienste und Tagespflegen gibt es ein vielschichtiges Qualitätsprüfungsver- einmal jährlich im Auftrag der Pflegekassen fahren. Für die stationären Einrichtungen hat überprüft. Die Ergebnisse aus den bisherigen sich das Verfahren bereits im November 2019 Qualitätsprüfungen wurden für die Einrich- geändert, für die Tagespflegen sind die gesetzli- tungen und Mobilen Dienste als sogenannte chen Grundlagen zur Neugestaltung ab Januar „Pflegenoten“ veröffentlicht. 2022 bereits geschaffen und für die ambulante Pflege ist eine Reformierung aktuell im Gesetz- Das neue Qualitätsprüfungsverfahren besteht gebungsverfahren. aus drei Elementen, wie die Infografik zeigt: Eigene Darstellung orientiert an Musterpräsentation IPW, Stand 25.02.2019 Qualitätsprüfungsverfahren Stationäre Einrichtungen ohne Stationäre Tagespflege Mobile Kurzzeit-/ Verhinderungspflege Einrichtungen Dienste Indikatoren für Ergebnisqualität Qualitätsprüfungen durch • Zweimal jährlich Erfassung von Versorgungs- externe Prüfdienste ergebnissen zur Messung der Ergebnisqualität • Jährlich Überprüfung aller Pflegeeinrichtungen im Auftrag der Pflegekassen • Darstellung mittels Qualitätsindikatoren Öffentliche Qualitätsdarstellung 12 | Gute Pflege | 2_2021 |
Das Prüfverfahren Umsetzung in der EHS Das erste Element ist die Messung der Ergebnis- Eine sogenannte Agendaprojektgruppe hat sich qualität mittels Qualitätsindikatoren und ist mit der Umsetzung des neuen stationären Qua- ausschließlich für die vollstationäre Dauerpflege litätsprüfungsverfahrens in der EHS befasst, um relevant. Die Einführung dieser Qualitätsindi- alle Beteiligten mitzunehmen. In einem ersten katoren ist die wohl größte Veränderung im Schritt wurden alle Regional- und Hausdirekti- Verfahren. Zweimal im Jahr erfasst jede Einrich- onen über die Veränderungen informiert. tung dabei bestimmte Daten der Bewohnerinnen Anschließend wurden seit Juli 2019 EHS-weit und Bewohner mittels eines 98-Fragen-Katalogs rund 800 Personen im Indikatorenmodell sowie und gibt diese pseudonymisiert (also ohne Nen- den Prüfinhalten der neuen QPR vollstationär nung von Namen) an eine zentrale, unabhängige geschult. Ziel war es, die Verzahnung bereits Datenauswertungsstelle weiter. Dort werden die vorhandener interner Elemente und Strukturen Fragen in 15 Indikatoren „übersetzt“. Zusam- sowie die Nutzung von Synergieeffekten hervor- mengefasst ergeben sie eine Übersicht der Ergeb- zuheben und die Fachlichkeit der Pflegefach- nisqualität einer Einrichtung. Ab Januar 2022 ist kräfte zu stärken. die Umsetzung dieses Elements verbindlich. Alle Einrichtungen der EHS haben bereits mindestens Hinsichtlich der Änderungen in den Tages- einmal eine solche Erhebung durchgeführt, um pflegen sind die verantwortlichen Personen mit dem indikatorenbezogenen Verfahren und bereits in den Inhalten und Anforderungen der den neuen Anforderungen vertraut zu werden. neuen QPR für die Tagespflegen geschult worden. Auch im neuen Verfahren werden alle Einrich- Sobald die Neugestaltung der Qualitätsprü- tungen, Mobilen Dienste und Tagespflegen in der fungen für die Mobilen Dienste verabschiedet Regel einmal jährlich im Auftrag der Pflegekassen und veröffentlicht sind, wird auch hier die Umset- durch die externen Prüfdienste MDK (Medizi- zung in der EHS thematisiert und ein Schulungs- nischer Dienst der Kranken- und Pflegeversiche- angebot etabliert. >>> rung) und PKV-Prüfdienst (Prüfdienst der priva- ten Kranken- und Pflegeversicherung) überprüft. Dies stellt das zweite Element des Qualitätsprü- fungsverfahrens dar. Bestandteile der externen Prüfung sind ein Besuch und Gespräch bei den versorgten Personen (Stichprobe) sowie Einsicht in die Pflegedokumentation. Die Prüfung erfolgt Zweimal im Jahr mit Einverständnis der versorgten Person oder ihrer gesetzlichen Vertretung. Die Sichtweise der erfasst jede Einrich- versorgten Personen und das Fachgespräch zwi- schen den Pflegekräften und den Prüfenden erfährt tung bestimmte im neuen Verfahren eine deutliche Aufwertung. Daten der Bewoh- Mit dem Ziel einer bundesweiten Vergleich- barkeit werden die Ergebnisse im Internet und nerinnen und durch einen Aushang in den Einrichtungen ver- öffentlicht. Die öffentliche Darstellung der Ergb- Bewohner mittels nisse bildet damit das dritte Element des Quali- tätsprüfungsverfahrens. eines 98-Fragen- Die bisherigen „Pflegenoten“ werden abgelöst Katalogs. durch eine detaillierte Darstellung der Qualitäts- indikatoren (in vollstationären Einrichtungen), Prüfergebnisse der externen Qualitätsprüfung und Informationen über die Einrichtungen, Tagespflegen und Mobilen Dienste. | Gute Pflege | 2_2021 | 13
Pflege im Fokus 14 | Gute Pflege | 2_2021 |
>>> Vorangegangene Prozesse Erste Erfahrungen Bereits in den Jahren zuvor gab es in der Pflege Im Zeitraum von November 2019 bis Mai 2021 weitreichende Veränderungen. Ein neuer Pflege- wurden 35 Einrichtungen nach den neuen Qua- bedürftigkeitsbegriff wurde eingeführt, aus litätsprüfungsrichtlinien vollstationär geprüft. Pflegestufen wurden Pflegegrade, das Begutach- Für alle Beteiligten, sowohl auf der Seite der tungsinstrument zur Feststellung der Pflegebe- Mitarbeitenden der EHS als auch für die Prüfen- dürftigkeit wurde etabliert und die Dokumen- den, war und ist es immer noch ein „Kennenler- tation entbürokratisiert. Verschiedene dieser nen“ des neuen Systems. Die Prüfungen sind an- bereits etablierten Elemente werden im neuen strengend, aber von gegenseitiger Wertschätzung Qualitätsprüfungsverfahren „wiederverwendet“. geprägt. Der Fokus der Prüfung liegt schwerpunkt- mäßig auf der individuellen, schriftlichen Maß- Bildlich gesprochen werden verschiedene nahmenplanung. Der fachliche Austausch auf Puzzleteile zusammengefügt. Bereits innerhalb Augenhöhe zwischen den Mitarbeitenden und den der letzten Jahre vor Einführung des neuen Prüfenden gewinnt zunehmend an Bedeutung. Qualitätsprüfungsverfahrens wurden in der EHS verschiedene Entscheidungen getroffen, Judith Eschenhagen die sich aus heutiger Sicht, als äußerst weitrei- chend erwiesen haben. So ist die Anamnese in der EHS-Pflegedokumentation anhand der sechs Module des Begutachtungsinstruments struk- turiert. Hierdurch besteht bereits die Basis für die Erhebung einer Vielzahl der indikatorenbe- zogenen Fragen. Weiter stellt die tagesstruktu- Das neue Verfahren rierende Maßnahmenplanung das alleinige Informationsinstrument zur Durchführung der gibt den Pflegeeinrich- Pflege dar. Die Anforderung der QPR, dass die Maßnahmenplanung in jedem Fall schriftlich tungen die Möglichkeit, vorliegen muss, wurde somit bereits vor Einfüh- rung des neuen Qualitätsprüfungsverfahrens ihre gute Ergebnis- umgesetzt. qualität nach außen darzustellen. Fazit Die Abkehr von den, seit deren Einführung Expertise bei der Erfassung der indikatoren- diskutierten „Pflegenoten“ hin, zu einem wissen- bezogenen Versorgungsergebnisse und beim schaftlich fundierten, mehrstufigen System zur Fachgespräch im Rahmen der externen Überprüfung der Ergebnisqualität ist aus Sicht Qualitätsprüfungen. der Evangelischen Heimstiftung eine positive Entwicklung. Die Aussagekraft und tatsächliche Das neue Verfahren gibt den Einrichtungen, Vergleichbarkeit von Einrichtungen mittels der Mobilen Diensten und Tagespflegen die Möglich- neuen Darstellung bleibt abzuwarten. keit, ihre gute Ergebnisqualität nach außen darzustellen. Auch die „Wiederverwendung“ und Hervorzuheben ist insbesondere die fachliche Zusammenführung bereits etablierter Elemente Aufwertung der Pflegefachkräfte und deren hin zu einem Gesamtbild ist begrüßenswert. | Gute Pflege | 2_2021 | 15
Pflege im Fokus Freude. – Clownbesuch im Pflegeheim Als Clownteam „Sissi und Radschi“ bringen Iris Aufgabe gemacht, pflegebedürftige Menschen mit Bihlmaier und Hans-Peter Raggi Humor, Auftritten als Clown, Zauberer und Musikerin Lebensfreude, Phantasie, Musik und Spiel in den zu erfreuen. Alltag der Menschen, die in den Einrichtungen der EHS in Vaihingen und Bietigheim-Bissingen „Die meisten Menschen reagieren sehr positiv leben. Der Freundeskreis der Evangelischen auf unseren Besuch und sind wir mal nicht Heimstiftung e. V. unterstützt das Projekt. erwünscht, gehen wir einfach wieder. Oft entde- cken die Bewohnerinnen und Bewohner unsere Einfühlsame Zuwendung und gemeinsames Kostüme, den mitgebrachten Puppenkinderwagen Lachen schaffen Begegnungen und wecken Erin- oder unsere Musikinstrumente.“ Tollpatschig nerungen an die Lebensgeschichten von Bewoh- muss Sissi erstmal ihre Ukulele suchen, die doch nerinnen und Bewohnern – in der Gruppe oder auf ihrem Rücken sitzt. So entspinnen sich kleine ganz individuell im Bewohnerzimmer: „Anklop- Geschichten in den Zimmern mit alten Liedern, fen, „Darf ich reinkommen?“ – und schon schafft Anekdoten und Zauberei. „Wenn wir wieder die rote Nase auf magische Art eine Nähe“, so gehen, haben wir eine schöne Begegnung erlebt beschreibt es Hans-Peter Raggi, wenn er ein und vielleicht Erinnerungen an frühere Zeiten Zimmer im Pflegeheim betritt. Er und seine geweckt“, berichtet Raggi. Clown-Partnerin Iris Bihlmaier haben es sich zur 16 | Gute Pflege | 2_2021 |
in Bietigheim-Bissingen und im Karl-Gerok-Stift in Vaihingen“, fährt Bihlmaier fort. Je nach räumlichen Gegebenheiten finden ihre Auftritte in Gemeinschaftsräumen oder in den Bewoh- „Guten Tag! Dürfen nerzimmern statt. „Diese Vormittage sind eine große Bereicherung für unsere Bewohnerinnen wir reinkommen?“ und Bewohner und nicht mehr aus unserem Alltag im Pflegeheim wegzudenken, bestätigen auch die beiden Hausdirektionen Ursula Uhlig und Martin Bofinger. „Wir hoffen, dass wir auch weiterhin die Finanzierung des Projekts sicherstellen können.“ Der Freundeskreis der Evangelischen Heim- stiftung e. V. unterstützt seit 1993 mit Hilfe von Spenden zahlreiche Projekte von Kundinnen, Kunden und Ehrenamtlichen der EHS. „Wir unterstützen dieses aufheiternde Projekt sehr gerne mit einem deutlichen finanziellen Beitrag. Um auch weiterhin das Engagement für Bewoh- nerinnen und Bewohner in Einrichtungen der EHS unterstützen zu können, sind wir allerdings auf Spenden angewiesen – wir freuen uns über jeden noch so kleinen Betrag, sagt Gerhard Auch das Jahr der Pandemie konnte sie nur Gasser, Vorsitzender des Freundeskreises. kurzfristig von ihren Besuchen abhalten. Bereits seit Juni 2020 sind die beiden wieder im Einsatz: „Wir waren unglaublich froh, Möglichkeiten zu finden, gerade auch in diesen Zeiten, um ge- meinsam zu lachen. Mit Gesichtsvisieren, einem Meterstab und immer genügend Desinfektions- mittel parat, haben wir unsere Besuche wieder aufgenommen“, erzählt Iris Bihlmaier. Vorab zum Schnelltest, dann ging es auch schon los. „Der Abstand von 1,5 Metern musste natürlich erstmal mit dem Meterstab abgemessen werden. Ungeschickt nur, wenn der Meterstab sich nicht recht aufklappen lässt oder die Zahlen falsch- herum draufstehen. Das kann bei den Clowns > > > Weitere Informationen zum Freundeskreis schon mal passieren.“ und den Möglichkeiten zur Unterstützung unter: www.ev-heimstiftung.de/freundeskreis. In ihrer zweijährigen Ausbildung zum Clown haben sich „Sissi und Radschi“ kennengelernt > > > Sie haben auch Interesse an „Sissi und und ganz bewusst für die gemeinsame Arbeit mit Radschi“? Mehr Informationen unter: älteren und pflegebedürftigen Menschen entschie- www.radschi.de und www.clown-sissi.de den: „Wir bringen nicht nur Unterhaltung zu den Menschen – Humor hat eine große Kraft – zum Beispiel auch bei demenziellen oder depressiven Erkrankungen“, sagt Raggi. Deshalb unterstützt sie nicht nur der Freundeskreis der EHS, son- dern auch die Bruker- Stiftung und die Stiftung „Humor hilft heilen“. „Bereits seit 2018 sind wir einmal wöchentlich im Haus an der Metter | Gute Pflege | 2_2021 | 17
Gleichstellung (K)ein Thema. – Darf Gleichstellung selbstverständlich sein? 18 | Gute Pflege | 2_2021 |
Spätestens seit der offiziellen Kanzler- kandidatur von Annalena Baerbock für die Grünen ist die Gleichstellungsdebatte neu entbrannt. Beginnt Gleichstellung, wenn wir sie thematisieren oder hört sie gerade dann schon wieder auf? Und welche Fragen muss sich ein Unternehmen dazu stellen? Keines der DAX-30-Unternehmen in Deutschland In einer diversen Gruppe an Gesprächspartne- erreichte 2020 einen Frauenanteil von 30 Prozent rinnen und -partnern bestand kein Zweifel, dass im Vorstand – zu diesem Ergebnis kommt eine Geschlecht, Alter und ähnliche Faktoren keine Studie der gemeinnützigen Stiftung AllBright. Die Rolle spielen: Fachkompetenz, Wertesystem und Evangelische Heimstiftung liegt mit 42 Prozent persönliche Eignung stehen im Mittelpunkt. in der Geschäftsführungskonferenz weit über diesem Schnitt, in der Leitungskonferenz sind es So beschreiben es auch Sarah Setzer, Regio- sogar 63 Prozent. Woran das liegt, welches Ver- naldirektorin in Heilbronn, und Pressesprecherin ständnis von Zusammenarbeit und Verantwor- Dr. Alexandra Heizereder. In einem Gespräch tung dem zu Grunde liegt und welche Voraus- auf Augenhöhe fühlten sie sich mit ihrer Erfah- setzungen es braucht, damit Gleichstellung rung und Kompetenz gesehen – auch und gerade funktioniert, darüber hat die Gute-Pflege- als junge Frau oder Mutter, jedoch nicht auf diese Redaktion mit sieben Frauen in verantwortlichen jeweilige Rolle oder Lebenssituation reduziert. Positionen der EHS gesprochen. „Das ist für mich eine faire Chance und diese erwarte ich. In eine andere Situation will man sich gar nicht erst freiwillig begeben“, denkt Grundvoraussetzung: Sarah Setzer zurück. Gleiche Chancen „Dass Frauen genauso in verantwortlichen Posi- Aktive Steuerung: Bekenntnis der tionen sein können wie Männer, ist meiner Geschäftsführung Wahrnehmung nach in der Evangelischen Heim- stiftung klar und schlicht kein Thema.“ Diesen Trotzdem ist auch innerhalb der Evangelischen Eindruck hatte Hannah Walker, die heute den Heimstiftung der Frauenanteil in der Pflege und Geschäftsbereich Personal leitet, bereits bei Betreuung noch höher als in der Führungsebene. ihrer ersten Begegnung mit dem Unternehmen. „Auch bei uns ergibt sich in der Verteilung diese Der Eindruck bleibt bis heute. „Das war für mich klassische Pyramide, in der der Anteil der Frauen eine Grundvoraussetzung, ohne die ich mich mit steigender Verantwortung abnimmt, wenn für einen Arbeitgeber gar nicht weitergehend auch nicht so deutlich wie anderswo. Die EHS interessieren würde.“ Auch Mirjam Weisserth, ist sich dessen jedoch bewusst und steuert aktiv, Geschäftsbereichsleiterin für Organisation und um diese Strukturen zu durchbrechen“, sagt Prozesse, teilt diesen ersten Eindruck. „Im Hannah Walker. „Gerade in der Zentrale, aber gesamten Auftreten der EHS haben Stereotype auch konzernweit ist dafür bestimmt die Einstel- keinen Platz, jeder und jede kann sich angespro- lung der Geschäftsführung prägend.“ Die aktive chen fühlen.“ Beginnend mit den Stellenaus- Förderung junger Frauen spielt dabei eine zent- schreibungen, vermittelt die EHS Neutralität und rale Rolle. Die Geschäftsführung ist davon eine moderne Ausrichtung, dieser erste Eindruck überzeugt, dass Diversität das Team stärkt. setzte sich für sie im Vorstellungsgespräch fort: „Wenn ich zum Beispiel, in meinem Fall als >>> | Gute Pflege | 2_2021 | 19
Gleichstellung > > > Mutter, nicht in allen organisatorischen Prozes- das ist auch gar nicht erforderlich. Wichtig ist an sen die klassischen Wege gehe, ist damit auch ein dieser Stelle, die Bereitschaft aller zur Verände- Stück Unsicherheit verbunden. Ist mein Vorgehen rung, denn Gleichstellung ist ein Prozess, der nur in Ordnung? Wie wird das von Kolleginnen und von zentraler Stelle, nämlich in der Geschäfts- Kollegen gesehen und bewertet? An dieser Stelle führung angestoßen werden kann“, ist sich auch braucht es ein klares Bekenntnis der Geschäfts- Weisserth sicher. führung und das ist bei der EHS gegeben“, berichtet Weisserth. Unterschiedliche Lebensentwürfe und Vorstellungen „In vielen Branchen ist es noch an der Tages- ordnung, dass sich Frauen in bestimmten Positi- Gleichstellung ist und bleibt auch ein Thema der onen ersteinmal beweisen müssen. Unabhängig Erfahrungen, der Lebensentwürfe und der von ihrer fachlichen Qualifikation. Deshalb, jeweiligen individuellen Arbeitswelt. „Es ist glaube ich, sind viele Frauen auch mit sich selbst besonders wichtig im Team diese unterschied- besonders streng“, erklärt Walker. Langjährig lichen Vorstellungen abzustimmen und ein ge- gewohnte Rollenbilder stellen Herausforderun- genseitiges Verständnis zu entwickeln, Kommu- gen dar. „Da ändert sich nichts über Nacht und nikation ist dabei ganz entscheidend“, sagt Mirjam Weisserth Mirjam Weisserth war bereits seit Abschluss ihres Studiums in verschiedenen Bereichen der Sozial- branche tätig. Besonders die Organisation und Gestaltung von Prozessen liegen ihr dabei am Herzen. Nach fünf Jahren in der Geschäftsführung eines Trägers der Jugend- und Behindertenhilfe, leitet sie seit September 2020 den Geschäfts- bereich Organisation und Prozesse der EHS. Sarah Setzer Sarah Setzer leitet seit Juli 2020 die Region Heilbronn mit elf Einrichtungen der EHS. Als gelernte Alten- pflegerin hatte sie schon früh den Wunsch die Pflege aktiv mitzugestalten. Nach ihrem Masterabschluss führte sie ihr Weg als stellvertretende Geschäfts- bereichsleiterin in der ambulanten Pflege und später als Geschäftsführerin im stationären Bereich eines anderen Pflegeunternehmens schließlich zur EHS. 20 | Gute Pflege | 2_2021 |
Dr. Alexandra Heizereder Dr. Alexandra Heizereder arbeitete als Journalistin bei einer Tageszeitung, bevor sie an der Univer- sität Hohenheim zunächst Kommunikationswissen- schaften studierte und anschließend zum Thema strategische Stakeholderansprache promovierte. Seit 2016 ist sie Pressesprecherin bei der EHS und leitet die Stabsstelle Unternehmenskommunikation. Alexandra Heizereder und benennt dabei einen Werten ausrichten, entsteht gemeinsam etwas ganz entscheidenden Vorteil der EHS: Die Gutes“, meint auch Alexandra Heizereder. Und Fokussierung auf die gemeinsamen Wertvorstel- dann ist das auch ein Signal an alle Mitarbei- lungen im Unternehmen. „Auch bei großer tenden: Du kannst in diesem Unternehmen Diversität bleibt immer die gemeinsame Basis, etwas erreichen, unabhängig von deiner Lebens- die Werte, an denen wir uns orientieren und phase, deinem Lebensmodell. Nichts ist ausge- ausrichten. Und das schafft auch Freiheit und schlossen. Und dieses Einbringen eigener Ideen Unabhängigkeit.“ Das ist für Corinna Schiefer und Perspektiven ist es auch, das Identifikation besonders wichtig. Sie leitet den Dreifaltigkeits- mit der Evangelischen Heimstiftung schafft. hof in Ulm. „Eine vertrauensvolle Unterneh- „Ich hätte niemals gedacht, dass auf meinem menskultur und die notwendige Transparenz Auto einmal das Logo meines Arbeitgebers ermöglichen es mir, einen gewissen persönlichen kleben würde“, berichtet Corinna Schiefer. „In Freiraum in meiner Arbeit zu haben, in meinem meinen frühen Berufsjahren hatte ich noch mehr Verantwortungsbereich Dinge zu gestalten – das Bedürfnis oder auch den Anspruch mich solange wir uns am gemeinsamen Ziel des einzufügen, anzupassen, heute hat sich meine Unternehmens ausrichten“, berichtet sie. „Je Perspektive verändert. Ich möchte einen Arbeit- mehr Perspektiven in ein Unternehmen einflie- geber, der zu mir passt und den habe ich in der ßen, desto besser. Solange die Zielvorstellung Evangelischen Heimstiftung gefunden.“ >>> übereinstimmt und wir uns an den gleichen Pia kleine Stüve Pia kleine Stüve studierte Gesundheitswissenschaf- ten und spezialisierte sich dabei auf Assistenz- systeme. Nachdem sie erste Erfahrungen in einer Digitalagentur gesammelt hatte, kam sie im April 2020 als Referentin zur EHS. Wenige Monate später übernahm sie im Dezember 2020 die Leitung des Referats Assistenzsysteme und Digitalisierung. | Gute Pflege | 2_2021 | 21
Gleichstellung Hannah Walker Nach ihrem BWL-Studium führte Hannah Walker ein Traineeprogramm in ihre erste Leitungs- position. Mit Erfahrungen als Personalreferentin, Gruppen- und Projektleiterin im Personalbereich kam sie 2019, zunächst in Teilzeit, als Referats- leitung des Personalmanagements zur EHS. Seit März 2021 leitet sie den Geschäftsbereich Personal. >>> hinaus relevant: Möglichkeiten zum Homeoffice, Rahmenbedingungen schaffen ein Jobticket und Lohngleichheit aufgrund der Eine faire Chance, das Bekenntnis der Geschäfts- Bezahlung nach Arbeitsvertragsrichtlinien sind führung und die gemeinsame Arbeit an Vorstel- in der EHS selbstverständlich geworden. „Eine lungen und Werten sind die Grundpfeiler der besondere Bedeutung hat für mich außerdem die Gleichstellung, in der praktischen Umsetzung Möglichkeit zur Gestaltung“, sagt Sarah Setzer. kommen aber zahlreiche weitere Rahmenbedin- „Sei es im Bereich der Digitalisierung, in der gungen zum Tragen: „Auffällig ist für mich, dass Weitebildung der Mitarbeitenden, oder dabei, viele Frauen relativ schnell nach der Geburt ihrer gemeinsam daran zu arbeiten, das gesellschaft- Kinder in den Beruf zurückkommen. Das liegt liche Bild der Pflege mitzuprägen und zu verän- unter anderem an unseren flexiblen Teilzeitmo- dern“. Individuell auf die Bedürfnisse und Er- dellen“, berichtet Walker. Auch sie selbst machte wartungen der Mitarbeitenden eingehen, das den Einstieg als Referatsleiterin im Personalma- spiegelt sich in den unterschiedlichsten Bereichen, nagement in Teilzeit. Überzeugt haben Alexandra nicht zuletzt im Slogan des Employer Branding: Heizereder außerdem Führungskräfte, die för- Die EHS möchte ein Arbeitgeber nach deinen dern und fordern. „Fachlich und persönlich Vorstellungen sein. „Mitarbeiterzufriedenheit bestehen Bedürfnisse und es ist entscheidend, ob hat einen hohen Stellenwert, es gibt viel Feed- auf Seiten der Führungskräfte die Priorität back, man kann sich gut einordnen und reflek- besteht, darauf einzugehen“, sagt Weisserth. tieren“, bestätigt auch Pia kleine Stüve, Leiterin Natürlich seien auch weitere Faktoren darüber des Referats Assistenzsysteme und Digitalisie- Christine Mohr Christine Mohr ist gelernte Krankenschwester und kam 2007 als Pflegefachkraft in das Johanniterstift der Evangelischen Heimstiftung. Als Wohnbereichs- leitung wechselte sie dann in das Albrecht-Teich- mann-Stift und leitet heute das Haus am Aspacher Tor in Backnang. 22 | Gute Pflege | 2_2021 |
Corinna Schiefer Corinna Schiefer studierte zunächst Germanistik und Kunstgeschichte. Anschließend arbeitete sie für eine Bundestagsabgeordnete, leitete den Bereich Öffentlichkeitsarbeit in einer Werbeagentur und sammelte Erfahrungen bei einem privaten Pflege- heimbetreiber. Das Traineeprogramm führte sie 2012 schließlich zur EHS, wo sie heute den Dreifaltigkeitshof in Ulm leitet. Auf eigene Stärke vertrauen „Weniger anpassen, Nicht zuletzt ist für das Gelingen von Gleichstel- mehr nach dem lung auch das Selbstbild von Frauen entschei- dend, findet Mirjam Weisserth. „Wir sollten viel suchen, was zu mehr auf unsere Stärke vertrauen und uns nicht von alten Rollenbildern einschüchtern lassen, einem passt.“ sondern aus eigenem Antrieb gemeinsam gestal- ten und verändern“, ist ihr Wunsch. Diese Stärke und das Vertrauen kommen wiederum aus dem Corinna Schiefer Umfeld, das hat auch Pia kleine Stüve erlebt: „Mir wurde nach wenigen Monaten bei der EHS und nach kurzer Zeit im Berufsleben die Refe- ratsleitung anvertraut und so vermittelt: Wir sind sicher, dass Sie das können und uns liegt viel an rung. Diesen Umgang schätzt auch Christine Ihrer Fachkompetenz, auch wenn es an der ein Mohr, Hausdirektorin im Haus am Aspacher Tor oder anderen Erfahrung noch fehlt. Wir unter- in Backnang. Verantwortung hatte sie als gelernte stützen Sie in der weiteren Entwicklung, denn Krankenschwester schon immer. Einmal eine wir sehen das Potenzial.“ Leitungsfunktion zu übernehmen, konnte sie sich jedoch lange Zeit nicht vorstellen. Doch die EHS In der Evangelischen Heimstiftung wird hat sie überzeugt: „Der Mensch steht hier im Gleichstellung nicht für selbstverständlich gehal- Mittelpunkt, ob es um die Menschen geht, die ten, sondern Ernst genommen – als Prozess und wir betreuen, oder die Mitarbeitenden. Das wird als gemeinsame Aufgabe, bis nur noch ein Satz von der Geschäftsführung vorgelebt und ich stehen bleibt: Es ist kein Thema mehr. erlebe es auch in meinem direkten Umfeld immer wieder“, sagt sie. Unter diesen Voraussetzungen konnte sie sich vorstellen eine Einrichtungslei- tung zu übernehmen. „Auf diesem Weg habe ich mich immer von meinen eigenen Führungskräf- ten begleitet, gefördert und wertgeschätzt gefühlt.“ | Gute Pflege | 2_2021 | 23
Gleichstellung Verantwortlich – Gefragt Sandra Achilles, Vorsitzende des Aufsichtsrats, und Elke Eckardt, Geschäftsführerin der EHS, sprechen im Gute-Pflege-Interview über ihr Verständnis von Verantwortung, wie sich ihr Blick darauf verändert hat und was das für die Gleichstellung in Unternehmen bedeutet. Frau Achilles und Frau Eckardt, Sie sind auch die Pflegepraxis kennengelernt. 1999 kam heute zwei der einflussreichsten Personen ich zur EHS und war dort seitdem in unterschied- für die Evangelische Heimstiftung. Wie ist lichsten Bereichen tätig – immer bevor eine ihr beruflicher Werdegang bis hierhin Routine einkehren konnte, kam eigentlich schon verlaufen? die nächste Herausforderung. Ab 2011 habe ich den Geschäftsbereich Organisation und Prozesse – Achilles: Nach dem Abitur und meiner Ausbil- geleitet und seit August 2020 bin ich nun dung zur Bankkauffrau war ich unter anderem Geschäftsführerin. als Kreditsachbearbeiterin und Leitung der internen Revision tätig. Nach einer Weiterbildung zur Bankfach- und Bankbetriebswirtin war ich bei der Volksbank Plochingen in allen maßgeb- lichen Bereichen tätig, zuletzt als Personalleiterin mit Prokura und Compliance-Beauftragte, bevor ich 2004 Teil des Vorstands und 2014 Vorstands- „Wer möchte eine vorsitzende wurde. Seit 2011 bin ich außerdem Mitglied im Förderverein der Evangelischen Quotenfrau sein? Heimstiftung und seit 2017 Mitglied des Auf- sichtsrats. Im Januar 2021 habe ich nun schließ- Ich halte das für lich den Vorsitz des Aufsichtsrats der EHS über- nommen. diskriminierend.“ Eckardt: Nach meinem Abitur war ich für ein S andra Achilles FSJ in Israel, danach habe ich Theologie, BWL und jüdische Studien studiert. Parallel zum Stu- dium habe ich im Pflegeheim gearbeitet und somit 24 | Gute Pflege | 2_2021 |
Frauen und Männer gleichermaßen in den Achilles: Diese Einschätzung teile ich und nehme verantwortlichsten Positionen von Unter- wahr, dass Führungspositionen in der EHS nicht nehmen sind noch lange nicht die Regel. mit Frauen besetzt werden, um eine Quote zu Was macht die EHS hier richtig und erfüllen und das ist auch gut so. Denn wer möchte welches Selbstverständnis liegt dem zu eine Quotenfrau sein? Ich halte das für diskri- Grunde? minierend und kein gutes Instrument der Unter- nehmensführung. In der EHS zählen Quali- Eckardt: In vielen Branchen scheint es immer fikation und Sozialkompetenz. Dieses Selbst- noch eine Art „soziale Übung“ zu sein, abzuzäh- verständnis ist meiner Ansicht nach sehr progres- len, ob Funktionen ausgewogen besetzt sind, das siv und nimmt eine Vorbildfunktion ein. ist schade. In der EHS haben wir zugegebener- maßen den Vorteil, dass Pflege überwiegend An dieser Stelle ein Blick auf den Volksban- weiblich ist. Aber ohne eine aktive Personalent- kensektor in Deutschland: zwar sind 57 Prozent wicklung würde dieser Vorteil ungenutzt verstrei- aller Beschäftigten bei den Genossenschaftsban- chen. Wir fördern Kompetenzen und Potenziale ken Frauen, auf Vorstandsebene ist das Verhält- unabhängig von der Frage des Geschlechts. Im nis jedoch ein ganz anderes. Auf nur 88 Frauen – Ergebnis bestätigt sich, dass Frauen und Männer kommen 1.905 Männer, das ergibt einen Anteil gleichermaßen geeignet sind, verantwortungs- von 4,4 Prozent im Vorstand. >>> volle Positionen wahrzunehmen. Sandra Achilles, Vorsitzende des Aufsichtsrats der EHS | Gute Pflege | 2_2021 | 25
Gleichstellung > > > Wie kann sich das Selbstverständnis der Eckardt: Wir sind da tatsächlich bereits auf EHS zum Thema Gleichstellung in den einem sehr guten Weg und ich denke das liegt kommenden Jahren noch festigen? unter anderem auch begründet in unserer Ver- pflichtung als diakonischer Träger. Denn das Achilles: Die EHS hat aus meiner Sicht bereits in christliche Menschenbild besagt ja eindeutig: Vor der Vergangenheit dieses Selbstverständnis gelebt. Gott sind alle Menschen gleich, Männer und Denken wir an Frau Dr. Antonie Kraut, die Grün- Frauen. Außerdem verfestigt sich immer mehr die derin der EHS. Auch heute sind viele Frauen in Erkenntnis, dass die Komplexität der Aufgaben Führungspositionen wie beispielweise Hausdirek- eine Diversität in der Führung erfordert. Schon torinnen in den Einrichtungen. Erst vor kurzem aus diesem Grund sollte das Führungsteam ein wurden zwei Prokuristinnen bestellt. Im Auf- Abbild unserer Gesellschaft sein – auch im Blick – sichtsratsgremium sind vier Frauen und auch in auf Geschlecht, Herkunft oder sexuelle Orientie- der Geschäftsführung ist Frau Eckardt als Frau rung. vertreten. Ich denke, es ist weiterhin wichtig, durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen Frauen die Möglichkeit zu bieten, Führungsposi- tionen wahrzunehmen und sie auch zu diesem Ist es Aufgabe eines Unternehmens, Schritt zu ermutigen. Aus meiner Perspektive sehe Mitarbeitende und auch insbesondere ich die Gleichstellung bei der EHS aber bereits Frauen, in einer Form zum Übernehmen heute als gegeben an. von Verantwortung zu befähigen? Elke Eckardt, Geschäftsführerin der EHS 26 | Gute Pflege | 2_2021 |
Achilles: Natürlich ist es die Aufgabe eines jeden Achilles: Auch für mich war das schon recht früh Unternehmens, auch Frauen für verantwortungs- klar. Mit Ende 20 hätte ich aber nicht gedacht, volle Tätigkeiten zu qualifizieren. Wir leben ja dass ich es einmal bis in den Vorstand schaffen nicht mehr im Mittelalter. Karriere- und Entwick- würde. Ein so hohes Ziel hätte ich mir selbst nicht lungsperspektiven muss es für alle Mitarbeitenden gesetzt. Als ich 2003 ganz unerwartet das Signal geben, die über die erforderlichen Qualifikationen erhielt, als Kandidatin für den Vorstand gesehen verfügen und die den Wunsch haben, eine Füh- zu werden, war ich 37 und meine Mitbewerber rungsfunktion zu übernehmen. waren allesamt Männer. Unser ehemaliger Vor- – standsvorsitzender, Klaus Steinhilber, war damals Eckardt: Wie Frau Achilles schon sagte, AUCH schon sehr modern eingestellt. Frauen. Wie Männer, ohne Unterscheidung. Es ist notwendig, sich an dieser Stelle von Stereotypen zu lösen. Unsere Verantwortung als Unternehmen ist es, die entsprechenden Rahmenbedingungen Welche Gegebenheiten muss ein Unter- zu schaffen. Also Führung und die Übernahme nehmen mitbringen, damit man gerne von Verantwortung zu ermöglichen. Wichtig ist Verantwortung dafür übernimmt? hierbei, dass die EHS moderne Rollenbilder und Familienmodelle fördert, indem sie etwa Teilzeit- Achilles: Das Unternehmen sollte seinen Beschäf- führung ermöglicht und die Vereinbarkeit von tigten stets mit Wertschätzung begegnen, fair, Familie und Beruf erleichtert. Ich bin gespannt, offen, ehrlich und berechenbar. Das Arbeitsklima welche Erkenntnisse wir aus dem geplanten Audit sollte ermutigend sein. Wer immer Angst vor – „berufundfamilie“ gewinnen und welche Impulse Fehlern hat, wird nie Verantwortung übernehmen sich für die Weiterarbeit ergeben. wollen. Auch Vertrauen spielt dabei eine wichtige Rolle und Identifikation mit dem Unternehmen. Das steigert die Motivation und Einsatzbereit- schaft und damit auch die Bereitschaft, Verant- War für Sie schon immer klar, dass Sie wortung übernehmen zu wollen. Es kommt also Verantwortung übernehmen möchten? auf die Unternehmenskultur an und auf das Verhalten der Führungskräfte als Vorbild. Eckardt: Tatsächlich war es schon immer mein Wunsch in einer verantwortlichen Position zu sein, Eckardt: Und dieses Führungsverständnis muss denn mein Motto ist: Nicht meckern, dass etwas insbesondere vier Aspekte beinhalten: Klarheit in nicht gut ist, sondern Verantwortung dafür tra- Aufgabe und Kompetenz, Transparenz im Blick gen, dass es besser wird und die Verbesserung auf Erwartung und Zielsetzung, Freiheit, die vorantreiben. Beteiligung an einer Entwicklung ermöglicht und – die Kommunikation, dass aktive Gestaltung aus- drücklich erwünscht ist. „Gelernt habe ich über Was wissen Sie heute über Verantwortung, das Sie nicht erwartet hätten? die Jahre insbesondere Eckardt: Gelernt habe ich über die Jahre insbe- wie wichtig gute und sondere wie wichtig gute und vielfältige Vorbilder sind, um zu zeigen, dass eine Führungsaufgabe vielfältige Vorbilder erfüllend und bereichernd sein kann. sind.“ Achilles: Verantwortung übernehmen, bringt einen selbst in seiner Persönlichkeit weiter. Man entwickelt sich, erlangt eine andere Sicht auf die Elke Eckardt Dinge und wird vielleicht auch selbstbewusster. | Gute Pflege | 2_2021 | 27
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