Handreichung für den Gemeinsamen Unterricht - Praxishilfe www.tmbwk.de - Thüringer Schulportal

 
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Handreichung
für den Gemeinsamen Unterricht
Praxishilfe
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die jeweils männliche Bezeichnung verwendet.
Die Bezeichnung gilt gleichermaßen für weibliche und männliche Personen.

Weiterführende Informationen finden sich im Internet
www.thueringen.de/th2/tmbwk/inklusive_bildung

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Vorwort
                       Mit Inkrafttreten der „UN-Konvention über die Rechte von Menschen
                       mit Behinderungen“ im Jahr 2009 liegt ein erstes universelles Rechts-
                       dokument vor, das dazu beiträgt, die bestehenden Menschenrechte –
                       bezogen auf die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen –
                       zu stärken und zu konkretisieren. Das Übereinkommen anerkennt das
                       Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht
                       ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit
                       zu verwirklichen, sind die Vertragsstaaten aufgefordert, ein inklusives
                       Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleisten.

                       Im Gemeinsamen Unterricht in Thüringen, der einen bedeutsamen
                       Schritt in Richtung eines inklusiven Bildungssystems darstellt, können
                       Kinder und Jugendliche mit und ohne sonderpädagogischen Förder-
                       bedarf ihre individuellen Potentiale ausschöpfen, Talente entfalten,
                       Lebenserfahrungen austauschen und den selbstverständlichen
                       Umgang miteinander lernen. Gemeinsamer Unterricht erfüllt den
                       Anspruch, dass sehr verschiedene Schülerinnen und Schüler in bar-
                       rierefreien Bildungseinrichtungen von Anfang an gemeinsam lernen
                       können. Von gelingendem Gemeinsamen Unterricht sprechen wir
                       dann, wenn ein Schüler in sein soziales Umfeld vielfältig eingebunden
                       ist und ein hohes Maß an Anerkennung und Wertschätzung erhält.

                       In welcher Qualität Gemeinsamer Unterricht gelingt und zur sozialen
                       und gesellschaftlichen Teilhabe beiträgt, entscheiden die Schulkultur
                       und die Gestaltung des Unterrichts an jeder Grund- und weiterfüh-
                       renden Schule. Zahlreiche Thüringer Schulen haben in den vergan-
                       genen zwei Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen mit gelingendem
                       Gemeinsamen Unterricht gesammelt. In der vorliegenden Handrei-
                       chung sind nun grundlegende schulrechtliche und schulorganisato-
                       rische Informationen sowie pädagogisch-didaktische Anregungen
                       enthalten, die der Weiterentwicklung des Gemeinsamen Unterrichts
                       an den Thüringer Schulen dienen. In die Erarbeitung der vorliegenden
                       Handreichung sind umfangreiche Erfahrungen aus der Schulpraxis ein-
                       geflossen. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich besonders für
                       die Mitwirkung von Frau Dr. Ursula Mahnke (Berlin).

                       Christoph Matschie
                       Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur

für den Gemeinsamen Unterricht                                                              1
Inhalt

          Vorwort.............................................................................................................. 1

1         Rechtliche Grundlagen....................................................................................... 5

    1.1 UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK).........5

    1.2 Individuelle Förderung..........................................................................................5

    1.3 Gemeinsamer Unterricht.......................................................................................5

2         Übergang frühkindlicher Bereich – Grundschule.................................................. 7

    2.1 Frühe Förderung und Prävention...........................................................................7

    2.2 Der Thüringer Bildungsplan..................................................................................7

    2.3 Schulisches Anmeldeverfahren.............................................................................8

3         Sonderpädagogische Förderung......................................................................... 9

    3.1 Sonderpädagogisches Feststellungsverfahren......................................................9

    3.2 Steuergruppen zur Weiterentwicklung der Förderzentren und
        des Gemeinsamen Unterrichts (WFG)..................................................................11

    3.3 Sonderpädagogische Diagnostik........................................................................12

    3.4 Förderplanung im Gemeinsamen Unterricht........................................................13
        Fördermaßnahmen.............................................................................................14

    3.5 Sonderpädagogische Förderschwerpunkte..........................................................15
        Förderschwerpunkt Lernen.................................................................................15
        Förderschwerpunkt Sprache...............................................................................16
        Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung.....................................17
        Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.............................................................18
        Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung...............................20
        Förderschwerpunkt Sehen..................................................................................21
        Förderschwerpunkt Hören...................................................................................23
        Förderbereich Autismus......................................................................................24

4         Personal .......................................................................................................... 25

    4.1 Personaleinsatz.................................................................................................25
        Abordnungen und Versetzungen.........................................................................26
        Absicherung von Unterrichtsausfall im Gemeinsamen Unterricht.........................26
        Anordnung von Mehrarbeit für Förderpädagogen im Gemeinsamen Unterricht .....26
        Dienstliche Verpflichtungen für Förderpädagogen im Gemeinsamen Unterricht....27

    4.2 Lehrer im Gemeinsamen Unterricht ....................................................................28

    4.3 Sonderpädagogische Fachkräfte.........................................................................29

2                                                                                                                       Handreichung
4.4 Schulbegleitung.................................................................................................29

    5         Umsetzung des Gemeinsamen Unterrichts........................................................ 30

        5.1 Leistungsbewertung und Zeugnisse im Gemeinsamen Unterricht.........................30

        5.2 Nachteilsausgleich.............................................................................................30
            Allgemeine Grundsätze zum Nachteilsausgleich .................................................31

        5.3 Stundentafel......................................................................................................31

        5.4 Unterstützungssystem .......................................................................................32

    6         Beirat Inklusive Bildung.................................................................................... 33

    7         Arbeits- und Forschungsstelle für Gemeinsamen Unterricht............................... 33

    8         Ombudsrat....................................................................................................... 34

    9         Praxishilfen...................................................................................................... 34

        9.1 Beispiele zur praktischen Umsetzung.................................................................34
            Förderplan.........................................................................................................34
            Beobachtung.....................................................................................................37
            Teamarbeit und schulische Organisation.............................................................41
            Kollegiale Beratung............................................................................................43
            Vom Lerninhalt zur Beurteilung...........................................................................48
            Förderunterricht organisieren..............................................................................54
            Öffnen von Unterricht.........................................................................................54

        9.2 Impulse für Unterrichts- und Schulentwicklung....................................................62
            „Index für Inklusion“..........................................................................................62
            Das „Aargauer Bewertungsraster“ zu schulischen Integrationsprozessen.............63

    Anlagen...................................................................................................................... 65

        Anlage 1: Entwicklungsschritte zur Umsetzung des Gemeinsamen Unterrichts............66

        Anlage 2: Ausprägungsgrade von pädagogischem und sonderpädagogischem
            Förderbedarf und Art der Diagnostik....................................................................69

        Anlage 3: Tätigkeitsbeschreibungen im Kontext des Gemeinsamen Unterrichts:
            Förderschullehrer/Schulleiter des Förderzentrums..............................................70

        Anlage 4: Aufgabenbeschreibungen der Koordinatoren
            in den Staatlichen Schulämtern im Kontext des Gemeinsamen Unterrichts...........71

        Anlage 5: Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs
            bei Anforderung aus Schulen (außer Förderzentren)............................................74

    Literatur und Quellen.................................................................................................. 75

für den Gemeinsamen Unterricht                                                                                                         3
4   Handreichung
1      Rechtliche                                         1.2 Individuelle Förderung
       Grundlagen                                         Die Kultusministerkonferenz (KMK) formu-
                                                          liert in ihren Empfehlungen zur „Inklusiven
                                                          Bildung von Kindern und Jugendlichen mit
1.1 UN-Konvention über die                                Behinderungen in Schulen“ vom 20.10.2011,
    Rechte von Menschen mit                               dass „die Ausrichtung der Schulen auf die
    Behinderungen (UN-BRK)                                unterschiedlichen Voraussetzungen von Kin-
                                                          dern und Jugendlichen (..) eine grundsätzliche
Seit 2009 ist die UN-BRK auch für Deutschland             Aufgabe ist. Dabei wird die Akzeptanz von
rechtlich bindend. Sie hat als völkerrecht­               Vielfalt und Verschiedenheit erweitert und die
liche Norm dadurch Eingang in die deutsche                Möglichkeiten und Fähigkeiten der Schulen im
Rechtsordnung erhalten, dass der Bundestag                Umgang mit Unterschieden – sowohl auf der
mit uneingeschränkter Zustimmung des Bun-                 individuellen als auch auf der organisatori-
desrates ein sogenanntes Vertragsgesetz ver-              schen und systemischen Ebene – gestärkt. Sie
abschiedet und Deutschland die Ratifikation               greifen die Erfahrungen mit der individuellen
erklärt hat (Bundesgesetzblatt Teil II, Nr.35).           Förderung in allgemeinbildenden und berufs-
Die Konvention wird damit nicht in Gesetzes-              bildenden Schulen auf.“3
recht überführt, sondern bleibt Völkerrecht
und hat lediglich in ihrer Gesamtheit – als               Die Schulen sind nach § 2 Abs. 2 Thüringer
Normkomplex – den Rang von Bundesrecht                    Schulgesetz (ThürSchulG) im Rahmen ihres
erhalten.                                                 Bildungs- und Erziehungsauftrags zur individu-
                                                          ellen Förderung der Schüler als durchgängiges
Die Ausführungen der UN-BRK erfassen in 50                Prinzip des Lehrens und Lernens verpflichtet.
Artikeln alle Aspekte des individuellen, gesell-          Die individuelle Förderung findet innerhalb
schaftlichen und politischen Lebens. Bezogen              einer sich neu entwickelnden Lernkultur auf
auf Bildung enthalten die Artikel 7 und 24 die            der Basis eines erweiterten Bildungsverständ-
wesentlichen Aussagen.                                    nisses statt. Im Juli 2011 erfolgte eine Novellie-
                                                          rung der Thüringer Schulordnung (ThürSchulO)
Übergeordnetes Ziel der UN-Konvention über                u. a. in § 47. Hier heißt es jetzt in Abs. 1: „Die
die Rechte von Menschen mit Behinderungen                 individuelle Förderung der Schüler ist durch-
ist es, „… den vollen und gleichberechtigten              gängiges Prinzip des Lehrens und Lernens
Genuss aller Menschenrechte und Grundfrei­                sowie der außerunterrichtlichen Angebote.
heiten durch Menschen mit Behinderungen zu                Darüber hinaus sind bei Bedarf besondere
gewährleisten, zu fördern, zu schützen und die            Fördermaßnahmen vorzusehen.“ Schließlich
Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu                  heißt es in Abs. 7: „In den Schulen sollen
fördern“ (Art.1).1                                        besondere Fördermaßnahmen für Schüler mit
                                                          besonderen Lernschwierigkeiten im Lesen
Dabei sind alle Träger öffentlicher Gewalt und            und im Rechtschreiben, in Mathematik und in
damit der Bund, die Länder und die Kom-                   den Fremdsprachen sowie für Schüler, die des
munen in der Pflicht. Auf Grund der Gesetzge-             Sportförderunterrichts bedürfen, eingerichtet
bungskompetenz der Länder im Schulbereich                 werden.“
sind diese dafür verantwortlich, die auf das
Schulwesen bezogenen Bestimmungen der
UN-BRK schrittweise umzusetzen. Aufgabe der
Bildungspolitik ist es, das Schulsystem so zu             1.3 Gemeinsamer Unterricht
gestalten, dass allen Schülern die notwendige
individuelle Förderung und damit eine spezi-              Die Novellierung des Thüringer Förderschul-
fische Bildung ermöglicht wird, mit dem Ziel              gesetzes (ThürFSG) legte den Vorrang des
„den bestmöglichen Lernerfolg bei allen Kin-              Gemeinsamen Unterrichts fest. Bereits in der
dern und Jugendlichen zu sichern“.2                       Thüringer Förderschulordnung (ThürSoFöV)
1   Bundesgesetzblatt 2008 Teil II Nr. 35.
2   Christoph Matschie: Vorwort, in: Thüringer Schulge-   3   www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_
    setz, hrsg. vom Thüringer Ministerium für Bildung,        beschluesse/2011/2011_10_20-Inklusive-Bildung.
    Wissenschaft und Kultur, Erfurt 2011, S. 2.               pdf; 12.03.2014.

für den Gemeinsamen Unterricht                                                                             5
von 1994 war dieser Vorrang festgeschrieben,        (2) Individualisierende Formen der Pla-
seit 2003 wird er wie folgt rechtlich geregelt:     nung, Durchführung und Auswertung
                                                    des Unterrichts sowie eine enge Zusam-
    § 1 Abs. 2 ThürFSG: „Schüler mit sonder-        menarbeit der beteiligten Lehr- und
    pädagogischem Förderbedarf werden,              Fachkräfte aller in § 8 Satz 1 genannten
    soweit möglich, in der Grundschule, in          Schularten müssen gewährleistet sein.
    den zum Haupt- und Realschulabschluss,          Die Sonderpädagogische Förderung
    zum Abitur oder in zu den Abschlüssen           erfolgt durch differenzierende Maß-
    der berufsbildenden Schulen führenden           nahmen oder durch Stütz- und Förder-
    Schularten unterrichtet (Gemeinsamer            maßnahmen in Einzel-, Gruppen- oder
    Unterricht). Können sie dort auch mit           Klassenunterricht.
    Unterstützung durch die Mobilen Sonder-
    pädagogischen Dienste nicht oder nicht          (3) Das Schulamt entscheidet für jeden
    ausreichend gefördert werden, sind sie          Schüler mit sonderpädagogischem För-
    in Förderschulen zu unterrichten, damit         derbedarf über dessen Teilnahme am
    sie ihren Fähigkeiten und Neigungen             gemeinsamen Unterricht auf der Grund-
    entsprechende Schulabschlüsse errei-            lage des sonderpädagogischen Gut-
    chen können.“                                   achtens und der in Absatz 1 genannten
                                                    Voraussetzungen.“
    Im § 2 Abs. 1 ThürFSG heißt es: „Förder-
    schulen sind sonderpädagogische Zen-          Individuelle Förderung ist somit als durch-
    tren für Unterricht, Förderung, Koope-        gängiges Prinzip für pädagogische Prozesse
    ration und Beratung. Die pädagogische         an Thüringer Schulen unabhängig von der
    Arbeit an der Förderschule hat die Inte-      Schulart festgeschrieben. Individualisierte
    gration der Schüler während und nach          Lernprozesse sind geprägt von der Akzeptanz
    der Schulzeit zum Ziel. Förderschulen         der Verschiedenheit der Kinder und Jugendli-
    pflegen eine enge pädagogische Zusam-         chen und durch die Berücksichtigung indivi-
    menarbeit mit den anderen Schulen             dueller Lernausgangslagen in einer herausfor-
    der Region…“ Es ist erforderlich, dass        dernden Unterrichts- und Schulkultur. Somit
    sich Förderzentren zu Kompetenz- und          ist ein hoher Anspruch an Bildungsprozesse
    Beratungszentren entwickeln und im            formuliert, die dadurch gekennzeichnet sind,
    Kontext der UN-BRK mit ihrer Professio-       dass:
    nalität die Klassen- und Fachlehrer der
    Grund-, Regel-, Gemeinschaftsschulen           ▸▸ individuelle Kompetenzen jedes einzelnen
    und berufsbildenden Schulen sowie der             Schülers erkannt, herausgefordert und
    Gymnasien (im Team-Teaching bzw. in               weiterentwickelt werden,
    enger Kooperation) unterstützen und auf
    diese Weise zur Entwicklung einer Päd-         ▸▸ individuelle Förderung sinnvoll gestaltet
    agogik der Vielfalt beitragen.                    ist,

In der Thüringer Verordnung zur sonderpäda-        ▸▸ individuelle Förderung eingebettet ist
gogischen Förderung (ThürSoFöV) heißt es im           in das Lernen und Leisten im Alltag der
Abschnitt IV „Gemeinsamen Unterricht“ in § 9:         Klasse,

    „(1) Gemeinsamer Unterricht kann dort          ▸▸ individuelle Ziele vereinbart werden,
    durchgeführt werden, wo die notwen-
    digen personellen, sächlichen und räum-        ▸▸ individuelle Förderung eingebettet ist in
    lichen Voraussetzungen gewährleistet              kommunikative Lernsituationen,
    sind; die Förderung aller Schüler muss
    sichergestellt sein. Besonderes Augen-         ▸▸ differenzierte Kenntnisse über das Wissen
    merk ist von Seiten der Pädagogen auf             und Lernen von allen Schülern im Kontext
    die soziale Integration der Schüler mit           der sozialen Gruppe bzw. der Lerngruppe
    sonderpädagogischem Förderbedarf zu               vorhanden sind
    richten.

6                                                                             Handreichung
▸▸ und angemessene pädagogische Unter-            regelt den besonderen Betreuungs- und För-
    stützung angeboten wird.                       derbedarf zur erfolgreichen Integration.

Gemeinsamer Unterricht ist als eine spezielle      Für Kinder, die einer besonderen Förderung
Form von individueller Förderung zu sehen,         bedürfen, ohne behindert oder von Behinde-
die immer dann vorliegt, wenn Schüler mit          rung bedroht zu sein, sind geeignete Förder-
sonderpädagogischem Förderbedarf mit Schü-         maßnahmen in der Einrichtung im Rahmen des
lern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf         Förderauftrags (nach § 22 SGB VIII und § 6)
an der wohnortnahen Grund- bzw. weiterfüh-         dieses Gesetzes zu treffen. Die Verankerung
renden Schule lernen.                              der Integration von Kindern mit (drohender)
                                                   Behinderung erfordert, allen Kindern das
                                                   Maß an Unterstützung zu geben, welches sie
                                                   zu ihrer individuellen Entwicklung benötigen.
2     Übergang                                     Dies gilt auch für Kinder mit besonderem För-
      frühkindlicher                               derbedarf (§ 7 Abs. 4 ThürKitaG), die keinen
                                                   Anspruch auf Eingliederungshilfe haben. Für
      Bereich –                                    diese Kinder werden geeignete Fördermaß-
      Grundschule                                  nahmen geschaffen. Hilfe und Unterstützung
                                                   erhalten die Einrichtungen hierbei durch die
                                                   Fachberatung.

2.1 Frühe Förderung und                            In Zusammenarbeit zwischen niedergelas-
    Prävention                                     senen Ärzten, den interdisziplinären Frühför-
                                                   derstellen oder Sozialpädiatrischen Zentren,
Bereits im Jahr 2005 wurden die Bestrebungen       den Kindergärten, Schulen, Sozialbehörden
zur gemeinsamen Förderung von Kindern mit          und anderen spezifischen medizinischen/
und ohne Behinderungen in Regeleinrich-            therapeutischen Einrichtungen soll Kindern
tungen und integrativen Einrichtungen im Thü-      mit Behinderungen eine zunehmend unein-
ringer Kindertagesstättengesetz (ThürKitaG),       geschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen
besonders in § 7, gesetzlich verankert. Seit der   Leben ermöglicht werden. Vorrangiges Ziel
Novellierung im Jahr 2010 regelt das ThürKitaG     ist im Bereich der Frühförderung die weitere
mit § 7 die Angebote für behinderte und von        Schaffung von integrativen Plätzen in Kinderta-
Behinderung bedrohte Kinder sowie für Kinder       geseinrichtungen unter Beachtung des Kindes-
mit besonderem Förderbedarf und die Gleich-        wohls sowie die Bereitstellung frühestmögli-
stellung von Regeleinrichtungen und integra-       cher Angebote fachgerechter Hilfe.
tiven Einrichtungen. So haben Kinder, die im
sozialhilferechtlichen Sinne (SGB VIII, SGB XII)
behindert oder von Behinderung bedroht sind,
Anrecht darauf, gemeinsam mit Kindern ohne         2.2 Der Thüringer
Behinderung gefördert zu werden. Maßgabe               Bildungsplan
der Förderung ist der vom Träger der Sozialhilfe
erarbeitete Gesamtplan (nach § 58 SGB XII).        Seit dem Schuljahr 2008/2009 ist für das
Dieser beschreibt und regelt den besonderen        Land Thüringen der institutionsübergreifende
Betreuungs- und Förderbedarf zur erfolgrei-        „Thüringer Bildungsplan von 0 bis 10 Jahre“
chen Inklusion im Sinne der Teilhabe ausge-        zu beachten. In diesem Bildungsplan werden
hend von einer personenzentrierten Feststel-       Möglichkeiten der Individualisierung kindli-
lung des individuellen Hilfebedarfs des Kindes     cher Bildungsprozesse aufgezeigt, ohne dabei
(§ 7 Abs. 3 ThürKitaG). Bei der Aufstellung und    die Sozialität des einzelnen Kindes aus dem
Durchführung der Leistungen der örtlichen          Blick zu verlieren.
Träger der Sozialhilfe wirken die Eltern des
behinderten Kindes sowie die im Einzelfall         Dies erfordert ein institutionelles und vernet-
Beteiligten (insbesondere der behandelnde          zendes Handeln sowie vom Kind aus gestaltete
Arzt, das Gesundheitsamt und das Jugendamt)        Kooperationen. Zur Bewältigung des Über-
zusammen. Der Gesamtplan beschreibt und            gangs vom frühkindlichen in den schulischen

für den Gemeinsamen Unterricht                                                                  7
Bereich bedarf es im besonderen Maße der             2.3 Schulisches
Partizipation von Kindern, Eltern und Päd-               Anmeldeverfahren
agogen aus Kindertageseinrichtungen und
Grundschulen.                                        Gemäß § 119 Abs. 1 ThürSchulO sind „alle
                                                     Kinder, die bis zum 1. August des folgenden
Der „Thüringer Bildungsplan bis 10 Jahre“ stellt     Jahres sechs Jahre alt werden, … bei der
einen professionellen Orientierungsrahmen            Grundschule ihres Schulbezirks, bei Bestehen
dar, der eine umfassendere Sicht auf die Ent-        eines gemeinsamen Schulbezirks nach § 14
wicklung des Kindes ermöglicht und seine             ThürSchulG an einer der zuständigen Grund-
Ansprüche auf Bildung an die Gemeinschaft            schulen, anzumelden“. Bei Kindern, denen ein
definiert. Zentral für diesen Plan ist, dass nicht   Anspruch auf Eingliederungshilfe nach den
gesellschaftliche Anforderungen an Kinder            Sozialgesetzbüchern gewährt wird, richtet der
beschrieben werden, sondern Bildungsan-              Leiter der Kindertageseinrichtung, der Frühför-
sprüche, die Kinder an die Gesellschaft haben.       derstelle oder der Schulleiter der Grundschule
Es sollen Bildungsgelegenheiten geschaffen           einen schriftlichen Antrag an das Staatliche
werden, die allen Kindern eine selbstbe-             Schulamt zur Einleitung eines Verfahrens zur
stimmte Auseinandersetzung mit der Welt              Feststellung des sonderpädagogischen Förder-
ermöglichen.                                         bedarfs.

Dieses Ziel ist allerdings nicht nur für Bil-        Gem. § 119 Abs. 5 ThürSchulO und § 8 Abs. 1
dungsprozesse von Kindern im ersten Lebens-          ThürFSG können Kinder und Jugendliche mit
jahrzehnt bedeutsam. Darum gilt es, für die          sonderpädagogischem Förderbedarf durch
gesamte Zeit des Heranwachsens Bildungsge-           die Eltern direkt bei staatlichen Förderschulen
legenheiten zu schaffen, die es Kindern und          oder Förderschulen in freier Trägerschaft
Jugendlichen ermöglichen, Handlungsfähig-            angemeldet werden. Eine Einschulung und
keit zu erlangen. Gegenwärtig befindet sich der      Aufnahme am Förderzentrum ist jedoch nur
„Thüringer Bildungsplan bis 10 Jahre“ in der         dann möglich, wenn das sonderpädagogische
Fortschreibung zum „Thüringer Bildungsplan           Gutachten das Förderzentrum als Lernort aus-
bis 18 Jahre“. Diese Fortschreibung umfasst          weist.
neben basalen, elementaren und primären
Bildungsprozessen auch heternome und auto-           Melden Eltern ihr Kind an einer Förderschule
nome Bildungsprozesse. Neu sind außerdem             an, ohne dass ein sonderpädagogisches
eigene Kapitel zur zivilgesellschaftlichen Bil-      Gutach­ten vorliegt, stellt der Schulleiter des
dung, zur philosophisch-weltanschaulichen            Förder­zentrums zeitnah beim Staatlichen
Bildung sowie zur religiösen Bildung. Der            Schul­amt einen Antrag auf die Einleitung eines
„Thüringer Bildungsplan von 0 bis 18 Jahre“          sonder­pädagogischen        Feststellungsverfah-
beschreibt insgesamt Bildungsprozesse von            rens.
der frühen Kindheit bis zum Übergang in das
Erwachsenenalter; er ist dabei auf Kontinuität       Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufü-
im Bildungsverlauf fokussiert. Durch den Ver-        gen:
zicht auf Altersstufen zugunsten der Beschrei-
bung von Bildungsprozessen unterstützt er die         ▸▸ Dokumentation der bisher erfolgten Förde-
Gestaltung von Bildungsangeboten in hetero-              rung (z. B. Förderpläne)
genen Lerngruppen.4
                                                      ▸▸ Begründung der Anforderung des Mobilen
                                                         Sonderpädagogischen Dienstes (MSD)

                                                      ▸▸ weitere Unterlagen (z. B. medizinische
                                                         Gutachten).

                                                     Die Anforderung erfolgt mit Einverständnis der
                                                     Personensorgeberechtigten vom Schulleiter
                                                     der zuständigen Schule.
4   www.thueringer-bildungsplan.de; 12.03.2014.

8                                                                                 Handreichung
Für Kinder, bei denen ein Hilfebedarf festge-     3      Sonderpädagogische
stellt und in einem Förderplan beschrieben
wurde, empfiehlt es sich, zur Sicherung der
                                                         Förderung
personellen, räumlichen und sächlichen            Durch die Kultusministerkonferenz ist sonder-
Rahmenbedingungen im Hinblick auf das Kin-        pädagogischer Förderbedarf wie folgt definiert:
deswohl, möglichst ein Jahr vor Einschulung       „Sonderpädagogische Bildungs-, Beratungs-
bzw. vor Wechsel in die weiterführende Schule     und Unterstützungsangebote können zeitlich
das zuständige Staatliche Schulamt zu infor-      befristet oder langfristig erforderlich sein und
mieren.                                           sind eng mit der zuständigen allgemeinen Päd-
                                                  agogik und deren Angeboten zu verknüpfen.
Sind Eltern mit der im Gutachten formulierten     Sie richten sich insbesondere auf die Gestal-
Lernortempfehlung        nicht   einverstanden,   tung von förderlichen Lern- und Entwicklungs-
erfolgt laut § 8 Abs. 4 ThürFSG die Einberufung   bedingungen sowie auf die Vermeidung, Über-
einer Aufnahmekommission, § 14 ThürSoFöV          windung bzw. Beseitigung von Barrieren durch
kommt zur Anwendung.                              angemessene Vorkehrungen.“5

Die Aufnahmekommission besteht in der
Regel aus dem begutachtenden Mitarbeiter
des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes,         3.1 Sonderpädagogisches
Pädagogen der aufnehmenden und abge-                  Feststellungsverfahren
benden Schulen, ggf. dem Schularzt und dem
Schulpsychologen. Die Aufnahmekommission          Sonderpädagogischer Förderbedarf ist bei Kin-
hört die Eltern an. Unter Einbeziehung der        dern und Jugendlichen anzunehmen, die auf-
Stellungnahme der Eltern und des sonderpä-        grund einer Behinderung oder einer schwerwie-
dagogischen Gutachtens, schulmedizinischer,       genden Beeinträchtigung in ihren Bildungs-,
fachärztlicher oder schulpsychologischer Gut-     Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten derart
achten berät und entscheidet die Aufnahme-        beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht
kommission über die Notwendigkeit und die         der Grundschule, der weiterführenden allge-
Form einer sonderpädagogischen Förderung.         mein bildenden Schulen ohne eine über die
Sind die Eltern mit der Entscheidung der Auf-     pädagogische Unterstützung hinausgehende
nahmekommission nicht einverstanden, ent-         (sonderpädagogische) Unterstützung nicht
scheidet das Staatliche Schulamt. Diese Ent-      hinreichend gefördert werden können. Son-
scheidung ist ein Verwaltungsakt, der durch       derpädagogischer Förderbedarf beschreibt
Widerspruch angefochten werden kann.              die Maßnahmen im schulischen Umfeld, die
                                                  unternommen werden müssen, um die Auswir-
                                                  kung der Behinderung oder schwerwiegenden
                                                  Beeinträchtigung im pädagogischen Bereich
                                                  zu mindern oder zu beheben:

                                                      „Die Feststellung des sonderpädagogi-
                                                      schen Förderbedarfs umfasst die Ermitt-
                                                      lung des individuellen Förderbedarfs
                                                      des Kindes oder Jugendlichen sowie die
                                                      Empfehlung über den Bildungsgang und
                                                      den Förderort.“6

                                                  Der Prozess zur Feststellung des sonderpä-
                                                  dagogischen Förderbedarfs beinhaltet immer

                                                  5   KMK, Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultus-
                                                      minister der Länder in der Bundesrepublik Deutsch-
                                                      land: „Inklusive Bildung von Kindern und Jugendli-
                                                      chen mit Behinderungen in Schulen“ (Beschluss der
                                                      KMK vom 20.10.2011).
                                                  6   ThürSoFöV, § 5 Abs. 1.

für den Gemeinsamen Unterricht                                                                          9
die Informationspflicht gegenüber den Eltern.               oder -hemmenden Faktoren“8 beschrieben
Sie ist von Beginn des Prozesses bis zum                    (Kind-Umfeld-Analyse). Dafür sind folgende
Abschluss des sonderpädagogischen Gutach-                   Unterlagen heranzuziehen:
tens zu gewährleisten. Für die Feststellung des
sonderpädagogischen Förderbedarfs sind eine                     ▸▸ persönliche Daten des Schülers,
Kind-Umfeld-Analyse und eine sonderpädago-
gische Diagnostik wichtige Voraussetzungen.7                    ▸▸ Beobachtungsbögen,

Gemäß § 16 Abs. 2 der Thüringer Verordnung                      ▸▸ Dokumentation der Lernentwicklung,
zur sonderpädagogischen Förderung (Thür-
SoFöV) umfassen die Aufgaben der Mobilen                        ▸▸ relevante Schülerergebnisse aus dem
Sonderpädagogischen Dienste folgende Auf-                          Unterricht,
gabenbereiche:
                                                                ▸▸ bisherige Bildungs- und Förderangebote
    ▸▸ Feststellung des sonderpädagogischen                        sowie deren Wirkung auf die Entwicklung
       Förderbedarfs                                               des Schülers,

    ▸▸ Sonderpädagogische     Förderung              im         ▸▸ Förderpläne,
       Gemeinsamen Unterricht
                                                                ▸▸ lernzielorientierte Diagnostik,
    ▸▸ Beratung von Eltern und Pädagogen.
                                                                ▸▸ Lernstandsanalysen
Seit dem Schuljahr 2011/12 sind in allen
Schulämtern einige Mitarbeiter der Mobilen                      ▸▸ medizinische Befunde usw.
Sonderpädagogischen Dienste im Team zur
Qualitätssicherung bei der sonderpädagogi-                  Zeigt sich bei einem Schüler Förderbedarf
schen Begutachtung (TQB) tätig. Diese sichern               beispielsweise durch deutliche Lernschwie-
die Qualität bei der Erstellung der Erstgut-                rigkeiten in mehreren Fächern, die durch die
achten. Ihr Einsatz wird durch den Koordinator              bisherige pädagogische Unterstützung nicht
TQB am Staatlichen Schulamt koordiniert.                    kompensiert werden konnten, sind die Mit-
                                                            arbeiter im Mobilen Sonderpädagogischen
Den Staatlichen Schulämtern obliegt die                     Dienst im Team zur Qualitätssicherung bei
Qualitätssicherung bei der Prüfung der Anfor-               der sonderpädagogischen Begutachtung ins
derungen zur Feststellung des sonderpädago-                 Feststellungsverfahren einzubeziehen. Tests
gischen Förderbedarfs in Bezug auf Vollstän-                zur Erfassung des kognitiven Potentials (für
digkeit, Plausibilität, Angemessenheit und                  eine korrekte Feststellung des Förderbedarfs
fachliche Korrektheit.                                      im Förderschwerpunkt Lernen und geistige
                                                            Entwicklung) im Rahmen des diagnostischen
Im sonderpädagogischen Feststellungsver-                    Feststellungsverfahrens werden nur von Mit-
fahren wird geprüft, inwieweit sonderpäd-                   arbeitern im Mobilen Sonderpädagogischen
agogischer Förderbedarf besteht oder nicht.                 Dienst im Team zur Qualitätssicherung bei der
Besucht der Schüler bereits die Schule,                     sonderpädagogischen Begutachtung durch-
werden durch den Mitarbeiter im Mobilen Son-                geführt. Diese sind entsprechend für die kor-
derpädagogischen Dienst im Gemeinsamen                      rekte Durchführung der Testverfahren und der
Unterricht „der aktuelle Entwicklungs- und                  Interpretation der Ergebnisse qualifiziert. Im
Leitungsstand der Kinder und Jugendlichen                   sonderpädagogischen Feststellungsverfahren
sowie die lern- und entwicklungsfördernden                  sind für den Förderschwerpunkt geistige Ent-
                                                            wicklung sowie bei gravierenden Verhaltens-
7    Vernooij, M.: Thüringer Konzept zur Qualitätssiche-    schwierigkeiten bzw. -störungen Mitarbeiter
     rung bei der Begutachtung in den sonderpädagogi-       des schulpsychologischen Dienstes in die Dia-
     schen Förderschwerpunkten im Bereich des Lern- und     gnostik einzubeziehen.
     Leistungsverhaltens, im Bereich der Sprache und im
     Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung,
     hrsg. vom Thüringer Ministerium für Bildung, Wissen-
     schaft und Kultur, Erfurt 2013.                        8    ThürSoFöV; § 5 Abs. 4.

10                                                                                          Handreichung
Wird sonderpädagogischer Förderbedarf fest-      3.2 Steuergruppen zur
gestellt, sind im sonderpädagogischen Gut-           Weiterentwicklung
achten entsprechende Förderempfehlungen
und Aussagen zu den notwendigen perso-
                                                     der Förderzentren
nellen, räumlichen/sächlichen Bedingungen            und des Gemeinsamen
zu treffen sowie Lernortempfehlungen zu              Unterrichts (WFG)
formulieren. Auf der Grundlage der erstellten
sonderpädagogischen Gutachten finden in          Anfang 2008 wurde in jedem Staatlichen
den Landkreisen und kreisfreien Städten Bera-    Schulamt eine Steuergruppe für die „Wei-
tungen in den „Steuergruppen zur Weiterent-      terentwicklung der Förderzentren und des
wicklung der Förderzentren und des Gemein-       Gemeinsamen Unterrichts (WFG)“ gebildet.
samen Unterrichts (WFG)“ statt. Im Ergebnis      Im Schuljahr 2011/2012 wurden diese Steu-
der WFG-Beratung kann (als Abschluss des         ergruppen regionalisiert, nunmehr arbeitet
Feststellungsverfahrens) im sonderpädago-        in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien
gischen Gutachten die Lernortentscheidung        Stadt Thüringens eine Steuergruppe WFG unter
fixiert werden.                                  der Leitung der Staatlichen Schulämter. Die
                                                 ämter- und professionsübergreifende Zusam-
„Das sonderpädagogische Gutachten wird den       menarbeit von Vertretern der Schul-, Schul-
Eltern ausgehändigt und mit ihnen bespro-        verwaltungs-, Sozial- und Jugendämter in den
chen. Dabei sind die Eltern über die weitere     Steuergruppen WFG erfolgt in dienstlichem
Förderung des Kindes oder Jugendlichen zu        Interesse. Ziele der Zusammenarbeit in den
beraten.“9 Stimmen die Personensorgeberech-      Steuergruppen WFG sind
tigten der Lernortentscheidung nicht zu, wird
die Aufnahmekommission einberufen.                ▸▸ die Weiterentwicklung des Gemeinsamen
                                                     Unterrichts und der Förderzentren,
Im Weiteren wird das „sonderpädagogische
Gutachten Grundlage der sonderpädagogi-           ▸▸ die Unterstützung bei der Entwicklung
schen Förderung; es wird jährlich zum Schul-         individueller Lösungen für den Gemein-
jahresende vom jeweiligen Förderpädagogen,           samen Unterricht,
beim Gemeinsamen Unterricht in Zusammenar-
beit mit dem Klassenlehrer fortgeschrieben.“10    ▸▸ Einzelfallbesprechungen auf der Grund-
Bei der Gutachtenfortschreibung ist zunächst         lage der sonderpädagogischen Gutachten
zu prüfen, ob auch weiterhin sonderpädagogi-         gemäß § 1 Abs. 2 ThürFSG,11
scher Förderbedarf besteht. Deshalb sind auch
Aussagen über Wirksamkeit und Effizienz der       ▸▸ die Weiterentwicklung der räumlichen,
bisher durchgeführten Fördermaßnahmen zu             sächlichen und personellen Rahmenbe-
treffen und Förderempfehlungen für die wei-          dingungen,
tere Entwicklung des Schülers zu formulieren.
Bei vermutetem Bildungsgangwechsel in den         ▸▸ die Sicherung der Fachlichkeit bei der son-
Bildungsgang Lernförderung oder den Bil-             derpädagogischen Förderung im Gemein-
dungsgang individuelle Lebensbewältigung im          samen Unterricht sowie
Rahmen der Gutachtenfortschreibung werden
Mitarbeiter im Mobilen Sonderpädagogischen        ▸▸ die Entwicklung von Verfahrenswegen bei
Dienst im Team zur Qualitätssicherung bei            der Gestaltung von Übergängen.
der sonderpädagogischen Begutachtung zur
Sicherung der Qualität bei der Fortschreibung    Aus dieser Zielstellung ergeben sich zwingend
der Gutachten einbezogen.                        notwendige Kooperationen insbesondere zwi-
                                                 schen folgenden Gremien:

                                                  ▸▸ Schulträger,
                                                  ▸▸ Schulverwaltungsamt,
                                                 11 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf
9 ThürSoFöV, § 6 Abs. 2.                            lernen soweit wie möglich im Gemeinsamen Unter-
10 ThürSoFöV § 6 Abs. 1.                            richt.

für den Gemeinsamen Unterricht                                                                  11
▸▸   Jugendamt,                                           ▸▸ die Vermittlung fundierten diagnostischen
 ▸▸   Sozialamt,                                              Fachwissens als Voraussetzung für dia-
 ▸▸   Gesundheitsamt,                                         gnostische Kompetenz,
 ▸▸   Schulamt
 ▸▸   Förderzentren.                                       ▸▸ die Vereinheitlichung und damit Vergleich-
                                                              barkeit der Sonderpädagogischen Begut-
Unter Federführung des Staatlichen Schul-                     achtung in Thüringen durch die verbind-
amtes werden diese Institutionen in die                       liche Festlegung bestimmter, standardi-
Arbeit der Steuergruppe WFG einbezogen. Bei                   sierter Testverfahren für unterschiedliche
Einzelfallberatungen auf der Grundlage son-                   zu überprüfende Bereiche,
derpädagogischer Gutachten können zu den
Beratungen der Steuergruppen WFG weitere                   ▸▸ die Systematisierung und Formalisierung
Sachverständige herangezogen werden, z. B.                    des Gutachtenprozesses; die Entwicklung
Vertreter der überregionalen Förderzentren,                   von Formblättern (z. B. Bedarfsprofil-
Fachberater, Mitarbeiter im schulpsychologi-                  bogen, Beobachtungsbögen),
schen Dienst usw.
                                                           ▸▸ die Erstellung von Kriterien für eine präzise
Mit der Steuergruppe WFG existiert in allen                   Formulierung von Ausprägungsgraden des
Kreisen und kreisfreien Städten Thüringens                    Förderbedarfs, von einfachem pädagogi-
nun flächendeckend ein ämter- und professi-                   schem bis hin zu komplexem sonderpä-
onsübergreifendes Gremium, das Raum gibt                      dagogischem Förderbedarf.
für die Koordinierung von Abstimmungspro-
zessen. Alle Sozial- und Jugendhilfeträger vor            Mit diesem Diagnostikkonzept können Bedarf-
Ort sind im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflicht             sprofile erarbeitet werden, die den konkreten
zur Zusammenarbeit mit Schulen und Schul-                 Unterstützungsbedarf für einzelne Schüler ziel-
verwaltung aufgefordert, gemeinsam mit den                genau beschreiben und Grundlage für Empfeh-
Schulen auf die Entwicklung angemessener                  lungen zur sonderpädagogischen Förderung
Vorkehrungen hinzuwirken.                                 sowie für die Entwicklung des entsprechenden
                                                          Förderplans sind.

                                                          Diagnostik und Förderung werden hier als zwei
3.3 Sonderpädagogische                                    Prozesse beschrieben, die untrennbar mit-
    Diagnostik                                            einander verknüpft sind. Demnach impliziert
                                                          sonderpädagogische Diagnostik zwei Teilpro-
Für die sonderpädagogischen Förderschwer-                 zesse:
punkte Lernen, emotionale und soziale Ent-
wicklung sowie Sprache im Bereich der Grund-               ▸▸ die zu Beginn des diagnostischen Pro-
schule liegt seit Februar 2013 ein Konzept zur                zesses durchzuführende Basisdiagnostik
Qualitätssicherung der Diagnostik und Förde-                  zur Erstellung eines differenzierten
rung vor.12                                                   Bedarfsprofils sowie

Wesentliche Aspekte des Konzeptes sind:                    ▸▸ die im Verlauf der Förderung notwendige
                                                              Prozessdiagnostik zur kontinuierlichen
 ▸▸ die Sicherstellung einer qualifizierten und               Überprüfung der Effektivität der Förder-
    professionellen Diagnostik als Basis für                  maßnahmen.
    die individuell-spezifische Förderung von
    Kindern in der Schuleingangsphase,                    Das Diagnostikkonzept unterstützt die päda-
                                                          gogische Arbeit in heterogenen Lerngruppen,
12 Vernooij, M.: Thüringer Konzept zur Qualitätssiche-    denn in heterogenen Lerngruppen finden
   rung bei der Begutachtung in den sonderpädagogi-       sich unterschiedliche Ausprägungsgrade von
   schen Förderschwerpunkten im Bereich des Lern- und     besonderem pädagogischem bzw. sonder-
   Leistungsverhaltens, im Bereich der Sprache und im
   Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung,
                                                          pädagogischem Förderbedarf bei Schülern,
   hrsg. vom Thüringer Ministerium für Bildung, Wissen-   wobei in der Regel die Mehrzahl der Schüler
   schaft und Kultur, Erfurt 2013.

12                                                                                      Handreichung
einer Klasse keiner zusätzlichen Förderung              Der Förderplan beschreibt z. B.,
bedarf.13
                                                         ▸▸ welche konkreten Entwicklungs- bzw.
                                                            Lernziele erreicht werden sollen,

3.4 Förderplanung im                                     ▸▸ welche schulorganisatorischen Verände-
    Gemeinsamen Unterricht                                  rungen notwendig sind, um die Entwick-
                                                            lung des Schülers zu unterstützen,
Die Verantwortung für die Erstellung von indi-
viduellen Förderplänen (bei besonderen Lern-             ▸▸ konkrete Fördermaßnahmen und ihre
schwierigkeiten im Sinne des pädagogischen                  Umsetzung im schulischen Alltag.
Förderbedarfs sowie bei sonderpädagogi-
schem Förderbedarf) liegt beim Klassenlehrer,           Der Förderplan ist ein wichtiges Instrument für
wobei die inhaltliche Aufbereitung unter Ein-           das Qualitätsmanagement pädagogischer Pro-
beziehung aller am pädagogischen Prozess                zesse. Er dient als Grundlage
beteiligten Professionen erfolgen muss.14 Auf
der Grundlage von gemeinsamen Team-, Fach-               ▸▸ für den Austausch im Pädagogen-Team,
oder Klassenkonferenzen wirken alle betei-
ligten schulischen Kräfte (z. B. Fachlehrer,             ▸▸ für die Vorbereitung, Gestaltung und Refle-
Förderpädagogen, Erzieher u. a.) sowie ggf.                 xion von Unterricht im Team,
außerschulische Kooperationspartner (Schul-
sozialarbeiter, Schulbegleiter, Logopäden,               ▸▸ zur Vorbereitung von Gesprächen mit wei-
Ergotherapeuten, u. a.) aktiv an der Erstellung             teren schulischen und außerschulischen
bzw. der Umsetzung des Förderplans mit. Die                 Kooperationspartnern sowie
Besprechung des Förderplanes mit den Eltern
obliegt dem Klassenlehrer, wobei der Förder-             ▸▸ für das Gespräch mit den Eltern.
pädagoge beratend vom Klassenlehrer hinzu-
gezogen wird.                                           Beim Erstellen eines Förderplanes sind fol-
                                                        gende Fragen zu beantworten:
Das Erstellen eines pädagogischen oder son-
derpädagogischen Förderplans ist keine abge-             ▸▸ Wo liegen die Stärken und Aktivitäten des
schlossene Aufgabe. Denn der Förderplan ist                 Schülers?
ein Entwicklungsbegleiter innerhalb des indi-
viduellen Förderprozesses. Unter Berücksich-             ▸▸ Was kann er als Nächstes lernen?
tigung der aktuellen Lernausgangslage wird
er mindestens halbjährlich überprüft und fort-           ▸▸ Welche Förderansätze (vgl. sonderpäd-
geschrieben. Dabei wird analysiert, inwieweit               agogisches Gutachten) bezogen auf den
die Förderziele erreicht wurden und welche der              gegenwärtigen Entwicklungsstand des
ein­gesetzten Förderangebote hilfreich waren.               Schülers ergeben sich daraus?
Eine Weiterentwicklung oder eine Modifizie-
rung des Förderplans ist je nach Bedarf vorzu-           ▸▸ Welche weiteren Lernangebote können
nehmen.                                                     anschlussfähig und hilfreich sein, damit
                                                            der Schüler in seiner Entwicklung voran-
                                                            kommen kann?

                                                         ▸▸ Wie ist der jetzige Lerngegenstand struktu-
                                                            riert und wie kann das Thema des Unter-
13 Ausprägungsgrade von pädagogischem und sonder-           richts für die heterogene Lerngruppe auf-
   pädagogischem Förderbedarf und Art der Diagnostik        bereitet werden?
   (siehe Anlage 2).
14 Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft       ▸▸ Wem kommt bei der Umsetzung der För-
   und Kultur: Fachliche Empfehlung zu Fördermaß-
   nahmen für Kinder und Jugendliche mit besonderen
                                                            dermaßnahmen welche Aufgabe zu?
   Lernschwierigkeiten in allgemein bildenden Schulen
   (außer Förderschule) in Thüringen, Erfurt 2008.

für den Gemeinsamen Unterricht                                                                      13
Fördermaßnahmen                                   Fachorientierte Fördermaßnahmen

Die Fördermaßnahmen im Einzelnen ergeben           ▸▸ dienen der Sicherung und Festigung fach-
sich aus dem sonderpädagogischen Gut-                 spezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten,
achten, in dem die Förderansätze beschrieben
sind und werden im Förderplan präzisiert.          ▸▸ umfassen die Vorbereitung auf und die
                                                      Begleitung der Schüler während des Unter-
Fördermaßnamen                                        richts durch individuelle und differenzierte
                                                      Hilfestellungen,
 ▸▸ sind zielgerichtete, zeitlich begrenzte,
    ergänzende pädagogische oder sonder-           ▸▸ ermöglichen differenzierte Zugänge zu
    pädagogische Maßnahmen zur Entwick-               unterschiedlichen Lerninhalten,
    lungsförderung des Schülers im Kontext
    der sozialen Gruppe,                           ▸▸ bieten vielfältige Übungs- und Anwen-
                                                      dungssituationen,
 ▸▸ beeinflussen sich in den einzelnen Berei-
    chen wechselseitig und müssen deshalb          ▸▸ berücksichtigen das Potenzial des ein-
    ganzheitlich realisiert werden,                   zelnen Schülers und unterstützen ihn
                                                      dabei, die im Förderplan formulierten indi-
 ▸▸ richten sich nach den Erfordernissen des          viduellen Lernziele zu erreichen.
    individuellen Förderbedarfs/Förderplans,
    der auf der Grundlage von gezielten
    Beobachten und Dokumentieren fortge-          Fachunabhängige Fördermaßnahmen
    schrieben wird,
                                                   ▸▸ umfassen die Förderbereiche Sensorik,
 ▸▸ können in unterschiedlichen Organisa-             Motorik,   Kognition,    Kommunikation,
    tionsformen gestaltet werden, wie z. B.           Lern- und Arbeitsverhalten, Motivation,
    Projektarbeit, Freiarbeit, kurze Trainings-       Emotionalität und Sozialverhalten auf der
    sequenzen.                                        Grundlage des Förderplans,

 ▸▸ sind ein integrierter Bestandteil innerhalb    ▸▸ werden realisiert über freie Angebote für
    der Ganztagsförderung und der Stunden-            entsprechende Förderschwerpunkte mit
    tafel.                                            dem Ziel, an die individuellen Fähigkeiten
                                                      und Neigungen des Schülers anzuknüpfen
Ansätze für sonderpädagogische Fördermaß-             und ihn in seiner Weiterentwicklung zu
nahmen ergeben sich aus den sonderpädago-             unterstützen (Zone der nächsten Entwick-
gischen Gutachten.                                    lung)

                                                   ▸▸ sind kein Selbstzweck, sondern an die
Schülerbezogene Fördermaßnahmen                       für alle Schüler verbindlichen Lerngegen-
                                                      stände und Themen anschlussfähig.
Schülerbezogenen Fördermaßnahmen können
unterschieden werden nach fachorientierten
und nach fachunabhängigen Fördermaß-              Systembezogene Fördermaßnahmen
nahmen, die als Einzelförderung, in Klein-
gruppen sowie in Klassen und klassenübergrei-     Systembezogene Fördermaßnahmen nehmen
fenden Gruppen durchgeführt werden können.        die Lernumgebung des Schülers und die Lern-
Sie sind so zu planen und durchzuführen, dass     situation in den Blick, und zwar im Hinblick
sie nicht diskriminierend wirken (z. B. durch     auf:
die Isolation einzelner Schüler von der Gruppe
der Gleichaltrigen) und die soziale Eingebun-      ▸▸ das pädagogische Zeitmanagement,
denheit in die Gruppe unterstützen.
                                                   ▸▸ die didaktisch-methodische Gestaltung
                                                      des Unterrichts,

14                                                                             Handreichung
▸▸ die didaktische Aufbereitung des Lernge-         Schulen nicht ihren Möglichkeiten entspre-
    genstandes,                                      chend gefördert werden können.“16

 ▸▸ die Bereitstellung von geeigneten Lern-          Nach neuerem Verständnis beschreiben
    und Arbeitsmaterialien,                          Begriffe wie „Lernbehinderung“ bzw. sonder-
                                                     pädagogischer Förderbedarf im Förderschwer-
 ▸▸ die Kooperationsmöglichkeiten in der             punkt „Lernen“ eine mangelnde Passung zwi-
    Lerngruppe, d                                    schen den Handlungs- und Lernmöglichkeiten
                                                     eines Kindes und den Anforderungen der
 ▸▸ die Qualität der Beziehungen in der Lern-        Schule, wobei die Ursachen hierfür vielfältig
    gruppe,                                          sein können. Schüler mit sonderpädagogi-
                                                     schem Förderbedarf Lernen werden auf der
 ▸▸ die Stundenplanung,                              Grundlage des Bildungsganges Lernförderung
                                                     unterrichtet und bewertet.
 ▸▸ die Rhythmisierung des Schulalltags,
                                                     Sonderpädagogischer    Förderbedarf      im
 ▸▸ die Einrichtung des Klassenraumes.               Schwerpunkt Lernen kann festgestellt werden
                                                     bei einem Schüler mit
 ▸▸ die Verantwortungsübernahme von Schü-
    lern für den eigenen Lernprozess usw.             ▸▸ gravierendem Rückstand der Lernentwick-
                                                         lung in mehreren Schulfächern (kann nach
Insgesamt gibt es eine Vielzahl von Möglich-             Alter bzw. bisher absolviertem Schulbe-
keiten, die individuelle Entwicklung einzelner           such zwischen mehr als einem und bis zu
Schüler zu unterstützen. Sie zielen nicht nur            drei Jahren variieren);
auf den Einzelschüler ab, sondern nehmen die
gesamte Lerngruppe sowie die Lernsituation            ▸▸ erheblichem Unterstützungsbedarf beim
für alle Schüler in den Blick.                           Aufbau eines für das schulische Lernen
                                                         angemessenen Lern- und Leistungsver-
                                                         haltens sowie beim Erwerb grundlegender
                                                         kognitiver Strukturen.
3.5 Sonderpädagogische
    Förderschwerpunkte15                             Die sprachliche Entwicklung und die Entwick-
                                                     lung des Arbeits- und Sozialverhaltens sind
Der möglichst präzisen Beschreibung des indi-        bei der Überprüfung des Förderbedarfs sowie
viduellen Förderbedarfs kommt im Rahmen der          bei der Planung und Umsetzung der sonder-
Diagnostik, Förderplanung und Gutachtener-           pädagogischen Förderung angemessen zu
stellung sowie Gutachtenfortschreibung eine          berücksichtigen.
besondere Bedeutung zu.
                                                     Folgende Fragestellungen sind im Rahmen von
                                                     Förderplanung bzw. Gutachtenerstellung zu
Förderschwerpunkt Lernen                             klären:

Gemäß den Empfehlungen der Kultusmini-                ▸▸ Ist ein Förderbedarf Lernen zuverlässig
sterkonferenz (KMK) zum Förderschwerpunkt                als erheblicher Unterstützungsbedarf im
„Lernen“ besteht sonderpädagogischer För-                Sinne von schwerwiegend, umfänglich
derbedarf in diesem Förderschwerpunkt bei                und langdauernd zu beschreiben?
Kindern und Jugendlichen, „die in ihrer Lern-
und Leistungsentwicklung so erheblichen               ▸▸ Wie sind die individuellen Bedingungen
Beeinträchtigungen unterliegen, dass sie auch            im Bereich der Entwicklung der kognitiven
mit zusätzlichen Lernhilfen der allgemeinen
                                                     16 KMK, Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultus-
15 Angelehnt an: Hamburg, Behörde für Schule und        minister der Länder in der Bundesrepublik Deutsch-
   Berufsbildung: Handreichung zur sonderpädagogi-      land: „Empfehlungen zu den sonderpädagogischen
   schen Förderung, Hamburg 2012.                       Förderschwerpunkten“ (1998 ff.).

für den Gemeinsamen Unterricht                                                                           15
Kompetenzen strukturell bzw. qualitativ zu   pädagogischer Förderbedarf ist zu vermuten
     beschreiben?                                 bei Schülern, die wegen einer erheblichen
                                                  Sprachbehinderung ihre Fähigkeiten und
 ▸▸ Wie lässt sich der Förderbedarf Lernen        Anlagen in der Schule ohne diese Förderung
    ggf. gegenüber Förderbedarfen in anderen      nicht angemessen entwickeln können sowie
    Bereichen (z. B. geistige Entwicklung,        bei Schülern mit Sprach-, Sprech- und Stimm-
    emotionale und soziale Entwicklung)           störungen.
    abgrenzen und im Förderplan bzw. Gut-
    achten angemessen verdeutlichen?              Das Hauptaugenmerk der sonderpädago-
                                                  gischen Förderung im Förderschwerpunkt
 ▸▸ Welche speziellen Förderangebote müssen       Sprache liegt vorrangig im vorschulischen
    für diese Schülerin und diesen Schüler        Bereich und in den ersten Schuljahren, da
    vorgehalten werden?                           schulisches Lernen auf Sprache aufbaut.
                                                  Schüler mit dem sonderpädagogischem För-
Bestandteile der sonderpädagogischen Förde-       derbedarf Sprache werden in der Regel nach
rung in diesem Förderschwerpunkt sind insbe-      den Lehrplänen der Grund- und weiterfüh-
sondere                                           renden Schule unterrichtet.

 ▸▸ die Erschließung und Entwicklung indi-        Sonderpädagogischer     Förderbedarf     im
    vidueller Wege zur Ermöglichung der           Schwerpunkt Sprache besteht, wenn bei einem
    Aufnahme, der Verarbeitung und der han-       Schüler
    delnden bzw. sprachlichen Durchdringung
    von Bildungsinhalten,                          ▸▸ erheblicher Unterstützungsbedarf beim
                                                      Aufbau und der Nutzung sprachlicher
 ▸▸ die Vermittlung von Lern- und Leistungs-          Handlungskompetenz festgestellt wird,
    erfolgen durch individuelle Lernunterstüt-
    zung,                                          ▸▸ durch individuelle unterrichtliche Unter-
                                                      stützung oder zeitlich begrenzte Sprach-
 ▸▸ die individuelle Stärkung des Selbstver-          fördermaßnahmen nicht hinreichend
    trauens, der Leistungsbereitschaft, des           pädagogische Unterstützung geleistet
    Durchhaltevermögens und der Belastbar-            werden kann.
    keit,
                                                  Folgende Fragestellungen sind im Rahmen von
 ▸▸ die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit      Förderplanung bzw. Gutachtenerstellung zu
    mit dem Ziel der Erlangung größtmöglicher     klären:
    Selbständigkeit in der Gesellschaft und im
    Arbeitsleben.                                  ▸▸ Werden in der Beschreibung des Förder-
                                                      bedarfs Sprache die verschiedenen Spra-
                                                      chebenen angemessen berücksichtigt und
Förderschwerpunkt Sprache                             beurteilt?

Nach den Empfehlungen der Kultusminister-          ▸▸ Wird eine ggf. vorliegende Beeinträchti-
konferenz ist „sonderpädagogischer Förder-            gung der kommunikativen Funktion von
bedarf im sprachlichen Handeln bei Schü-              Sprache qualitativ bzw. strukturell ange-
lerinnen und Schülern anzunehmen, die in              messen beschrieben?
ihren Bildungs-, Lern- und Entwicklungsmög-
lichkeiten hinsichtlich des Spracherwerbs,         ▸▸ Wie lässt sich der ermittelte Förderbedarf
des sinnhaften Sprachgebrauchs und der                gegenüber einer Teilleistungsstörung
Sprechtätigkeit so beeinträchtigt sind, dass          (z. B. von Lese-Rechtschreibschwäche)
sie im Unterricht der allgemeinen Schule ohne         abgrenzen?
sonderpädagogische Unterstützung nicht hin-
reichend gefördert werden können.“17 Sonder-       ▸▸ Wie wird im Förderplan bzw. Gutachten
                                                      eine Abgrenzung des festgestellten Förder-
17 Ebd.                                               bedarfs Sprache gegenüber anderen ggf.

16                                                                            Handreichung
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