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phpublico Fachzeitschrift für Bildung und Erziehung April 2021 0 Gewalt und 7 Gewaltprävention Lukas Pallitsch Elisabeth Muik & Florian Wallner Sabrina Schrammel Margarethe Eva Koncki-Polt Martin A. Hainz Anna Hofrichter, Georg Neumann & Barbara Winkler Andrea Böhme & Markus Neuhold
Impressum phpublico | Heft 7 | April 2021 Herausgeber_innen: Sabine Weisz, Inge Strobl-Zuchtriegl, Herbert Gabriel Verlag und Erscheinungsort: E. Weber Verlag GmbH, 7000 Eisenstadt Druck: druck.at, 2544 Leobersdorf ISBN: 978-3-85253-697-2 Redaktionsteam: Herbert Gabriel, Martin A. Hainz, Stefan Meller, Claudia Schneider, Sabrina Schrammel, Andrea Weinhandl, Alexander Zimmermann Kontakt und Korrespondenzadresse: calls.phpublico@ph-burgenland.at Satz & Layout: Stefan Meller Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren. Pädagogische Hochschule Burgenland Institut für Forschungsentwicklung und Multiprofessionalisierung Thomas-Alva-Edison-Straße 1, 7000 Eisenstadt
Inhaltsverzeichnis Martin A. Hainz Editorial 5 Aus der Wissenschaft Lukas Pallitsch „[S]o muß die Schule den natürlichen Menschen zerbrechen, besiegen und gewaltsam einschränken.“ Missbrauchte Verantwortung um 1900 und 2000 7 Elisabeth Muik & Florian Wallner Gewalt- und Mobbingprävention an Schulen: Ansatzpunkte, Evidenzen und die Umsetzung in die Praxis entlang des Projektes „Schulklima 4.0 - Schlüssel zur Prävention“ 15 Sabrina Schrammel Qualitative Implementierungsstudie zur kooperativen Entwicklungsarbeit 21 Margarethe Eva Koncki-Polt Anregungen aus der Praxis zu Gewaltprävention an Schulen, dargestellt entlang der Nationalen Strategie zur Gewaltprävention des BMBWF bzw. der Charta der Schulpsychologie des BMBWF 26 Martin A. Hainz Kinderrechte ohne Kinderrechtssubjekt? 31 Aus der pädagogischen Praxis Anna Hofrichter, Georg Neumann & Barbara Winkler Der Schulhund – ein bisher unerkanntes Potential in der Mobbingprävention 36 Andrea Böhme & Markus Neuhold Sozialtrainings – Schulentwicklungsprozesse und Instrumente mit Mehrwert 48 Autor_innenverzeichnis 56
Editorial Hainz Martin A. Hainz Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser! Gewalt gehört zu den düsteren Kapiteln des päda- präsentiert im Anschluss Sabrina Schrammel, die gogischen Alltags – sie ist in der Schule und den er- auch die Schriftleitung für diese Ausgabe übernom- zieherischen Institutionen allgegenwärtig, und zwar men hat. schon deshalb, weil sie rund um diese omnipräsent ist. In den Medien wird sie nicht selten als Lösung Ihr Beitrag schildert, wie die Evaluation des Pro- angeboten, sie prägt auch den Umgang in mancher zesses vorgenommen wird und zur Optimierung Familie. Und in der Vergangenheit war sie auch im angesichts der bestehenden Herausforderungen und schulischen Kontext ein Mittel der Disziplinierung, Stolpersteine, mit denen die beteiligten Akteur_in- also dort, wo heute ein Ort der Gegenmodelle hier- nen im Zuge ihrer Entwicklungsarbeit konfrontiert zu ist und wo ferner Gewaltprävention zur Praxis sind, in den kommenden Monaten das empirische gehört und gehören soll. Heft #7 von phpublico Forschungsdesign ausgearbeitet wird. nimmt sich dieses schwierigen Themas darum an. Margarethe Eva Koncki-Polts Anregungen aus der Eröffnet wird die Ausgabe mit einem Blick zurück: Praxis zu Gewaltprävention an Schulen, dargestellt auf die Gewalt als einstmals konstitutive Praxis von entlang der Nationalen Strategie zur Gewaltpräven- Schule. Literatur als eine Praxis des Protokollierens, tion des BMBWF bzw. der Charta der Schulpsy- die Gewalt nicht mehr nur ausübt, sondern auch re- chologie des BMBWF, sind ein weiterer Beitrag zu gistriert und klagbar macht, ist in Lukas Pallitschs Maßnahmen, die in der Schule der Gewaltpräven- Aufsatz das Gegenmodell: An Texten bis in die tion dienen können. Gegenwart, von Hesse bis Haslinger, werden Struk- turen, Rhetorik und Gebrauchsformen von Gewalt Diesen Teil des Heftes beschließen Martin A. aufgezeigt. Hainz‘ Überlegungen zum Begriff der Kinderrechte: Der Begriff impliziert, dass es auch ein Rechtssub- Das Projekt „Schulklima 4.0 – Schlüssel zur Prä- jekt geben muss, während diese Rechte gerade dem vention“, ein Pilotprojekt der Pädagogischen Hoch- Rechnung tragen müssten, dass Kinder das, was sie schule Burgenland, das in Kooperation mit der Bil- als Rechte haben sollen, nicht selbst einklagen und dungsdirektion für das Burgenland durchgeführt verteidigen können – eine Unstimmigkeit, die wie und im Rahmen der Initiative Wohlfühlzone Schule ihre Folgen und dann Anforderungen diskutiert des Fonds Gesundes Österreich gefördert wird, wird wird. im Anschluss daran vorgestellt – best practise von heute im Kontrast zur worst practise von einst. Im Aus der Praxis berichtet der Beitrag zum Schulhund Rahmen von systematisch und kooperativ ange- und seinem Potential in der Mobbingprävention, legten Schulentwicklungsprojekten werden gezielt worin Anna Hofrichter, Georg Neumann und standortspezifische Ressourcen, Kompetenzen und Barbara Winkler die viele positiven Auswirkungen bereits vorhandene Maßnahmen als Basis für Ent- beschreiben, die der Einsatz von Schulhunden in wicklungsprozesse genutzt, die der Gewalt im Le- eigens konzeptualisierten Mobbingpräventionspro- ben der Schüler_innen entgegenwirken. Das Pro- grammen zeigt. jekt stellen Elisabeth Muik und Florian Wallner vor; die qualitative Implementierungsstudie hierzu 5
Editorial Hainz Andrea Böhme und Markus Neuhold führen schließlich in die vielfältigen schulspezifischen An- gebote und Maßnahme zur Förderung und Stär- kung von Persönlichkeitsbildung wie auch der So- zial- und Selbstkompetenz der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium Oberpullendorf ein: auch dies bedeutsame präventive Maßnahmen gegen Ge- walt am Schulstandort. 6
Aus der Wissenschaft Pallitsch Lukas Pallitsch „[S]o muß die Schule den natürlichen Menschen zerbrechen, besiegen und gewaltsam einschränken.“ Missbrauchte Verantwortung um 1900 und 2000 Hintergrund dieses Beitrags sind die Gewalt- und Missbrauchsverbrechen in Internaten. Dabei wird gezeigt, dass sich der ursprünglich als Schutzort der Kindheit begriffene Raum von Anfang an als am- bivalent und damit problematisch erwiesen hat. Entlang dreier autobiographisch gefärbter Texte, die an den beiden Jahrhundertschwellen um 1900 und 2000 verfasst wurden, sollen Strukturen, Rhetorik und Gebrauchsformen von Gewalt aufgezeigt werden. 1 Schutzraum Kindheit Leben der Erwachsenen abzuschotten“ (Giuriato 2018, S. 9). Durch die institutionelle Festigung eines Der Mythos von Kindheit und Jugend schließt das solchen Raumes entwickelt sich die Welt der Schu- Schulleben ein. Was heute gemeinhin als Kindheit le und des Internats. Die räumliche Isolierung der bezeichnet wird, zählt keineswegs zu den anthropo- Kinder kann als Schutzzone beschrieben werden, ex logischen Universalien, sondern hat sich als Vorstel- negativo jedoch als Anstoß zur „Abkapselung von lung in der westlichen Gesellschaft erst entwickelt. der Gesellschaft“ (Kaufmann 1980, S. 763). So be- Erst im Anschluss an die Formation des bürger- sehen muss die Errichtung eines solchen Raumes lichen Subjekts und die Herausbildung des klein- stets unter einem höchst ambivalenten Aspekt be- bürgerlichen Familienbundes kann, so schreibt es trachtet werden, zum einen als Akt gesteigerter Be- der Mentalitätshistoriker Philippe Ariès in seiner achtung und Zuneigung, zum anderen als Form des vielbeachteten Studie Geschichte der Kindheit, von Abstandnehmens oder gar als Abschottung. In der- der „Entdeckung der Kindheit“ (Ariès 2003, S. 92) selben Weise, in der sich diese Einrichtungen his- gesprochen werden. Im 18. Jahrhundert kommt es torisch als Räume der Freiheit etablieren konnten, in der Wahrnehmung zu einem Paradigmenwech- um dem Individuum Möglichkeiten zur Entfaltung sel, weil das Kind nicht mehr weiter als „junger zu bieten, wurden diese Räume als Orte der Macht Erwachsener“ (Ariès 2003, S. 46) wahrgenommen und ihres Missbrauchs verwaltet. wird. Fortan wird zwischen Kindern und Erwach- senen eine Differenzlinie eingezogen, die hinsicht- Dieser Beitrag geht von der Annahme aus, dass dort, lich der Wahrnehmung der Kinder einen anderen wo Räume abgeschlossen, ausgelagert oder gar opak emotionalen Zugang erforderlich macht. werden, der Blick über oder gar in das System fehlt. Im Folgenden wird zunächst (2) die Frage nach sub- Die Sorge um das Kind befördert im Ausgang des 18. tilen Mechanismen der Gewalt in Hermann Hesses Jahrhunderts einen breiten Diskurs, der nicht nur Unterm Rad als paradigmatischer Erzähltext der innerhalb der Pädagogik, sondern auch von so un- Zeit um 1900 erörtert, bevor vor dem Hintergrund terschiedlichen Disziplinen wie der Anthropologie, der Missbrauchsskandale in Österreich um 2000 Ökonomie und Bildungspolitik geführt wird. Mit der Blick auf die beiden autobiographischen Texte zunehmender Sorge verändert sich in der Folge die (3) von Wolfgang Treitler und (4) Josef Haslinger Semantik der Kindheit, da nun von einem „Schon- gelenkt wird. Abschließend soll (5) nach einem und Schutzraum“ die Rede ist, „um das Kind zum knappen Fazit ein Ausblick gewagt werden. Zwecke der Erziehung und Ausbildung vom harten 7
Aus der Wissenschaft Pallitsch 2 Missbrauchte Kindheit I: Unterm Rad mit, falls er sich wohl verhielt, bis an sein Le- (Hermann Hesse) bensende staatlich versorgt und untergebracht. [...] Viel ernster und beweglicher kam ihnen Hermann Hesse fokussiert in seinem Roman Un- der Augenblick vor, da sie von Vater und Mut- term Rad (1906) auf das Schicksal des Schülers ter Abschied nehmen mußten. Teils zu Fuß, teils Hans Giebenrath. Bei dem Protagonisten handelt im Postwagen, teils in allerlei in der Eile erwisch- es sich um ein „begabtes Kind; es genügte ihn an- ten Fahrzeugen entschwanden diese dem Blick zusehen, wie fein und abgesondert er zwischen den der zurückgelassenen Söhne“ (Hesse 2004, S. andern herumlief.“ (Hesse 2004, S. 8) Allerdings 61f ). fügt sich die Geschichte des Zöglings nicht in den Typus einer klassischen Heldengeschichte, viel- In dem gesamten vom Erzähler beschriebenen Set- mehr werden auf der Folie des negativen Bildungs- ting ist der rituelle Charakter, verstanden als „regu- romans die Abgründe eines geschlossenen Systems lierte, sequentialisierte, also in sich strukturierte, beschrieben. Letztlich führt der äußere Antrieb von einer Gemeinschaft bzw. für eine Gemeinschaft überehrgeiziger Vormünder soweit, dass diese den vollzogene Handlung“ (Braungart 2016, S. 427), Nährboden für einen Schülersuizid bereiten. Man ganz unverkennbar. Damit ist dem Einbindungsakt wird im Roman vergeblich nach starken physischen eine rituelle Verlaufsform inhärent, wie sie Arnold Gewalteinflüssen suchen, denn die Motive für die van Gennep in seiner Studie Les Rites de passage be- Tragik des Suizids liegen in der pädagogischen Ins- schrieben hat (vgl. Gennep 2005, S. 22): „Wer beim trumentalisierung von Disziplinierungsmechanis- Eintritt ins Klosterseminar noch eine Mutter gehabt men, die überdies in einer geschlossenen Lehran- hat, denkt zeitlebens an jene Tage mit Dankbarkeit stalt vollzogen werden. Umso befremdender dürfte und lächelnder Rührung.“ (Hesse 2004, S. 55) Weiß am Ende der Erzählung bei den Rezipient_innen der Zögling zu diesem Zeitpunkt noch nicht voll- der Eindruck sein, dass die schulischen Vormünder ends, was ihn erwartet, so macht ihn einerseits die weder Schuld- noch Schamgefühle hegen. rituelle Zeremonie und andererseits die neue räum- liche Struktur auf eine Veränderung aufmerksam. Nach bestandenem Landesexamen besucht Hans Mit dem Eintritt in ein Kloster unterwerfen sich Giebenrath die Klosterschule in Maulbronn. Der die Zöglinge auch einer Pädagogik, die der strikten Eintritt in die neue Klosterschule wird von der per- Maxime der Disziplinierung folgt. In emphatischer sonal gelenkten Erzählinstanz wie ein transgressi- Wortwahl bringt der Rektor diese zum Ausdruck: ver Übertritt beschrieben. Weil mit dem Eintritt ins Klosterseminar ein familiärer Trennungsakt voll- „Der Mensch, wie ihn die Natur erschafft, ist et- zogen wird, gewinnt das Geschehen an zusätzlicher was Unberechenbares, Undurchsichtiges, Ge- Dramatik. Eingebettet wird der Absonderungs- fährliches. Er ist ein von unbekanntem Ber- und Einbindungsakt in das neue ‚familiäre‘ Gefüge ge herbrechender Strom und ist ein Urwald ohne durch einen Festakt: „Die Lehrer standen in Geh- Weg und Ordnung. Und wie ein Urwald gelichtet röcken da, der Ephorus hielt eine Ansprache, die und gereinigt und gewaltsam eingeschränkt Schüler saßen gedankenvoll gebückt in den Stüh- werden muß, so muß die Schule den natürlichen len“ (Hesse 2004, S. 61). Das feierliche Ritual weckt Menschen zerbrechen, besiegen und gewaltsam „stolze und löbliche Gefühle und schöne Hoffnun- einschränken; ihre Aufgabe ist es, ihn nach gen“ (Hesse 2004, S. 61). Bedeutsam ist der Schluss obrigkeitlicherseits gebilligten Grundsätzen zu des Zeremoniells, bei dem ein Schüler nach dem einem nützlichen Gliede der Gesellschaft zu ma- anderen aufgerufen wird: chen und Eigenschaften in ihm zu wecken, deren völlige Ausbildung alsdann die sorgfältige Zucht „Zum Schluß wurde ein Schüler um den ande- der Kaserne krönend beendigt.“ (Hesse 2004, S. ren mit Namen aufgerufen, trat vor die Reihen 48) und ward vom Euphorus mit einem Handschlag aufgenommen und verpflichtet und war hier- 8
Aus der Wissenschaft Pallitsch Die als Alliteration angelegte Klimax der Partizipi- schildert, Geborgenheit, Tradition und Kontinuität, en ist kaum zufällig gewählt (gelichtet, gereinigt, zugleich begünstigen sie durch ihre Geschlossen- eingeschränkt) und findet ihre Passform in den heit einen Missbrauch zum gewaltsamen Zerbre- Prädikaten (zerbrechen, besiegen, einschränken). chen des Individuums. In solchen abgeschlossenen Auffälligerweise wird das Verbum einschränken Systemen sind die zeitlichen Grenzen von Schule, wiederholt und jeweils mit dem Adjektiv gewaltsam Schlaf, Gebet und Arbeit klar strukturiert, die nicht attribuiert. nur den stetigen Gleichklang des Tages begünstigen, sondern auch das erzieherische Verhältnis durch All das ist kein Zufall, denn die Worte des Rektors steile Asymmetrien und Antinomien festigen. sind programmatisch und vor dem historischen Hintergrund schulischer Erziehungsmethoden im Fin-de-Siècle jenen des Militärs ähnlich. Zum pä- 3 Missbrauchte Kindheit II: Sehr gut (Wolfgang dagogischen Standardrepertoire der Jahrhundert- Treitler) wende gehörten Drill, eine repressive Sexualmoral, Prüfungsängste sowie physische und psychische Ein Jahrhundert nach Hermann Hesse blickt der Züchtigungen. Nicht selten hatten diese Methoden in Wien lehrende Fundamentaltheologe Wolfgang einen Schülersuizid zur Folge (Macho 2017, S. 132- Treitler mit der Novelle Sehr gut (2018) auf seine 162). Wenn der Erzähler überdies Schule und Ka- Schulzeit zurück. Neben stark autobiographischen serne miteinander in Verbindung bringt, so ist das Zügen zeichnet den Text eine schonungslose Spra- kein Zufall, sondern den beiden tragenden Säulen che aus. Es ist signifikant, dass ein Zitat aus Imre des Nationalstaates geschuldet: Schulpflicht und Kertész‘ Galeerentagebuch der Novelle überschrie- Wehrpflicht. Daher hat sich der Pädagoge Gustav ben ist: „Die beiden großen Metaphern des 20. Siegert nach einer Abhandlung über Problematische Jahrhunderts: das Konzentrationslager und die Kindesnaturen Gedanken über Das Problem der Pornographie – beide unter dem Aspekt des totalen Kinderselbstmorde gemacht und kam dabei unter Ausgeliefertseins, der Versklavung.“ (Treitler 2018, anderem zum Ergebnis, dass diese oft S. 5) Mit einigem Recht alludiert dieser Paratext zwei große geschlossene Systemgebäude menschli- „wie unsere statistischen Belege darthun, dem chen Macht- und Gewaltmissbrauchs. Erziehungsleben in seiner Gesamtheit [ent- springen], dem F a m i l i e n l e b e n und dem Aufschlussreich ist nach einem Erzählauftakt der S c h u l l e b e n, und heißen: a) häusliches Beginn des zweiten Kapitels, weil in diesem der Elend, Kummer und Familienunglück, harte und Chronotopos der Rahmenhandlung fixiert wird: unwürdige Behandlung durch Eltern und Pfle- Am 6. April 2015 erhält der Ich-Erzähler Wolfgang ger; b) Examenfurcht, Nichtversetzung, Zer- Sattler in seinem Arbeitszimmer am Stadtrand von würfnisse mit Lehrern, Furcht vor Wiederbe- Wien eine E-Mail von seinem einstigen Peiniger aus ginn der Schule, Furcht vor Strafe, sonstige mit der Internatszeit. Diese Nachricht treibt den Prot- dem Schulbesuche zusammenhängende Grün- agonisten in eine Form der Sprachlosigkeit – „Ich de.“ (Siegert 1893, S. 54f ) weiß nicht, was ich tun soll, bin wie gelähmt, sitze da und starre auf diese Zeilen, lese sie ein zweites Neben den genannten Punkten gilt Nervosität als Mal, versuche es ein drittes Mal und verstehe nichts. zentrales Stichwort des Fin-de-Siècle, das auch Fühlt sich so ein Schlaganfall an?“ (Treitler 2018, S. Siegert seinem Zeitalter attestiert und auf das Le- 20) –, sich aber rasch mit Bildern der Vergangenheit ben der Kinder überträgt. Aus heutiger Sicht dürfte auflädt: etwas klarer sein, dass die benannten Furcht-Sze- naren mit den räumlich abgezirkelten Schul- und „Ich rühre diese Leiste mit dem Mauspfeil nicht Klosterbauten korrespondieren. Denn Internate an. Ich denke nach: Vor genau vierzig Jahren suggerierten als eine Art Kippfigur zwar nach au- und vier Monaten haben sich unsere Wege ge- ßen, wie der Erzähler in Unterm Rad eindringlich trennt, ich war 14 Jahre alt. Danach, etwa zehn 9
Aus der Wissenschaft Pallitsch Jahre später, sahen wir einander noch zwei Mal schen Wohlklang, unter dem ideologischen Über- in der Mariahilfer Straße in Wien, in getrennte bau werden für die Rezipient_innen aber die Ver- Richtung gehend. Wir passierten einander, unse- satzstücke einer Doppelmoral lesbar. Eine noch so re Augen trafen sich, seine fragten: „Bist du es?“ gediegene Rhetorik rückt ein Schulinternat zwar in und meine sagten ihm eindringlich: „Du bist es, das Licht einer mustergültigen Institution, der dicke ich erkenne dich unter Tausenden.“ (Treitler Bau von Klostermauern lässt solche Einrichtungen 2018, S. 18) aber oft zu „intransparenten und abgeschlossenen Systemen“ werden, hintern denen sich die Zöglin- Vorerst werden die jüngsten Erinnerungen wach, ge kaum von „sexuellen Übergriffen, Sadismen und ehe dann mit einer Binnenhandlung der Blick auf Gewalt“ (Miller 2021, S. 75) schützen können. das Internatsleben des Zöglings freigegeben wird und damit der zugefügte, verdrängte, aber nie ge- schwundene Schmerz erneut aufkeimt. Erst im da- 4 Missbrauchte Kindheit III: Mein Fall (Josef rauffolgenden Gespräch mit seiner Frau findet der Haslinger) aufgewühlte Protagonist zu einer schonungslosen Sprache: Während Sehr gut eine häufig adressierte Wendung des Peinigers gegenüber dem Gepeinigten in den „Das größte Schwein, das mir je begegnet ist. Titel einspielt und erst durch die Lektüre der auto- Und ich habe ihm nicht ausweichen können, biographischen Novelle erkennbar wird, gibt das nie. Zweieinhalb Jahre lang, zweieinhalb lange Personalpronomen in Josef Haslingers Mein Fall Jahre. Endlose Jahre. Er hat mich damals ver- (2020) den Blick auf das Autobiographische frei. folgt, im Internat, und jetzt fängt er seine nächste Ähnlich wie Treitler verleiht Haslinger dem Beginn Runde an. Täglich in Wien. Er hat ja herausge- seiner Handlung klare raum-zeitliche Koordinaten: funden, dass ich in Wien arbeite. Also – ein Leichtes für ihn. Ich habe geglaubt, der Mann ist „Nachdem ich jahrelang entschlossen gewesen weg. Vierzig Jahre Ruhe, und dann schreibt die- bin, es nicht zu tun, wandte ich mich am 25. ses Schwein, als wäre nichts gewesen, als könn- November 2018 an die Unabhängige Opfer- ten wir fortsetzen wie damals, wie ein Vater und schutzanwaltschaft, eine Initiative gegen Miss- sein Sohn, wie er immer gesagt hat. Ist er kom- brauch und Gewalt. Sie war nach dem Bekannt- plett hin, geistig und menschlich kaputt?!“ werden einer Fülle von Missbrauchsfällen in (Treitler 2018, S. 23) der katholischen Kirche Österreichs vom Kardi- nal Schönborn gegründet worden. Es gibt sie Das „größte Schwein“ ist Priester und heißt Louis schon seit 2010. Ich hatte acht Jahre lang gezö- Pigasse. Um diese Person kreist die folgende Ana- gert, vor dieser Institution über die Vorkomm- lepse, mit der sich der Ich-Erzähler seiner Inter- nisse in meiner Kindheit auszusagen. Aber nun natszeit zuwendet und die er chronologisch nach- war ich dazu bereit.“ (Haslinger 2020, S. 5) vollzieht. Immer wieder kommen die Mechanismen von Gewalt zur Sprache, die der Pigasse gegenüber Anders als Treitler, der Autobiographeme in No- dem Schüler anwendet. In ihrer Gebrauchsform vellenform zwar fiktionalisiert, aber mit Realitäts- werden etwa biblische Worte subtil entwendet, um effekten (Barthes 2006) versieht, legt Haslinger in so dem Machtmissbrauch vor sich und den Gepei- Mein Fall seine eigene Missbrauchsgeschichte of- nigten eine Legitimation zu verleihen. „Wen Gott fen. Aufschlussreich und zugleich symptomatisch liebt, den züchtigt er.“ (Hebr 12, 6), heißt es im sind die beiden letzten Sätze: „Ich bin Schriftstel- biblischen Hebräerbrief. Mit diesem kurzen Vers, ler. Mein Fall ist hiermit dokumentiert.“ (Haslinger der auch als Begründungsfigur fungiert, werden 2020, S. 139) Einerseits ist also klar, dass hier ein Gewaltexzesse als Erziehungsritual argumentativ Schriftsteller am Werk ist, andererseits wird mit gestützt, eingesetzt und vollzogen. Das rhetorische dem Zustandspassiv des finalen Satzes der objek- Quid pro quo verleiht der Gewalt zwar einen bibli- tive Charakter formal unterstrichen und durch das 10
Aus der Wissenschaft Pallitsch Partizip „dokumentiert“ bekräftigt. Tatsächlich ist 5 Fazit und Ausblick: Das Individuelle in Mein Fall über weite Strecken ein Chronist in verteidigen eigener Sache unterwegs, der auf Schwarzweißma- lerei verzichtet, aber dennoch nicht umhinkann, Die beiden Erzähltexte von Treitler und Haslinger bei der Schilderung des Missbrauchs und der Re- stehen in unmittelbarer Verbindung mit den Miss- flexionen seiner Gefühle, sich der Klage oder gar brauchsskandalen der katholischen Kirche, die vor Anklage ganz zu enthalten, etwa wenn er auf den knapp zwanzig Jahren die Öffentlichkeit erschüt- Missbrauchstäter zu sprechen kommt: „Pater Gott- tert haben und seither nicht wieder verebbt sind. fried Eder war 29 Jahre alt, als er nach Stift Zwettl Immer wieder wurde versucht, das Skandalpoten- kam. Er war der Erwachsene, wir waren die Kinder. tial zu verharmlosen, Verantwortung zu delegieren Wir waren keine gleich starken Partner. Eine ein- oder gar zu leugnen. Wie schwer der eigene Fall vernehmliche sexuelle Beziehung zwischen einem wiegt, wird nirgendwo klarer als bei Haslinger, der Neunundzwanzigjährigen und einem Elfjährigen seine Leser_innen auf die Reise durch das labyrin- kann es nicht geben.“ (Haslinger 2020, S. 44) Gleich thische Wegenetz der Ombudsstelle mitnimmt. Zu im Anschluss, und das ist für Mein Fall charakte- verharmlosen ist spätestens seit der 2018 seitens der ristisch, bringt Haslinger Tat und Vergeltung, Einst Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebe- und Heute zusammen: nen und durchgeführten MHG-Studie nichts mehr, legt diese doch schmerzliche Ergebnisse von 3766 „Heute sage ich mir, dass für jemanden, der die Betroffenen alleine in Deutschland offen. In Öster- Klasnic-Kommission für nichts als eine Art mo- reich wählte die Wiener Theologische Fakultät auf ralische Reinwascheanstalt der katholischen Initiative von Wolfgang Treitler und Gunther Prül- Kirche hält, die Frage, wie viel sie zahlen, mög- ler-Jagenteufel mit einer Ringvorlesung und einer licherweise die einzig sinnvolle ist. Die Zahlun- theologischen Aufarbeitung (Prüller-Jagenteufel, gen sind eine Geste der Entschädigung fürs kol- Treitler 2021) eine ähnlich offensive Strategie im lektive Wegschauen. Immerhin.“ (Haslinger Umgang mit Missbrauch und Gewalt. 2020, S. 45) Sich der Wucht dieses Themas zu stellen, heißt auch, Obwohl sich Haslinger pauschalen Schuldzuschrei- sich mit den strukturellen Problemen und Gewalt- bungen über weite Strecken enthält, ist die adres- mechanismen zu befassen. Die literarischen Texte, sierte Anklage hart formuliert. „Immerhin“ hat die entweder autobiographisch gefärbt (Hesse), ge- nicht nur rhetorischen, sondern auch emphatischen prägt (Treitler) oder als solche verfasst (Haslinger) Charakter mit expressiver Funktion. Mit anderen sind, zeigen die Symptome von Gewalt klar auf und Worten ließe sich sagen: Schuld wird der Sühne sollen in drei abschließenden Beobachtungen mit nicht gerecht. Am Ende wird Haslinger nochmals einem kleinen Ausblick gebündelt werden: schonungsloser: Erstens weisen abgezirkelte Systeme wirksame Er- „Wenn die Kirche für alle Traumata, Toten und möglichungsbedingungen zur Ausübung von direk- sonstige Schäden, die sie im Laufe ihrer Ge- ter oder indirekter Gewalt auf. Sie bieten einen ent- schichte angerichtet hat, Entschädigung zahlen sprechenden Nährboden, auf dem es Erwachsenen müsste, dann wäre sie von einem Tag auf den möglich wird, Kinder und Jugendliche zu missbrau- anderen dort angelangt, wo sie begonnen hat chen. Dieser heißt strukturelle Gewalt und zeigt – bei urchristlichen Gemeinden, die inmitten sich in den autobiographischen Texten in Form von von ‚Gottlosen‘ so zu leben versuchen, wie Jesus Brechung und Peinigung sowie deren Bagatellisie- sich das vorgestellt hat. Vielleicht ist das ja ihre rung. Eine dringliche Gefahr liegt zweifelsohne in ferne Zukunft.“ (Haslinger 2020, S. 138) den gesellschaftlich abgeschotteten Räumen, die oftmals in Klöster ausgelagert und damit als Hete- rotopien (Foucault 1990) par excellence fungieren, die überdies mit dem traditionellen Zeitverständnis 11
Aus der Wissenschaft Pallitsch brechen und mithin eigene, hochgradig ritualisier- Möglichkeit, die Überschreitungen von Grenzen te Heterochronien etablieren. Der vermeintlich ge- nachzuvollziehen. Durch das Spiel von Fiktion und schützte Schonraum, wie er noch im 18. Jahrhundert Wirklichkeit können Herrschaftsverhältnisse und gefordert wurde, avancierte, wie die Texte allesamt symbolische Ordnungen sowie deren Missbrauch zeigen, nicht zuletzt durch historische Formation zu aufgezeigt werden. Dadurch kann in den Texten einem Krisenheterotopos. Dabei gilt, wie Josef Has- mit erhellender Klarsicht eine Parteinahme für das linger vorsichtig andeutet, in uneingeschränkter fragile Individuum und gegen seine subversive In- Form: „Es scheint so etwas wie ein Schutzbedürfnis dienstnahme herausgearbeitet werden. Darin grün- der eigenen Kindheit zu geben.“ (Haslinger 2020, S. det ein bleibendes Verdienst der Literatur. 87) Weil das nicht nur so scheint, sondern so ist, im- pliziert das auch räumliche Transparenz. 6 Literatur Soll der Ort der Kindheit zweitens nicht Gefahr laufen, von einem Schonraum in Gewaltraum zu Ariès, Ph. (152003). Geschichte der Kindheit. Übers. v. Neubaur, kippen, dann wäre auch die Kindheit selbst nicht C. u. Kerstin, K. München: dtv. dogmatisch, sondern „narrativ-reflexiv und also an- tidogmatisch“ (Treitler 2021, S. 131) zu bedenken. Barthes, R. (2006). Das Rauschen der Sprache. (= Kritische Es- Es ist an dieser Stelle aufschlussreich, dass Jean- says IV ). Übers. v. Hornig, D. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. (= es François Lyotard die Kindheit als eine Form des 1695), S. 164-172. Ausgeliefertseins besann, „ohne die Mittel zu verfü- gen – d.h. Sprache und Darstellung –, das nennen, Braungart, W. (2016). Ritual. In: Weidner, D. (Hg.). Handbuch identifizieren, wiedergeben und (wieder)erkennen Literatur und Religion. Stuttgart: Metzler, S. 427-434. zu können, was uns betrifft“ (Lyotard 1995, S. 9). Der Kindheit wohnt demnach die Gefahr inne, Foucault, M. (1990). Andere Räume. In: Barck, K. (Hg.). Aist- überwältigt zu werden, ohne dies wirklich artiku- hesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen lieren zu können. Dieser Aspekt wird in allen drei Ästhetik. Essais. Leipzig: Reclam, S. 34-46. Texten überdeutlich. Das Moment der Überwälti- gung wird durch steile Asymmetrien begünstigt. Zu Gennep, A. van (2005). Übergangsriten. Frankfurt a. M.: Cam- denken sollten die Schülersuizide im Fin-de-Siècle pus. geben, die auch stark im Familien- und Schulleben wurzeln (Siegert 1893). So sehr im 20. Jahrhundert Giuriato, D. (2018). Kindheit und Literatur. Zur Einleitung. In: die Suizidrate gesunken sein mag und so sehr das Ebd./ Hubmann, Ph./ Schildmann, M. Kindheit und Literatur. Patriarchat durchbrochen wurde, so unverkenn- Konzepte – Poetik – Wissen. Freiburg, Berlin, Wien: Rombach, bar lautet die dogmatische Satzung vieler Eltern im S. 7-24. 21. Jahrhundert: „Mein Kind muss die Matura ma- chen!“ Vielleicht wäre auf der Folie der historischen Haslinger, J. (2020). Mein Fall. Frankfurt a. M.: Fischer. Beobachtungen auch dieser Dogmatismus unter der Prämisse „Gut gemeint ist selten gut.“ zu bedenken. Hesse, H. (2004). Unterm Rad. Frankfurt a.M.: Suhrkamp (= st 3368). Drittens möchte dieser Beitrag mit dem Plädoyer zu einer verstärkten Einbindung literarischer Texte Kaufmann, F.-X. (1980). Kinder als Außenseiter der Gesell- in den Unterricht schließen. Nicht nur, weil Litera- schaft. In: Merkur 34/8, S. 761-771. tur ein „weiträumige[s] Laboratorium für Gedan- kenexperimente“ (Ricoeur 1996, S. 182) eröffnet, Lyotard, J.-F./ Gruber, E. (1995). Ein Bindestrich. Zwischen das erlaubt, faktisch Geschehenes mit fiktionalen „Jüdischem“ und „Christlichem“. Übers. v. Gruber, E. Düssel- Techniken zu verfremden, sondern weil Literatur dorf, Bonn: Parerga. Geschehenes auch auf den Prüfstand stellt. Gera- de das subversive Potential der Literatur bietet die 12
Aus der Wissenschaft Pallitsch Macho, Th. (2017). Das Leben nehmen. Suizid in der Moderne. Berlin: Suhrkamp. Miller, D. (2021). Räume des Machtmissbrauchs. Die Heiligkeit von Institutionen und pädagogischer Personenkult – die Causa Odenwaldschule. In: Prüller-Jagenteufel, G., Treitler, W. (Hg.) (2021). Verbrechen und Verantwortung. Sexueller Missbrauch von Minderjährigen in kirchlichen Einrichtungen. Wien, Basel, Freiburg: Herder. (= Katholizismus im Umbruch 13), S. 70-92. Prüller-Jagenteufel, G., Treitler, W. (Hg.) (2021). Verbrechen und Verantwortung. Sexueller Missbrauch von Minderjährigen in kirchlichen Einrichtungen. Wien, Basel, Freiburg: Herder. (= Katholizismus im Umbruch 13). Ricoeur, P. (1996). Das Selbst als ein Anderer. München: Fink. Siegert, G. (1893). Das Problem der Kinderselbstmorde. Leip- zig: 1893. Treitler, W. (2018). Sehr gut. Novelle. Perchtoldsdorf: Achino- am. Treitler, W. (2021). Von der Kirchenkrise in die Gotteskrise. In: Prüller-Jagenteufel, G., Treitler, W. (Hg.) (2021). Verbrechen und Verantwortung. Sexueller Missbrauch von Minderjährigen in kirchlichen Einrichtungen. Wien, Basel, Freiburg: Herder. (=Katholizismus im Umbruch 13), S. 127-143. 13
Aus der Wissenschaft „Schulklima 4.0 – Schlüssel zur Prävention“ – Schulentwicklungsprojekt und Qualitative Implementierungsstudie Das Projekt „Schulklima 4.0 – Schlüssel zur Prävention“ ist ein Pilotprojekt der Pädagogischen Hochschule Burgenland, das in Kooperation mit der Bildungsdirektion für Burgenland durchgeführt und im Rahmen der Initiative Wohlfühlzone Schule des Fonds Gesundes Österreich gefördert wird. Es bewegt sich in der Tradition der Nationalen Strategie schulischer Gewaltprävention der Schulpsychologie-Bildungsberatung des BMBWF und verfolgt das Ziel einer nachhaltigen Implementierung, Verankerung und Institutionalisierung evidenzba- sierter Präventionsmaßnahmen an ausgewählten Schulstandorten. Im Rahmen von systematisch und koopera- tiv angelegten Schulentwicklungsprojekten werden gezielt standortspezifische Ressourcen, Kompetenzen und bereits vorhandene Maßnahmen als Basis von Entwicklungsprozessen genutzt, um darauf aufbauend passge- naue standortspezifische Präventionskonzepte zu entwickeln. Dieses Pilotprojekt wird begleitend intern und extern evaluiert sowie im Rahmen einer qualitativen Imple- mentierungsstudie zur kooperativen Entwicklungsarbeit beforscht. Dadurch soll eine entsprechende Daten- grundlage geschaffen werden, um das Pilotprojekt evidenzbasiert weiterzuentwickeln und nachhaltig an der Hochschule zu institutionalisieren. Im Anschluss folgen zwei Beiträge, die den Leser_innen Einblick in diese Projekte geben: • Schulentwicklungsprojekt: „Gewalt- und Mobbingprävention an Schulen: Ansatzpunkte, Evidenzen und die Umsetzung in die Praxis entlang des Projektes „Schulklima 4.0 - Schlüssel zur Prävention“ (Muik & Wallner) • Implementierungsstudie: „Qualitative Implementierungsstudie zur kooperativen Entwicklungsarbeit“ (Schrammel) 14
Aus der Wissenschaft Muik & Wallner Elisabeth Muik & Florian Wallner Gewalt- und Mobbingprävention an Schulen: Ansatzpunkte, Evidenzen und die Umsetzung in die Praxis entlang des Projektes „Schulklima 4.0 – Schlüssel zur Prävention“ 1 Rahmenbedingungen für gelingende of schoolchildren plays a decisive role in their scho- Prävention lastic success Accordingly, a school has to provide an environment that nurtures the well-being of its stu- Schule als Ort des gemeinsamen Lernens zu be- dents.” (2016 S. 16) trachten setzt voraus, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen dieses Lernen bestmöglich ge- Gelingende Prävention wird im Klassen- und lingen kann. Ein ausgewogenes Verhältnis von Schulklima spürbar. Je sicherer sich Schüler_innen Fordern und Fördern, der Blick auf individuelle in der Schule fühlen, desto positiver nehmen sie die Stärken und Entwicklungspotentiale sowie Begeis- Klassengemeinschaft wahr. Dies wiederum wirkt terung für Bildung zu wecken sind zweifelsohne sich auf die Gesundheit und Lebenszufriedenheit zentrale Bestandteile, um dies zu gewährleisten. der Schüler_innen aus und das stärkt ihre individu- Klar ist aber auch, dass dies kaum gelingen kann, elle Befähigung, sich Bildung anzueignen (HBSC wenn Schüler_innen an die Schule mit Sorge oder Factsheet Nr.11/2014). Angst denken. Sicherheit und Wohlbefinden mögen breit interpretierbare Schlagworte sein. Im Kontext Neben der Beeinträchtigung von Lernerfolg erge- von Schule als Ort des Sich-Bildens bedeuten sie ben sich bei Gewalt und/oder Mobbing allerdings jedoch ein klares Bekenntnis zu Schulen, an denen noch andere weitreichende, körperliche oder psy- ohne Angst vor Übergriffen jedweder Art gelernt chische Folgewirkungen, die mitunter überaus lan- und gelebt werden kann. ge das Leben der Betroffenen negativ beeinflussen (Wachs et al. 2016, S. 69ff; Mehl 2020). Der Blick auf Faktoren, die Übergriffe, gewaltvolle Handlungen oder auch Mobbing begünstigen, ist Kurz gefasst könnte man es auch so formulieren: daher von besonderer Bedeutung, um ein grund- Bemühungen um die Prävention von Gewalt und legendes Wohlbefinden und einen schützenden Mobbing haben eine breite und gesellschaftlich be- Rahmen in der Schule zu ermöglichen. Fehlt dieser, sonders bedeutsame Wirkfläche, die die Bereiche hat das Folgen für die Ermöglichung von Bildungs- der Bildungsermöglichung, der Bildungsgerechtig- erwerb, für die Entwicklung sozialer und emotio- keit und der psychosozialen Gesundheit umfasst. naler Kompetenzen sowie für das (Lern)Klima in den Klassen. Die Umsetzung evidenzbasierter Prä- ventionsmaßnahmen beugt nicht nur Mobbing und 2 Ansatzpunkte evidenzbasierter Gewalt vor, dies wirkt sich ebenfalls positiv auf die Mobbingprävention Förderung der psychosozialen Gesundheit aus und bildet die Basis für angstfreie Bildungsprozesse (Ol- Wie Personen in einer Gemeinschaft mit Vielfalt, weus, 2006; Ttofi & Farrington, 2011; Wachs, Hess, Irritationen und Konflikten umgehen, ist für die Er- Scheithauer & Schubarth 2016, S. 159; Downes & möglichung eines Mobbingsystems ein besonders Cefai, 2016). Downes & Cefai beschreiben dies auf wichtiger Faktor. Dies trägt maßgeblich dazu bei, folgende Weise: „Research shows that the well-being ob sich ein Mobbingsystem entwickeln und stabi- 15
Aus der Wissenschaft Muik & Wallner lisieren kann. Es geht bspw. darum, wie Konflik- keitsstärkung (Hofmann 2008), Wertschätzung und te ausgetragen werden, auf welche Art und Weise eine von Gleichwürdigkeit geprägte Kommunikati- interagiert wird, welche Vorbildwirkung von Er- on (Juul 2014), die Kompetenz, Konflikte konstruk- wachsenen ausgeht und welche schützenden Rah- tiv zu bearbeiten (Faber & Messner-Kaltenbrunner menbedingungen geschaffen werden (Alsaker 2003; 2019, S. 215f; Schubarth 2019, S. 127f ) sowie die Schäfer & Korn 2004; Salmivalli 1996; Schubarth Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen 2019). Insofern hat es große Relevanz, die verbale, (Alsaker 2017; Downes & Cefai, 2016, S. 34ff ) von körperliche, relationale, aber auch strukturelle und großer Bedeutung. symbolische Gewalt in einem System wahrzuneh- men, zu reflektieren und an evidenzbasierten Prä- Auf Klassenebene/Gruppenebene ist es notwendig, ventionsmaßnahmen zu arbeiten. Alle an Schule gruppenbezogene Prozesse professionell zu gestal- Beteiligten tragen hier Verantwortung. ten und mit gruppendynamischen Prozessen kons- truktiv umgehen zu können (Schubarth 2019, S. Erprobte „Whole School Approaches“ nehmen drei 128f.; Tuckman & Jensen 1977). Insbesondere die zentrale Wirkbereiche in den Blick, für die in der Etablierung eines Rahmens, in dem Gewalt in jeg- Primärprävention eine breite Basis an Maßnahmen licher Form zurückgewiesen wird, ist hier von Be- eingesetzt werden kann (Schubarth 2019, S. 127ff ): deutung (Kessler & Strohmeier 2009). Die Arbeit an einer Vereinbarungskultur ist eine erprobte Mög- • Person(en) lichkeit, partizipativ Werte, Normen und Regeln • Klasse(n) und Peer-Group(s) zu diskutieren und auszuhandeln (Leimer 2011) • Strukturen und Prozesse bzw. den Start für ein effizientes Classroom-Ma- nagement zu legen, das für die Primärprävention Bei der Prävention von Gewalt und Mobbing ist ein eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat (Ttofi systemischer Blick auf Ansatzpunkte niederschwel- & Farrington 2011). Darüber hinaus kooperative liger und evidenzbasierter Maßnahmen von beson- Lernformen, Peer-Learning und demokratische derer Bedeutung. Anders formuliert könnte man Strukturen zu fördern, erweist sich in der Praxis sagen: „This systemic dimension interrogating school ebenfalls als bedeutsam. Diese Faktoren haben eine climate, institutional culture and relationships is an breite Wirkung auf gelebte Beziehungsgestaltung important broadening of perspective beyond simply und Ermöglichung von Partizipation (Schubarth treating bullying as a problem of individuals.“ (Dow- 2019; Schröder & Wallner 2019). nes & Cefai, 2016, S. 33) Ergänzend braucht es an der Schule klare Struk- In der Prävention ist es wichtig, die drei genannten turen und Prozesse bei Verdacht auf Mobbing. Es Bereiche und deren wechselseitige Beeinflussung muss transparent sein, wie die Abklärung eines zu berücksichtigen, um ein nachhaltiges, standort- Verdachtsfalls, die professionelle Vorbereitung und spezifisches Präventionskonzept aufzubauen, das Durchführung einer Intervention und die Nach- alle Schulpartner und Unterstützungssysteme ein- bereitung eines Mobbingfalles durchgeführt wird bezieht. Diese Wirkfaktoren von Prävention sind (BMBWF 2018). gut beforscht. In den verschiedenen Ansätzen und Approaches finden sich gemeinsame Aspekte, die Diese präventiven bzw. vorbereitenden Maßnah- zentrale Bedeutung für die Prävention von Gewalt men als Prozessschritte zu betrachten, die einer und Mobbing haben (Downes & Cefai 2016; Wachs nachhaltigen Verankerung bedürfen, ist wichtig, et al. 2016). Einige hiervon, denen auch im Pro- um eine übergreifende Primärprävention in Klassen jekt „Schulklima 4.0“ eine zentrale Rolle zugedacht dauerhaft zu manifestieren. Dies beinhaltet auch wird, sollen nun kurz vorgestellt werden. Personalentwicklung und Unterrichtsentwicklung. Ebenso bedeutsam ist ein strukturelles Bekenntnis Betrachtet man die personenbezogene Ebene, sind (bspw. im Leitbild) der Schule zu Vielfalt und zur die Gestaltung von Beziehungen und Persönlich- Wahrung der Würde aller an Schule Beteiligten so- 16
Aus der Wissenschaft Muik & Wallner wie zur unmissverständlichen Ablehnung von Ge- wicklungsprozessen zurückgegriffen werden kann walt (Wallner 2018). und die an bestehende Abläufe und Strukturen angepasst werden. Schulweite, standortspezifische Zusammenfassend könnte man im Kern der dar- Strategien und Maßnahmen können daher auf Basis gestellten Ebenen den Fokus mit systemischer Sicht einer Ist-Stand-Analyse geplant und umgesetzt wer- somit in Beziehungsgestaltung, Kommunikation den. Dies ermöglicht eine Passgenauigkeit der Maß- und Konfliktmanagement sehen. nahmen, eine gemeinsame Entwicklungsarbeit und eine tragfähige Einbettung in Unterrichtsabläufe. Umfassend eingesetzt (mit Blick auf die vorgestell- 3 Prävention von Mobbing ist ten Ebenen) ist das eine solide Basis, eine Verdich- Schulentwicklungsaufgabe und braucht tung von übergriffigen Handlungen zu Mobbing zu einen kontinuierlichen Prozess prävenieren oder sie frühzeitig zu erkennen und umgehend intervenieren zu können (Franck 2020, Mit diesem systemischen Blick auf die Aufgaben S. 153; Wallner 2018, S. 70ff ). bzw. Umsetzungsmöglichkeiten nachhaltiger Pri- märprävention wird ersichtlich, dass Präventions- Dies zeigt auch, dass Schulentwicklungsberater_ arbeit als Schulentwicklungsaufgabe verstanden innen, die Schulen in diesem Prozess umfassend werden muss. Es bedarf in der Umsetzung(sbeg- (auch inhaltlich) begleiten können, eine bedeutsa- leitung) fundierter Prozessbegleitungskompetenz, me Rolle in der gelingenden Implementierung zu- um Bestehendes zu integrieren, Neues zu generie- kommt und es auch eine Aufgabe der für Beratung ren sowie Prozesse und Strukturen zu fördern, die an Schulen zuständigen Institutionen ist, deren nachhaltige und vor allem standortspezifische, auf Qualifizierung zu ermöglichen bzw. sicherzustellen Evidenzen beruhende, Präventionsprogramme er- (Wallner 2021). möglichen. In der Primärprävention an Schulen ist eine standortspezifische Entwicklungsarbeit daher Darüber hinaus darf die Bedeutung der Tätigkeit ei- näher an den konkreten Bedürfnissen des Standor- ner Steuergruppe im Sinne von Kommunikations-, tes als ein „One size fits all“-Ansatz. Transfer-, und Entwicklungsarbeit nicht unter- schätzt werden. Sie hat an der Schule insbesondere Dies liegt auch darin begründet, dass standortspe- für die nachhaltige Etablierung dieser Prozesse und zifische Entwicklungsprozesse das Feld für den be- Strukturen sowie die dauerhafte und weiterführen- stehenden Erfahrungsschatz am Standort öffnen, de Arbeit an evidenzbasierter Gewaltprävention im bereits Geglücktes, bestehende Ressourcen und Sinne von Anpassung und Erweiterung der stand- Kompetenzen und die Erfahrung des gemeinsamen ortspezifischen Präventionskonzepte eine zentrale Lernens – auch aus Fehlern – einen besonderen Bedeutung. Um dies zu ermöglichen ist die Etab- Stellenwert bekommen können (Grossmann et al. lierung klarer Verantwortlichkeiten und eines prä- 2015, S. 98f ). Es geht somit um die Synthese von zisen Rollenbildes von Projektkoordinator_innen bereits Vorhandenem und ergänzenden evidenzba- und Steuergruppen an den Standorten ein wesent- sierten Maßnahmen unter Berücksichtigung stand- licher Schritt, der auch in den Rahmen diesbezüg- ortspezifischer Besonderheiten. Dies schließt auch licher Projekte einbezogen werden muss. systemische Umfeldfaktoren der jeweiligen Schule in die Überlegungen und Planungsprozesse ein (Downes & Cefai 2016, S. 50). 4 Kurzbeschreibung des Projekts „Schulklima 4.0 - Schlüssel zur Prävention“1 Für die konkrete Ausgestaltung bedarf es hierfür Berater_innen, die diese systemischen Schulent- Vor diesem theoretischen Hintergrund wurde von wicklungsprozesses gezielt begleiten (Bodlak 2018, der Pädagogischen Hochschule Burgenland in Ko- S. 68ff ). Es braucht auch Wissen um evidenzba- operation mit der Bildungsdirektion für Burgen- sierte Strategien der Prävention, auf die in den Ent- land das Projekt „Schulklima 4.0 – Schlüssel zur 17
Aus der Wissenschaft Muik & Wallner Prävention“ entwickelt, das im Rahmen der Initia- Hierbei fokussiert das Projekt in erster Linie auf tive „Wohlfühlzone Schule“ vom Fonds Gesundes die Sensibilisierung der Lehrer_innen. Ein Ziel Österreich gefördert wird. Das Projekt basiert auf in diesem Zusammenhang ist es, dass alle Be- diesen beschriebenen Faktoren evidenzbasierter teiligten Gewalt erkennen und sich klar zu Präventionsarbeit und fokussiert deren Umsetzung einem „Nein zu Gewalt in jeglicher Form“ be- an Schulen mittels standortspezifischer Schulent- kennen, sie Eskalationen vorbeugen und konst- wicklungsprozesse. ruktive Handlungsoptionen vorhanden sind, wenn Gewaltformen sichtbar bzw. ausgelebt Am Pilotprojekt nehmen 15 Schulen aus dem Bur- werden. genland teil: Pflichtschulen, Allgemeinbildende höhere Schulen und Berufsbildende mittlere und 2. Es wird ein standortspezifisches Präventions- höhere Schulen. An diesen Schulen werden Ent- programm erarbeitet, das auf bestehenden Ini- wicklungsprozesse über einen Zeitraum von drei tiativen und Ressourcen aufbaut und weitere Semestern durchgeführt, die von Schulentwick- Elemente evidenzbasierter Präventionsarbeit in lungsberater_innen der PH Burgenland begleitet das Konzept aufnimmt. werden. Besondere Aufmerksamkeit im Projekt wird auf die Anpassung und Integration von Konzepten, Die Schulentwicklungsprozesse fokussieren auf Modellen und Techniken zu Mobbingpräven- psychosoziale Gesundheitsförderung und Gewalt- tion in den Unterrichtsalltag gelegt. Das er- und (Cyber)Mobbingprävention. Der Schwerpunkt möglicht Rahmenbedingungen und begünstigt des Projekts ist die Integration präventiver Konzep- Haltungen, in denen Schüler_innen einerseits te, Modelle und Techniken in den Unterrichts- und ihre Potenziale zeigen können und andererseits Schulalltag. Hierbei wird auf am Standort vorhan- ihre Entwicklung förderlich begleitet werden denen Ressourcen aufgebaut. kann. Gelingensbedingungen von Bildungserwerb unter 3. Ein Case-Management-System wird aufgebaut, Berücksichtigung psychosozialer Gesundheit wer- das sorgsame Verdachtsabklärung, Interven- den damit in den Blick genommen. Ziel ist, die Be- tionsvorbereitung und -durchführung ermög- ziehungsqualität zu fördern, klare Haltungen vorzu- licht. leben, Regeln und Vereinbarungen zu treffen. Ein Klassen- und Schulmanagement wird etabliert, das In jeder Schule ist eine Projektsteuergruppe veran- alle Beteiligten in ihrer Gesundheit und Entwick- kert, mit – je nach Schulgröße – einer_m oder meh- lung stärkt. reren Projektkoordinator_innen pro Schulstandort. Um eine gezielte Steuerung und auch die Nachhal- Die konkrete Umsetzung am Schulstandort gestaltet tigkeit der Entwicklungsarbeit bestmöglich gewähr- sich so, dass Pädagog_innen durch zielgerichtete, leisten zu können, wird für die Projektkoordinator_ kontinuierliche Entwicklungsprozesse und Profes- innen eine ergänzende Fortbildungsreihe gestaltet. sionalisierungsmaßnahmen (im Rahmen von Per- Die Inhalte bewegen sich im Bereich der evidenz- sonalentwicklung) unterstützt werden, Mobbing basierten Präventions- und Interventionsmaßnah- konsequent vorzubeugen und dieses zu erkennen, men. Hiermit soll ein breiter Überblick über das um dann vorbereitete Strategien und Maßnahmen Spektrum von Möglichkeiten in der Präventions- umzusetzen, die rasch wirksam werden. Die Pro- arbeit gegeben werden, damit sie in weiterer Folge jektumsetzung an den Standorten gliedert sich hier- in dieser Rolle die Ausrichtung des Entwicklungs- bei in drei Bereiche: prozesses während des Projekts und darüber hinaus steuern und begleiten können. 1. An der Schule wird an einem einheitlichen Ver- ständnis von psychosozialer Gesundheit und Um hier – in Abstimmung mit den Schulpartnern (Cyber)Mobbing gearbeitet. – nachhaltige Strukturen auf personenbezogener 18
Aus der Wissenschaft Muik & Wallner und institutioneller Ebene aufzubauen bzw. zu er- Franck, A. (2020). Welche Maßnahmen und Strategien sind im weitern, wird den Schulen ergänzend zur Prozess- Umgang mit Mobbing zu beachten? In Böhmer, M., Steffgen, begleitung ein umfassendes Fachberatungsange- S. (2020). Mobbing an Schulen. Maßnahmen zur Prävention, bot zur konkreten inhaltlichen Umsetzung zur Intervention und Nachsorge. Wiesbaden: Springer Fachmedien Verfügung gestellt. Dies ermöglicht, dass je nach Wiesbaden GmbH. standortspezifischem Bedarf der Schulen auch ent- sprechende fachinhaltliche Expertise im Beratungs- Grossmann, R., Bauer, G., Scala, K. (2015). Einführung in die prozess abgerufen werden kann und im weiteren systemische Organisationsentwicklung. Heidelberg: Carl-Au- Verlauf in den Entwicklungsprozess integriert wird. er-Systeme Verlag. HBSC Studie 2014. Gesundheit und Gesundheitsverhalten von Endnote österreichischen Schülerinnen und Schülern. Ergebnisse des WHO-HBSC-Survey 2014. Quelle: https://www.sozialminis- 1 Die Projektbeschreibung wurde in ähnlicher Form bereits auf terium.at/Themen/Gesundheit/Kinder--und-Jugendgesund- der Homepage bzw. im Newsletter der PH Burgenland veröf- heit/HBSC.html; Letzter Zugriff: 21.02.2021. fentlicht und in Projektdokumenten verwendet. Hofmann, F. (2008). Persönlichkeitsstärkung und soziales Ler- nen im Unterricht. Wien: Österreichisches Zentrum für Per- Literatur sönlichkeitsbildung und soziales Lernen (ÖZEPS). Alsaker, F. D. (2003). Quälgeister und ihre Opfer. Mobbing un- Jannan, M. (2015). Das Anti-Mobbing-Buch. Gewalt an der ter Kindern – und wie man damit umgeht. Bern: Verlag Hans Schule – vorbeugen, erkennen, handeln. 4.vollständig über- Huber. arbeitete Aufl. Weinheim: Beltz Verlag. Alsaker, F. D. (2017). Mutig gegen Mobbing in Kindergarten Juul, J. (2014). Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen. und Schule. 2., unv. Aufl. Bern: Hogrefe Verlag. München: Gräfe und Unzer. BMBWF (Hrsg.) (2018). Mobbing an Schulen. Ein Leitfaden Kessler, D. & Strohmeier, D. (2009). Gewaltprävention an für die Schulgemeinschaft im Umgang mit Mobbing. Wien: Schulen – Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. 2. Aufl. BMBWF. Wien: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen (ÖZEPS). Bodlak, R. (2018). Erwartungen an Beraterinnen und Berater für Schulentwicklung: Wie Schulentwicklungsberatung gelin- Leimer, Ch. (2011). Vereinbarungskultur an Schulen. Wien: gen kann. Heidelberg: Verlag für systemische Forschung im Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und so- Carl-Auer Verlag. ziales Lernen (ÖZEPS). Downes, P. & Cefai, C. (2016). How to Prevent and Tackle Bul- Mehl, S. (2020). Was sind die Folgen von Mobbing? In Böhmer, lying and School Violence: Evidence and Practices for Strate- M., Steffgen, S. (2020). Mobbing an Schulen. Maßnahmen zur gies for Inclusive and Safe Schools, NESET II report, Luxem- Prävention, Intervention und Nachsorge. Wiesbaden: Springer bourg: Publications Office of the European Union, 2016. doi: Fachmedien Wiesbaden GmbH. 10.2766/0799. Olweus, D. (2006). Gewalt in der Schule. Was Lehrer und El- Faber, A., Messner-Kaltenbrunner, R. (2019). Gelebte Gewalt- tern wissen sollten – und tun können. 4. Aufl. Bern: Huber. prävention – Schule als Ort des Lernens von Konfliktlösungen. In Seethaler, E., Giger, S., Buchacher, W. (2019). Gesund und Pädagogische Hochschule Burgenland (2020). Schulklima 4.0 – erfolgreich Schule leben. Praxis und Reflexion für Lehrerinnen Schlüssel zur Prävention. Quelle: https://www.ph-burgenland. und Lehrer. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. at/bildergalerien/schulklima/; Letzter Zugriff: 21.02.2021. 19
Aus der Wissenschaft Muik & Wallner Salmivalli, C., Lagerspetz, K. M. J., Bjorkvist, K., Ostermann, K. & Kaukiainen, A. (1996). Bullying as a group process: Partici- pant roles and their relations to social status within the group. In Aggressive Behavior, 22, 1–15. Schäfer, M., Korn, S. (2004). Bullying als Gruppenphänomen: Eine Adaption des „Participant-Role“Ansätze S. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psycholo- gie, 36(1), 19-29. https://doi.org/10.1026/0049-8637.36.1.19. Quelle: https://www.psy.lmu.de/ mobbing/material/schaefer_ korn_2004.pdf; Letzter Zugriff: 21.02.2021. Schröder, B., Wallner, F. (2019). Gelingende Bildungsprozes- se. Ermöglichung durch professionelle Beziehungsarbeit. In Schulverwaltung aktuell Österreich 4|2019, 107-110. Schubarth, W. (2019). Gewalt und Mobbing an Schulen: Mög- lichkeiten der Prävention und Intervention. 4. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. Ttofi, M.M., Farrington, D.P. (2011). Effectiveness of school-ba- sed programs to reduce bullying: A systematic and meta-ana- lytic review. Journal of Experimental Criminology, 7(1), 27-56. Tuckman, B. W. & Jensen, M. A. (1977). Stages of small-group development revisited. In Group and Organization Studies, 2, 4, Dez 1977, 419–427. Wachs, S., Hes S. M., Scheithauer, H. & Schubarth, W. (2016). Mobbing an Schulen. Erkennen – Handeln – Vorbeugen. 1. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. Wallner, F. (2018). Mobbingprävention im Lebensraum Schu- le. Wien: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen (ÖZEPS). Wallner, F. (2021). Mobbingprävention. Eine Schulentwick- lungsaufgabe. In Schulverwaltung aktuell 2021, Heft 2. 20
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