Digitale Grundbildung - Zeitenwende durch Schule 4.0? - CLV
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JULI 2017 Das Schulblatt Zeitschrift des Christlichen Lehrervereins für Oberösterreich Digitale Grundbildung Zeitenwende durch Schule 4.0? Autonomiepaket Vorsitzwechsel Im Gespräch Stellungnahmen Dietmar Stütz wird Christine Haberlander und Positionierung neuer ZA-Vorsitzender und Fritz Enzenhofer
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JULI 2017 | DAS SCHULBLATT EDITORIAL 3 Inhalt Ein schön schwerer Beruf 4 Schon jetzt anmelden! In dieser Ausgabe des Schulblatts kommen Junglehrerinnen und Jungleh- CLV Seminarprogramm 2017/2018 rer zu Wort, die im heurigen Schuljahr 5 Meine Meinung ihr erstes Dienstjahr absolviert haben. Sie berichten in kurzen Statements Wann kapiert ihr endlich? über ihre Erfahrungen, die auf viele 6 Digitalisierung Berufsanfänger – aber bestimmt auch weit darüber hinaus – übertragbar Zeitenwende durch Schule 4.0? sind. 10 Außensicht Vorbereiten, Hefte korrigieren, koordi- nieren, Elterngespräche führen, in der Diskussionen rund um die Schule Früh noch schnell kopieren: Vom Auf- 12 Im Gespräch wand, den der Beruf abverlangt, sind viele überrascht. Die Freizeit ist Christine Haberlander & Fritz Enzenhofer begrenzt, die Belastung wird spürbar. 16 Grundschulreform Nach wie vor gehören Wertschätzung, pädagogisches Gespür, fachliches Was bringt das dem Schüler? Wissen, Gelassenheit und Humor zur 17 Generalversammlung Grundausstattung eines Lehrers. Die Anforderungen, die an Lehrkräfte Rainer M. Schießler spricht Klartext gestellt werden, sind – das lassen die 18 Bildungsstandards Statements erkennen – anspruchsvoll und bisweilen auch widersprüchlich: Deutschergebnisse im Überblick Lerncoach, Wissensvermittler, Vertrau- 20 CLV.2025 ensperson, Reibungsfläche, Elternbera- ter, Regisseur, Dompteur, Unterricht- Die Zukunft hat begonnen sentwickler, Herzensbildner. Der Lehr- 21 Vorsitzwechsel im ZA beruf ist, was die Belastung angeht, mit kaum einer anderen Arbeit zu ver- Dietmar Stütz wird neuer ZA-Vorsitzender gleichen. 22 Brennpunkt Schule Und trotzdem: Auch wenn die Anfor- derungen des Berufs anspruchsvoll, Die Schule kann, soll, muss, hat … herausfordernd und hoch sind, zeigen 28 Autonomiepaket die Statements der jungen Kolleginnen und Kollegen sehr eindrucksvoll, dass Stellungnahmen und Positionierung Lehrer sein ein schöner und erfüllen- 32 Schulblatt der Beruf ist. Kindern etwas beizubrin- gen, ihr Interesse zu wecken, sie ein The Making of Stück weit zu erziehen, schlummernde 34 PISA Talente zu fördern und ein Stück dazu beizutragen, dass die Schüler eine Spezialauswertung für Oberösterreich gute Lebensperspektive haben, darin 35 CLV Sektionen berichten liegt hohe Motivation und genau darin liegen wohl auch die Gründe, wieso 36 man sich trotz der hohen Belastung Alleine im Klassenzimmer nie einen anderen Beruf wünschen Erfahrungen von Berufseinsteigern würde. Da der Beruf aber so schön schwer ist, braucht er unbedingt auch eins: genü- Impressum Medieninhaber und Herausgeber: Christlicher Lehrerverein für Oberösterreich (CLV), Stifterstraße 23, 4020; Linz E-Mail: office@clv.at; Schriftleiter und verantwortlicher gend Erholungszeiten. In diesem Sinne Redakteur: Maximilian Egger, MA; Redaktion: Michael Andexlinger, Birgit Loidl, wünsche ich Ihnen allen einen schönen Helmuth Nitsch, Sabine Schmidt, Mag. Wolfgang Schwarz, Michael Weber; Redaktions- sekretariat: Walter Utz (0732/77 68 67), Maria Pauleder; Anzeigenleitung: Walter Utz und erholsamen Sommer. Genießen Titelfoto: Fotolia (0732/78 22 66); Erscheinungsort: Linz, Verlagspostamt 4020 Linz, P.b.b.; Offenlegung Sie die Ferien! lt.§ 25 Mediengesetz: Die grundlegende Richtung des „Schulblattes“ ergibt sich aus den Satzungen des Christlichen Lehrervereins. Maximilian Egger, Redaktionsleitung
4 CLV Seminare DAS SCHULBLATT | JULI 2017 CLV-Seminarprogramm 2017/2018 Johanna Müller Landesobfrau des CLV, verantwortlich für Fortbildung im CLV Hier ist das neue Seminarprogramm zum abwechslungsreichen Seminarprogramm Vorplanen! Der CLV ist wieder mit einem präsent! Nr. Datum Thema Referent/in 214. 13. bis 14. 10. 2017 Im Lehrberuf aufgehen statt draufgehen MMag. Dr. Rainer Holzinger 215. 14. 10. 2017 LinzTour mit dem Segway Tourguide 216. 14. 10. 2017 Lamm: „Spezialitäten vom Grill“ Armin Lenz, Alfred Koblmüller 217. 20. 10. 2017 Linzer Neustadt- und Museumsviertel – Stadtführung Sigrid Leeb 218. 21. 10. 2017 Reformationsjahr 2017: Evangelisches Museum Rutzenmoos Sigrid Leeb und Toleranzkirche in Scharten 219. 21. 10. 2017 Computerkurs für Einsteiger/innen Cornelia Heuschober 220. 17.11. 2017 Dichter, Denker, Musiker in der Linzer Altstadt – Stadtführung Sigrid Leeb 221. 18. 11. 2017 iPad: i-Nsatz im Unterricht Jochen Reischl 222. 24. bis 25. 11. 2017 Herausforderungen, die mich als zukünftige Schulleiterin und Karin Lang zukünftigen Schulleiter erwarten 223. Termin wird nach Schul- und Dienstrecht für Berufsschullehrer/innen Judith Roth Bedarf festgelegt 224. 12. bis 13. 1. 2018 Ich bewerbe mich als Leiter/in Franz Heilinger 225. 19. bis 20. 1. 2018 Schul- und Dienstrecht für Leiterbewerber/innen Franziska Groisböck 226. 20. 1. 2018 Erste-Hilfe-Kurs Christoph Wallner 227. 26. bis 27. 1. 2018 Langlaufen für Genießer/innen Georg Pröll 228. 27. 1. 2018 Grundlegende Arbeiten in e*SA für die Schulleitung Wolfgang Schatzl 229. 27. 1. 2018 e*SA für Junglehrer/innen und Klassenvorstände Wolfgang Schatzl 230. 27. 1. 2018 Feine Desserts und kreative Patisserie Armin Lenz, Alfred Koblmüller 231. 9. bis 10. 2. 2018 Professionelle Nähe und Distanz im Lehrberuf MMag. Dr. Rainer Holzinger 232. 10. 3. 2018 Erben und Vererben Dr. Heidemarie Tauber-Wolke 233. 16. 3. 2018 Hitlers Linz – Stadtführung Sigrid Leeb 234. 16. bis 17. 3. 2018 Rhetorisch gekonnt den Wind aus den Segeln nehmen Mag. Beatrix Kastrun 235. 17. 3. 2018 Computerkurs für Einsteiger/innen Cornelia Heuschober 236. 6. bis 7. 4. 2018 Streiten wie die Giraffen Markus Engelberger 237. 7. 4. 2018 Entlang der Traun: Stadl Paura, Lambach und Wels Sigrid Leeb 238. 21. 4. 2018 Ihre Farben – Ihre Kombinationen Elisabeth Motsch 239. 26. 5. 2018 Klimt und Mahler am Attersee Sigrid Leeb 240. 26. 5. 2018 DonauTour mit dem Segway Tourguide 241. 9. 6. 2018 Durch die Wachau Sigrid Leeb 242. 12. bis 13. 7. 2018 Aus der Praxis: Tipps für neue Leiter/innen Robert Thalhammer Alle weiteren, ausführlichen Informationen, und in der gedruckten Seminarbroschü- Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung! wie Seminarinhalte, Referentenbeschrei- re, die wir der nächsten Ausgabe des Fax: 0732 77 68 67-15 bungen, Seminarorte sowie Seminarpau- Schulblattes beilegen werden! Sie können Telefon: 0732 77 68 67-12 schale und Aufenthaltskosten finden Sie sich auch direkt über die Homepage des E-Mail: office@clv.at demnächst unter www.clv.at (Seminare) CLV anmelden. Internet: www.clv.at ■
Fritz Enzenhofer 5 Meine Meinung Wann kapiert ihr endlich, dass wirkliche Experten in die Bildungsdiskussion mitein- bezogen werden müssen. Wann kapiert ihr endlich? Wann kapiert ihr endlich? Ihr Überpädagogen im Elfenbeinturm. Ihr bedingungslosen Heterogenphantasten. Wann versteht ihr, dass nicht die Schul- organisation trennt. Dass es gut wäre, Keine Lehrerbeschimpfung! Keine Politikerbeschimpfung! kompetenzadäquat zu unterrichten. Dass Keine Medienbeschimpfung! Nur eine riesengroße Sorge! homogene Lerngruppen nicht benachtei- ligen, sondern lerneffektiv sind. Dass es gut wäre, Sonderpädagogen I ch gestehe! Es geht mir manchmal die kapiert ihr, dass PISA nicht der Gradmesser auszubilden, um Experten für unsere Kin- Luft aus. Bildungspolitik und Schulpo- für Bildung ist. Wann kapiert ihr, dass Bil- der vorzubereiten. Dass es gut ist, den litik ist ein Marathon. Das ist mir nicht dung mehr ist als Wissen. Das Menschen- Erfahrungsschatz von Sonderpädago- neu. Was sich allerdings in der letzten Zeit bildung gerade in einer sehr offenen und gen auch wissenschaftlich weiterzuent- abspielt, ist haarsträubend. pluralen Gesellschaft hohe Bedeutung hat. wickeln. Dass sich die Lehrer täglich einsetzen Werte Wann kapiert ihr endlich! zu vermitteln. Wann BEGREIFT ihr endlich? Ihr telegenen Kommentatoren, die über Wann kapiert ihr endlich! – Ich weiß, dass dieser Leitartikel sehr Schule reden mit dem alleinigen Erfah- polarisiert rungsschatz der eigenen Schulzeit. Ihr Ihr bildungspolitisch Verantwortlichen in – Ich weiß, dass viele Themen nicht so selbsternannten Experten, die Bücher ver- den Parteien. Ihr Abgeordneten im Natio- einfach abzuhandeln sind, wie es in kaufen wollen und selbstgefällig Talkrun- nalrat, Bundesrat und Landtag. Ihr Entschei- einem Leitartikel anzusprechen ist. den im Fernsehen bestreiten. Ihr, die ihr dungsträger! Wann kapiert ihr endlich, dass – Ich weiß aber auch, dass viele meinen: noch nie für eine Schulklasse Verantwor- ideologische Spielchen allen auf den Geist „Warum sagt das niemand!“ tung übernommen habt und nicht für gehen. Dass gesellschaftspolitische Gräben Jahre, nicht einmal für einen Tag! aus dem vorigen Jahrhundert nicht mehr ...und darum sage ich: Wann kapiert ihr endlich, dass Schule Thema einer modernen Schulentwicklung mehr ist, wie eine Muppet-Show. sein können. „Wann kapiert ihr endlich!“ ■ Wann kapiert ihr endlich, dass Lehrer täglich bemüht sind, nicht nur Wissen zu vermitteln, Defizite auszugleichen, zu moti- vieren, zu integrieren. Perspektiven für die Schüler zu entwickeln. Schwache zu för- dern und Starke zu fordern. Dass Lehrer täglich Schüler motivieren, die gewohnt sind, dass sie ohnehin alles bekommen. Dass es Kinder gibt, die vom Krieg trau- matisiert sind. Diese Liste wäre – ohne zu jammern – seitenweise fortsetzbar. Wann kapiert ihr endlich! Ihr Bildungsvolksbegehrenden! Ihr Wissens- gläubigen! Ihr, die ihr der Meinung seid, Schule ist eine Wissensvermittlungsanstalt Foto: Fotolia die Stückzahlen produziert. Ihr, die ihr die Bildung mit Ausbildung verwechselt. Wann
6 Zeitenwende durch Schule 4.0 ? Wir schreiben das Jahr 2157. Tommy und Margie werden wie alle Kinder vom eigenen „machine teacher“ unterrichtet. Da findet der dreizehnjährige Tommy zufällig ein altes Buch über Schule. Es beschreibt, wie sie vor Jahrhunderten ablief. Margie war sehr überrascht, denn Schule wie anno dazumal gibt es nun nicht mehr. „Sure they had teacher, but it wasn’t a regular teacher. It was a man.“ – A human teacher! Diese Science Fiction Geschichte erzählt Isaac Asimov. („The Fun They Had“ in „Fantasy and Science Fiction“, 1951) G elingt mit Tablet, Laptop, PC, e-Book dann vom Vermittler zum Moderator. Oder Twitter, in den sozialen Medien angekom- und Whiteboard ein schulpädagogi- werde gar vom „machine teacher“ abge- men. Oft genug hantieren sie während des scher Durchbruch oder wird damit löst. Der „pädagogische Bezug“ würde von Unterrichts mit ihrem Smartphone unter der der Nürnberger Trichter des 21. Jahrhun- der Mensch-Maschinen-Beziehung ersetzt. Bank. Sie kommunizieren, spielen, bedienen derts gefunden? Mit dem Wunschtraum, „Ein elektronisches Klassenzimmer wäre ein ihre bis zu 20 Apps, googeln, verschicken Schülerinnen und Schüler könnten sich mit verarmtes, steriles ohne Erleben und ohne Fotos und manchmal böse Botschaften. dieser Form der „Eintrichterung“ Lernin- Reflexion.“ (Kraus 1998, 119) – Unsere – Schafft es Schule, die Schülerinnen und halte fast ohne Aufwand und Anstrengung Schülerinnen und Schüler sind in der digi- Schülern in einschlägigem Unterricht auf selbst aneignen. Die Lehrkraft mutierte talen Welt von Internet, Google, Facebook, verantwortlichen und sozialen Umgang
Digitalisierung 7 sem Falle daher zu (2012). Umso höher muss schulische Medienpädagogik ein- Dr. Johannes Riedl OÖ. Landesschulrats- geschätzt werden, damit sie über den präsident a. D., Unterricht hinaus wirksam bleibt. ehemaliger Landes- obmann des CLV OÖ Schule 4.0: „jetzt wird’s digital“ – ein Reformvorhaben? Schrittweise sollen, so das Arbeitsüberein- kommen der Bundesregierung (Arbeitspro- gramm 2013 – 2018, 42), zwischen 2017 Bildungsmedien ermöglicht neue Ein- und 2021 die klassischen Unterrichtsmit- satzformen und wird die Didaktik lang- tel (z. B. Schulbücher) in der Pflichtschule fristig nachhaltig verändern. Landes- durch digitale Medien (z. B. Tablet-PCs, hauptmann Thomas Stelzer hat bereits E-Books, »Bildungs-Apps«) im Rahmen der die Weichen gestellt, dass O.Ö. Vorreiter Schulbuchaktion ergänzt werden. Damit bleibt für Schulentwicklung durch digita- wird Schule 4.0 an technischer Ausstattung le Medien. So sollen alle Schulanfänger orientiert gesamte Schullaufbahn umfasst. Platinen bekommen, mit denen sie ler- Mit der Umsetzung der Strategie erwerben nen zu programmieren. alle Schülerinnen und Schüler in Österreich digitale Kompetenzen. Schule 4.0 – eine trügerische Dazu kommt ein Pflichtportfolio für Digi- Analogie? tale Kompetenz der Pädagoginnen und 4.0, das neue Zauberwort der Zeit! Macht Pädagogen und ein eigenes Zentrum an der es Sinn, „Industrie 4.0“ auch auf die Schule PH OÖ und Future Learning Lab in Wien. zu übertragen? Wie wird sie damit zurecht- Ist dies das Vorstellungsmodell eines kommen, wie wird sie sich anpassen, ohne „New Deal“ für die Schule? Wird die ihre Balance zu verlieren? Droht eine Funk- Computerintelligenz zum besseren Ins- tionalisierung des Menschen? Wird Bildung truktor, der seine Vermittlung in einer Klas- der Nützlichkeit untergeordnet? Oder wird sengemeinschaft optimal individualisiert? doch der Traum von der Bildungschan- Wird alles Lernen durchoperationalisiert cengleichheit durch digitale Individuali- und vermessen? Oder was davon kann sierung wirklich? Der Computer liefert das Digitalisierung in eine humane Leistungs- Programm, die Lernaufgabe das „Input“. schule eingebringen? Isaac Asimov warnt Der Schüler arbeitet die Lösung in einer mit seinem Essay! „Lernlandschaft“ ohne Klassenunterricht wie eine Maschine aus. Das Ergebnis wird Foto: Fotolia Oberösterreich steht nicht am Anfang, maschinell kontrolliert. Das Maschinenmo- digitale Medien im Unterricht einzuset- dell wird durch das Messmodell komplet- zen. Eduhi, heute Edugroup, von Anton tiert. Anpassung durch immer feinere Algo- mit den digitalen Medien vorzubereiten? Knierzinger aufgebaut, Land, Gemein- rithmen statt Bildung, d.h. der Entwicklung Es ist notwendig! Längst lauern im Internet den und Sponsoren haben die innova- zu Mündigkeit durch Kultur, statt Schule geheime Verführer. Social Bots verbreiten tiven Lehrkräfte dabei unterstützt. Die und Unterricht als Szenario der Begeg- mittlerweile automatisiert manipulierte Pädagogischen Hochschulen haben ent- nung! – Die Internetkonzerne haben dazu Informationen, auf die viele hereinfallen. sprechende Bildungsangebote bereitge- längst ihre profitorientierten Geschäfts- Die Theologin Haberer (2015, 151ff u.189ff) stellt. In O.Ö. sind alle Schulen online, und Marketingmodelle entwickelt. legt mit „10 Geboten für die digitale Welt“ verfügen bereits viele über Tablets oder im Sinne einer „digitalen Moral“ einen Laptops, die von den Lehrkräften ziel- Kompetenz statt Bildung? Ethikkodex für die Nutzung digitaler Medien gerichtet eingesetzt werden. Erstmalig Krautz (a.a.O.) prangert den Zauberbe- vor. Dennoch: „Wer ohne zu denken surft, und einzigartig entwickelten Wolfgang griff Kompetenz als Grundlage für diesen bleibt zurück. Wer ohne zu surfen denkt, T. Schwarz und Johann Engleitner ein Lernfunktionalismus an. In Anlehnung an bleibt allein.“ (Rauscher 2012, 27ff) digitales Evaluierungssservice zur stand- Franz Weinert, der sie für die OECD defi- ortorientierten Qualitätssicherung von niert hat, sind darunter die erlernbaren Vorweg: Die Nutzung digitaler Medien Schulen, das gemeinsam mit Astrid Leeb kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten zur in der Schule kann kontrolliert werden. von Edugroup online umgesetzt wird. anwendungsbezogenen Problemlösung zu Außerhalb findet der Zugang weitge- Als einziges Bundesland verfügt O.Ö. verstehen. Wird die Schulpädagogik vom hend unkontrolliert statt. Die Folgen über ein digitales Media-on-Demand Kompetenzbegriff bestimmt? Fehlt gerade zunehmender Internetnutzung in der Service, über das Bildungsmedien mit- noch die „Inkompetenzkompensations- Freizeit belegt die PISA-Studie 2015. tels Streaming, aber auch bildungsre- kompetenz“ (Odo Marquard)! Der Zusammenhang mit den schlech- levante Apps, abgerufen werden kön- Nun über allen Kompetenzen die digi- teren Schulleistungen wird aufgezeigt. nen. Die rasche und über alle digitalen tale Kompetenz? Ein neuer „Containerbe- – Spitzers einschlägige Kritik trifft in die- Medien mögliche Abrufbereitschaft der griff“, vollgestopft mit Allerlei und Unbe-
8 Digitalisierung stimmtem? Informationsmanagement und Methodenkompetenz verdrängen fachli- ches Wissen und Können. Überprüfbares statt „Ordnung der Vorstellungen“ (Otto Willmann) in den einzelnen Fachgebieten. Damit wird schulisches Lernen auf Kogniti- on verkürzt und inhaltsneutral. Lesekom- petenz kann z.B. an einem Rilkegedicht, aber auch an einer Betriebsanleitung für ein Smartphone geübt werden. Das Kompe- tenzkonzept sei ein gefährlicher „Trojaner“ für Bildung. (Krautz 2015, 14) Schule 4.0 – Vehikel der Human- kapitalpflege? Liessmann (206 u. 2014) oder Krautz (2009 u. 2015) belegen den Zusammenhang zwi- schen Kompetenzorientierung und ökono- mischer Produktionsoptimierung. Die OECD hat das Europäische Bildungssystem in eine ökonomische Geiselhaft genommen. Schu- len als Produktionsstätten des Humanka- pitals in Analogie von Industrie 4.0? – Jahr für Jahr werden Millionen von Schülerinnen und Schülern vermessen. Der Dauertestlauf: Bildungsstandards, PISA, TIMSS, PIRLS, (2014) haben neun populäre Mythen iden- – Weil auf dem Wegweiser in die Zukunft IKM, Lesetest. Kommt nun ein neuer Test tifiziert und auf deren wissenschaftlichen Bildung steht, werden Schulen dann die für die Volksschule dazu? Der Computer Gehalt überprüft. „Im Mittel der aggre- Nase vorne haben, wenn sie die digitalen macht es möglich! Das Maschinenmodell gierten Ergebnisse finden sich keine Belege Medien in den pädagogischen Bezug ein- bleibt erhalten. Passen Kompetenztheorie, dafür, dass die Nutzung digitaler Medien zur betten und dabei Nutzen und Gefahren Maschinenmodell und Testkontrolle nicht sozialen Vereinsamung führt, gesellschaft- abwägen. Weder unkritische Anbetung gut zu einander? Optimieren sie nicht die lich-politisches Engagement verhindert oder oder blinde Verteufelung sind angemessen. Fremdsteuerung im schulischen Lernprozess. die selbstberichtete Einsamkeit erhöht. Die Zusammenhänge zwischen Internetnut- Information und Wissen Digitale Demenz statt digitaler zung und Wohlbefinden bzw. Depressivität Europäische Universitätsprofessoren be- Kompetenz? sind sehr klein, aber signifikant, wie auch die richten besorgt über die mangelhaften Manfred Spitzer warnt mit 368 Seiten Zusammenhänge zwischen der Nutzung Voraussetzungen der Studienanfänger. vor „Digitaler Demenz- Wie wir uns und von Bildschirmmedien und Übergewicht. Im Vier von zehn von ihnen seien Teilanalpha- unsere Kinder um den Verstand bringen.“ Mittel zeigt sich ferner, dass das Lernen mit beten. Eine Ursache dafür meint man in (2012). Seine These: Computer machen sie Computer und Internet, inklusive Lernspiele, der Digitalisierung ausgemacht zu haben. dumm, einsam, süchtig, gewalttätig – und positive Konsequenzen haben kann. Aller- Die Suchmaschinen Internet und Google dick. Wenn das Denken an den Compu- dings sind die negativen Auswirkungen von als Sündenböcke? „Mechanical teachers“, ter ausgelagert werde, verkümmere das gewalthaltigen Videospielen auf aggressives die weite Tore zu Wissen und Information Gehirn. Daher sollte man dieses Gerät von Verhalten und Erleben ebenfalls gut belegt.“ öffnen; es ermöglichen, in virtuellen Expe- Kindern fern halten. Zuhause nützen es die (a.a.O.) Der größte Wissenszuwachs sei zu ditionen die mikro- und makroskopische Kinder vorwiegend oder ausschließlich, um verzeichnen, wenn es sich bei Unterricht um Welt zu erkunden; die Lernplattformen damit zu spielen, günstige Voraussetzung eine Mischung aus Face-to-face-Kommuni- mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten für die Entwicklung von Abhängigkeit. Die kation und multimedialen Anteilen handelt. nützen. Trotz ihrer Vorerfahrungen sind Verwendung des Computers im Unter- – Auch die Wirkungsstudien zum Lernen mit die Schülerinnen und Schüler weitgehend richt bringe keinen oder nur geringen Computerspielen zeigen im Durchschnitt „digital natives“. Sie müssen lernen, unter- Lernfortschritt. Tritt Spitzer mit „analoger positive Effekte. Die Alternative zur panik- schiedliche Informationsquellen zu nüt- Ignoranz“ auf? So fragte bereits 2012 die machenden Verteufelung: Leben und Arbei- zen, aus ihnen kritisch auszuwählen und FAZ. Wissenschaft hat längst Einwendun- ten mit dem Computer, auch in der Schule, zu bewerten. In den Entstehungsprozess gen gegen die Begründungszusammen- aber zielorientiert und verantwortungsvoll dringen sie ein, wenn sie selbst Informa- hänge Spitzers vorgebracht. – und mit einem Schlüsselwort des Arbeits- tion, z.B. Blog herstellen. Cognitive maps, In einer Evaluierungsstudie im Auftrag programmes: ergänzend! geistige Landkarten darüber, wie alles mit des BMB erbrachten Schülerinnen und allem zusammenhängt, entstehen durch Schüler in Notebook-Klassen der 9. Schul- Über Nutzen und Gefahren verarbeitungstiefe, selbständige Aktivität. stufe bessere Leistungen als jene ohne Note- Die Digitalisierung unserer Lebensberei- Der international standardisierte Com- book. (Spiel 2015, 103f.) Appel u. Schreiner che bewirkt eine Zeitenwende der Schule. puterführerschein gehört unverzichtbar
Digitalisierung 9 differenziert wissenschaftlich untersucht angehängt werden. Auch eine Kustodiats- werden müssen, ehe es in Ho-Ruck-Aktion stunde reicht dafür nicht. Was, wenn der allgemein eingeführt wird. „mechanical teacher“ ausfällt? Bitte war- ten, bis der regionale Netzwerkbetreuer Kommunikation und Kooperation ankommt? Schülerinnen und Schüler leben längst Google liefert zu „Lernplattformen für in realen Welten und in virtuellen Kom- Schüler“ 259 000 Einträge!. Auch diese munikationsräumen und Netzwerken. Lernhilfen erfordern Fachkompetenz für die Allerdings fehlen den meisten von ihnen Auswahl (Baumgartner 2002) und brau- dafür die ethischen und moralischen Vor- chen Service. Müssen dafür nicht eigene aussetzungen. Daher braucht es Lernpro- Planstellen geschaffen, die von Netzwerk- gramme für verantwortlichen Umgang mit managern besetzt werden? Bildungspolitik den sozialen Medien, z.B. in Projekten von sollte an einer Kultur des „Zu-Ende-Den- Sparkling Science 2016. (Vgl. dazu auch kens“ orientiert werden. www.bleibfair.at; www.saferinternet.at oder www.mimikamaka.at) Zahlreiche For- „Laß den Anfang mit dem Ende sich in eins schungsprojekte untersuchen dazu optima- zusammenzieh'n!“ (J. W. v. Goethe) ■ le Übungsformen. Von öffentlicher Hand in Auftrag gegebene oder kommerzielle digi- tale Lernmittel müssen wissenschaftlich auf „Margie…was thinking about ihre Qualität und Nachhaltigkeit überprüft werden. Allemal droht digitaler Reduktio- the old schools they had when Foto: Fotolia nismus. Vermittelt wird, was der „mecha- her grandfather's grandfather nical teacher“ kann. was a little boy. All the kids Er liefert die individualisierten Lernal- zum Bildungsrepertoire der Schule im gorithmen und bewertet die Aufgaben- from the whole neighborhood 21. Jh. Bereits ab der Volksschule könnte das lösungen. . Fremdsteuerung gemäß dem came, laughing and shouting in Smartphone zum Übungsgerät für Vokabel, Maschinenmodell 4.0? Der „human tea- the schoolyard, sitting together für additive Operationen, für Recherchen cher“ begleitet den Prozess dann lediglich im Unterricht, werden. Aber: Wann wird als Monitor. in the schoolroom, going home das 10-Fingersystem für die alphanumeri- together at the end of the day. sche Tastatur gelernt, sollen Schülerinnen „Mechanical teachers“ brauchen They learned the same things, und Schüler nicht im „fliegenden Zweifin- Servicemen! gersystem“ stecken bleiben? Sie spielen Die Anschaffung der Hardware für die so they could help one another auch nicht nur mit zwei Fingern Klavier… Volksschulen und die Sekundarstufe I wird on the homework and talk about Welche Folgen wird die Tabletnutzung für zu einem großen Geschäft. Sollen die it…And the teachers were die Schreibschrift haben? Geräte pädagogisch funktionell werden, e-Learning fordert Lehrer- und Schü- so müssen sie vernetzt und mit WLAN ver- people...Margie was thinking lerschaft gleichermaßen heraus. Wird der bunden werden. Selbst wenn eCloud-Ser- about how the kids must have Computer als Lernmittel reflektiert und vice genützt wird, erfordert es am Stand- loved it in the old days. She was vorbereitet eingesetzt, so kommt es zur ort Netzwerkbetreuung. Keine Zeile dazu Steigerung der Lernleistung. (Spiel 2015, in der Ankündigung von Schule 4.0! Diese thinking about the fun they 123f.) Die Wirkung von e-Learning wird Aufgabe darf nicht wieder der Lehrerschaft had.“ (Isaac Asimov) Literatur und Quellen Appel, M. & Schreiner, C. (2014). Digitale Demenz? Mythen und wissenschaftliche Befundlage zur Auswirkung von Internetnutzung. Psychologische Rundschau, 65, 1-10. Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013–2018: https://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=53264 Schule 4.0. – jetzt wird’s digital: https://www.bmb.gv.at/schulen/schule40/index.html Baumgartner, P. (u.a.) (2002). E-Learning Praxishandbuch: Auswahl von Lernplattformen; Innsbruck: Studienverlag Bericht der Expertenkommission des BMBF (D) zur Medienbildung : Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur. Berlin 2010 (https://www.qualifizierungdigital.de/_medien/.../ kompetenzen_in_digitaler_kultur.pdf ) Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Berlin 2016 Haberer, J. (2015). Digitale Theologie. München: Kösel. Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur. (2010) Hrsg.v. BMBF. Bielefeld: Bertelsmann. Kraus, J. (1998). Spaßpädagogik. 2. Aufl. München: Universitas. Krautz, J. (2009). Bildung als Anpassung. Das Kompetenz Konzept im Kontext einer ökonomisierten Bildung. In: Fromm Forum 13, 87–100 Krautz, J. (2015). Kompetenzen machen unmündig. Berlin: GEW. 2.Aufl. Liessmann, K.P. (2006). Theorie der Unbildung. Wien: Zsolnay. Liessmann, K.P. (2014). Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Wien: Zsolnay. Marquard, O. (1982). Inkompensationskompetenz? In: Abschied vom Prinzipiellen.Stuttgart: Reclam, 23–38 (Universalbibliothek, 7724) Morozov, Evgeny (2016) Vom Global Village zum Feudalstaat. NZZ 30.08.16 Rauscher, E. (2012). Schule sind wir. Bessermachen statt Schlechtreden. St.Pölten: Residenzverlag. Spiel, Chr. (2015). Schule. Etsdorf: Galila. Spitzer, M. (2012). Digitale Demenz. München: Droemer. (Droemer TB 30056)
10 AUSSENSICHT DAS SCHULBLATT | JULI 2017 Foto: Fotolia „Welche Diskussion führen wir eigentlich? Eine pädagogische oder eine gesellschaftspolitische?“ Über Wahlfreiheit und Vorteile von Sonderschulen Sonderschulen grenzen nicht aus! Astrid Ebenberger B is zum Jahr 2020 will Bildungsminis- nicht alle betroffenen Eltern und Kinder terin Sonja Hammerschmid alle Son- teilen. Es gibt Fälle, bei denen die Eltern derschulen abschaffen und durch eine sonderpädagogische Einrichtung für Inklusionsklassen – Kinder mit und ohne die bessere Lösung halten: Weil bestimm- Behinderung sitzen in einer Klasse und te Krankheiten oder Behinderungen eine werden gemeinsam unterreicht – erset- ganz spezielle Ausbildung des Lehrper- zudem, ob eine Inklusion bei unterschied- zen. Selbstverständlich sonales und einen höhe- lichen Lehrplänen, d.h. unterschiedli- darf kein Kind zurück- ren Betreuungsschlüssel cher Stundenanzahl, unterschiedlichen gelassen werden. Aber erfordern oder weil viele Bildungszielen tatsächlich pädagogisch Niemand darf einem welche Diskussion füh- sonderpädagogische Ein- durchführbar ist. Ich vermute, dass es wie- ren wir eigentlich? Eine Kind das Recht auf Inklu- richtungen hochspezia- der der Phantasie und der Kreativität der pädagogische oder sion verwehren. Dabei lisierte Therapiezentren Lehrerinnen und Lehrer überlassen bleibt, eine gesellschaftspoli- sind, die großartige Arbeit wie qualitativ der gemeinsame Unterricht wird allerdings überse- tische? leisten. abläuft. Die Herausforderungen an alle Ich erlebe eine gesell- hen, dass dieses Ziel Jedes Kind ist einzig- sind dann immens. schaftspolitische. Die nicht alle betroffenen artig und muss seinen Sonderschulen erweisen sich als gut sogenannte Wertege- Anlagen und Fähigkeiten funktionierende und notwendige Bil- Eltern und Kinder teilen. meinschaft beschreibt entsprechend gefördert dungseinrichtungen. Ihr Erhalt garantiert Neue Mittelschulen als werden. Wenn uns das die Wahlfreiheit für Kinder und Eltern. Sie Restschulen, berufliche Wohl jedes einzelnen Kin- grenzen nicht aus! Sie ermöglichen vielen Bildung als weniger erstrebenswert und des als oberstes Prinzip gilt, dann müssen Kindern den Weg in ein selbstbestimmtes Sonderschulen als Stätten der Ausgren- wir hinterfragen, wie gut diese Inklusion Leben! ■ zung. Unbestritten ist: Wo es möglich derzeit gelingen kann! Viele Schulen sind ist, müssen Schülerinnen und Schüler nicht vorbereitet auf echten, inklusiven Zur Person: Dr. Astrid Ebenberger ist Vizepräsidentin des mit Beeinträchtigung bestmöglich inter- d.h. gemeinsamen Unterricht. Oft man- Katholischen Familienverbandes. Sie ist ausgebildete giert werden. Niemand darf einem Kind gelt es an baulichen Gegebenheiten und Hauptschullehrerin und promovierte Bildungswissen- schaftlerin. Derzeit leitet sie eine NMS in NÖ und lehrt das Recht auf Inklusion verwehren. Dabei speziell ausgebildetem Lehrpersonal in an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/ wird allerdings übersehen, dass dieses Ziel ausreichender Anzahl. Zu hinterfragen ist Krems.
JULI 2017 | DAS SCHULBLATT Aussensicht 11 Wir dürfen Lehrern nicht vermitteln, dass sie nur mit einer bestimmten Lernform die Schüler gut und glücklich machen können. Bildungsforscher Ulrich Trautwein über Ideologie in den Diskussio- form konzentriert, können sich Lernmilieus etablieren, die nicht leistungsförderlich nen über Inklusion, Gesamtschule und lehrerzentrierten Unterricht. sind. Braucht man aber eine Schule für alle, damit die Leistungsschwächeren von den Stärkeren mitgezogen werden? Da bin ich Wie oft ärgern Sie sich, weil irgendwelche Was ist an dem Argument dran, dass die mir nicht so sicher. Auch mit den unteren Reformen diskutiert werden, für die es wis- stärkeren Schüler die schwächeren mit- 50 Prozent können Lehrer ein leistungs- senschaftlich keine Basis gibt? ziehen? orientiertes Lernmilieu aufbauen. Trautwein (TW): Ich werde regelmäßig TW: Wenn durch die Leistungsdifferen- mit ideologischen Positionen konfrontiert. zierung Lernmilieus entstehen, die stark Wie viel macht denn überhaupt die Schul- Dafür, wie viel Geld in die Bildung fließt, ist geprägt sind von Schülern, die bereits form aus? das Maß an nicht-ideologischer Qualitäts- TW: Die öffentliche Diskussion kreist 90 sicherung erstaunlich gering. Prozent der Zeit um Fragen nach Schul- formen, Leistungsdifferenzierung und Warum ist das ausgerechnet bei Bildungs- Unterrichtsformen. Aber wahrscheinlich fragen so stark? erklären diese Faktoren nur zehn Prozent TW: Bildungsfragen sind Wertefragen und des Lernerfolgs. Viel wichtiger ist es, ob das ist auch in Ordnung. Nicht in Ordnung Lehrer es schaffen, eine hohe Unterrichts- ist, wenn das vermischt wird. Man muss qualität zu bieten. deutlich trennen: Wo geht es um Werte – wofür haben wir Evidenz. Man diskutiert also, wenn es um Verände- rungen der Schule geht, zu 90 Prozent über Haben Sie dafür ein Beispiel? das Falsche. TW: Etwa die Inklusion von Kindern mit TW: Man diskutiert zu viel über Faktoren, Behinderung. Dass in inklusiven Settings die sich nicht direkt auf das Ergebnis aus- alle besser lernen, kann ich empirisch nicht wirken. Entscheidend ist, was im Unterricht nachvollziehen. Trotzdem kann man natür- passiert: Gelingt es Lehrern, die Zeit wirk- lich für die Inklusion eintreten, weil man es lich für den Unterricht zu nutzen? Schaffen wichtig findet, dass moderne Gesellschaf- sie es, dass Schüler intensiv mit dem Lern- ten so organisiert sind. stoff arbeiten? Bauen sie eine Beziehung auf, die die Motivation der Schüler stärkt? Das gemeinsame Lernen ist auch ein Darüber muss man sich mehr Gedanken Streitthema. Stimmt es, dass davon alle pro- machen. fitieren – wie manche gern argumentieren? TW: Auch hier findet man oft eine Ver- Es geht also um die Lehrer. mischung ideologischer Positionen mit TW: Aber auch hier ist Ideologie fehl am angeblichen empirischen Ergebnissen. Die Platz. Wenn man einem, der guten lehrer- Datenlage ist weit weniger eindeutig als zentrierten Unterricht gemacht hat, sagt, oft behauptet. Die Leistungsunterschiede er muss auf Teufel komm raus Gruppen- zwischen Schülern in der Sekundarstufe arbeit einführen, tut man den Schülern sind sehr groß. Wenn da alle Schüler vom schulische Misserfolgskarrieren aufweisen, nichts Gutes. Wir dürfen Lehrern nicht gemeinsamen Lernen profitieren sollen, zu Hause wenig Unterstützung erfahren, vermitteln, dass sie nur mit einer bestimm- muss man den Unterricht sehr gut orga- und vielleicht von schwachen Lehrern ten Lernform die Schüler gut und glücklich nisieren. Das Zauberwort lautet da meist: unterrichtet werden, die keine hohen Leis- machen können. ■ Individualisierung. Aber leider ist Individuali- tungserwartungen haben, hat man tat- sierung in der konkreten Umsetzung enorm sächlich ein Problem. schwierig, und so manche Lehrkraft schei- ZUR PERSON: Prof. Dr. Ulrich Trautwein ist Professor für empirische Bildungsforschung an der Universität Tübin- tert daran. Lernformen, die sehr stark an Ist also eine stärkere Durchmischung der gen. Einer seiner Schwerpunkte ist Effektivität im Bil- selbstregulative Fähigkeiten geknüpft sind, Schüler nötig? dungssystem. Der hier abgedruckte Interviewauszug erscheint mit freundlicher Zustimmung von Herrn Prof. überfordern dann womöglich ganz beson- TW: Wenn man die 15 bis 25 Prozent leis- Trautwein und von Frau Bernadette Bayrhammer, die das ders die leistungsschwächeren Schüler. tungsschwächsten Schüler in einer Schul- Interview für die Tageszeitung DIE PRESSE führte.
12 Nachgefragt Mag.a Christine Haberlander (CH), seit einigen Monaten Landesrätin für Gesundheit, Bildung und Frauen, und der Präsident des LSR f. OÖ, HR Fritz Enzenhofer (FE), geben ihr erstes gemeinsames Interview. Im Gespräch mit dem Schulblatt sprechen sie unter anderem über die aktuelle Bildungspolitik, die von der FPÖ eingerichtete Meldestelle für Parteipolitik an Schulen, über Inklusion und den Aha-Effekt beim Lernen. Frau Landesrätin, Sie sagen, dass eines der Schwerpunkte, die wir in OÖ setzen, wie Von Gewerkschaftsseite gibt es großen wichtigsten Dinge als Politikerin für Sie die Digitalisierung. Das Schöne ist meiner Widerstand gegen das Autonomiepaket. das „Zuhören können“ sei. Haben Sie bei Meinung nach, dass man in der Bildungs- Können Sie diesen Widerstand nachvollzie- Ihren Gesprächen über Bildung auch schon politik schon spürt, dass es grundsätzlich hen oder sagen Sie auch, dass die Eckpunkte Aha-Erlebnisse gehabt? um das Kind geht. Das Kind ist im Mittel- des Pakets nicht verhandelbar sind? CH: Jedes Gespräch ist aus meiner Sicht punkt aller Überlegungen und Entwick- CH: Ich verstehe, dass die Gewerkschaft ein Gespräch, bei dem es ein Aha-Erlebnis lungen und auch im Fokus jedes einzelnen Kritik übt und ich verstehe auch, dass sie gibt. Von meinem Selbstverständnis her ist aus diesem Bereich. auf ihrer Position besteht. Mein persönli- es so, dass man aus allen Gesprächen etwas FE: Die derzeitige bildungspolitische Dis- cher Zugang ist, dass Veränderungen in mitnehmen kann. Das ist meine Grundein- kussion ist gekennzeichnet durch eine Ver- einem so großen Bereich nur möglich sind, stellung, mit der ich in einem Gespräch mengung aus einer pädagogischen und wenn sie von allen Beteiligten mitgetragen meinem Gegenüber begegne. einer organisatorischen Diskussion. Teile werden. Das heißt, dass man Gespräche dieser organisatorischen Diskussion betref- führen muss bis Lösungen gefunden wer- Wie beurteilen Sie die aktuelle Bildungspo- fen klar die Cluster. Das ist auch indirekt den, die von allen akzeptiert werden. litik? eine pädagogische Diskussion. Das Thema CH: Die Bildungspolitik ist in Fluss. Es gibt der Verwaltungsreform ist aber grundsätz- Ihnen wäre es also wichtig, dass man zu laufende Veränderungen hinsichtlich der lich kein Bildungsthema. Es ist ein Thema einem sozialpartnerschaftlichen Abschluss demografischen Entwicklung zum einen, der Staatsreform. Dort soll geklärt werden, kommt? zum anderen gibt es bundespolitische welche Aufgaben hat das Bundesland, wel- CH: Eine Lösung kann nur gemeinsam mit Vorgaben im Bildungsbereich, die zur che hat die Gemeinde und welche hat der den Lehrerinnen und Lehrern gefunden Diskussion stehen und in Entwicklung Bund. Man sollte meiner Meinung nach werden. Diese müssen sich dabei auch sind, bei denen wir aber zum aktuel- diese beiden Diskussionen voneinander wiederfinden können. Dass Reformen und len Zeitpunkt nicht wissen, wie sie sich trennen und die vorerst einmal pädagogi- Veränderungen nicht immer für alle Partner entwickeln werden. Es gibt aber auch schen Punkte in den Mittelpunkt rücken. von Anfang an in Ordnung sind, ist klar.
13 Veränderungen und Unser Bestreben müsste eigentlich Entwicklungen können nur sein, die Pädagogik vom Kinder- entstehen, wenn sie gemeinsam garten bis zur AHS-Oberstufe und entstehen, gemeinsam bis zur HTL in einer zuständigen entwickelt und gemeinsam Stelle zu vereinen. getragen werden. Man muss sich aufeinander zubewegen. sche Verantwortliche, sogar Nationalrats- und Kenntnisse, die nicht jede Lehrerin Das ist ein großes Thema bei dieser Bil- abgeordnete, in das Unterrichtsgeschehen bzw. jeder Lehrer haben kann. Auch in der dungsreform. Es geht sicherlich auch um hineininterveniert. Da sieht man, dass die Medizin ist es so, dass selbst hervorragen- die Art und Weise, wie man miteinander „Autonomie“ nicht sehr ernst genommen de Allgemeinmediziner die Fachärzte nicht spricht, wobei ich das in diesem Kontext wird, sondern versucht wird, die Schule ersetzen können. Man muss sich die Frage nicht beurteilen kann, weil ich nicht dabei von oben herab zu lenken. stellen, welche Aufgabe hat die Schule für bin oder auch nicht war. Ein Endergebnis das einzelne Kind. Welche soziale Aufgabe sollte schlussendlich von allen mitgetragen Das Thema „Inklusion“ ist in aller Munde. hat sie, um Menschen, die unterschiedliche werden. Das ist schon sehr wesentlich und Bis 2020 soll die Sonderschule der Vergan- Zugänge haben, wirklich zusammenzufüh- es ist auch notwendig, dass man die Beden- genheit angehören. Wie sehen Sie diese ren und wo haben wir als Schule die Aufga- ken der Gewerkschaft sehr ernst nimmt. Thematik? be Menschen so zu fördern, dass es in ihren Die Akzeptanz der Lehrerinnen und Lehrer CH: Ich bekenne mich zu den aktuell Möglichkeiten wirklich zu einer optimalen ist sehr wichtig. Mein politischer Zugang bestehenden Sonderschulen. Ich war vor Lösung kommt. Wichtig ist, dass in jedem ist nicht von oben verordnen, sondern wenigen Tagen in St. Isidor. Unsere Lan- einzelnen Fall sorgsam zum Wohl des Kin- gemeinsames Gestalten. Veränderungen dessonderschulen sind großartige Schulen. des entschieden wird. und Entwicklungen können nur entstehen, Ich glaube, dass es notwendig ist, dass es wenn sie gemeinsam entstehen, gemein- die Form der Sonderschule auch über das sam entwickelt und gemeinsam getragen Jahr 2020 hinausgehend gibt. In diesem Wie beurteilen Sie die von der FPÖ einge- werden. Punkt der Bildungsreform, der auch von richtete Meldestelle für Parteipolitik an FE: Ich halte Teile des Autonomiepakets für der Gewerkschaft kritisiert wird, teile ich Schulen? problematisch. Man gibt vor für Autono- die Meinung der Gewerkschaft. Unsere CH: Aus meiner Sicht braucht man sie mie zu sein, in Wahrheit ist man jedoch für Landessonderschulen sind für mich ein nicht. Es braucht keine Parallelstruktur einer Zentralismus. Einige Beispiele der letzten Bestandteil unseres Bildungssystems. Sie politischen Partei. Wir haben bestehende Tage und Wochen zeigen, dass das Minis- leisten hervorragende Arbeit. gute Strukturen der Behörde und diese ist terium einerseits versucht hat, direkt in den FE: Ich halte es für falsch, die Sonderschu- dafür zuständig und dort wird das in einer Schulen Einfluss zu nehmen und sich dabei len abzuschaffen. Ich weiß, dass die Son- sehr hohen Qualität abgewickelt. auch in die tägliche Unterrichtsgestaltung derschulen eine enorme Qualität bieten. FE: Dieser pädagogische Pranger, der da begeben hat, andererseits haben politi- Die Sonderschullehrer haben Qualitäten jetzt in Form einer Homepage eingerichtet
14 Was ich aber vehement ablehne, sind Rankings, Ich glaube, dass es notwendig so etwas wäre eine ist, dass es die Form der gesellschaftspolitische Sonderschule auch über das Niederlage. Jahr 2020 hinausgehend gibt. wurde, ist eigentlich kein pädagogischer Zum Beispiel Kindergartenpädagogen, beim Lesen nicht erreichen, ist aber doch Pranger sondern ein politischer Pranger. Volksschullehrer in hohem Ausmaß, das sehr hoch. Woran kann das liegen? Diesen halte ich für absolut gefährlich. war früher noch etwas anders. Das ist jetzt CH: Ich sehe es so, dass die Verantwor- Wir hatten das schon in der Vergangen- keine Wertung, aber ich beobachte, je tung für das „Lesen können“ nicht allein heit. Das ist abzulehnen. Sollte in dieser mehr man mental einen Beruf als Sozial- in der Schule liegt. Schon lange vor dem Angelegenheit etwas gemeldet werden, beruf sieht, umso eher ist er weiblich. Das Schuleintritt machen Kinder wichtige werden wir mit den Daten sehr sorgsam geschieht automatisch im Unterbewusst- Erfahrungen mit Sprache. Hier muss man umgehen. Man kann nicht ausschließen, sein der Bevölkerung und daher sollten einen Appell an die Eltern richten, dass dass tatsächlich Problemfälle genannt wir bei diesen Berufen deutlicher darauf sie mit den Kindern lesen und dass sie werden. Dem muss man natürlich nachge- hinweisen, dass es zwar soziale Arbeitsbe- den Kindern von Beginn an vorlesen. Es hen. Vernaderung soll aber keine Chance reiche gibt, die zu erfüllen sind, dass dies kann nicht jede Aufgabe von der Schule haben. aber nur ein Teil des Berufes ist. übernommen werden. Jetzt sage ich nicht, Es ist zum Beispiel sehr wichtig, dass wir dass die Eltern den Kindern das Alphabet Man diskutiert oft über die Frauenquote. in den Kindergärten eine pädagogische beibringen müssen, aber es ist wichtig, Aus schulischer Sicht stellt sich die Frage Einrichtung sehen. Es ist kein Ort, wo Kin- dass jemand daheim da ist, präsent ist, der ein bisschen anders, braucht es eine Män- der nur ihre Zeit verbringen, sondern es den Kindern auch ein sprachliches Vorbild, nerquote? ist ein zutiefst pädagogischer Ort. Dassel- ein Lesevorbild ist. In diesem Zusammen- CH: Ich bin so oder so gegen Quoten, be gilt natürlich auch für die Volksschule. hang sind die digitalen Medien natürlich daher auch hier. Wobei ich schon glau- Unser Bestreben müsste eigentlich sein, auch eine Verlockung. Es ist aber ganz be, dass es mehr Männer in der Pädago- die Pädagogik vom Kindergarten bis zur wichtig, dass die Verantwortung für die gik, mehr Männer in den Klassenzimmern AHS-Oberstufe und bis zur HTL in einer sprachliche Entwicklung auch zuhause braucht. Ich begrüße jede Initiative, die es zuständigen Stelle zu vereinen. Ich glaube, wahrgenommen wird. in diese Richtung gibt. damit könnte man das Problem der Nahts- FE: Hier halte ich es mit der Frau Landes- tellen wesentlich verbessern. Die Frage etwas anders an den Präsidenten rätin, das ist kein Thema der Quoten. Die des LSR. PISA und Standards – sinnvoll oder Frage, die sich mir aber dabei stellt, ist ein OÖ schnitt bei den Bildungsstandards und sinnlos? gesellschaftliches Phänomen. Es gibt Beru- auch bei PISA sehr gut ab. Der Anteil der FE: Bevor ich darauf antworte, sei mir ein fe, die immer männeruntypischer werden. Jugendlichen, die die Mindestanforderung kurzer Rückgriff auf das soeben Gesag-
15 Fotos: Walter Utz Fotos: Walter Utz Dieser pädagogische Pranger, der Aus meiner Sicht braucht man da jetzt in Form einer Homepage die Meldestelle der FPÖ für eingerichtet wurde, ist eigentlich Parteipolitik an Schulen nicht. kein pädagogischer Pranger Es braucht keine Parallelstruktur sondern ein politischer Pranger. einer politischen Partei. te erlaubt. Ich war vor kurzem bei einer Reflexion, die mir sehr wichtig erscheint. dieser Aha-Effekt da. Deswegen habe auch Veranstaltung, wo ein ORF-Moderator von Was ich aber vehement ablehne, sind Ran- sehr gerne gelernt. Ich erinnere mich der Bühne herab zu mir gesagt hat: „Na kings, so etwas wäre eine gesellschaftspo- gerne zurück, wenn ich daheim gelernt Herr Präsident, was könnten wir denn tun, litische Niederlage. habe, weil mir dabei immer auch etwas damit die Schüler mehr lesen?“ Ich habe aufgegangen ist. Das ist, glaube ich, etwa auf die Bühne gerufen: „Den Fernseher Frau Landesrätin, LH Stelzer hat gesagt, sehr Wertvolles, was Schule vermitteln abschalten!“ Genauso ist es! Jeder hat Ver- man möchte für OÖ wieder eine eigene kann: den Aha-Effekt. ■ antwortung: die Schule, die Eltern, die Leh- PISA-Landesauswertung. Welche Position rer, die Gesellschaft. Wenn uns das Lesen nehmen Sie in dieser Frage ein? ein Anliegen ist, dann müssen wir uns alle CH: Diese Frage werden wir beizeiten ent- gemeinsam bemühen. Die Schule strengt scheiden. Daten sind natürlich für betrof- sich an das Beste zu geben. fene Organisationen ein wichtiges Instru- Zur Person: Christine Haberlander wuchs in Enns in Oberösterreich auf. Nach der Matura an der Körnerschu- Nun zur eigentlichen Frage. Ich freue ment, aber ich stimme Fritz Enzenhofer zu, le Linz studierte sie Wirtschaftswissenschaft an der Uni- mich natürlich über die Ergebnisse. Es ist man muss sehr sorgsam damit umgehen versität Linz. 2009 kandidierte sie für die ÖVP bei der Europawahl. Sie arbeitete mehrere Jahre im ÖVP-Land- bekannt, dass ich Testungen wie PISA vom und sich auch ansehen, was sie wirklich tagsklub und war beim Landesspitalsträger Gespag für Ertrag her sehr skeptisch gegenüberstehe, bringen. den Bereich Gesundheitsorganisation zuständig. Ab Februar 2015 war sie im Büro von Landeshauptmann denn PISA bringt mir für die Schule gar Josef Pühringer als Referentin für Gesundheitsagenden nichts. Rangreihungen zwischen Ländern Eine abschließende Frage an die Gastgebe- tätig. Am 6. April 2017 wurde sie zur Landesrätin gewählt und angelobt. helfen uns nicht weiter. Auch das Suchen rin: Was sind die wertvollsten Erinnerungen, von Schuldigen und Unschuldigen bringt die Sie mit Ihrer Schulzeit verbinden? uns nicht weiter. Die Bildungsstandards CH: Der eingangs besprochene Aha-Effekt sehe ich anders. Hier bin ich sehr offen, passt hier sehr gut. Ich hatte immer Leh- denn die Standards geben den Schu- rerinnen und Lehrer, die uns beigebracht len - somit auch den Lehrern - Rückmel- haben, über das Fach hinauszudenken. Das dung und das sehr authentisch und noch habe ich immer sehr geschätzt, beispiels- einigermaßen zeitnah. Natürlich nicht weise wenn ausgehend vom Deutschun- mehr für den einzelnen Schüler, den man terricht Literatur, Musik und Geschichte so Das Interview führten unterrichtet hat, aber für eine persönliche ineinandergegriffen haben. Da war dann Birgit Loidl und Maximilian Egger
16 Grundschulreform DAS SCHULBLATT | JULI 2017 Was bringt das dem Schüler? Andrea Fürtauer- Mann VS-Lehrerin Teile der Grundschulreform wurden in den vergangenen Wochen von den PädagogInnen bereits in die Tat umgesetzt. Vor allem wurde fleißig verschriftlicht, was früher zwar auch dokumentiert unterrichtet werden. Was ab dem Schuljahr wurde, aber nun eine neue Dimension in der Leistungsbeurtei- 2017/18 nach Abstimmung mit der Schul- aufsicht möglich sein wird. lungsverordnung § 23 a erreicht hat. Damit die Schüler bessere Leistungen bringen und die Schule gelingt, liegt laut Hattie fast ausschließlich im Können der W as bitte bringt das den Schü- Dass durch Reformen alleine die Schule LehrerInnen. Übrigens definiert Hattie in lern?“ haben sich viele Pädago- nicht viel besser wird, hat schon der Pädago- seinem Buch den perfekten Lehrer so: ginnen und Pädagogen gefragt, gikprofessor der Universität of Melbourne als ihnen in den vergangenen Monaten John Hattie in seinem Buch „Lernprozesse Sie/Er muss … die Grundschulreform präsentiert wurde. sichtbar machen“ festgehalten. Nach 15 • wie ein Regisseur arbeiten – den Unter- Vor allem die Leistungsbeurteilungsver- Jahren wissenschaftlicher Arbeit ist der Bil- richt dirigieren und planen, sodass die ordnung §23a erfordert von jedem ein- dungsexperte zu der Erkenntnis gekommen, Schüler ihre Stärken entfalten können. zelnen Pädagogen einen enormen büro- dass guter Unterricht allein vom Können • Beziehung eingehen – „Es geht darum, kratischen Mehraufwand. „Bisher haben der Lehrerin oder des Lehrers abhänge. Die in jedem Kind etwas Goldenes zu sehen“. 80 Prozent der Volksschulen in Oberös- Debatte über die äußeren Strukturen von • den Kindern zuhören – bei den Arbei- terreich ohnehin die alternative Beurtei- Schulen und Unterricht hält er für über- ten der Kinder nicht die Fehler zu lung praktiziert. Es wurden ausführliche schätzt. Dem kann Petra Praschesaits nur sehen, sondern zu erkennen, ob und Elterngespräche geführt, Beurteilungs- zustimmen: „Den Schülern würde es viel wie sie lernen. bogen ausgefüllt oder Noten vergeben“, mehr bringen, wenn wir an den Volksschu- • Leidenschaft zeigen – Begeisterung für schildert VD Petra Praschesaits, stellver- len ein ähnliches Teamteaching-System wie das Lernen habe den größten Einfluss tretende Vorsitzende im ZA für APS GBA. an unseren Neuen Mittelschulen hätten. auf die Schüler. Nun müssen die Lernfortschritte, Leis- Es ist nun einmal so, wenn ich mehr Qua- • die Eltern verstehen – dafür braucht es tungsstärken, Begabungen und allfällige lität für den Schüler will, muss ins Personal eine klare Linie im Umgang mit den Mängel, gemessen an den Lernzielen, investiert werden.“ Vor allem wird dies an Eltern. sowie weiters allenfalls gesetzte oder zu jenen Schulstandorten dringend notwendig setzende Fördermaßnahmen erörtert und werden, wo Klassen jahrgangsübergreifend Abgesehen von der nun umfangreichen dokumentiert werden, … – von der Vorschulstufe bis zur 2. Klasse – verschriftlichten Form der Leistungsbeurtei- lung kann eine gelungene Feedback-Kultur an einer Schule eine große Chance für die Lernfortschritte der Schüler sein. Laut Hattie gehört Kurz-Lob in jenen Bereich, der dem Kind „auf die Sprünge hilft“. Wird Lob pro- fessionell eingesetzt und zum Feedback, hat es eine längerfristige positive Wirkung auf die Leistung der Kinder. Grundvorausset- zung für das Gelingen ist die Zusammen- arbeit in den beiden Lebenswelten Eltern- haus und Schule. Dazu müssen sich Kinder, Lehrkräfte und Eltern gemeinsam auf den Weg machen und nicht über Lernerfolge sprechen, sondern sich mit dem Lernpro- zess auseinandersetzen: Lehrkräfte verste- hen sich somit als professionelle Begleiter, Schüler als verantwortungsvolle Selbstlerner und Eltern sind gut informiert über das Ler- nen ihrer Kinder und sind aktive Kooperati- onspartner. Was es dazu braucht: Transpa- renz, Offenheit, Zielsetzung, Kontrollen und Foto: Fotolia laufende Kommunikation. Was nicht fehlen darf: das Feiern von Erreichtem! ■
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