Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 2/2021
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Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 2/2021 Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz Wege zur Umsetzung des Aktionsprogramms Niedersächsische Gewässerlandschaften – Strategien, Instrumente und Möglichkeiten –
Tagungsbeiträge Vorwort S. 43 RICKMEYER, A.: Auf dem Weg zu naturnahen Gewässerland- schaften in Niedersachsen – eine Einführung S. 44 - 47 SELLHEIM, P. & A. HARMS: Die Entwicklung der Niedersächsischen Gewässerlandschaften – vom Aktions- programm zum landesweiten Auenverbund. Zum Stand der Dinge S. 48 - 58 JANSSEN, G.: Unterstützung der Gewässer- und Auen- entwicklung durch die Raumordnung, Bauleitplanung und Landschaftsplanung S. 59 - 68 BAUMGARTEN, H.: FFH-Management und WRRL-Maßnahmen- programm – blaugrüne Wege in einer Gewässerlandschaft am Beispiel der Emmer S. 69 - 75 GOTTWALD, M.: Nicht neu, aber bewährt und ausbaufähig – nachhaltige Flurneuordnung von Gewässer- landschaften S. 76 - 78 GUMZ, D.: Gewässer- und Auenentwicklung im Landkreis Harburg – Beispiele erfolgreicher Planung und Umsetzung S. 79 - 91 DEWERT, B. & N. GEPP: 24 Jahre regionsübergreifende Zusammenarbeit in der Fließgewässer- renaturierung: Der Verein zur Revitalisierung der Haseauen e. V. S. 92 - 98 SALVA, J.: Wege und Instrumente zur Auenentwicklung – Gewässerlandschaften im Nordwesten S. 99 - 102 SCHACKERS, B.: Die Entwicklung der Gewässerlandschaft Eder – vom Zusammenspiel der Instrumente S. 103 - 109 SEEMANN, W. & J. ZEIDLER: Das neue Hochwasserretentionsflächenkataster – Suchräume für Synergien zwischen Hoch- wasserschutz und Auenentwicklung S. 110 - 115 MEINHARDT-HEY, A., G. WOLTERS & M. SALCHOW: Vom Dialogprozess zur Entwicklung von Gewässerlandschaften – Möglichkeiten zur Intensivierung der Projektumsetzung am Beispiel eines Verbandsgebiets S. 116 - 118 HARMS, A. & P. SELLHEIM: NNA-Fachtagung zur Umsetzung des Aktionsprogramms Niedersächsische Gewässerlandschaften – Ergebnisse, Folgerungen und Ausblick S. 119 - 123 42 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021
„Wege zur Umsetzung des Aktionsprogramms Niedersächsische Gewässerlandschaften – Strategien, Instrumente und Möglichkeiten“ Tagung vom 16. bis 17. März 2021 an der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA) Vorwort Wie steht es heute um die Gewässer- und Auenentwick- träge. Im Mittelpunkt standen dabei – neben Informationen lung in Niedersachsen? Welche Möglichkeiten, Strategien über den aktuellen Umsetzungsstand des Aktionspro- und Instrumente gibt es, um Projekte der Fließgewässer- gramms – ausgewählte Projekt- und Maßnahmenbeispiele und Auenrenaturierung in den niedersächsischen Gewäs- für eine erfolgreiche Gewässer- und Auenentwicklung in serlandschaften umzusetzen und das Aktionsprogramm den unterschiedlichsten Gewässerlandschaften. Niedersächsische Gewässerlandschaften des Niedersächsi- Die intensiv diskutierten Erfahrungen und Erkenntnisse schen Umweltministeriums mit Leben zu füllen? aus der Umsetzungspraxis auf Landes-, aber auch auf Bun- Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt einer desebene zeigen vielfältige Wege und die entscheidenden 2-tägigen Fachveranstaltung am 16./17. März 2021, die Faktoren für eine erfolgreiche Projektumsetzung an grö- von der NNA in Kooperation mit dem NLWKN durchgeführt ßeren und kleineren Fließgewässern mit ihren Auen. Sie wurde und auf großes Interesse stieß. Den Rahmen dafür machen Erfolgsfaktoren deutlich, belegen aber auch viel- bildet das von der Wasserwirtschafts- und Naturschutz- schichtige Hemmnisse und Hindernisse, die Projekten und verwaltung des Landes gemeinsam getragene Aktions- einer erfolgreichen Umsetzung aus den verschiedensten programm, das Ende 2016 aufgelegt wurde. Es soll dazu Gründen oftmals im Wege stehen. Doch trotz aller Proble- beitragen, das Wirken der „blaugrünen“ Fachverwaltungen me: Die Beispiele und Diskussionen zeigen vor allem, dass in Niedersachsen mit ihren verschiedenen Instrumenten und Gewässer- und Auenentwicklung gelingen kann – und dass Gestaltungsmöglichkeiten für die Gewässer- und Auenent- es sich lohnt, sich dafür einzusetzen. wicklung zukünftig stärker zu vernetzen und die Potenziale Die in diesem Heft dokumentierten Ergebnisse der Ta- eines koordinierten Zusammenwirkens besser auszuschöp- gung sollen dazu beitragen. fen. Das vorliegende Heft ist eine Zusammenstellung der auf der Fachtagung vorgestellten und diskutierten Autorenbei- Peter Sellheim & Alexander Harms, NLWKN Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021 43
Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 40. Jg. Nr. 2 44-47 Hannover 2021 Auf dem Weg zu naturnahen Gewässerlandschaften in Niedersachsen – eine Einführung von Anne Rickmeyer Der Blick auf den aktuellen Zustand unserer Fließgewässer und ihrer Auen und auf die vielfältigen Nutzungsansprü- che an die Ressource Wasser zeigt es deutlich: Naturnahe, intakte Gewässerlandschaften mit ihren Bach- und Fluss- läufen und ihren Auen zählen heute zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen – auch in Niedersachsen. Sie gewährleisten den Hochwasserabfluss, dienen der Wasser- rückhaltung und Wasserreinigung. Sie haben oft besonders fruchtbare Böden, umfassen eine Vielzahl schutzbedürftiger Biotoptypen und sind wegen der Vielfalt der Standorte wertvolle Lebensräume für eine artenreiche Tier- und Pflan- zenwelt. Daher erfordern sie einen umfassenden Schutz auf Europa-, Bundes- und auf Landesebene. So haben auch für die niedersächsische Wasserwirt- schafts- und Naturschutzverwaltung der Erhalt und die Abb. 1: Das Aktions- Entwicklung der heimischen Fließgewässer und ihrer programm Nieder- Auen einen ganz besonderen Stellenwert. Der Schutz der sächsische Gewässer- aquatischen Ökosysteme, die langfristige Nutzbarkeit des landschaften – Ergebnis intensiver fachüber- „Schutzguts Wasser“, die Sicherstellung eines ausgegliche- greifender „blaugrü- nen Landschaftswasserhaushalts und der Schutz vor Dürre ner“ Zusammenarbeit und Hochwasser sind zentrale Bausteine dabei. Sie zeigen im NLWKN die inhaltlichen Gemeinsamkeiten von Zielen des Natur- schutzes und der Wasserwirtschaft in unseren Gewässer- landschaften – als gemeinsames Handlungsfeld für einen Mit dem Programm haben wir die verschiedenen Aktivi- fachübergreifenden Fließgewässer- und Auenschutz in Nie- täten von Wasserwirtschaft und Naturschutz einschließlich dersachsen. des vorsorgenden Hochwasserschutzes auch auf Landes- Vor diesem Hintergrund rücken auch im NLWKN als ebene gezielt zusammengeführt, um die bisherigen Be- „blaugrüne“ Landesfachbehörde unsere Bemühungen zur mühungen zur nachhaltigen Entwicklung der heimischen naturnahen Entwicklung der heimischen Gewässerland- Bach- und Flusslandschaften landesweit deutlich zu ver- schaften, zur Regeneration von Auenlebensräumen mit stärken. Das Programm zeigt auf, wie es gelingen kann, ihren wassergeprägten Lebensgemeinschaften und zur Synergien besonders auf der konkreten Projektebene ge- Wiederherstellung von Überflutungsräumen heute immer winnbringend zu erreichen, welche Maßnahmen angestrebt stärker in den Vordergrund unseres Handelns. Als Direktorin werden – und wie die verschiedenen „blaugrünen“ Förder- des NLWKN ist mir die dafür erforderliche “blaugrüne“ Zu- und Finanzierungsinstrumente optimal genutzt und gebün- sammenarbeit von Wasserwirtschaft und Naturschutz auch delt werden können. Der NLWKN und die entsprechenden ein persönliches Anliegen – insbesondere innerhalb des Ansprechpartner in den Fachgeschäftsbereichen von Was- NLWKN. serwirtschaft und Naturschutz begleiten die Programmum- Ein konkretes Ergebnis einer intensiven „blaugrünen“ setzung, beraten bei fachlichen Fragen und übernehmen Kooperation ist unser im NLWKN erarbeitetes „Aktionspro- dabei eine Art „Lotsenfunktion“ bei anstehenden Vorhaben gramm Niedersächsische Gewässerlandschaften“, dessen und Projekten. Hier ist zukünftig eine noch aktivere Rolle aktuelle Umsetzungsmöglichkeiten und -strategien den des NLWKN wünschenswert. Schwerpunkt der Beiträge des vorliegenden Heftes bilden. Vor diesem Hintergrund sollen folgende vier Punkte kurz Mit diesem gemeinsam von der Wasserwirtschafts- und angesprochen werden: Naturschutzverwaltung des Landes getragenen Programm 1 Aktuelle Herausforderungen: Gewässerlandschaften als des Umweltministeriums beschreiten wir neue Wege für gemeinsames Handlungsfeld von Wasserwirtschaft und eine integrierte Gewässer- und Auenentwicklung in Nieder- Naturschutz sachsen. Dieser programmatische Handlungsrahmen, die 2 Schritte auf dem Weg zu naturnahen Gewässerland- fachübergreifende Gesamtstrategie für den Erhalt und die schaften Entwicklung der Gewässerlandschaften mit ihren wasser- 3 Beitrag des NLWKN bei der Entwicklung unserer Gewäs- geprägten Lebensgemeinschaften und Lebensräumen, ist serlandschaften auch bundesweit beispielhaft. 4 Kurzer Ausblick 44 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021
1 Aktuelle Herausforderungen: Gewässerlandschaften als gemeinsames Handlungsfeld von Wasserwirtschaft und Naturschutz Bei der Entwicklung naturnaher Gewässerlandschaften zu erreichen. Es geht um ein und dieselbe Gewässerland- besonders hervorzuheben sind vor allem die europarecht- schaft, die sich nicht nach Fachgebieten aufteilen lässt. Und lichen Vorgaben und Anforderungen von Wasserwirtschaft dabei gibt es viele Möglichkeiten, auf dem Weg zu natur- und Naturschutz, die das aktuelle Handeln unserer „blau- nahen Gewässerlandschaften mit ihren vielfältigen Funktio- grünen“ Verwaltung maßgeblich prägen und sich gerade in nen und ihrem Wasserhaushalt gut koordiniert vorzugehen den Gewässerlandschaften konzentrieren. Im Fokus stehen und das eingangs erwähnte gemeinsame „blaugrüne“ Zu- dabei die beiden Natura 2000-Richtlinien mit FFH- und EU- sammenwirken auf den verschiedenen Ebenen weiter mit Vogelschutz-Richtlinie, die EG-Wasserrahmenrichtlinie Leben zu füllen und auszubauen. (WRRL) und die EG-Hochwasserrisikomanagement-Richt- Denn der Handlungsbedarf und die zu lösenden Proble- linie (HWRM-RL), deren Umsetzung zu den Kernaufgaben me und Herausforderungen für Wasserwirtschaft und Na- der niedersächsischen Wasserwirtschafts- und Naturschutz- turschutz in unseren Gewässerlandschaften sind groß: An- verwaltung gehört, aber auch weitere zentrale bundes- gesichts zunehmender Extremwetterereignisse sind zudem rechtliche Ziele wie z. B. der länderübergreifende Biotopver- immer häufiger starke bzw. extreme Hochwasserereignisse bund. und ausgeprägte Niedrigwasser- und Trockenzeiten in den Neben der WRRL hat sich insbesondere durch die Vorga- Gewässerläufen zu erwarten – mit zunehmend negativen ben der HWRM-RL, die auch eine Folge der zunehmenden Folgen für den Wasserhaushalt. Hochwasserereignisse war, ein neues Bewusstsein im Um- Nach allem, was wir heute wissen, wird immer klarer: gang mit Fließgewässern herausgebildet. Und die grund- Zur ökologischen Verbesserung der Situation in unseren legende Erkenntnis dabei ist zwar vielfach formuliert und Gewässerlandschaften sind gerade bei der Gewässer- und keinesfalls neu, gleichwohl hochaktuell: Gewässer und ihre Auenentwicklung und einem vorsorgenden Hochwas- Auen sind eine ökologische Einheit, Gewässer brauchen serschutz zukünftig neue integrative Wege und Anpas- ihre natürlichen Entwicklungsräume und Überschwem- sungsstrategien erforderlich, um den Auswirkungen des mungsgebiete in den Auen – die Auen wiederum sind von Klimawandels angemessen zu begegnen. Am Beispiel der den Gewässern und deren Zustand abhängig. Und nur ge- aktuellen Situation der heimischen Bach- und Flussläufe meinsam können Bäche und Flüsse mit ihren Niederungs- und ihrer Auenlandschaften mit ihrem oftmals gestörten und Auenlandschaften zu einem Rückgrat des niedersächsi- Wasserhaushalt wird dies besonders deutlich. Ein zentrales schen Biotopverbundsystems entwickelt werden. zukunftsweisendes Element dabei ist der Aufbau und die Daher sind, wie erwähnt, auch die grundlegenden Ziele Etablierung eines Handlungsrahmens für ein ganzheitliches, von Naturschutz und Wasserwirtschaft gerade in unseren fachübergreifendes Wassermengenmanagement – und die Gewässerlandschaften eng verzahnt, schwer zu trennen Umsetzung einer integrierten Gewässer- und Auenentwick- – und daher langfristig erfolgreich nur fachübergreifend lung in den niedersächsischen Gewässerlandschaften. Abb. 2-4: Die Entwicklung naturnaher Gewässerlandschaften – gemeinsames Ziel von Wasserwirtschaft und Naturschutz in Niedersachsen (Fotos: Hans-Jürgen Zietz 2x, Peter Sellheim) Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021 45
2 Schritte auf dem Weg zu naturnahen Gewässerlandschaften Um den o. g. Herausforderungen begegnen zu können, der erforderlichen Maßnahmen, zum Beispiel bei der sind auf dem Weg zu naturnahen Gewässerlandschaften Förderung in der Fließgewässerentwicklung im Kontext folgende Schritte erforderlich und zukünftig stärker in den der WRRL, deren Umsetzung nach wie vor unzureichend Vordergrund zu stellen: erfolgt Weitere Verbesserung der fachübergreifenden Zusam- Umsetzung der gewässer- und auenbezogenen Maßnah- menarbeit zwischen Wasserwirtschaft und Naturschutz men aus der Vereinbarung zum Niedersächsischen Weg auf allen Verwaltungsebenen: innerhalb der Landesum- zur Förderung der wassergebundenen Lebensräume und weltverwaltung, natürlich auch im NLWKN, insbesondere Lebensgemeinschaften von Gewässern und Auen (z. B. aber auch bei den Landkreisen und Städten beim Biotopverbund, den Gewässerrandstreifen oder bei Integrierte Umsetzung der wasser- und naturschutzge- der Entwicklung der landeseigenen Flächen), aber auch setzlichen Vorgaben zum qualitativen und quantitativen beim Aktionsprogramm Insektenvielfalt. Schutz der Ressource Wasser und Sicherstellung des wasser- und naturschutzrechtlichen Vollzugs durch ge- eignete Maßnahmen Wiederherstellung und Sicherstellung eines natur- raum- und ortstypischen Wasserhaushalts, insbesondere Verbesserung des natürlichen Wasserrückhalts und der natürlichen Dynamik von Ökosystemen in der Fläche und konzeptionelle bzw. inhaltliche Verknüpfung mit den aktuellen Strategien zur Klimafolgenanpassung und den entsprechenden Maßnahmen Implementierung dieser (vorrangigen) Ziele in die Lan- des- und Regionalplanung, Nutzung der Landschafts- rahmenplanung zur stärkeren Berücksichtigung dieser Zielsetzungen und zur Maßnahmenkonzeption und -koordination auf regionaler Ebene Stärkung und Weiterentwicklung der Instrumente und Verfahren zur gezielten Flächenbereitstellung als zentrale Voraussetzung für eine möglichst effektive Umsetzung von Vorhaben und Projekten des Wassermengenmana- Abb. 5: Maßnahmen zur Gewässer- und Auenentwicklung an unseren gements Wasserläufen, wie die Anlage von Entwicklungskorridoren und Gewässer- Intensivierung bzw. Optimierung des fachübergreifenden randstreifen, sind zentrale Elemente zur Umsetzung des Niedersächsischen Umsetzungsprozesses unseres Aktionsprogramms und Weges. (Foto: Hans-Jürgen Zietz) 3 Der Beitrag des NLWKN bei der Entwicklung unserer Gewässer- landschaften Die komplexen, ineinandergreifenden Themen des Na- Eine entscheidende Voraussetzung für ein erfolgreiches ge- tur- und Gewässerschutzes und eines integrierten Wasser- meinsames Wirken ist eine gut organisierte und reibungs- mengenmanagements in unseren Gewässerlandschaften arme Zusammenarbeit mit effizienten Kooperations- und erfordern ein hohes Maß an fachlicher und inhaltlicher Kommunikationsstrukturen, um den o. g. Herausforde- Kompetenz, die der NLWKN als „blaugrüne“ Landesfach- rungen zu begegnen. Um dabei mögliche Synergieeffekte behörde unter einem Dach vorhalten kann. Hier liegen in sinnvoll nutzen zu können, ist die Wasserwirtschafts- und Form von Fachbeiträgen und -programmen, einschlägigen Naturschutzverwaltung des Landes Niedersachsen seit 2005 Schriften, Leitfäden und Arbeitshilfen bereits Handlungs- im NLWKN unter einem Dach zusammengeführt worden. grundlagen mit konkretem Maßnahmenbezug vor, die Bei der konkreten Projekt- und Maßnahmenumsetzung sich umfassend und ökosystembezogen mit dem Land- beispielsweise im Rahmen des Aktionsprogramms haben schaftswasserhaushalt, mit Oberflächengewässern und wir das „blaugrüne“, synergetische Zusammenwirken im den Grundwasserkörpern befassen. Als ein Beispiel sei hier NLWKN institutionalisiert; es wird auch gelebt und ist be- der „Leitfaden Artenschutz – Gewässerunterhaltung“¹ ge- reits vielfach erprobt (z. B. bei der Umsetzung von Deich- nannt, der ganz konkrete Hinweise für die Praxis in den rückverlegungen und anderen größeren Bauvorhaben, Unterhaltungsverbänden, aber auch im NLWKN für die lan- Maßnahmen der Fließgewässerentwicklung). Die entspre- deseigenen Gewässer und für die zuständigen Wasser- und chenden Arbeitsstrukturen haben sich grundsätzlich be- Naturschutzbehörden bietet. währt. Der NLWKN setzt regelmäßig Projekte zur Entwick- ¹ www.nlwkn.niedersachsen.de/leitfaden-artenschutz-gewaesserunterhaltung 46 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021
lung der Gewässer und Auen um und berichtet u. a. in den Jahresberichten² darüber. Mit dem Ziel einer intensivierten WRRL-Maßnahmenumsetzung werden wir hier aber in Zu- kunft auch noch aktiver sein müssen, um ein noch stärkeres fachübergreifendes Vorgehen zu erreichen und möglichst viele Projekte zu initiieren. Hierzu wollen wir uns im NLWKN über alle Geschäfts- bereiche noch stärker vernetzen und einen noch stärkeren Fokus als bisher auf die proaktive Beratung der potenziellen Maßnahmenträger und zuständigen Behörden legen. Dabei geht es auch um die Verstärkung des Wissens- und Infor- mationstransfers nach außen, v. a. gegenüber den unteren Wasser- und Naturschutzbehörden der Landkreise sowie gegenüber den Verbänden zu diesem Themenfeld, wie es im Rahmen der Dialogprozesse für den Bereich der WRRL bereits angelaufen ist. Verstärkt werden soll darüber hinaus auch das fachliche Zusammenwirken des NLWKN mit ande- Abb. 6: Fachübergreifende Allianzen am Gewässer: aktive Projektbeglei- ren Landesdienststellen, Verwaltungen und Körperschaften tung vor Ort und gemeinsame Suche nach geeigneten Maßnahmen von Wasser-, Forst- und Landwirtschaft, Straßenbau usw. (Foto: Sascha Nickel) (NLT, WVT, NLF, ÄrL u. a.). 4 Kurzer Ausblick Mit diesen Ausführungen habe ich versucht, einige wichti- Allerdings ist es mit einem Programm und einer Broschüre ge grundlegende Aspekte der aktuellen Herausforderungen als Handlungsrahmen natürlich nicht getan. Es wird weite- im Naturschutz und in der Wasserwirtschaft aufzuzeigen – rer großer Anstrengungen bedürfen, bei der Entwicklung und gerade die realisierbaren Möglichkeiten des „blaugrü- unserer Gewässerlandschaften voranzukommen, um gera- nen“ Zusammenwirkens insbesondere beim Gewässer- und de die hochgesteckten europäischen Ziele von Wasserwirt- Auenschutz deutlich zu machen. Die Beispiele im vorliegen- schaft und Naturschutz und den geforderten guten öko- den Heft zeigen, wie dies auch konkret und projektbezogen logischen Zustand zu erreichen. Wir wissen auch, dass wir gelebt werden kann. vieles, auch im NLWKN, noch besser machen können und Die naturnahe Entwicklung von Gewässerlandschaften müssen. Einige mögliche Schritte auf diesem Weg habe ich ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und geht damit aufgezeigt. uns alle an. Mit dem Aktionsprogramm und den damit So bleibt immer noch eine Menge zu tun, um eine nach- verbundenen Leistungen tragen wir unseren Teil dazu bei, haltige ökologische Verbesserung unserer Fließgewässer- um die Entwicklung unserer Gewässerlandschaften einen landschaften zu erreichen. Damit das gelingt, sollten wir die großen Schritt voranzubringen. Und um dabei Naturschutz bestehenden Möglichkeiten auch wirklich nutzen. Wie das und Wasserwirtschaft noch stärker zusammenführen, damit konkret geschehen kann, wird aus den nachfolgenden Bei- Vielfalt, Schönheit und Eigenart der heimischen Gewässer spielen deutlich. mit ihren Auenlandschaften erhalten und wieder entwickelt werden können. Die Autorin Anne Rickmeyer, Diplom-Ingenieurin, Jahrgang 1969, seit 1995 in der Wasserwirtschaft tätig, ist seit 2016 Direktorin des NLWKN. Zuvor war sie unter anderem Leiterin der NLWKN-Betriebsstelle Aurich sowie des Geschäftsbereichs „Betrieb und Unterhaltung wasserwirtschaftlicher Anlagen und Gewässer“ in der NLWKN-Direktion. Zwischen 2009 und 2016 wirkte sie ferner als stellvertretende Referatsleiterin für den Bereich Küsten- und Hochwasserschutz im Niedersächsischen Umwelt- ministerium. Anne Rickmeyer Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz Am Sportplatz 23 26506 Norden anne.rickmeyer@nlwkn.niedersachsen.de ² z. B. www.nlwkn.niedersachsen.de/jb2021 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021 47
Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 40. Jg. Nr. 2 48-58 Hannover 2021 Die Entwicklung der Niedersächsischen Gewässerlandschaften – vom Aktionsprogramm zum landesweiten Auenverbund. Zum Stand der Dinge von Peter Sellheim & Alexander Harms Inhalt 1 Aktionsprogramm Niedersächsische 3 Kurze Bilanzierung der Programmumsetzung Gewässerlandschaften – auf dem Weg seit 2016 52 zu einem integrierten Gewässer- und Auenmanagement 48 4 Weichenstellungen für eine weitere 1.1 Niedersächsische Gewässerlandschaften – Verbesserung der Zusammenarbeit der Vielfalt in Blaugrün 48 Wasser- und Naturschutzakteure 53 1.2 Zielsetzungen und inhaltliche Schwerpunkte 4.1 Das Niedersächsische Landschaftsprogramm – des Aktionsprogramms 49 Die Verknüpfung wasserwirtschaftlicher und 1.3 Synergien praktisch – die gemeinsame naturschutzfachlicher Ziele 53 landesweite Programmkulisse von Naturschutz 4.2 Gezielte Zusammenarbeit zwischen Landesebene und Wasserwirtschaft 49 und regionaler Ebene zur Strategieentwicklung 1.4 Maßnahmen und Handlungsfelder – Fachliche im Zuge der Landschaftsrahmenplanung 55 Grundlagen der Maßnahmenentwicklung 51 4.3 Koordiniertes Flächenmanagement im Verbund von Land, Kreis, Kommune und Verbänden 56 2 Wege zur Umsetzung – das operative 4.4 Aufgabenverständnis und Aufgabenwahr- Geschäft zur Entwicklung niedersächsischer nehmung der für die Gewässer- und Auen- Gewässerlandschaften 52 entwicklung relevanten Akteure 57 2.1 Organisation der Programmabwicklung und Ansprechpartner 52 5 Literatur und ausgewählte weitere Quellen 57 2.2 Finanzierung und Förderung 52 1 Aktionsprogramm Niedersächsische Gewässerlandschaften – auf dem Weg zu einem integrierten Gewässer- und Auenmanagement 1.1 Niedersächsische Gewässerlandschaften – Mit diesem von der Wasserwirtschafts- und Naturschutzver- Vielfalt in Blaugrün waltung des Landes gemeinsam getragenen Fachprogramm Nur ein kleiner Teil der niedersächsischen Gewässerland- – ein Baustein zur Umsetzung des im Entwurf vorliegenden schaften befindet sich heute in einem naturnahen Zustand. neuen Niedersächsischen Landschaftsprogramms (LaPro) – Viele Tier- und Pflanzenarten sind stark gefährdet oder aus- sollen die Bemühungen zur nachhaltigen Entwicklung der gestorben, manche Biotoptypen dieser Landschaften, wie niedersächsischen Gewässerläufe und ihrer Auenlandschaf- z. B. Hartholzauwälder sind heute irreversibel geschädigt ten deutlich verstärkt werden. Mit einer fachübergreifenden oder nur noch relikthaft vorhanden. Von den ursprüng- Bündelung der Maßnahmenentwicklung und -förderung lichen ausgedehnten Überflutungsflächen insbesondere an soll das Programm dazu beitragen, in den niedersäch- den größeren niedersächsischen Gewässerläufen des nie- sischen Gewässerlandschaften stärkere auenbezogene dersächsischen Tieflandes ist durch Deichbau, ufernahe Ver- Akzente v. a. bei der Umsetzung der europarechtlichen Vor- wallungen und Verbauungen u. ä. nur wenig übriggeblie- gaben zur Umsetzung von Natura 2000, Wasserrahmen- ben, Retentionsräume sind kaum noch wirksam oder nicht richtlinie (WRRL) und Hochwasserrisikomanagement-Richt- vorhanden. An Elbe, Ems und Weser betragen die Verluste linie (HWRM-RL) zu setzen. Denn gerade in den heimischen von Überschwemmungsflächen zwischen 50 % und 90 %, Gewässerlandschaften konzentrieren sich die europäischen im Mittellauf der Hase mehr als 90 % (BMU & BFN 2021). Vorgaben und die sich daraus ergebenden Ziele für die Ge- Mit dem Ende 2016 veröffentlichten Aktionsprogramm wässer- und Auenentwicklung. „Niedersächsische Gewässerlandschaften“ (NGL) des So sind von den insgesamt über 380 FFH-Gebieten in Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Niedersachsen mehr als 200 als „wasserabhängige“ FFH- Klimaschutz möchte das Land gegensteuern (MU 2016a). Gebiete ausgewiesen, die sich mit Wasserkörpern nach 48 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021
WRRL überschneiden. Sie liegen in großen Teilen in den und Auenentwicklung auch den Zielen des Niedermoor-, niedersächsischen Bach- und Flussauen. Die Ausweisung Boden- sowie Klimaschutzes. Das Programm ist dabei ein dieser Gebiete mit ihren charakteristischen Arten und Le- Wegweiser für die Umsetzung und konkrete Orientierungs- bensraumtypen begründet besondere Erhaltungs- bzw. hilfe für Behörden, lokale Akteure und Initiativen. Entwicklungsverpflichtungen, die durch die Umsetzung der Im Einzelnen sind dabei als Kernziele besonders heraus- WRRL maßgeblich beeinflusst werden können. Ebenso kön- zustellen: nen Maßnahmen im Rahmen des FFH-Managements und Integrierte Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben andere Vorhaben des Naturschutzes positive Wirkungen auf von Natura 2000, WRRL und HWRM-RL unter gezielter die Qualitätskomponenten gem. WRRL sowie für den vor- Nutzung und Anwendung der Planungs- und Umset- beugenden Hochwasserschutz entfalten. zungsinstrumente des Naturschutzes und der Raumord- Doch die Umsetzung der landschaftsbezogenen Ziele ist nung zur Maßnahmenvorbereitung in den Gewässerlandschaften Niedersachsens bislang nicht Stärkung der Auenentwicklung und Weiterentwicklung hinreichend gelungen – die bisherigen Bemühungen waren der Instrumente und Verfahren zur gezielten Flächenbe- nicht ausreichend, um die europarechtlichen Anforderun- reitstellung für eine möglichst effektive Maßnahmenum- gen zu erfüllen. Die Gründe für den mangelnden Umset- setzung zungserfolg sind vielfältig und detailliert beschrieben (u. a. Erhalt, Schutz und Sicherung der verbliebenen, natur- REESE et al. 2018). nahen Gewässer bzw. Gewässerstrecken und Auen- Für die Gewässer- und Auenentwicklung ist daher eine bereiche, Vermeidung weiterer Belastungen und Beein- strategische Neuausrichtung unabdingbar. Zwar haben die trächtigungen sowie Förderung einer gewässer- und in den zurückliegenden Jahren an niedersächsischen Fließ- auenverträglichen Nutzung gewässern und ihren Auen umgesetzten Entwicklungs- und Wiederherstellung einer gewässertypischen, naturnahen Umgestaltungsmaßnahmen gebietsweise zu manchen Dynamik des Abflussgeschehens, Reaktivierung ehema- ökologischen Verbesserungen geführt. Da die inhaltliche liger Überflutungsflächen, Hochwasserrückhaltung an Schwerpunktsetzung bei einem großen Teil der bisher um- den Entstehungsorten usw. gesetzten Maßnahmen aber v. a. bei punktuellen baulichen Sicherung und Wiederherstellung der Bestände hochgra- Vorhaben unmittelbar am Gewässerlauf lag, ist eine Ver- dig gefährdeter und schutzbedürftiger Tier- und Pflan- zahnung von Gewässerlauf und Aue bei vielen Projekten zenarten mit besonderen Ansprüchen an gewässer- und nicht zu erkennen. auentypische Lebensräume im landesweiten Biotopver- Vor diesem Hintergrund ist das folgende Ziel der Gewäs- bund. ser- und Auenentwicklung in Niedersachsen von grundsätz- Für den Erfolg des Aktionsprogramms wird es dabei darauf licher Bedeutung: Planungen und Projekte von WRRL und ankommen, das Wirken der verschiedenen Fachverwaltun- FFH-Richtlinie (FFH-RL) in den heimischen Gewässerland- gen mit ihren verschiedenartigen Instrumenten und Gestal- schaften sollen zukünftig deutlich stärker fachübergreifend tungsmöglichkeiten konsequent und fachübergreifend auf abgestimmt und gezielter koordiniert werden, um vorran- die gemeinsamen Ziele der Gewässer- und Auenentwick- gig mehrfach wirksame Entwicklungs- und Umgestaltungs- lung auszurichten. planungen auch in den gewässerbegleitenden Auen umset- zen zu können. 1.3 Synergien praktisch – die gemeinsame landes- weite Programmkulisse von Naturschutz und 1.2 Zielsetzungen und inhaltliche Schwerpunkte Wasserwirtschaft des Aktionsprogramms Vor dem Hintergrund der in Kap. 3 des Aktionsprogramms Wie sehen nun die Fachinhalte des Aktionsprogramms im beschriebenen umfangreichen fachübergreifenden Ziel- Einzelnen aus – und welche konkreten Ziele werden damit setzungen wurde eine „blaugrüne“ Programmkulisse verfolgt? Und wie kann es gelingen, die Projekt- und Maß- entwickelt, die die verschiedenen Ziele und Inhalte des nahmenumsetzung in den niedersächsischen Gewässer- Naturschutzes, der Gewässerbewirtschaftung und des vor- landschaften zu steigern, um die Ziele der WRRL und der sorgenden Hochwasserschutzes beim Gewässer- und Auen- FFH-RL zu erreichen? schutz niedersachsenweit zusammenführt. Ein grundlegendes Anliegen des Programms ist es, die Die landesweite Kulisse ist im Maßstab 1:500.000 als ökologische Funktionsfähigkeit unserer Gewässerlandschaf- separate Karte im Format DIN A 1 dargestellt (PDF: ten mit ihrer naturraumtypischen Vielfalt, Eigenart, Schön- www.nlwkn.niedersachsen.de/download/112383) und heit und Erlebbarkeit durch geeignete Maßnahmen zu si- auch in den Umweltkarten Niedersachsen unter https:// chern bzw. wiederherzustellen. Dazu ist zukünftig mehr als urls.niedersachsen.de/24wa zu finden. Einen exemplari- bisher die ökologische Gesamtsituation der Gewässerland- schen Ausschnitt der Programmkulisse in einem größeren schaften mit allen ihren vielfältigen Funktionen und ihrem Maßstab (ca. 1:50.000) zeigt Abb. 1. komplexen Wirkungsgefüge als Einheit zu verstehen. Das Aktionsprogramm bezieht sich dabei auch auf § 21 (5) des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und die großräumi- ge Vernetzungsfunktion von Gewässern und Auen mit ihrer Bedeutung als Lebensstätten von natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenarten im großräumigen Biotopverbund. Gleichzeitig dient das Programm neben der o. g. Inten- sivierung des fachübergreifenden Zusammenwirkens zwi- schen Naturschutz und Wasserwirtschaft bei der Gewässer- Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021 49
Abb. 1: Programmkulisse (Ausschnitt, Maßstab 1:50.000, Stand 2018, Erläuterungen s. Text) Damit liegt eine gemeinsame „blaugrüne“ Programmkulis- der Gewässer- und Auenentwicklung von Wasserwirtschaft se von Wasserwirtschaft und Naturschutz vor, die auch bei und Naturschutz in Niedersachsen. der Konzeption des landesweiten Biotopverbunds im Nie- Die Programmkulisse setzt sich aus unterschiedlichen dersächsischen Landschaftsprogramm integriert wurde. Teilkulissen von Wasserwirtschaft und Naturschutz zusam- Die in dieser Kulisse getroffene Gewässerauswahl trägt men, die sich in großen Teilen überlagern (Abb. 2). Im We- somit den Anforderungen der FFH-RL, der WRRL und der sentlichen sind dies HWRM-RL Rechnung. Für den Natur- und Fließgewässer- die Kulisse der landesweiten WRRL-Prioritätsgewässer schutz in Niedersachsen sind die hier dargestellten Gewäs- mit ihren Auen einschl. der im Rahmen der Gewässer- ser daher von besonderer Bedeutung: Mit ihren Auengebie- allianz ausgewählten Schwerpunktgewässer, ten repräsentieren sie die gemeinsamen Schwerpunkträume 50 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021
Gebiete von landesweit besonderer naturschutzfach- Optionen zur Wiederherstellung der oftmals verloren licher Bedeutung in den Bach- und Flussauen, wie z. B. gegangenen Auenfunktionen und des Wasserhaushalts Schutzgebiete und Gebietskulissen der bisherigen Lan- (z. B. durch Reaktivierung der Abflussdynamik, Wiederver- desnaturschutzprogramme, nässung usw.) verbunden sein. bestimmte Gebiete der Hochwasservorsorge mit beson- Eine „gute Entwicklungsoption“ besteht insbesondere derem Handlungsbedarf nach Nds. Wassergesetz (NWG) dann, wenn die Randbedingungen für die Existenz einer und Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko gemäß Biozönose in Lebensräumen der Gewässerlandschaften Wasserhaushaltsgesetz (WHG). geschaffen werden können, die der natürlichen Refe- renz- bzw. Leitbildbiozönose entsprechen oder schon sehr nahekommen – als besonders wertvolles „biologisches Ausgangskapital“ für schutzbedürftige Arten und typische Lebensgemeinschaften der Gewässerlandschaften. 1.4 Maßnahmen und Handlungsfelder – Fachliche Grundlagen der Maßnahmenentwicklung Die fachgerechte Auswahl, Planung und Umsetzung von Gestaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Gewässer- landschaften erfordert fundiertes Fachwissen und hängt von zahlreichen lokalen Rahmen- und Randbedingungen ab. Für viele Handlungsfelder der Gewässer- und Auenent- wicklung und Einzelthemen der Maßnahmenplanung liegen inzwischen sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene zahlreiche einschlägige Fachveröffentlichungen, Arbeits- und Orientierungshilfen, Leitfäden und gewässerbezogene Planungsgrundlagen vor, auf die bei der Projektentwick- lung zurückgegriffen werden kann. Zu nennen sind dabei v. a. die NLWKN-Publikationen von Wasserwirtschaft und Abb. 2: Entwicklung der Programmkulisse Niedersächsische Gewässerland- Naturschutz wie die verschiedenen NLWKN-Leitfäden und schaften (Quelle: MU 2016a) Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der WRRL und zur Maßnahmenentwicklung, die „Informationsdienste Natur- schutz Niedersachsen“, die Vollzugshinweise (VZH) für Ar- Regionale Schwerpunktsetzung ten und Lebensraumtypen (NLWKN 2010) u. ä. Aufgrund der Größe der landesweiten Gewässer- und Auenkulisse kann aus regionaler Sicht eine weitere diffe- Maßnahmenkatalog Niedersächsische Gewässer- renzierte Vorgehensweise bei den detaillierten räumlichen landschaften und fachlichen Schwerpunkten innerhalb der großräumigen Zur Vorgehensweise bei Planung und Umsetzung von Maß- Programmkulisse erforderlich sein, um einen möglichst nahmen wurde ein einheitlicher Maßnahmenkatalog zur sinnvollen, effektiven und zielgerichteten Mitteleinsatz Entwicklung und Gestaltung niedersächsischer Gewässer- bei der Projektsteuerung und -förderung zu ermöglichen. landschaften erarbeitet. Die hier aufgeführten zahlreichen Eine entsprechende Konkretisierung der Gebietsauswahl Einzelmaßnahmen, die inhaltlich nach sieben verschiedenen und eine fachlich-räumliche Schwerpunktsetzung bei der Maßnahmengruppen geordnet sind, spiegeln das relevan- Projekt- und Maßnahmenförderung sind auf der Grund- te Spektrum der grundsätzlich geeigneten und sinnvollen lage der genannten landesweiten Kriterien ebenfalls auf Maßnahmen der Gewässer- und Auenentwicklung im We- der regionalen Ebene vorzunehmen und im Zuge der Land- sentlichen wider (Tab. 1). schaftsrahmenplanung i. V. mit der Regionalplanung näher Zusätzlich enthält der Katalog eine Zuordnung der für festzulegen (s. Kap. 4.2). die jeweiligen Maßnahmen grundsätzlich geeigneten Finan- zierungs- und Fördermöglichkeiten (s. Kap. 2.2) und dient Entwicklungspotenzial landeseigener Flächen damit v. a. als Orientierungshilfe für die zielgerichtete Maß- Bei der Projekt- und Maßnahmenumsetzung im Rahmen nahmenauswahl, -planung und -umsetzung. Der Katalog des Aktionsprogramms vorrangig zu berücksichtigen sind umfasst dabei sowohl die hydromorphologischen Maß- Gebiete mit einem hohen Anteil landeseigener oder ande- nahmen der Fließgewässer- und Auenentwicklung und des rer öffentlicher Flächen – insbesondere Eigentumsflächen Hochwasserschutzes als auch die vielen, z. T. sehr unter- der Landesnaturschutzverwaltung mit Gewässerbezug. Dies schiedlichen und speziellen Maßnahmen des Naturschutzes sind oftmals Bereiche mit einem besonders günstigen Ent- (z. B. Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen). wicklungspotential, die gute Voraussetzungen für die Ver- wirklichung von Zielen des Natur- und Gewässerschutzes Handlungsebenen und relevante Akteure und für die Umsetzung von Maßnahmen bieten. Ein Mittel- Das Aktionsprogramm richtet sich an alle, die im Rahmen einsatz kann hier besonders nachhaltig und effektiv sein, ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten für den Schutz weil grundlegende und standortverbessernde Entwicklungs- und die Entwicklung niedersächsischer Gewässerlandschaf- maßnahmen durchgeführt werden können. In Gewässer- ten Verantwortung tragen (vgl. § 2 BNatSchG). und Auenlebensräumen können damit besonders günstige Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021 51
Tab. 1: Maßnahmengruppen der Gewässer- und Auenentwicklung Dies sind: in niedersächsischen Gewässerlandschaften die Dienststellen und Fachverwaltungen der Land- und Forstwirtschaft als Kooperationspartner, v. a. Domänen- Maßnahmengruppen verwaltungen, Ämter für regionale Landesentwicklung Aktionsprogramm Niedersächsische Gewässerlandschaften (ÄrL), Landwirtschaftskammer (LWK), Niedersächsische Maßnahmen zur naturnahen Entwicklung und Gestaltung von Landesforsten (NLF), 1 Gewässerlandschaften gem. NLWKN-Leitfaden Maßnahmen- planung Hydromorphologie (Teil A) (NLWKN 2008) Landkreise und Städte mit ihren Wasser- und Natur- schutzbehörden sowie ihren Planungsämtern, 2 Maßnahmen zur Flächenbereitstellung für die Gewässer- und Auenentwicklung Unterhaltungsverbände bzw. Wasser- und Bodenverbän- de als Maßnahmen- und Projektträger, 3 Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen für wasserabhängi- Fischerei- und Naturschutzvereine und -verbände als ge Biotop- und Lebensraumtypen in Gewässerlandschaften mögliche Maßnahmen- und Projektträger, Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen für gewässer- und Klosterkammer (in ihrer Rolle als Flächeneigentümer), 4 auentypische Tier- und Pflanzenarten Stiftungen, 5 Konzeptionelle Maßnahmen und Planungen private Flächeneigentümer und -nutzer. 6 Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung 7 Sonstige Maßnahmen 2 Wege zur Umsetzung – das operative Geschäft zur Entwicklung niedersächsischer Gewässerlandschaften 2.1 Organisation der Programmabwicklung und serlandschaften sowie zu den relevanten Fördermöglich- Ansprechpartner keiten sind die Fachgeschäftsbereiche von Wasserwirtschaft Die Organisation der Programmabwicklung sowie das Vor- und Naturschutz im NLWKN (s. u.). Sie beraten potenzielle gehen bei der Projektförderung und -umsetzung werden Antragsteller und übernehmen die „Lotsenfunktion“ des durch die verschiedenen Geschäftsbereiche des NLWKN im Landes für die Umsetzung des Aktionsprogramms vor Ort. Rahmen von laufenden fachübergreifenden Projekt- und Maßnahmenabstimmungen sichergestellt. Ziel dabei ist es 2.2 Finanzierung und Förderung vor allem, das gesamte Spektrum von Fördermöglichkeiten Die wichtigsten Finanzierungsquellen sind die von der EU für Vorhaben in Gewässerlandschaften optimal zu nutzen kofinanzierten niedersächsischen Förderprogramme. Sie und z. B. auenbezogene Maßnahmenplanungen des Natur- wurden entsprechend ausgewertet und den im o. g. Maß- schutzes und der Fließgewässerentwicklung (FGE) an einem nahmenkatalog aufgeführten relevanten Einzelmaßnahmen Gewässer gezielter aufeinander abzustimmen und zu syn- zugeordnet. Dieser Katalog und die Zusammenstellung der chronisieren. für die Umsetzung der jeweiligen Maßnahmen potenziell Wichtige Ansprechpartner im NLWKN für Auskünfte und geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten in den Gewässer- Informationen zu Fachinhalten und Zielen des Aktionspro- landschaften bilden einen Schwerpunkt des Aktionspro- gramms, zu Fragen der Maßnahmenentwicklung in Gewäs- gramms. 3 Kurze Bilanzierung der Programmumsetzung seit 2016 Mit der Veröffentlichung des Aktionsprogramms 2016 war Wenn das Aktionsprogramm Niedersächsische Gewässer- die Erwartung verbunden, dass der integrierte Ansatz bei landschaften auch nicht diese erhoffte Schubkraft und der Umsetzung der wasserwirtschaftlichen und der natur- Geschwindigkeit auf breiterer Front entwickelte, so ging es schutzfachlichen Ziele zu einer neuen Dynamik bei der doch mit den verschiedensten Einzelmaßnahmen der Ge- Gewässer- und Auenentwicklung führen würde. Das war wässer- und Auenentwicklung weiter, wie die Tagung mit jedoch nicht der Fall, was auch daran gelegen haben wird, vielen positiven Beispielen aus allen Landesteilen anschau- dass es sich bei dem Aktionsprogramm um ein Fachpro- lich belegt. Leider haben die Maßnahmen im landesweiten gramm ohne eigenes Finanzierungs- bzw. Förderprogramm Überblick bislang immer noch einen punktuellen Charakter. handelt. Auf fachpolitischer Ebene entwickelte das Aktions- Die Zielerreichung der WRRL-Vorgaben beträgt nur etwa programm ebenfalls keine anhaltende Dynamik. Ursächlich 3 %. Es muss also notgedrungen ein grundsätzlich breiterer dafür war vermutlich nicht zuletzt, dass nur ein Jahr nach Ansatz für eine perspektivische Zielerreichung gefunden der Veröffentlichung des Programms ein Regierungswechsel werden. erfolgte, der auch neue fachpolitische Schwerpunktsetzun- gen zur Folge hatte. 52 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021
Seitens der Fachbehörde für Naturschutz wurde in Zu- Maßnahmenumsetzung zu flankieren. Die operative Ebene, sammenarbeit mit der Wasserwirtschaft im NLWKN wei- das sind in diesem Zusammenhang als potenzielle Maßnah- ter versucht, im eigenen Wirkungsbereich möglichst alle menträger gleichsam das Land, die Kreise, die Gemeinden Weichen für die Umsetzung des Aktionsprogramms und und Unterhaltungsverbände ebenso wie Naturschutz- und eine Bündelung der verfügbaren Kräfte zu stellen, um die Fischereiverbände. operative Ebene bei der notwendigen Intensivierung der 4 Weichenstellungen für eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit der Wasser- und Naturschutzakteure 4.1 Das Niedersächsische Landschaftsprogramm – Naturschutzverwaltung mit ihrem gesetzlichen Auftrag zum Die Verknüpfung wasserwirtschaftlicher und Gewässer- und Auenschutz nach dem Bundesnaturschutz- naturschutzfachlicher Ziele gesetz (BNatSchG) gab es in Niedersachsen bislang keine Für eine effektive Koordination der für die Umsetzung der geeignete Grundlage. Dass der Gesetzgeber eine solche ge- WRRL nach den Maßgaben des Wasserhaushaltsgesetzes meinsame Grundlage hingegen von Beginn der Umsetzung (WHG) zuständigen Wasserwirtschaftsverwaltung und der der WRRL in nationales Recht an vorgesehen hatte (§ 9 (5) Abb. 3: Der landesweite Biotopverbund besteht aus einem Verbund der Offenlandlebensräume und einem Verbund der Waldlebensräume. Das gemeinsa- me Rückgrat bildet der Verbund der Fließgewässer und ihrer Auen. (Quelle: NLWKN 2018) Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021 53
BNatSchG), blieb in Niedersachsen lange Zeit unbeachtet. lungsgrundlage der Naturschutz- und der Wasserwirt- Im Zuge der seit 2015 begonnenen Neuaufstellung des schaftsverwaltung dienen. Es umfasst außerdem auch Ziele Nds. Landschaftsprogramms und der vorgezogenen Auf- der Bodenschutz- sowie der Klimaschutzverwaltung. Bei der lage des Aktionsprogramms Nds. Gewässerlandschaften als Umsetzung können personelle und finanzielle Kapazitäten Baustein des Landschaftsprogramms hat sich das geändert. der verschiedenen Fachverwaltungen zukünftig grundsätz- Im Vergleich zum Wasserrecht beinhaltet das Natur- lich stärker gebündelt, koordiniert und effizienter einge- schutzrecht einen umfangreicheren und differenzierteren setzt werden. „Werkzeugkasten“ raumbezogener Instrumente, die die Neben den Weichenstellungen für eine Bündelung der Umsetzung gewässer- und auenbezogener Maßnahmen personellen und finanziellen Kapazitäten für die Gewässer- befördern können. Somit kann gewährleistet werden, dass und Auenentwicklung erfolgte auf Landesebene auch eine die Umsetzung der WRRL und auch auf den Hochwasser- planungsrechtliche Weichenstellung für die Maßnahmen- schutz bezogener Ziele bei der Erstellung naturschutzfach- umsetzung im Landes-Raumordnungsprogramm (LROP). licher Konzepte wie dem Biotopverbund gemäß §§ 20, Die „Zeichnerische Darstellung“ des LROP stellt schluss- 21 BNatSchG von vorneherein mitberücksichtigt werden. abgewogen vorrangige Nutzungen dar, deren Zielcharakter Daraus ergeben sich fachübergreifende, räumliche Schwer- nicht durch zukünftige (raumbedeutsame) Nutzungen in punktsetzungen aus landesweiter Sicht, die neue Möglich- Frage gestellt werden darf. Das LROP 2017 enthält eine keiten von Kooperationen vor Ort eröffnen. Darstellung des Fließgewässerverbunds, der das Rückgrat Das Nds. Landschaftsprogramm soll zukünftig möglichst des landesweiten Biotopverbundkonzeptes bildet (Abb. 4). weitgehend als fachübergreifende und gemeinsame Hand- Abb. 4: Das Landes-Raumordnungsprogramm 2017 enthält eine Darstellung des Fließgewässerverbunds, der das Rückgrat des landesweiten Biotopver- bundkonzeptes bildet (vgl. § 21 (5) BNatSchG). Er setzt sich aus den prioritären Fließgewässern für die Umsetzung der WRRL, den überregionalen Wander- routen für die Fischfauna und den Laich- und Aufwuchsgebieten zusammen. (Quelle: NLWKN 2018) 54 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021
Damit ist die Fließgewässerkulisse als „Vorranggebiet Bio- hörde für Naturschutz gearbeitet. Die regionalplanerische topverbund“ auf oberster Planungsebene rechtlich ge- Sicherung im Sinne der Gewässer- und Auenentwicklung sichert, d. h. der unverbaute Bestand dieser Gewässer ist gerade gegenüber einer bauleitplanerischen Flächen- und die Möglichkeit für ihre ökologische Aufwertung sind inanspruchnahme zur Bereitstellung von Flächen für Sied- langfristig gegenüber anderen Nutzungen gewährleistet. lung, Gewerbe und Industrie im Bereich der Aue, aber auch Die Regionale Raumordnung und die kommunale Bauleit- gegenüber anderen Nutzungen wie z. B. dem Sand- und planung müssen die Ziele der Landesraumordnung beach- Kiesabbau von großer Bedeutung. ten. Die Gewässer dieses Verbundes sind nachrichtlich und Die planungsrechtliche Sicherung des Status Quo ist ein gemäß der Begründung zum LROP 2017 unter Abgrenzung wichtiger und manchmal unterschätzter Baustein für eine ihrer Auen in die Regionalen Raumordnungsprogramme zu erfolgreiche Maßnahmenumsetzung. Sie ist bei einem oft übernehmen. zähen und langfristigen Prozess der Maßnahmenumset- An einem Standard für die regionale Raumordnung zung umso wichtiger, damit sich die Rahmenbedingungen (M 1: 50.000) zur topografischen Abgrenzung der Aue, die für die Maßnahmenumsetzung mit fortschreitender Zeit im LROP fehlt und im Aktionsprogramm noch zu ungenau nicht noch zusätzlich verschlechtern. ist, wird seitens des NLWKN in seiner Funktion als Fachbe- Naturräumliche Regionen Gewässerverbund Abb. 5: Der Gewässerverbund hat eine besondere Bedeutung für die Vernetzung der niedersächsischen Naturräumlichen Regionen. Dies bringt auch der auf den großräumigen Biotopverbund bezogene § 21 (5) BNatSchG zum Ausdruck. 4.2 Gezielte Zusammenarbeit zwischen Landes- Maßnahmen, also z. B. dem Aufbau von Kompensations- ebene und regionaler Ebene zur Strategie- flächenpools, dem koordinierten Flächenerwerb, Schutzge- entwicklung im Zuge der Landschaftsrahmen- bietsausweisungen in besonders sensiblen Bereichen, Pfle- planung ge- und Entwicklungsmaßnahmen, Artenhilfsmaßnahmen Die Weichen sind auf Landesebene für eine auf gemeinsa- usw. Zuständig für die Erstellung und die bedarfsweise Fort- me Ziele ausgerichtete fachübergreifende Zusammenarbeit schreibung des LRP ist die untere Naturschutzbehörde. Sie gestellt. Aber wann kommt der Zug, der diesen Weichen- ist dabei im Auftrag des Landes tätig, das die Umsetzung stellungen folgt? Um im Bild zu bleiben, könnte man sagen, der naturschutzrechtlichen Aufgaben an die Kreisebene dass schon immer mal eine Einzelmaßnahme der Gewässer- delegiert hat. Das Land trägt aber weiterhin die Verantwor- und Auenentwicklung wie eine Draisine des Weges kommt. tung und übt daher formal die Fachaufsicht gegenüber den Der große Zug der Gewässer- und Auenentwicklung lässt unteren Behörden aus. aber auf sich warten. Und er hat schon ziemlich viel Verspä- Die Vorgaben aus dem Landschaftsprogramm und aus tung, wenn man sich den europarechtlichen Fahrplan zur dem Aktionsprogramm sind von den unteren Naturschutz- Umsetzung der WRRL oder zu Natura 2000 ansieht. behörden bei der Erstellung ihres LRP aus der landesweiten Die landesweite Programmatik für die Gewässer- und Betrachtung im Maßstab 1: 500.000 in eine regionale Be- Auenentwicklung muss unter Beachtung der individu- trachtung im Maßstab 1: 50.000 zu übertragen und die ellen Gegebenheiten auf der regionalen Ebene vor dem programmatischen Ziele nach der jeweiligen räumlichen Si- Hintergrund der naturräumlichen Situation der jeweiligen tuation gebietsbezogen zu konkretisieren. Dort, wo aktuelle Nutzungsstrukturen und Besitzverhältnisse implementiert und fachlich geeignete Gewässerentwicklungspläne (GEPL) werden. Es ist unerlässlich, eine regionale Umsetzungs- vorliegen, sind die Inhalte mit dem Landschaftsrahmenplan strategie für den jeweiligen Landkreis zu entwickeln. Der abzugleichen und bedarfsweise zu vereinheitlichen. Landschaftsrahmenplan (LRP) ist das strategische Planungs- Das Land bietet durch die Fachbehörde für Naturschutz instrument für Natur und Landschaft inklusive der regio- im NLWKN Beratung bei diesen nicht ganz unkomplizierten nalen Gewässer- und Auenentwicklung. Der LRP dient der Arbeiten an. Zukünftig sollte der Austausch zu landes- Koordination der naturschutzrechtlichen Instrumente und weiten und regionalen Maßnahmenschwerpunkten und Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021 55
Umsetzungszielen unter Einbeziehung der Wasserbehörden verwaltung, den Landkreisen, ihren Stiftungen und Flächen- deutlich intensiviert werden und alle Möglichkeiten zur agenturen sowie den Kommunen. gegenseitigen Unterstützung ausgeschöpft werden, z. B. Ein weiterer wichtiger Baustein für das zielgerichtete hinsichtlich verfügbarer Flächen für die Maßnahmenum- Flächenmanagement in den Auen ist die Wahrnehmung setzung. In diese strategischen und konzeptionellen Über- des Vorkaufsrechts nach § 66 BNatSchG durch die Natur- legungen sollten auch die Unterhaltungsverbände und an- schutzverwaltung sowie nach § 99 WHG durch die Wasser- dere regionale Akteure möglichst frühzeitig mit einbezogen wirtschaftsverwaltung. Gelingt es nicht, den Flächenbesitz werden. der öffentlichen Hand zu arrondieren, sollten mit dem zu- ständigen Amt für regionale Landesentwicklung die Mög- 4.3 Koordiniertes Flächenmanagement im Verbund lichkeiten eines Flurbereinigungsverfahrens geprüft werden, von Land, Kreis, Kommune und Verbänden das auch den Zielen der Gewässer- und Auenentwicklung Die mangelnde Flächenverfügbarkeit ist das zentrale Prob- dient (s. GOTTWALD 2021 in diesem Heft). lem, das einer forcierten Umsetzung der Ziele der Gewäs- Sind erst geeignete Flächen vorhanden, können Maß- ser- und Auenentwicklung durch wirksame Maßnahmen nahmen sowohl mit den wasserwirtschaftlichen Förderinst- regelmäßig entgegensteht. Nach der Abstimmung gemein- rumenten als auch mit denen des Naturschutzes finanziert samer räumlicher Ziele im Sinne von Schwerpunkträumen werden. Die Trägerschaft der Maßnahmenumsetzung ist für die Maßnahmenumsetzung muss sich die zukünftige zwischen Wasser- und Naturschutzbehörden, Verbänden Zusammenarbeit von Land, regionalen Naturschutz- und sowie ggf. Stiftungen zu klären. Wasserbehörden sowie Unterhaltungsverbänden im zwei- Eine Möglichkeit zur Umsetzung von Maßnahmen der ten Schritt auf ein koordiniertes Flächenmanagement fo- Gewässer- und Auenentwicklung besteht auch in der Be- kussieren. vorratung von Flächen und Maßnahmen zur Kompensation Die Umsetzung effektiver und nicht nur kleinräumig von Eingriffsfolgen. Die Einrichtung solcher Kompensations- wirksamer Maßnahmen der Gewässer- und Auenent- flächenpools erfolgt durch die Kommunen, die in diesem wicklung macht in der Regel die eigentumsrechtliche Ver- Zusammenhang ebenfalls in die strategischen Überlegun- fügungsgewalt über die betreffenden Flächen erforderlich. gen entsprechend Kap. 4.2 einbezogen werden sollten. Für Wenn es möglich ist, sind in regionalen Schwerpunkträu- die Kommunen sind Kompensationsflächenpools in mehr- men der Gewässer- und Auenentwicklung für eine ver- facher Hinsicht vorteilhaft, z. B. verkürzt sich für die Kom- stärkte Maßnahmenumsetzung Flächen von Seiten der Ge- mune und den Vorhabenträger das Zulassungsverfahren, bietskörperschaften bereitzustellen. In erster Linie sind dies wenn schnell Kompensationsflächen nachgewiesen werden die Flächen, die sich bereits im Besitz der öffentlichen Hand können. Für den Naturhaushalt ist ein potenzieller positiver befinden, also dem Land mit seiner Wasserwirtschafts-, Effekt, dass die Anlage von Kompensationsflächen räumlich Naturschutz-, Straßenbau- und insbesondere der Domänen- besser gesteuert und in den Gewässerlandschaften konzen- triert werden kann (Beispiel Landkreis Harburg, s. Abb. 6). Abb. 6: Landschaftsrahmenplan Landkreis Harburg: regionale Auenabgrenzung mit Kompensationsflächenpool zur Schaffung von zusätzlichem Reten- tionsraum (Röhrichte, Seggenrieder, artenreiches Feuchtgrünland), Kartenausschnitt mit modifizierter Legende 56 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 2/2021
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