Hofnachfolge - eine Zukunftsfrage für die (Öko-)Landwirtschaft

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Ökologischer Landbau

( Schwerpunkt »Stadt, Land – im Fluss«

Hofnachfolge – eine Zukunftsfrage für die (Öko-)Landwirtschaft
Erfahrungen – Reflektionen – Forderungen

von Clemens Gabriel, Anika Bolten, Anne Dirksen, Vanessa Hoffmann,
Jasper Holler und Christina Meibohm

                  Die Übergabe eines Hofes ist eine der größten Herausforderungen im Leben der Bäuerinnen und
                  Bauern, die oftmals aufseiten der Übergebenden, aber auch bei den Übernehmenden als krisenhaft
                  erlebt wird. Immer seltener ist die Hofnachfolge durch Familienmitglieder gesichert. Umgekehrt
                  suchen viele junge und gut ausgebildete Menschen, die keinen elterlichen Betrieb übernehmen kön-
                  nen, den Weg in die Landwirtschaft.1 Umfragen haben ergeben, dass auf zwei Drittel der Betriebe
                  in Deutschland die Hofnachfolge nicht gesichert ist. Innerfamiliäre wie außerfamiliäre Hofüber-
                  gaben sind ein Problem, das über die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland mitentscheidet.
                  Der folgende Beitrag beleuchtet aus unterschiedlichen Perspektiven die vielfältigen Aspekte des
                  Themenfeldes »Hofübergabe«: Biographische Fragestellungen, familiäre Prozessbegleitung, Kon-
                  fliktlösungen, die Thematik des Scheiterns und der Schuld, Fragen der Existenzgründung und die
                  Frage nach den Besitzverhältnissen von Hof und Land. Er berichtet von Erfahrungen in Netzwerken
                  wie dem »Kontaktforum Hofübergabe«, aber auch aus der landwirtschaftlichen Familienberatung
                  und empirischen Forschung. Der Beitrag mündet in konkreten Folgerungen und Forderungen, wie
                  die notwendige Vernetzung aller Beteiligten intensiviert werden kann, damit landwirtschaftliche
                  Lebenswerke über Generationen hinweg erhalten bleiben – und weiterentwickelt werden können.

In Deutschland existierten 2018 rund 266.700 land-        Betriebe beträchtlichere Probleme mit der Übergabe
wirtschaftliche Betriebe, wobei die Zahlen seit Jahren    haben als größere.4 Diese Zahlen lassen bereits vermu-
stetig sinken; ebenso wie die Beschäftigungszahlen.2      ten, dass die häufig nicht geregelte Hofübergabe ver-
Über eine gesicherte Hofnachfolge verfügten laut der      stärkt Auslöser für Konflikte sein kann, die im schlech-
letzten durchgeführten Landwirtschaftszählung im          testen Fall die Hofübergabe zum Scheitern verurteilen
Jahr 20103 nur ein Drittel der Betriebe, wobei kleine     und die Weiterexistenz der Betriebe gefährden.

Kontaktforum Hofübergabe – ein Netzwerk entsteht
von Clemens Gabriel

Angesichts des oben genannten Generationenverhält-        Ökologie & Landbau (SÖL) – unabhängig und ehren-
nisses und auch aus eigener Betroffenheit entstand        amtlich durch eine Gruppe von Junglandwirten orga-
innerhalb des Öko-Junglandwirte-Netzwerks der             nisiert.5 Im nun fünften Jahr in Folge veranstaltet das
Wunsch, ein Forum zur Hofübergabe einzurichten.           Öko-Junglandwirte-Netzwerk im Februar 2020 das
Es sollte eine niederschwellige, persönliche Ergänzung    sog. »Kontaktforum Hofübergabe« unter dem Titel:
sein zu den damals sehr spärlich existierenden und        Lebenswerke übergeben – Lebenswerke neu beginnen.
meist nur anonymen Möglichkeiten der Begegnung               Seit dem ersten Treffen hat sich in der Landschaft
zwischen Hofsuchenden und Hofabgebenden.                  der Hofübergabebörsen, -beratungen und -beglei-
   Das Öko-Junglandwirte-Netzwerk wird – bis auf          tungen erfreulicherweise einiges neu entwickelt. Das
die gemeinnützige Trägerschaft durch die Stiftung         Kontaktforum Hofübergabe selbst hat sich vielseitig

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Der kritische Agrarbericht 2020

bewährt und etabliert. Neben seiner hauptsächlichen        Teilnehmern aufkommenden Fragen sind meist sehr
Funktion als Treffpunkt zwischen abgebenden und            grundsätzlicher Natur und zeugen von einer gewis-
suchenden Landwirten ist es ein offenes Zusammen-          sen Unsicherheit. Und das, obwohl wir ausdrücklich
spiel von alten und jungen Landwirten, Experten und        nur solche Teilnehmer einladen, die bereits mitten
Begleitern, privaten und institutionellen Beratern,        im Abgabe- oder konkreten Suchprozess stehen. Oft
Fortbildungsinitiativen, Stiftungen und anderen Hof-       werden inhaltliche Unsicherheiten vorgeschoben wie
und Land-Trägervereinen geworden. Dieses Zusam-            einfachste Finanzierungs- oder Rechtsfragen. Dahin-
menspiel zeigt sich ein ganzes Wochenende lang in          ter stehen jedoch meist fehlende grundsätz­liche Ent-
Gruppenarbeiten, Einzelberatungen, Workshops,              scheidungen in der Ausrichtung der eigenen Lebens-
Vorträgen, Vorstellungen und persönlich-biographi-         planung, welche wiederum einen längeren Klärungs-
schen Erlebnisskizzen.                                     prozess voraussetzen. Es wird deutlich, wie groß die
   Unsere Absicht war es, dem Generationenprob-            Lücke an Vorbereitung, Information und Bewusstsein
lem eine Generationenbegegnung entgegenzusetzen.           selbst dann noch ist, wenn der Prozess der eigentli-
Vertrauensvolle Atmosphäre, Unabhängigkeit und             chen Hofübergabe bereits begonnen wurde.
Offenheit sind dabei Kernmerkmale, die wir gezielt
verfolgen. Ein Schlüssel für die erfolgreiche Arbeit des   Die Ökobewegung als Initiativquelle
Kontaktforums ist ein vermeintlich banaler Aspekt wie
die bundesweite Ausschreibung für suchende und ab-         Wie in vielen anderen Bereichen zeigt sich auch hier
gebende Landwirte. Denn regional haben abgebende           eine besondere Eigenschaft der Ökolandbaubewe-
Landwirte meist Vorbehalte gegenüber ihren Kollegen        gung. Aufgrund der noch jungen Geschichte und der
und sind weniger bereit sich zu öffnen. Dies gilt ins-     noch überschaubaren Größe kennt man sich dort
besondere zwischen ökologischen und benachbarten           deutlich besser als in der viel größeren konventionel-
konventionellen, zur Umstellung bereiten Betrieben.        len Landwirtschaft. Es gibt neben Ökobauern auch
Aber auch suchende Junglandwirte schränken sich oft-       Ökobanken, Ökoausbildungen und -schulen, Ökobe-
mals zu sehr auf bestimmte Regionen oder bestimmte         rater und vieles mehr. Es entstehen neue und unab-
Betriebstypen ein. Dabei verlieren sie den Fokus auf       hängige Züchtungsinitiativen oder Trägerkonstrukte
das zwischenmenschliche Verhältnis in der Hofüber-         zur Sicherung von Flächen und Höfen. Man kann von
gabe und gehen nicht mehr gänzlich offen sich selbst       vielen kleinen, aber auch von einem großen Netzwerk
und anderen gegenüber in die Begegnungen.                  sprechen. Und alle müssen immer offen auch gegen-
   Voraussetzung, um an dem Prozess teilnehmen             über der konventionellen Landwirtschaft sein, denn
zu können, war und ist die Verbindlichkeit, ernsthaft      von dort kommen neue Betriebe hinzu; ohne diese
und zeitnah einen landwirtschaftlichen Betrieb abge-       Seite kann die Ökobewegung nicht weiter wachsen.
ben bzw. übernehmen und weiterführen zu wollen.            So war es auch sicher diese offene, vielschichtige und
Hatten wir diesen Eindruck von sich anmeldenden            überregionale Vernetzung innerhalb der Ökobewe-
Teilnehmern nicht, haben wir uns vorbehalten, diese        gung, welche die Entwicklung eines solchen Kontakt-
Anmeldungen abzulehnen.                                    forums möglich gemacht hat.
   Im Gegensatz zu der gezielten Kontaktaufnah-               In Anbetracht der aktuellen Bauernproteste in ganz
me mit einem Betrieb oder einer Beratung steht bei         Deutschland, bei denen so etwas wie Nachdenklich-
unserem Kontaktforum der unvoreingenommene                 keit und Einsicht in eigene Fehler und Fehlentwick-
Austausch zwischen Menschen, die sich sozusagen            lungen nicht vorkommt, zeigt sich noch eine weitere
im gleichen Boot befinden, im Zentrum. Im »gemein-         spezifische Qualität der Ökobewegung, welche dieser
samen Boot«, für das das Kontaktforum Zeit und             mit Sicherheit einen Vorteil im Umgang mit dem The-
Raum bietet, ist es wesentlich schwieriger, sich selbst    menkomplex Hofübergabe verschafft: ein wesentlich
oder anderen etwas vorzumachen. Vielmehr ist man           offenerer Umgang mit Scheitern und Versagen. Der
gezwungen, sich noch einmal die für eine Hofüber-          Ökolandbau hat eine andere »Fehlerkultur« – und
gabe grundlegenden Fragen zu stellen – ist damit           er muss sie auch haben. Das zeigt sich bereits an der
aber nicht mehr alleine. Ob sich aus diesem Treffen        schlichten Tatsache, dass ein Ökolandwirt einen Feh-
Hofüber­gaben ergeben, ist bewusst zweitrangig. Denn       ler z. B. in der Bodenbearbeitung nicht relativ einfach
für einen schlussendlich erfolgreichen und zufrieden-      mit Kunstdünger und anderen Hilfsmitteln ausglei-
stellenden Übergang ist ein intensiver, vorangehender      chen kann, sondern damit fürs Erste leben muss. Auch
Prozess unabdingbar.                                       die Frage der Schuld ist ein zentrales Thema in dem
   Immer wieder fallen uns als Veranstalter und den        persönlichen Prozess der Umstellung: »Welche Ver-
beteiligten Experten auf, wie sehr die Teilnehmer          antwortung habe ich der Schöpfung gegenüber? Ma-
noch am Beginn des Prozesses stehen. Dies ist nicht        che ich mich schuldig, wenn ich diese ausbeute oder
zeitlich, vielmehr inhaltlich gemeint. Die unter den       zu stark in diese eingreife?«

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Ökologischer Landbau

   Das Eingestehen von Scheitern, die Frage nach          Bereitschaft in der Ökobewegung größer zu sein, mit
Schuldgefühlen und der bewusste und offene Um-            diesen Themen offen(er) umzugehen.
gang mit diesen Themen (siehe dazu unten auch den            Die bisherigen Erfahrungen mit dem Kontaktfo-
Beitrag von Annika Bolten) sind oft unterschätzte         rum haben sehr deutlich aufgezeigt, wie einerseits
Faktoren, die über eine »flüssige« Hofübergabe als        notwendig und andererseits befruchtend die Zusam-
Weitergabe eines Lebenswerkes mitentscheiden. Ein-        menarbeit aller Beteiligten und Betroffenen aus den
zelne Ökolandwirte sind darin nicht per se besser als     verschiedenen Themenfeldern im Rahmen der Hof-
ihre konventionellen Kollegen. Dennoch scheint die        übergabefrage sein kann.

Ein Schritt nach dem anderem – persönliche Prozesse bei der Hofübergabe
von Vanessa Hoffmann und Christina Meibohm

Die Übergabe eines Hofes ist eine der größten Heraus-     und motivierte Menschen stehen bereit, um Verant-
forderungen im Leben von Bäuerinnen und Bauern            wortung zu übernehmen. Übergebende sind dann oft-
und wird als tiefgreifende Veränderung erlebt. Die        mals Mitte 50, und bis zu einer konkreten Übergabe
Hofübergabe, inner- wie außerfamiliär, ist ein viel-      bleiben noch viele Jahre gemeinsamen Arbeitens und
schichtiger Prozess. In einem landwirtschaftlichen Be-    Lebens. Jahre, in denen der Betrieb sich entwickeln
trieb sind existenzielle, persönliche, familiäre Themen   und verändern darf. Jahre, in denen innere Entwick-
und auch Gerechtigkeitsthemen eng miteinander ver-        lungsprozesse stattfinden, in denen die Übergebenden
woben und liegen bei einer Übergabe auf dem Tisch.        mit Veränderung umgehen müssen und sich die Fra-
Da ist es gut, einen Überblick zu bekommen, wobei die     gen stellen: »Weiß ich, was ich will? Kann ich umset-
landwirtschaftlichen Familienberatungen diesen Pro-       zen, was ich will?«
zess begleiten und moderieren können. Denn letztlich         Die ehrliche Beantwortung beider Fragen ist die
kann eine gelungene Hofübergabe durch die dabei           Basis einer gelingenden Übergabe. Die Antworten
vorgenommenen Neuordnungen eine große Chance              sind nicht statisch. Wenn sie frühzeitig gestellt wer-
für die Familienmitglieder und für den landwirtschaft-
lichen Betrieb darstellen. Bevor eine gemeinsame
Auseinandersetzung mit allen Beteiligten angestoßen         Anne Dirksen
wird, ermöglichen es Einzelgespräche, zunächst die ei-      Wie gehen wir als Paar in den Übergabeprozess?
genen Themen zu beleuchten und bewusst zu machen.
Diese vorgeschalteten persönlichen Prozesse möchten
wir im Folgenden separat vorstellen                         Egal, ob verheiratet oder ob ohne Trauschein zusam-
                                                            menlebend: Die Hofnachfolge geht nicht nur den
Ein Lebenswerk wird übergeben!                              Übernehmer oder die Übernehmerin etwas an, sondern
Die vielen Jahre des oft gemeinsamen Lebens und Ar-         beide Partner sollten sich als Paar auf den Prozess
beitens auf dem eigenen, selbst einmal übernomme-           vorbereiten und ihn gemeinsam gestalten. Dabei spielt
nen und entwickelten Betrieb bilden ein Lebenswerk.         es keine Rolle, wer letztendlich den Vertrag unter-
Sie geben Sinn und Struktur, Visionen und Lebens-           schreibt bzw. den Hof übertragen bekommt. Der oder
freude. Dann stehen Veränderungen an, die Zeit und          die andere sollte wissen, welche Konsequenzen die
Raum brauchen, um persönlich einen guten Weg zu             vertraglichen Vereinbarungen haben, z. B. hinsichtlich
finden. »Zu übergeben« verlangt, die gewohnte Ent-          der eigenen Absicherung im Todes- oder Trennungsfall.
scheidungskompetenz im betrieblichen Ablauf abzu-           Das spielt besonders dann eine große Rolle, wenn auch
geben. Daher heißt es, frühzeitig zu schauen, was es        Geld oder Arbeit in den Betrieb gesteckt wird. Gleiches
noch gibt (außer der Arbeit und den Aufgaben im Be-         gilt für das Paar, das den Betrieb an die nächste Gene-
trieb), das begeistert. Beispielsweise Hobbies und die      ration weitergibt. Bei Eheleuten müssen allerdings in
Pflege von Freundschaften, selbst wenn dafür schein-        der Regel beide unterschreiben, sofern das Vermögen
bar wenig Zeit und Energie vorhanden sind.                  als Ganzes oder wesentliche Teile davon übertragen
   Bei der Begleitung von Hofübergaben wird schnell         werden.
klar, dass im Prinzip der Wille zum Übergeben da ist.          Zur guten Vorbereitung gehören Zeit, genügend
Der Kopf sagt ja, aber das Herz kommt nicht hinter-         Informationen und verbindliche Terminsetzungen. Eine
her. Daher reden wir in der Familienberatung immer          Hofübergabe macht man allenfalls zweimal im Leben, 
von einem »Hofübergabeprozess«. Gut ausgebildete

                                                                                                                 147
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den, können sie sich im Laufe der Jahre ändern. In                  ich Visionen oder Wünsche für ein Leben nach der
unserer Beratungstätigkeit sind wir vielen mutigen                  Übergabe?
Bäuerinnen und Bauern begegnet, die in diesem oft
schmerzhaften »Umbruchprozess« stecken und sich                   Wann kann es endlich losgehen?
mit externer Prozessbegleitung unterstützen lassen.               Den Hof zu übernehmen, ist für die Übernehmenden
Wenn es eine goldene Regel der Hofübergabe gibt,                  das Ziel im Hofübergabeprozess. Bevor jedoch wirk-
dann heißt sie: »So früh wie möglich damit begin-                 lich die Verhandlungen über den Übergabevertrag
nen!«, nicht erst wenn die Gesundheit nicht mehr                  beginnen, wurde bereits viel für dieses Ziel investiert.
mitmacht oder das Rentenalter naht. Denn Verän-                   Meist wurden Ausbildungen abgeschlossen, Fortbil-
derung ist ein immerwährender Teil unseres Lebens.                dungen besucht, viel über den Betrieb nachgedacht,
Anstehende Veränderungen können – bewusst wahr-                   geredet und Kraft investiert. In den Beratungen wird
genommen – sogar als positiv und gewinnbringend                   uns häufig ein relativ klares Bild skizziert, wie der Be-
erfahren werden.                                                  trieb sich entwickeln soll. Es gilt, den Betrieb an die
   Für einen guten Umgang mit Veränderungen sollte                Vorstellungen derjenigen anzupassen, die ihn bewirt-
man sich mit folgenden Themen auseinandersetzen:                  schaften. Daher sollte vorerst das Augenmerk sein,
                                                                  sich mit den eigenen Wünschen auseinander zu setzen
■■   Loslösen ist ein umso schmerzlicherer Prozess, je            (»Weiß ich, was ich will?«).
     größer mein Unwillen oder die Unfähigkeit des be-               Die Veränderungen, welche die Bewirtschaftung ei-
     wussten Umgangs damit ist.                                   nes Hofes für das Leben mit sich bringt, sind vielfältig
■■   Ich trage die Verantwortung für den Schmerz im Pro-          und teilweise auch tiefgreifend. In der heutigen Zeit ist
     zess des Loslassens. Ich übertrage ihn nicht auf andere.     es ein Leben, welches vielen Menschen fremd gewor-
■■   Hatte ich ein bewusstes oder unbewusstes Leitbild            den ist. Es gilt sich zu fragen: »Kann ich das, was ich
     (z. B. Betrieb immer weiter vergrößern, ökologisch           will?«. Ist die Selbstständigkeit das Richtige für mich?
     wirtschaften, Bewahrung der Schöpfung, mein Erbe             Entspricht mir dieses Lebenskonzept? Es gilt, die in-
     gut weitergeben, meinen Nachkommen etwas hin-                neren Bilder, Vorstellungen, Wünsche und Ängste zu
     terlassen)?                                                  sortieren und zu benennen. Außerdem bedeutet die
■■   Welche Leitbilder kann ich loslassen, welche sollen          Übernahme eines Betriebes oft die Rückkehr in die
     bleiben? Gibt es neue Ziele in meinem Leben? Habe            eigene Familie, vielleicht auch ins eigene Elternhaus.

     einmal als Übernehmer/in, einmal als Abgeber/in. Bei         2. Aus der Sicht des Übernehmerpaares
     einer außerfamiliären Hofübergabe ist das den Beteiligten    ■ ■ Überprüfung und Aktualisierung der Vorsorgevollmacht

     eher klar als bei einer innerfamiliären. Da gilt oftmals         und Patientenverfügung.
     die unausgesprochene Erwartungshaltung: »Die anderen         ■ ■ Neufassung des Testaments, da sich die Vermögens­

     wissen ja, wie ich das meine« – was sich schon häufig als        verhältnisse geändert haben und die gesetzlichen
     Trugschluss erwiesen hat.                                        Bestimmungen insbesondere bei nichtverheirateten
        Eine externe Begleitung oder Beratung sollte für diesen       Paaren nicht passgenau sind.
     Prozess genauso selbstverständlich sein wie in der Pro-      ■ ■ Anpassung der Risikoversicherungen für Berufs­

     duktionstechnik. »Vergessene« Aspekte lassen sich nur            unfähigkeit und im Todesfall, um die Fortführung des
     schwer bis gar nicht nachträglich regeln, und unvollstän-        Betriebes und die Versorgung der Hinterbliebenen
     dige Hofübergaben können existenzbedrohende Folge-               zu sichern.
     kosten haben.                                                ■ ■ Risikolebensversicherungen sollten vor allem bei

                                                                      ­n ichtverheirateten Paaren so gestaltet werden, dass
     Was ist hinsichtlich der eigenen Absicherung zu klären?           im Erbfall keine Steuern anfallen.
                                                                  ■ ■ Gibt es im Hofübergabevertrag Rückübertragungs­

     1. Aus Sicht des Übergeberpaares                                  klausen an die Übergeber? Enthalten dieser oder wei-
     ■ ■ Überprüfung und Aktualisierung der Vorsorgevoll-              tere Verträge eine Vorsorge- oder Nachfolgeklauseln
         macht, Patientenverfügung und des Testaments.                 mit Konsequenzen für die Angehörigen?
     ■ ■ Vereinbarung der Altenteilsleistungen als Gesamtbe-      ■ ■ Aufsetzen von Darlehensverträgen unter den Partnern,

         rechtigte, damit auch nach dem Tod eines Altenteilers         wenn der oder die »Zugezogene« Geld in den Betrieb
         der oder die Überlebende weiter versorgt ist.                 investiert.
     ■ ■ Abschluss von Darlehnsverträgen mit der nachfolgen­      ■ ■ Abschluss eines Ehe- bzw. Partnerschaftsvertrags, um

         den Generation, wenn Geld als Startkapital in den             die finanziellen Folgen einer Trennung gut zu regeln.
         Betrieb gegeben wird.

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Ökologischer Landbau

Welche Rollen prallen bei solchen Veränderungen                 Eine professionelle und allparteiliche Begleitung
aufeinander?                                                 von Hofübergabeprozessen erfordert ein verlässliches
                                                             Beratungsangebot, wie es die landwirtschaftlichen Fa-
Frauen und Familie im Fokus                                  milienberatungen in vielen Teilen Deutschlands an-
Frauen, bringen neben den Fragen um den Hof andere           bieten. Um dieses Angebot langfristig zu erhalten ist
Themen mit ein, wie z. B. die Frage: »Was macht eine         Folgendes erforderlich:
Übergabe mit uns als Paar?« Außerdem formulieren
Frauen oftmals einen Loyalitätskonflikt zwischen ih-         ■■   Die Gewährung einer zuverlässigen staatlichen
rem Partner und den eigenen Kindern – oder eben das               Finanzierung, da das Angebot der landwirtschaft-
Verständnis für beide Seiten. Im Eifer des Gefechts               lichen Familienberatungen auf dem Engagement
fehlt jedoch oft die Zeit, sich die Frage zu stellen: »Und        vieler Ehrenamtlicher ruht.
was will ich für mich?« Hier gilt es, in der Beratung ein    ■■   Die Kontaktaufnahme mit den landwirtschaftli-
gutes Augenmerk drauf zu richten und den jeweiligen               chen Familienberatungen erfolgt selten zu Beginn
Bedürfnissen und Wünschen nachzuforschen. Per se                  des Hofübergabeprozesses. Hier könnten beteiligte
wird diese Rolle nicht nur von Frauen eingenommen.                Institutionen, die im Übergabeprozess kontaktiert
In der Mehrheit sind es jedoch immer noch die Söhne,              werden, schon frühzeitig auf unser Beratungsange-
die die Nachfolge antreten und die Frauen von extern              bot hinweisen, um den Prozess von Anfang an be-
auf den Betrieb kommen.                                           gleiten zu können.
                                                             ■■   Der Generationenwechsel ist ein kritischer Punkt
Für alle weiteren Familienangehörigen stellt sich                 im Unternehmerdasein. Ein Beratungspaket mit
die Frage, was sie von der Übergabe erwarten. Kon-                Beteiligung von sozioökonomischer Beratung, Fa-
kret bezieht sich dies oft auf die Verantwortung für              milienberatung und rechtlicher Beratung würde
die Versorgung der Eltern im Alter. Das Thema Ge-                 dem Stellenwert des Generationenwechsels gerecht
rechtigkeit spielt dabei eine große Rolle: »Was ist für           werden.
mich gerecht?« Gerecht heißt bei einer Hofübergabe           ■■   Bestehende Angebote, die neben den landwirt-
nicht, dass ein entsprechendes monetäres Erbe an die              schaftlichen Familienberatungen Hofübergaben be-
weichenden Erben ausgezahlt werden kann. Denn                     gleiten, beraten viel zu oft nur »im Sinne« des Hofes.
übergeben wird ein Arbeitsplatz, der auf dem Immo-                Ein neutrales Angebot, welches das Augenmerk auf
bilienmarkt meist mehr wert sein dürfte. Doch im                  alle beteiligte Akteurinnen und Akteure zu richten
Vordergrund steht das Ziel, eine gute Lösung für die              versucht, sollte angestrebt und unterstützt werden.
Menschen vor Ort zu finden und die Bewirtschaftung
des Hofes zu sichern.

Die innerfamiliäre Hofübergabe zwischen Schuldzuweisungen und Scheitern
von Anika Bolten

»Ich übernehme es nicht! Wir können nicht zusam-             Wertebasierte Konflikte innerhalb der Hofübergabe
menarbeiten!« Dann kommt das Gefühl: »Was passiert           »Tradition, Emotion und Pflichtgefühl spielen eine
mit meinem Hof, wenn ich den verkaufen muss, wenn            große Rolle bei den Überlegungen zur Hofnachfolge.
ich keinen Nachfolger habe?« Das ist ein Gefühl des          Dessen ungeachtet ist in der heutigen Nachfolger­
Scheiterns, da Generationen von Lebenswerken nicht           generation das Gefühl der Verbundenheit mit dem
übergeben werden. Eher ein Versagen, ein persönliches        elterlichen Grund und Boden genauso wie Traditi-
Versagen.6                                                   on und Pflichtgefühl nicht mehr so stark ausgeprägt.
                                                             Die zunehmende Bedeutung von Technik und Ratio­
Wenn es für die Altenteiler-Generation Zeit wird, das        nalisierung führt zu einer nüchternen Betrachtung
»Lebenswerk« zu übergeben, kann die Situation für            des Betriebs. Dieser hat, wie jeder andere Arbeitsplatz
alle Beteiligten sehr herausfordernd werden. Gerade          auch, in erster Linie die finanzielle Versorgung sicher-
auf traditionellen Familienbetrieben findet keine klare      zustellen.«7
Trennung zwischen Beruf, Familie und Freizeit statt.            Mit diesem Zitat werden erste Konfliktpunkte zwi-
Spannungen in einem der Bereiche wirken sich somit           schen den Generationen deutlich. Interessant ist, dass
weitreichender aus. Unterschiedliche Werte und Vor-          dieser Beitrag über die Hofübergabe bereits 1984/85
stellungen können solche Differenzen verstärken.             veröffentlicht wurde. Dennoch können den zentralen

                                                                                                                     149
Der kritische Agrarbericht 2020

Aussagen heute noch genauso zugestimmt werden wie            ■■   Das Loslassen des Betriebes fällt schwer.
damals – trotz beispielsweise des sozialen und struktu-      ■■   Unschlüssigkeit der betrieblichen Weiterführung
rellen Wandels der letzten Jahre oder des trüben Ima-             der Nachfolger.
ges und der veränderten Einstellungen zum Beruf des          ■■   Nachfolgergeneration ist direkter in seinen Äu-
Landwirts und der Landwirtin.                                     ßerungen und (Veränderungs-)Wünschen als die
    Eine weitere Rolle für Konfliktpotenziale spielt              Übergebenden; neue Rollenverteilung.
neben der Enttraditionalisierung auch die Individua­         ■■   Konflikte bezüglich der Hofübergabe werden bei
lisierung.8 Die Lebensstile und Vorstellungen der Jün-            Beratungsgesprächen gerne vorgeschoben, wobei
geren weichen zunehmend von denen der Älteren ab.                 im weiteren Verlauf der Beratung festgestellt wird,
Der Hauptfaktor ist die veränderte Prioritätensetzung             dass andere Themen viel brisanter sind.
der Nachfolgegeneration, da der Betrieb einerseits als
Arbeitsplatz fungieren, andererseits aber auch Frei-         Gegenseitige Schuldzuweisungen innerhalb von
zeitmöglichkeiten und Urlaub gewähren soll. Eigener          Streitgesprächen
Wohnraum und Privatsphäre werden beansprucht.                Sehr dominierende Punkte waren vor allem, die zu-
Dies sind Änderungen, die die sog. »Generation Y«9           rückgehaltenen Informationen seitens der Abgeber,
ausmachen.                                                   weshalb es zu Informationsasymmetrien kommen
    Hinzu kommt das veränderte Frauenbild bzw. das           kann, die schlechte Kommunikation und Abspra-
Rollenverständnis der Frau selbst. Sie übernimmt im-         che beider Seiten sowie das gegenseitige Vorwerfen
mer mehr Betriebszweige auf dem Hof, betreibt eine           falscher Entscheidungen. Die Art und Weise der
andere Kindererziehung und ist nicht nur »Hausfrau«.         Kommunikation zwischen Abgeber und Nachfolger
Oftmals gehen Frauen zusätzlich einer außerlandwirt-         ist somit ein nicht zu unterschätzender Faktor. Oft
schaftlichen Arbeit nach.10                                  wird weniger über das eigene Schuldempfinden ge-
                                                             sprochen, sondern mehr über die Frage, wer schuld
Ich bin mir sicher, dass dort ein Umbruch kommt, weil        an der Misere hat. Gegenseitige Schuldzuweisungen
allein schon in der Landwirtschaft das ja so ist, dass die   verhärten das Gespräch und erschweren den gesamten
Frauen in der Regel immer noch einheiraten. [...] Wir        Prozess.
kommen auch zunehmend auf Betriebe, wo die einge-               So kann z. B. ein und dieselbe Situation aufgrund
heirateten Menschen nicht mehr in der Landwirtschaft         der unterschiedlichen Perspektiven von Abgeber und
wirklich mitarbeiten. Das heißt, die bringen ganz an-        Nachfolger ganz unterschiedlich wahrgenommen wer-
deres Erziehungsgut mit. […] Die bringen Ansprüche           den. Fehlschläge und Misserfolge etwa werden aus der
mit auf Urlaub oder Wochenende. Das knallt natürlich         Sicht des Betroffenen oftmals anders bewertet als von
aufeinander. Aber das ist ein Aushandlungsprozess [...]      einem außenstehenden Beobachter. Bei Misserfolgen
Also das heißt, alte Strukturen, da muss man gucken,         macht der Betroffene in der Regel eher die äußeren
was ist erhaltenswert, aber es kommt was Neues hinzu         Umstände, also auch andere Personen, für das Ge-
und es verändert sich und das finde ich gut. Und auch        schehen verantwortlich, statt es sich selbst anzukrei-
zu sagen: »Bloß weil ihr das immer so gemacht habt,          den. Umgekehrt machen Außenstehende meist eher
heißt es noch lange nicht, dass es gut ist. Wir können ja    den Betroffenen selbst für seine Lage verantwortlich.
mal was anderes probieren.« Manchmal führt das dann          Dies wird in der Forschung der Akteur-Beobachter-
zu Konflikten. Auch die Kinder dürfen jetzt entscheiden,     Unterschied genannt. Diese unterschiedliche Bewer-
ob sie den Betrieb übernehmen möchten oder nicht.            tung lässt sich dadurch erklären, dass der Betroffene
                                                             über andere und mehr Informationen (vor allem über
Das vermeintliche Scheitern der Hofübergabe                  sich selbst) verfügt als der Beobachter.11
Nicht jeder Konflikt muss sich dermaßen verhärten,
dass die Hofübergabe scheitert, aber es gibt sowohl ex-      Fazit
terne als auch interne Einflüsse, die eine gemeinsame        In den Interviews wurde die Aufforderung deutlich,
Lösungsfindung erschweren. In meiner derzeitigen             dass der sensible Umgang mit Fehlern und Scheitern
Forschung zum Umgang mit Scheitern im landwirt-              ein Bestandteil der unterschiedlichen Schulsyste-
schaftlichen Sektor sind innerhalb der Interviews mit        me sein sollte. Dasselbe gilt für das Verständnis von
Beratern und Dienstleistern diverse Faktoren in Be-          Schuld und dem Lernen von Vergebung. Hier wäre es
zug auf die Hofübergabe genannt worden. Die Befrag-          somit die Aufgabe der Kultusministerien, die Lehrplä-
ten sehen Konfliktpotenziale zwischen Abgeber und            ne dementsprechend anzupassen und die Lehrkräfte
Nachfolger vor allem in Folgendem:                           zu schulen.
                                                                Zum derzeitigen Zeitpunkt gibt es zum Thema
■■   Unklare Zukunft, unsichere Altersversorgung,            Scheitern im deutschsprachigen Raum zu wenig For-
     mögliche betriebliche Weiterentwicklung.                schung; eher werden Erfolgsindikatoren, Erfolgsstra-

150
Ökologischer Landbau

tegien und Gewinnoptimierungen untersucht. Somit            lichen Diskurs gerückt werden. Werden Scheitern und
muss auch die Forschung ihr Portfolio erweitern und         Schuld um die Potenziale des Lernprozesses erweitert
sich vermehrt der vermeintlichen Kehrseite der Me-          und somit unter positiven Gesichtspunkten betrach-
daille widmen.                                              tet sowie als Bestandteile des alltäglichen Lebens ak-
   Gleichzeitig müssen beide Themen, Scheitern und          zeptiert, dann ist ein Schritt in die richtige Richtung
Schuld, näher in den gesellschaftlichen und öffent­         getan.

BioBoden Genossenschaft und BioHöfe Stiftung –
Engagement für den Generationenwechsel
von Jasper Holler

Durch die große Zahl an Hofgründungen im Öko-               der Knoten durchschnitten wird. Die Genossenschaft
landbau in den 1970er- und 80er-Jahren erlebt die           muss nicht Teil der Lösung sein, aber wir freuen uns
Ökobranche den demographischen Wandel noch ein-             über jeden Hof, der in die Zukunft geführt wird. Seit
mal spezifischer. Hier ergibt sich für die Finanzierun-     2015 sichert die eingetragene Genossenschaft Land
gen und Trägerschaften wie die BioBoden Genossen-           und Höfe für den Ökologischen Landbau. Dafür ha-
schaft eine ganz neue Herausforderung, weil es nun          ben bereits 4.400 Menschen und Institutionen als Mit-
ganze Höfe sind, die gesichert werden müssen, und           glieder Kapital zur Verfügung gestellt. So wurde auf
die junge Generation oft nicht das Kapital hat, diese       über 60 Höfen in ganz Deutschland der zukunftsfähi-
Höfe zu übernehmen.                                         gen Landwirtschaft der Boden bereitet. Dabei werden
   In den meisten Hofübergaben (inner- und außerfa-         auch immer wieder inner- und außerfamiliäre Rege-
miliär) wird die Finanzierung als größte Herausforde-       lungen zur Hofnachfolge realisiert und so Jungland-
rung benannt. Doch die Erfahrung in der Realität ist        wirten die Fortführung der Höfe ermöglicht.
eine andere: Wenn die anderen Themen erfolgreich               Viele Biobauern sehen ihr Lebenswerk bedroht,
bearbeitet wurden und die Finanzierung an die richti-       wenn sie selber nicht in der Lage sind, Nachfolger zu
ge Stelle im Übergabeprozess gerückt ist, dann schei-       finden. Die BioHöfe Stiftung für eine zukunftsfähige
tern Hofübergaben ganz selten am Geld. Viel häufiger        Agrarkultur möchte sich darum kümmern, dass die-
scheitern Hofübergaben an der mangelhaften Vor-             se Betriebe auch weiterhin im Sinne der abgebenden
bereitung, der fehlenden Verbindlichkeit, den nicht         Landwirte ökologisch bewirtschaftet werden. Die ge-
getroffenen Verabredungen und dem Vergessen der             meinnützige BioHöfe Stiftung ist ein gemeinsames
Vertraulichkeit sowie der fehlenden kritischen Wür-         Projekt der Stiftung Ökologie & Landbau (SÖL) und
digung der Zukunftsfähigkeit eines Hofes.                   des GLS Treuhand e.V. Den Stiftungsbetrieb führt die
   Die BioBoden Genossenschaft konnte vielmals              BioBoden Genossenschaft durch.12
auch durch eine unabhängige Beratung helfen, dass

Netzwerk Hofübergabe – einige Folgerungen & Forderungen
von Clemens Gabriel

Die Notwendigkeit einer stärkeren Unterstützung             ■■   Es ist deutlich, dass die verschiedenen Beratungs-
des Generationenwechsels in der Landwirtschaft                   felder (sozioökonomische Beratung, Familienbera-
kann nicht mehr geleugnet werden. Wo weiterer For-               tung, Fachberatung) im Hinblick auf eine ganzheit-
schungs-, Beratungs- und Bildungsbedarf besteht, ist             liche Begleitung der Hofübergabe stärker verknüpft
ebenfalls recht ersichtlich und in den vorangegange-             werden müssen.
nen Beiträgen herausgearbeitet:                             ■■   Es ist ebenfalls deutlich, wie hoch der Bedarf an wei-
                                                                 teren, insbesondere persönlichkeitsbildenden Exis-
■■   Es ist unstrittig, dass es weiterer Forschung im Be-        tenzgründer- und Jungunternehmerkursen ist und
     reich agrarpsychologischer Fragestellungen mit be-          einer sich daran anschließenden Mentorenschaft.
     sonderem Blick auf eine Kultur des Scheiterns und      ■■   Gleichzeitig gibt es einen immensen, leider viel zu
     der Schuldfrage bedarf.                                     wenig im Bewusstsein stehenden Bedarf an weiter-

                                                                                                                    151
Der kritische Agrarbericht 2020

   führender Unternehmerschulung; einer Schulung,                             Life-Balance« in den Vordergrund stellen. Vgl. S. Augustine (Hrsg.):
   die dazu befähigt, Betriebe und unternehmerische                           Die Generation Y und Integrated Reporting. Wiesbaden 2018.
                                                                         10   Siehe Hermanns (Anm. 8).
   Lebensläufe auch »vom Ende her« zu führen.
                                                                         11   F. Fincham und M. Hewstone: Attributionstheorie und
                                                                              -forschung. In: W. Stroebe, K. Jonas und M. Hewstone (Hrsg.):
Es ist nun ein leichtes, all dies zu fordern bzw. in das                      So­z ialpsychologie. Berlin/Heidelberg 2002, S. 215–263.
Bewusstsein zu rufen. Doch wie kann es gelingen, be-                     12   Mehr unter www.bioboden.de und www.biohoefe-stiftung.de.
deutende Schritte nach vorne zu unternehmen?                             13   www.zugangzuland.de.
   Dazu braucht es eine Netzwerkstruktur, die alle Be-
teiligten miteinander in Verbindung bringt. (So wie es
das Kontaktforum Hofübergabe in Ansätzen seit eini-                                            Clemens Gabriel
gen Jahren übt; ein Bespiel aus einem anderen Bereich                                          Demeter Junglandwirt, Mitgründer und Organi-
kann hier das Netzwerk Flächensicherung13 geben.) So                                           sator des Öko-Junglandwirte-Netzwerks sowie
                                                                                               Mitglied im Vorstand des AgrarBündnis e.V.
ist es eigentlich längst überfällig, ein breit aufgestelltes
Netzwerk Hofübergabe zu gestalten. Entstehen muss                                              Stedebach 2, 35096 Marburg an der Lahn
dies aus den Beteiligten heraus. Wichtig ist dabei,                                            clemensgabriel@gmail.com
dass es breite Unterstützung erfährt durch die Politik,
die verschiedenen Anbauverbände und die gesamte                                                Anika Bolten
Biobranche. Denn die gelungene Gestaltung des Ge-                                              wiss. Mitarbeiterin im Fachgebiet Soziologie
nerationenwechsels ist nicht nur für die jeweiligen Be-                                        ländlicher Räume der Universität Kassel.
triebe existenziell; sie betrifft die Überlebensfähigkeit
                                                                                               Universität Kassel
der Landwirtschaft als ganze und muss daher auch die                                           Steinstraße 19, 37213 Witzenhausen
gesamte Branche etwas angehen!                                                                 anika.bolten@uni-kassel.de
                                                                                               www.agrarpsychologie.de
Das Thema im Kritischen Agrarbericht
X X Veronika Grossenbacher: Frauen bewegen Landwirtschaft.
    In: Der kritische Agrarbericht 2019, S. 310–314.
X X Jasper Holler: Ein Anfang ist gemacht. Der Bärenbrunner Hof
                                                                                               Anne Dirksen
                                                                                               Leiterin des Sachgebietes Familie und Betrieb,
    in der Pfalz. Eine erste treuhänderische Hofübergabe an die
                                                                                               Sozioökonomische Beratung, der Landwirt-
    BioHöfe Stiftung. In: Der kritische Agrarbericht 2018, S. 127 f.
X X Simone Helmle: Aufbruchstimmung. Erste Erfahrungen im Pilot-
                                                                                               schaftskammer Niedersachsen.
    projekt »Existenzgründung und Unternehmensentwicklung«.
                                                                                               Mars-la-Tour-Str. 6, 26121 Oldenburg
    In: Der kritische Agrarbericht 2018, S. 144–148.
X X Christian Vieth und Frieder Thomas: Hofnachfolger gesucht –
                                                                                               anne.dirksen@lwk-niedersachsen.de
    und vorhanden. In: Der kritische Agrarbericht 2013, S. 58–63.                              Vanessa Hoffmann
XX Titus Bahner: Bauer sucht Umkreis. Alternative Eigentumsformen
                                                                                               Studierte ökologische Agrarwissenschaften.
    an Grund und Boden. In: Der kritische Agrarbericht 2010, S. 35–42.                         Sie ist ausgebildete ländliche Familien­
                                                                                               beraterin und als solche ehrenamtlich für die
Anmerkungen                                                                                    bäuerlichen Familienberatungen e.V. in der
 1 Siehe hierzu auch den Erfahrungsbericht von Phillip Brändle in                              Erzdiözese Augsburg tätig.
   diesem Kritischen Agrarbericht (S. 96–100).
 2 Statistisches Bundesamt: Anzahl der Betriebe in der Landwirt-                               Pfitznerstr. 6; 86938 Schondorf am Ammersee
   schaft in Deutschland in den Jahren 1975 bis 2018 (in 1.000).                               vanessahoffmann2@gmx.de
   Wiesbaden 22. November 2018.
 3 Statistisches Bundesamt: Land- und Forstwirtschaft, Fischerei.
   Hofnachfolge in landwirtschaftlichen Betrieben der Rechts-                                  Jasper Holler
   form Einzelunternehmen - Landwirtschaftszählung 2010. Fach-                                 Zuständig für die Mitgliederbetreuung und
   serie 3, Heft 4, Wiesbaden 2011.                                                            Kommunikation bei der BioBoden Genossen-
 4 C. Röckl, F. Thomas und C. Vieth: Höfe gründen und bewahren:                                schaft.
   Ein Leitfaden für außerfamiliäre Hofübergaben und Existenz-
   gründungen in der Landwirtschaft. Kassel 2008.                                              BioBoden Genossenschaft eG
 5 Weitere Infos unter www.oeko-junglandwirte-netzwerk.de.                                     Christstraße 9, 44789 Bochum
 6 Die kursiv eingerückten wörtlichen Zitate entstammen aus                                    jasper.holler@bioboden.de
   Experteninterviews zum Thema »Fehler, Scheitern und Ver­
   sagen in der Landwirtschaft«.                                                               Christina Meibohm
 7 V. Bartenbach: Das Problem der Hofnachfolge vor dem Hinter-                                 Gelernte Landwirtin und Agrarwissenschaft­
   grund neuerer sozioökonomischer Entwicklungen am Beispiel                                   lerin. Sie ist Beraterin der ländlichen Familien-
   Herrieden. Mitteilungen der Fränkischen Geographischen                                      beratung in Hessen der Evangelischen Kirche
   Gesellschaft. Bd. 31/32 (1984/85), S. 545–555.                                              von Kurhessen-Waldeck.
 8 V. Hermanns: Beratung von Familien mit existenzgefährdeten
   Betrieben in der Landwirtschaft. Weikersheim 2001, S. 35–41.                                Familie & Betrieb
 9 Zu der Generation Y zählt man die Jahrgänge 1980–1995, die die                              Elisabeth-Seitz-Straße 16, 34613 Schwalmstadt
   persönliche Entfaltung innerhalb des Berufes und die sog. »Work-                            christina.meibohm@ekkw.de

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